energy
innovation
austria
2/2021
Aktuelle Entwicklungen
und Beispiele für
zukunftsfähige
Energietechnologien
Wärme aus der Tiefe
Geothermie als Energietechnologie
der Zukunft in Österreich
Erdwärme hat das Potenzial, als erneuerbare Energiequelle eine wich
tige Rolle für die klimaneutrale Wärmeversorgung zu spielen. Die geo
thermischen Potenziale in Österreich und die Einsatzmöglichkeiten
von Erdwärme in zukunftsweisenden Energiekonzepten werden aktu
ell in verschiedenen Pilotprojekten erforscht und getestet.
GeoTief-Impulsfahrzeug für Seismik-Messungen im Raum Wien,
Foto: Wien Energie/Christian Hofer
E
THE M A
Erdwärme
Technologien und Potenziale für die
Energieversorgung der Zukunft
Etwa ein Drittel des österreichischen Energieeinsatzes und rund 20 % des heimischen
CO2-Ausstoßes entfallen auf Raumwärme- und Warmwasserversorgung.1 Um das
nationale Ziel, Klimaneutralität bis 2040, zu erreichen, muss die Wärmewende, d. h.
der Umstieg auf erneuerbare Energieträger im Wärmesektor, vorangetrieben werden.
Neben Biomassetechnologien, Fernwärme und direkter Solarnutzung hat Geothermie
das Potenzial, ein wichtiger Baustein im zukünftigen Energiesystem zu werden.
Wärmestrategie für Österreich
Vertreter*innen aller neun Bundesländer erarbeiten aktuell gemeinsam mit dem Bundesministerium für Klimaschutz und dem Bundesministerium für Finanzen eine Wärmestrategie für Österreich. Gemäß Beschluss der Landesenergiereferent*innen, bekräftigt durch die Landeshauptleute,
ist das Ziel die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung von Gebäuden (Wohngebäude und NichtWohngebäude) bis 2040 durch die Umstellung auf erneuerbare Energieträger. Bei der Umstellung
auf Erneuerbare spielen u. a. Biomasse, Solarnutzung, Geothermie und Umgebungswärme eine
Rolle. Zudem wird in der Wärmestrategie für Österreich von Bundesländern und Bund auf eine
weitere Reduktion des Energieverbrauchs gesetzt.
WÄRME AUS DER ERDE NUTZEN
Als Erdwärme bezeichnet man die unterhalb der festen Erdoberfläche in Gesteins- und
Erdschichten sowie in unterirdischen Wasserreservoirs gespeicherte Wärmeenergie.
Geothermie stellt eine umweltschonende und nachhaltige Technologie zur Nutzung
dieser Wärmequellen dar. Die im Untergrund gespeicherte Wärme kann zum Heizen
und Kühlen sowie zur Erzeugung von elektrischem Strom oder in der kombinierten
Kraft-Wärme-Kopplung eingesetzt werden und bietet sich vor allem für lokale Energie
versorgungskonzepte an. Zunehmende Bedeutung gewinnt die Technologie auch für
die saisonale Speicherung von Wärme im Untergrund. Bei der geothermischen Wär
meversorgung wird grundsätzlich zwischen zumeist mit Wärmepumpen unterstützten
Niedertemperatur-Anwendungen (Quellentemperatur < 30 °C) und direkten Wärmean
wendungen mit Temperaturen > 60 °C unterschieden.
OBERFLÄCHENNAHE GEOTHERMIE
Bei der oberflächennahen Geothermie wird Wärme- oder Kühlenergie mit Hilfe von
Erdwärmesonden, Flächenkollektoren oder in Form von direkter thermischer Grund
wassernutzung aus den oberen Erd- und Gesteinsschichten gewonnen. Der Untergrund
wird dabei bis zu einer Tiefe von ca. 400 Metern und Temperaturen von ca. 30 °C ge
nutzt. Erdwärmesonden- und kollektoren sind Rohrsysteme mit zirkulierendem Wasser,
über die dem Boden Wärme entzogen oder zugeführt werden kann. Gekoppelt mit einer
Wärmepumpenanlage wird diese zur Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser
oder auch zur Kühlung von Gebäuden verwendet. Die direkte thermische Nutzung des
Grundwassers ist unter der Voraussetzung, dass ein oberflächennaher, ergiebiger
Grundwasserkörper vorhanden ist (abseits von Grundwasserschutzgebieten) ebenfalls
möglich. Erdwärme kann so dazu beitragen, fossile Energieträger bei der Wärme- und
Kälteversorgung zu ersetzen.
faktencheck-energiewende.at/fakt/ohne-waermewende-keine-energiewende
Wirtschaftswachstum und Beschäftigung durch Investitionen in Erneuerbare Energien, Energieinstitut an der JKU Linz,
Linz, Oktober 2020
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Fotos: stock.adobe.com
Volkswirtschaftliche Effekte
Im Rahmen einer Studie2 des Energieinstituts der JKU Linz wurden die Effekte auf
Wirtschaftswachstum und Beschäftigung
durch Investitionen in erneuerbare Energien evaluiert. Für die oberflächennahe
Geothermie wurde ein Szenario mit einem
zusätzlichen Ausbau von ca. 3 TWh pro Jahr
bis 2030 betrachtet. Dieses zeigte (unter
Berücksichtigung des angenommenen
Ausbaupfads und daraus resultierender
Investitionen und Substitution von Importen fossiler Energie) für 2030 mehr als
12.000 zusätzliche Beschäftigte sowie eine
zusätzliche Erhöhung des BIP um 0,9 Mrd.
Euro. In Simulationen zur Hydrogeothermie
wurde sowohl die Nutzung natürlicher
Thermalwasservorkommen für Direktwärme
und Strom als auch für saisonale Wärmespeicher mit einem zusätzlichen Ausbau um
2,1 TWh bis 2030 betrachtet. Hier ergeben
sich für 2030 mehr als 2.000 zusätzliche Beschäftigte sowie eine zusätzliche Erhöhung
des BIP um 0,1 Mrd. Euro.
