MIETERECHO
Zeitung der Berliner MieterGemeinschaft e.V.
www.bmgev.de Nr. 423 April 2022
Wachsende Metropolregion
Herausforderung für Infrastruktur
und soziale Wohnraumversorgung
IMPRESSUM
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Redaktionsschluss: 23.03.2022
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B ERLINER M IETERG EMEINSCHAFT E. V.
PROBLEME MIT DEM VERMIETER?
INHALT
Liebe Leserinnen und Leser,
TITEL
das Forschungsinstitut empirica hat im Auftrag des Zentralen
Immobilien Ausschusses (ZIA) eine Prognose über den zusätzlichen Wohnungsbedarf durch die aus der Ukraine
Geflüchteten erstellt. Die bereits ohne die Geflüchteten starke
Nachfrage würde sich dieser Hochrechnung zufolge um
120.000 bis 500.000 Wohnungen erhöhen. Woher die Wohnungen kommen sollen und vor allem wie sie bezahlt werden
können, erklärt empirica nicht. Die Immobilien Zeitung stellt
fest, dass sich beispielsweise in München die Hälfte aller
Wohnungssuchenden auf 1.500 Euro monatliche Mietkosten
eingerichtet habe, aber zu diesem Preis nur 21% der Wohnungen angeboten würden. In Berlin stehen sich bei einem
Mietpreis von 955 Euro 50% der Nachfrage und 23% des
Angebots gegenüber, jeweils bei einer Größe von 80 bis 120
qm. Wohnungen – und vor allem leistbare – sind Mangelware.
Daran wird sich zukünftig auch nichts ändern. Zwar haben die
bundesweiten Fertigstellungen 2020 mit 306.000 Wohnungen
erstmals seit 20 Jahren die Schwelle von 300.000 Wohnungen
wieder überschritten und für 2021 rechnen die Expert/innen
mit einer Bauleistung von 315.000 Wohnungen, aber die von
Bundesbauministerin Klara Geywitz und Bundeswirtschaftsund -klimaschutzminister Robert Habeck in Aussicht gestellten 400.000 Wohnungen dürften in dieser Legislaturperiode
keinesfalls erreichbar sein, so Harald Simons, Vorstandsmitglied bei empirica.
Der vor wenigen Tagen erschienene IBB-Wohnungsmarktbericht zeichnet für Berlin ein nicht weniger düsteres Bild.
Wurden 2020 noch ca. 19.000 Wohnungen gebaut, so ist die
Zahl 2021 auf 16.300 geschrumpft. Die durchschnittlichen
Angebotsmieten betrugen 10,55 Euro/qm und sind damit gegenüber dem Vorjahr um mehr als 4% gestiegen.
Der Druck auf den Wohnungsmarkt steigt bundesweit und besonders in Berlin; die politischen Maßnahmen hingegen sind
kümmerlich. Während die Bundesregierung keine Schwierigkeiten hat, 100 Milliarden Euro für Waffenbeschaffungen zur
Verfügung zu stellen, wovon 70 Milliarden in die USA fließen, beträgt das Budget des Bundes für den sozialen Wohnungsbau gerade einmal 2 Milliarden Euro im Jahr. Maßnahmen, die den Druck auf den Wohnungsmarkt mindern
könnten, wie ein bundesweiter Mietendeckel, werden von der
Ampelkoalition nicht erwogen. Dagegen soll demnächst das
hauptsächlich von der Immobilienlobby besetzte „Bündnis für
bezahlbares Wohnen und Bauen“ reaktiviert werden.
Es ist wahrscheinlich die Wirkungslosigkeit dieser Einrichtung, die den Berliner Senat veranlasst hat, ein ähnlich klingendes „Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“ zu initiieren. Wäre dem Senat wirklich daran gelegen,
die Wohnungsversorgung sozial zu gestalten, böte sich durch
die entschlossene Umsetzung des Volksentscheids für die Enteignung großer Wohnungsunternehmen die entsprechende
Möglichkeit.
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Für wen zu welchem Preis?
Interview mit Katrin Lompscher
Andreas Hüttner
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Perspektiven Siedlungsstern – radikal radial
Eine Buchveröffentlichung der Hermann-Henselmann-Stiftung
Katrin Lompscher
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Kein einheitliches Bild
Brandenburger Landkreise zwischen Schrumpfung und Zuzug
Philipp Möller
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Holpriger Weg zur Mobilitätswende
Das Planungsprojekt „i2030“ für den Schienenverkehr
Rainer Balcerowiak
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Gemeinwohl statt freier Markt
Für eine radikale Mietenpolitik im Metropolraum
Isabelle Vandre
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Siedlungsdruck oder Siedlungsschmerz in Wandlitz?
Wachstum stellt die Gemeinde vor zahlreiche Infrastrukturprobleme
Kerstin Berbig
BERLIN
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Mietendeckel, aber richtig!
Es bedarf einer bundesweiten Regelung
Andrej Holm
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Nachbarschaft ist das Gegenteil von Kontrolle
Polizei und Wohnen am Kottbusser Tor
Matthias Coers
Mettmannkiez bleibt!
Bayer will Wohnhäuser in offiziellem Gewerbegebiet abreißen
Susanne Torka
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Eigentümer/in bleibt anonym
Rigaer94 verhindert ihre Räumung durch eine Briefkastenfirma
Sabrina Ingerl
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Vom RAW zum Mercedes-Benz-Platz
Bebauungspläne verschärfen den Aufwertungsdruck im Kiez
Peter Nowak
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Nur punktuelle Verbesserungen
Die Stadt hat das Ziel von null Verkehrstoten nicht im Blick
Ragnhild Sørensen
MIETRECHT
AKTUELL
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Mieter/innen fragen – wir antworten
Datenschutz im Mietverhältnis
Rechtsanwalt Hagen Richter
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RECHT UND RECHTSPRECHUNG
SERVICE
RECHTSBERATUNG
MieterEcho 423 April 2022
IHR MIETERECHO
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TITEL
Für wen zu welchem Preis?
Das Berliner Umland braucht dauerhaft bezahlbare Wohnungen,
Bodenpreisdämpfung und Mobilitätsalternativen
MieterEcho: Frau Lompscher, Sie beschäftigen sich schon
lange mit dem Thema Wohnungspolitik. Hofft der Senat
das Berliner Wohnungsproblem im Umland lösen zu
können?
Katrin Lompscher: Für den aktuellen Berliner Senat kann
ich nicht mehr sprechen, aber für meine Zeit ist ganz klar zu
sagen, diese Hoffnung gab es nie. Berlin und Brandenburg
sind selbstständige staatliche Einheiten und für die räumliche
Entwicklung gilt sowieso das Prinzip der kommunalen Selbstbestimmung. Berlin muss seine Probleme in Berlin lösen,
Brandenburg in Brandenburg. Allerdings ist Berlin keine Insel
und Brandenburg hat kein Loch in der Mitte. Also ist es ganz
klar, dass man jeweils über den eigenen Tellerrand schauen
muss. Beide müssen die Themen, die beide Seiten berühren,
in enger Abstimmung und Kooperation bearbeiten.
Welche Entwicklungspotenziale für Wohnungsbau sind
denn in Berlin und Brandenburg vorhanden?
Für Berlin ist in meiner Amtszeit der Stadtentwicklungsplan
Wohnen erneuert worden. Dort sind stadtweit Wohnungsbaupotenziale von über 200.000 Wohnungen festgestellt worden.
Diese können unter vernünftigen stadtverträglichen Bedingungen gebaut werden. Ich würde sogar sagen, dass es darüber
hinausgehende Potenziale gibt. Wenn man sich in Gebieten mit
einer geringen baulichen Dichte nach und nach für eine städtische Bauweise entscheidet.
Das kommunale Nachbarschaftsforum, ein Zusammenschluss
von Brandenburger Gemeinden und Landkreisen und Berliner
Bezirken, hat für das Berliner Umland ein Wohnungsbaupotenzial von über 80.000 Wohnungen ausgemacht, das kurz-,
mittel- und langfristig entwickelbar ist.
Meine These ist, dass es weder in Berlin noch in Brandenburg
ein Flächenproblem gibt. Das Problem besteht auf einer anderen Ebene: Wem gehören die Flächen, wer baut dort, für wen
wird dort gebaut, zu welchen Preisen wird dort gebaut?
In Berlin, aber auch in Brandenburg, werden vor allem dauerhaft bezahlbare Mietwohnungen benötigt. Hat
die Politik Instrumente, diese zu schaffen?
Eine dauerhafte Bezahlbarkeit sichert man ausschließlich
durch gemeinwohlorientierte Wohnungsmarktakteure. Eine
Wohnungsbauförderung ist nur eine befristete Mietbegrenzung, auch wenn die Frist sehr lang sein kann. Wenn man
dauerhaft preiswerten Mietwohnungsbestand anstrebt, müssen öffentliche, kommunale, genossenschaftliche Wohnungsbauakteure gestärkt werden. Denen kann man mit Bauland,
Wohnungsbauförderung usw. unter die Arme greifen, damit sie
bauen und Bestände bezahlbar halten können.
4
Wenn man private Bauherren in die soziale Wohnraumversorgung einbeziehen möchte, dann kann man das natürlich
tun, indem man bei der Schaffung von Baurecht und bei der
Mobilisierung von Bauland entsprechende soziale Vorgaben
macht. Bei der Aufstellung von Bebauungsplänen besteht die
Möglichkeit, eine Quote für sozial geförderten Wohnungsbau
aufzunehmen. Wenn man öffentliche Flächen zur Verfügung
stellt, ob in Erbpacht oder zum Verkauf, kann man in den entsprechenden Grundstücksverträgen soziale Vorgaben sichern.
Dies ist über einen viel längeren Zeitraum als mit Wohnungsbaufördermitteln möglich.
Es gibt also Steuerungsinstrumente der öffentlichen Hand,
aber sie erfordern politische Beschlüsse, finanzielle Ressourcen
und eine rechtssichere Planung.
Eine direktere Steuerung wäre durch öffentliche Wohnungsbaugesellschaften möglich. Sind die Berliner landeseigenen Wohnungsbauunternehmen (LWU) in Brandenburg aktiv?
Einige Berliner LWU haben schon in Brandenburg gebaut oder
planen dies. Einige lehnen dies ab, weil sie ihren Schwerpunkt
ausschließlich auf Berlin legen. Berliner LWU sollen sich in
Brandenburg engagieren können, wenn die jeweilige Kommune das auch will und sie sozial geförderten Wohnraum errichten. Ihre Aktivitäten in Brandenburg sollten ihre Aufgaben
in Berlin nicht beeinträchtigen. Die Berliner LWU spielen in
Brandenburg aber eine untergeordnete Rolle.
Foto: Paul Lovis Wagner
Interview mit Katrin Lompscher
Katrin Lompscher war von 2016 bis 2020 Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen in Berlin. Bereits seit 1996 war sie in
verschiedenen stadtpolitischen Tätigkeiten und Funktionen aktiv.
Als Mitarbeiterin der Bauakademie, später des Instituts für Regionalentwicklung und Strukturplanung mit Sitz in Erkner, befasste sie sich
schon Anfang der 1990er Jahre mit der gemeinsamen Landesplanung
von Berlin und Brandenburg.
MieterEcho 423 April 2022
Foto: Matthias Coers
TITEL
Wandlitz
Brandenburg a. d. Havel
Potsdam
Bernau
Berlin
Beelitz
Frankfurt-Oder
Schönefeld
Königs Wusterhausen
Zossen
Cottbus
Katrin Lompscher: „Bodenspekulation politisch zu bekämpfen ist aus meiner
Sicht eine Jahrhundertaufgabe, der man sich endlich annehmen muss.“
Die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg umfasst Berlin (rot), das Berliner
Umland (gelb) und das weitere Land Brandenburg (grün). Grafik: nmp
Und wie steht es mit öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften aus Brandenburg?
Zum Glück gibt es noch einige kommunale Wohnungsbaugesellschaften in Brandenburg. An der einen oder anderen Stelle,
wo es sie nicht oder nicht mehr gibt, wird auch darüber nachgedacht neue öffentliche Gesellschaften zu gründen. Soweit ich
weiß, wird auch in der Brandenburger Politik darüber diskutiert, ob eine Landesgesellschaft unterstützend für Kommunen
sein könnte, die für die Gründung eigener Gesellschaften kein
Geld haben.
Ein Problem für bezahlbaren Wohnungsbau sind die Baulandpreise, die auch im Berliner Umland stark gestiegen
sind. Gibt es Möglichkeiten staatlicher Regulierung?
Das Thema Bodenpreisdämpfung weist weit über Berlin und
Brandenburg und übrigens auch weit über das Thema Bauen
hinaus, weil es genauso landwirtschaftliche Flächen und Flächen mit Bodenschätzen betrifft. Bodenspekulation politisch
zu bekämpfen ist aus meiner Sicht eine Jahrhundertaufgabe,
der man sich endlich annehmen muss. Bodenspekulation beeinträchtigt nicht nur den Wohnungsbau, sondern auch die
Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur und die Nahrungsmittelversorgung.
Es muss politisch geregelt werden, dass Boden, wenn er in privater Hand ist, bei der Nutzung dennoch dem Allgemeinwohlinteresse dient. Er ist ein nicht vermehrbares Gut und die planungsrechtlichen Möglichkeiten, Bodenpreise zu begrenzen,
sind enorm reduziert. Man kann über städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen Bodenpreise einfrieren, aber da würden wir
die überhöhten Bodenpreise einfrieren, d.h. das ist kein Senkungsmechanismus. Zudem ist der administrative Aufwand
so hoch, dass viele Kommunen ihn scheuen. Aber es ist zum
jetzigen Zeitpunkt das Einzige, was man machen kann.
Deshalb ist es wichtig, dass man im Baugesetzbuch die Mög-
lichkeiten des kommunalen Vorkaufsrechts schärft, um nicht
zum Marktpreis zu erwerben. Man muss Möglichkeiten der Bodenbewertung schaffen, die auf die künftige Nutzung aus sind,
sodass man den Bodenpreis tatsächlich dämpfen kann. Das ist
Zukunftsmusik, aber wir werden nicht darum herum kommen.
Wer erstellt die gemeinsame Landesplanung und was
kann dabei festgelegt werden? In welchen Zeiträumen
wird geplant?
