Wilhelmstädter Magazin Nr. 3, Mai/Juni 2017
TA N JA SCHN I T Z LER
Erscheint sechsmal im Jahr kostenlos und werbefrei, Herausgeber: Bezirksamt Spandau von Berlin, Stadtentwicklungsamt
Seite 3
5 Jahre Stadtteilladen
Seite 5
Zwei Bürgerveranstaltungen
Seite 8/ 9
»Wieder größer denken«
Zum »Tag der Städtebauförderung« am
13. Mai findet auf dem Földerichplatz ein
großes Kiez-Picknick statt.
Dabei geht es um die Querung des Bullengrabens sowie um die Neugestaltung der
Pichelsdorfer Straße.
Baustadtrat Frank Bewig im Interview
über Spandaus Wachstum, Wohnungspolitik und Verkehrsentwicklung.
TA N JA SCHN I T Z LER
Termine im Stadtteilladen Adamstraße 39
Sprechzeiten des Geschäftsstraßenmanagements: Di und Mi 10–13 Uhr
Sprechstunde des KoSP (Gebietsbeauftragte
für die Wilhelmstadt): Fr 9–14 Uhr
Frühstück mit allen!
Am 13. Mai, dem »Tag der Städtebauförderung« wird der fünfte
Geburtstag des Stadtteilladens gefeiert – mit einem großen Picknick und
Kulturprogramm auf dem Földerichplatz
TA N JA SCHN I T Z LER
Öffentliche Sitzungen der Stadtteilvertretung:
jeden 1. Mittwoch im Monat, 19.15 Uhr
Stadtteilvertretung, AG Verkehr:
jeden 2. Mittwoch im Monat, 19–21 Uhr
Beratungsangebote des Sozialteams im
Stadtteilladen: siehe S. 15
AG »Geschichte und Geschichten«
Bilderrätsel: Gewinner gesucht! Wo wurde dieses Foto aufgenommen? Wer weiß,
welchen Ort in der Wilhelmstadt das Bild zeigt, schicke die Lösung – bitte mit genauer Absender
adresse! – an die Redaktion: »Wilma«, c/o Ulrike Steglich, Elisabethkirchstr. 21, 10115 Berlin,
oder per Mail an: wilma@berliner-ecken.com. Einsendeschluss ist Montag, der 19. Juni 2017.
Unter den richtigen Einsendungen wird ausgelost, der Gewinner erhält einen 20-Euro-Bücher
gutschein für die Dorotheenstädtische Buchhandlung.
Unser letztes Bilderrätsel zeigte die Fassade der Kita »Hoppetosse« in der Götelstraße. Gewonnen
hat Maria Linckert-Nielsen – herzlichen Glückwunsch! Der Preis wird Ihnen per Post zugesandt.
Wilhelmstadtfest am 9. Juli!
Wer möchte sich beteiligen?
Anmeldungen bis zum 23. Juni
möglich
Nach den erfolgreichen Festen der letzten drei
Jahre organisieren auch in diesem Jahr wieder
die Betreiberinnen des Plan B und des Café
Barfly – mit Unterstützung des Bezirks und des
Geschäftsstraßenmanagements – das Stadtteilfest in der Wilhelmstadt. Zwischen 11 und
22 Uhr werden rund um das Kneipenviertel in
der Wilhelmstraße sowie in der Brüderstraße
(zwischen Wilhelmstraße und Földerichstraße)
viele Aktionen für Jung und Alt stattfinden.
Auf einer Bühne gibt es von 11 bis 22 Uhr ein
Musikprogramm mit Bands und DJs. Im Umfeld werden lokale Gastronomen und weitere
Anbieter (Gewerbetreibende, Kreative, Vereine,
Initiativen, Institutionen) wieder für eine
Vielfalt an Angeboten, Informationen sowie
unterschiedlichsten Speisen und Getränken
sorgen.
Zudem gibt es von 11 bis 17 Uhr entlang der
Brüderstraße ein vielfältiges Programm für
Kinder, Jugendliche und Familien, u.a. mit
Baumklettern, Kinderschminken, Ratespielen,
Clown, Hüpfburg, Kaffee und Kuchen etc. Hier
können sich die Vereine und Initiativen aus der
Wilhelmstadt und benachbarten Ortsteilen
vorstellen und mit kleinen Aktionen zum Programm beitragen.
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Das Stadtteilfest lebt insbesondere von der
Mitwirkung der Akteure aus der Wilhelmstadt.
Gleichzeitig ist es eine gute Chance für Gewerbetreibende, Initiativen, Institutionen, sich
selbst einer großen Öffentlichkeit zu präsentieren! Wenn auch Sie sich daran beteiligen möchten, melden Sie sich bitte bis zum 23. Juni 2017
verbindlich beim Geschäftsstraßenmanagement
Wilhelmstadt an, damit die Interessenten koordiniert werden können! Beim Geschäftsstraßenmanagement erhalten Sie auch das Anmeldeformular sowie alle weiteren Informationen.
Die Marktstände werden durch den Veranstalter gestellt und aufgebaut, im Vorfeld der
Veranstaltung wird ein Standplan an alle Teilnehmer verschickt.
Kontakt:
Geschäftsstraßenmanagement Wilhelmstadt
Torsten Wiemken Adamstr. 39, 13595 Berlin,
Tel.: 030-301 246 97; Mobil: 0178-352 38 01
gsm@wilhelmstadt-bewegt.de
Die WILMA ...
... erscheint sechsmal im Jahr. Die nächste Ausgabe finden Sie ab 1. Juli in vielen Wilhelmstädter Geschäften, öffentlichen Einrichtungen
sowie im Stadtteilladen Adamstr. 39.
... freut sich über Ihre Post, ihre Ideen und Anregungen!
... findet man auch im Internet mit sämtlichen
Ausgaben als PDF unter: www.wilhelmstadtbewegt.de/was-bewegt-sich/wilma
Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der
jüngeren Geschichte der Wilhelmstadt, baut
derzeit ein Archiv auf und trifft sich jeden
zweiten Montag und jeden vierten Donnerstag
im Monat um 17 Uhr im Stadtteilladen.
LOGOS e.V.
Sprachkurse „Deutsch kommunikativ“
(Deutsch-Russisch):
Fr 17–19 Uhr, telefonische Anmeldung: 017656836058 oder 0179-3757818
Schachtraining (Anfänger, für Kinder ab 8
Jahren): donnerstags, 16.30 Uhr, Anmeldung:
Tel. 0162-2505565
SELAM
Ansprechpartner: Mesut Göre,
Kontakt: Tel. 0176-34 93 90 44
Überfüllte Bücherbox
Die Bücherbox am Földerichplatz ist überfüllt.
Bitte keine Bücher mehr abgeben!
Impressum
Bezirksamt Spandau von
Berlin, Abt. Bauen, Planen und Gesundheit;
Stadtentwicklungsamt
REDA K T ION Christof Schaffelder,
Ulrike Steglich
REDA K T IONS A DRE S SE »Wilma«,
c/o Ulrike Steglich, Elisabethkirchstr. 21,
10115 Berlin, Tel.: (030) 283 31 27,
mail: wilma@berliner-ecken.com
FOTOREDA K T ION Tanja Schnitzler,
fotografie@tanjaschnitzler.de
HER AUSGEBER
ENT WURF UND GE S TA LTUNG
Kai Dieterich, www.morgen-berlin.com
DRUCK BVZ Berliner Zeitungsdruck GmbH
www.berliner-zeitungsdruck.de
V. I . S .D.P. Ulrike Steglich / Für den Inhalt
der Zeitung zeichnet nicht der Herausgeber,
sondern die Redaktion verantwortlich.
Für viele Wilhelmstädter rund um die Adamstraße war es bitter, als vor Jahren die Postfili
ale in der Adamstraße 39 schloss. Doch manchmal zeitigen solche Ereignisse auch unerwartete Lösungen: Den Postbetrieb übernahm aus Eigeninitiative »Elektro-Wagner«, jetzt führt ihn
Marzanna Rincke als seine Nachfolgerin in ihrem Schreibwarenladen in der Adamstraße 47
fort (wir berichteten in der letzten Ausgabe).
Und auch aus der leer stehenden Postfiliale
wurde etwas Sinnvolles, Neues: nämlich der
Stadtteilladen, in dem nun vielfältigste Aktivitäten stattfinden. Die Wilhelmstädter
Stadtteilvertretung hält hier regelmäßig ihre öffentlichen Treffen ab, es gibt öffentliche
Sprechstunden des Büros KoSP als Sanierungsbeauftragtem sowie des Geschäftsstraßenmanagements, das die Gewerbetreibenden im Gebiet berät und betreut. Außerdem bietet das Sozialteam hier regelmäßig
seine Beratungssprechstunden für Bürgerinnen und Bürger zu unterschiedlichen
Problemlagen an. Zweimal monatlich trifft
sich hier die Arbeitsgruppe »Geschichte und
Geschichten«. Und es gibt außerdem Neuzugänge im Stadtteilladen: So bietet der
Verein Logos e.V. deutsch-russische Sprachkurse, Schachtraining für Kinder und Schülernachhilfe an, und das Sozialarbeiter-Team
SELAM, das sich um gefährdete Kinder und
Jugendliche kümmert, hat hier sein Büro.
Der Stadtteilladen, den es nun schon fünf
Jahre gibt, wurde aber nur möglich, weil die
Wilhelmstadt zum »Aktiven Zentrum« und
Sanierungsgebiet erklärt wurde, womit auch
Städtebaufördermittel aus dem Bund-Län
der-Programm »Aktive Zentren« zur Verfügung standen. Damit konnte auch der Laden
angemietet, ausgestattet und betrieben
werden.
Das ist aber längst nicht alles: Ohne Städtebaufördermittel keine neue Sporthalle für
die Földerich-Schule, keine neue Aula für
die Bertolt-Brecht-Schule, kein neuer Spielplatz an der Jägerstraße, keine neuen Durchwegungen für Jägerstraße oder vom Havel
ufer zum Metzer Platz, keine Gehwegerneuerungen samt Absenkungen für gehbehinderte Bürger, kein Neubau für den SJC Wildwuchs, kein Wandbild am Metzer Platz,
keine organisierte Unterstützung der Gewerbetreibenden und noch sehr viel mehr – die
Liste ist inzwischen lang.
So geht es vielen Kommunen, die wegen
knapper Finanzen auf solche zusätzlichen
Städtebaufördermittel angewiesen sind,
wenn sie den Bürgern mehr als nur die allernotwendigsten Pflichtleistungen bieten
und nachhaltiger in die öffentliche Infrastruktur investieren wollen. Dafür gibt es
unterschiedliche Förderprogramme, die je
nach Bedarf eingesetzt werden: ob das Programm »Soziale Stadt«, mit dem beispielsweise Quartiersmanagements eingerichtet
werden, »Städtebaulicher Denkmalschutz«,
»Stadtumbau« oder eben »Aktive Zentren«.
Um für Bürgerinnen und Bürger transparenter zu machen, wie und wo überall diese
Mittel eingesetzt werden, gibt es seit drei
Jahren bundesweit den »Tag der Städtebau
förderung«, bei dem die Kommunen mit
vielfältigen Veranstaltungen, Führungen
oder Ausstellungen ihre Projekte, Erfolge
und Vorhaben zeigen. In diesem Jahr findet
der Tag der Städtebauförderung am Samstag, 13. Mai statt.
