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Stirn geschrieben, so würde ei» ehrlicher Mann nicht
durch ihn betrogen worden sein. Er hat Sie in der
Patsche gelassen und ist auf und davon gegangen."
„Da ist mir nicht zu helfen" sagte ich. —
-u-.'„Ich wünschte, eö wäre," antwortete er. —
> i : Als ich in das Zimmer trat, hatte er geschrie
ben und jetzt nahm er seine Arbeit wieder vor. Seine
Fever schrieb ohne Zweifel schlecht, denn er nahm
eine andere und versuchte sie.— Sie schrieb aber eben so
schlecht nnd er klingelte nach seinem Schreiber. Als
dieser kam, that er ihm einige Fragen, die wahr
scheinlich nicht von großer Bedeutung waren; dann
entließ er ihn .wieder. « Er -ging im Zimmer auf und
nieder, zuweilen anhaltend, tum über etwas nachzu
denken; dann kehrte er nach seinem Pulte zurück und
fing wieder an zu schreiben. Er war anscheinend sehr
verlegen und ich glaubte die Ursache davon vermuthen
zu könne», -r-'3 n»i ■
„Wann soll ich kommen, Sir?" fragte ich ihn.
„Warum?" erwiederte er.
„3ns Gefängniß zu gehen."
' Er faltete die Arme ineinander und wiegte sich
ans seinem Stuhle, ohne mir eine Antwort' zu geben.
Eö verging gewiß eine Viertelstunde, ohne daß einer
von uns ein Wort sprach.! Endlich fragte ich:
„Können Sie mir Zeit geben, bis Mittwoch,
Sir?" »ftss .
„Vis zu welcher Zeit Sie wollen" antwortete
er mit so augenscheinlicher Bewegung, daß ich auch
fast davon gerührt wurde. ^ ml wianli ; n,w
„Ich werde am Mittwoch -hier sein, sagte ich.
Zu welcher Zeit soll ich kommen?" - ^
' „Wann-Sie wollen" antwortete er. -
„Um ein Uhr denn" sägte ich, verließ hastig das
Zimmer und ging nach Hause. : —
Das Vertrauen, was dieser würdige Mann in
Meine Person setzte, die ihm eine Woche vorher noch
fremd war, erschien mir sehr auffallend. Der Grund,
weshalb ich meine Verhaftung aufgeschoben zu sehen
wünschte, war dieser.
Einer meiner Freunde hatte ein dramatisches
Werk auf eins dev Theater gegeben. Der Tag, an
dem dies Stück gegeben werden sollte, war der Diens
tag und so' groß war mein Verlangen, der Vor
stellung beizuwohnen, daß ich der Versuchung nicht
widerstehe»'koNnte; meine Freiheit noch bis nach die
ser Vorstellung zu behaupte»/ waS mir auch gelang;
da die Güte deS Sollicitors gegen mich so groß war.
Es schien in. der That ein wahrer Balsam für das
Herz" deS guten Mannes, mir die erbetene Freiheit
lassen zu könne». — 3ns Theater ging ich nun zwar;
dennoch aber sahe ich. das Stück nicht, welches'gege
ben'wurde, da-ln dem Kreise über dem Parterre und
zwar in der vierten Loge von der Bühne, mir gegen
über, das'schöne Mädchen faß, was mir auf der In
sel Wight unter den Händen so räthselhaft ver
schwand. Ich war im Schauspiel ohne einen
Schilling in der Tasche und daher außer Stande,
mich ihr zu nähern. — Sie war schöner denn je,
obgleich die sehr hohe Rothe der Gesundheit, welche
ihre Wangen bedeckte, als ich sie zuerst sah, ver
schwunden war und einer reizenden Blässe Platz ge
macht hatte. Auch das Feuer ihrer Augen war ge-
mäßiget und einem lieblichen Schmachten gewichen.
Ihren Platz hatte sie zwischen einer ältlichen Dame
und einem jungen Manne, welcher ein Landmann,
doch von höherem Range als gewöhnlich, zu sei»
schien. Wie beneidete ich ihn; mit welchem Schmerz
beobachtete ich de» Ausdruck in seiner Haltung, als
wenn ich daraus den Verwandschaftsgrad hätte entdecken
können, in welchem er mit seiner erobernden Nach
barin stand. Wie klopfte mein Herz, wenn er sie
ansah, oder daS Wort an sie richtete und sie ihm
mit Vergnüge» zu antworten schien. Welche Marter
lag für mich i» ihrem Lächeln. Als der erste Akt
des Schauspiels geendet war, standen einige Personen
vor mir auf, nnd da ich dadurch ihres Anblicks be
raubt wurde, so stand ich auch auf. — Da die Au
gen des Mädchens über die Versammlung hinliefen,
so hoffte ich, daß sie auch auf mich blicken würde und
sie war auch auf dem Punkte, dies zu thun, als der
Bagazzo ihre Aufmerksamkeit auf sich zog und die
die Ursache wurde, daß sie mich nicht bemerkte. —
Gewiß segnete ich ihn. Da stand ich starrend und
hatte so ganz vergessen, wo ich war, daß ich das
Aufziehen des Vorhangs nicht bemerkte, und wie die
Zuschauer um mich her ihre Sitze wieder einnahmen,
da die Vorstellung wieder anfing. Ein lautes Zischen,
und das Geschrei „Niedersetzen" wiederholt von meh
ren Stimmen, erweckte mich, und war die Ursache,
daß ich mich umsah. Jedoch starrte ich umher, ohne
die Ursache des Aufruhres zu entdecken, und wahr
scheinlich würde ich sie auch nicht entdeckt haben, wenn
nichr ein »eben mir sitzender Mann mich sanft an den
Arm gefaßt und mir gesagt hätte, daß ich die Aus
sicht auf die Bühne verdecke. Da setzte ich mich end
lich ärgerlich nieder, richtete, aber meine Augen so
gleich wieder auf die Loge, jedoch nur um zu sehe»,
daß die bezaubernde Inhaberin derselben nicht auf
ihrem Sitze sei. Die Gesellschaft darin war aber in
großer Vertvirrung und. ein Mann trug so eben ei»
Mädchen hinaus, welches in Ohnmacht gefallen war.
Einen Augenblick sah ich ihre Gesichter; — es war
der Landmann und — sie. — So. gut. ich konnte,
drängte ich mich durch die Zuschauer und kümmerte
mich nicht darum, wen ich zur Seite fliest, oder waS
man zu mir sagte. In großer Eile verfehlte ich den
Gang, der zu den Logen führte, aber ich fand ihn
wieder und endlich erreichte ich die Thür des Hau-
seS. Eine Kutsche stand dort, in. welche so eben eine
Dame stieg, von deren Kleide ich kaum einen Zipfel sah,
als bereits die Thür. der Kutsche zuflog. ..Durch das
Fenster derselben konnte ich nur die Umrisse , einer
Frauengestalt sehen, die sich auf die Schultern einer