Die „Gemeinsame Landesplanungsabteilung“ für Berlin und
Brandenburg gibt es seit 1996. Dass es sie erst seit 1996 gibt, ist
ein Zeichen dafür, wie schwierig es war, sich über die Aufgaben
und Befugnisse dieser Behörde zu einigen. Man hat sich letztlich darauf verständigt, dass sie gemeinsame Ziele der Landesentwicklung im sogenannten Landesentwicklungsprogramm
festlegt. In Landesentwicklungsplänen wird die Hierarchie der
zentralen Orte in Brandenburg, ihr Verhältnis zu Berlin und die
Infrastruktur bestimmt. Mit der Festlegung von Siedlungsfläche
und Freiraum wird ein wichtiges Instrument für eine ökologische
Raumentwicklung geschaffen. Das findet im groben Maßstab
statt und nicht als grundstücksscharfe Festlegung.
Daneben gibt es einige Spezialpläne wie den Flughafenstandort
oder die Braunkohlesanierungspläne. Regionale Akteure, wie
der Zusammenschluss der Regionalparks, also der Freiräume,
die sich zwischen den Siedlungsachsen aus Berlin ins Umland
entwickeln, werden bei der Landschafts-, Tourismus- und Infrastrukturentwicklung unterstützt. Für einige Siedlungsachsen
gibt es kommunale Entwicklungskonzepte. Mit diesen werden
Gemeinden unterstützt, mit gemeindeübergreifenden räumlichen Plänen die Landesplanung zu konkretisieren.
Wie ist die Planung bzw. Zusammenarbeit auf kommunaler
Ebene?
Da gibt es verschiedene Ansätze. Voraussetzung ist immer, dass
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TITEL
Quelle: Anlage zur Verordnung über den Landesentwicklungsplan Hauptstadtregion
Berlin-Brandenburg (LEP HR) vom 29.4. 2019
onen, die sich im Ausstrahlungsraum Berlins befinden
und in die sogenannten peripheren Räume. Das Auseinanderdriften von Berliner Umland und berlinferneren
Regionen mit strukturpolitischen Mitteln zu verhindern,
ist für Brandenburg ein ganz zentrales Thema.
Die Bebauung im Umland soll in Gemeinden entlang der bestehenden Bahntrassen, dem sogenannten Siedlungsstern, erfolgen.
es einerseits ein großes raumwirksames Vorhaben gibt, welches
Koordinierungs- und Planungsbemühungen notwendig macht
und der gemeinsame Wille der kommunalen Akteure.
Eines der jüngsten Beispiele ist die Ansiedlung der Tesla-Fabrik
in Grünheide. Dafür hat die Landesplanungsabteilung initiiert,
dass sich die Umlandgemeinden, Landkreise und die benachbarten Berliner Bezirke und die Länder Berlin und Brandenburg
auf ein gemeinsames räumliches Entwicklungskonzept verständigen. Ähnliches gibt es um das Flughafenumfeld Schönefeld und für einige der Siedlungsachsen, zum Beispiel im Norden Richtung Wandlitz.
Die Bebauung im Umland soll in Gemeinden entlang der
bestehenden Bahntrassen, dem sogenannten Siedlungsstern, erfolgen. Ist das nicht genau das, was viele Brandenburger/innen befürchten, die Fixierung auf Berlin als
Zentrum?
Der Siedlungsstern ist nicht nur Leitbild, sondern schlicht und
ergreifend ein Fakt, er ist historisch gewachsen. Und natürlich
hat Berlin da eine Zentralität, die nicht zu negieren ist. Aber es
hat sich herausgestellt, dass es entlang dieser Siedlungsachsen
weitere Knoten gibt, die dafür sorgen, dass auch die jeweiligen
ländlichen Regionen partizipieren. Ich würde sagen, es gibt gar
keine Alternative zu einem solchen räumlichen Entwicklungsleitbild, weil die schienengebundenen Verkehrsachsen die
Nachhaltigkeit unterstützen. Das heißt aber nicht, dass diese
Achsen, die auf Berlin zulaufen, lediglich die Funktion haben,
das Zentrum dieses Siedlungsraumes mit allem Notwendigen
zu versorgen.
Welche gemeinsamen und unterschiedlichen Interessen
haben Berlin und Brandenburg?
Aus meiner Erfahrung würde ich immer sagen, Berlin hat eine
sehr starke Neigung, überhaupt nur auf sich selbst zu schauen.
Das ändert sich, sobald man sich in Randlagen Berlins bewegt,
weil dort kommunale Nachbarschaftsfragen aller Art diskutiert
werden müssen.
Aus Brandenburger Perspektive besteht vor allem die
große Sorge, dass das Land aufgeteilt wird in die Regi6
Zwischen Berlin und Brandenburg gibt es ein enormes Gehaltsgefälle und nicht wenige Brandenburger/
innen fürchten die Konkurrenz zuziehender zahlungskräftiger Berliner/innen. Sind einkommensschwache
Brandenburger/innen die Verlierer/innen?
Ich würde nicht so sehr zwischen Brandenburger/innen und
Berliner/innen differenzieren. Denn die Konkurrenz zwischen
Leuten mit viel und wenig Geld gibt es gleichermaßen in Berlin. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Die Konkurrenz zwischen einkommensstarken und einkommensschwachen Wohnungsbewerber/innen, die wir in Berlin schon seit
langer Zeit kennen, wird in Brandenburg stärker werden. Statt
die Konkurrenz zwischen Berliner/innen und Brandenburger/
innen in den Vordergrund zu stellen, wäre ich dafür, zu der
Ursprungsfrage zurückzukehren, wie man dauerhaft bezahlbaren Mietwohnraum, in Brandenburg meinetwegen auch das
Häuschen, für alle Einkommensgruppen vernünftig organisiert
bekommt.
Schon jetzt pendeln täglich über 200.000 Menschen
nach Berlin und fast 100.000 nach Brandenburg. Wie
soll die Verkehrsinfrastruktur einen weiteren Zuwachs
verkraften?
In Berlin gibt es ein relativ gut funktionierendes Regional- und
S-Bahnnetz, das auch in Brandenburg eine relativ hohe Abdeckung hat. Die Angebote müssen aber ausgebaut werden. Zum
Teil heißt das nicht nur Takte erhöhen, sondern auch Infrastruktur ausbauen. Auf eingleisigen Strecken kann man eben
nicht mehr Züge fahren lassen.
Seit zwei Jahren gibt es die Initiative „i2030“ von Berlin, Brandenburg und Bund, die die Schieneninfrastruktur in Berlin und
Brandenburg ausbauen soll. Der Umfang ist deutlich größer als
in den Jahren zuvor, aber dennoch zu wenig.
Auch der Umstieg vom privaten PKW auf die Züge des Nahverkehrs muss attraktiver werden. Dabei müssen wir über Tarife reden, weil auf vielen Strecken die Fahrt mit dem PKW
nicht nur schneller, sondern auch billiger ist.
Wie müsste das Berliner Umland entwickelt werden,
sodass möglichst breite Teile der Bevölkerung einen
Vorteil davon hätten?
Wir haben ja vorhin schon festgehalten, dass es notwendig
ist, Wohnungsmarktakteure zu unterstützen, die langfristig
bezahlbaren Bestand halten, wie städtische Gesellschaften,
Genossenschaften und Mieterinitiativen. Dazu benötigen wir
gerade im Berliner Umland eine Bodenpreisbremse und auch
eine Baulandbremse, also den Ausgleich von bebauten und
freizuhaltenden Flächen. Im Berliner Umland braucht es eine
ökologische Stabilität und hierfür Mobilitätsalternativen zum
privaten PKW. Ob Stadt, Umland oder Land: Alle sollen gut
von A nach B kommen, und alles, was fürs Leben notwendig
ist, in einer Umgebung haben, die sie entweder zu Fuß oder mit
dem Fahrrad erreichen können.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Andreas Hüttner.
MieterEcho 423 April 2022
TITEL
Perspektiven
Siedlungsstern – radikal radial
Eine Buchveröffentlichung der Hermann-Henselmann-Stiftung
innerhalb des Projekts „100 Jahre Groß-Berlin“
Von Katrin Lompscher
Vor über hundert Jahren, mitten in der Krise nach dem
Ersten Weltkrieg, wurde am 1. Oktober 1920 die Einheitsgemeinde (Groß-)Berlin geschaffen. Sie sollte die bisherige
kommunale Zersplitterung und Konkurrenz überwinden,
die in den Zeiten der Industrialisierung und des rasanten
Bevölkerungs- und Siedlungswachstums eine halbwegs
planvolle Raum- und Verkehrsentwicklung nahezu unmöglich gemacht hatte.
Die Stadtfläche wuchs dabei um das Dreizehnfache, die Bevölkerungszahl verdoppelte sich von 1,9 auf knapp 3,9 Millionen;
Berlin wurde zur drittgrößten Stadt der Welt. Unser Bild der
Metropole ist seither ausschließlich jenes von Groß-Berlin.
Die Schaffung der Einheitsgemeinde Berlin im Oktober 1920
war mehr als eine große Verwaltungsreform. Es handelte sich
um ein vielfältiges gesellschaftliches Modernisierungsprojekt
mit enormer Ausstrahlungskraft bis heute. Ohne diese radikale
Reform wäre dem ungebremsten und ungesteuerten Wachstum
der deutschen Hauptstadt und europäischen Industriemetropole nicht angemessen zu begegnen gewesen. Es sind vor allem
die öffentlich initiierten und finanzierten Weiterentwicklungen
im Wohnungsbau (Bodenbevorratung, gemeinnützige Wohnungs- und Bauunternehmen), bei der Grünflächenentwicklung (Volksparks, Dauerwaldvertrag) und im Verkehrswesen
(Gründung der BVG), die Berlin zu einer bis heute zukunftsfähigen und lebenswerten Metropole machen. Daraus können
und müssen wir für die Zukunft lernen.
Berlin und sein Umland präsentieren sich heute geographisch
als Siedlungsstern. Schienentrassen und Ausfallstraßen bildeten seit Ende des 19. Jahrhunderts eine einprägsame wachsende Siedlungsform. Diese Radialstruktur wurde durch Ringe
ergänzt: die Ringbahn, den inneren Autobahn(teil)ring, den
(bislang wenig beachteten) äußeren Eisenbahnring und den
äußeren Autobahnring. Dieses besondere Ring-Radial-Gerüst
spiegelt beides wider: die Tradition des schienengebundenen
öffentlichen Verkehrs wie die – kürzere – Tradition der autogerechten Stadtregion.
Der Siedlungsstern ist aber nicht nur ein lineares Gerüst. Er vernetzt eine Vielzahl von mittleren, kleinen und kleinsten Zentren,
die mit ihren historisch-kulturellen Besonderheiten der Metropole ein unverwechselbares Gesicht verleihen und beste Voraussetzungen für eine nachhaltige Raumentwicklung bieten.
Der Siedlungsstern ist nicht nur eine Realität, sondern auch
ein Leitbild für die wachsende Metropole, etwa im Landesentwicklungsplan für die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg.
MieterEcho 423 April 2022
Doch soll, kann oder muss dieser Stern überhaupt weiterentwickelt werden? Das Buch präsentiert – unterschiedliche – Antworten auf diese Fragen. Nicht zuletzt Studien von drei Planungsbüros, die auf Bitte der Hermann-Henselmann-Stiftung
Konzepte zu einzelnen Teilgebieten erstellt haben.
Mit Beiträgen von Harald Bodenschatz, Klaus Brake, Thomas
Flierl, Andreas Igel, Antje Hendriks, Theresa Kalmer, Nils Kaltenpoth, Christa Kamleithner, Christina Kautz, Harald Kegler,
Ludwig Krause, Friedemann Kunst, Christina Lindemann, Katrin Lompscher, Peter Meyer, Jürgen Neumüller, Bodo Oehme,
Cordelia Polinna, Matthias von Popowski, Beate Profé, Andreas Sommerer und Markus Tubbesing.
Das Buch „Perspektiven Siedlungsstern“ schließt die fünfbändige und über fünf Jahre erschienene Publikationsreihe der
Hermann-Henselmann-Stiftung zu „100 Jahre Groß-Berlin“
ab. Die zuvor erschienenen Bücher widmeten sich den Themen
Wohnungsfrage, Verkehrsfrage, Grünfrage und Planungskulh
tur.
100 Jahre Groß-Berlin / Band 5: Siedlungsstern
Perspektiven radikal radial
Harald Bodenschatz (Hg.), Katrin Lompscher (Hg.)
232 Seiten, 170 x 240 mm, durchgängig vierfarbig. Klappenbroschur, zahlreiche
teils farbige Abbildungen
Edition Gegenstand und Raum, April 2022
www.hermann-henselmann-stiftung.de
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TITEL
Kein einheitliches Bild
Brandenburger Landkreise zwischen Schrumpfung und Zuzug
Von Philipp Möller
Die Brandenburger Wohnungsmärkte sind von starken regionalen Disparitäten geprägt, die von hohen Leerständen bis
zu angespannten Wohnungsmärkten reichen. Die soziale
Wohnungspolitik wird diesen Unterschieden kaum gerecht.
Um die Brandenburger Wohnungspolitik zu verstehen, braucht
es einen Blick auf die wohnungspolitischen Geschehnisse in
Ostdeutschland nach dem Ende der DDR. Ausgehend von Defiziten bei der Wohnraumversorgung und einem unzureichend
instandgehaltenem Altbaubestand startete die Bundesregierung
Anfang der 1990er Jahre ein riesiges Bau- und Sanierungsprogramm für das Gebiet der ehemaligen DDR in Form von
satten steuerlichen Sonderabschreibungen, Wohnungsbau- und
Sanierungsförderprogrammen sowie der Eigenheimzulage. In
der Folge kam es zwischen 1992 bis 1997 zu einem massiven
Bauboom. Siedlungen mit Einzelhäusern ergossen sich in der
weiten Fläche und eine Vielzahl von Geschosswohnungsbauten wurde errichtet. Die tatsächlichen wohnungspolitischen
Bedarfe spielten dabei kaum eine Rolle, da die Sonderabschreibungen von bis zu 50% enorme Steuerersparnisse und
damit blühende Landschaften für die zumeist westdeutschen
Kapitalanleger/innen versprachen. Insgesamt entstanden innerhalb der fünfjährigen Periode rund 520.000 neue Wohneinheiten in Ostdeutschland. Aufgrund der seit 1995 wachsenden
Leerstände und sinkenden Immobilienpreise und Mieten kam
es 1997 zu einem Zusammenbruch der Märkte. Der Geschosswohnungsbau stabilisierte sich erst 2001 wieder auf einem
niedrigen Niveau. Der Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern
setzte sich dagegen bis heute recht konstant fort.