THEMA
TIEFE GEOTHERMIE
Tiefengeothermische Anlagen nutzen die Wärme aus einer
Tiefe von etwa 1.500 bis 5.000 Metern mit Temperaturen von
über 60 °C. Man unterscheidet hydrothermale Anlagen, die den
Energiegehalt von warmem bis heißem Thermalwasser befördern
sowie petrothermale Systeme, die Wärme aus tief liegenden tro
ckenen, bis kaum wasserführenden Gesteinsschichten nutzbar
machen. Die Wärme aus dem tiefen Untergrund kann zur Wärme
versorgung sowie zur Erzeugung von Strom genutzt werden. Bei
einem hydrothermalen System wird mithilfe einer Tiefenbohrung
heißes Wasser an die Oberfläche transportiert. Die thermische
Energie wird über einen Wärmetauscher z. B. an ein Fernwärme
netz abgegeben. Anschließend wird das abgekühlte Wasser wie
der in den Untergrund zurückgeführt. Ein petrothermales System
benötigt dicht gelagerte Sedimentgesteine oder Kristallingestein
in Tiefen mit Temperaturen von > 150 °C. Die Nutzung der Wärme
des heißen Gesteins erfolgt durch Aufbrechen von vielen kleinen
Klüften, um neue Fließwege für künstlich eingebrachtes Wasser
zu schaffen. Das durch das neue Kluftsystem zirkulierende auf
geheizte Wasser wird über eine Förderbohrung an die Oberfläche
gebracht und über eine Injektionsbohrung wieder in das Reser
voirgestein zurück transportiert.
ANWENDUNG IN ÖSTERREICH
In Österreich sind derzeit ca. 90.000 Erdwärme gekoppelte
Wärmepumpenanlagen in Betrieb, die in Summe ca. 2,3 TWh
Wärme (inkl. elektrischer Anteil der Wärmepumpe) produzieren.
Im Bereich der geothermischen Direktnutzung von natürlich
vorhandenen Thermalwässern gibt es in Österreich aktuell
10 Wärmegewinnungsanlagen, die in Summe ca. 300 GWh
Wärme produzieren. An zwei Standorten wird auch elektrische
Energie, gekoppelt mit der Wärmeanwendung, im Ausmaß von
ca. 2,5 GWhel gewonnen.3 Bei den geothermischen Niedertem
peraturanwendungen spielt auch die Kühlung eine zunehmend
wichtige Rolle. Hierzu liegen aktuell noch keine Marktzahlen
vor. Im Bereich der petrothermalen Energiegewinnung besteht
großer Forschungsbedarf und es gibt in Österreich aktuell noch
keine Pilotanlagen.
POTENZIALE BIS 2040
Folgende technische Nutzungspotenziale der Geothermie für die
Wärmeversorgung bis 2040 wurden in verschiedenen Studien
für Österreich identifiziert4:
> Oberflächennahe Geothermie: 15 TWh im Bereich geother
mischer Niedertemperaturanwendungen inkl. Wärmespei
cher. Limitierende Faktoren sind hier die Verfügbarkeit von
Freiflächen zur Errichtung von Geothermieanlagen sowie
von entsprechenden Dienstleistungsanbietern (Bohrfirmen,
Planungsbüros)
> Tiefe Geothermie: 9,2 TWh im Bereich geothermischer Hoch
temperaturanwendungen inkl. Wärmespeicher. Dies umfasst die
Nutzung bereits bekannter Heißwasservorkommen sowie die
Errichtung erster Pilotanlagen zur Nutzung heißer, jedoch kaum
bis nicht wasserführender Gesteine (Hot Dry Rock Technologie).
Zusätzlich zur geothermischen Wärmegewinnung werden
Potenziale zur Gewinnung von elektrischer Energie mittels KWKAnlagen im Umfang von 0,7 TWhel geschätzt.
In dieser Ausgabe stellen wir einige aktuelle Projekte aus den
Programmen des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt,
Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) und des
Klima- und Energiefonds zur Erforschung der Geothermie in
Österreich vor.
Geologische Bundesanstalt, www.geologie.ac.at
Verein Geothermie Österreich, www.geothermie-oesterreich.at
5
www.iea.org/reports/energy-technology-perspectives-2020
3
4
Die Geothermie ist eine ungemein vielseitige, aber schlafende Energiegigantin, die nun auf
geweckt werden muss. Die 2020 Energy Technology Perspectives der IEA5 zeigen auf, dass
die Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 zwingend auf die Nutzung der Geothermie für
die Wärme- und Kälteversorgung für Haushalte, Gebäude und Industrie angewiesen ist. Die Umsetzung
von Europas Green Deal ist ebenfalls nur dann erfolgreich, wenn Geothermie einerseits mehr genutzt
wird und andererseits stärker in lokale, regionale und überregionale Energiesysteme integriert wird,
insbesondere in Verbindung mit unterirdischer Energiespeicherung. Forschung und Innovation tragen
dazu bei, dass Kosten gesenkt, der Mehrwert erhöht und mehr Industrieakteure in die Entwicklung und
Nutzung der Geothermie einsteigen werden. Österreich hat starke nationale Kompetenzen in der geo
thermischen Wertschöpfungskette, die auch international eingesetzt werden können. Und Österreichs
Akteure können umgekehrt aus europäischen und internationalen Erfahrungen schnell und effizient
Lehren ziehen, damit die Geothermie ihrer Rolle in einem klimaneutralen Österreich gerecht wird."
