128
klecklickes Sümmchen zuzusetzen haben.
Glück wie Unglück, beide kommen selten
allein, sagt ein altes Sprüchwyrt, und alte
Sprüchwörter sind immer wahr, denn kein
Sprüchwort wird alt, das nicht aus einer
Wahrheit beruht.
Sobald die Bergstädter Jungfrauen —
Fräuleins wollte ich sagen — sahen, daß der
junge Edgar sich dem Netze der Farvoli ent
wunden hatte und ein ordentlicher Mann zu
werden begann, sogar Geld auf Zinsen aus
bot, so fingen auch sie an, ihre Netzchen aus
zulegen. So fein diese auch gesponnen wa
ren, so kamen sie Edgar doch so nahe vor
Augen, daß er sie gewahr werden mußte.
„Nun warum nicht!" dachte Edgar.
„Nichts über Familicngliick, Häuslichkeit, Be
quemlichkeit! -- Also herrathen."
Bei schwachen Charakteren liegt der Ent
schluß und die mögliche Ausführung, auch
wenn sie sofort bewirkt werden kann, meist
weit auseinander, wenn nicht ein besonderer
Impuls gegeben wird.
Diesen Impuls gab hier der Landjäger
Reiter aus Elisenthal. Er juchte ein Kapital
zum Ankauf einer Wiese, welche er, durch ver
wandtschaftliche Verhältnisse begünstigt, vor-
theilhaft erhalten konnte, und wendete sich an
Edgar, die fehlende Summe bei ihm aufzu
nehmen.
Edgar zeigte sich bereit, und begleitete
auf wiederholte Bitten den Landjäger nach
Elisenthal, die zu verpfändende Wiese zu be
sichtigen.
Oh, wer kennt das romantische Elisen-
thal? und wer es kennt, wer beschreibt cs mit
seinem Bache, Walde, seinen Gärte», Blu
men und Blümchen, die alle nur dort zu
wachsen schienen, sich von Rös'chcns Reizen
überstrahlen zu lassen; sich in ihren klaren
Aeuglein widerzuspiegeln und ein Plätzchen an
ihrem jungfräulichen Busen zu finden.
Röschen war die Tochter des Landjägers;
jung, lebenslustig, dabei wirthschaftlich, und
durchaus nicht abgeneigt, sofort einer Wirth
schaft als Hausfrau vorzustehen.
„Klar fühlt' eS Edgar damals in sich werden:
„Die ist es, oder keine sonst auf Erden!"
Die nun beginnende Liebesgeschichte glich
der oller übrigen Liebespaare unter ähnlichen
Verhältnissen, wo ein junger Mann, der schon
in der Schule einer Farvoli war, auf ein Rös
chen aus Elisenthal stößt.
Edgar kam, sah und siegte! — Röschen
schwebte in dem dritten Himmel, an den
Brautaltar und in das Brautgemach.
Ein Jahr war verflossen und noch hatte
kein Wölkchen den Ehestandshimmel des jun
gen Paares getrübt. Das ist beispiellos und
mußte daher bestraft werden.
Leute, wie Edgar, stehen nur fest, so lange
der Versucher fern bleibt.
Eine Schauspieler-Truppe rückte in Berg
stadt ein. ,; i
Frau von Schwaanen, die Prima-Donna,
verrückte der Männerwelt dort die Köpfe, und
Edgar war nicht der Letzte, welcher den Ver
stand so weit verlor, daß er selbst sein ehe
liches Glück zernichtete, seine Finanzen zerrüttete
und mit seinen Geschäften in Rückstand ge-
ricth, lediglich um bei Frau von Schwaanen
eine Stufe der Gunst zu erklimmen, auf wel
cher der verstorbene oder verschiedene Herr
von Schwaanen vielleicht der Erste gewesen
war; auf der aber Edgar, wie schon die ge
sunde Vernunft an die Hand geben mußte,
ohnmöglich der Zweite oder Dritte wurde,
und noch weniger der Letzte bleiben konnte.
Wir übergehen ; Uie Auseinandersetzungen
aller jener Störungen des ehelichen Friedens,
Röschens Kummer und endlich ihren Entschluß,
des Gatten verlorene Liebe durch Eifersucht,
welche sic in ihm zu erregen suchte, wieder zu
gewinnen. In dieser gefährlichen Schlinge
fing sich die junge Frau selbst.
Oft hatte früher Edgar gescherzt, wenn
Röschen nach einer Handlung ging, in der
ein äußerst gewandter Kommis servirte, auf
dessen einnehmender Gestalt so gern die Blicke
der Käuferinnen ruhten. Er sollte jetzt zur
Folie diene», den ungetreuen Gatten wieder
an Röschen zu fesseln.
Aber aus Scherz wurde Ernst und das
Verhältniß zwischen Röschen und dem Kommis
blieb bald kein Geheimniß mehr. Gegenseiti
ges Ucbcreinkommen zwischen Edgar und sei
ner Frau erleichterte ihre Trennung zu beider
seitiger Zufriedenheit.
Edgar veräußerte die liegenden Grund
stücke, dre er noch besaß, und folgte der Frau
von Schwaanen beim Abgänge der Truppe.
Röschen reichte nach einiger Zeit dem