In der Wilhelmstadt haben sich die Sanierungsbeteiligten diesmal dafür entschieden, den 5. Geburtstag des Stadtteilladens
öffentlich zu feiern: mit einem großen gemeinsamen Frühstückspicknick für alle Anwohner auf dem Földerichplatz. Tische und
Bänke, Geschirr und Getränke wie Kaffee,
Tee und Wasser werden bereitgestellt – und
jeder der mitfeiern möchte, bringt etwas
zum Essen mit: eben wie bei einem Picknick, für sich oder zum Teilen mit anderen,
ob Brötchen, Obst, Salate, Marmelade, Kuchen oder Kekse, Herzhaftes – jede Kleinigkeit ist willkommen!
Es wird eine Bühne mit einem bunten Programm geben, u.a. singen Schüler der musikbetonten Földerich-Grundschule, aber
auch andere musikalische Darbietungen
sind geplant, ebenso wie eine kurze Aufführung des Forumtheaters. Außerdem gibt
es eine Bücherbörse zum Stöbern. Und natürlich öffnet der Stadtteilladen seine Türen und man kann dessen Nutzer und die
Akteure im Sanierungsgebiet treffen: Mitglieder der Stadtteilvertretung, die Gebietsbetreuer vom KoSP, Bezirksamtsvertreter,
die Geschäftsstraßenmanager und andere.
Auch die Wilhelmstädter Arbeitsgruppe
»Geschichte und Geschichten« wird da sein
und Ergebnisse ihrer Arbeit präsentieren.
Außerdem wurde eigens für dieses Jubi
läum des Stadtteilladens ein Faltblatt produziert, das alle Nutzer und regelmäßigen
Veranstaltungen vorstellt.
Am 13. Mai wird Baustadtrat Frank Bewig
um zehn Uhr die Veranstaltung eröffnen, bis
14 Uhr kann dann beim gemütlichen Frühstück geplaudert werden.
Bleibt zu hoffen, dass sich viele Wilhelmstädter zu diesem gemeinsamen Frühstück
einfinden. Und natürlich, dass das Wetter
ebenfalls freundlich gesonnen ist.
us
Samstag, 13. Mai, 10–14 Uhr, Földerichplatz
und Stadtteilladen Adamstraße 39
Wer noch mehr erfahren möchte: Auch in weiteren Fördergebieten Spandaus wie der Neustadt,
dem Falkenhagener Feld, der Altstadt, Heerstraße Nord und Staaken sowie in den anderen
Berliner Bezirken finden an diesem Tag zahlreiche Veranstaltungen statt. Über die Angebote
kann man sich im Internet informieren:
www.berlin.de/tag-der-staedtebaufoerderung.de
Im Stadtteilladen sind außerdem Broschüren
zum Gesamtprogramm kostenlos erhältlich.
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An die Redaktion:
In der diesjährigen 2. Ausgabe der »Wilma« fragen Sie nach
der weiteren Verwendung des Post-Brunnens aus der Klosterstraße.
Wir (mein Mann und ich) finden den Brunnen zu groß für den
relativ kleinen Metzer Platz. Es wäre schön, wenn er in das
neue »Spandauer Ufer« integriert werden könnte. Vielleicht
könnte man auch den Münsinger Park gegenüber vom Rathaus mit dem Brunnen aufwerten.
Liebe Grüße, I. Töpler
Sehr geehrte Redaktion,
Debatte um den
Post-Brunnen
In unserer vorletzten Ausgabe (WILMA 1/2017) berichteten
wir über die neuen Pläne für das ehemalige Postgelände.
Dazu fand im Dezember 2016 eine große und sehr gut besuchte Bürgerversammlung statt, wo über die Pläne der
neuen Investoren für die Neugestaltung des Areals informiert und auch lebhaft diskutiert wurde. Die Veranstaltung war gleichzeitig der Auftakt der Bürgerbeteiligung
zum Bebauungsplanverfahren. Sowohl auf der Veranstaltung als auch bei der öffentlichen Auslegung des Bebauungsplans gab es sehr viele interessante, kritische wie
konstruktive Anregungen.
Aber auch die Frage, was eigentlich mit dem BrunnenKunstwerk der Bildhauerin Ursula Sax vor dem Postareal
geschehen soll, bewegt viele. Auch die Stadtteilvertretung
Wilhelmstadt hatte dieses Thema angesprochen. U.a. gab
es die Idee, den Brunnen an den Metzer Platz zu versetzen. In unserer letzten Ausgabe (WILMA 2/2017) fragten
wir deshalb, was unsere Leser darüber denken. Und bekamen einige interessante Antworten, die wir hier veröffentlichen. Der Tenor jedenfalls dieser Zuschriften ist über
raschend eindeutig: Sie plädieren dafür, den Brunnen in
die Neubebauung zu integrieren.
Es ist ein Anlass, darüber nachzudenken, ob Skulpturen
im öffentlichen Raum einfach beliebig versetzt werden
können und sollten – auch wenn der Ort, für den sie eigentlich geschaffen worden sind, selbst sehr verändert
werden wird. Denn noch sieht das Postgelände aus wie
schon seit zwanzig Jahren, der Abriss der Gebäude wird
erst Ende des Jahres beginnen. Bis dahin wird zunächst
innen entkernt. Doch nach Abriss und Neubau wird das
Areal eine völlig neue Gestalt annehmen.
us
4
ich gebe Folgendes zum Thema Brunnen vor der ehemaligen
Post in der Klosterstraße zu bedenken:
Die Brunnenanlage ist unter Berücksichtigung der sie um
gebenden Architektur vermutlich auf der Grundlage eines
Planungskonzepts und eines Vertrages mit der Künstlerin
entstanden. Ihr liegt ein fachkompetentes Konzept zugrunde,
das laut Urheberrecht nicht beliebig verändert werden darf.
Der Brunnen sollte daher wenigstens in den künftigen Neubau
einbezogen werden. Man sollte ihn nicht auf den räumlich
völlig ungeeigneten Metzer Platz abschieben.
Mit freundlichen Grüßen, Christa Sammler, Bildhauerin
Guten Tag,
bitte auf gar keinen Fall den Postbrunnen auf den Metzer
Platz! Unabhängig davon, ob man den Brunnen nun gelungen
findet oder nicht, würde er von der Raumgestaltung her überhaupt nicht passen.
Mit freundlichen Grüßen, Bernd Herzog-Schlagk,
Fachverband Fußverkehr Deutschland FUSS e.V.
Liebes Wilma-Team,
ich habe heute die neue Wilma in die Finger bekommen und
den Artikel mit der »Post-Brunnen-Frage« gelesen.
Ich persönlich würde mich freuen, wenn der Brunnen in das
Neue Projekt »Spandauer Ufer« eingearbeitet werden könnte.
Der Grund ist: Mein Vater hat dort in der Alten Post gearbeitet,
nachdem er schon in dem Gebäude in der Altstadt (wo jetzt
die Bücherei ist) gearbeitet hatte und ich den Brunnen auch
damals schon von der Bahn aus sehen konnte (auch schon zu
Mauerzeiten). So ich bin mit »ihm« großgeworden, auch habe
ich ihn in Betrieb gesehen, d.h., es lief Wasser. Und seit 17
Jahren sehe ich ihn fast täglich, da ich in der Nähe wohne.
Den Metzer Platz hingegen habe ich zum Teil in schlechter
Erinnerung, da mein Vater dort als Postbote einige Male, auch
sehr brutal, überfallen wurde.
Liebe Grüße, Marina Glidt – eine echte Spandauerin
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Brunnen soll selbstverständlich an seinem Standort verbleiben. Er gehört dorthin und war dereinst – als er noch sprudelte – ein sehr schöner Blickfang. Das beruhigende Plätschern
des Wassers wäre wohl in einem möglichen Innenhof dort
auch sehr angenehm. Außerdem ist er mit seinen runden und
eleganten Formen ein sehr schöner Kontrapunkt zu der beabsichtigten massigen rechteckigen Wohnklötzer-Architektur.
Mit freundlichen Grüßen, Hans-Jürgen Steinmüller
Bodenpreise
explodieren auch
in Spandau
Auf kurzem Weg
vom Metzer Platz
zum Havelufer
Bürgerveranstaltung am 15. Juni!
Wer vom Metzer Platz aus an die Havel will,
hat es insbesondere als älterer Mensch, als
Rollstuhl- oder Rollatorfahrer bislang schwer
und musste Umwege in Kauf nehmen, auch
wegen des Burgwallgrabens. Dabei haben natürlich auch die Bewohnerinnen und Bewohner u.a. der Seniorenresidenz Bethanien ein
Interesse, einen möglichst kurzen Weg ins
Zentrum der Wilhelmstadt zu haben.
Deshalb gehört es zu den wichtigsten Sanierungszielen im »Aktiven Zentrum Wilhelmstadt«, eine möglichst kurze, behinderten- und
altengerechte Wegeführung für Fußgänger
vom Metzer Platz zum Havelufer zu schaffen.
Das ist aber leichter gesagt als getan und ein
mühevolles und langwieriges Unterfangen.
Jedoch konnten inzwischen schon wichtige
Etappen und Bauabschnitte realisiert bzw.
auf den Weg gebracht werden: So wurde die
Hermann-Oxfort-Promenade bereits 2012 fertiggestellt, ebenso der Bethanienweg. Die
barrierefreie Durchwegung vom Metzer Platz
zur Krowelstraße konnte 2015 eingeweiht
werden. Ganz wichtig: Eine Querung des
Burgwallgrabens ist nach langem Ringen mit
vielen Behörden endlich auf den Weg gebracht – die Entwurfsplanung ist in Arbeit,
das Bauwerk soll möglichst noch in diesem
Jahr begonnen und auch fertiggestellt werden.
Um die Bürgerinnen und Bürger über die Planungen zu informieren, findet am Donnerstag, dem 15. Juni eine Bürgerversammlung
Bürgerversammlung zur
Umgestaltung der Pichelsdorfer
Straße
Gleich zwei Wochen nach der Veranstaltung
zur Querung des Burgwallgrabens (am 15. Juni)
gibt es eine weitere Bürgerveranstaltung:
Am 29. Juni geht es um Umgestaltungsmaßnahmen für die Pichelsdorfer Straße. Vorgestellt
wird die gesamte Planung. Dazu gehört ein
Verkehrskonzept mit punktuellen Umbauten
der Kreuzungsbereiche, die der Verbesserung der
Verkehrssicherheit insbesondere für Fußgänger
(darunter Senioren, Gehbehinderte, Kinder)
sowie der Aufenthaltsqualität in der Straße
dienen sollen, außerdem die Erneuerung von
Gehwegen.
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Leserbriefe zum
»Post«-Brunnen
Am Havelufer ist ein guter Teil der
Promenade bereits fertiggestellt.
statt: um 18 Uhr im Gemeindesaal der Melanchthon-Kirchgemeinde, Pichelsdorfer Str.
79. Alle Anwohnerinnen und Anwohner sind
herzlich dazu eingeladen!
us
Zudem wird es um ein Gutachten zum Zustand
der Straßenbäume in der Pichelsdorfer Straße
und den weiteren Umgang damit gehen – denn
viele Bäume sind geschädigt.
Ein weiterer wesentlicher Punkt an diesem
Abend wird die Vorstellung von Ideen zum möglichen Umbau der Kreuzung Pichelsdorfer /
Weißenburger Straße sein. Dabei wird die
Schließung der Zufahrt des westlichen Abschnitts
der Weißenburger Straße von der Pichelsdorfer
Straße aus erwogen, um eine Entspannung der
Verkehrssituation in diesem Bereich zu erzielen.
us
Bürgerversammlung, 29. Juni, 19 Uhr, im
Gemeindesaal der Melanchthon-Gemeinde,
Pichelsdorfer Straße 79
Die Werte der Wohngrundstücke gehen inzwischen auch in Spandau durch die Decke.