Staatlich geförderter Abriss
Die Leerstandsquote in Ostdeutschland erreichte 2002 mit
14,4% ihren Höhepunkt. Allein in Brandenburg standen 2004
Schätzungen des Landes zufolge rund 165.000 Wohnungen
leer. Um das Geschäft mit der Ware Wohnraum lukrativ zu halten und die Wohnungsmärkte zu „konsolidieren“, setzte zum
gleichen Zeitpunkt eine Abrisswelle ein. Eine von der Bundesregierung beauftragte Expertenkommission empfahl im Jahr
2000 den Abriss von mindestens 350.000 Wohnungen im gesamten Osten. Ab 2002 wurde dieser mit dem vom Bund aufgelegten Programm „Stadtumbau Ost“ staatlich gefördert. Allein
in Brandenburg rissen die Mitgliedsunternehmen des Verbands
Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) zwischen 2002 und 2009 knapp 45.000 Wohnungen ab. Gleichzeitig versuchte die Politik durch die Städtebauförderung und das
Programm „soziale Stadt“ dem Wegzug entgegenzuwirken,
wobei ostdeutsche Innenstädte aufgewertet und Altbaubestände saniert wurden. In den Folgejahren gelang es einigen Re8
gionen und Städten tatsächlich die Situation zu stabilisieren.
Spätestens seit Mitte der 2010er Jahre differenzieren sich die
Entwicklungen auf den regionalen Wohnungsmärkten zunehmend aus. Viele Regionen an den äußeren Landesgrenzen des
Landes Brandenburg haben nach wie vor mit schrumpfenden
Bevölkerungen und wachsenden Leerständen zu kämpfen. So
weisen die Mitgliedsunternehmen des BBU laut dem verbandseigenen Marktmonitor im Kreis Prignitz eine Leerstandsquote
von 20% aus. In den Regionen Elbe-Elster, Oberspreewald und
Spree-Neiße liegen die Leerstände zwischen 13% und knapp
18%. Die Mieten sind mit Werten von unter 5 Euro/qm vergleichsweise niedrig. Zwischen 2017 und Ende 2020 wurden
in den vier Gemeinden insgesamt mehr als 2.000 Wohnungen
abgerissen. Brandenburgweit verschwanden fast 4.800 Wohneinheiten durch Abriss.
Viele Landkreise in der Metropolregion rund um Berlin verzeichnen dagegen seit Jahren einen stetigen Zuzug und einen
positiven Wanderungssaldo gegenüber der Hauptstadt. Regionen wie Oberhavel oder Dahme-Spreewald weisen niedrige
Leerstandquoten von unter 3% auf. Die Mieten im Bestand bewegen sich auf einem ähnlichen Niveau wie in Berlin. Auf den
wachsenden Zuzug und die steigenden Mieten in der Metropolregion reagierte die rot-rote Landesregierung zwischen 2009
und 2019 mit einem zaghaften Kurswechsel in der Wohnungspolitik. 2015 wurde die Wohnungsbauförderung wiedereingeführt, wobei die Förderbewilligungen von zunächst 41 langsam
auf 1.130 bewilligte Wohnungen im Jahr 2020 angestiegen sind.
Im gleichen Jahr wurden 332 Wohneinheiten fertiggestellt.
Mit Ausnahme von Oberspreewald-Lausitz, Barnim, Cottbus
und Brandenburg an der Havel förderten 2020 alle Landkreise und Städte den Wohnungsneubau. Auch in Richtung einer
Mietpreisregulierung unternahm die rot-rote Landesregierung
vorsichtige Schritte und wies zu Beginn des Jahres 2016 in 31
Kommunen einen angespannten Wohnungsmarkt aus, um dort
die Mietpreisbremse zur Anwendung zu bringen. Im Juni 2021
verabschiedete sie ein Zweckentfremdungsverbotsgesetz, das
die Ahndung von Leerständen erleichtern und die Ferienwohnungsvermietung regulieren soll. Seit 2019 regiert eine KeniaKoalition aus SPD, CDU und Grünen das Land, die versucht
diese Schritte in Richtung einer sozialeren Wohnungspolitik
zurückzudrehen. Statt wie bislang in 31 gilt die Mietpreisbremse nun nur noch in 19 Städten und Gemeinden. Die Wohnungsbauförderung wurde im Jahr 2021 um fast 30 Millionen
Euro gekürzt. Auch die neuen gesetzlichen Möglichkeiten des
2021 von der Bundesregierung verabschiedeten Baulandmobilisierungsgesetzes, für deren Nutzung eine Ausweisung von
Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (siehe MieterEcho 420/September 2021und 421/Dezember 2021) notwendig ist, finden in Brandenburg bislang keine Anwendung.
Besonders dramatisch ist die Lage in der Landeshauptstadt
MieterEcho 423 April 2022
TITEL
Der Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern setzt sich, wie hier in unmittelbarer Nähe des Flughafens Berlin-Brandenburg, recht konstant fort. Foto: Matthias Coers
Potsdam. Der dortige Wohnungsmarkt ist mit einer Leerstandsquote von unter 2% stark angespannt. Die Bestandsmieten lagen laut der Wohnungsmarktbeobachtung 2020 bei
durchschnittlich 7,21 Euro/qm und damit sowohl über dem
Brandenburger Durchschnitt von 5,76 Euro/qm als auch über
dem Berliner Durchschnitt von 6,29 Euro/qm. Schätzungen
beziffern das Versorgungsdefizit in der Stadt auf etwa 12.000
leistbare Wohnungen. 2021 erließ die Stadt als erste Gemeinde
in Brandenburg eine Zweckentfremdungsverbotsverordnung,
diese ist jedoch bislang vollkommen zahnlos. Lediglich zwei
Mitarbeiter/innen wurden für die Ahndung von Zweckentfremdungsfällen bereitgestellt und nur fünf Zweckentfremdungsfälle haben die Behörden bisher durch eigene Recherchen festgestellt.
Kommunales Wohnungsunternehmen führt Gewinne ab
Anders als viele andere Brandenburger Gemeinden verfügt
Potsdam über ein starkes kommunales Wohnungsunternehmen. Mit einem Bestand von über 17.600 Wohnungen und
einem Anteil von 20% am Potsdamer Wohnungsmarkt ist die
„ProPotsdam“ der größte Vermieter der Landeshauptstadt. Jedoch macht die Stadt Potsdam ihrer Wohnungsbaugesellschaft
nur wenig soziale Vorgaben. Im Neubau hat die ProPotsdam
keine festen Quoten für geförderte Wohnungen. Sie nimmt
allerdings für die meisten der rund 250 pro Jahr erstellten
Wohnungen Fördermittel in Anspruch. Pro Jahr überführt das
Unternehmen einen Teil seiner Gewinne in Höhe von einer halMieterEcho 423 April 2022
ben bis zu einer Million Euro auf ein von der Stadt verwaltetes
Sperrkonto, das für nicht wohnungspolitische Zwecke genutzt
werden kann. Bei der Vermietung darf das Unternehmen seine Mieten um 15% innerhalb von vier Jahren steigern. Zwar
liegen die durchschnittlichen Bestandsmieten mit rund 6,50
Euro/qm unter dem Potsdamer Durchschnitt, aber mehr als ein
Viertel der Mieten liegen bereits darüber. Bei Neuvermietung
kassiert die ProPotsdam teils saftige Zuschläge und nach Sanierungen liegen die Mieten oftmals weit über 10 Euro/qm.
Seit Juni 2021 werden deshalb Unterschriften für ein Bürgerbegehren gesammelt, um Mieterhöhungen bei der ProPotsdam
für fünf Jahre auf maximal ein Prozent zu deckeln. „Es geht um
die Konzentration auf das Kerngeschäft der ProPotsdam und
das ist die Daseinsvorsorge“, sagt Lutz Boede, der für „Die aNDERE“ in der Stadtverordnetenversammlung sitzt. Gemeinsam
mit dem Bündnis „Stadt für Alle“ und Teilen der Linkspartei unterstützt seine Partei das Bürgerbegehren. Boede fordert, dass
das Unternehmen seine Gewinne ausschließlich in den Ausbau
des geförderten Wohnungsbaus investiert. Um die nächste Stufe des Bürgerbegehrens zu erreichen, braucht die Initiative die
Stimmen von mindestens 10% der Potsdamer Wahlberechtigten. Bislang hat sie knapp 8.800 der notwendigen rund 15.000
Stimmen gesammelt, die sie bis Ende Mai zusammen bekommen muss. Für den Endspurt gibt es prominente Schützenhilfe
aus der Hauptstadt, denn da wollen Aktivist/innen von „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ den Potsdamer/innen beim Unterschriftensammeln unter die Arme greifen.
h
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Foto: Matthias Coers
TITEL
Holpriger Weg zur Mobilitätswende
Das Planungsprojekt „i2030“ für den Schienenverkehr in der
Metropolregion und die Schwierigkeiten bei der Umsetzung
Von Rainer Balcerowiak
Wenn es um die Perspektiven der Metropolregion BerlinBrandenburg geht, spielt die Verkehrsinfrastruktur eine
zentrale Rolle. Abgesehen von der coronabedingten „Delle“ ist seit Jahren eine stetig wachsende Zahl von Berufspendler/innen zwischen den beiden Bundesländern zu verzeichnen. Da es an ausreichenden Schienenverbindungen
fehlt, nutzen viele Menschen den privaten PKW. Doch mit
„i2030“ gibt es zumindest Pläne für den Ausbau des Schienenverkehrs.
Mitte 2020 hatten rund 225.000 sozialversicherungspflichtig
beschäftigte Brandenburger/innen ihren Arbeitsplatz in Berlin,
mit kontinuierlich steigender Tendenz, wie aus der jährlichen
Erhebung der Bundesagentur für Arbeit über Pendlerbewegungen hervorgeht. Fast 86.300 Berliner/innen arbeiteten in Bran10
denburg, was einen leichten Rückgang gegenüber den Vorjahren bedeutete. Eine gewisse Rolle spielen bei diesen Zahlen
auch die Wanderungsbewegungen. Das Land Brandenburg
verzeichnete 2020 rund 80.000 Zuzüge und 55.300 Fortzüge.
Über 80% des Brandenburger Wanderungsgewinns waren auf
den Zuzug von Berliner/innen zurückzuführen, dabei zog es
die meisten ins Berliner Umland (+14.800). Aber auch der
Wanderungsgewinn des sogenannten weiteren Metropolenraums gegenüber Berlin stieg. 2020 lag er bei 5.500, so hoch
wie nie seit der Wiedervereinigung. Dies betraf vor allem die
kreisfreie Stadt Brandenburg an der Havel und den Landkreis
Uckermark.
Dass die Verkehrsinfrastruktur trotz punktueller Verbesserungen mit dieser Entwicklung in keiner Weise Schritt gehalten
hat, ist offensichtlich. Zum einen gehören Staus auf Bundesstraßen und Autobahnen in den Hauptpendelzeiten zum Alltag. Das gilt aber auch für den Schienenverkehr mit fehlenden
MieterEcho 423 April 2022
TITEL
Anbindungen und unzureichenden Taktungen und Transportkapazitäten. Was wiederum sowohl zu chronisch überfüllten
Zügen führt, als auch dazu, dass viele Pendler/innen keine
Alternative zur Nutzung des eigenen PKW haben. Entsprechend eindeutig ist die Verteilung der Pendlerbewegungen
auf die einzelnen Verkehrsträger. Rund zwei Drittel der täglichen berufsbedingten Fahrten von Brandenburg nach Berlin
werden mit dem PKW absolviert. Auch für die Kombination
von PKW und Schienenverkehr mit Regional- und S-Bahnen
steht viel zu wenig Infrastruktur zur Verfügung. Im gesamten
Gebiet des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB)
gibt es an den Bahnhöfen der nach Berlin führenden Bahnlinien nur 22.000 Park-and-Ride-Plätze, in der für die S-BahnAnbindung an die Innenstadt besonders wichtigen Tarifzone
C sind es lediglich 12.000. Und so ergießen sich die PKWPendlerströme Tag für Tag in alle Teile der Stadt.
Verzögerungen an der Tagesordnung
Dass dies nicht nur verkehrspolitisch, sondern vor allem in Bezug auf die ambitionierten Klimaziele ein unhaltbarer Zustand
ist, liegt auf der Hand, und ist auch den verantwortlichen Akteur/innen in den beiden Bundesländern bewusst. Seit vielen
Jahren gibt es Bekenntnisse und Pläne zum massiven Ausbau
der Schienenanbindung von und nach Berlin. Doch besonders
die jeweils angekündigten Zeitschienen für die Vollendung der
jeweiligen Projekte entpuppen sich oftmals als eher unverbindliche Absichtserklärungen.
Ein besonders krasses Beispiel für diesen Planungs- und Realisierungsstau ist die „Heidekrautbahn“, deren alte, seit 1901
betriebene Stammstrecke 1961 durch den Mauerbau gekappt
wurde. Seitdem verkehrte die Linie nur von Berlin-Karow
am nördlichen Rand von Pankow über Basdorf und Wandlitz
bis in die Schorfheide. Bereits in den 1990er Jahren gab es
erste Überlegungen, die alte Stammstrecke zu reaktivieren,
als wichtige Achse für die Anbindung des Umlandes an das
Berliner Innenstadtnetz. Doch zunächst passierte außer einigen Machbarkeits- und Kosten-Nutzen-Studien lange Jahre
gar nichts. Dabei könnte die Trasse ab Gesundbrunnen über
Pankow und das Märkische Viertel die boomenden Umlandgemeinden Schildow, Mühlenbeck und die wichtigsten Ortsteile von Wandlitz im Halbstundentakt an das Netz anbinden.
Möglich würde so auch die Erschließung des Gewerbegebietes
PankowPark für den Schienenpersonennahverkehr. Auf dem
Gelände sind rund 80 Unternehmen ansässig, unter anderem
der Schienenfahrzeugspezialist Stadler.
2011 kam allmählich Bewegung in die Angelegenheit. Die
Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) als Eigner und Betreiber
der Trasse (die aber im VBB integriert ist) stellte präzise Pläne
für den Ausbau vor und präsentierte sogar Fahrpläne für einen Halbstundentakt. Auch Landespolitiker/innen versprachen
eine Inbetriebnahme noch im laufenden Jahrzehnt. Doch es
sollte weitere sechs Jahre dauern, bis das Projekt offiziell als
prioritär eingestuft und im von den beiden Ländern verabschiedeten Plan „Infrastruktur i2030“ verankert wurde.
