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zuordnen, küßt er seinen Leidenschaften freien Raum,
die Zügel fahren aus dem Gebiß und wir sehen ei»
wildes, reißendes Thier vor uns, dessen Unthaten
meist mit dem Purpurmantel des Reichthums verdeckt
werden. Die Begebenheiten des Praslin's werden
uns ein Beispiel dieser Art zeigen.
Möge jevcr aufmerksame Leser am Ende beur
theilen, wer von beiden Eheleuten die größte Schuld
zu dem Verbrechen trägt.
Der Tod beider Gatten erlaubt uns hierüber
eine freie Sprache.
Folgen wir also der Aussehn erregenden Ge
schichte der Ermordung der Herzogin von Praslin
durch den Arm ihres Gatten.
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Die frohe Jugend.
, : ■ ■■'
Wie auch Napoleon.sich zu Ansang seines Con-
sulats den Schein vor der Welt geben wollte, als sei
er ein eifriger Republikaner, wir haben in der Folge
gesehen, daß auch er — wie fast Alle, die dnS Schick
sal auf eine so auffallende.Weise begünstigt und über
ihren ursprünglichen Stand erhebt — dem Aristokra
tismus aufs Höchste huldigte, und sogar ein Gewalt
herrscher ward. Um indessen eine durch die Verhält
nisse, durch das günstige Geschick und durch rechtzeitige
Anwendung eigener Thatkraft gegründete Macht zu
befestigen, war cs durchaus nothwendig, eine Garde,
eine Aristokratie zu bilden, die von Hause aus auf
gleicher Stufe mit dem Machthaber gestanden hat;
denn auf den gebornen, auf seine Ahnen stolzen Abel
durfte der sogenannte Usurpator nicht rechnen, er war
immer öffentlich oder im Geheimen sein entschiedener
Gegner.
Napoleon verstand es, sich seinen schützenden
Adel aus den Unteroffizieren seiner ergebenen tapfern
Armee zu bilden.
Einer dieser Emporkömmlinge war der General,
Marschall Sebastiani.
Mit seiner Erhebung zu einem Würdenträger
des Kaiserreichs mußte Sebastiani auch eine seiner
Stellung würdiges Haus führen, er besaß demge
mäß ein Hotel in Paris außer seinen ländlichen Be
sitzungen in Frankreich und auf der Insel Korsika.
Zu dem Hotel in Paris gehörte ein Garten, der
seiner Zeit schön zu nennen war, wenn er auch alle
Steifheit aus den Zeilen der Bourbons zeigte.
Im Sommer des Jahres 1824 war in dem Gar
ten,, der zum Hotel Sebastiani gehörte, eine Gesell
schaft junger, lebenslustiger Mädchen versammelt, die
man weder unter die Kinder rechnen, noch auch zu
den erwachsenen Jungfrauen zählen konnte. Ihr Aeu-
ßereS, ihr Benehmen zeigte die Grenzlinie zwischen
Kindheit und Jungsraucnschast; sie konnten in den
Jahren von 13 bis 15 stehen. Beaufsichtigt von
einer Gouvernante und mehreren bejahrten Frauen,
waren die angehenden Jungfrauen durchaus nicht ei
ner strengen Etiguettenform unterworfen und konnten
sich nach Belieben bewegen; um ihre Spiele beküm
merte sich Niemand.
Zwei von ihnen, dem Anscheine nach, die Acl-
testen, entfernten sich nach einem beendigten Fanchon-
Jagen von den klebrigen und lustwandelten Arm in
Arm einen schattigen Gang entlang.
„Du scheinst heute nicht so heiter, wie gewöhn
lich. — Was fehlt Dir, liebe Fanny?" — fragte die
Eine mir einem etwas ausländisch klingenden 'Ac
cent/—
„Mir? — antwortete die Gefragte etwas ver
legen. — Was sollte mir fehlen? . . . Vielleicht
bin ich noch ermüdet von der gestrigen Abendgesell
schaft . . ," r
„Ermüdet . . . sagst Du? . . . Sage lieber er
schöpft bis in die tiefste Kammer Deines Herzens ..."
„Jenny! ..." — sagte errathend Fanny.
„Ich sage Dir noch einmal, Fanny ... Du bist
von gestern Nacht noch erschöpft. Amors Pfeil hat
Dein Herz getroffen . . ."
„Ich begreife nicht, wie Du so etwas behaupten
kannst . . . Wer möchte auf mich Kind seine Augen
richten? . . ."
„Ich muß Dich noch einmal errörben machen,
indem ich Dir den Namen Theobald Choifeul nenne..."
i „Aber Jenny! ... Du bist unausstehlich! . ..
Ich zürne Dir . . ."
„Meine nur nicht etwa . . . Gestehe lieber Dei
ner Freundin, daß das Auge Theobalds Deine. Seele
umschlungen hat . . ."
„Aber wie Du auch bist . . . Jenny! . . ."
„Du denkst wohl, ich lasse mich von Dir täu
schen . . . Als wenn ichs nicht bemerkt, habe, wie
er kein Auge von Dir gewendet hat den ganzen
Abend hindurch . . . und Du . . . Ach Du Böse!
; . Wie hast Du ihn mit. Deinen Augen verfolgt
.-. . Gestehe die Wahrheit , ,
„Was kann ich denn, dafür, wenn Theobald
mich gesucht.hat . . . Doch im Ernste, wie kannst
Du glauben, daß ein Jüngling in seinem Alter sich
nach mir, nach einem Kind, wenden würde? . . ."
„Und daß ein Kind, wie Du, von vierzehn Jah
ren/ einem Jünglinge von zwanzig Jahren seine Auf
merksamkeit schenke ... Du arme Fanny . . . Welche
Kindheit liegt noch in Dir . . . Nein, meine Liebe,
in unserem Alter fühlen wir schon recht gut, daß wir
für Männer geschaffen sind . . ."
„Mag Alles sein . . . . Aber ich ... ich . -
denke nicht an Theobald ... das kannst Du mir
glauben . . ."
„Oder vielmehr ... Du hörst nicht auf, an ihn
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