Foto: privat
Dr. Gunter Siddiqi
(ehem.) Energieforschung Schweizer Bundesamt für Energie und
Vorsitzender der IEA Renewable Energy Working Party
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INTERV IE W
Mag. Gregor Götzl
Geologische Bundesanstalt (GBA),
Abteilung Hydrogeologie und Geothermie
Foto: privat
Die Geologische Bundesanstalt ist an verschiedenen aktuellen
Forschungsvorhaben zur Nutzung der Geothermie in Österreich beteiligt. Welche Rolle kann Erdwärme für eine nachhaltige Wärmeversorgung der Zukunft spielen?
sonden dar, zumal in Österreich derzeit noch über 1.000 solcher
Sonden existieren. Die hierdurch gewonnene Wärme ließe sich
zum Beispiel für landwirtschaftliche Zwecke (u. a. für die Behei
zung von Glashäusern) einsetzen.
Der besondere Reiz der Geothermie besteht in der vielseitigen
Anwendbarkeit für thermische Prozesse im Bereich von weniger
als 10 °C (Kälte) bis über 150 °C (Gewinnung elektrischer Energie).
Die umweltfreundliche und nachhaltige Wärmeversorgung liefert
jedoch den bei weitem wichtigsten Beitrag zur Energiever
sorgung. In den letzten Jahren nimmt auch die Bedeutung der
Geothermie für die großvolumige saisonale Wärmespeicherung
deutlich zu.
Wie können die bestehenden Ressourcen bestmöglich genutzt
werden? Wo sehen Sie den größten Forschungs- und Entwicklungsbedarf?
Verschiedene Anwendungsfelder sind in Hinblick auf eine nach
haltige Wärmeversorgung von Bedeutung:
> die Klimatisierung größerer Gebäude bzw. renovierter Be
standsgebäude mit Wärmelasten über 20 kW
> die Vernetzung verschiedener Gebäude bzw. ganzer Areale
in so genannten Anergie-Netzen, in welchen die Geothermie,
insbesondere Erdwärmesonden, vorrangig als saisonaler
Wärmespeicher eingesetzt werden
> die umweltfreundliche Kühlung mittels Geothermie bei an
schließender Wiedergewinnung der produzierten Abwärme
für Heizzwecke
> geothermisch unterstützte konventionelle Wärmenetze im
Temperaturbereich zwischen 50 °C und 100 °C in Ballungs
räumen
> geothermische Hochtemperaturspeicher bis ca. 90 °C in
Kombination mit konventionellen Wärmenetzen (geologische
Wärmespeicher)
> effiziente Kraft-Wärme-Kopplung in Kombination mit geolo
gischen Wärmespeichern (wenn Thermalwasservorkommen
über 100 °C vorhanden sind)
Ein besonderer Anwendungsfall stellt die Nachnutzung ausge
dienter Erdöl- und Erdgassonden in Form von Tiefenwärme
4
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Die Nutzung der Geothermie hat insbesondere in urbanen Gebie
ten ein hohes Anwendungspotenzial, da sich diese Technologie
durch einen geringen Flächenverbrauch an der Oberfläche aus
zeichnet und keine Emissionen (Abgase, Lärm oder Abwärme)
verursacht. Zudem lassen sich sämtliche Anwendungsformen
der Geothermie mit Wärme- und Kältenetzen kombinieren. Aus
diesem Grund ist F&E-Bedarf für eine bessere Integration der
Geothermie in urbane Wärme- und Kälteversorgungskonzepte
gegeben. Dies umfasst neben technologischen Entwicklungen
(z. B. emissionsarme und platzsparende Bohrverfahren) vor
allem die Entwicklung von Planungs- und Bewertungsinstru
menten, um die Ressource Erdwärme in Stadtgebieten best
möglich bewirtschaften und Umweltauswirkungen minimieren
zu können. Begleitend zur Forschung muss hierzu auch ein
passender rechtlicher Rahmen geschaffen werden.
Weiterer F&E-Bedarf ist in der Errichtung geologischer Wärme
speicher sowie in der Anwendung petrothermaler Technologien
(z. B. Hot Dry Rock) gegeben. Petrothermie besitzt hierbei den
großen Vorteil einer geringeren Abhängigkeit von geologischen
Rahmenbedingungen, insbesondere dem Vorhandensein von
Heißwasservorkommen, und könnte zukünftig komplementär
zur traditionellen Nutzung der Hydrogeothermie angewendet
werden. Sowohl im Bereich der geologischen HochtemperaturWärmespeicher als auch im Bereich petrothermaler Energiege
winnung fehlen in Österreich noch Pilot- und Demonstrations
anlagen. Es wäre wichtig, diese in den kommenden 10 Jahren zu
errichten.
PROJEKT
Manage_GeoCity
Effiziente Nutzung von Erdwärme im urbanen Raum
Im Projekt Manage_GeoCity wurde unter der Leitung von
JOANNEUM RESEARCH1 anhand der Modellregion Graz eine
Methodik für die koordinierte Nutzung und Bewirtschaftung
oberflächennaher Erdwärme entwickelt. Durch zahlreiche
Wärmequellen (z. B. die Abwärme städtischer Bebauungen im
Untergrund) kommt es in urbanen Räumen oft zu einer Aufwär
mung des Untergrunds und des Grundwassers, was negative
Auswirkungen auf die Grundwasserqualität haben kann. Diese
unterirdische Wärme stellt gleichzeitig ein großes Potenzial für
die Wärme- und Kälteversorgung in Städten dar. Mit dem Entzug
der Wärme für Heiz- und Kühlzwecke wird auch ein Abkühleffekt
erzielt. Doch die unkoordinierte Nutzung der Erdwärme durch
zahlreiche kleine Einzelanlagen führt rasch zur gegenseitigen
Beeinflussung und einer ineffizienten, nicht nachhaltigen Be
wirtschaftung.
Im Fokus von Manage_GeoCity standen Wärme- und Kühlanwen
dungen sowie die saisonale Speicherung von Wärme in urbanen
Räumen. In den Analysen werden Grundwasserströmungen,
unterschiedliche geologische Verhältnisse, Wärme- und Kühlbe
darf, Wärmeeintrag von Solaranlagen und betrieblicher Abwärme
sowie Optionen für die saisonale Speicherung von Wärme im
Untergrund berücksichtigt.
