3glaube buhlten um ihre Herrschaft. In der Religion, der Philosophie,
der Politik dokumentirte das 16. Jahrhundert seine Unruhe und
seinen Unglauben. Alle drückenden Mifsbräuche und rechtlosen Zu-
stände resultirten aus der schlechten Verwaltung des deutschen
Reiches, aus der Ohnmacht seiner Kaiser und Fürsten. Diese Ur-
sachen im kranken Staatsorganismus erregten den Uuwillen der
Nation. Sie erweckten den Geist der Opposition, der in der kirch·
lichen Bewegung zum Ausbruch gelangte. Das erwachende National·
gefühl beseelte die Gemüther. Alle Stände reichten sich gegenseitig
die Hände, im kirchlichen Wandel Besserung zu schaffen. Alle
waren vom Hochgefühl der Achtung für die menschliche, kirchlich.
freie Bewegung ergriffen.
Luthers Verbrennung der Bannbulle warf zu Wittenberg 1520
der römischen Kurie die Fackel hin, an der sich der langjährige,
Deutschland bewegende Kampf entzündete. Luthers Erscheinung hat
eine der gröfsten geistigen Bewegungen hervorgerufen, in die Kaiser
und Könige, Fürsten und Klerus, Adel, Gelehrte, Bürger und Bauer,
selbst der Leibeigene, mit fortgerissen wurden. Mehr als das halbe
Europa erzitterte unter ihrer Berührung. Mit Stolz blicken wir
Deutsche auf jene Zeit zurück, welche uns von der römischen Kurien·
Herrschaft befreite und uns die geistige Freiheit brachte. Wir danken
es den deutschen, und nebst ihnen den skandinavisehen Fürsten, die uns
dies kostbare Gesehenk überlieferten. Wir danken es der Geistes-
schärfe der Reformatoren, ihrer Weisheit und dem Reehtsgefühl wahrer
religiöser Befriedigung, dafs sie vom Joeh falscher Traditionen uns
erlösten. Wir danken es der Energie der Völker, die, von ihren
Fürsten geführt, Hand in Haud mit ihnen uns die geistige Freiheit
erkämpften. Luther zerbrach das alte Joch menschlicher Abhängig-
keit von Aeufserlichkeiten, die den Glauben beeinßufsten. Millionen
sind durch seine Werkthätigkeit aus dumpfem Hinbrüten geweekt
und zur Selbstbestimmung, Pflichttreue und innerem Rechtsbewufst.
sein geführt worden. Seine Belehrungen erweisen sich heute noch
eben so wirksam, als zu der Zeit, wo er sie selbst predigte. Wer hat
lauter und eindringlicher gelehrt, dafs die Fürsten zum Wohle der
Völker da seien, dafs der Unterthan seiner Obrigkeit, die Gewalt über
ihn hat, gehorsam sein müsse? Wäre die Reformationszeit durch den
Angriff und Eifer einiger unzufriedener Neuerungssüchtiger in's Leben
gerufen, wahrlich sie wäre von kurzer Dauer gewesen!
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