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Full text: Das Zeitalter der Reformation / Wach, Carl (Public Domain)

20 Bühne in freiere Bahnen zu lenken und durch das Theater die Regungen des deutschen Volkes zu wecken. Für diese wurde ihm die Literatur zum Zweck und die Bühne das Mittel, diesen Zweck zu erreichen. - In England wurde das Schauspiel durch den Schutz des Hofes, die Gunst der Gesellschaft und das nationale Leben wesentlich gehoben. IIier er- regten Shakespeare's Dramen am mächtigsten die Phantasie und die r,eidenschaften der Menschen. Kaum berührt der Genins des Dichters sie mit seinem Zauberstabe, so eröffnen sich vor ihnen die strahlenden Pforten der Dichtkunst. In ihren Gebilden erscheinen Gestalten, die hoch über das Menschliche hinaus ragen. Drei Elemente, harmonisch verbunden, offenbaren uns das Wesen von Shakespeare's Dichtun- gen: die gewaltige Phantasie, die scharfe Charakteristik und die be- wundernswürdige Tiefe seiner Weltanschauung. Aus der scharf- blickem!sten Beobachtung des Lebens entsprangen die Charaktere seiner Bühnengestalten. Seine eigene adelige Erscheinung, sowie die Stimmnng seiner tiefempfindenden Seele, brachten ihn in die Kreise des Hofes, wo Graf Southampton sein Beschützer wurde. Einsam, still und grofs war die Seele Shakespeare's, der das Gemeine und Gewöhnliche harste, und wo er es fand, mit Humor geifselte. Diesen Heros des Denkens und Sinnens, dessen IIamlet, Kaufmann von Ve- nedig, Macbeth, Richard III., Romeo und Julia und andere Dramen Jeden bezaubern, mufste das Schicksal in den bunten :Flitterstaat eines Schauspielers kleiden, um durch seine Bühnenschöpfungen die Welt zu enthusiasmiren. Bei der willkürlichsten Verschlingung und Phantastik der Begebenheiten sieht man in seinen handelnden Bühnenhelden im- mer doch den Menschen im vollsten Sinne des Wortes. Seine Geistespro- dukte, an denen wir uns heute noch laben, machen ihn unsterblich. Und doch schätzte er selber seine Dramen geringer, als seine Sonette und epischen Gedichte, die im Ganzen heute nur wenig gelesen werden. B 0 den s te d t hat uns Shakespeare's Sonette in deutscher Sprache (in Berlin bei R. v. Deckel' erschienen), in so vollendeter Form und Denkweise zugänglich gemacht, dafs sie für die deutsche Lesewelt ein nenes lebendigeres Interesse hervorrufen. Shakespeare's gesammte Dramen bilden ein riesenhaftes Gemälde der irdischen Komödie, das, gleich dem lIIichelangelo in seinem Weltgericht, den Schleier von dem Jenseits zu heben sucht. Seit lIomer gab es keinen ursprünglicheren, keinen mächtigeren Genius als den Shake- spearo's, nnd dennoch fehlte ihm der beWllfste künstlerische Zug. Wir
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