PROJEKTERGEBNISSE
Die Simulationsergebnisse für die zwei Fallbeispiele mit
grundwasserbürtiger Geothermie zeigen, dass der Einsatz von
Wärmepumpen für Heizzwecke eine deutliche Abkühlung des
Grundwassers bewirken kann. Für das Fallbeispiel mit Erdwär
mesondenfeld sind die räumlichen Auswirkungen im Erdreich
begrenzt. Es zeigten sich keine signifikanten Temperaturänderungen in einer Entfernung von 50 Metern. Die ökologische
Bewertung macht deutlich, dass für Systeme mit Wärmepumpe
die Art der Strombereitstellung einen entscheidenden Einfluss
auf die gesamten Treibhausgasemissionen hat. Für Varianten
mit österreichischem Strommix (mit hohem Anteil erneuerbarer
Energie) liegt die Treibhausgasreduktion im Vergleich zu fossilen
Heizsystemen zwischen 75 % und 85 %. Um die Wirtschaftlich
keit zu verbessern, sind weitere Optimierungen der Systeme
notwendig. Dies betrifft einerseits die Investitionskosten (z. B.
Anzahl und Tiefe der Erdwärmesonden) und andererseits die
erforderlichen Temperaturen für die Wärmeversorgung der Ge
bäude, die großen Einfluss auf die Effizienz der Wärmepumpen
und damit auf die Stromkosten haben.
https://nachhaltigwirtschaften.at/resources/sdz_pdf/
berichte/schriftenreihe-2018-35-manage-geocity.pdf
FALLBEISPIELE AUS DER MODELLREGION GRAZ
Für die Modellregion Graz wurden unterirdische Gunstzonen
für oberflächennahe Erdwärme ohne Wasserentnahme sowie
für thermische Grundwassernutzung ausgewiesen. Für drei
Fallbeispiele wurden Wärme- und Kühlbedarfsanalysen durch
geführt und dem Wärme- und Kältepotenzial des Untergrunds
gegenübergestellt sowie technisch, ökonomisch und ökologisch
bewertet. Mit Hilfe von Simulationen konnte die Beeinflussung
der Untergrundtemperaturen durch die Wärmeentnahme und
-speicherung analysiert werden. Die Methodik berücksichtigt
auch etwaige thermische Vorbelastungen des Untergrunds
sowie wasserwirtschaftliche Rahmenbedingungen und schafft
damit die Basis für eine effiziente und nachhaltige Nutzung
von Erdwärme in Stadtgebieten. Sie kann als Grundlage für
zukünftige Nutzungs- und Bewirtschaftungspläne herangezogen
werden und ist auf andere Städte übertragbar.
PROJEKTPARTNER:
JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH (Projektleitung),
Grazer Energieagentur Ges.m.b.H.
1
Temperaturverteilung im Pilotgebiet 1 mit Wasserentnahme und Einspeisung,
Abbildung: JOANNEUM RESEARCH
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PR O J E K T
Impulsfahrzeuge bei 2D-Seismik-Messungen im Raum Wien und Groß-Enzersdorf, Foto: Wien Energie/Christian Hofer
GEOTIEF
Erforschung der Geothermiepotenziale im Wiener Becken
Im Projekt GeoTief, das von Wien Energie in Zusammenarbeit
mit zahlreichen Partnern aus Wissenschaft, Forschung und
Industrie1 durchgeführt wird, geht es um die systematische
Erforschung und Vermessung des geologischen Untergrunds im
Wiener Becken. GeoTief ist das größte Geologie-Forschungspro
jekt Österreichs und gilt europaweit als Vorzeigebeispiel für in
tegrierte Forschung in dieser Branche. Ziel ist es, die Potenziale
der Tiefengeothermie für die Wärmeversorgung des Großraums
Wiens zu quantifizieren und damit eine Entscheidungsgrundlage
für Wärmeprojekte der Zukunft zu schaffen.
Hydrothermale Geothermie, also die Nutzung von tiefen
Heißwasservorkommen, stellt eine lokale, erneuerbare und
umweltfreundliche Wärmeenergiequelle dar und steht als grund
lastfähiger Einspeiser für Fernwärmenetze zur Verfügung. Die
hydrothermale Geothermie wird in den Strategiekonzepten der
Stadt Wien (z. B. in der Energierahmenstrategie 20302) als wich
tige nachhaltige Zukunftstechnologie erkannt.
POTENZIAL FÜR DIE WÄRMEVERSORGUNG
Dem Wiener Becken wird ein Anteil von 40 % bis 60 % an der
geschätzten Anwendungskapazität dieser Energieform in Öster
reich (450 MW bis 700 MW thermisch) zugeschrieben3. Zugleich
weist der Ballungsraum Wien eines der größten Fernwärmenetze
Europas auf. Die Geothermie könnte eine wichtige Rolle dabei
spielen, den Anteil an erneuerbarer Energie in der Fernwär
meversorgung weiter zu erhöhen und das bestehende Wiener
Fernwärmenetz noch effizienter und nachhaltiger zu machen.
Wien Energie hat sich das Ziel gesetzt, 140 MW Geothermie bis
zum Jahr 2030 zu installieren. Damit könnten 135.000 Haushalte
versorgt und bis zu 260.000 t CO2 pro Jahr eingespart werden.
Das Projekt GeoTief schafft die wissenschaftliche Basis für
dieses Vorhaben.
SEISMISCHE MESSUNGEN
Der wesentliche Kern des Projekts ist die Umsetzung von seis
mischen Messungen in zwei Phasen. Im Rahmen des Projekts
GeoTief BASE (2D) wurden 2017 erstmals in Österreich im dicht
bebauten Stadtgebiet seismische 2D-Messungen für die detail
lierte Erkundung des tiefen Untergrunds durchgeführt. Darauf
aufbauend erfolgte im Herbst 2018 im Folgeprojekt GeoTief
EXPLORE (3D) eine flächendeckende 3D-Seismik-Messung. Die
Messungen fanden ausschließlich an der Erdoberfläche statt.
