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Volume Nr. 2

Full text: Berliner Omnibus (Public Domain) Issue1.1847 (Public Domain)

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heut machst, denn ich hätte niemals geglaubt, daß 
der Herr von Busingen Dich jetzt zur Saalzeit 
fortlasten würde!.— im; 
— O Du beurtheilst ihn zu hart, lieber Va 
ter, er ist stets ^sehr freundlich und gütig gegen 
mich, und behandelt mich mehr als Freund, denn 
als Diener. — 
— Pfui, sprich das Wort nicht aus, das Herz 
will sich mir im Leibe umwenden, wenn ich be 
denke, daß mein Sohn, ein Dannsdorf, einem 
Busingen dient! Seit Jahrhunderten waren die 
DannSdorfs hier in der Mark das reichste, mäch 
tigste Geschlecht, und nun — nun?! —- 
— Nun find wir arm, lieber Mann, aber da 
rum nicht weniger glücklich! — sagte Frau von 
Dannsdorf sanft.— Haben wir nicht einen Sohn, 
auf den jeder Fürst stolz sein könnte? DaS ist 
mehr Werth als aller Reichthum, und außerdem 
besitzen wir zwar wenig, aber genug, um leben 
zu können! — 
— Leben, ja leben, aber wie? Können wir 
leben wie unsere Vorfahren, können wir leben wie 
alle unsere Nachbarn? Nein, in Sorge und Noth 
müssen wir uns abquälen, wie die Bauern! Blicke 
um Dich, Frau, schaue auf alle Adligen in der 
Gegend, sie sind reich und leben wie die Fürsten 
auf ihren prächtigen Gütern; wir find die einzigen 
Armen! Aber nicht das quält mich, daß ich ar 
beiten muß, um mein Brod zu verdienen, nein, 
wahrlich, ich arbeite gern, die Arbeit ist mir eine 
Freude;, aber es verbittert mir das Leben, daß 
meine Nachbarn stolz auf mich herab sehen, weil 
ich nicht wie sie über Tausende gebieten kann, daß 
mein Sohn, mein einziger Sohn, der letzte Danns 
dorf, hat in Dienste gehen müssen, um nicht seinen 
Eltern zur Last zu fallen. Bei Gott, das bringt 
mich zur Verzweiflung! — 
— Aber, lieber Dannsdorf —• — 
— Versuche nicht, mich zu beruhigen, Frau! 
Ich weiß, pms Du sagen willst. Wir müssen uns 
in das Schicksal fügen, welches Gott uns auferlegt 
hat. Ich thue es, ich arbeite nach allen Kräften, 
um endlich die Schulden abzuzahlen, welche noch 
auf unserem einzigen Besitze lasten, und fast unsere 
Jahreseinnahme fressen, ich füge mich; aber ich 
kann nicht umhin, nachzudenken darüber, daß noch 
mein Vater ein reicher Mann war, und daß sein 
Vermögen so spurlos von der Erde verschwunden 
ist, als ob es niemals dagewesen wäre. — 
— Ich habe oft von dem merkwürdigen Ver 
armen unserer Familie gehört, Vater, Du selbst 
sprachst mitunter darüber; aber nie hast Du mir 
etwasi Bestimmtes gesagt. — 
— Ich that cs nicht, um Dir nicht. unnütze 
Hoffnungen in den Kopf zu setzen, wie ich, selbst 
sie lange Zeit gehegt habe; aber nun bist Du alt 
und vernünftig genug, um die Sache zu erfahren. — 
— Zu welchem Zweck, lieber DannSdorf? Laß 
doch diese unglückliche Sache ruhen. Das Geld ist 
einmal verloren und wird nicht wiederkommen. Du 
regst Dich immer auf, wenn Du davon sprichst, 
Ueber Mann. Erzähle es heut wenigstens an Dei 
nem Geburtstage nicht, den wollen wir fröhlich 
feiern, ohne des alten Unglücks zu gedenken I — 
— Laß mich, Frau, laß mich! Ich habe ein 
mal angefangen, so mag es denn Paul jetzt erfah 
ren; einmal muß es doch geschehen! — 
— Ich bin wirklich neugierig, Vater! — 
— DaS glaube ich wohl. Nun, so höre denn! 
Dein Großvater war ein wohlhabender Mann. Er 
besaß außer Dannsdorf, unserm alten, unverkäufli 
chen Stammgute, noch zwei große, sonst schulden 
freie Rittergüter. Diese verkaufte er, ehe er als 
Offizier ins Feld zog, an den Vater des Herrn 
von Busingen für 100000 Thaler, Und empfing 
nach guter alter Sitte die ganze Summe baar. Er 
verkaufte die Güter, weil er mit Recht fürchtete, 
daß einst auch die Mark ein Schauplatz" des Krie 
ges werden würde, und daß dann den Dannsdorfs 
zu große Contributionen auferlegt werden möchten, 
wenn sie in dem Besitz dreier großer Güter wären. 
Die erhaltene Summe legte mein Vater weder in 
Staatspapieren, noch in etwas Anderem an. WaS 
er damit angefangen haben mag, Niemand hat eS 
erfahren, als meine verstorbene Mutter, die daS 
Geheimniß mit ins Grab genommen hat, denn sie 
starb zu plötzlich, um es Jemandem anvertrauen zu 
können; der Schlag rührte sie, als ste den Ehren- 
tov meines Vaters aus dem Schlachtfelde von Jena 
erfuhr! Ich war noch ein Knabe damals und kam 
daher unter Vormundschaft. Als ich mit dem 21. 
Jahre mündig erklärt wurde, übergaben mir die 
Gerichte daS schuldenbelastete Gut DannSdorf als 
mein einziges Besttzthum. — 
— Und Du hast nie erfahren, waS aus dem 
übrigen Gelde geworden ist? — 
— Nie. Die Leute sprechen viel Verschiede 
nes darüber, einige meinten, das Geld wäre ver 
graben, andere, mein Väter habe es einem Freunde 
aufzuheben gegeben^ aber etwas Bestimmtes ließ 
sich nicht ermitteln. — 
— Also vergraben? — sagte Paul gedanken 
voll. — So ruhte vielleicht dieser Schatz nutzlos 
in der Erde, während wir, die Besitzer desselben, 
darben müssen! — 
— Vielleicht! — entgegnete Herr von DannS- 
dorf düster; — aber nicht wahrscheinlich, denn ich 
habe rings in unserer ganzen Feldmark Nachgra 
bungen angestellt, ich habe weder Mühe, noch Ko 
sten gescheut; jedoch AlleS umsonst! Das Geld 
fand sich nicht, es war und blieb verloren. — 
Paul stand von seinem Sitze auf und ging mit 
großen Schritten im Zimmer auf und nieder, end 
lich sagte er träumerisch: — Wir ganz anders
	        
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