Die vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte Berlin ermittelten aktuellen
Bodenrichtwerte stiegen beispielsweise im
Aktiven Zentrum Wilhelmstadt im vergangenen Jahr um 62,5%. In den beiden Vorjahren betrug der Anstieg jeweils rund 30%, zuvor waren sie ein Jahrzehnt lang stabil geblieben, Anfang der 2000er Jahre waren sie
sogar rückläufig.
Bereits im Februar hatte der Gutachterausschuss mitgeteilt, dass die Verkaufserlöse
für Mietwohnhäuser in Berlin im Jahr 2016
um mehr als 20% gestiegen seien, die von
Ein- und Zweifamilienhäusern um durchschnittlich 15%. Aus diesen Erlösen errechnet der Gutachterausschuss die aktuellen
Bodenrichtwerte der Stadt, wobei er die Werte der auf den Grundstücken errichteten Bauwerke vom Gesamterlös abzieht. Da sich die
Gebäudewerte bei niedriger Inflation kaum
verändern, schlagen sich die steigenden Verkaufspreise um so stärker bei den Bodenrichtwerten nieder: Nicht die Gebäude steigen im Wert, sondern die Grundstücke.
Dabei unterscheidet der Gutachterausschuss
u.a. nach der Lage, der Bebauungsart und
der Bebauungsdichte der Grundstücke. Der
entsprechende Bodenwert bezieht sich auf
eine Ausnutzung des Grundstücks mit einer
Geschossflächenzahl (GFZ) von 2,0 – dies entspricht einer zweifachen Überbauung des
Grundstücks. Der Grundstückswert stieg hier
von 400 auf 650 Euro pro Quadratmeter innerhalb des Jahres 2016. Am Bullengraben
beträgt die GFZ dagegen nur 0,6 – hier sind
die Grundstücke weitaus weniger dicht mit
Einfamilienhäusern bebaut. Der Bodenrichtwert beträgt dort derzeit 360 Euro/qm und
ist nur vergleichsweise schwach gestiegen:
im Vorjahr lag er noch bei 300 Euro/qm. Unverändert dagegen blieb der Richtwert für
das Grundstück der Spandau Arcaden: Dieses mit einer GFZ von 4,0 enorm dicht bebaute Areal ist schon seit über einem Jahrzehnt
unverändert mit 1500 Euro/qm bewertet.
In der Berliner Innenstadt steigen die Grundstückswerte für Wohngebäude noch stärker
und schon seit längerer Zeit. In manchen
Gebieten haben sie sich im Jahr 2016 sogar
verdoppelt und in den letzten fünf Jahren
zusammengenommen versechsfacht. Auch
in Spandau scheint diese Entwicklung mit
einer gewissen Zeitverzögerung inzwischen
angekommen zu sein.
cs
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Das Hofbegrünungsprogramm bietet finanzielle Unterstützung
für alle, die ihren Hof verschönern möchten
Nachher
FOTO : KOSP
Vorher
In der Wilhelmstadt kann man etliche sehr liebevoll angelegte
und gepflegte grüne Höfe oder Vorgärten entdecken – aber
auch viele, die eine Verschönerung vertragen könnten. Und der
Frühling weckt vielleicht auch bei vielen Mietern, Hausgemeinschaften oder Eigentümern in der Wilhelmstadt den Wunsch
nach einem schön begrünten, freundlich gestalteten Hof, in
dem man sich gern auch gemeinsam aufhält.
Das dient nicht nur der Ökobilanz, sondern schafft auch
eine gute Atmosphäre – Mieter, die zusammen ihren Hof
gestalteten, berichten oft, dass das Nachbarschaftsgefühl
dadurch noch deutlich gestärkt wurde.
Das Land Berlin unterstützt dieses Anliegen im Rahmen
des Programms »Aktive Zentren« finanziell mit dem Hofbegrünungsprogramm, das auch in diesem Jahr wieder
zur Verfügung steht. Wilhelmstädter Mieter- und Hausgemeinschaften, Eigentümer, Kitas und andere, die ihren
Hof begrünen möchten, müssen also die Kosten nicht allein tragen, wenn sie einen entsprechenden Förderantrag
Energiesparberatung
der KlimaWerkstatt
In Kooperation mit der Verbraucherzentrale bietet die KlimaWerkstatt Spandau (eine Einrichtung des Bezirksamts) un
abhängige Beratung zu Energieeinsparung und zum Einsatz
erneuerbarer Energien bei privaten Wohngebäuden an.
In Spandau gibt es derzeit zwei Beratungsstellen: die KlimaWerkstatt in der Mönchstraße 8 und den kieztreFF in der
Falkenseer Chaussee 199.
Der Energieberater der Verbraucherzentrale, Herr Henning,
berät kostenfrei in der KlimaWerkstatt zu Heizkostenabrechnungen und Stromanbieterwechsel, zur Anschaffung einer
neuen Heizungsanlage und zu weiteren Themen rund ums
Energiesparen.
Die KlimaWerkstatt hilft sowohl Metern als auch Hauseigentümern, sich einen Überblick über ihre persönliche, aktuelle
Energiesituation verschaffen und zeigt individuelle Möglichkeiten auf, Energie zu sparen.
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stellen: Bis zu zwei Drittel der Gesamtkosten, maximal
aber 10.000 Euro können aus dem Programm »Aktive Zentren« beigesteuert werden.
Auch die Mieter und der Eigentümer der Beyerstraße 35
hatten dieses Angebot im Jahr 2016 wahrgenommen. Der
120 Quadratmeter große Hof des Grundstücks war zuvor
in einem tristen Zustand: schadhafte Pflasterung, ein flachwurzelnder Baum, der den Boden aufbrach, herumstehende Mülltonnen, keine Aufenthaltsqualität.
Mit Hilfe der Förderung konnte der Hof grundlegend umgestaltet werden: Die alte Pflasterung und der darunter liegende Gesteinsschutt wurden entfernt, frische Erde aufgeschüttet, Rollrasen verlegt. Die Wege wurden neu angelegt
und gepflastert, ein neuer Baum wurde gepflanzt. Für die
Mülltonnen wurde ein neuer, geschützter Ort geschaffen.
Allerdings können nicht alle Ideen finanziert werden:
Spielgeräte oder Grillplätze beispielsweise sind ausgenommen. Dagegen werden Maßnahmen wie Bodenentsiegelungen, Pflanzflächen und Pflanzen, Erde, Düngemittel
oder auch Fassadenbegrünungen gefördert.
Interessierte Mieter oder Eigentümer können sich mit ihrem Konzept um eine Förderung bewerben. Finanziert werden bis zu zwei Drittel der benötigten Gesamtsumme – ein
Drittel muss privat aufgebracht werden.
Schnelligkeit und ein Konzept sind also von Vorteil, denn
wenn die insgesamt 10.000 Euro ausgeschöpft sind, gibt
es in diesem Jahr keine Förderung mehr.
Das Bezirksamt und das Koordinationsbüro (KoSP) als Gebietsbetreuer stehen auch beratend zur Seite. So wurde
eine sehr informative Broschüre zur Hofbegrünung aufgelegt, die Interessierten im Stadtteilladen zur Verfügung gestellt wird und auch im Internet als PDF abrufbar ist, ebenso wie ein Informationsflyer und das Antragsformular:
www.wilhelmstadt-bewegt.de/projekte/gruen-freiflaechen
Wer nähere Informationen und Hilfe sucht und sich bewerben
möchte, kann sich auch direkt beim Bezirksamt melden
(Katharina Lange, Tel. 90279-2280) oder bei Linda TennertGuhr vom Koordinationsbüro KoSP (Tel. 33002830).
Das KoSP ist auch jeden Freitag von 9 bis 14 Uhr im Stadtteilladen Adamstr. 39 anzutreffen.
Man kann bei der KlimaWerkstatt auch kostenlos 14 Tage
lang Strommessgeräte leihen, um den Energieverbrauch zu
überprüfen. Das Messgerät wird einfach wie ein Verlängerungskabel zwischen Steckdose und vermeintlichen Stromfresser
gesteckt. Ob Kühlschrank, Kaffeemaschine oder Computer –
auf dem Display lässt sich der Stromverbrauch sofort ablesen.
Mit den Messergebnissen kann man dann zur Energieberatung
der KlimaWerkstatt kommen, um die Ergebnisse durchzusprechen und Sparmaßnahmen zu finden.
Kostenfreie Terminvereinbarung unter Tel. 0800- 809 802 400
– bitte KlimaWerkstatt Spandau angeben. Gern können Sie
auch am Dienstag von 15 bis 18 Uhr und am Donnerstag von
10 bis 12 Uhr in der KlimaWerkstatt Spandau vorbeikommen
und einen Termin vereinbaren.
Kontakt:
KlimaWerkstatt Spandau, Mönchstr. 8, 13597 Berlin,
Tel. 030 3979 8669, info@klimawerkstatt-spandau.de
www.klimawerkstatt-spandau.de
www.facebook.com/KlimaWerkstattSpandau
Ände Gelände! –
Scharfe Havel und
Spandau Mule
TA N JA SCHN I T Z LER
Aktion »Grüner Daumen«
Zwei junge Leute aus der
Wilhelmstadt kreieren neue,
frische Limonaden
Interessante Getränke finden sich seit einigen
Wochen auf der Karte des »Barfly«: beispielsweise die Drinks »Scharfe Havel« und »Spandau
Mule«. Für beides sind zwei neue Ingwerlimonaden die Basis, aus dem Hause ÄNDE. Und ÄNDE
wiederum ist in der Weißenburger Straße zu
Hause.
Klingt verwirrend? Dann der Reihe nach. Im
Barfly treffen wir Andrea und Dominik, zwei
junge Menschen, die nun auch beruflich Partner sind. Gemeinsam sind sie viel durch die
Welt gereist und haben dabei immer gern eine Limonade getrunken, die man fast überall auf der Welt »Ginger Beer« nennt, obwohl
es gar kein Bier ist, sondern ein alkoholfreies
Erfrischungsgetränk. Weil sie etwas Vergleichbares in Deutschland aber so bisher nicht
fanden und es vermissten, beschlossen sie,
selbst tätig zu werden.
Das Ergebnis gibt es jetzt in zwei Versionen.
Zum Verkosten stellt Dominik zwei Flaschen
auf den Tisch: »Ginger Root« heißt die eine
(auf Deutsch »Ingwerwurzel«), »Gentle Ginger« (sanfter Ingwer) die andere. Bevor es ans
Verkosten geht, bewundert man die Flaschen:
klassische, handliche, bauchige, braune
0,33-Liter-Glasgefäße, die man – je nach Region – auch »Maurerknolle« oder »Stubbi«
nennt.
Das »Gentle Ginger«, erklärt Dominik, ist die
Einsteigerversion für Leute, die mit Ingwer
noch nicht so vertraut sind. Es schmeckt natürlich nach Ingwer, aber auch nach Zitrusfrüchten, ist fein sprudelig, ein bisschen herb,
angenehm unzuckrig. Eine perfekte Limonade zum Durstlöschen. »Ginger Root« ist sozusagen das Modell für Fortgeschrittene – mit
etwas mehr Ingwerschärfe, aber ebenfalls
schön-herb abgerundet mit Weizen- und
Gerstenwürze, feinperlig und nicht zu süß.
Sofort erklärt Dominik auch die Kulturgeschichte des Getränks: Im England des 18.
Jahrhunderts nämlich wurde »Ginger Beer«
wirklich noch gebraut, vergoren und in die
typischen braunen Flaschen abgefüllt, um es
haltbar zu machen. Inzwischen ist es längst
alkoholfrei. Nur in Deutschland darf man die
Ingwerlimonade nicht bei ihrem Traditionsnamen »Ginger Beer« nennen – denn hier darf
nichts Bier genannt werden, was nicht dem
deutschen Reinheitsgebot entspricht.