Im Januar 2019 wurden erste Detailplanungen vorgestellt. Im
Dezember 2020 folgte sogar ein symbolischer erster Spatenstich, doch wann die Stammstrecke tatsächlich in Betrieb gehen wird, ist unklar. Zuletzt wurde die Eröffnung Ende 2021
um mindestens ein Jahr auf Dezember 2024 verschoben. Ähnlich sieht es bei der Verlängerung nach Gesundbrunnen aus,
mit der nach jetzigem Stand nicht vor 2030 zu rechnen ist. Unklar ist auch, ob und wenn ja, wann der ursprünglich geplante
MieterEcho 423 April 2022
Halbstundentakt über Basdorf hinaus nach Wandlitz und Klosterfelde realisiert werden könnte. Was angesichts der dort sehr
starken Pendlerströme nach Berlin eigentlich unverzichtbar ist.
Von der NEB war auf Nachfrage zu erfahren, dass man den
dafür notwendigen Gleisausbau in Klosterfelde relativ schnell
und ohne Planungsprobleme bewältigen könnte. Allerdings hat
der VBB den Halbstundentakt für diese Strecke bisher nicht
bestellt, und bis Ende 2024 sei damit auch nicht zu rechnen.
Der in der Verkehrsplanung „priorisierte“ Ausbau der Heidekrautbahn bleibt also auf mittlere Sicht Stückwerk.
Planen alleine reicht nicht
Insgesamt umfasst „i2030“ sieben „Korridore“ in wichtige
Umlandregionen, die durch Ausbau, Reaktivierung stillgelegter Strecken und auch Neubau weiterentwickelt werden sollen. Dazu gehören neben der Heidekrautbahn unter anderem
13,4
die Nordwestverbindung über Hennigsdorf und Kremmen
bis nach Neuruppin, die Westverbindung von Spandau nach
Nauen, sowie die Verlängerung der S-Bahn bis Rangsdorf, die
Reaktivierung der Siemens-Bahn und der alten Stammstrecke
nach Potsdam. Für einige Projekte ist die Realisierung erst für
Mitte der 2030er Jahre avisiert, bei der Potsdamer Stammbahn
gibt es gar keinen Zeitplan. Nicht nur dort haben sich bereits
Bürgerinitiativen gebildet, die vehement gegen die Ausbaupläne ankämpfen.
Ohnehin sind derartige Zeitpläne nicht nur, aber besonders in
Berlin und Brandenburg eher als unverbindliche Absichtserklärungen anzusehen. So sollte der erste Abschnitt der neuen
S21, die den Hauptbahnhof mit dem Ring verbinden soll, eigentlich 2017 in Betrieb gehen, Baubeginn war 2011. Nach
mehrmaligen Verschiebungen soll der Betrieb jetzt provisorisch ab Dezember 2022 starten, mit einem Behelfsbahnsteig
im Hautbahnhof. Wann die weiteren Teilabschnitte der S21
fertiggestellt sein werden, vermag derzeit niemand seriös vorherzusagen.
Laut i2030 soll der S-Bahn-Verkehr außerdem auch auf den
Außenästen auf einen 10-Minuten-Takt verdichtet werden.
„Vertieft geprüft“ werden sollen auch die Möglichkeiten und
Potenziale von Expressverbindungen auf besonders frequentierten S-Bahn-Strecken.
Das klingt alles recht vernünftig, doch die Sache hat einen Haken. Denn bei i2030 handelt es sich um eine reine Planungsvereinbarung zwischen den beiden Ländern, dem VBB und
der Bahn, in der alle Maßnahmen der Vor- bis hin zur Genehmigungsplanung geregelt sind. Doch die Umsetzung steht auf
einem ganz anderen Blatt, was erfahrungsgemäß sowohl bei
konkreten Baumaßnahmen als auch bei der Finanzierung zu
erheblichen Verzögerungen führen kann. Von gut organisierten
„Bürgerprotesten“ nebst entsprechenden juristischen Scharmützeln ganz zu schweigen.
Dennoch ist i2030 im Vergleich zu der chaotischen Wurstelei
im Jahrzehnt davor zweifellos ein Fortschritt. Vor allem, weil
die beiden Länder, die Bahn und der Aufgabenträger VBB hier
gemeinsam agieren, was zuvor alles andere als selbstverständlich war. Aber von einer Verkehrsplanung und vor allem deren Umsetzung, die den Erfordernissen einer effizienten und
klimagerechten Mobilität in der wachsenden Metropolregion
Berlin-Brandenburg entspricht, ist man noch ziemlich weit enth
fernt. Und die Zeit drängt.
Zum Projekt Infrastruktur i2030: i2030.de
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TITEL
Die „Basdorfer Gärten“ sind ein kommunales Wohnprojekt der Gemeinde Wandlitz mit 104 Wohnungen zu Mieten zwischen 5,50 und 9 Euro. Foto: Matthias Coers
Gemeinwohl statt freier Markt
Für eine radikale Mietenpolitik im Metropolraum
Von Isabelle Vandre
Der Zuzug von Berliner/innen in das unmittelbare Brandenburger Umland ist keine Perspektive, die sich für die Zukunft
abzeichnet – er ist längst Realität. Welche Auswirkungen
das schon heute auf den Brandenburger Wohnungsmarkt
hat und welche politischen Maßnahmen jetzt aus linker Sicht
gebraucht werden, soll dieser Artikel beleuchten.
Das Berliner Umland wächst. Zwischen 2011 und 2019 verzeichneten die an Berlin angrenzenden Kommunen laut Landesamt für Bauen und Verkehr einen Bevölkerungsanstieg von
10,4%. Mittlerweile wohnen knapp 40% der Brandenburger/
innen im Berliner Umland. Knapp drei Viertel der Wanderungsgewinne seit 2017 resultierten dabei aus der Bundeshauptstadt.
Doch auch in zentral gelegene und gut erreichbare Orte des
weiteren Metropolraums wie Eberswalde, Beelitz, Nauen und
Zossen ziehen seit 2013 mehr Menschen aus Berlin als in die
Großstadt in der Mitte Brandenburgs abwandern – Tendenz
steigend. Der Zuzug aus Berlin ist damit Realität.
Um es gleich klarzustellen: Zuzug ist nicht per se schlecht.
Er verlangt jedoch politische Rahmenbedingungen, die die
negativen Effekte für die bereits in den Kommunen lebende
Bevölkerung abwenden, eine Überlastung der örtlichen Infra12
struktur verhindern und auch neu zuziehende Menschen ihren
Bedürfnissen entsprechend unterstützen. Bisher wird dieser
Prozess in Brandenburg jedoch vollends den Mechanismen des
freien Marktes überlassen. Was das in der Entwicklung bedeutet, lässt sich am eindrücklichsten an den Bodenpreissteigerungen ablesen. So berichteten Lokalmedien erst vor wenigen
Wochen, dass die Bodenpreise im Landkreis Potsdam-Mittelmark zwischen 2020 und 2021 so stark gestiegen seien wie
noch nie. Kommunen wie Michendorf und Teltow verzeichneten innerhalb nur eines Jahres Preissteigerungen von 40
bzw. 20 Euro/qm auf 130 Euro. Spitzenreiter in Potsdam-Mittelmark ist seit Jahren Kleinmachnow. Hier stieg der durchschnittliche Bodenpreis innerhalb von 5 Jahren von 360 Euro
auf 615 Euro/qm. Bei besonders attraktiven Grundstücken
werden mittlerweile mehr als 1.000 Euro/qm aufgerufen. Ähnliche Entwicklungen wie in Potsdam-Mittelmark zeichnen sich
in allen an Berlin angrenzenden Kommunen ab. Dass diese
ebenfalls in die Fläche des Landes strahlen, zeigen Preissteigerungen in Orten wie Eberswalde, wo die Bodenpreise für
individuelle Wohnbauvorhaben um 35% gestiegen sind, in
einzelnen Wohnsiedlungen wie der Clara-Zetkin-Siedlung in
Finow sogar um 70%. Hinzu kommt, dass in den Kommunen
eigens verfügbarer Boden knapp wird. Notwendige Infrastrukturmaßnahmen, wie der Bau von Kitas und Schulen, aber auch
MieterEcho 423 April 2022
TITEL
Foto: Ben Gross
neue Wohnungsbauprojekte etwa durch das eigene kommunale Wohnungsunternehmen oder lokale Genossenschaften
werden erschwert, weil die Kommunen schlicht keine Flächen
mehr haben, auf denen dies realisierbar wäre. Wollen sie dennoch bauen, müssen sie neben den explodierenden Baukosten
auch die Bodenpreissteigerungen aufwenden.
Sinkender Leerstand und steigende Mietpreise
Auch die Leerstandsquoten und die Mietpreissteigerungen
deuten in eine ähnlich alarmierende Richtung. So betrug der
Leerstand 2020 im Berliner Umland nur noch 1,9%. Bereits
ein Jahr zuvor gab die Verwaltung der Landeshauptstadt Potsdam an, dass die Leerstandsquote zwar 1,43% betrage, allerdings nur noch 0,59% der Wohnungen überhaupt vermietbar
seien. In seinem jährlichen Wohnungsmarktbericht betont der
Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen
(BBU) regelmäßig, dass selbst im Metropolraum die Mietpreise im Verhältnis zu Berlin moderat seien und diese um ca. 10%
unterbieten würden. Betrachtet man jedoch die Bruttowarmmieten im Vergleich, so ist dieser Unterschied verschwindend
gering. Durchschnittlich kostet die Bruttowarmmiete im Berliner Umland 9,14 Euro/qm. In der Landeshauptstadt Potsdam
sind es sogar 9,78 Euro/qm und damit nur 9 Cent weniger als
im Durchschnitt in Berlin.
All diese Tendenzen stehen dem über Jahre gefestigten Bild eines schrumpfenden Bundeslandes gegenüber, auf das auch die
politischen Entscheidungen ausgerichtet sind. Wir sind ganz
am Anfang einer sich langsam ändernden Zustandsbeschreibung, die sowohl die Schrumpfungs- als auch die Wachstumsprozesse mit ihren spezifischen Problemen und Handlungsanforderungen wahrnimmt. Von intelligenten oder gar radikalen
Lösungen im Umgang mit diesen Herausforderungen sind wir
meilenweit entfernt. Es fehlt sogar an Bewusstsein und Willen,
die wenigen, zum Teil nur bedingt wirkungsvollen Instrumente
zum Mieterschutz des Bundes umzusetzen. Erst 2021 ließ die
Landesregierung die Mietpreisbegrenzungs- und Kappungsgrenzenverordnung in mehr als einem Dutzend Städten im
Berliner Umland auslaufen, statt die Gelegenheit zur Überarbeitung der Richtlinie zu nutzen, um mehr Bürger/innen vor
Mietpreissteigerungen zu schützen. Betroffen davon waren
sowohl Kommunen in der Tesla-Ansiedlungsregion (Erkner)
als auch im direkten Umfeld des Flughafens BER (Schönefeld
und Königs Wusterhausen) – also jenen Regionen des Landes,
in denen ein weiterer Zuzug sowie weitere Unternehmensansiedlungen zu erwarten sind. Hinzu kommt, dass die Landes-
Isabelle Vandre ist wohnungs- und mietenpolitische Sprecherin der
Linksfraktion im Brandenburger Landtag und zudem Mitglied der
Stadtverordnetenversammlung in Potsdam.
MieterEcho 423 April 2022
regierung sich bis heute weigert, eine Richtlinie zu erarbeiten,
die es den von Wohnraummangel betroffenen Kommunen ermöglicht, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen unter Genehmigungsvorbehalt zu stellen. Auch die Soziale
Wohnraumförderung schafft es weder, die auslaufenden Mietpreis- und Belegungsbindungen zu kompensieren, noch fängt
sie die Baukostensteigerungen ein. Seit 2020 hat die Kenia-Koalition die Wohnraumförderung sogar um 35 Millionen Euro
gekürzt. Und auch auf kommunaler Ebene haben wir einen
immensen Nachholbedarf, weil keine einzige Stadt in Brandenburg bisher eine rechtskräftige Milieuschutzsatzung beschlossen hat und das Ziel der langfristigen Flächensicherung
in öffentlicher Hand erst langsam ins Bewusstsein vordringt.
Von anderen Metropolräumen lernen
Erster, notwendiger Schritt wäre es also, den Mangel an günstigem, sozial verträglichen Wohnraum und die Realität der Verdrängungsprozesse endlich wahrzunehmen. Was wir in Brandenburg brauchen, ist ein ganzer Instrumentenkoffer, um den
jeweiligen, regional unterschiedlichen Anforderungen gerecht
zu werden. Dazu zählen der seit den 90er Jahren andauernde Stadtumbau in Schwedt oder der Umgang mit Leerstand in
Forst genauso wie harte Schutzmechanismen vor Preisexplosionen für die Mieter/innen in Oranienburg, Schönefeld und
Potsdam, wie wir sie aus Berlin, München, Frankfurt/Main
oder anderen Großstädten kennen. Statt zu argumentieren, dass
Brandenburg nicht München ist, müssen wir von anderen Metropolräumen lernen und stärker mit Berlin zusammenarbeiten. Zwar gibt es den gemeinsamen Landesentwicklungsplan
Hauptstadtregion, eine gemeinsame Landesplanungsabteilung
und regionale Arbeitsgruppen aus aneinander angrenzenden Berliner Bezirken und Brandenburger Kommunen, aber
es fehlt an gemeinsamer (zivilgesellschaftlicher) Praxis. Wir
merken rings um Berlin, dass Landesgrenzen im Lebensalltag
der Menschen eine immer geringere Rolle spielen. Der Übergang zwischen Berlin und Brandenburg ist zum Teil fließend.
Berliner/innen erledigen in Brandenburger Städten ihre Einkäufe, bringen ihre Kinder zur Schule oder in die Kita und
pendeln mit dem Regio in die Berliner Innenstadt. Auch Berliner Akteur/innen treten zunehmend auf dem Brandenburger
Wohnungsmarkt in Erscheinung. Das betrifft die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften und die
großen privaten Immobilienkonzerne wie Deutsche Wohnen
und Vonovia gleichermaßen. Stärker mit Berlin zusammenzuarbeiten heißt, auch in den jeweils geführten Debatten und
ausgetragenen Konflikten voneinander zu lernen. Ziel muss es
sein, gemeinsam mit Stadtinitiativen, regionalen Akteur/innen
und Bündnissen eine kooperative Entwicklung von Stadt und
Regionen zu entwickeln. Handlungsmaxime muss dabei eine
Politik sein, die knallhart im Interesse der Mieter/innen agiert.
Das bedeutet, dass weder die Verfügbarkeit von Boden, noch
die Bautätigkeiten den Gesetzen des freien Marktes überlassen werden dürfen. Nur durch eine langfristige Sicherung von
Boden in kommunaler Hand und strategische Rückkäufe werden die Kommunen ihre Gestaltungsmöglichkeiten verteidigen
bzw. zurückerlangen können. Wir müssen auf starke, dem Gemeinwohl verpflichtete kommunale Wohnungsunternehmen,
Genossenschaften und Baukollektive setzen und Großinvestoh
ren zurückdrängen, statt sie zu hofieren.
