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Volume No. 1

Full text: Berliner Omnibus (Public Domain) Issue1.1847 (Public Domain)

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Stirn geschrieben, so würde ei» ehrlicher Mann nicht 
durch ihn betrogen worden sein. Er hat Sie in der 
Patsche gelassen und ist auf und davon gegangen." 
„Da ist mir nicht zu helfen" sagte ich. — 
-u-.'„Ich wünschte, eö wäre," antwortete er. — 
> i : Als ich in das Zimmer trat, hatte er geschrie 
ben und jetzt nahm er seine Arbeit wieder vor. Seine 
Fever schrieb ohne Zweifel schlecht, denn er nahm 
eine andere und versuchte sie.— Sie schrieb aber eben so 
schlecht nnd er klingelte nach seinem Schreiber. Als 
dieser kam, that er ihm einige Fragen, die wahr 
scheinlich nicht von großer Bedeutung waren; dann 
entließ er ihn .wieder. « Er -ging im Zimmer auf und 
nieder, zuweilen anhaltend, tum über etwas nachzu 
denken; dann kehrte er nach seinem Pulte zurück und 
fing wieder an zu schreiben. Er war anscheinend sehr 
verlegen und ich glaubte die Ursache davon vermuthen 
zu könne», -r-'3 n»i ■ 
„Wann soll ich kommen, Sir?" fragte ich ihn. 
„Warum?" erwiederte er. 
„3ns Gefängniß zu gehen." 
' Er faltete die Arme ineinander und wiegte sich 
ans seinem Stuhle, ohne mir eine Antwort' zu geben. 
Eö verging gewiß eine Viertelstunde, ohne daß einer 
von uns ein Wort sprach.! Endlich fragte ich: 
„Können Sie mir Zeit geben, bis Mittwoch, 
Sir?" »ftss . 
„Vis zu welcher Zeit Sie wollen" antwortete 
er mit so augenscheinlicher Bewegung, daß ich auch 
fast davon gerührt wurde. ^ ml wianli ; n,w 
„Ich werde am Mittwoch -hier sein, sagte ich. 
Zu welcher Zeit soll ich kommen?" - ^ 
' „Wann-Sie wollen" antwortete er. - 
„Um ein Uhr denn" sägte ich, verließ hastig das 
Zimmer und ging nach Hause. : — 
Das Vertrauen, was dieser würdige Mann in 
Meine Person setzte, die ihm eine Woche vorher noch 
fremd war, erschien mir sehr auffallend. Der Grund, 
weshalb ich meine Verhaftung aufgeschoben zu sehen 
wünschte, war dieser. 
Einer meiner Freunde hatte ein dramatisches 
Werk auf eins dev Theater gegeben. Der Tag, an 
dem dies Stück gegeben werden sollte, war der Diens 
tag und so' groß war mein Verlangen, der Vor 
stellung beizuwohnen, daß ich der Versuchung nicht 
widerstehe»'koNnte; meine Freiheit noch bis nach die 
ser Vorstellung zu behaupte»/ waS mir auch gelang; 
da die Güte deS Sollicitors gegen mich so groß war. 
Es schien in. der That ein wahrer Balsam für das 
Herz" deS guten Mannes, mir die erbetene Freiheit 
lassen zu könne». — 3ns Theater ging ich nun zwar; 
dennoch aber sahe ich. das Stück nicht, welches'gege 
ben'wurde, da-ln dem Kreise über dem Parterre und 
zwar in der vierten Loge von der Bühne, mir gegen 
über, das'schöne Mädchen faß, was mir auf der In 
sel Wight unter den Händen so räthselhaft ver 
schwand. Ich war im Schauspiel ohne einen 
Schilling in der Tasche und daher außer Stande, 
mich ihr zu nähern. — Sie war schöner denn je, 
obgleich die sehr hohe Rothe der Gesundheit, welche 
ihre Wangen bedeckte, als ich sie zuerst sah, ver 
schwunden war und einer reizenden Blässe Platz ge 
macht hatte. Auch das Feuer ihrer Augen war ge- 
mäßiget und einem lieblichen Schmachten gewichen. 
Ihren Platz hatte sie zwischen einer ältlichen Dame 
und einem jungen Manne, welcher ein Landmann, 
doch von höherem Range als gewöhnlich, zu sei» 
schien. Wie beneidete ich ihn; mit welchem Schmerz 
beobachtete ich de» Ausdruck in seiner Haltung, als 
wenn ich daraus den Verwandschaftsgrad hätte entdecken 
können, in welchem er mit seiner erobernden Nach 
barin stand. Wie klopfte mein Herz, wenn er sie 
ansah, oder daS Wort an sie richtete und sie ihm 
mit Vergnüge» zu antworten schien. Welche Marter 
lag für mich i» ihrem Lächeln. Als der erste Akt 
des Schauspiels geendet war, standen einige Personen 
vor mir auf, nnd da ich dadurch ihres Anblicks be 
raubt wurde, so stand ich auch auf. — Da die Au 
gen des Mädchens über die Versammlung hinliefen, 
so hoffte ich, daß sie auch auf mich blicken würde und 
sie war auch auf dem Punkte, dies zu thun, als der 
Bagazzo ihre Aufmerksamkeit auf sich zog und die 
die Ursache wurde, daß sie mich nicht bemerkte. — 
Gewiß segnete ich ihn. Da stand ich starrend und 
hatte so ganz vergessen, wo ich war, daß ich das 
Aufziehen des Vorhangs nicht bemerkte, und wie die 
Zuschauer um mich her ihre Sitze wieder einnahmen, 
da die Vorstellung wieder anfing. Ein lautes Zischen, 
und das Geschrei „Niedersetzen" wiederholt von meh 
ren Stimmen, erweckte mich, und war die Ursache, 
daß ich mich umsah. Jedoch starrte ich umher, ohne 
die Ursache des Aufruhres zu entdecken, und wahr 
scheinlich würde ich sie auch nicht entdeckt haben, wenn 
nichr ein »eben mir sitzender Mann mich sanft an den 
Arm gefaßt und mir gesagt hätte, daß ich die Aus 
sicht auf die Bühne verdecke. Da setzte ich mich end 
lich ärgerlich nieder, richtete, aber meine Augen so 
gleich wieder auf die Loge, jedoch nur um zu sehe», 
daß die bezaubernde Inhaberin derselben nicht auf 
ihrem Sitze sei. Die Gesellschaft darin war aber in 
großer Vertvirrung und. ein Mann trug so eben ei» 
Mädchen hinaus, welches in Ohnmacht gefallen war. 
Einen Augenblick sah ich ihre Gesichter; — es war 
der Landmann und — sie. — So. gut. ich konnte, 
drängte ich mich durch die Zuschauer und kümmerte 
mich nicht darum, wen ich zur Seite fliest, oder waS 
man zu mir sagte. In großer Eile verfehlte ich den 
Gang, der zu den Logen führte, aber ich fand ihn 
wieder und endlich erreichte ich die Thür des Hau- 
seS. Eine Kutsche stand dort, in. welche so eben eine 
Dame stieg, von deren Kleide ich kaum einen Zipfel sah, 
als bereits die Thür. der Kutsche zuflog. ..Durch das 
Fenster derselben konnte ich nur die Umrisse , einer 
Frauengestalt sehen, die sich auf die Schultern einer
	        
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