Die Liebe zur Ingwer-Limonade hat Andrea
und Dominik dazu gebracht, sich aus ihren
bisherigen Jobs zu verabschieden, um ihr
Start-Up zu gründen. Beruflich unerfahren
waren sie nicht: Andrea war zuvor Einrichtungsleiterin in einem Pflegeheim, Dominik
Niederlassungsleiter bei einem Entsorgungsunternehmen. Aber sie befanden mit echtem
Unternehmergeist: Wenn man etwas tut, soll
man es richtig machen. Also gingen sie das
Risiko ein, verabschiedeten sich aus ihren
Tätigkeiten, gingen in Teilzeitjobs, um
schließlich eine eigene Firma zu gründen.
Ihre Idee gingen sie vor knapp drei Jahren
an: Zuerst experimentierten sie in ihrer Küche und probierten Rezepturen, Extrakte,
Mischungen aus. Dann brauchten sie professionellere Unterstützung und Labore – und
wurden fündig bei der TU Berlin, die in der
Weddinger Seestraße das Fachgebiet »Brauwesen« betreibt. Zusammen mit den Studenten wurden die Getränke weiterentwickelt
und in zahlreichen Verkostungen getestet:
Wie ist das optimale Verhältnis von Schärfe,
Kohlensäure, Süße, Fruchtsäure? Schluss
endlich wurden die beiden »Ginger«-Varianten entwickelt. Noch heute sind Andrea und
Dominik von der Zusammenarbeit mit der
TU begeistert: »Besonders toll für uns war,
dass sich viele engagierte Studenten des Fachgebiets an den Proben und Verkostungen beteiligten und wir so viel wertvolles Feedback
erhalten haben. Es hat richtig Spaß gemacht,
dort mit allen zu arbeiten!«
Mit der Brauer-Kreativität hörte die Arbeit allerdings nicht auf: Denn ein Getränk muss
schließlich auch produziert, abgefüllt und
unter die Leute gebracht werden. Sie hätten
gern eine Berliner Brauerei beauftragt, aber
die winkten alle nur ab: der Auftrag sei zu
klein. Schließlich fanden sie eine kleine
Brauerei in Niedersachsen, die nun »ÄNDE«
produziert. Das passte. »Wir wollte ja auch
nichts Anonymes, keinen Massenbetrieb«,
sagt Andrea, »sondern etwas, das zu unserer
Idee, zu dem Charakter und zu unserer Überzeugung passt.«
Im Moment ist der kleine Zweimannbetrieb
damit beschäftigt, den Vertrieb auf die Beine
zu stellen. Keine einfache Sache. Gerade Berlin hat ein großes Angebot an neuen In-Getränken. »Aber wir wollten eben kein Szene
getränk für teure Bars machen«, sagt Dominik. »Wir denken, das könnten wirklich viele
gern trinken.« Also sind sie auch bundesweit
unterwegs, um die Ingwerlimonade unter
die Leute zu bringen.
Beide strahlen, wie man als Existenzgründer
nur strahlen kann. Ein bisschen erschöpft,
aber enthusiastisch und glücklich.
Damit ist es aber nicht genug. Von ihren Erfahrungen und auch von den Verkäufen wollen sie etwas weitergeben – aber nicht an irgendwen. Nach längerem Suchen fanden sie
die international tätige Organisation NFTE,
die Kreativität und Unternehmergeist bei
Schülern fördern will, und zwar eher bei benachteiligten Kindern und Jugendlichen. »Da
geht es nicht um Eliteförderung«, sagt Dominik. Der Verein bildet in speziellen Kursen
Lehrer aus, damit die in Projektarbeiten Schüler ermutigen, selbst Ideen, Erfindergeist
und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu
entwickeln. Andrea und Dominik unterstützen die Arbeit von NFTE nicht nur mit Spenden, sondern auch aktiv – und sind jedesmal
begeistert, wenn sie den Ideenreichtum der
Jugendlichen erleben.
Und was hat es nun mit der »Scharfen Havel«
auf sich? Ganz einfach: In Hamburg heißt
das Mischgetränk aus Bier und Limonade
Alsterwasser. Und in der Wilhelmstadt heißt
es nun eben »Scharfe Havel«.
Und woher kommt der Markenname ÄNDE?
Andrea lacht. Das war ihr Spitzname, schon
als Kind. Ihr Vater hat sie so genannt. Und
»ÄNDE« gibt Stoff für viele wunderbare Namensspiele für die Marke. Beispielsweise
»ÄNDE Gelände«. Oder »Anfang von ÄNDE«.
us
ÄNDE: Wo die Getränke bereits erhältlich
sind (u.a. bei EDEKA, in Cafés, Restaurants
oder Spätis) lässt sich auch auf der Website
www.aende.eu erfahren. Mehr Infos gibt es
auch bei Facebook: facebook.com/aendegmbh
7
»Wir müssen wieder
größer denken«
über wachsende Steuereinnahmen in der
wachsenden Stadt auszahlen werden. Das
Land Berlin muss dringend Entscheidungen
treffen. Schließlich dauern die konkrete
Planung und der Bau schienengebundener
Erweiterungen viele Jahre. Da brauchen wir
mehr Dynamik.
Frank Bewig (CDU) wurde im November
2016 zum neuen Stadtrat für Bauen, Planen
und Gesundheit gewählt. Zuvor war er von
2011 bis 2014 Vorsteher der BVV Spandau
und von 2014 bis 2016 Stadtrat für Gesundheit und Soziales.
Von seinem Amtsvorgänger Carsten Röding
hat er nicht nur das Arbeitszimmer im Rathaus übernommen, sondern auch ein großes Ressort mit vielen Herausforderungen
in den kommenden Jahren. Dabei will er
auch seine Erfahrungen aus dem Sozialbereich einbringen.
Herr Bewig, Sie haben ein sehr großes und
wichtiges Ressort für Spandau übernommen.
Wie waren die ersten Wochen?
Stressig. Aber auch hochspannend. Viele
größere Projekte sind ja im Entstehen. Beim
Stadtentwicklungsamt und beim Straßenund Grünflächenamt geht es um Wohnungsbau und die Planung ganzer Stadtviertel,
um Verkehrs- und Grünplanung, aber auch
Straßenreparaturen. Das berührt jeden Bürger in seinem Alltag, während das Thema
Gesundheit, das ich aus meinem alten Ressort mitgebracht habe, in seinen Facetten
ja nicht immer jeden unmittelbar betrifft.
Im öffentlichen Raum aber bewegen sich
alle, und alle wollen ihn mitgestalten.
Sprechen wir über eines der wichtigsten
Themen: Berlin braucht dringend Wohnungsneubau. Wo ist Spandau bereits aktiv, um
neue Wohnbaupotenziale zu erkunden oder zu
erschließen?
Im Bereich der Wilhelmstadt geht es beispielsweise um das Areal der Schmidt-
Knobelsdorf-Kaserne, wo sich der Bezirk gut
den Bau eines neuen Quartiers vorstellen
kann. Doch es gehört derzeit noch dem
Bund. Das Land Berlin führt derzeit die Verhandlungen mit der zuständigen Bundes
immobilienanstalt BIMA mit dem Ziel, die
Flächen an das Land zu übertragen. Wenn
das geschieht, können wir als Bezirk diese
Flächen entwickeln.
8
Dabei gibt es noch unterschiedliche Vorstellungen: Während der Senat das zu entwickelnde Gebiet bis hoch zur Heerstraße sieht,
wollen wir uns auf die Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne und das frühere Munitions
lager konzentrieren. Darüber hinaus sehen
wir dort nur noch wenig Entwicklungspotenzial. Wir wollen auch keine Kleingartenkolonien oder Kleingewerbe vertreiben. Zu
diesem Areal wird es noch Gespräche zwischen dem Land und dem Bezirk geben.
Wird es – angesichts der neuen landespolitischen Konstellationen – auch neue Gespräche
zum Südhafen geben? An der Straße »Am
Oberhafen« wollte ja der Bezirk auch Wohnen
ermöglichen, was letztlich am Widerstand der
landeseigenen BEHALA und der Senatsverwaltung für Wirtschaft scheiterte ...
Diese Planungsvarianten haben wir erarbeitet, weil wir sie im Bezirk für sinnvoll halten. Sie liegen jetzt auf Eis, aber wir könnten sie jederzeit wieder aufnehmen, wenn
von der Senatsebene ein klares und einstimmiges Signal kommt. Die neue Wirtschaftssenatorin Ramona Pop hat sich dazu
aber noch nicht geäußert.
In Brandenburg sähe man so eine Entwicklung
sicher nicht ungern, schließlich konkurriert der
Südhafen ja direkt mit dem Hafen in Wustermark. Überhaupt kann die Entwicklung Span
daus nicht ohne die umliegenden Gemeinden
Brandenburgs stattfinden. Müsste die Koopera
tion nicht viel intensiver werden?
Leider ist der Bezirk da nur begrenzt handlungsfähig – letztlich ist vieles Verhandlungssache der Länder. Man kann nur hoffen, dass die ähnlichen politischen Konstellationen in den beiden Ländern jetzt auch
eine engere Kooperation ermöglichen. Wenn
man sich die langen Zeitschienen ansieht,
die Stadtentwicklung nun einmal benötigt,
dann sind wir mit vielem zu spät und viel
zu langsam. Das betrifft nicht nur den Wohnungsneubau, sondern vor allem auch die
Verkehrsplanung.
Für Spandau ist dabei die Straßenbahn in der
Diskussion, außerdem Verlängerungen der
S-Bahn und der U-Bahn …
Eine wirkliche Alternative zum drohenden
PKW-Verkehrsinfarkt schafft man vor allem
mit einem gut ausgebauten ÖPNV. Das kann
aber kein Bezirk für sich regeln. Angesichts
des Wachstums der Umlandverkehre, die
nach Spandau hineindrängen, brauchen wir
dringend mehr und bessere S-Bahn-Verbindungen nach Falkensee und Nauen. Man
sollte auch die U-Bahn nicht verteufeln, ich
könnte mir beispielsweise gut Anschlüsse
zum Falkenhagener Feld oder zur Heerstraße Nord vorstellen. Ich bin auch ein Anhänger der Regionalbahn, ich bin lange selbst
damit gependelt. Auch die ist an der Grenze
ihrer Leistungsfähigkeit angelangt, wie man
in den Stoßzeiten sehen kann. Und dass
das Busnetz seine Kapazitätsgrenze erreicht
hat, kann man vor dem Rathaus Tag für Tag
beobachten. Deshalb darf auch die Straßen
bahn kein Tabu sein. Allerdings sollten Straßenbahnlinien weitestgehend nur dort geplant werden, wo ein selbständiger Gleiskörper zur Verfügung steht. Nur so bleiben der
Auto- und Radverkehr unbeeinträchtigt und
die Straßenbahn bleibt nicht im Stau stecken.
Wir hinken hinterher und müssen anfangen,
wieder größer und langfristiger zu denken.
Wir müssen jetzt größere Schritte machen,
die sicherlich viel Geld kosten werden Aber
das sind Investitionen in die Zukunft und
auch in die Umwelt, die sich finanziell später
Auch der Radverkehr gewinnt immer mehr an
Bedeutung. Man könnte sich beispielsweise gut
ein Fahrrad-Parkhaus am Bahnhof Spandau
vorstellen – in Potsdam wird das bereits erfolgreich praktiziert.
