Oesterreich-Ungarn.
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sie zu Händen der Kupplerin oder einer bevorzugten
Prostituierten, der diese dadurch einen Beweis ihres Ver¬
trauens und Wohlwollens gegeben hatte. Manche Be¬
sucher pflegten nun auch die Mädchen selbst mit dem sog.
Strumpfgelde zu beschenken, auch dieses aber mutzte an
die Niehl oder ihre Stelloertreterin abgeführt werden.
Der Versuch eines Mädchens, diese Gabe für sich zu be¬
halten, wurde von der Niehl für Diebstahl erklärt und
mit Beschimpfungen und Schlägen bestraft. Ueberhaupl
war die Riehl bemüht, — wie sie sich ausdrückte — Zucht
und Ordnung im Hause aufrecht zu erhalten; sie bediente
sich dabei der allerordinärsten Schimpfworte, schlug aber
auch häufig mit der Hand, dem Schürhaken oder mit der
Hundepeitsche zu. Die Hausbesorger und die Nachbarn
berichten, daß sie oft das Wehgeschrei mißhandelter Mäd¬
chen auf große Entfernungen hörten.
Die Garderobe der Mädchen bestand aus zwei
Hemden und Unterrock, Strümpfen und einem paar Atlas¬
schuhen ; in der kalten Zeit erhielten sie noch einen Schlaf¬
rock. Die Kleider, die sie mitgebracht hatten, wurden
ihnen beim Eintritt abgenommen und fortgesperrt.
Ein Ausgang wurde den Mädchen nicht gestattet,
dem Hausbesorger war es aufs strengste eingeschärft, das
Haustor stets geschlossen zu halten. Für den Fall, daß
V Mädchen entkam, war ihm sofortige Entlassung an -
oht. Bezeichnend für die Wichtigkeit, welche die Niehl
r Absperrung des Hauses beimaß, war die in den
ragen mit den Hausbesorgern enthaltene Klausel, laut
»er sie bei Kündigung des Postens sofort die Schlüssel
geben hatten.
Unter solchen Umständen kam es vor, daß ein Mäd-
oft wochen- und monatelang nichts mehr von der
sah, als was zwischen den Milchglasfenstern und der
errten Tür lag.