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chcs erfahren hatte. Müßte mich sehr irren,
wenn der uns, nach dem Einquatirungs-Billet
als Pflanzer Knappe Bezeichnete, nicht unter
Napoleon gefochten und er das Nachziehen des
linken Beines nicht einem unserer Landsleute
oder unserer Verbündeten zu vergelten hätte.
Da kommt seine Nichte, wahrscheinlich, um uns
zum Nachtessen zu rufen, eraminiren wir sie
ein wenig I —
Barbe war eine muntre, wohlgebildete
Dirne, in der zweiten Hälfte der Zwanziger,
. sie schien dem unschuldigen Scherz nicht abge
neigt und gehörte keineswegs zu den Schweig
samen ihres Geschlechts. Diese Eigenschaften,
die die Einquartirten auszubeuten versuchten,
um über ihren Wirth Näheres zu erfahren,
führten dieses Mal zu keinem Erfolge und
man setzte sich an den kleinen mit Käse, Brod
und Wein servirten Abendtisch, dem Wirth
und dessen Nichte gegenüber, als ob jede ge
sellige Annäherung auch hier scheitern sollte.
Der Wirth war der Erste, der seinen Schop
pen anpackte, seinen Gästen ein Gleiches zu
thun anrieth, und auf das Wohl der Stadt
D —, wo auch er vier Wochen als Militair
angenehm gelebt, gemeinschaftlich ein Glas zu
leeren vorschlug. Wie ein Blitz zündete der
vaterländische Name, die grünen vollen Gläser
klangen und die Perle des Weins schmolz den
den kalten Thau der aüs dem Vierblatte der
Tischgesellschaft einige Augenblicke geweilt. „War
meine längste Ruhe während meiner vierjähri
gen Dienstzeit, als ich im Sommer 1808 in
ihrer ehrwürdigen Stadt beim Bäcker W....r
so recht gemüthlich einquartirt lag und in dem
kleinen Gärtchen hinter dem Hause philosophirte,
bis" — Diese vom Wirth ausgestoßenen
Worte machten, daß Barbe bedenklich den Kopf
schüttelte, unterdessen die beiden Einquartirten
durch Blicke unter einander eine Idee auszu
tauschen schienen. Merke schon Bärble, was
Du willst — fuhr der Wirth fort — Du
weißt, daß gerade dieses Kapitel aus meinem
Soldatenlcben mir jedesmal, wenn ich es be
rühre, eine schlaflose Nacht macht — werd^ da
gegen mit meinem jungen Gaste hier vvn der
mit demselben für Morgen verabredeten Wan
derung auf den Bergen sprechen. So geschah
es denn auch; viele alte Sogen würzten, bis
die Mitternacht nahe war-' die kleine Tafel
runde; Barbe setzte einen Schoppen nach dem
andern auf und stimmte vergnügt mit ein, als
man am Schluß das Lied „Am Rhein, am
Rheins erschallen ließ. —
Durch das winzige Fenster des Dachstüb-
.chens schaute am nächsten Morgen der Jün-
i gere %cr beiden Preußen auf den vom Auf
gange der Sonne eigenthümlich schattirten
Nheinstrom. Um vier Uhr wollte er mit dem
Wirth seine Wanderung beginnen, noch war
es lange bis dahin; fest schlief noch der Bett-
genosse, die Stille rund herum lud zum Nach
denken ein und die gemachte Entdeckung, daß
der Wirth vor sieben Jahren im elterlichen
Hanse einquartirt gewesen, lieferte den ersten
Stoff dazu. Sollte er sich meiner, des da
mals 12jährigen Theodors nicht mehr erinnen?
ich werde ihn heute mit meinem. Namen über
raschen und erfahre dann vielleicht, was dem
Kautz das Andenken an die Vaterstadt verlei
det. Die sich dem nachdenkenden jungen Manne
immer mehr ausbreitende Tageshelle zeigte
demselben auf einem der höchsten Bäume des
kleinen Gärtchens eine Fußhohe Figur, in
Form eines Husaren, den Säbel, wahrschein
lich vom Winde getrieben, wie zur Vertheidi
gung um sich schwenkend. Eine Erinnerung
des Treibens aus der Knabenzeit im elterli
chen Garten taucht plötzlich auf. — Zielen!
Zielen! ruft er so laut, daß sein Kamerad er
wacht, und erzählt diesem nun, wie eine ähn
liche Figur, als er dort sehe, als Andenken
an einen verstorbenen Verwandten, der unter
Zieten gedient und Bildhauer gewesen, lange
in seiner Eltern Garten gestanden habe, allge
mein Zieten genannt worden und vor meh
reren Jahren auf eine unerklärbare Weise ab
bänden gekommen sei Man sprach noch über
dieses Thema, als von unten die Stimme des
Wirths zum Aufbruch der projectirten Wan
derung mahnte. Die Wanderer zogen aus,
.während dcr zurückgebliebene Oberjäger- sich
zum Dienst anschickte. —
Die beiden Kameraden sahen sich an die
sem Tage nicht mehr, -.denn als der Eine Nach
mittags von seinem Ausfluge heimkehrte, hörte
er von der Barbe, daß der Andere schon Mit
tags mit Sack und Pack abgezogen und übern
Rhein geschifft sei. Andern Tages beim Stell
dichein des Corps traf man sich erst wieder
zusammen. Nicht genug konnte Theodor das
Interessante seiner'gestrigen Wanderung und
das Zuvorkommende seines Führers, nachdem
dieser den Namen seines Einquartirten erfah
ren, rühmen. Der gute Rheinländer, sagte