»Bike + Ride« finde ich auch sehr sympathisch. Es ist allerdings nicht einfach, geeignete Flächen zu finden. Und wir brauchen
auch mehr Personal für die Planung der
Fahrrad-Infrastruktur. Demnächst sollen
zwei Stellen für diesem Bereich besetzt werden, aber es ist im Augenblick sehr schwer,
dafür qualifizierte Leute zu finden, weil sie
überall händeringend gesucht werden.
Fahrradwege allein werden aber unser Verkehrsproblem nicht lösen. Ich bin übrigens
sehr gespannt auf eine Podiumsdiskussion
mit dem neuen Verkehrsstaatssekretär Jens-
Holger Kirchner, die am 2. Mai im Spandauer Rathaus stattfinden wird.
Auf der »Insel Gartenfeld« in der Siemensstadt
entsteht ein ganz neues Quartier, das auch an
den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen
werden müsste.
Hier sollen rund 3000 Wohnungen entstehen, aber die verkehrliche Erschließung ist
bislang noch völlig ungeklärt. Man könnte
natürlich den Busverkehr ausweiten. Aber
nachhaltiger wäre eine schienengebundene
Erschließung, wobei mit der Siemensbahn
ja schon eine Trasse zum Regionalbahnhof
Jungfernheide vorhanden wäre.
TA N JA SCHN I T Z LER (2)
Spandau wird in den nächsten Jahren erheblich
wachsen. Ein Interview mit Baustadtrat
Frank Bewig
Auch im Umfeld, am Saatwinkler Damm sowie in der Wasserstadt ist viel Neubau geplant, zudem an der Carossastraße und im
Umfeld des Klinikums Spandau: Allein im
sogenannten »Entwicklungsband West«, also
in der westlichen Einflugschneise des Flughafens Tegel, wird zusätzlicher Wohnraum
für 12.000 bis 15.000 Menschen geschaffen, für
den auch die Verkehrsinfrastruktur ausgebaut werden muss. Hinzu kommt die Verdichtung im Bestand – insgesamt ist für
Spandau ein großes Bevölkerungswachstum
in den nächsten zehn Jahren zu erwarten.
Benötigt wird vor allem preiswerter Wohnraum.
Die neue Bausenatorin Katrin Lompscher hat
kürzlich eine Vereinbarung mit den städtischen
Wohnungsbaugesellschaften unterzeichnet,
nach der 50 % der neugebauten Wohnungen
Sozialwohnungen sein sollen.
Wir müssen bezahlbaren Wohnraum schaffen, keine Frage. Wir müssen aber auch Spandau attraktiv machen für alle Bevölkerungsschichten, um eine gute soziale Mischung
zu erhalten. In Spandau hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten die soziale Situation
immer weiter verschlechtert. Erst sind viele
Bezieher guter und mittlerer Einkommen
ins Umland gezogen, dann rückten die
Transferleistungsempfänger aus der Innenstadt nach, weil die Mieten hier vom Jobcenter noch übernommen wurden. Das hat
sich zwar wieder etwas abgeschwächt – statt
1000 pro Jahr ziehen laut Jobcenter nur noch
rund 400 zusätzliche Transferleistungsempfänger nach Spandau. Wenn in Spandau jetzt
aber in großem Stil belegungsgebundene
Sozialwohnungen geschaffen werden, würde das die Segregation aus meiner Sicht
weiter vorantreiben.
Ein Anteil von 50% Sozialwohnungen beim
Wohnungsneubau wäre beispielsweise im
Falkenhagener Feld wenig förderlich. Dort
steht schon jetzt die Sozialstruktur auf der
Kippe, die Situation würde weiter verschärft.
Andererseits handelt es sich auch um ein
strukturelles Problem: In Spandau haben
die Wohnungsbaugesellschaften noch landeseigene Flächen, auf denen sie bauen
können, im Gegensatz zur Innenstadt, wo
vor allem Private bauen.
Auch mein Kollege Florian Schmidt aus
Friedrichshain-Kreuzberg beklagt übrigens,
dass in seinem Bezirk die soziale Mischung
verlorengeht. Dort steigen die Mieten rasant
und immer mehr Menschen mit geringem
Einkommen werden in die Außenbezirke
gedrängt. Das ist dann die andere Seite der
Medaille.
Was wäre aus Ihrer Sicht also notwendig?
Die Privatisierungspolitik der 1990er und
2000er Jahre war ein Riesenfehler – beispiels-
weise der Verkauf der GSW. Jetzt wird das
Land Berlin nicht darum herumkommen,
Flächen und Wohnungsbestände wieder anzukaufen. Man braucht einen gewissen
Grundstock an städtischen Gesellschaften.
Wenn man jetzt das Geld nicht investiert,
wird es künftig immer schwieriger, die Stadt
zusammenzuhalten.
Und mehr Geld brauchen wir nicht nur für
den Neubau und den Verkehr, sondern auch
für die soziale Infrastruktur. Kitas und Schulen werden bei Bebauungsplanverfahren
zwar immer mit geplant. Doch die Stadt
wächst ja nicht nur in den Neubaugebieten,
der Bedarf steigt also auch andernorts. Zudem darf man auch nicht vergessen, dass
es immer mehr Senioren gibt – auch für sie
muss es Angebote und Räume zur Freizeitgestaltung geben. Eine gute Nahversorgung,
wohnortnahe Dienstleistungen, funktionierende Verkehrsverbindungen – all das ist für
ältere Menschen sehr wichtig.
Viele Bürger beklagen, dass sie von den Ver
änderungen in ihrer Umgebung immer erst er
fahren, wenn schon alles entschieden ist. Brauchen wir nicht auch mehr Bürgerbeteiligung?
Ja, aber das ist angesichts unseres derzeitigen Personalmangels einfach nicht immer
so zu schaffen, wie wir es uns wünschen
würden. Eigentlich bräuchten wir angesichts
der vielen Vorhaben so etwas wie ein Beteiligungs- und Öffentlichkeitsmanagement
im Bezirk. Aber da fehlen uns bislang
schlicht die Kapazitäten.
Interview:
Christof Schaffelder, Ulrike Steglich
Hartz-IV-Empfänger
ziehen nach Spandau
Die Aussage von Frank Bewig, dass viele Transferleistungsempfänger aus der Innenstadt nach
Spandau ziehen, ist plausibel. Laut den aktuellen Statistiken der Bundesanstalt für Arbeit
vom März 2017 geht zwar auch in Spandau der
Anteil der Hartz-IV-Empfänger (»Arbeitslosenquote SGBII«) zurück: von 9,9% im März 2016
auf 8,9% im März 2017. Doch damit liegt Spandau nicht nur deutlich über dem Berliner Durchschnitt (6,9%) – auch der Rückgang ist mit -1%
klar schwächer ausgeprägt (Berlin: -1,5%).
In der Rangliste der Bezirke liegt Spandau damit
bereits an vorletzter Stelle. Nur noch Neukölln
hat mit 10,0% eine höhere »Arbeitslosenquote
SGB II«. Doch in Neukölln geht diese Quote
wesentlich schneller zurück als in Spandau: Ein
Jahr zuvor betrug sie dort noch 12,9%.
9
A NDRE A S W I LK E
Der hatte in diesem Jahr in der Wilhelmstadt wirklich alle
Pfoten voll zu tun: Bei der Aktion »Finde Dein Osternest«,
die vom Geschäftsstraßenmanagement Wilhelmstadt
und von Gewerbetreibenden im Gebiet organisiert wurde,
landeten sage und schreibe 227 Osterkörbchen im Stadtteilladen, liebevoll selbstgebastelt von Kindern aus dem
gesamten Gebiet, auch Kitas und Schulen beteiligten
sich. Zeitweise sah das Büro des Geschäftsstraßenmanagements im Stadtteilladen aus wie das Hasen-Hauptquartier.
Ulrike Stock und Torsten Wiemken waren aber nicht nur
von der schieren Menge der Osternester überrascht: »Es
war unglaublich, mit wie viel Liebe, Kreativität, Phantasie
und Erfindungsgeist die Kinder bastelten«, sagt Ulrike
Stock. »Von umgebauten Eierkartons über geflochtene
Zweige bis hin zum Batman-Nest war die schöpferische
Palette riesig!«
Trotz des überraschenden Ansturms war der Osterhase
nicht faul: Alle Nester wurden mit österlichen Überraschungen gefüllt. Das eigene Nestchen konnten die Kinder dann in einem der insgesamt 57 Geschäfte suchen
und finden, die sich an der Aktion beteiligten. Das war
eine (auch logistisch) große Leistung des Geschäftsstraßenmanagements und der Gewerbetreibenden, die sich
an der Aktion beteiligten: Und strahlende Kindergesichter dürften es ihnen gedankt haben.
us
Peter Blöser vor
dem Ladenraum,
in dem früher
seine Eltern ein
kleines Lebensmittelgeschäft
betrieben.
TA N JA SCHN I T Z LER
Viel Arbeit für den
Osterhasen
Peter fehlt
Zum Tod von Peter Blöser
Leserpost
Betr.: Artikel »Gepflegte Ruhe am Havelufer« (WILMA
1/2017) sowie Leserbrief in WILMA 2/2017, S. 13 – bezüglich
des Haveluferrad- und Fußweges
Hallo Wilma! Und vielen Dank auch für diese Ausgabe.
Ihre Arbeit ist extrem wichtig und nützlich.
Ich habe zum Leserbrief von »T.S.« – betreffend den RADweg etwas mitzuteilen:
Leise ist anders, doch soll der ja laut die Trommel schlagen, der etwas zu sagen sagt: Frau oder Herr T.S. »schreit«
es aufgeregt auch mir aus der Seele. Ich bin genau derselben Meinung, wenn ich es auch anders, viel leiser und ruhiger, doch sicher nicht so treffend direkt formuliert hätte. Danke dafür.
Was ist passiert? Ende November 2016 bin ich spätnachmittags vom Markt kommend an der Havel entlang in
Richtung Schleuse geradelt als mir ein RadRENNraser
entgegen kam, wir nicht mehr ausweichen konnten, er
mein Hinterrad so erwischte, dass ich gestützt bin und
mir meinen »Stietz« total schwer verletzt habe. Ich weiß
bis heute nicht, ob es eine Frau oder ein Mann war, die
bzw. der dann mich keines Blickes würdigend, sich aufs
Rad schwang und abhaute. Ich blieb verletzt am Boden
liegen, mein Hinterrad hatte eine Acht und die Polizei
sagte, dass es keinen Sinn mache, eine Anzeige »gegen
Unbgekannt« aufzugeben, weil ich ja kaum Angaben machen kann…
Ich war fünf Wochen krank geschrieben (über die Festtage!!!), konnte mich anfangs kaum rühren, hatte Physio10
therapie und musste Schmerzmittel schlucken! Zudem
der finanzielle Schaden an Rad, Hose und Schuhe (um
die 300 EUR).
Und warum? Weil wir uns wegen des bescheuert angelegten Radweges um einen Baum herum (!!!) nicht rechtzeitig gesehen haben und uns verständigen konnten, wer
nun wo genau um den Baum herumfährt! Das muss man
sich einmal vorstellen, mitten auf dem Weg steht ein so
riesiger Baum, der komplett die Sicht versperrt! Doch der
Baum kann ja nichts dafür, für die Ausführung dieser
dummen Planung des Weges. Ist das denn zu fassen?
Grenzenlose Dummheit!
Das hat wohl auch die Stadt erkannt und inzwischen den
Kreis um den Baum mit Pflastersteinen erweitert, so
dass nun ca. 50 cm »mehr« (Flucht-)Weg besteht.
