Path:
Volume Nr. 2

Full text: Berliner Omnibus (Public Domain) Issue1.1847 (Public Domain)

44 
löhnertochter besser unterrichten und derselben eine 
ihrem Geiste angemessenere Erziehung geben zu las 
se». Zu welchem Zwecke er für sich dieses wün 
sche, war ihm nicht klar; daß eine sich ausbildende 
Liebe diesen Wunsch rege mache, davon ahnte der 
die Symptome dieser Seelenkrankheit noch nicht ken 
nende Jüngling nichts; nur daß er es müsse, sagte 
ihm eine innere Stimme. Die schlechte Jahreszeit 
batte ein Begegnen lange verhindert, da traf es 
sich, daß Ferdinand, wie aus dem ersten Kapitel 
hervorgeht, die Wandernde in seine» Wagen nahm 
und Abends von seinem Kutscher ein Beurelchen 
mit einigen Franken, das derselbe im Wagen ge 
funden, erhielt. Theils um diesen Fund der recht 
mäßigen Eigenthümerin einzuhändigen, theils um 
den frischgefallenen Schnee zu einer Jagdparlhie 
zu benutzen, hatte Ferdinand seinen Jäger mit dem 
Frühesten des andern Tages zu sich entboten und 
wanderte mit diesem, der Pfade kundig, an dem 
nur durch den Schnee erhellten Wintermorgen in 
den Wald hinein. Schon war man eine Stunde 
unterweges und wollte eben eine zu der Wohnung 
des alten Thomas führende Schlucht hinunterstei 
gen, als auS derselben ein wiederholtes Stöhnen 
heraufscholl und man in der Ferne etwas Lebendi 
ges inmitten des kahlen Gestrüppes sich bewegen 
sah. Ferdinand war der Erste, der sich dem Ge 
genstände genaht, der anbrechende Wintertag zeigte 
ihm die Umrisse einer weiblichen Gestalt und nicht 
wenig erschrak er, als er seine Babelte am Kopfe 
blutend in seine Arme aufnehmen, mußte. Da der 
Schreck beim Falle, indem die Ärmste den Berg 
hinaufklimmen gewollt, hier das größte Übel gewe 
sen, so klärte es sich bald auf, daß Babelte von 
dem in der Nacht vernommenen Gespräch ihrer El 
tern für die Bewohner des Edelhvfes besorgt ge 
worden und diese Besorgniß sie vermocht habe, 
zum Frühesten, unter dem Vorwände, das gestern 
verlorne Geld auf dem Wege zu suchen, den durch 
das Wetter der Nacht mühsam zu ersteigenden 
Berg passircn zu wollen, um so früher das Schick 
sal des Edelhofes zu wissen und zeitiger wie 
der zu Hause zu sein. Hatte Ferdinand mit Freu 
de die besondere Theilnahme dcS Mädchens vernom 
men, so war Babetten nicht minder die Beruhi 
gung ob des gesund vor ihr stehenden Junkers 
aus den freudestrahlenden blauen Augen zu lesen. 
Die kleine unbedeutende Kopfwunde wußte Ferdi 
nand so geschickt mit dem blendend weißen Schnee 
zu säubern und sie nächstdem mit seinem Taschen 
tuche zu verbinden, daß kein Aesculap daran zu 
tadeln haben dürfte; er gedachte eines ähnlichen 
Dienstes, der ihm im Sommer von der vor ihm 
stehenden Patientin erwiesen, entledigte sich, das auf 
gefundene Geld überreichend, seines Vornehmens 
und wäre gern der Begleiter bis zur Hütte des 
Thomas gewesen, wenn Babelte es erlaubt hätte. 
3 
Mehre Tage waren verflossen, unheimlich sah 
es um die Wohnung des alten ThomaS auS, das 
plötzlich eingefallene Thauwetter hatte die Steg« 
überschwemmt und die alten kahlen Bäume sahen 
trübe aus die vielen sich gebildeten Schneebäche. 
Alles war in der kleinen Stube beschäftigt; Tho 
mas schärfte sein Beil, die Alte ließ daS Rädchen 
schnurren und Babette, die von ihrer Kopfwunde 
keine Spur mehr zeigte, nestelte an einem Häub 
chen und hörte geduldig die Vorwürfe an, die auS 
dem Munde der Mutter ob des seit einiger Zeit 
träumerischen Wesens glitten. 
Ein Geknurre, dann ein Bellen des alten Phi 
lar veranlaßte Thomas, durchs Fenster zu schauen. 
Potz Velten! da hält ja der Wagen der Ba 
ronin, und wenn ich nicht irre, so will die rechte 
Hand derselben, die alte Maintenon, uns einen 
Besuch machen, doch komme ich der alten Eule 
nicht zu Hülfe, so würde es lange währen, ebe sie 
bei uns einflöge. — Er ging hin und kaum hatte 
Babette ein wenig AlleS im Zimmer zurechtgestellt, 
so trat Frau Maintenon ein, nahm, ehe fie ihre 
korpulente Figur von den vielen Tüchern befreite, 
eine stärkende Prise und warf sich dann auf einen 
Sessel, um sich zu sammeln. ■*- Ist das ein Wetter! 
begann fie nach einer Pause; nun komm einmal her, 
mein Töchterchen I Sieh, Dir zu Liebe habe ich mich 
-aufgemacht und von Euch Allen wird es abhängen, 
ob ich mich vergebens bemüht. Meine gnädige 
Herrin will Eure Tochter zu sich nehmen, sie in 
allen geistigen und weiblichen Beschäftigungen un 
terrichten lassen und sich durch das junge Ding 
eine Lücke ausfüllen, die bereits seit diesem Mor 
gen durch die Abreise unseres lieben Ferdinands 
eingetreten. Um Euch Alten die Dienstleistungen, die 
Ihr von dem Mädchen habt, zu entschädigen, sollt 
Ihr monatlich zwölf Franken beziehen und nun 
sagt, ist es Euch genehm, schon heute den Tausch 
gelten zu lassen und die schmucke Dirne meiner 
unmittelbaren Führung zu übergeben? — Mit freu 
digem Erstaunen hatten die Bethciligten die Rede 
vernommen, gerührt ob der Güte der Baronin, 
öffnete die Mutter vie Kiste, um ihr Bäble mit 
dem Sonntagsputze zu behängen und noch ehe der 
kurze Nachmittag verronnen, legten segnend die Al 
ten die Hände auf die schluchzende Tochter und ge 
leiteten sie zum harrenden Wagen. Befangen von 
der Plötzlichen Veränderung ihres Schicksals, währte 
es mehre Tage, bevor Babette ihrer klaren Begriffe 
Meisterin werden konnte, doch verrieth sie vom er 
sten Augenblicke an, daß ihre Unterrichtsstunden 
bei einem auf dem Schlosse Pension beziehenden 
biedern Geistlichen begonnen, eine besondere Lern 
begierde und ihre bescheidenen, von einem natürli 
chen feinen Takt ausgehenden Manieren gewannen 
ihr die Liebe der Baronin, ja sogar die der nicht
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.