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heut machst, denn ich hätte niemals geglaubt, daß
der Herr von Busingen Dich jetzt zur Saalzeit
fortlasten würde!.— im;
— O Du beurtheilst ihn zu hart, lieber Va
ter, er ist stets ^sehr freundlich und gütig gegen
mich, und behandelt mich mehr als Freund, denn
als Diener. —
— Pfui, sprich das Wort nicht aus, das Herz
will sich mir im Leibe umwenden, wenn ich be
denke, daß mein Sohn, ein Dannsdorf, einem
Busingen dient! Seit Jahrhunderten waren die
DannSdorfs hier in der Mark das reichste, mäch
tigste Geschlecht, und nun — nun?! —-
— Nun find wir arm, lieber Mann, aber da
rum nicht weniger glücklich! — sagte Frau von
Dannsdorf sanft.— Haben wir nicht einen Sohn,
auf den jeder Fürst stolz sein könnte? DaS ist
mehr Werth als aller Reichthum, und außerdem
besitzen wir zwar wenig, aber genug, um leben
zu können! —
— Leben, ja leben, aber wie? Können wir
leben wie unsere Vorfahren, können wir leben wie
alle unsere Nachbarn? Nein, in Sorge und Noth
müssen wir uns abquälen, wie die Bauern! Blicke
um Dich, Frau, schaue auf alle Adligen in der
Gegend, sie sind reich und leben wie die Fürsten
auf ihren prächtigen Gütern; wir find die einzigen
Armen! Aber nicht das quält mich, daß ich ar
beiten muß, um mein Brod zu verdienen, nein,
wahrlich, ich arbeite gern, die Arbeit ist mir eine
Freude;, aber es verbittert mir das Leben, daß
meine Nachbarn stolz auf mich herab sehen, weil
ich nicht wie sie über Tausende gebieten kann, daß
mein Sohn, mein einziger Sohn, der letzte Danns
dorf, hat in Dienste gehen müssen, um nicht seinen
Eltern zur Last zu fallen. Bei Gott, das bringt
mich zur Verzweiflung! —
— Aber, lieber Dannsdorf —• —
— Versuche nicht, mich zu beruhigen, Frau!
Ich weiß, pms Du sagen willst. Wir müssen uns
in das Schicksal fügen, welches Gott uns auferlegt
hat. Ich thue es, ich arbeite nach allen Kräften,
um endlich die Schulden abzuzahlen, welche noch
auf unserem einzigen Besitze lasten, und fast unsere
Jahreseinnahme fressen, ich füge mich; aber ich
kann nicht umhin, nachzudenken darüber, daß noch
mein Vater ein reicher Mann war, und daß sein
Vermögen so spurlos von der Erde verschwunden
ist, als ob es niemals dagewesen wäre. —
— Ich habe oft von dem merkwürdigen Ver
armen unserer Familie gehört, Vater, Du selbst
sprachst mitunter darüber; aber nie hast Du mir
etwasi Bestimmtes gesagt. —
— Ich that cs nicht, um Dir nicht. unnütze
Hoffnungen in den Kopf zu setzen, wie ich, selbst
sie lange Zeit gehegt habe; aber nun bist Du alt
und vernünftig genug, um die Sache zu erfahren. —
— Zu welchem Zweck, lieber DannSdorf? Laß
doch diese unglückliche Sache ruhen. Das Geld ist
einmal verloren und wird nicht wiederkommen. Du
regst Dich immer auf, wenn Du davon sprichst,
Ueber Mann. Erzähle es heut wenigstens an Dei
nem Geburtstage nicht, den wollen wir fröhlich
feiern, ohne des alten Unglücks zu gedenken I —
— Laß mich, Frau, laß mich! Ich habe ein
mal angefangen, so mag es denn Paul jetzt erfah
ren; einmal muß es doch geschehen! —
— Ich bin wirklich neugierig, Vater! —
— DaS glaube ich wohl. Nun, so höre denn!
Dein Großvater war ein wohlhabender Mann. Er
besaß außer Dannsdorf, unserm alten, unverkäufli
chen Stammgute, noch zwei große, sonst schulden
freie Rittergüter. Diese verkaufte er, ehe er als
Offizier ins Feld zog, an den Vater des Herrn
von Busingen für 100000 Thaler, Und empfing
nach guter alter Sitte die ganze Summe baar. Er
verkaufte die Güter, weil er mit Recht fürchtete,
daß einst auch die Mark ein Schauplatz" des Krie
ges werden würde, und daß dann den Dannsdorfs
zu große Contributionen auferlegt werden möchten,
wenn sie in dem Besitz dreier großer Güter wären.
Die erhaltene Summe legte mein Vater weder in
Staatspapieren, noch in etwas Anderem an. WaS
er damit angefangen haben mag, Niemand hat eS
erfahren, als meine verstorbene Mutter, die daS
Geheimniß mit ins Grab genommen hat, denn sie
starb zu plötzlich, um es Jemandem anvertrauen zu
können; der Schlag rührte sie, als ste den Ehren-
tov meines Vaters aus dem Schlachtfelde von Jena
erfuhr! Ich war noch ein Knabe damals und kam
daher unter Vormundschaft. Als ich mit dem 21.
Jahre mündig erklärt wurde, übergaben mir die
Gerichte daS schuldenbelastete Gut DannSdorf als
mein einziges Besttzthum. —
— Und Du hast nie erfahren, waS aus dem
übrigen Gelde geworden ist? —
— Nie. Die Leute sprechen viel Verschiede
nes darüber, einige meinten, das Geld wäre ver
graben, andere, mein Väter habe es einem Freunde
aufzuheben gegeben^ aber etwas Bestimmtes ließ
sich nicht ermitteln. —
— Also vergraben? — sagte Paul gedanken
voll. — So ruhte vielleicht dieser Schatz nutzlos
in der Erde, während wir, die Besitzer desselben,
darben müssen! —
— Vielleicht! — entgegnete Herr von DannS-
dorf düster; — aber nicht wahrscheinlich, denn ich
habe rings in unserer ganzen Feldmark Nachgra
bungen angestellt, ich habe weder Mühe, noch Ko
sten gescheut; jedoch AlleS umsonst! Das Geld
fand sich nicht, es war und blieb verloren. —
Paul stand von seinem Sitze auf und ging mit
großen Schritten im Zimmer auf und nieder, end
lich sagte er träumerisch: — Wir ganz anders