Seismische Messungen werden seit Jahrzehnten weltweit
durchgeführt, um die geologischen Strukturen und Gesteins
schichten im Untergrund zu erkunden. Die Reflexionsseismik
ist ein Verfahren, das zur Beschreibung der Geometrien und
Tiefenlagen von geologischen Schichtgrenzen im Erdinneren
eingesetzt wird. Mit Seismik-Messungen kann der Untergrund,
wie mit einem Echolot, untersucht werden. Entlang von Straßen
und Wegen werden Schwingungen in die Tiefe gesandt. Das
Signal wird im Untergrund reflektiert und von Sensoren, die in
der Nähe der Messfahrzeuge ausgelegt sind, aufgezeichnet.
PROJEKTPARTNER: Wien Energie (Projektleitung), AIT Austrian Institute of Technology GmbH, Geologische Bundesanstalt (GBA), Geo5, Heinemann Oil
(HOL), Montanuniversität Leoben, OMV, RAG Austria AG, Universität Wien, Universität Salzburg, Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG)
2
www.wien.gv.at/stadtentwicklung/energie/energierahmenstrategie-2030.html
3
GeoEnergie 2050, www.energieforschung.at/projekte/700/potenzial-der-tiefengeothermie-fuer-die-fernwaerme-und-stromproduktion-in-oesterreich
1
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PROJEKT
Im gesamten Messgebiet sind Messsensoren –
sogenannte Geophone – aufgebaut, welche für
ca. 8 Wochen an Ort und Stelle liegen bleiben,
Foto: Wien Energie/Christian Hofer
3D-Seismik Messungen, Abb.: Wien Energie/APA-Auftragsgrafik
AUSWERTUNG DER DATEN
Aktuell wird das Datenmaterial aus den Seismik-Messungen von
rund 50 Terabyte in einer zweijährigen Analysephase wissen
schaftlich ausgewertet. Parallel dazu werden weitere Tests und
Begutachtungen z. B. in alten Bohrlöchern oder an der Oberflä
che durchgeführt. Die wasserführenden Gesteine im Untergrund
Wiens sind ähnlich den Gesteinen, wie sie in den Kalkalpen im
Süden Wiens (z. B. Hohe Wand) auftreten. Deshalb analysieren
die Universität Wien, die Geologische Bundesanstalt und das
deutsche Geoforschungszentrum GFZ Potsdam Gesteinsproben
aus dem Gebirge und aus Steinbrüchen an der Oberfläche der
Kalkalpen, um die Eigenschaften dieser Gesteine im Untergrund
(z. B. ihre Wasserdurchlässigkeit) zu erforschen.
„
Sämtliche Informationen und Daten fließen in ein geologisches
3D-Modell ein, das ein klares Abbild des Untergrunds gibt und
die Identifikation und Analyse von potenziellen Thermalwasser
vorkommen (Lage, Ausbreitung, Mächtigkeit, etc. der potenziell
wasserführenden Schichten) ermöglichen wird. Im Herbst 2021
soll das Modell präsentiert werden.
www.geotiefwien.at
Wien Energie ist einer der größten Klimaschutz-Investoren. Wir
investieren in den nächsten fünf Jahren eine halbe Milliarde Euro
in den Ausbau von erneuerbaren Lösungen, bis 2030 nehmen
wir uns 1,2 Mrd. Euro Investitionen in Klimaschutzprojekte
vor. In der Wärmeversorgung liegt dabei ein wichtiger Hebel.
40 % der CO2-Emissionen kommen aus diesem Bereich.
Deshalb setzt Wien Energie ganz massiv auf die zunehmende
Dekarbonisierung der Fernwärme. Das größte Potenzial bieten
dabei die Nutzung von vorhandener Abwärme und Geothermie.“
Foto: Wien Energie/Stefan Joham
DI MAG. MICHAEL STREBL
VORSITZENDER DER GESCHÄFTSFÜHRUNG, WIEN ENERGIE
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P ROJ E KT
SEP
Räumliche Energieplanung für die Wärmewende
Der Wärmemarkt befindet sich im Umbau. Technologische
Innovationen, neue Bauvorschriften und gezielte Förderungen
forcieren die Weiterentwicklung und den Einsatz von erneuer
baren Technologien im Wärmebereich sowie eine schrittweise
Ablösung der fossilen Systeme. In räumlichen Planungsprozes
sen wurde das Thema Energie bisher noch wenig berücksich
tigt. Es fehlt den Planer*innen, Investor*innen und politischen
Entscheidungsträger*innen an strukturierten Informationen zu
lokal verfügbaren erneuerbaren Wärmequellen und den techno
logischen Optionen. Eine wichtige Aufgabe ist auch die Koordi
nation des Einsatzes der unterschiedlichen Technologien, um
parallele Infrastrukturen (keine anderen Technologien in Wär
menetzgebieten) und eine negative gegenseitige Beeinflussung
(z. B. die Übernutzung geothermischer Potenziale) zu vermeiden.
Die Wärmewende wird nur gelingen, wenn an jedem Standort
die bestgeeignete Technologie zum Einsatz kommt. Eine Ver
bindung von räumlichen und energierelevanten Aspekten in der
Planung bildet dafür die Grundlage.