Zur Wohnungsmarktbeobachtung 2020 des Landesamts für Bauen und Verkehr: lbv.
brandenburg.de/5323.htm
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Fotos: Matthias Coers
TITEL
Siedlungsdruck oder
Siedlungsschmerz in Wandlitz?
Das Wachstum stellt die Gemeinde vor zahlreiche Infrastrukturprobleme
Von Kerstin Berbig
Wandlitz ist seit ein paar Jahren ein beliebter Wohnort für
„Großstädter/innen“ geworden. Es gibt/gab viel Grün, wir haben beliebte Badeseen und die Infrastruktur ist beim ersten
Draufschauen auch vorhanden. Es scheint, man könnte in
kürzester Zeit in Berlin sein und auch ein Flughafen ist über
den vorhandenen Autobahnanschluss gut erreichbar.
Soweit so gut. Ich kann verstehen, warum man der Großstadt
entfliehen möchte, auch ich arbeite in Berlin. Aber können wir
als Umlandgemeinde das stemmen? Ich denke, wir haben unsere Belastungsgrenze erreicht, und so denken viele Einwohner/innen der Gemeinde, allen voran die der beiden großen
Ortsteile Basdorf und Wandlitz. Wir müssen eingestehen, dass
die Beteiligung, auch von Einwohner/innen der Gemeinde, die
direkt oder indirekt von Bauvorhaben betroffen sind, nicht in
ausreichendem Maße erfolgt ist. Viele fühlen sich übergangen,
sehen eine starke Belastung unserer Natur und ein Schwinden
der Vielfalt unserer Flora und Fauna. Schutzgebiete werden mit
14
„kleinen Tricks“ umgewandelt oder sind plötzlich nicht mehr
in erhaltenswertem Zustand. Sind sie erst einmal verschwunden, kann fleißig gebaut werden.
Eine nicht repräsentative Umfrage unter Wandlitzer Einwohner/innen, durchgeführt durch unsere Fraktionsgemeinschaft
Die Linke/B90/Grüne/UWG ergab, dass die Befragten nicht
pauschal gegen den Wohnungsbau sind. Sie sehen, dass bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden muss. Aber bevor
weitere Bauvorhaben angeschoben werden, sollte unbedingt in
die Infrastruktur investiert werden, so die Mehrheit der Befragten. Dazu ist vor allem der Ausbau des ÖPNV notwendig, denn
die Autokolonnen, die sich in den Morgen- und Abendstunden
durch die Orte entlang der L 100/ B109 quälen, belasten nicht
nur Arbeitnehmer/innen. Viele Einwohner/innen sind einfach
nur noch genervt, wenn Straßen nicht sicher überquert werden
können, da häufig riskant überholt und gerast wird.
Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV): Die Anbindung
an Berlin erfolgt von Basdorf aus im 30-Minuten-Takt auf der
Schiene durch die Niederbarnimer Eisenbahn. Bis Wandlitzsee bzw. Klosterfelde kommt man noch im Stundentakt. Den
MieterEcho 423 April 2022
TITEL
Foto: Fotostudio Schwarz
Ortsteil Zerpenschleuse erreicht man dann nur noch alle zwei
Stunden. Der ÖPNV hat sich nicht wesentlich weiter entwickelt. Es gibt für den Ortsteil Wandlitz eine Plusbuslinie, die
in kurzen Abständen zwischen Bernau und Wandlitz verkehrt.
In den kleineren Ortsteilen wie Prenden und Stolzenhagen ist
es der Schülerverkehr, der morgens und am Nachmittag regelmäßig zumindestens in der Schulzeit verkehrt. In den Ferien
kann man froh sein, wenn zweimal am Tag ein Bus fährt. Änderungen oder Anpassungen gerade für diesen Bereich sind
vorgesehen, scheitern aber immer wieder an Bürokratie und
Planungsdauer.
Wohnraum: Es ist unübersehbar, dass es immer schwieriger
wird, bezahlbare Wohnungen zu finden. Ein Blick in die Immobilienportale im Internet genügt. Mieten ab 14 Euro/qm
Nettokaltmiete sind mittlerweile keine Seltenheit und für so
manch eine/n Wandlitzer/in nicht mehr bezahlbar. Es fehlt an
barrierefreien Wohnungen und auch unsere Infrastruktur hält
leider einige Barrieren für Menschen mit Handicap bereit, seien es fehlende Absenkungen an Überwegen, nicht vorhandene
Akustikampeln für Menschen mit Sehbehinderung oder aber
fehlende Rampen.
Natur: Die voranschreitende Bebauung verringert den Grünanteil in der Gemeinde. Es gibt massive Fällungen von Bäumen,
Aufforstungen werden zwar vereinbart, finden aber fast nie in
der Gemeinde statt, da es nicht genug Ausgleichsflächen gibt.
Innerhalb der letzten 10 Jahre sind nach Auskunft der Forstverwaltung innerorts (!) mehr als 12 Hektar bewaldete Flächen
verschwunden. Es entstehen oftmals große Wohnkomplexe,
einhergehend mit einer starken Versiegelung von Flächen. Dies
alles führt dazu, dass das Regenwasser bei Starkregen nicht
versickern kann. Stattdessen landet es dann in den Kellern oder
auf dem versiegelten Grundstück selbst. Investoren treiben die
beschriebene „Rodungspolitik“ voran. Das stellt die Gemeindevertreter/innen vor die Frage, ob die Natur weiter in diesem
Maß zerstört werden darf oder hier Einhalt geboten werden
muss.
Soziales: Der dörfliche Charakter, der vielen Einwohner/innen
wichtig ist, wo jeder jeden kennt, wo man sich hilft und auch
mal ein Gespräch über den Gartenzaun führt, geht immer mehr
verloren. In manchen der entstehenden Wohnkomplexe,scheint
der Einzug von Familien mit Kindern nicht gewünscht, wie in
Wandlitz oder in Basdorf, wo der Investor nicht einmal einen
Spielplatz mitplant.
Kerstin Berbig ist seit 31 Jahren in der Kommunalpolitik tätig. Der
Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt im sozialen Bereich, das heißt der
Umsetzung der Barrierefreiheit, der Teilhabe von Menschen mit
Handycap und des bezahlbaren Wohnens.
MieterEcho 423 April 2022
Das Freizeitangebot für Kinder und Jugendliche beschränkt
sich auf Sportvereine. Diese sind aber auch aufgrund der Platzkapazitäten an ihren Leistungsgrenzen. Kinder- und Jugendtreffs sind in der Gemeinde Mangelware und es fehlt an Streetworkern, die den Jugendlichen helfen, ihre Kreativität bei einer
sinnvollen Beschäftigung auszuleben. Das beste (schlimmste)
Beispiel dafür ist der Jugendclub Wandlitz. Dieser wird seit
30 Jahren an ständig wechselnden Orten im Ortsteil Wandlitz
immer wieder neu geplant. Der Jugendclub in Basdorf ist zu
klein, eine Änderung nicht vorgesehen und in Klosterfelde
können sich die Jugendlichen an ein paar Tagen in der Woche
in der Freiwilligen Feuerwehr treffen. Aber sie haben keine
Räume, die sie selbst gestalten können bzw. die den Bedürfnissen von Jugendlichen gerecht werden.
Kitas und Schulen: Kitaplätze sind Mangelware und auch
wenn neue Kitas gebaut werden, reichen die Plätze bei weitem nicht aus. Unsere Grundschulen platzen aus allen Nähten.
Einige unserer gemeindlichen Kitas und die Schulhorte werden seit Jahren mit Ausnahmeregelungen betrieben und ein
Ende ist nicht absehbar. Noch schwieriger ist der Besuch einer
weiterführenden Schule. Es gibt ein Gymnasium in Wandlitz,
aber nicht jedes Kind kann oder möchte dorthin wechseln. Die
Oberschule in Klosterfelde muss dringend erweitert werden,
da diese sich die Gebäude mit der Grundschule teilt. Das Bestreben einiger Gemeindevertreter/innen nach einer Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe wird bisher durch den Landkreis abgelehnt, obwohl die Schülerzahlen eine solche Schule
hergeben. Viele Eltern entscheiden daher für den Schulbesuch
ihrer Kinder im benachbarten Landkreis Oberhavel. Dort gibt
es eine Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe. Da es dorthin keine reguläre Busverbindung gibt, bedeutet das aber auch
für Eltern und Kinder täglich eine große logistische Herausforderung.
Versorgungssicherheit mit Trinkwasser: Der Niederbarnimer Wasser- und Abwasserzweckverband NWA hat zugesagt,
dass es keine Einschränkungen bei der Trinkwasserversorgung
durch neue Wohnungen geben wird. Aber in den zurückliegenden Jahren hat sich gezeigt, dass das so nicht stimmt. Ein
Sprengverbot für Gärten, das bisher von Mai bis August galt,
soll jetzt für das ganze Jahr gelten. Es gibt Probleme mit den
Trinkwasserleitungen. Im letzten Jahr kam schwarzes Wasser
aus den Leitungen, was dazu führte, dass diese in einem sehr
engen Rhythmus gespült werden mussten. Durch den erhöhten
Druck bei höherem Verbrauch hatten sich Ablagerungen aus
den Leitungen gelöst. Etliche Einwohner/innen konnten über
Wochen das Wasser aus den Trinkwasserleitungen weder zum
Kochen noch zum Trinken nutzen.
Achsenentwicklung: Wandlitz liegt auf einer der Entwicklungsachsen, die die Stadt Berlin und die hauptstadtnahen Regionen verbinden soll. Durch die Gemeinsame Landesplanung
(vgl. S. 5 in diesem Heft) wurde die Entwicklung eines Achsenkonzepts angeregt. Die Gemeindevertretung musste aber
erst einfordern, Planung und Bauvorhaben mitentwickeln und
bestimmen zu können. Wir mussten in der letzten Zeit feststellen, dass oftmals Entscheidungen für oder gegen eine Wohnbebauung nicht mit dem Leitbild, das wir uns als Gemeinde
gegeben haben, in Einklang gebracht werden konnten. Das
Leitbild hat zwar keinen verbindlichen Charakter für weitere
Bauvorhaben, soll aber für uns der Maßstab sein, wie wir die
Entwicklung unserer Gemeinde gestalten wollen. Es ist aus unserer Sicht extrem wichtig, die Entwicklung unserer Gemeinde
h
nicht aus der Hand zu geben.
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Foto: Peter Homann
BERLIN
Mietendeckel, aber richtig!
Nach dem Scheitern des Berliner Gesetzes bedarf es einer bundesweiten Regelung
Von Andrej Holm neuen Mietvertrages deutlich höhere Erträge erzielen können. Mit dieser KonsEin Jahr nach dem Aus für den Mie- tellation ist die soziale Wohnversorgung
tendeckel in Berlin haben die Miet- akut gefährdet, weil schon jetzt fast die
preise wieder deutlich angezogen. Hälfte der Haushalte in Berlin mehr als
Waren die Angebotsmieten auf den 30% des Einkommens für die Miete ausOnline-Portalen in der Zeit des Berli- geben müssen. Für eine kurzfristig wirkner Mietendeckels leicht rückläufig, same Lösung könnte ein Mietendeckel
haben sie inzwischen die früheren sorgen – dieser jedoch müsste auf der
Steigerungsraten übertroffen und lie- Bundesebene beschlossen werden.
gen zurzeit im Durchschnitt bei fast 12 Das im Februar 2020 beschlossene GeEuro/qm. Hohe Neuvermietungsmieten setz zur Mietenbegrenzung im Woherschweren nicht nur die Wohnungssu- nungswesen in Berlin (MietenWoG Bln)
che, sondern üben immer auch Druck – der Berliner Mietendeckel – umfasste
auf die Bestandsmieten aus.
drei wesentliche Regelungsbereiche: ein
weitgehendes Einfrieren der BestandsZugleich wächst die Verdrängungsgefahr, mieten, die Kappung der Neuvermieweil Vermieter/innen mit Abschluss eines tungsmieten sowie eine Absenkung von
16
überhöhten Mieten. Alle drei Instrumente
waren grundsätzlich geeignet, den jahrelangen Mietanstieg in der Stadt einzudämmen und den Bestand an leistbaren
Wohnungen auszubauen. Unabhängig
von der wohnungspolitischen Wirksamkeit wurde der Berliner Mietendeckel
im April 2021 durch eine Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts für nichtig erklärt. Begründet wurde das Aus für
den Mietendeckel nicht mit einer Absage an die im Gesetz festgelegten Regelungsinhalte, sondern mit der fehlenden
Gesetzgebungskompetenz für das Land
Berlin. Die Richter/innen in Karlsruhe argumentierten, dass alle Fragen zur
Mietgestaltung auf der Bundesebene
bereits abschließend geregelt seien. Die
MieterEcho 423 April 2022
BERLIN
bundesweite Initiative Mietenstopp, die kation von bereits geltenden oder früher
Linksfraktion im Bundestag und auch das genutzten Regelungen auf.
