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Volume No. 1

Full text: Berliner Omnibus (Public Domain) Issue1.1847 (Public Domain)

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zu könnte nicht erwünschter kommen. Sichst Du das 
Ablernest.dort auf der Föhre?" -i üt mWv 
„Zu Befehl, Herr Graf! ich sehe eS. Wie zor 
nig die Alten es umkreisen." — (s 
Nichts Arges ahnend, nahcte das Opfer der Bos 
heit. Die Reiter hielten ihre schnaubenden Roste au. 
„Woher des Weges, naseweiser Mensch!" ries 
Hippolyt den treuen Diener an, sich umsonst bemü 
hend seine innere Aufwallung zu dämpfen. 
„Uni den Auftrag meines Herrn zu dollsühren, 
kehre ich zu ihm zurück." 
„Eine feine superkluge Antwort!" fuhr er 
grimmt der Graf fort. „In der Schule Deines wei 
sen Herr» scheinst Du unverschämt genug geworden 
zu sein." n »til? 
„Ich preise die Vorsehung, die mir in dem Be 
sitze meines Herrn das höchste Glück meines Lebens 
beschiede» hat," war JeanS Antwort. 
„So, so! das heißt. Dein Herr ist das Ideal 
menschlicher Vollkommenheit und alle anderen Men 
schenkinder sind arme Schächer gegen ihn; nicht? 
Grobian? — Doch Du hast meine Frage undollstän 
dig beantwortet, Bursche!" 
„Verzeihung, gnädiger Herr Graf! ich glaube 
Niemand außer meinem Herrn Antwort schuldig zu 
sein. Verschwiegenheit im Dienste ist mir eine.heilige 
Pflicht." — . ■" müh 
„Alle Heiligen, die Galle geht mir über/ wenn 
ich so freche Reden in Gegenwart meines Herrn höre!" 
rief Ignatz affcctirend und versetzte Kvsciuskos treuem 
Diener einen derben Backcnstreich. 
„Speichellecker, Schurke!", rief Jean auffahrend, 
„warum mißhandelst Du mich? waö habe ich Dir 
zu Leide gethan?" und er vergalt Gleiches mit 
Gleichem. - • ■ 'Ii/Vj ti:$ 
Wüthend faßten sich die Diener und hielten ei 
nen Augenblick daS Gleichgewicht. 
„Halt ihn, Ignatz!" schrie der Gras, „wir wol 
len den Schurken schon kriegen." 
Er zog einen Strick auS der Jagdtasche und warf 
den Gegner mittels einer Schlinge zu Boden. Darauf 
wurden dem Aermsten Beine und Hände gebunden 
und seine Taschen durchsucht, in deren einer ein ver 
siegeltes Briefchen mit der' Aufschrift : „Herrn Major 
Th. KosziuSko" sich vorfand. , 
„Bei allen Göttern, ich erkenne die Hand.Hed 
wigs!" rief Hippolyt ingrimmig auS. „Wahrhaftig, 
ich irre nicht! — hier — in dem Siegel die.-An 
fangsbuchstaben H, 8. Ja. sie.hat mich verschmähet; 
jetzt erst fällt mir's wie Schuppe» von den Äugen; 
— der winzige Lump, der Herr von Habenichts, hat 
mich ausgestochen. O Schmach und Schimpf! 
Daß gleich die Erde mich verschlänge! — Und dieser 
Schurke steht mit in dem gegen mich geschmiedeten 
Eomplot und asfectirt für ein gutes Trinkgeld erge 
bene Treue! — will Dir den verdienten Lohn wohl 
geben lassen! — Ignatz, nimm den Rehftiß, kühle 
Dein Müthchen an diesem verstockten Lügner und 
zähl' ihm ein halbes Schock ,aus dem Pfeffer>:auf! 
Unterdessen werd ich den Inhalt deö Briefes er 
forschen." » 
Begierig erbrach er den Brief und setzte vor sich 
hin mit Bitterkeit hinzu: „Ach, möchte doch mein ar 
mes Her; dabei nicht schmelzen wie der Schnee in 
der Frühlingssonnt!." Hastig warf er daS rottende 
Auge hinein. Aber — o Wunder! — so oft er den 
Brief auch drehen mochte, er blieb ihm unleserlich, 
unerklärbar. Die widersprechendsten Leidenschaften 
durchivbten seine Sinne dermaßen, daß er die Mög 
lichkeit übersah, die üblichen Schristzeichen auf eine 
Geheimschrift anzuwenden. Hedwig hatte sich der 
Ehifferirkunst zu ihrem Brieflcin bedient, von welcher 
sie wußte, daß Kosciusko mit ihr vertraut sei. 
. ; Nachdem Hippolvt die sonderbare Schrift lange 
Zeit betrachtet hatte, schien er einen Entschluß gefaßt 
zu haben. Er schüttelte das Haupt und murmerlte: 
„Die Schrift entbehrt des Sinnes; — gewiß nur eine 
sein ersonnene Hinweisung darauf, daß der Liebesan 
trag des Thoren von gleicher Beschaffenheit gewesen. 
— Mein Spiel wäre also noch nicht verloren. Wohl 
an zu iyr hin, um mir Ueberzeugung zu verschaffen! 
— Kost' es, was es wolle, ich will ihn ausstechen 
— oder vernichten!" .. 
ij« de» Brief ein. „Halt an, Ignatz!" 
rief er seinem Gesellen zu: „Wie viel hast Du ihm 
aufgetrumpft?" 
„Nur die größere Hälfte der ihm zudictirten An 
zahl Schläge, mein gnädigster Herr," antwortete der 
Diener. ........ 
„Genug, nimm dafür diesen Rubel hin!" unter 
brach ihn jener. „Und Du, elender Wicht, — diesen 
Brief zur weiteren Beförderung! — Ignatz, bind ihn 
los und gieb ihn frei! — Damit Du aber einen bes 
sern Begriff von meiner Schützenkunst erhältst, so be 
fehle ich Dir, bei Strase meines. höchsten Zornes, 
diese Fichte hier zu erklettern und aus dem Neste die 
junge Brut zu holen." f , • ., ,■ , .... r , 
„Erbarmen, gnädiger Herr, Erbarmen!" jammerte 
Jean, „die Alfen umkreisen ja das Nest;. sie. lassen 
es lebendig nicht erreichen." 
„Ich schieße Dich .zum Krüppel, Unverschäm 
ter!" schrie Hippolyt entgegen, „wenn Du nur noch 
eine» Augenblick anstehst, meinen Befehl zu voll 
strecken." : 
Der unglückliche Diener gehorchte mit sträubendem 
Haare, den Rock ablegend. Je höher er kam, je nä 
her dem Horste, desto tvflder umschwärmten ihn unter 
gräßlichem, weit den Forst durchschallendem.Geschrei 
die wuthschnaubenden Raubvögel. Schon strömte das 
Blut aus seinen zerfetzten Arme», womit cp:ohn- 
..mächtig. gegen die wüthigen Anfälle, der. Bestien sich 
wehrte. Fort und fort versuchten sie durch die Kraft 
ihrer mächtigen Schwingen ihn herabzuschleudern und 
stießen. oft so .grimmig.zusammen; dass sie, wie vom
	        
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