Doch reicht das nicht: Wer dort einmal stehen bleibt, sich
die Verwirrung der Menschen anschaut, die nicht wissen,
wie sie unfallfrei um den Baum nun herum kommen
(hierum oder dortherum?) einfach weil es keinen Blickkontakt zu Entgegenkommenden gibt, wird die Hände,
nachdem er sie über den Kopf zusammengeschlagen hatte, schnell dafür nutzen, um sich die Augen zuzuhalten.
Ich bin sicher, eben aus der eigenen Erfahrung, dass es
exakt hier zu weiteren »Begegnungen der schmerzhaften
Art« kommen wird.
Ich verstehe ja als Büro-Angestellte von Planung usw.
nicht viel, doch DAS hätten selbst meine beiden Kinder
besser gelöst: »Mama, warum haben die den Weg nicht
einseitig und weit um die Bäume gemacht?« Soll ich antworten: »Schau‘ mein Kind, das sind dumme Menschen«?
Wir wären für jede Verbesserung dankbar – einfach weil
sie LEBEN retten kann!
Kerstin Wolfert
Vor ein paar Tagen wäre Peter 68 geworden; das ist eigentlich kein Alter. Aber den Geburtstag konnte er nicht mehr
feiern. Einen Tag zuvor, am 20. April, wurde er beerdigt.
Er starb am 10. März. An einem Herzinfarkt, einfach so,
ohne Vorahnung oder gar Vorankündigung. Das macht es
noch schwerer zu realisieren, dass das letzte Treffen plötzlich das allerletzte gewesen sein soll, gewesen ist.
Peter war einer aus der Gruppe Wilhelmstadt – Geschichte
und Geschichten. Ich habe ihn durch die Zusammenarbeit
an der Ausstellung Meine Kindheit in der Wilhelmstadt kennengelernt. Aber vieles über den Menschen Peter Blöser
habe ich erst aus der Trauerrede erfahren; einer Trauerrede,
gehalten von einem langjährigen, vertrauten Freund und
Weggefährten; einer Rede, wie sie eben nur ein wirklicher
Freund halten kann.
Ich habe dabei viel erfahren und verstanden – warum Peter
so viel Ruhe ausstrahlte, warum er sich so zurücknehmen
konnte, um dann zum richtigen Zeitpunkt etwas Hilfreiches beizusteuern.
Peter hat bestimmt auch seine Schwächen gehabt, nur
weiß ich keine … oder nur solche, die einen Menschen sympathisch machen. Seine Entspannungszigarette zwischendurch, für die er sich ungefragt kurz vor die Tür verabschiedete; das Bierchen zum Feierabend. Eben jene Dinge, die
zur Lust am Leben gehören.
Peter hat sehr viel zu der Arbeit der Gruppe beigetragen.
Nicht nur, dass er, ein echter Wilhelmstädter, selbst voller
Erinnerungen und Geschichten war – er wusste auch, wen
man zu einem Ort, einer Geschichte fragen konnte. Bei ihm
lief einiges zusammen. Er war der Typ, den man gerne um
Rat fragt. Er war zuverlässig und zielgerichtet.
Peter hat Spuren hinterlassen. Wir mit unserer Gruppe waren da nur ein ganz kleiner Teil. Da kommen vorher seine
Familie und seine langjährigen Freunde und wahrscheinlich noch einige andere. Aber für uns war Peter ein wichtiger Teil. Und wer das einmal wirklich gespürt hat, der weiß,
dass in dem Satz »Du wirst uns fehlen«, neben Wehmut
ganz viel Verlust liegt und ein banges Gefühl, wie es wohl
weitergehen wird.
Bisher schlagen mir die Versuche, mich zu trösten, fehl.
Wenn ich an das verschmitzte Lächeln denke, überwiegt
der Verlust. Wenn ich versuche, dankbar an seine Beiträge
zur Gruppe zu denken, sagt eine innere Stimme: Da wäre
doch noch so viel gekommen.
Ich habe aus der Trauerrede erfahren, dass seine Freunde
ihn Pete nannten. Dass er fester Teil einer seit der Kindheit
befreundeten Jungsgruppe war. Dass er in den 70er Jahren,
als das noch sehr ungewöhnlich war, trotz all seiner beruflichen Qualifikationen für seine kleinen Töchter als »Hausmann« daheim blieb und sich um alles kümmerte, damit
seine Frau weiter ihrem Beruf als Lehrerin nachgehen
konnte.
Nach mancher Sitzung unserer kleinen Gruppe sind wir
noch ein Bier (oder auch zwei) trinken gegangen, haben
uns über Musik, Kultur allgemein, Politik und über das
Leben im Allgemeinen und im Besonderen unterhalten.
Mit Peter konnte man sich sehr gut unterhalten. Er war interessiert an dem, was ihm jemand sagte, und er hatte was
zu sagen.
Jetzt bleibt mir nur zu sagen, ich wäre stolz gewesen, wenn
ich irgendwann Pete zu dir hätte sagen dürfen.
Andreas Wilke
11
Lebenslauf einer
schönen Brücke
Im Jahr 1874 wurde die heutige Heerstraße
als Chaussee von Charlottenburg nach Pichelsdorf angelegt und dann zwischen 1903
und 1911 als Döberitzer Heerstraße fertig gestellt. Dazu gehörte auch der Bau der Havelbrücke um 1909/1910 zur Weiterführung der
Heerstraße über die Havel. Kaiser Wilhelm II.
wollte diese Straße als Aufmarschstraße
vom Berliner Schloss bis nach Spandau zum
Truppenübungsplatz Döberitz haben. Die
Havelbrücke wurde 1913 in Freybrücke umbenannt: nach dem Leiter des Baus der Döberitzer Heerstraße Adolf Frey.
Ab 1920 wurde die Straße nur noch Heerstraße genannt. Sie überquert das Haveltal mit
zwei Brücken: eine führt über den Stößensee, die andere über die Havel.
Noch bis 1966 fuhren hier Straßenbahnen
Richtung Zoo und Johannesstift. Mit ihr bin
auch ich zur Schule gefahren. Für mich war
und ist die Freybrücke eine wichtige Verbindung zur Stadt.
Zu Kriegsende 1945 wurde sie durch Sprengungen und Bomben stark zerstört. 1946
wurden deshalb die in der Havel liegenden
Brückenteile zum Schutz vor weiterem Ab-
Erinnerungen an
die alte Freybrücke
Anlässlich der Wiedereröffnung der neu gebauten Freybrücke erinnerte ich mich an
meine erste Überquerung der gesprengten
Brücke 1948. In den letzten Kriegstagen 1945
war die Freybrücke von der deutschen Wehrmacht gesprengt worden, um den Vormarsch
der russischen Streitkräfte zu verhindern.
Ich kam 1948 aus der Schule und suchte eine
12
sinken gestützt und mit erhaltenen Brückenteilen provisorisch repariert. 1947 wies die
britische Militärregierung den Wiederaufbau der Freybrücke an, der dann von 1948 bis
1951 erfolgte. Sie wurde mit zwei Stahl-Brückenbögen fünfspurig gestaltet.
Die Heerstraße samt Freybrücke ist eine der
vielbefahrensten Spandauer Strecken. Sie ist
die wichtigste Ost-West-Verbindung: Tausende Fahrzeuge aus dem Umland einerseits
und der Berliner Innenstadt andererseits haben hier morgens und abends mit großen
Staus zu rechnen.
Bei der Brückenprüfung 2008 durch die Wasser- und Schifffahrtsdirektion wurden erhebliche Schäden festgestellt und Abriss sowie
Neubau beschlossen. Als feststand, dass die
Freybrücke abgerissen wird, war ich doch
traurig darüber. Ich fand sie schön und habe
sie gemocht. Da ich in der Wilhelmstadt geboren bin und lebe, war die Brücke mir sehr
ans Herz gewachsen.
Vor dem Abriss der alten Konstruktion wurden auf der Nordseite der Freybrücke zunächst zwei zweispurige Behelfsbrücken errichtet.
Der Baubeginn der neuen Brücke erfolgte
Anfang 2013. Die neue Brücke in Stahlverbundkonstruktion erhielt ebenfalls Rundbögen mit netzartig angeordneten Hängen,
die das Tragsystem mit der Fahrbahn verbinden. Die vorgefertigte Fahrbahn lag schon
lange Zeit im Südhafen bereit. Als es dann
soweit war, dass sie eingehängt werden
konnte, wurde die »Fahrbahn« auf eine Schute geschoben und langsam zur Freybrücke
geschifft. Als die Fahrbahn in der neuen
Brücke eingesetzt wurde, war die Havel gesperrt.
Das war schon eine spektakuläre und spannende Sache. Bei allen großen Aktionen waren ein Mitbewohner aus meiner Wohnanlage, ein Herr vom Stadtteiladen und ich immer dabei. Auch morgens um sechs Uhr, bei
jedem Wetter.
Man hoffte ursprünglich, schon im Jahr 2015
die Neue Freybrücke fertigstellen zu können.
Dann dauerte es doch noch bis November
2016. Am 20.11.2016 wurde die Freybrücke
schließlich für den Autoverkehr und die
Fußgänger freigegeben. Allzeit gute Fahrt!
Christel Schories
Lehrstelle. Da ich in Spandau keine Lehrstelle als Modellschneiderin fand, musste ich in
Berlin suchen und wurde fündig in der Pariser Straße in Charlottenburg. Damit begann
für mich als 14jähriges Mädchen eine abenteuerliche Zeit. Ich fuhr mit der Straßenbahnlinie 75 von der Haltestelle Weverstraße
bis Alt-Pichelsdorf. Hier war Endstation. Man
musste zu Fuß die teilweise für Fußgänger
und Radfahrer notdürftig hergestellte Brücke überqueren. Auf der anderen Seite fuhr
die »75« bis Zoo. Um den Anschluss nicht zu
verpassen, musste man sich aber immer beeilen. Das war jedesmal ein Geschiebe und
Gedränge auf den kleinen Steg, denn jeder
wollte ja drüben wieder weiter kommen. Die
Bahn war natürlich rappelvoll, manche Fahrgäste hingen fast draußen. Ich hatte immer
Angst, nicht mitzukommen, denn als Lehrling wollte ich ja nicht zu spät kommen. Vom
Zoo ging es nochmals mit der Straßenbahn
weiter bis zur Pariser Straße, hier war meine
Lehrstelle im 5. Obergeschoß und der Aufzug war natürlich außer Betrieb. Trotz aller
Schwierigkeiten war es eine schöne Zeit,
denn ich bin zu meinem Lieblingsberuf als
Modellschneiderin gekommen.
Brigitte Kühn
Kunst im öffentlichen Raum
Ob Plastiken, Skulpturen, Denkmäler, Wand
gemälde, Brunnen – uns begegnet immer wieder
Kunst im öffentlichen Raum. Sie werden oft
beiläufig im Vorbeieilen zur Kenntnis genommen
– doch manchmal fragen sich auch Betrachter,
was es mit dem Kunstwerk wohl auf sich haben
mag. Und es lohnt sich oft, genauer dessen
Geschichte und Hintergrund kennenzulernen.
Unsere Autorin (studierte Kunstwissenschaftlerin) beschäftigt sich in einer losen kleinen
Serie mit Kunstwerken in der Wilhelmstadt.
Heute geht es um eine Figur, die wohl jeder
schon gesehen hat.