Land Berlin über eine Bundesratsinitiati- Realistischer Mietspiegel durch neue
ve hingegen fordern einen bundesweiten Referenzmiete: Ein zentrales Instrument
Mietendeckel. In der Diskussion stehen zur Begrenzung von Mietsteigerungen
dabei eine sogenannte Öffnungsklausel, ist an die bisherigen Kappungen der Bedie den Bundesländern eigenständige Re- standsmieten angelehnt. In den Gebieten
gelungen per Gesetz einräumen, und eine mit ausgeglichenen Wohnungsmärkten
bundesweite Regelung, bei der die Me- ist eine Beibehaltung der bisherigen Kapchanismen eines Mietendeckels direkt in pungsgrenze von 20% vorgesehen. In
Bundesgesetzen festgelegt werden sollen. Gebieten mit angespannten WohnungsDa sich die Situationen der Wohnversor- märkten könnte die Mieterhöhung auf die
gung regional stark unterscheiden, müss- Inflationsrate abgesenkt werden und in
te ein bundesweites Mietendeckelgesetz den Gebieten mit Wohnungsnotlagen wergebietsspezifische Variationsmöglichkei- den Mieterhöhungen komplett ausgesetzt.
ten beinhalten. Bereits bei den Kappungs- Neu geregelt werden soll dabei auch die
grenzen und auch bei der Mietpreis- sogenannte Referenzmiete, die als ortsübbremse unterscheidet der Gesetzgeber liche Vergleichsmiete das Maximum der
zwischen Gebieten mit ausgeglichenen Mieten definiert: Statt der komplizierten
und angespannten Wohnungsmärkten.
und regelmäßig umstrittenen Orientie rung an Mieterhöhungen der letzten JahGebiete mit Wohnungsnotlagen
re soll hier die echte Durchschnittsmiete
In einer mit dem Juristen Benjamin Raa- für die entsprechenden Mietspiegelfelder
be erarbeiteten Studie haben wir vorge- gelten. Die Einbeziehung von älteren
schlagen, darüber hinaus die Kategorie und unveränderten Mietverträgen wird
„Gebiete mit Wohnungsnotlagen“ ein- dabei zu einer Absenkung der Referenzzuführen, um dort weitergehende Mie- miete führen. Im Fall von Berlin würden
terschutzinstrumente zur Anwendung mit der Anwendung dieser Regelungen
zu bringen. In den so vorgeschlagenen Mieterhöhungen so lange ausgeschlossen
drei Gebietstypen sollen jeweils unter- bleiben, bis sich die Situation der Wohschiedliche Regelungen für die Begren- nungsnotlage entspannt hat.
zung von Mietsteigerungen im Bestand, Neuvermietungslimit durch Mietpreisdie Wiedervermietungsmieten und die bremse: Ein zweites Element des Vorhöchstzulässigen Mieten gelten. Als schlags für einen bundesweiten Mietenausgeglichene Wohnungsmärkte gelten deckel ist die effektive Begrenzung von
Städte und Regionen, in denen die mitt- Wiedervermietungsmieten. In Anlehnung
leren Angebotsmieten maximal 15% über an die seit 2015 bestehende Mietpreisden Bestandsmieten liegen, in denen die bremse sollen künftig drei Stufen gelten.
Fluktuationsreserve – das sind kurzfris- In Gebieten mit ausgeglichenen Wohtige Leerstände, die Mieterwechsel er- nungsmärkten sollen die Wiedervermiemöglichen – mehr als 3% beträgt und die tungsmieten auch künftig frei vereinbart
durch rückläufige oder stagnierende Be- werden können. In Gebieten mit angevölkerungszahlen gekennzeichnet sind.
spannten Wohnungsmärkten gilt die bisAngespannte Wohnungsmärkte sind herige Kappung der Mietpreisbremse von
Städte und Regionen mit steigenden Be- maximal 10% über der Referenzmiete. In
völkerungszahlen, Angebotsmieten, die Gebieten mit Wohnungsnotlagen dürfen
mehr als 15% über den Bestandsmieten Wiedervermietungen die Referenzmiete
liegen und einer Leerstandsquote unter nicht überschreiten. Außer für Neubauten
3%. Als Gebiete mit Wohnungsnotlagen sollen keine Ausnahmen gelten, um die
gelten Städte und Regionen, in denen Handhabung und auch die Durchsetzung
sowohl die Bestands- als auch die Ange- des Neuvermietungslimits zu vereinfabotsmieten überdurchschnittliche Steige- chen. Als Orientierung für die maximale
rungen aufweisen, die Lücken zwischen Neuvermietungsmiete wird auch hier die
Bestands- und Neuvermietungsmieten
überdurchschnittlich hoch sind, oder die
Weiterlesen:
mittlere Mietkostenbelastung mehr als Zum
Holm, Andrej; Raabe, Benjamin 2021: Bundesweiter
30% des Haushaltseinkommen beträgt.
Mietendeckel. Regelungsmöglichkeiten und Beitrag für
Um insbesondere die verfassungs- eine soziale Wohnraumversorgung. Studie im Auftrag der
rechtliche Zulässigkeit eines bun- Fraktion Die Linke im Bundestag und der
Berlin: RLS
desweiten Mietendeckels zu gewähr- Rosa-Luxemburg-Stiftung.
rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/
leisten, baut der Vorschlag im Wesent- sonst_publikationen/Studie_bundesweiter_
lichen auf der Anwendung und Modifi- Mietendeckelerfassung.pdf
MieterEcho 423 April 2022
echte Durchschnittsmiete herangezogen.
Im Fall von Berlin würde diese Regelung
bedeuten, dass Neuvermietungen maximal zu den jeweiligen Durchschnittsmieten der verschiedenen Mietspiegelfelder
erfolgen dürfen, solange sich die Wohnungsnotlage nicht aufgelöst hat.
Leistbarkeit durch höchstzulässige
Mieten: Ein drittes Element des bundesweiten Mietendeckels besteht in der
Aktivierung des § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes (WiStG), der überhöhte Mietzahlungsforderungen ausschließen soll. Für
eine wirksame Anwendung des gesetzlichen Instrumentariums müsste im Gesetz
die Einschränkung auf Fälle aufgehoben
werden, bei denen die „Ausnutzung“ einer Marktlage vorliegt. Eine erleichterte
Handhabung würde die höchstzulässigen Mieten grundsätzlich bei 20% über
der jeweiligen Referenzmiete festlegen.
Alle darüber liegenden Mieten müssten
entsprechend abgesenkt werden. Für die
Gebiete mit Wohnungsnotlagen soll die
höchstzulässige Miete sich abweichend
an der leistbaren Miete orientieren, die
um maximal 20% überschritten werden
darf. Der Referenzwert der Leistbarkeit
berechnet sich im Vorschlag aus dem Median der Haushaltseinkommen und der
mittleren Wohnfläche in der jeweiligen
Stadt. In Berlin liegt diese mittlere Leistbarkeitsgrenze bei 6,03 Euro/qm, so dass
alle Mietpreise abgesenkt werden müssten, die die höchstzulässige Miete von
7,24 Euro/qm (nettokalt) überschreiten.
Bundesweiter Druck nötig
Eine Simulation der Anwendung der
vorgeschlagenen Regelungen für die 50
größten Städte in Deutschland belegt
deren Wirksamkeit. Weit über 1 Million
Haushalte, die unter den aktuellen Bedingungen mehr als 30% ihres Einkommens
zahlen müssen, würden durch den Schutz
vor Mieterhöhungen, die Begrenzung der
Neuvermietungsmieten und die Absenkung überhöhter Mieten eine leistbare
Mietkostenbelastung erhalten. Um diesen
Effekt mit der Zahlung von Wohngeld zu
erreichen, müssten pro Jahr allein in den
untersuchten Großstädten über 5 Milliarden Euro ausgezahlt werden.
Gerade weil ein wirksamer Mietendeckel die Interessen der Mieter/innen
bedient, wird er auf erheblichen Widerstand der Immobilienbranche treffen.
Bundespolitische Mehrheiten in dieser
Frage werden nur erreicht, wenn es einen ebenfalls bundesweiten Druck von
Mieterinitiativen, Verbänden und politischen Organisationen gibt.
h
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BERLIN
Politische Transparente an der Brücke des Zentrum Kreuzberg könnte es nach
Einzug der Polizei nicht mehr geben. Foto: Matthias Coers
Nachbarschaft ist das
Gegenteil von Kontrolle
Polizei und Wohnen am Kottbusser Tor
Von Matthias Coers Hochbahn, Nachtleben, Drogenhandel,
aber auch vertrauensvoller nachbarschaftDas Kottbusser Tor ist ein Ort der licher Strukturen geprägten Ortes.
Nachbarschaft, an dem neben viel Ge- In medialer und städtischer Darstellung
schäftsbetrieb, Nahversorgung, Dienst- spiegelt sich diese Ambivalenz kaum wieleistungen und öffentlichen Einrichtun- der. Polizeilich lebt man hier an einem gegen in erster Linie gewohnt wird. Die fährlichen Ort – nach Zahlen der KrimiPläne für eine neue Polizeiwache über nalitätsstatistik ist dies zutreffend. Für die
dem Platz stehen den Interessen der Anwohner/innen stellt sich die Situation
Anwohner/innen entgegen.
hingegen differenzierter dar. Nach einer
Forschungsstudie von Talja Blokland an
Nach vielen grauen Tagen scheint die der Humboldt-Universität hat der überSonne wieder auf die Wohnhochhäuser wiegende Teil der Bewohner/innen ein gurund um den schillernden Stadtplatz in tes Sicherheitsgefühl. Die Nachbarschaft
Kreuzberg. In der Gastronomie werden ist stark, die vielen Gewerbetreibenden
die Stühle herausgestellt und der Wunsch, leisten hierfür einen wichtigen Beitrag,
den Corona-Blues hinter sich zu lassen, man begegnet, kennt und vertraut sich.
ist spürbar. Einige tausend Berliner Mie- Unbenommen gibt es aber auch seit Jahter/innen haben ihren Lebensmittelpunkt ren Probleme, die die Anwohner/innen
in den Widersprüchen des von Autolärm, belasten. Immer wieder genannt wird die
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starke Frequentierung durch Drogengebraucher/innen und viele hygienische Defizite. Die Treppenhäuser der Großwohnanlagen werden oft als Konsumräume
missbraucht, Müll und Notdurft werden
hinterlassen. Die alltägliche Begegnung
mit Verarmung und Verelendung, manch
raue Sitte auf dem Platz machen es gerade
Familien mit Kindern nicht leicht.
Gleichzeitig gibt es aber auch eine große
Anzahl institutioneller und zivilgesellschaftlicher Akteure, die mit Engagement
versuchen, hier positiv zu intervenieren. Es gibt akzeptierende Sozialarbeit
und Unterstützung für wohnungslose
Menschen. Die Übernahme des Neuen
Kreuzberger Zentrums (NKZ) durch die
städtische Gewobag mit einer aktiven
Verwaltung, die Etablierung eines mitbestimmenden Mieterrats von Mieter/innen
MieterEcho 423 April 2022
BERLIN
und Gewerbetreibenden ist spürbar. Auch und entlang moderner gesellschaftlicher
die südlichen Wohnblöcke wurden kom- Realitäten auszubilden. Dies bewahrt die
munalisiert. Fixpunkt e.V. hat im privat- mit Polizeiarbeit konfrontierten Menwirtschaftlichen Teil des NKZ eine lang schen aber nicht vor den in der Institution
geplante Zweigstelle zur sozialmedizini- unreflektiert tradierten stereotypen Menschen Versorgung eröffnet.
schenbildern, Rassismen oder Gewalt ausübungen. Die endlosen Debatten um
Überwachung von der Brücke
Racial Profiling oder Rechtsextremismus
Die Ankündigung des neuen SPD-geführ- in der Polizei als Einzelfälle sprechen für
ten Senats, eine örtliche Polizeiwache zu sich. Der Berliner Kommissar und Autor
installieren, wird von vielen Mieter/innen Oliver von Dobrowolski stellt seiner eibefürwortet. Akteur/innen und Gewerbe- genen Behörde ein trauriges Zeugnis aus
treibende diskutierten in verschiedenen und spricht von einem langen Weg, der zu
Runden seit Jahren zum Thema Sicher- einer humanen Polizei noch zurückgelegt
heit am Kotti. Polizeiliche Arbeit wird werden muss.
als notwendig gesehen. Das Ansinnen des Wohnungs- und Gewerbemieter/innen,
Innensenats aber, die Polizeiwache in der Nutzer/innen der Dienstleistungen und
Gebäudebrücke über der Adalbertstraße des ÖPNVs wünschen sich einen guten
anzusiedeln, stößt bei vielen am Platz auf Stadtplatz für ihren Alltag, wissend, dass
Unverständnis und Ablehnung.
verschiedenste Akteur/innen und BedinDies mag augenscheinlich daran liegen, gungen dazu beitragen. Eine herausgehodass Kreuzberg immer noch als alterna- bene Polizei, die architektonisch und von
tiver Bezirk gehandelt wird, in dem das ihrer hoheitlichen Position doppelt auf die
Berliner Prinzip leben und leben lassen Menschen herabschaut, schießt aber wohl
mehr geschätzt wird als Ruhe und Ord- über das Ziel hinaus und stellt mindestens
nung. Wesentlich ist aber wohl, dass der gefühlt eine Missachtung des sensiblen
ehemalige Postbezirk SO36 seit einem Zusammenlebens dar.
halben Jahrhundert ein migrantisch ge- Gerade das Kottbusser Tor steht als
prägter Stadtteil ist, in dem für viele Wohnquartier exemplarisch für eine notMenschen aus mentalitätsgeschichtlicher, wendige Wende in der Wohnungspolitik.
biographischer Erfahrung heraus Polizei Die kommunalen Wohnungsunternehmen
nicht für Sicherheit, sondern im Gegen- kauften hier in großem Maßstab Wohnunteil für Unsicherheit und Zurücksetzung gen zu. Leistbare Mieten sollen so für die
steht. Auch in den Führungsebenen der selten einkommensstarken Bewohner/inPolizei gibt es hierfür Bewusstsein und nen gesichert werden. Ein Modellprojekt
auch praktisch versucht die Berliner Po- der Mieter/innenmitbestimmung ist im
lizei, ihr Personal der Bevölkerungsstruk- Koalitionsvertrag verankert. Eine auf dem
tur der Stadt entsprechend zu rekrutieren heutigen Wohnungsmarkt fast utopische
Erzählung, die konträr steht zur häufigen
Stigmatisierung der Großwohnanlagen
und der Menschen, die darin leben. In
den 1990ern wollte die CDU Gebäude
rund um den Kotti noch als Schandfleck
abreißen lassen, um so auch gleich Armut
und migrantisches Leben zu entsorgen.
Der politische, mediale und stadtplanerische Angriff auf soziales Wohnen und die
reale Vernachlässigung solcher Quartiere
seit Jahrzehnten war die Stadtumbaustrategie neoliberaler Eiferer. Heute fällt das
einseitige Verwertungsinteresse der Stadt
auf die Füße und führt zu schweren sozialen Verwerfungen und Einkommensarmut
durch hohe Wohnkosten.
Eine Polizeiwache im Zentrum des markantesten Gebäudes dieses Stadtraumes,
im Brückenteil des NKZ – vom Architekten ursprünglich als schwebend über die
Straße springender, verbindender Ort für
Begegnung und Kultur geplant – symbolisiert den bürgerlich-autoritären Blick auf
das Leben in Großwohnanlagen, das nur
durch Kontrolle und Überwachung geregelt werden könne.
Egal, wie engagiert an Orten, wo sehr viele
Menschen zusammenkommen, am sozialen Miteinander gearbeitet wird, unterstellt
der in abstrakter Sicherheit Denkende die
vermeintlichen Gefahren des sogenannten
Ghettos. Im Innensenat scheint es keine
Wahrnehmung für diese Fragen zu geben.
Vermeintlicher Prävention, also der Verdrängung von Problemen wird die Bedeutung beigemessen, welche bezahlbares
Wohnen und ein aktives, ziviles städtisches Miteinander dringend brauchen. h
Mettmannkiez bleibt!