RÄUMLICHE ENERGIEPLANUNG
ALS GAME-CHANGER
Hier setzt das Projekt SEP - Spatial Energy Planning an, das
in Zusammenarbeit der Bundesländer Wien, Steiermark und
Salzburg im Rahmen des Innovationslabors „Green Energy Lab“1
durchgeführt wird. Unter der Leitung des Salzburger Instituts
für Raumordnung und Wohnen (SIR) erarbeiten Partner aus den
WÄRM E
PUM PE
Ländern (Landesregierungen, Landeshauptstädte und einzelne
Vorreiter-Gemeinden) in Kooperation mit österreichischen
Forschungseinrichtungen2 alle notwendigen Grundlagen für
die Einführung der räumlichen Energieplanung. Ziel ist es, in
Zukunft die Potenziale aller erneuerbaren Energieformen aus
schöpfen und die verfügbaren Ressourcen und Infrastrukturen
bestmöglich einsetzen zu können. Dazu wurde ein innovatives
Webinformationssystem entwickelt, das die Bereitstellung und
Verknüpfung von räumlichen und energierelevanten Daten und
Informationen ermöglicht. Der Fokus lag in der ersten Phase
des Projekts auf dem Wärmesektor. Die räumliche Energie
planung hat das Potenzial hier zum Game-Changer zu werden
und die Integration nachhaltiger Wärmetechnologien sowie die
Entwicklung neuer Markt- und Geschäftsmodelle wesentlich
voranzutreiben.
INNOVATIVES PLANUNGSINSTRUMENT
Zentrales Tool ist der ENERGIEatlas, eine GIS-basierte Weban
wendung, die kartographische Informationslayer zu Energie
bedarf, Energieversorgungsinfrastrukturen und erneuerbaren
Energieversorgungspotenzialen liefert. Die Verknüpfung einer
Vielzahl von Basisdaten (bis zu einer dreistelligen Anzahl an
Datenquellen je Bundesland) mit fundierten wissenschaftlichen
Modellen und Methoden schafft eine neuartige, umfassende
Planungsgrundlage, die sowohl als kleinste räumliche Auflösung
das einzelne Gebäude als auch konsistent andere Einheiten wie
SCHULE
WÄ R M E
PUMPE
WÄ R M E
PUMPE
BHE
SHC
GW H P
Abb: GRETA - Interreg Alpine Space ERDF
8
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WAS S ER SP I E GEL
BH E: E RDWÄ RM E S O ND E
D URC H L ÄS S I GE S C H I C H TE N
GWHP: GRUNDWASSERWÄ RMEPUMPE
U ND U RC H L ÄS S I GE S C H I C HT E N
S H C : O B E RFL ÄC H E N WÄ RME K O L L E KTOREN
PROJEKT
Die Ampelkarte ist eine Zusammenstellung möglicher Ausschließungsgründe für die Errichtung einer oberflächennahen Geothermieanlage und weist Standorte aus, wo die
Nutzung generell möglich ist (grün), zusätzliche Informationen erforderlich sind (gelb) oder generell Erdwärme nicht genutzt werden kann (violett). In die Ampelkarten gehen
zum Beispiel verkarstungsfähige Gesteine, mögliche Rutschungen oder Bergbaugebiete ein. Abbildungen: Geologische Bundesanstalt (GBA)
Areale, Gemeinden, Regionen und Länder abbilden kann. Darauf
aufbauend wurde eine Applikation integriert, die automatisierte
Abfragen und Analysen für definierte Verwaltungsprozesse
erlaubt. Damit werden Arealentwicklungen, Raumplanung sowie
Entwicklung und Monitoring von Energiestrategien in Zukunft
wirksam unterstützt. Mit Abschluss der ersten Projektphase
sollen im Juni 2021 alle Funktionalitäten für den Bereich Wärme
bereitstehen.
AUSBAUFÄHIGES SYSTEM
OBERFLÄCHENNAHE GEOTHERMIE
Mit der Digitalisierung der Informationsgrundlagen wurde in den
letzten Jahren ein vielversprechender Weg eröffnet, der ein
enormes Entwicklungspotenzial bietet. Das Beispiel Geothermie
zeigt, wie verschiedenste Themen daran anschließen können. Im
Projekt selbst wird ab Sommer 2021 die zweite Phase gestartet,
mit der in den nächsten drei Jahren die Sektoren Strom und
Mobilität integriert werden sollen und Städte aus weiteren Bun
desländern als Follower teilnehmen.
Einen großen Mehrwert bietet die räumliche Energieplanung für
die verstärkte Nutzung der Geothermiepotenziale in Österreich.
Im ENERGIEatlas werden die Möglichkeiten für oberflächennahe
Geothermie mit den Systemen Erdwärmesonden, thermische
Grundwassernutzung und Flachkollektoren abgebildet. Dieser
Sektor wird von der Geologischen Bundesanstalt (GBA) bear
beitet, die auf Grund zahlreicher internationaler und nationaler
Projekte auf eine breite Datenbasis und hohe Fachexpertise
zurückgreifen kann.
Die GBA setzt neu entwickelte Methoden ein, mit denen grund
stücksscharfe Abschätzungen zu Leistungs- und Energieres
sourcen sowie zu Einschränkungen der oberflächennahen
Geothermie möglich sind. Die Darstellung der Inhalte erfolgt in
Kartenform und über eine Abfrage in Berichtform. So wird eine
kompakte Zusammenstellung aller relevanten Informationen
zu jedem einzelnen Standort geliefert. Mögliche Nutzungs
einschränkungen der oberflächennahen Geothermie werden
als Ampelkarten (getrennt für Erdwärmesonden, thermische
Grundwassernutzung und Flachkollektoren) und in der Standort
abfrage visualisiert. Die Funktionalität für die Geothermie wird
über die Instrumente von SEP für die Planung nutzbar gemacht.
