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Volume No. 1

Full text: Berliner Omnibus (Public Domain) Issue1.1847 (Public Domain)

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zuordnen, küßt er seinen Leidenschaften freien Raum, 
die Zügel fahren aus dem Gebiß und wir sehen ei» 
wildes, reißendes Thier vor uns, dessen Unthaten 
meist mit dem Purpurmantel des Reichthums verdeckt 
werden. Die Begebenheiten des Praslin's werden 
uns ein Beispiel dieser Art zeigen. 
Möge jevcr aufmerksame Leser am Ende beur 
theilen, wer von beiden Eheleuten die größte Schuld 
zu dem Verbrechen trägt. 
Der Tod beider Gatten erlaubt uns hierüber 
eine freie Sprache. 
Folgen wir also der Aussehn erregenden Ge 
schichte der Ermordung der Herzogin von Praslin 
durch den Arm ihres Gatten. 
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Die frohe Jugend. 
, : ■ ■■' 
Wie auch Napoleon.sich zu Ansang seines Con- 
sulats den Schein vor der Welt geben wollte, als sei 
er ein eifriger Republikaner, wir haben in der Folge 
gesehen, daß auch er — wie fast Alle, die dnS Schick 
sal auf eine so auffallende.Weise begünstigt und über 
ihren ursprünglichen Stand erhebt — dem Aristokra 
tismus aufs Höchste huldigte, und sogar ein Gewalt 
herrscher ward. Um indessen eine durch die Verhält 
nisse, durch das günstige Geschick und durch rechtzeitige 
Anwendung eigener Thatkraft gegründete Macht zu 
befestigen, war cs durchaus nothwendig, eine Garde, 
eine Aristokratie zu bilden, die von Hause aus auf 
gleicher Stufe mit dem Machthaber gestanden hat; 
denn auf den gebornen, auf seine Ahnen stolzen Abel 
durfte der sogenannte Usurpator nicht rechnen, er war 
immer öffentlich oder im Geheimen sein entschiedener 
Gegner. 
Napoleon verstand es, sich seinen schützenden 
Adel aus den Unteroffizieren seiner ergebenen tapfern 
Armee zu bilden. 
Einer dieser Emporkömmlinge war der General, 
Marschall Sebastiani. 
Mit seiner Erhebung zu einem Würdenträger 
des Kaiserreichs mußte Sebastiani auch eine seiner 
Stellung würdiges Haus führen, er besaß demge 
mäß ein Hotel in Paris außer seinen ländlichen Be 
sitzungen in Frankreich und auf der Insel Korsika. 
Zu dem Hotel in Paris gehörte ein Garten, der 
seiner Zeit schön zu nennen war, wenn er auch alle 
Steifheit aus den Zeilen der Bourbons zeigte. 
Im Sommer des Jahres 1824 war in dem Gar 
ten,, der zum Hotel Sebastiani gehörte, eine Gesell 
schaft junger, lebenslustiger Mädchen versammelt, die 
man weder unter die Kinder rechnen, noch auch zu 
den erwachsenen Jungfrauen zählen konnte. Ihr Aeu- 
ßereS, ihr Benehmen zeigte die Grenzlinie zwischen 
Kindheit und Jungsraucnschast; sie konnten in den 
Jahren von 13 bis 15 stehen. Beaufsichtigt von 
einer Gouvernante und mehreren bejahrten Frauen, 
waren die angehenden Jungfrauen durchaus nicht ei 
ner strengen Etiguettenform unterworfen und konnten 
sich nach Belieben bewegen; um ihre Spiele beküm 
merte sich Niemand. 
Zwei von ihnen, dem Anscheine nach, die Acl- 
testen, entfernten sich nach einem beendigten Fanchon- 
Jagen von den klebrigen und lustwandelten Arm in 
Arm einen schattigen Gang entlang. 
„Du scheinst heute nicht so heiter, wie gewöhn 
lich. — Was fehlt Dir, liebe Fanny?" — fragte die 
Eine mir einem etwas ausländisch klingenden 'Ac 
cent/— 
„Mir? — antwortete die Gefragte etwas ver 
legen. — Was sollte mir fehlen? . . . Vielleicht 
bin ich noch ermüdet von der gestrigen Abendgesell 
schaft . . ," r 
„Ermüdet . . . sagst Du? . . . Sage lieber er 
schöpft bis in die tiefste Kammer Deines Herzens ..." 
„Jenny! ..." — sagte errathend Fanny. 
„Ich sage Dir noch einmal, Fanny ... Du bist 
von gestern Nacht noch erschöpft. Amors Pfeil hat 
Dein Herz getroffen . . ." 
„Ich begreife nicht, wie Du so etwas behaupten 
kannst . . . Wer möchte auf mich Kind seine Augen 
richten? . . ." 
„Ich muß Dich noch einmal errörben machen, 
indem ich Dir den Namen Theobald Choifeul nenne..." 
i „Aber Jenny! ... Du bist unausstehlich! . .. 
Ich zürne Dir . . ." 
„Meine nur nicht etwa . . . Gestehe lieber Dei 
ner Freundin, daß das Auge Theobalds Deine. Seele 
umschlungen hat . . ." 
„Aber wie Du auch bist . . . Jenny! . . ." 
„Du denkst wohl, ich lasse mich von Dir täu 
schen . . . Als wenn ichs nicht bemerkt, habe, wie 
er kein Auge von Dir gewendet hat den ganzen 
Abend hindurch . . . und Du . . . Ach Du Böse! 
; . Wie hast Du ihn mit. Deinen Augen verfolgt 
.-. . Gestehe die Wahrheit , , 
„Was kann ich denn, dafür, wenn Theobald 
mich gesucht.hat . . . Doch im Ernste, wie kannst 
Du glauben, daß ein Jüngling in seinem Alter sich 
nach mir, nach einem Kind, wenden würde? . . ." 
„Und daß ein Kind, wie Du, von vierzehn Jah 
ren/ einem Jünglinge von zwanzig Jahren seine Auf 
merksamkeit schenke ... Du arme Fanny . . . Welche 
Kindheit liegt noch in Dir . . . Nein, meine Liebe, 
in unserem Alter fühlen wir schon recht gut, daß wir 
für Männer geschaffen sind . . ." 
„Mag Alles sein . . . . Aber ich ... ich . - 
denke nicht an Theobald ... das kannst Du mir 
glauben . . ." 
„Oder vielmehr ... Du hörst nicht auf, an ihn 
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