Bayer will Wohnhäuser abreißen, die offiziell im Gewerbegebiet liegen
Von Susanne Torka dort hängt und seitdem der Werkschutz
regelmäßig beobachtet, sind stadtpoli
Sommer 2021: Ein mutiger Mieter hängt
nach Erhalt der Kündigung ein Transparent mit der Aufschrift „Hier werden
bezahlbare Wohnungen abgerissen“
aus dem Fenster der Tegeler Straße 3.
So macht er auf den drohenden Abriss
durch den Bayer-Konzern aufmerksam.
Obwohl das Transpi nur wenige Tage
MieterEcho 423 April 2022
tische Aktivist/innen alarmiert. Zur ersten Kundgebung Mitte September kommen 70 Menschen.
Abreißen will Bayer zunächst die Häuser
Tegeler Straße 2-5, die bis auf die acht gekündigten Mietparteien bereits entmietet
sind. Der kleine Mettmannkiez umfasst
außerdem die Tegeler Straße 1 sowie 6-7
und die Fennstraße 33-34. Auch diese
Grundstücke gehören Bayer.
Eine planungsrechtliche Besonderheit:
Die Häuser liegen in einem sogenannten „beschränkten Arbeitsgebiet“ (nach
Baunutzungsplan 1960), in dem Wohnen
nicht zulässig ist. Bereits 2009 wurde ein
Bebauungsplan aufgestellt, der für den
ganzen Block „Gewerbegebiet“ vorsieht.
19
BERLIN
Bayer hat weder langfristige Pläne für die Grundstücke noch einen Sozialplan für die Mieter/innen, will aber
trotzdem 140 Wohnungen abreißen. Foto: Matthias Coers
Der Bebauungsplan wurde jedoch nicht 32.000 qm Bürofläche, direkt gegenüber
weiterbearbeitet. Das Bezirksamt Mitte auf der anderen Seite des Berlin-Spankennt die Pläne, die Bayer auf dem Ge- dauer-Schifffahrtskanals haben Nöfer
lände verfolgt, noch gar nicht. Im Som- Architekten den Büro- und Gewerbekommer 2021 verwies die Verwaltung auf die plex „Friedrich-Krause-Ufer 38“ mit ca.
baldige Planbe
arbeitung und die dann 25.000 qm Bürofläche geplant.
notwendige Öffentlichkeitsbeteiligung.
Bayer hat bereits 2016 drei Wohnhäuser
Noch im August beschloss die BVV Mitte auf der anderen Seite der Fennstraße abeinen Dringlichkeitsantrag, der das Be- gerissen – damals mit Sozialplan. Eine
zirksamt auffordert, die 140 Wohnungen Familie, die von dort umgesetzt wurde, ist
zu erhalten und die Mieter/innen – gege- nun wieder bedroht. Für eine neue Konbenenfalls mit einem neuen B-Plan – zu zernzentrale wurde den Mieter/innen der
unterstützen. Mit der Antwort ließ sich Fennstraße 35-37/Am Nordhafen 1 im Jahr
das Bezirksamt Zeit bis November. Mit 2010 gekündigt, das Bauvorhaben jedoch
dem Ergebnis, dass der Bezirk an der pla- 2011 abgesagt. Trotz Gegenwehr der
nungsrechtlichen Festlegung nichts än- Mieter/innen zog Bayer Entmietung und
dern könne, deshalb gelte auch das Zweck- Abriss durch und schuf damit Bauerwarentfremdungsverbot nicht und gegen den tungsland als grüne Wiese. Im Mai 2021
Abriss könne nichts unternommen wer- hat Bayer sein Bürogebäude Sellerstraße
den. Selbst ein Sozialplanverfahren könne 31 verkauft und für mindestens zwei Jahre
der Bezirk nicht durchführen. Außerdem zurückgeleast. Da liegt der Verdacht nahe,
sei die Sicherung des gewerblich-indust- dass auch mit den Grundstücken an der
riellen Standorts von Bayer oberste Prio- Tegeler Straße spekuliert wird.
rität von Bezirk und Senat, festgelegt auch Für kurze Aufregung sorgte zwei Tage vor
im Stadtentwicklungsplan Wirtschaft der Ende Januar im Stadtentwicklungs2030. Wohnungen in der Nachbarschaft ausschuss Mitte mit Spannung erwarteten
könnten die Produktion möglicherwei- Vorstellung der aktuellen Pläne von Bayer
se zu sehr einschränken. Diese Meinung die Abrissankündigung für den leer gevertritt Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) zogenen Seitenflügel der Tegeler Straße
bis heute, obwohl der Eindruck entstan- 3 und der Garagen. Wegen Verdachts auf
den ist, dass ihm nach einem Gespräch ein Fledermausquartier ist dieser zunächst
mit Mieter/innen Mitte Februar 2022 ei- ausgesetzt.
nige Zweifel gekommen sind.
Beim Ausschuss – ein Wortprotokoll liegt
vor – kommt nichts über die langfristigen
Sicherung eines Gewerbestandorts? Pläne! Als Grund für den Abriss verweist
Die Toplage der mehr als 100 Jahre alten der Vertreter von Bayer lediglich auf notHäuser spricht Bände. Schräg gegenüber, wendige Baustelleneinrichtungen, was
als nördlicher Abschluss der Europacity viele Mitglieder der BVV kritisieren.
startete unter anderem kürzlich der Bau Denn es gibt viel freie Fläche und Parkdes „Upbeat“ für die DKB Bank mit ca. plätze auf dem gewerblichen Grundstück.
20
Bayer behauptet, Mieter/innen zu unterstützen, aber außer einer Umzugshilfe für
eine Partei, und der schriftlichen Beteuerung, man wolle sich einvernehmlich einigen, gibt es keine konkreten Angebote.
Im Gegenteil erhalten Mieter/innen Drohbriefe, bis zum Ende der Kündigungsfrist
am 28. Februar 2022 auszuziehen.
Informationen über die Sprechzeit einer
Mitarbeiterin werden erst am Nachmittag
davor bekannt gegeben. Das ist weder
ein Sozialplan noch eine einvernehmliche
Lösung.
Wie geht es jetzt weiter?
Im Februar schlägt Gothe im Stadtentwicklungsausschuss zwei runde Tische
vor, einen für die bereits gekündigten
Mietparteien und einen für die anderen
Häuser. Die „Interessengemeinschaft der
Bewohner*innen des Mettmannkiez“ antwortet mit einem offenen Brief, der unter
anderem einen runden Tisch für alle mit
unabhängiger Moderation und Vergabe
der leeren Wohnungen an Geflüchtete
fordert. Das Bezirksamt beantwortet den
offenen Brief nicht, lädt einen Tag vorher
zu einem runden Tisch am 10. März ein.
Bayer erscheint nicht.
Für die BVV-Sitzung am 17. März gibt es
Anträge der Fraktionen der Grünen und
der Linken, die das Thema aufgreifen. Die
Grünen nehmen Forderungen aus dem
Offenen Brief auf. Die Linke bringt einen
Antrag zur Aufstellung einer sogenannten
Umstrukturierungssatzung (§172 Abs. 1,
Satz 1, Nr. 3 BauGB) ein, die bereits in
Pankow erfolgreich angewendet wurde
um Abriss zu verhindern. Außerdem wird
ein Rechtsgutachten gefordert, da die
Auffassung des Rechtsamts, dass existierende Wohnhäuser, nur weil sie seit 70
Jahren in einem „beschränkten Arbeitsgebiet“ stehen, nicht unter das Zweckentfremdungsverbotsgesetz fallen, massiv
bezweifelt wird. Für alle „beschränkten
Arbeitsgebiete“ mit Wohnhäusern müssten die rechtlichen Regelungen angesichts
von Wohnungsnot und Klimakrise an die
heutigen Erfordernisse angepasst werden.
Neben den planungsrechtlichen Fragen
gibt es auch noch die mietrechtlichen
Auseinandersetzungen. Schließlich ist
zweifelhaft, ob Räumungsklagen, die sich
auf die vorliegenden Verwertungskündigungen stützen, vor Gericht überhaupt
h
Erfolg haben werden.
Susanne Torka ist Mitbegründerin der Initiative
„Wem gehört Moabit“ und ist unter anderem im
Betroffenenrat Lehrter Straße aktiv.
MieterEcho 423 April 2022
BERLIN
Eigentümer/in bleibt anonym
Die Rigaer94 verhindert immer wieder ihre Räumung durch eine Briefkastenfirma
Von Sabrina Ingerl
Die Eigentümerin des Hauses, eine
Briefkastenfirma aus England, will
seit Jahren das Gebäude räumen lassen. Doch solange deren Existenz
nicht bewiesen ist, sind auch Razzien und fragwürdige Brandschutzbegehungen wirkungslos.
Beim Haus mit der Nummer 94 in der Rigaer Straße steht für beide Seiten viel auf
dem Spiel. Für die einen geht es nach einer Räumungswelle von linksautonomen
Projekten um den Erhalt selbstverwalteter Orte in der Stadt. Die Auseinandersetzung ist für das Hausprojekt „ein Abbild
eines weltweiten Kampfes derer, die gegenseitige Hilfe, Selbstverwaltung und
Solidarität anstelle von Diskriminierung,
Ausbeutung und Autorität suchen“, wie
es auf der Internetseite heißt. Zudem fungiert das Haus als Gentrifizierungsbremse
im von rasanten Mietsteigerungen gebeutelten Kiez. Für die andere Seite würde
der Auszug der Rigaer94 aus dem Altbau
im Szenebezirk eine Wertsteigerung der
Immobilie um ein Vielfaches bedeuten.
Wo kein Kläger, da kein Richter
Doch um wen es sich bei der anderen Seite handelt, ist nicht so einfach zu beantworten. Bekannt ist, dass ein Privatmann
in der Ukraine 6% der Anteile von Lafone
Investements Limited hält, dem Unternehmen, an das das Haus 2014 verkauft
wurde. Der Rest gehört einem Berliner
Privatmann, der sich hinter einer weiteren Gesellschaft und Treuhandkonstruktionen verbirgt. Hinweise führen zu dem
Namen Leonid Medved. Als John Dewhurst 2016 seinen Posten als alleiniger
Gesellschafter von Lafone Investments
abtrat, gab er zu, nur Treuhänder für den
eigentlichen Eigentümer gewesen zu sein
und verwies auf die in Berlin ansässige
Centurius Real Estate GmbH. Deren Geschäftsführer ist Leonid Medved. Sein
Name fand sich auch auf einem Brief des
früheren Eigentümeranwalts André Tessmer. Doch bis heute bleiben die Personen
MieterEcho 423 April 2022
Solidarität mit der Gentrifizierungsbremse Rigaer Straße 94 im von Mietsteigerungen gebeutelten Kiez.
Foto: Matthias Coers
hinter Lafone Investments anonym und solange die Rechtmäßigkeit der Eigentüso erscheint bei allen Verhandlungen ge- mergesellschaft fraglich ist, sind auch die
gen die Rigaer94 lediglich deren Kläger- Vorwürfe der Klägerseite gegenstandsanwalt Markus Bernau. Dessen Prozess- los. In dem Verfahren um die Räumung
vollmacht wird allerdings nicht anerkannt der zum Haus gehörenden Vereinsräume
und alle Klagen bleiben deshalb ergebnis- Kadterschmiede Anfang Februar verkünlos. Für Lukas Theune, einen der Anwälte dete das zuständige Gericht, mit einem
der Rigaer94, hat sich „Leonid Medved Rechtsgutachten die Existenz der Lafone
(…) in ein juristisches Konstrukt ver- Investments nach deutschem Recht klären
rannt, aus dem er nicht mehr rauskommt. zu wollen. Für Lukas Theune ist das ein
Er muss zwar in Deutschland keine Steu- Erfolg: „Wir begrüßen, dass das Gericht
ern auf seine Profite zahlen und auf den unsere Auffassung teilt, dass die Lafone
Kanalinseln auch nicht. Aber er darf sich Investments Limited spätestens seit dem
dann eben auch nicht wundern, wenn die Brexit nicht mehr existiert. Damit ist klar,
deutschen Gerichte sich vor diesen Kar- dass die Steuervermeidungskonstruktion,
ren nicht spannen lassen“. Für Theune die Herr Medved hier gewählt hat, geist klar: „Die Briefkastenfirma ‚Lafone scheitert ist.“ Einen Vergleichsvorschlag,
Investments‘ existiert eben nur auf dem dass ab März ein Mietvertrag mit 650
Papier. Und die britische Limited ist in Euro Monatsmiete abgeschlossen und auf
Deutschland jedenfalls dann nicht mehr die ausgebliebenen Mieten vergangener
rechtsfähig, wenn ihr wahrer Sitz hier in Jahre verzichtet werden solle, wurde von
Deutschland ist.“
beiden Seiten abgelehnt.