Im Rahmen des Projekts SEP wurde ein skalierbares System ge
schaffen, das künftig Planer*innen, Investor*innen, politischen
Entscheidungsträger*innen und Bürger*innen zur Verfügung
stehen wird und auf andere Bundesländer und Regionen über
tragbar ist. Für Wien und das Land Salzburg sind die Informati
onen betreffend geothermischer Potenziale bereits flächende
ckend verfügbar.
https://waermeplanung.at
SEP ist ein Projekt im Rahmen des Innovationslabors „Green Energy Lab“, einer
Forschungsinitiative für nachhaltige Energielösungen und Teil der österreichischen
Innovationsoffensive „Vorzeigeregion Energie“.
www.greenenergylab.at
1
PROJEKTPARTNER:
SIR – Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen (Projektleitung), Energieagentur
Steiermark GmbH, Grazer Energieagentur GmbH, UIV Urban Innovation Vienna GmbH,
TU Wien - Energy Economic Group, TU Graz - Institut für Wärmetechnik, AEE INTEC,
e7 Energie Markt Analyse GmbH, RSA Research Studios Austria iSpace, Magistrat
der Stadt Wien, Amt der Salzburger Landesregierung, Baudirektion der Stadt
Salzburg, Magistrat Grödig, Gemeinde Bergheim, Stadtgemeinde Zell am See, Amt der
Steiermärkischen Landesregierung, Stadt Graz Stadtbaudirektion und Umweltamt,
Energieregion Weiz-Gleisdorf GmbH, Stadtgemeinde Kapfenberg
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PR O J EK T
Die Absorberschläuche werden in das Bohrloch gezogen. Links sieht
man die Glasfaserkabel, die mit eingezogen und verpresst werden,
Foto: Projekt SANBA
SANBA
Geothermie zur Wärmespeicherung
in lokalen Anergienetzen nutzen
Im Projekt SANBA wurde unter der Leitung des AIT Austrian
Institute of Technology1 ein lokales Anergienetz2 für die 2014
aufgelassene „Martinek-Kaserne“ in Baden bei Wien konzipiert.
Auf dem 40 Hektar großen Areal, das sich im Besitz des Bundes
ministeriums für Landesverteidigung befindet, könnte ein neues
Stadtquartier mit Wohn-, Gewerbe- und Bürogebäuden entste
hen. Die denkmalgeschützten Gebäude müssen dazu saniert
werden. Zentrale Idee für die Sanierung ist es, das Quartier mit
vor Ort verfügbaren Energiequellen über ein lokales Niedertem
peraturnetz zu versorgen.
Neben industrieller Abwärme aus Prozessen des benachbarten
Molkereibetriebs NÖM AG, Photovoltaik und Solarthermie,
könnte auch oberflächennahe Geothermie zum Einsatz kom
men. Im Rahmen der Forschungsarbeiten wurden die Potenziale
und möglichen Einschränkungen für Erdwärmesonden und ther
mische Grundwassernutzung an diesem Standort analysiert. Die
saisonale Wärmespeicherung der industriellen Abwärme stand
dabei im Fokus.
ERFORSCHUNG DES UNTERGRUNDS
In der geowissenschaftlichen Standortbeurteilung wurden
zahlreiche bereits vorliegende Informationen, wie geologische
Karten, Bohrprofile, Profilschnitte, bestehende Wasserrechte im
näheren Umkreis, etc. berücksichtigt. Mit Feld- und Labormes
sungen konnten zusätzliche Daten generiert werden. Es wurden
zwei Erkundungsbohrungen (eine 150 Meter tiefe Spülbohrung
und eine 30 Meter tiefe Kernbohrung) am Gelände der benach
barten Molkerei sowie zwei geoelektrische Messungen auf dem
Kasernengelände durchgeführt. Erkundungsbohrungen dienen
dazu, das geologische Profil aufzunehmen. Mit geoelektrischen
Messungen können Material, Porosität und Wassersättigung des
Untergrunds festgestellt werden. Es zeigte sich in der gesamten
Bohrtiefe ein für das Wiener Becken typisches, dichtes, feinkör
nig toniges Material.
Um Informationen über die thermischen Untergrundeigenschaf
ten zu erhalten, wurde die Bohrung zu einer Erdwärmesonde
ausgebaut und ein sogenannter Thermal Response Test (TRT)
durchgeführt, mit dem die effektive Wärmeleitfähigkeit er
mittelt werden kann. Dabei wird der Untergrund mithilfe von
Kupferdrähten im Kabel gleichmäßig erhitzt. Über ein zusätzlich
eingebautes Glasfaserkabel kann die Temperatur direkt tiefen
aufgelöst gemessen werden. Sämtliche Informationen dienten
als Basis für die Erstellung eines 3D-Untergrundmodells, sowie
für numerische Modellierungen. Für einen Erdsondenspeicher
mit 96 Sonden à 180 Metern wurden verschiedene Be- und Ent
ladungsszenarien simuliert, um die thermischen Auswirkungen
auf den Untergrund rund um das Sondenfeld zu analysieren.
PROJEKTPARTNER: AIT Austrian Institute of Technology GmbH (Projektleitung), NÖM AG,
TU Wien - Institut für Energietechnik und Thermodynamik, ENFOS. e.U. – Energie und Forst,
Forschung und Service, Institute of Building Research and Innovation ZT-GmbH, Stadt
Baden/Energiereferat, Montanuniversität Leoben - Lehrstuhl für Energieverbundtechnik,
geohydrotherm GmbH, BauConsult Energy GmbH
Projektberater: Bundesministerium für Landesverteidigung, vertreten durch das Militärische
Immobilienmanagementzentrum (MIMZ), Bundesdenkmalamt
1
Lokale Anergienetze sind Rohrleitungsnetze, die Wasser mit niedrigen Temperaturen (im
Bereich von 4 bis 30 ° C) zwischen einzelnen Gebäuden bzw. Gebäudegruppen verteilen. Das
System kann zum Heizen und Kühlen mit Einsatz von Wärmepumpen und auch zur saisonalen
Wärmespeicherung verwendet werden. Anergienetze eröffnen neue Möglichkeiten für die
dezentrale Energieversorgung und die Bildung von lokalen Energiegemeinschaften.
