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Volume Nr. 2

Full text: Berliner Omnibus (Public Domain) Issue1.1847 (Public Domain)

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eine sehr schöne Frau bekommen, und wahrschein 
lich, wenn ihr Stolz und ihre Eitelkeit gedemüthigt 
und bestraft ist, auch eine gute." — „Ja, ich.gehe 
darauf ein," war meine Antwort, „ich begreife die 
Rolle, welche ich zu spielen habe, und hoffe, sie 
so auszuführen, daß Sie nicht Ursache haben sol 
len, meine Herren, sich Ihrer Wahl zu schämen." 
Den nächsten Tag fingen fie das Wert mit mir 
an, und durch Hilfe des Schneiders, des Barbiers 
u. s. w. wurde ich auf das glänzendste zugestutzt. 
Ich erhielt Unterricht in dem Benehmen der ele 
ganten Welt; ich mußte aber ein wenig zurück 
schreiten und erst lesen, schreiben, zeichnen, Mufik 
u. s. w. lernen. Auf diese Weise vergingen sechs 
Monate, und ich fand das Leben eines vornehmen 
Herrn außerordentlich nach meinem Geschmack. 
Die Liebe zum Studiren wuchs bei mir bis zur 
Leidenschaft, und da ich ein außerordentliches Ge 
dächtniß besaß, setzte ich die Kupferstecher durch 
meine Fortschritte in Erstaunen. 
Die Zeit rückte nun heran, da unser Plan in 
Ausführung gebracht werden sollte. Ich verließ 
mein Studirzimmer und bezog eine prächtige Woh 
nung in dem größten Hotel der Stadt. Der Bla- 
sebaigflicker war verschwunden, und an seiner Statt 
erschien der reiche Marquis von Rompcrou, 
einer der vornehmsten Eigenthümer der Bergwerke 
der Dauphinee. Unter diesem Titel stellte ich mich 
dem Kupserstichhändler als einen Kunstliebhaber 
vor, der einige hübsche Stücke zu kaufen wünschte 
und den Preis nicht in Anschlag brächte. Ich war 
ein guter Nachahmer meiner Lehrmeister; ich wußte 
durch meine Uhrgchänge Aufmerksamkeit zu erre 
gen, meine Uhr repitiren zu lassen, mit einer nach 
lässigen Miene den Brillant an meinem Finger 
zu zeigen, oder eine prächtige Schnupftabaksdose 
zu öffnen, worauf sich ein Phantasiegemälde befand, 
welches daS Bild einer geliebten Schwester war — 
kurz, ich wünschte, mich bei meinem Mann in Re 
spect zu setzen, was mir denn auch vollkommen 
gelang. Aber es war noch etwas Mehr zu thun 
übrig: ich mußte nicht blos den Vater täuschen, 
sondern auch die Tochter zu hintergehen suchen. 
Der Kupferstichhändler hatte mir gesagt, daß er 
eine elegante Sammlung aus Rom erwarte, und 
mich ersucht, um etliche Tage wieder bei ihm vor 
zusprechen. Das that ich denn auch, fand aber 
nicht den Kupferstichhändler selbst zu Hause, son 
dern die unvergleichliche Schönheit, auf die ich 
Jagd machte. . v; 
Von diesem Augenblick an beschäftigte nur ein 
Gedanke meine ganze Seele. Ich vergaß meine 
Verpflichtung, ich vergaß mich selbst; ich vergaß 
Wärme des Gefühls, wodurch meine Leidenschaft 
sich aussprach. Dieses Zusammentreffen bestimmte 
mein Schicksal für immer. Jedes Hinderniß schien 
mir bei der Heftigkeit meiner Liebe zu verschwin 
den. Ich ergriff mit neuem Eifer meine Studien, 
in der Hoffnung, daß es mir gelingen möchte, da 
durch ihrer würdig zu werden. 
Jeden Tag fand ich irgend eine Entschuldigung 
wegen meines Besuchs in dem Laden des Kupfer 
stichhändlers; jeden Tag hatte ich einen launen 
haften Einfall, wobei ich den Geschmack meiner Ge 
bieterin zu Rathe ziehen mußte. Dieses waren die 
Maitage meiner Liebe. 
Zuweilen pflegte ich ihr eine Serenade zu brin 
gen, und meine Freunde begleiteten dieselbe mit 
einer Canzone, oder einem Madrigal, aber ich hatte 
die ganze Ehre davon; und oft sah ich in ihrem 
Auge, wenn sie es las, eine Thräne der Freude 
glänzen. 
Sechs Monate vergingen auf diese Weise. 
Meine Freunde dürsteten nach Rache; aber sie wa 
ren so vorsichtig, daß sie ihren Plan nicht durch 
Uebereilung verdarben. Jeden Abend, wenn ich von 
ihr zurückkehrte, mußte ich ihnen von Allem, was 
sich zwischen uns zugetragen halte, getreuen Be 
richt abstatten, und fie drückten mir darüber ihre 
Zufriedenheit aus. 
Eines Tages erhielt ich von dem Vater der 
Schönen eine Einladung, einem Feste beizuwohnen, 
das er auf dem Lande veranstalten wollte. Ich 
sollte der Held desselben sein. Ich ging, und die 
eitle Schöne empfing mich mit aller Aufmerksam 
keit. Ich beschloß, diese Gelegenheit nicht unbe 
nutzt vorübergehen zu lassen, und den ersten Au 
genblick, als wir allein waren, schüttete ich mein 
Herz vor ihr aus. Ich warf mich zu ihren Füßen, 
ich bot ihr meine Hand an, und fie willigte ein, 
die Meinige'zu werden; aber fie that es mit An 
stand und Würde. Eine Thräne, welche sich aus 
ihrem Auge stahl, überzeugte mich, daß Stolz nicht 
das einzige Gefühl ihres Herzens war. Ich wuß 
te, daß ich geliebt ward. 
Die Tochter hatte ich mir gesichert. Der näch 
ste Tag war dazu bestimmt, den Vater in Absicht 
meiner Vermögensumstände zu täuschen. Die Sa 
che war nicht schwierig; denn da er ein Mann 
war, der wenig Scharfsinn besaß, so glaubte er 
Alles, was ich ihm über diesen Punkt berichtete. 
Mein Vater, sagte ich, wohne an der äußersten 
Grenze der Dauphinöe; dieser Umstand, sowie sein 
hohes. Alter verhindere ihn, bei meiner Hochzeit 
anwesend zu sein. Ich war darauf bedacht, eini 
gen Vortheil aus dem Brautschatz zu ziehen, den 
die Welt und vergaß Alles, um nur fie zu bewun- mein künftiger Schwiegervater seiner Tochter, nütz 
dern. Die reizende, die bezaubernde Aurora sah, geben würde, überließ aber Alles seinem eigenen 
daß ich gefesselt war; fie bemerkte mit sichtlichem Gutdünken und ersuchte ihn nur, daß, da die El- 
Wohlgefallen daS Zittern meiner Stimme und die tern beider Theile so weit von einander entfernt
	        
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