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Volume No. 1

Full text: Berliner Omnibus (Public Domain) Issue1.1847 (Public Domain)

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nebt» mir hörte. Mich umkehrend, sah ich einen 
Mitgefangenen an meiner Seite fitzen, und auch auf 
das Fenster starren. 
„Wie gefällt Ihnen dieser Menschenkäfig, Sir?" 
fragte er, sich an mich wendend. — „Die Gitter des 
selben »sind nicht stark und eben so ist es mit der 
Mauerz die eS umgiebt. Ich bin traurig," fing er 
wieder an, „Sie sind ein junger Mann und scheinen 
ein Gentlemen zu sein; cs betrübt mich, Sic hier zu 
sehen, aber ich vermuthe, es wird nur für kurze Zeit 
sein. Sie nehmen cs nicht übel, Sir, hoffe ich," 
fuhr er fort. „Ich sah, daß Sie niedergeschlagen 
waren, und da konnte ich mir nicht helfen, ich mußte 
Sie ansprechen." 
Da ich wohl sah, daß dies aus gutem Herzen 
kam, so dankte ich! ihm für seine Güte. 
„Sie können denken, Sir," antwortete er, „daß 
man in. einem solchen Platze, wie dieser hier ist, bald 
die Ursache kennen lernt, der man einen neuen Ge 
fährten verdankt.,, Man hat Sie hierher gebracht, 
Sir, wegen eines Fehlers ihrer Börse. Warum den 
ken Sie wohl, daß man mich hierher gebracht hat? 
Für nichts, Sir,, für gar nichts." — 
So wenig ich auch geneigt war, mich mit mei 
nem Gefährten zu unterhalten, so konnte ich doch 
nichts thun, die Mittheilungen meines Mitgefangenen 
zu unterdrücken. Seine Gutmülhigkeir ließ dies nicht 
zu. Ich wiederholte daher nur, was er sagte. 
„Für nichts?" fragte ich also. 
„Sehen Sie, Sir./? fing er wieder an, „vier 
zehn Tage lang bin ich nun schon mit diesen Leuten 
zusammen gewesen, mit denen Sie so eben gespeist 
haben; , jedoch habe ich noch Krinem von ihnen das 
gesagt, was ich Ihnen so eben mittheilte; aber wir 
haben Launen, Sir, manchmal mit, manchm.al ohne 
Grund. In dem Augenblick, wo Sie in das Zim 
mer traten, flog Ihnen mein Herz entgegen, ich weiß 
nicht, warum? Es mag deshalb sein, weil Sie noch 
so jung sind; es mag auch sein, weil Sie ein vor 
nehmes Aeußeres haben; doch das thut nichts zur 
Sache. Wir sind nun allein im Zimmer, Sir, und 
wenn Sie meine etwas sonderbare Geschichte anhören 
wollen, so will ich sie Ihnen erzählen." — 
Zum Zeichen der Einwilligung nickte ich, mehr 
anö Gefälligkeit, als aus Neugierde, mit dem Kopfe. 
„Ich wurde," fing er an, „zwei Meilen von der 
See geboren und erzogen; und um ehrlich mit Ihnen 
zu sein, so habe ich, seitdem ich ein Mann bin, ein 
oder zweimal, in einem Hause gewohnt, in dem Nie 
mand mit seinem eigenen Willen eine Wohnung neh 
menwürde, gleich dem, in welchem wir jetzt sprechen, 
Sir. — Um die Wahrheit zu sagen, ich glaubte, der 
König wäre reich genug, um etwas Geld entbeh 
ren zu können, und darum landete ich dann und wann 
eine Ladung, ohne dafür Zins auf dem Zollhause zu 
bezahlen. Ich hatte eine Pachtung; dessenungeachtet 
aber war meine Frau doch eine Dame; ich will Ih 
nen das erzählen. Als ich noch ein sehr junger Mann 
war, begleitete ich den Herrn meiner Schaluppe auf 
einem Sireiszuge nach Havannah. Wir nahmen un 
sere Ladung ein und fuhren ab. Auf unserer Rück 
kehr waren wir kaum drei Tage auf der See gewe 
sen, als wir uns gegen Abend kaum eine Kabellänge 
von einem Schiffe entfernt sahen. Da eS nicht zweck 
mäßig erschien, unsere Papiere durchsuchen zu'lassen, 
so mögen Sic denken, daß wir uns etwaS beunruhi 
get fühlten, diesem Schiffe zu begegnen. Darum 
änderten wir unsern Lauf, in der Hoffnung, unbe 
merkt geblieben zu sein, da uns bis jetzt Niemand 
angerufen hatte. Des andern Tages wurden wir. je 
doch durch das Wiedererscheinen eines Schiffes er 
schwert. Aber es schien verlassen zu sein, denn trotz 
der Hilfe eines sehr guten Glases, konnten wir Nie 
mand an feinem Bord bemerken. — 
„Wir wollen uns hervorwagen," rief der Schiffs 
master, „es scheint, die Mannschaft hat das Schiff 
verlassen." p 
In weniger als einer halben Stund,e waren wir 
neben dem Schiffe. Der Capitain nebst mir . und 
einigen von unseren Leuten gingen an Bord. — Welch 
einen Anblick bot uns das Verdeck dar. Vom Hin- 
tersteven bis zum Bugspriet war eö mit Blut bedeckt. 
Piraten hatte» das Schiff geentert, unddaS Ucbrigc 
- mögen Sie sich denken. Das Schiff war durchlöchert 
und zog Wasser; allein, da die Ladung aus Brannt 
wein bestand, so war es nicht untergegangen. Das 
Wasser reichte schon bis auf den Fußboden der Ka 
jüte. So eben wollte» mir das Schiff verlassen, als 
wir einen Klageton zu hören glaubte», der aus dem 
Vorderkastell zu kommen schien. Ich näherte mich die 
sem Theile des Schiffes und rief. — Es wurde mir 
geantwortet. Zu gleicher Zeit erhob sich das dort 
liegende Dordersegel und unter demselben kam.ein 
junges Mädchen hervor, ein wahres Bild des Scbrek- 
kenö und der Verzweiflung.. -- Als sie mich. sah, 
warf sie sich auf die Kniee und bat mich. sie zu ret 
ten. Ich versicherte sie, daß sie unier Freunden sei, 
und nachdem sie uns gesagt hatte- daß sie die einzige 
lebende Seele auf dem Schiffe sei, führten wir sie in 
unser Boot, wobei wir sie, wegen ihrer großen 
Schwäche fast tragen mußten. Dann setzten wir un 
sern Lauf fort. Die Piraten mußten nach unserer 
Vermuthung, das Schiff geplündert; das Schiffsvolk 
aber gemordet und nachdem , sie das Schiff angebohrt 
hatten, es seinem Schicksale überlassen haben. DaS 
junge Mädchen bestätigte diese Vermuthung; sie allein 
war dem Schicksale ihrer Gefährten entgangen; aber 
Vater und Mutter hatten es theilen müssen. Ihre 
Eltern halten mehre Jahre in Westindien gelebt, und 
nachdem sie sich einiges Vermögen erworben, wollten 
sie? nach England zurückkehren, um dort den Ueber- 
rest ihrer Tage zu verleben. Sie sagte,.daß sie seit 
fast drei Tagen nichts gegessen, und zwei Nachte auf 
dem Deck deö Vorderkasteüs geschlafen habe, ohne
	        
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