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nebt» mir hörte. Mich umkehrend, sah ich einen
Mitgefangenen an meiner Seite fitzen, und auch auf
das Fenster starren.
„Wie gefällt Ihnen dieser Menschenkäfig, Sir?"
fragte er, sich an mich wendend. — „Die Gitter des
selben »sind nicht stark und eben so ist es mit der
Mauerz die eS umgiebt. Ich bin traurig," fing er
wieder an, „Sie sind ein junger Mann und scheinen
ein Gentlemen zu sein; cs betrübt mich, Sic hier zu
sehen, aber ich vermuthe, es wird nur für kurze Zeit
sein. Sie nehmen cs nicht übel, Sir, hoffe ich,"
fuhr er fort. „Ich sah, daß Sie niedergeschlagen
waren, und da konnte ich mir nicht helfen, ich mußte
Sie ansprechen."
Da ich wohl sah, daß dies aus gutem Herzen
kam, so dankte ich! ihm für seine Güte.
„Sie können denken, Sir," antwortete er, „daß
man in. einem solchen Platze, wie dieser hier ist, bald
die Ursache kennen lernt, der man einen neuen Ge
fährten verdankt.,, Man hat Sie hierher gebracht,
Sir, wegen eines Fehlers ihrer Börse. Warum den
ken Sie wohl, daß man mich hierher gebracht hat?
Für nichts, Sir,, für gar nichts." —
So wenig ich auch geneigt war, mich mit mei
nem Gefährten zu unterhalten, so konnte ich doch
nichts thun, die Mittheilungen meines Mitgefangenen
zu unterdrücken. Seine Gutmülhigkeir ließ dies nicht
zu. Ich wiederholte daher nur, was er sagte.
„Für nichts?" fragte ich also.
„Sehen Sie, Sir./? fing er wieder an, „vier
zehn Tage lang bin ich nun schon mit diesen Leuten
zusammen gewesen, mit denen Sie so eben gespeist
haben; , jedoch habe ich noch Krinem von ihnen das
gesagt, was ich Ihnen so eben mittheilte; aber wir
haben Launen, Sir, manchmal mit, manchm.al ohne
Grund. In dem Augenblick, wo Sie in das Zim
mer traten, flog Ihnen mein Herz entgegen, ich weiß
nicht, warum? Es mag deshalb sein, weil Sie noch
so jung sind; es mag auch sein, weil Sie ein vor
nehmes Aeußeres haben; doch das thut nichts zur
Sache. Wir sind nun allein im Zimmer, Sir, und
wenn Sie meine etwas sonderbare Geschichte anhören
wollen, so will ich sie Ihnen erzählen." —
Zum Zeichen der Einwilligung nickte ich, mehr
anö Gefälligkeit, als aus Neugierde, mit dem Kopfe.
„Ich wurde," fing er an, „zwei Meilen von der
See geboren und erzogen; und um ehrlich mit Ihnen
zu sein, so habe ich, seitdem ich ein Mann bin, ein
oder zweimal, in einem Hause gewohnt, in dem Nie
mand mit seinem eigenen Willen eine Wohnung neh
menwürde, gleich dem, in welchem wir jetzt sprechen,
Sir. — Um die Wahrheit zu sagen, ich glaubte, der
König wäre reich genug, um etwas Geld entbeh
ren zu können, und darum landete ich dann und wann
eine Ladung, ohne dafür Zins auf dem Zollhause zu
bezahlen. Ich hatte eine Pachtung; dessenungeachtet
aber war meine Frau doch eine Dame; ich will Ih
nen das erzählen. Als ich noch ein sehr junger Mann
war, begleitete ich den Herrn meiner Schaluppe auf
einem Sireiszuge nach Havannah. Wir nahmen un
sere Ladung ein und fuhren ab. Auf unserer Rück
kehr waren wir kaum drei Tage auf der See gewe
sen, als wir uns gegen Abend kaum eine Kabellänge
von einem Schiffe entfernt sahen. Da eS nicht zweck
mäßig erschien, unsere Papiere durchsuchen zu'lassen,
so mögen Sic denken, daß wir uns etwaS beunruhi
get fühlten, diesem Schiffe zu begegnen. Darum
änderten wir unsern Lauf, in der Hoffnung, unbe
merkt geblieben zu sein, da uns bis jetzt Niemand
angerufen hatte. Des andern Tages wurden wir. je
doch durch das Wiedererscheinen eines Schiffes er
schwert. Aber es schien verlassen zu sein, denn trotz
der Hilfe eines sehr guten Glases, konnten wir Nie
mand an feinem Bord bemerken. —
„Wir wollen uns hervorwagen," rief der Schiffs
master, „es scheint, die Mannschaft hat das Schiff
verlassen." p
In weniger als einer halben Stund,e waren wir
neben dem Schiffe. Der Capitain nebst mir . und
einigen von unseren Leuten gingen an Bord. — Welch
einen Anblick bot uns das Verdeck dar. Vom Hin-
tersteven bis zum Bugspriet war eö mit Blut bedeckt.
Piraten hatte» das Schiff geentert, unddaS Ucbrigc
- mögen Sie sich denken. Das Schiff war durchlöchert
und zog Wasser; allein, da die Ladung aus Brannt
wein bestand, so war es nicht untergegangen. Das
Wasser reichte schon bis auf den Fußboden der Ka
jüte. So eben wollte» mir das Schiff verlassen, als
wir einen Klageton zu hören glaubte», der aus dem
Vorderkastell zu kommen schien. Ich näherte mich die
sem Theile des Schiffes und rief. — Es wurde mir
geantwortet. Zu gleicher Zeit erhob sich das dort
liegende Dordersegel und unter demselben kam.ein
junges Mädchen hervor, ein wahres Bild des Scbrek-
kenö und der Verzweiflung.. -- Als sie mich. sah,
warf sie sich auf die Kniee und bat mich. sie zu ret
ten. Ich versicherte sie, daß sie unier Freunden sei,
und nachdem sie uns gesagt hatte- daß sie die einzige
lebende Seele auf dem Schiffe sei, führten wir sie in
unser Boot, wobei wir sie, wegen ihrer großen
Schwäche fast tragen mußten. Dann setzten wir un
sern Lauf fort. Die Piraten mußten nach unserer
Vermuthung, das Schiff geplündert; das Schiffsvolk
aber gemordet und nachdem , sie das Schiff angebohrt
hatten, es seinem Schicksale überlassen haben. DaS
junge Mädchen bestätigte diese Vermuthung; sie allein
war dem Schicksale ihrer Gefährten entgangen; aber
Vater und Mutter hatten es theilen müssen. Ihre
Eltern halten mehre Jahre in Westindien gelebt, und
nachdem sie sich einiges Vermögen erworben, wollten
sie? nach England zurückkehren, um dort den Ueber-
rest ihrer Tage zu verleben. Sie sagte,.daß sie seit
fast drei Tagen nichts gegessen, und zwei Nachte auf
dem Deck deö Vorderkasteüs geschlafen habe, ohne