Apollo
mit Lyra
Ecke Heerstraße/Pichelsdorfer Straße: Abseits von Currypilz und Haltestelle sitzt ein
schmaler, bronzener Jüngling etwas unbequem auf einem unförmigen Sitz mitten auf
der Wiese. Von hinten meint man, er säße
auf einem Haufen loser Steine, von vorn
scheinen einzelne teigig-rundliche Klumpen
zusammengesetzt zu sein – so oder so eine
instabile Unterlage. Der junge Mann neigt
den gelockten Kopf zu einer Lyra, die er mit
dem linken Arm umfängt. Mit der rechten
Hand stützt er sich auf den Sitz. Das rechte
Bein streckt er weit vor, der Fuß ragt über Bodenplatte und Podest. Der linke Fuß dagegen ist dicht an den Sitz gerückt. Seine einzige Bekleidung besteht aus verschnörkelten
Sandalen – das Tuch, auf dem er sitzt, umrahmt in dekorativen Falten den verlängerten Rücken und die schlanken Oberschenkel,
ist jedoch weit davon entfernt, die Insignien
der Männlichkeit zu verhüllen. Ein Spaßvogel verschönerte sie irgendwann mit Goldfarbe, doch inzwischen ist die Farbe fast wieder verschwunden. Dafür zieren den Bronzekörper noch zahlreiche schwarze Kleckse. An
einigen Stellen wurde er ausgebessert, die
eingesetzten Bronzestückchen wirken wie
Heftpflaster an Armen und Beinen. Etwas
verloren sitzt er da.
Dabei thront hier eine Gottheit: Apollo, der
Licht- und Sonnengott aus der antiken griechischen Mythologie, dessen jugendlicher,
muskulöser Körper für seine ewig währende
Kraft, die Kraft des Sonnenlichtes, steht. Das
hiesige Götterexemplar kommt vielleicht
TA N JA SCHN I T Z LER
Seit vier Jahren trifft sich zweimal im Monat
im Stadtteilladen Adamstraße die Gruppe
»Geschichte und Geschichten«. Es sind Wilhelmstädterinnen und Wilhelmstädter, die ihre
persönlichen Erinnerungen und Bilder zusammentragen, um die jüngere Geschichte der
Wilhelmstadt seit Kriegsende aus subjektiver
Sicht und unterschiedlichen Perspektiven zu
erzählen. Daraus entstand bereits die vielbeachtete Ausstellung »Meine Kindheit in der
Wilhelmstadt«, weitere Publikationen sind in
Arbeit. Inzwischen ist ein Archiv mit über 1000
Fotos, Texten, Dokumenten, Exponaten entstanden, das beständig weiter wächst.
Regelmäßig veröffentlicht die Wilma Texte, in
denen Mitglieder der Arbeitsgruppe ihre Erinnerungen an den Kiez festhalten.
Im Folgenden berichten Brigitte Kühn und
Christel Schories über die Freybrücke, die erst
vor kurzem wieder neu eröffnet wurde.
TA N JA SCHN I T Z LER
Wilhelmstädter Geschichte
und Geschichten
ein wenig schlaksig daher. Mit dekorativem
Mantel (einem mannsgroßen Tuch), aber im
Wesentlichen nackt wurde er schon in der
Antike dargestellt. Sspäter wurden die brisanten Körperteile züchtig mit dem Mantel verdeckt. Seit der Renaissance erfreuten sich bis
ins 20. Jahrhundert hinein Bildnisse mit Szenen oder Figuren aus der griechischen oder
römischen Antike anhaltender Beliebtheit,
doch die Darstellung war zeittypischen Entwicklungen und Moden unterworfen. Unser
junger Gott orientiert sich am antiken Original. Nur sein Haar trägt er nicht so lang wie
in der Antike Apollo-Statuen, wo das lange
Haar die Sonnenstrahlen symbolisierte. Darauf kam es hier wohl nicht an.
Im Laufe der Zeit erhielt Apollo weitere Bedeutungen, etwa als Gott der Weissagung,
der Heilkunst, der Künste und Wissenschaften – und als Gott der Musik. In dieser Funktion hat er meist, wie auch hier, das Saiten-
instrument Lyra bei sich, in der Antike ein
weit verbreitetes Musikinstrument. Der Legende nach wurde das erste Exemplar aus einem Schildkrötenpanzer als Schallkörper,
zwei Ziegenhörnern, einem Steg und Sehnen
gebaut. Statt Panzern und Hörnern wurde allerdings beim Instrumentenbau tatsächlich
üblicherweise Holz verwendet, mehr oder
weniger reich verziert und durchaus mit Anklängen an die Legende. So auch bei unserem Pichelsdorfer Apollo, wo die gedrehten
Seitenteile der Lyra Ziegenhörnern nachempfunden sind. Man fragt sich nur, wie das
Instrument funktionieren könnte, da doch
die Saiten im Korpus verschwinden und
nicht darauf befestigt sind. Dem Künstler
war das im Laufe der Jahrhunderte aus der
Mode gekommene Instrument in seiner
Konstruktion und Funktion vielleicht nicht
mehr geläufig.
Wann die Skulptur entstanden sein mag, ist
schwer zu sagen. Am rückseitigen Rand des
Unterbaus ist eine Signatur eingraviert: A.
FRILLI – S. A. FIRENZE. So zeichnete manchmal der italienische Bildhauer Antonio Frilli
seine Werke, allerdings stehen die Buchstaben bei ihm zumeist nicht so akkurat in Reih
und Glied, auch verwendete er eher Großund Kleinbuchstaben, anders als hier. Aber
könnte es eine Arbeit aus seiner Werkstatt
sein? Er gründete sie um 1860 in Florenz
(Ital.: Firenze). Nach seinem Tod (nach 1920)
führte sein Sohn Umberto sie weiter, Anfang
der 1930er Jahre übernahm sie die Familie
Marinelli, die sie als Frilli Gallery bis heute
fortführt. Unter Antonio Frilli war die Werkstatt bekannt und geschätzt für die sehr fein
ausgeführten, grazilen Marmor- und Alabasterfiguren. Daneben wurden Reproduktionen antiker Werke und mythologischer Szenen gefertigt und auch Bronzeplastiken. Dies
wurde und wird von der Frilli Gallery fortgeführt, die bestrebt ist, an das Renommee des
Werkstattgründers anzuknüpfen. Werke von
ihm können im Kunsthandel durchaus mit
den bekannten Größen, wie etwa Canova,
mithalten. Vergleicht man nun diese Kunstwerke mit unserem Apollo, erscheint dieser
doch etwas grob und unbeholfen – man denke nur an den unentschlossenen Stein- oder
Klumpenberg, auf dem er sitzt.
Nichtsdestotrotz hatte wohl auch er einmal
seinen »Bewunderer« gefunden – er wurde
der Kunstsammlung Hermann Görings einverleibt, einem Sammelsurium beschlagnahmter, geraubter, als »entartete Kunst«
verfemter Werke. 1964 fand er dann von
»Carinhall«, dem Besitz Görings, seinen Weg
nach Wilhelmstadt auf die besagte Wiese,
wo dann und wann ein Wartender von der
Bushaltestelle ihm Gesellschaft leistet, um
ungestört telefonieren zu können.
Silke Schützeichel
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O-Ton Wilhelmstadt
Dreisatz
I – Sauber
Elf Uhr vormittags, der Wind ist immer noch eisig, aber die
Sonnenstrahlen schon frühlingswarm. Die Menschen suchen ein Plätzchen in der Sonne, auch vor den Spandau Arcaden. Ohnehin ist der Rand des Pflanzenrondells ständig
von Menschen belagert: von Eisessern, Pärchen, Pausierenden, Gestrandeten. Ein vielleicht vierjähriger Junge springt
munter vor seinem erschöpft wirkenden Vater herum.
Daneben will sich ein älterer Mann, der wohl auch schon
bessere Zeiten gesehen hat, auf dem Rondellrand niederlassen. Zuerst aber zückt er ein Papiertaschentuch – und
wischt sehr, sehr sorgfältig sein erwähltes Sitzplätzchen
ab, bevor er sich niederlässt. Dann zückt er aus dem Rucksack ein Dosenbier, öffnet es und dreht sich sorgfältig eine
Zigarette. – Das Kind schaut staunend zu.
II – Die menschliche Natur
Wenn man bei einem Tee Kiezgespräche hören will, ist die
kleine Bäckerei gegenüber dem Stadtteilladen der schönste Ort. Mit dem freundlichen türkischen Bäcker sind viele
per Du und vertraut. Ein alter Herr kommt auf einen Kaffee,
weiße Haare, weiße Augenbrauen, mit denen es offenbar
irgendwie ein Problem gibt, worüber er mit dem Bäcker öfter mal zu reden scheint. Der Bäcker spendet tröstende Ablenkung: Neulich habe er bei einem Fest am Kutschi eine
junge Frau gesehen, „an der war nichts echt!“ Aufgespritzte Lippen, abrasierte und nachtätowierte Augenbrauen
usw. „Da ist doch nichts mehr natürlich!“ Der alte Herr: „Ja,
was soll man denn damit anfangen?“ Bäcker: „Weiß nicht.
In die Vitrine stellen?“ Alter Herr: „Jaha, aber nur mit Decke
übern Kopf, wa!“ Und: „Is doch auch nicht normal, dass
sich Männer überall ihre Haare abruppen lassen. Ick hab
mich heute rasiert, und schon wieder sprießen die Bartstoppeln. So hats die Natur nun mal einjerichtet!“ Wieder
gut gelaunt, zieht er mit seinem Kaffee von dannen.
Erst im letzten Jahr hatte sich die »Food Assembly« auch in
der Wilhelmstadt etabliert. Hintergrund der internationalen
Aktion, die von lokalen Akteuren vor Ort vertreten wird, ist
der Gedanke, regionale Erzeuger mit den Konsumenten direkt
zusammenzubringen. Sprich: Man kann Lebensmittel (Obst,
Gemüse, Brot, Honig, Fleisch), die von Bauern aus der Region
erzeugt werden, per Internet bestellen und sie dann einmal
wöchentlich direkt an einem bestimmten Treffpunkt abholen.
Dabei trifft man nicht nur die Bauern selbst, die die Waren
persönlich vorbeibringen, sondern auch Nachbarn. So, wie es
früher auf dem Markt war. Nur, dass die Bauern wirklich eben
nur das liefern, was bestellt worden ist, und somit Abfälle
vermeiden.
Nun hat sich einiges verändert. Die »Food Assembly« heißt
jetzt – etwas verständlicher? – »Marktschwärmer«. Gast
geberin für Spandau ist nun nicht mehr Anna Haas, sondern
Mandy Sabas und Felix Bahlo. Auch Ort und Termin haben
gewechselt:
Für Spandauer Interessierte hat die »Marktschwärmerei« am
4. Mai neu eröffnet, und zwar im Familienzentrum Stresow,
Grunewaldstraße 7, 13597 Berlin, Abholungstermin ist dort
jeden Donnerstag 17–18.30 Uhr.
Informieren kann man sich auf der Website
www.marktschwaermer.de (dort bestellt man auch) oder
direkt bei den Gastgebern:
marktschwaermerspandau@gmail.com
us
Happy Birthday, Barfly!
