56
eine sehr schöne Frau bekommen, und wahrschein
lich, wenn ihr Stolz und ihre Eitelkeit gedemüthigt
und bestraft ist, auch eine gute." — „Ja, ich.gehe
darauf ein," war meine Antwort, „ich begreife die
Rolle, welche ich zu spielen habe, und hoffe, sie
so auszuführen, daß Sie nicht Ursache haben sol
len, meine Herren, sich Ihrer Wahl zu schämen."
Den nächsten Tag fingen fie das Wert mit mir
an, und durch Hilfe des Schneiders, des Barbiers
u. s. w. wurde ich auf das glänzendste zugestutzt.
Ich erhielt Unterricht in dem Benehmen der ele
ganten Welt; ich mußte aber ein wenig zurück
schreiten und erst lesen, schreiben, zeichnen, Mufik
u. s. w. lernen. Auf diese Weise vergingen sechs
Monate, und ich fand das Leben eines vornehmen
Herrn außerordentlich nach meinem Geschmack.
Die Liebe zum Studiren wuchs bei mir bis zur
Leidenschaft, und da ich ein außerordentliches Ge
dächtniß besaß, setzte ich die Kupferstecher durch
meine Fortschritte in Erstaunen.
Die Zeit rückte nun heran, da unser Plan in
Ausführung gebracht werden sollte. Ich verließ
mein Studirzimmer und bezog eine prächtige Woh
nung in dem größten Hotel der Stadt. Der Bla-
sebaigflicker war verschwunden, und an seiner Statt
erschien der reiche Marquis von Rompcrou,
einer der vornehmsten Eigenthümer der Bergwerke
der Dauphinee. Unter diesem Titel stellte ich mich
dem Kupserstichhändler als einen Kunstliebhaber
vor, der einige hübsche Stücke zu kaufen wünschte
und den Preis nicht in Anschlag brächte. Ich war
ein guter Nachahmer meiner Lehrmeister; ich wußte
durch meine Uhrgchänge Aufmerksamkeit zu erre
gen, meine Uhr repitiren zu lassen, mit einer nach
lässigen Miene den Brillant an meinem Finger
zu zeigen, oder eine prächtige Schnupftabaksdose
zu öffnen, worauf sich ein Phantasiegemälde befand,
welches daS Bild einer geliebten Schwester war —
kurz, ich wünschte, mich bei meinem Mann in Re
spect zu setzen, was mir denn auch vollkommen
gelang. Aber es war noch etwas Mehr zu thun
übrig: ich mußte nicht blos den Vater täuschen,
sondern auch die Tochter zu hintergehen suchen.
Der Kupferstichhändler hatte mir gesagt, daß er
eine elegante Sammlung aus Rom erwarte, und
mich ersucht, um etliche Tage wieder bei ihm vor
zusprechen. Das that ich denn auch, fand aber
nicht den Kupferstichhändler selbst zu Hause, son
dern die unvergleichliche Schönheit, auf die ich
Jagd machte. . v;
Von diesem Augenblick an beschäftigte nur ein
Gedanke meine ganze Seele. Ich vergaß meine
Verpflichtung, ich vergaß mich selbst; ich vergaß
Wärme des Gefühls, wodurch meine Leidenschaft
sich aussprach. Dieses Zusammentreffen bestimmte
mein Schicksal für immer. Jedes Hinderniß schien
mir bei der Heftigkeit meiner Liebe zu verschwin
den. Ich ergriff mit neuem Eifer meine Studien,
in der Hoffnung, daß es mir gelingen möchte, da
durch ihrer würdig zu werden.
Jeden Tag fand ich irgend eine Entschuldigung
wegen meines Besuchs in dem Laden des Kupfer
stichhändlers; jeden Tag hatte ich einen launen
haften Einfall, wobei ich den Geschmack meiner Ge
bieterin zu Rathe ziehen mußte. Dieses waren die
Maitage meiner Liebe.
Zuweilen pflegte ich ihr eine Serenade zu brin
gen, und meine Freunde begleiteten dieselbe mit
einer Canzone, oder einem Madrigal, aber ich hatte
die ganze Ehre davon; und oft sah ich in ihrem
Auge, wenn sie es las, eine Thräne der Freude
glänzen.
Sechs Monate vergingen auf diese Weise.
Meine Freunde dürsteten nach Rache; aber sie wa
ren so vorsichtig, daß sie ihren Plan nicht durch
Uebereilung verdarben. Jeden Abend, wenn ich von
ihr zurückkehrte, mußte ich ihnen von Allem, was
sich zwischen uns zugetragen halte, getreuen Be
richt abstatten, und fie drückten mir darüber ihre
Zufriedenheit aus.
Eines Tages erhielt ich von dem Vater der
Schönen eine Einladung, einem Feste beizuwohnen,
das er auf dem Lande veranstalten wollte. Ich
sollte der Held desselben sein. Ich ging, und die
eitle Schöne empfing mich mit aller Aufmerksam
keit. Ich beschloß, diese Gelegenheit nicht unbe
nutzt vorübergehen zu lassen, und den ersten Au
genblick, als wir allein waren, schüttete ich mein
Herz vor ihr aus. Ich warf mich zu ihren Füßen,
ich bot ihr meine Hand an, und fie willigte ein,
die Meinige'zu werden; aber fie that es mit An
stand und Würde. Eine Thräne, welche sich aus
ihrem Auge stahl, überzeugte mich, daß Stolz nicht
das einzige Gefühl ihres Herzens war. Ich wuß
te, daß ich geliebt ward.
Die Tochter hatte ich mir gesichert. Der näch
ste Tag war dazu bestimmt, den Vater in Absicht
meiner Vermögensumstände zu täuschen. Die Sa
che war nicht schwierig; denn da er ein Mann
war, der wenig Scharfsinn besaß, so glaubte er
Alles, was ich ihm über diesen Punkt berichtete.
Mein Vater, sagte ich, wohne an der äußersten
Grenze der Dauphinöe; dieser Umstand, sowie sein
hohes. Alter verhindere ihn, bei meiner Hochzeit
anwesend zu sein. Ich war darauf bedacht, eini
gen Vortheil aus dem Brautschatz zu ziehen, den
die Welt und vergaß Alles, um nur fie zu bewun- mein künftiger Schwiegervater seiner Tochter, nütz
dern. Die reizende, die bezaubernde Aurora sah, geben würde, überließ aber Alles seinem eigenen
daß ich gefesselt war; fie bemerkte mit sichtlichem Gutdünken und ersuchte ihn nur, daß, da die El-
Wohlgefallen daS Zittern meiner Stimme und die tern beider Theile so weit von einander entfernt