2
Zweite Bohrung am NÖM-Gelände im September 2020. Diese Bohrung wurde
als Kernbohrung bis zu 30 m Tiefe durchgeführt, Foto: Projekt SANBA
10
energy innovation austria 2/2021
PR OJEKT
„
Geothermie ist ein wichtiger Baustein für die erneuerbare Wärmewende
und eine zentrale Komponente von Anergienetzen, vor allem für die
saisonale thermische Speicherung im Untergrund. Für die Erhebung des
geothermischen Potenzials sowie die korrekte Dimensionierung und
Auslegung der geothermischen Anlagen, wie z. B. Erdsondenspeicher, ist
die genaue Kenntnis sämtlicher Untergrundparameter essenziell.“
DR. EDITH HASLINGER
AIT AUSTRIAN INSTITUTE OF TECHNOLOGY GMBH, CENTER FOR ENERGY
Foto: AIT
Schnitt durch das Sondenfeldmodell. A: Lage der Sonden und Beobachtungspunkte (gelb). B, C und D: Situation im 10. Betriebsjahr jeweils am 1.1. (Hochwinter),
15.4. (Ende Heizsaison) und 31.8. (Hochsommer), Abb: Projekt SANBA
ERKENNTNISSE & POTENZIALE
Die Untersuchungen ergaben, dass auf dem Areal nur geringe
Grundwasservorkommen in den obersten 10 bis 20 Metern
anzutreffen sind, die aufgrund lokaler Inhomogenitäten und nur
mäßig hydraulisch durchlässiger Bedingungen keine thermische
Grundwassernutzung erlauben. Für die geothermische Nutzung
des Untergrunds mit Erdwärmesonden wurden bis zu einer
geplanten Tiefe von 150 Metern keine Einschränkungen fest
gestellt. In tieferen Schichten könnte eventuell eine Formation
(Gainfarner Brekzie) angetroffen werden, die potenziell mit dem
lokalen Thermalwasservorkommen verbunden ist.
Die Messungen im Rahmen des Thermal Response Tests (TRT)
zeigten eine gute effektive Wärmeleitfähigkeit von ca.
1,75 W/mK. Die mittlere Untergrundtemperatur vor den Tests
liegt bei 13,3 °C. Auf Basis der standortabhängigen Parameter
wurden die Leistungs- und Energieressourcen für das Erdson
denfeld analytisch berechnet. Diese Berechnungen ergaben eine
spezifische Leistung von 33 W/m und ein Flächendargebot von
93 kWh/m2a für ein bilanziert betriebenes Sondenfeld.
Mit einem speziell entwickelten Simulationstool konnte in der
Folge das gesamte Anergienetz modelliert werden. Neben dem
Erdsondenmodell und den errechneten Energiedaten wurden
in den Simulationen Wärmepumpen, Solarthermie, PV, Batte
riespeicher sowie die Prosumer des lokalen Netzes (Industrie,
Gebäude etc.) integriert.
www.nefi.at/sanba
SANBA ist ein Projekt der Vorzeigeregion NEFI – New Energy for Industry, einem Innovationsverbund aus Wissenschaft, Technologieanbietern und Unternehmen zur Entwicklung
von Schlüsseltechnologien für die Dekarbonisierung der Industrie.
www.nefi.at
Die gesamte Bohrtiefe kann durch dunkelgraues, feinkörniges, toniges bis schluffiges Material
charakterisiert und der Mergelfolge des Badener Tegel im Wiener Becken zugeordnet werden.
Hier ein Teil der gewonnenen Bohrkerne aus der 30 m-Kernbohrung, Foto: Projekt SANBA
energy innovation austria 2/2021
11
I N F OR M A TI O N E N
Manage_GeoCity
JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH
LIFE – Institute for Climate, Energy and Society
Ansprechpartnerin: DI Johanna Pucker-Singer
johanna.pucker-singer@joanneum.at
www.joanneum.at
Besuchen
Sie uns au
ch auf:
www.ener
gyinnovation
austria.at
GeoTief BASE (2D)
GeoTief EXPLORE (3D)
Wien Energie
Ansprechpartner: Dr. Rusbeth Rezania
rusbeh.rezania@wienenergie.at
www.wienenergie.at
www.geotiefwien.at
SEP - Spatial Energy Planning
Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen
Ansprechpartner: Mag. Alexander Rehbogen, MBA
alexander.rehbogen@salzburg.gv.at
www.sir.at
www.waermeplanung.at
SANBA
AIT Austrian Institute of Technology GmbH
Ansprechpartnerin: DI Dr. Edith Haslinger
edith.haslinger@ait.ac.at
www.ait.ac.at
www.nefi.at/sanba
Geologische Bundesanstalt (GBA)
Ansprechpartner*innen:
Mag. Gregor Götzl
gregor.goetzl@geologie.ac.at
Cornelia Steiner, MSc.
cornelia.steiner@geologie.ac.at
www.geologie.ac.at
Verein Geothermie Österreich
Ansprechpartner: Dr. Peter Seifert
office@geothermie-oesterreich.at
www.geothermie-oesterreich.at
Klimaoptimierte Produktion, Zertifizierung FSC,
Green Seal und Österreichisches Umweltzeichen
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energy innovation austria 2/2021
energy innovation austria stellt aktuelle
österreichische Entwicklungen und Ergeb
nisse aus Forschungsarbeiten im Bereich
zukunftsweisender Energietechnologien
vor. Inhaltliche Basis bilden Forschungs
projekte, die im Rahmen der Programme
des BMK und des Klima- und Energiefonds
gefördert wurden.
www.energy-innovation-austria.at
www.open4innovation.at
www.nachhaltigwirtschaften.at
www.klimafonds.gv.at
www.energieforschung.at
IMPRESSUM
Herausgeber: Bundesministerium für Klimaschutz,
Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie
BMK (Radetzkystraße 2, 1030 Wien, Österreich)
gemeinsam mit dem Klima- und Energiefonds
(Leopold-Ungar-Platz 2/142, 1190 Wien, Österreich)
Redaktion und Gestaltung: Projektfabrik Waldhör KG,
1010 Wien, Am Hof 13/7, www.projektfabrik.at
Änderungen Ihrer Versandadresse bitte an:
versand@projektfabrik.at