Am 29. April luden die beiden Barfly- und Plan B-Gründerinnen
Connie und Lucie anlässlich des 25-jährigen Barfly-Bestehens
zu einer großen Party ein: Artgerecht mit einem »Flying
Buffet«, viel Musik und noch mehr gut gelaunten Gästen. Und
dazu gab es allen Grund. Es ist bewundernswert, was die
beiden Frauen in dieser Zeit gestemmt haben: Nicht nur zwei
gut besuchte und beliebte Locations, sondern seit Jahren auch
die (Mit)Organisation des Wilhelmstadtfestes und der Fête
de la Musique. Auf die nächsten 25 Jahre!
us
III – Unentdeckt
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Adressen
Prozesssteuerung und
Sanierungsbeauftragter
Koordinationsbüro für Stadtentwicklung
und Projektmanagement (KoSP)
Schwedter Straße 34A, 10435 Berlin
www.kosp-berlin.de
Andreas Wilke, Tel. 030 - 330028 - 36
wilke@kosp-berlin.de
Linda Tennert-Guhr, Tel. 030 - 330028 - 30
tennert-guhr@kosp-berlin.de
Geschäftsstraßenmanagement
Ulrike Stock / Torsten Wiemken,
Tel. 030 - 30 12 46 97 bzw. 0178 - 352 38 01
gsm@wilhelmstadt-bewegt.de
Öffnungszeiten Büro Adamstraße 39
(Stadtteilladen) Di und Mi 10–13 Uhr
die raumplaner / LOKATION:S
Kaiser-Friedrich-Straße 90, 10585 Berlin
www.die-raumplaner.de
Stadtteilvertretung Wilhelmstadt
Sprecher: Friedrich-Karl Berndt, Michael
Henkel, Elmas Wieczorek
Öffentliche Sitzung:
jeder 1. Mittwoch im Monat, 19 Uhr
Stadtteilladen Adamstraße 39
www.stv-wilhelmstadt.de
Bezirksstadtrat für Bauen, Planen
und Gesundheit
Frank Bewig
Bezirksamt Spandau von Berlin
Carl-Schurz-Straße 2/6, 13597 Berlin
Tel. 030 - 90 279 - 22 61
frank.bewig@ba-spandau.berlin.de
Stadtentwicklungsamt, Fachbereich
Stadtplanung
Carl-Schurz-Straße 2/6, 13597 Berlin
Sprechzeiten: dienstags und freitags 9–12
Uhr und nach telefonischer Vereinbarung
Amtsleiter:
Markus Schulte, Tel. 030 - 90 279 - 35 72
markus.schulte@ba-spandau.berlin.de
Gruppenleitung Sanierung/
Planungsrechtliche Beurteilung:
Doris Brandl, Tel. 030 - 90 279 - 31 64
doris.brandl@ba-spandau.berlin.de
Bearbeiterinnen und Bearbeiter für das
Förderprogramm »Aktive Zentren Berlin«
Kerstin Schröder, Tel. 030 - 90 279 - 35 73
kerstin.schroeder@ba-spandau.berlin.de
Jörg Rinke, Tel. 030 - 90 279 - 3568
joerg.rinke@ba-spandau.berlin.de
Sozialteam Wilhelmstadt
Bürgerberatungsangebote im
Stadtteilladen Adamstraße 39
Kontakt: Volkmar Tietz, Tel. 30 12 46 97, oder
Mob. 0176-24981761,
Montag, 10–12 Uhr: Ewa Betz berät zu Fragen
der Stressbewältigung
Montag, 16–18 Uhr
Schiedsmann Dietmar Zacher berät bei
Konflikten und Streitigkeiten und zu
Schwerbehindertenrecht
Mittwoch, 15–18 Uhr (nicht am 1. Mittwoch
im Monat!): Sozialsprechstunde
Donnerstag, 14.30–16.30 Uhr: Basteln
Handarbeiten für Jung und Alt mit
Heidemarie Koch
Donnerstag, 16–18 Uhr: Kiezsprechstunde
mit Volkmar Tietz
2. Donnerstag im Monat, 17–20 Uhr:
RepairCafé: Hilfe zur Selbsthilfe, Reparatur
von Elektro- und Haushaltsgeräten unter
Anleitung
Freitags 10–12 Uhr: Hartz IV & mehr:
Wolfgang Schumann berät zu Hartz IV,
Jobcenter, Existenzgründung
Katharina Lange, Tel. 030 - 90 279 - 2280
katharina.lange@ba-spandau.berlin.de
TA N JA SCHN I T Z LER
Kaum zu glauben, dass man schon seit Jahren durch den
Kiez zieht und erst jetzt dieses Kleinod entdeckt, in einem
Hinterhof, neben einer sanierten Remise. Ein fröhliches
Meer von Frühlingsblumen in Rot, Gelb, Orange, Violett.
Eine (fast verblühte) Magnolie, Obstbäume, leuchtend grüner Rasen mit Gänseblümchen und Löwenzahn, ein kleiner Sandkasten mit kunterbuntem Buddelzeug, gemütliche Sitzecken im Freien, liebevolles Dekor. Gleich daneben
repariert ein Mann gerade Autos. Er ist sichtlich stolz auf
seinen Garten und lädt uns freundlich ein, direkt über den
gepflegten Rasen zu latschen und zu fotografieren. – Das
sind so die kleinen Wunder der Wilhelmstadt.
us
TA N JA SCHN I T Z LER
Die »Food Assembly« heißt jetzt
»Marktschwärmer«
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Ein Eiland und ein Opferstein
Wundersames im Mai auf Pichelswerder
Führung zum Opferstein, ca. 1930
Wunder, so ein alter Schlager, gibt es immer wieder. Aber manchem Wunder muss man tüchtig
nachhelfen, wenn es einem zum Glück dienen soll.
Das hat sich wahrscheinlich – gut siebzig Jahre nach dem Pfingstwunder von 1807 – auch
der Chef des nach ihm benannten Gartenlokals Rackwitz auf Pichelswerder gedacht,
als er einen Findling als »Wendischen Opferstein« auf einen Mauersockel stellen ließ,
um so im Dienste seiner Umsätze das Ausflugsgeschäft auf Pichelswerder anzuregen.
Aber der Reihe nach: Ein heftiges Gewitter
peitschte am Pfingstsonntag 1807 um die
Mittagszeit herum kräftige Hagelkörner über
Pichelsdorf, und die Luft erzitterte unter
den Donnerschlägen. Kurze Zeit darauf entdeckten die letzten Flößer des gerade in
Auflösung befindlichen Königlich Preußischen
Holzhandels auf Pichelswerder eine kleine
Schlamminsel mitten im Flusslauf zwischen Pichelsdorf und Pichelswerder. (siehe
auch »Viel Holz vor den Hütten«, Wilma 3/2015)
Das Pfingstwunder vom (damals noch als
»Havelsack« bezeichneten) Pichelsee ging
schnell als einzigartiges Naturereignis von
Mund zu Mund und brachte viele Neugierige auf die Insel zwischen Stößensee und
Havel.
Viele Berliner nahmen die Tagesreise per
Kutsche via Spandau nach Pichelsdorf oder
mit langem Fußmarsch ab Charlottenburg
durch den Grunewald zum Stößensee auf
sich, um das rund 40 Meter lange und neun
Meter breite, von Wind und Wetter hochgespülte Eiland zu bestaunen.
Selbst Wissenschaftler widmeten sich der
wundersamen Geburt einer Havelinsel, wie
man der als »Spener’sche Zeitung« bekannten Berlinischen Nachrichten von Staats- und Gelehrten Sachen vom 23. Mai 1807 entnehmen
kann. So zog der bekannte Naturforscher
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und Geologe Karl Ernst August von Hoff
nach gründlicher Untersuchung den Schluss,
dass Erschütterungen oder ein starker Wellengang die untersten Schichten des an dieser Stelle niedrigen Flussbettes herausgelöst hätten – erkennbar an Resten faulende
Wasserpflanzen, Muscheln und Schnecken
im sumpfigen Grund.
Aber egal, die Leute wollten ein Wunder und
bekamen es, zur Freude der Fischer und Flößer. Deren Kähne waren von nun an zum
Übersetzen der Gäste nach Pichelswerder
sehr gefragt und sorgten so für einen guten
Zusatzverdienst. Schon im darauf folgenden
Jahr 1808 wurde ein regelmäßiger Floßverkehr von Schildhorn wie auch von Pichelsdorf auf den Werder eingeführt. Darüber
hinaus erhielten die Flößer, die auf Pichelswerder in ihren Hütten lebten, das verbriefte Recht Gäste zu bewirten – vorerst nur mit
Kaffee und Milch. Was aber kaum einen daran hinderte, für das Picknick vor den Hütten
auch Gebrautes, Gekochtes oder Gebackenes
gegen harte Münzen anzubieten.
Einer aber hatte, wie der Berliner MundartDichter Bornemann seinerzeit es formulierte, von nun an besonders gut Lachen, mit
seinem eigenen Ausschank und als Lieferant für die Flößer. Der »Kröger vom Pichelsdorfer Dorfkrug«:
»Doch eines hat die Insel mitgebracht,
der Pichelsdorfer Kröger lacht,
recht koboldmäßig in die Faust
(…)
Vier Groschen gilt die Pulle Bier!
Und doch wenn ihm die Havel wär
zur Hand nicht gewesen mit goldenem Rat
Verdurstet wär alles ohne Gnad«
Der Anfang war gemacht. Im Laufe der Zeit
entwickelten sich aus den Flößerbehausungen bis in die 1850er Jahre große Ausflugs-
lokale wie »Königgrätz«, dessen Wirt dann
die Sechserbrücke aufbaute, »Freund« oder
»Rackwitz« und weitere.
Mag sein, dass sich jener Herr Rackwitz Ende
der 1870er Jahre, angesichts der vielfachen
Konkurrenz an Gartenlokalen und Cafés
zwischen Pichelsberg und Pichelsdorf, an
das Pfingstwunder von 1807 erinnerte und
mit einer neuen Sehenswürdigkeit aus alten
Zeiten mehr Gäste in sein Etablissement
locken wollte.
Zwei seiner Stammgäste, der Landschaftsmaler Beisser und dessen Freund, der Res
taurateur Ratthei, hatten wohl 1879 in einer
Senke, auf der Südhälfte der Insel, unweit
hinter Rackwitzens Lokal einen Findling ausgegraben.
Dieser eiszeitliche, gut 80 cm hohe und zwei
Zentner schwere Quarzitblock stammte – so
die Legende – aus frühen wendischen Ansiedlungen und konnte angeblich die für
Opfersteine typischen Aushöhlungen und
Ablaufrinnen für das Opferblut aufweisen.
Unter dem Stein seien auch menschliche
Aschen- und Knochenreste gefunden worden.
Am Himmelfahrtstag im Mai 1880, so die
Norddeutsche Allgemeine Zeitung, ließ
Rackwitz »unter zahlreicher Betheiligung hiesiger Gelehrten und Alterthumsforscher« den
Stein »mit Hebebäumen aus seinem Lager... auf
einen in gerader Richtung von seinem Fundort
am Fusse des Berges an einem stark frequentirten Wege errichteten zementirten Sockel« aufstellen. Die Veranstaltung endete nach der
kräftigen Weiherede des Herrn Beisser zeitgemäß mit einem Hoch auf Kaiser Wilhelm.
Noch am gleichen Tag, dem 6. Mai 1880, gab
Ernst Friedel, Stadtrat und Präsident des
Märkischen Museums zu Berlin, eine viel
nüchternere Interpretation des »an manchen
Stellen weichen Sandstein«, dessen wurmartigen Aushöhlungen und Kanäle »nicht von
Menschenhand ... sondern eher von Erosions
erscheinungen oder von bohrenden Thieren«
stammten.
Nur an den Mündungen der Höhlen hatte
sich laut Friedel ein Mensch gewaltsam zu
schaffen gemacht. Von Urnen- oder Knochenresten hatte er vor Ort jedoch nichts entdecken können. Dem Erfolg als touristische Attraktion tat dies aber zumindest bis in die
1930er Jahre keinen Schaden.
Irgendwann, wohl in den 1960er Jahren, verschwand der Stein aber spurlos.
Auch von der Pfingstinsel ist heute nichts
mehr zu sehen. Sie bekam ein halbes Jahrhundert später nur wenige Meter nördlich
eine größere Sandinsel namens »Flachenberg« dazu, die beide in den 1890er Jahren
als Buhnenköpfe in die Uferbefestigung der
Havel einbezogen wurden.
Thomas Streicher