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zu könnte nicht erwünschter kommen. Sichst Du das
Ablernest.dort auf der Föhre?" -i üt mWv
„Zu Befehl, Herr Graf! ich sehe eS. Wie zor
nig die Alten es umkreisen." — (s
Nichts Arges ahnend, nahcte das Opfer der Bos
heit. Die Reiter hielten ihre schnaubenden Roste au.
„Woher des Weges, naseweiser Mensch!" ries
Hippolyt den treuen Diener an, sich umsonst bemü
hend seine innere Aufwallung zu dämpfen.
„Uni den Auftrag meines Herrn zu dollsühren,
kehre ich zu ihm zurück."
„Eine feine superkluge Antwort!" fuhr er
grimmt der Graf fort. „In der Schule Deines wei
sen Herr» scheinst Du unverschämt genug geworden
zu sein." n »til?
„Ich preise die Vorsehung, die mir in dem Be
sitze meines Herrn das höchste Glück meines Lebens
beschiede» hat," war JeanS Antwort.
„So, so! das heißt. Dein Herr ist das Ideal
menschlicher Vollkommenheit und alle anderen Men
schenkinder sind arme Schächer gegen ihn; nicht?
Grobian? — Doch Du hast meine Frage undollstän
dig beantwortet, Bursche!"
„Verzeihung, gnädiger Herr Graf! ich glaube
Niemand außer meinem Herrn Antwort schuldig zu
sein. Verschwiegenheit im Dienste ist mir eine.heilige
Pflicht." — . ■" müh
„Alle Heiligen, die Galle geht mir über/ wenn
ich so freche Reden in Gegenwart meines Herrn höre!"
rief Ignatz affcctirend und versetzte Kvsciuskos treuem
Diener einen derben Backcnstreich.
„Speichellecker, Schurke!", rief Jean auffahrend,
„warum mißhandelst Du mich? waö habe ich Dir
zu Leide gethan?" und er vergalt Gleiches mit
Gleichem. - • ■ 'Ii/Vj ti:$
Wüthend faßten sich die Diener und hielten ei
nen Augenblick daS Gleichgewicht.
„Halt ihn, Ignatz!" schrie der Gras, „wir wol
len den Schurken schon kriegen."
Er zog einen Strick auS der Jagdtasche und warf
den Gegner mittels einer Schlinge zu Boden. Darauf
wurden dem Aermsten Beine und Hände gebunden
und seine Taschen durchsucht, in deren einer ein ver
siegeltes Briefchen mit der' Aufschrift : „Herrn Major
Th. KosziuSko" sich vorfand. ,
„Bei allen Göttern, ich erkenne die Hand.Hed
wigs!" rief Hippolyt ingrimmig auS. „Wahrhaftig,
ich irre nicht! — hier — in dem Siegel die.-An
fangsbuchstaben H, 8. Ja. sie.hat mich verschmähet;
jetzt erst fällt mir's wie Schuppe» von den Äugen;
— der winzige Lump, der Herr von Habenichts, hat
mich ausgestochen. O Schmach und Schimpf!
Daß gleich die Erde mich verschlänge! — Und dieser
Schurke steht mit in dem gegen mich geschmiedeten
Eomplot und asfectirt für ein gutes Trinkgeld erge
bene Treue! — will Dir den verdienten Lohn wohl
geben lassen! — Ignatz, nimm den Rehftiß, kühle
Dein Müthchen an diesem verstockten Lügner und
zähl' ihm ein halbes Schock ,aus dem Pfeffer>:auf!
Unterdessen werd ich den Inhalt deö Briefes er
forschen." »
Begierig erbrach er den Brief und setzte vor sich
hin mit Bitterkeit hinzu: „Ach, möchte doch mein ar
mes Her; dabei nicht schmelzen wie der Schnee in
der Frühlingssonnt!." Hastig warf er daS rottende
Auge hinein. Aber — o Wunder! — so oft er den
Brief auch drehen mochte, er blieb ihm unleserlich,
unerklärbar. Die widersprechendsten Leidenschaften
durchivbten seine Sinne dermaßen, daß er die Mög
lichkeit übersah, die üblichen Schristzeichen auf eine
Geheimschrift anzuwenden. Hedwig hatte sich der
Ehifferirkunst zu ihrem Brieflcin bedient, von welcher
sie wußte, daß Kosciusko mit ihr vertraut sei.
. ; Nachdem Hippolvt die sonderbare Schrift lange
Zeit betrachtet hatte, schien er einen Entschluß gefaßt
zu haben. Er schüttelte das Haupt und murmerlte:
„Die Schrift entbehrt des Sinnes; — gewiß nur eine
sein ersonnene Hinweisung darauf, daß der Liebesan
trag des Thoren von gleicher Beschaffenheit gewesen.
— Mein Spiel wäre also noch nicht verloren. Wohl
an zu iyr hin, um mir Ueberzeugung zu verschaffen!
— Kost' es, was es wolle, ich will ihn ausstechen
— oder vernichten!" ..
ij« de» Brief ein. „Halt an, Ignatz!"
rief er seinem Gesellen zu: „Wie viel hast Du ihm
aufgetrumpft?"
„Nur die größere Hälfte der ihm zudictirten An
zahl Schläge, mein gnädigster Herr," antwortete der
Diener. ........
„Genug, nimm dafür diesen Rubel hin!" unter
brach ihn jener. „Und Du, elender Wicht, — diesen
Brief zur weiteren Beförderung! — Ignatz, bind ihn
los und gieb ihn frei! — Damit Du aber einen bes
sern Begriff von meiner Schützenkunst erhältst, so be
fehle ich Dir, bei Strase meines. höchsten Zornes,
diese Fichte hier zu erklettern und aus dem Neste die
junge Brut zu holen." f , • ., ,■ , .... r ,
„Erbarmen, gnädiger Herr, Erbarmen!" jammerte
Jean, „die Alfen umkreisen ja das Nest;. sie. lassen
es lebendig nicht erreichen."
„Ich schieße Dich .zum Krüppel, Unverschäm
ter!" schrie Hippolyt entgegen, „wenn Du nur noch
eine» Augenblick anstehst, meinen Befehl zu voll
strecken." :
Der unglückliche Diener gehorchte mit sträubendem
Haare, den Rock ablegend. Je höher er kam, je nä
her dem Horste, desto tvflder umschwärmten ihn unter
gräßlichem, weit den Forst durchschallendem.Geschrei
die wuthschnaubenden Raubvögel. Schon strömte das
Blut aus seinen zerfetzten Arme», womit cp:ohn-
..mächtig. gegen die wüthigen Anfälle, der. Bestien sich
wehrte. Fort und fort versuchten sie durch die Kraft
ihrer mächtigen Schwingen ihn herabzuschleudern und
stießen. oft so .grimmig.zusammen; dass sie, wie vom