„Gerade gibt es ja Räumungsklagen geKlage erneut abgewiesen
gen alle Wohnungen, insofern müsste es
Gerade muss sich die Rigaer94 auf zahl- schon eine Gesamtlösung geben, die etreiche Verhandlungen einstellen. Um was bringt“, so Theune dazu. Die RäuGründe für die laufenden Räumungskla- mungsklage gegen die Kadterschmiede
gen zu finden, verschaffte sich der Eigen- wurde am 21. März abgewiesen – weil
tümer immer wieder mit einem massiven der Klägeranwalt keine wirksame ProPolizeiaufgebot Zugang zum Haus. Doch zessvollmacht nachweisen konnte.
h
21
BERLIN
Vom RAW zum Mercedes-Benz-Platz
Die Bebauungspläne der Kurth-Gruppe verschärfen den Aufwertungsdruck im Kiez
Von Peter Nowak
Anziehungspunkt für Besucher/innen aus ung müsste sich in das bestehende RAWaller Welt machte, wenig übrig bleiben Ensemble einfügen und der Anteil der
„Steter Wandel charakterisiert die würde. Ein Großteil der bisherigen ange- Freiflächen müsste viel größer sein. Die
Stadt. Diese Entwicklung ist auch in sagten Kulturräume würde verschwinden. Befürchtung, dass es am RAW-Gelände
der DNA des R.A.W.-Geländes: Nach Vor allem die beiden Hochhäuser, die auf bald aussehen könnte wie am Mercedesüber hundert Jahren industrieller Nut- dem RAW-Gelände geplant sind, sorgen Benz-Platz wird durch die Äußerungen
zung bieten Teile des Geländes seit für Kritik bei einigen Besucher/innen. Sie der Projektentwickler/innen am RAWBeginn des 21. Jahrhunderts künstle- meldeten sich auch nach der Präsentation Tempel keineswegs ausgeräumt. So berischen, kulturellen und gewerblichen mit ihren Einwänden zu Wort.
tonten mehrere Architekt/innen, dass das
Angeboten ein Zuhause.“ So wirbt die geplante Hochhaus am RAW-Gelände gut
Kurth-Gruppe, ein bundesweit agie- Druck auf die Nachbarschaft
in einem Ensemble mit dem Amazon-Torendes Immobilienunternehmen, für Dabei geht es neben dem Erhalt eines wer auf der anderen Seite der Warschaudie Bebauungspläne auf dem Areal subkulturellen Kulturorts auch um die er Straße harmoniert. Dieses Bauprojekt
des ehemaligen Reichsbahnausbes- Folgen der Aufwertungspläne auf die stand vor Baubeginn in der Kritik von
serungswerks zwischen Revaler und Nachbarschaft. „Man darf den Gentrifi- Stadtteilgruppen. Auch sie warnten vor
Warschauer Straße. Wohnungen wer- zierungsdruck, den eine solche Bebau- dem Aufwertungsdruck, der dadurch auf
den dort nicht errichtet, das ist im Be- ung auf das angrenzende Milieuschutz- die angrenzenden Wohngebiete ausgebauungsplan festgeschrieben, der das gebiet hat, nicht unterschätzen. Da wird übt wird. Durch die Pandemie sind die
Areal als Gewerbegebiet ausweist.
ein Schmuddelkiez zur Top-Adresse der Proteste allerdings ausgebremst worden,
Immobilienbranche“, moniert der Ber- während der Amazon-Tower in die Höhe
Ende Februar stellten vier Architekturbü- liner Architekt Carsten Joost gegenüber wächst. So könnte tatsächlich im südliros ihre Planungen vor. Alle bemühten in MieterEcho. Er gehört seit Jahren zu den chen Friedrichshain vom RAW-Tempel
ihren Vorstellungen die DNA des Gelän- Kritiker/innen des aktuellen Bebauungs- bis zum Mercedes-Benz-Platz ein neudes, sprachen von der RAW-Familiy und plans und spart auch nicht mit Kritik an es Eldorado für die Profitinteressen der
verwiesen besonders darauf, wie klimage- den Politiker/innen des Bezirks. „Der Wohnungskonzerne entstehen.
recht und ökologisch ihre Konzepte seien. Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gibt Bei der Diskussion über die Zukunft des
Doch den etwa 150 Anwesenden wurde Kurth-Immobilien freie Hand“, bemän- RAW-Geländes wird vor allem kritisiert,
durch die Schaubilder schnell klar, dass gelt Joost. Sein Wunsch wäre, dass der dass Teile der aktuellen Kultureinrichvom subkulturellen Flair, der das RAW- Bezirk hier seine Planungshoheit ganz tungen auf dem Gelände verschwinden
Gelände vor der Corona-Pandemie zum anders ausübte. Eine ergänzende Bebau- sollen. Dass subkulturelle Einrichtungen
wieder weichen müssen, wenn die Immobilienwirtschaft das Areal erschließt,
während andere kulturelle Einrichtungen mit den neuen Eigentümern kooperieren, ist ein Prozedere, das wir von
vielen anderen Grundstücken kennen.
Viel zu wenig wurde bisher über die
Auswirkungen auf die Nachbarschaft
gesprochen. Subkulturelle Einrichtungen
beförderten die Aufwertung; der Massenansturm der Tourist/innen auf das
RAW-Gelände hat schon in den letzten
Jahren dafür gesorgt, dass in den umliegenden Kiezen die Mieten gestiegen
sind. In vielen Häusern wurden reguläre
Mietwohnungen zu Ferienwohnungen
umgewandelt. Sollte das RAW-Areal eine
Fortsetzung des Mercedes-Benz-Platzes werden, würde der AufwertungsNach der subkulturellen Nutzung erhöhen die neuen Bebauungspläne den Aufwertungsdruck im umliegenden
druck noch einmal verstärkt werden. h
Kiez ein weiteres Mal. Foto: Matthias Coers
22
MieterEcho 423 April 2022
BERLIN
Nur punktuelle Verbesserungen
Die Stadt hat das Ziel von null Verkehrstoten nicht im Blick
Entwicklung Der Unfallzahlen
im Berliner Straßenverkehr 2021
Von Ragnhild Sørensen
Als die Berliner Polizei Ende Februar ihren Unfallbericht veröffentlichte,
waren die Medien begeistert: 2021 sei
seit 30 Jahren das sicherste Jahr mit
den wenigsten im Straßenverkehr Verunglückten. Wer 40 Verkehrstote und
Hunderte Schwerverletzte als Erfolg
betrachtet, hat die Vision Zero, das Ziel
von null Verkehrstoten und Schwerverletzten, nicht verstanden, kritisiert
Changing Cities.
Der Vergleich der Jahreswerte zeigt tatsächlich leicht nach unten, was ja wirklich erfreulich ist. Was aber Radfahrende
und zu Fuß Gehende wirklich erschüttern
muss, ist der Post-Corona-Effekt. Trotz
einer relativen Zunahme des Radverkehrs
während der Corona-Pandemie ist das
Auto der eindeutige Corona-Gewinner,
und das lässt sich an den Unfallzahlen ablesen: Im zweiten Quartal 2021 sehen wir
(im Vergleich zum ersten Quartal) eine
Zunahme der Zahl aller Verletzten um
38% und bei den Getöteten und Schwerverletzten um 44%. Es gibt zwar fast immer eine Zunahme im zweiten Quartal
eines Jahres, aber nicht in diesem hohen
Maße.
Von den 40 im Jahr 2021 im Verkehr
Getöteten waren 14 Personen zu Fuß unterwegs und 10 mit dem Rad. Die ungeschützten Verkehrsteilnehmenden machten also 60% aller Verkehrstoten aus.
Schaut man sich die Entwicklung der Unfallzahlen über einen längeren Zeitraum
an, stellt man fest, dass es seit 2005 keine
signifikante Veränderung gegeben hat. Es
gibt zwar weniger Verkehrstote, dafür ist
die Zahl der Schwerverletzten gestiegen.
Letzteres ist umso erstaunlicher, weil sich
die Fahrzeugtechnik in diesem Zeitraum
Ragnhild Sørensen ist beim Verein Changing
Cities für die Pressearbeit verantwortlich. Der
Verein setzt sich für eine Verkehrswende von
unten ein.
Mehr unter: changing-cities.org
MieterEcho 423 April 2022
1.945 Schwerverletzte
12.680 Leichtverletzte
127.000 Verkehrsunfälle
40 Getötete
1990
1995
2000
2005
2010
2015
2020
Quelle: Statistisches Bundesamt Grafik: nik pitton
erheblich verbessert hat und eine Reduktion der Schwerverletztenzahl nach sich
ziehen müsste.
Etwas Ähnliches kann man über die Infrastruktur für die ungeschützten Verkehrsteilnehmenden nicht sagen. Durch
das 2018 verabschiedete Mobilitätsgesetz
gibt es punktuelle Verbesserungen an einzelnen Stellen in der Stadt. Eine wirkliche
Verkehrswende hat allerdings nicht stattgefunden. Die gefährlichsten Unfallstellen sind nach wie vor die Kreuzungen der
Stadt: Wir haben nachgezählt. Von 2016
bis 2021 haben wir 59 Mahnwachen für
getötete Radfahrende abgehalten. Davon
wurden 27 Radfahrer/innen von rechtsabbiegenden LKW-Fahrer/innen getötet.
Es ist ja nicht so, dass das Problem neu
wäre… Es ist nicht mal so, dass die Lösung nicht bekannt wäre.
Fehlerverzeihende Kreuzungen
Vorgeschriebene LKW-Abbiegeassistenten wären eine solche Lösung. Grund für
die erhöhte Gefährdung an Kreuzungen
sind aber vor allem die Geschwindigkeiten, die durch eine autogerechte Infrastruktur ermöglicht werden. Nur eine kurze Grünphase wird Fußgänger/innen bis
zur Mittelinsel gewährt, oft sind Ecken
zugeparkt, was die Sichtbeziehungen
behindert oder geradeaus Radfahrende
und abbiegende Kraftfahrzeuge müssen
sich auf engstem Platz einfach „arrangieren“. Dabei zeigen die Niederlande, wie
es geht. Das sogenannte fehlerverzeihende Kreuzungsmodell macht mit wenigen
Tricks das Leben aller Verkehrsteilnehmenden viel sicherer.
Die entscheidende Maßnahme besteht
aus vier Schutzinseln, die Rad- und KfzVerkehr an den Ecken einer Kreuzung
trennen. Der rechtsabbiegende PKW-Verkehr muss diese kleinen, linsenförmigen
Inseln umfahren und hat anschließend
einen frontalen Blick auf zu Fuß Gehende und Radfahrende, bevor er ihre Wege
kreuzt. Zudem erlaubt das Kreuzungsdesign, dass ein rechtsabbiegendes Auto
vor dem Radweg und dem Zebrastreifen
Platz zum Warten hat, ohne dabei den
restlichen Verkehr zu behindern.
In Berlin gibt es solche Kreuzungen nicht,
keine einzige. Berlin hat kein Verkehrssicherheitsprogramm (das letzte lief Ende
2020 aus). Es gibt keine Vision-ZeroStrategie. Bei der Unfallkommission, die
die Unfallorte prüft, fehlt entweder Einsicht oder Sensibilität für die Bedeutung
von Infrastruktur, denn kaum ein Knotenpunkt wird nach einem Unfall umgebaut.
Oslo und Helsinki dagegen haben ihren
Städten gezielt Tempo 30 verordnet und
die Infrastruktur konsequent umgebaut.
Das Ergebnis 2021 waren null Verkehrsh
tote. Es geht also doch.
23
MIETRECHT
BERLIN
AKTUELL
Mieter/innen fragen – wir antworten
Datenschutz im Mietverhältnis
regelt. Das sind solche Daten, die einen
Von Rechtsanwalt Hagen Richter
direkten oder indirekten persönlichen BeMieter/innen müssen bereits bei der zug zu Ihnen haben und damit RückschlüsBewerbung um eine Wohnung eine Rei- se auf Ihr Leben ermöglichen. Beispiele
he von Daten von sich preisgeben und sind: Telefonnummer, E-Mail-Adresse,
im Laufe des Mietverhältnisses werden Fotos, Arbeitsplatz, Einkommensverhältnoch weitere Daten abverlangt. Dass ein nisse oder Bankdaten. Das Wichtigste
Mietvertrag ohne Daten der Mieter/in- dabei ist, dass Vermieter immer eine Benen weder abgeschlossen noch durch- rechtigung für die Nutzung Ihrer Daten
geführt werden kann, liegt auf der Hand. benötigen und stets an den damit zusamDie Grenzen für zulässige Datenverar- menhängenden Zweck gebunden sind.
beitungen werden jedoch nicht immer Fehlt die Berechtigung, ist das Sammeln
eingehalten. Kennen Sie daher Ihre Ihrer Daten sogar verboten! Ihre Daten
Rechte und setzen Sie diese clever dürfen auch nur in dem Maße genutzt
durch!
werden, wie es die Berechtigung des Ver mieters erfordert. Es gilt der Grundsatz der
Es gilt seit 2018 die europäische Daten- Datensparsamkeit. Eine der großen Ändeschutzgrundverordnung (DS-GVO). Was rungen durch die DS-GVO ist nun, dass
hat sich dadurch für Mieter/innen geän- Ihnen effektive Ansprüche gegenüber den
dert? Muss sich mein Vermieter an den Vermietern zustehen. Sie haben beispielsDatenschutz halten?
weise Anspruch darauf, dass Ihnen die
Datenschutz gilt natürlich auch bei Miet- vermieterseitigen Datennutzungen durch
verhältnissen! Zunächst müssen Sie wis- aussagekräftige Informationen vorab besen, dass die DS-GVO nur den Schutz kannt gemacht werden. Sie können Aussogenannter personenbezogener Daten kunft über erfolgte Nutzungen Ihrer Daten
24
beanspruchen. Oder Sie können die Löschung Ihrer Daten verlangen, wenn Ihr
Vermieter keine Berechtigung zur Nutzung (mehr) hat. Außerdem können nun
Vermieter von der Datenschutzaufsichtsbehörde des Landes Berlin durch Bußgelder an die Einhaltung der Regeln „erinnert“ werden. Mieter/innen stehen also
diverse Rechte gegenüber Vermietern zu.
Ich suche derzeit eine Wohnung und
staune, wie viele Angaben ich machen
soll, ohne die Wohnung überhaupt gesehen zu haben.Welche Daten muss ich von
mir preisgeben, wenn ich mich nur für
einen Besichtigungstermin anmelde?
Welche Daten Sie bei der Wohnungssuche
preisgeben müssen, hängt vom Stadium
Ihrer Bewerbungsbemühungen ab. Je
nachdem wie konkret Ihre Vertragsabsichten und die des Vermieters sind, müssen
unterschiedliche Informationen mitgeteilt
werden. Wenn Sie lediglich einen Besichtigungstermin vereinbaren möchten, haben Vermieter ein berechtigtes Interesse
MieterEcho 423 April 2022
MIETRECHT AKTUELL
Foto: Matthias Coers
daran, die folgenden Informationen zu betreffen – müssen korrekt sein. Stellt sich
erhalten: Name, Anschrift, Telefonnum- im Laufe des Mietverhältnisses heraus,
mer oder E-Mail-Adresse sowie auch den dass die Angaben falsch waren, ist der
Namen und die Anschrift weiterer Mitmie- Mietvertrag möglicherweise angreifbar.
ter/innen, die später im Mietvertrag stehen Häufig werden bereits vor dem Besichtisollen. Auch die Anzahl der einziehenden gungstermin weitergehende Daten abgePersonen mit Altersangaben kann eine fragt, um eine Vorauswahl aus allen Inteberechtigte Frage darstellen. Zudem sind ressent/innen zu treffen. Eine rechtliche
bei Sozialwohnungen die Informationen Grundlage hat das Verlangen nach weitereines Wohnberechtigungsscheins (Wohn- gehenden persönlichen Informationen jefläche, Anzahl der Räume) bereits frühzei- doch meist nicht.
tig mitzuteilen. Die Mitteilung weiterer Das kann ausnahmsweise auch einmal
Angaben ist für die Teilnahme an einem anders zu bewerten sein, etwa wenn eine
Besichtigungstermin aber grundsätzlich nahtlose Anschlussvermietung stattfinden
soll. In dem Fall ist den derzeitigen Mieter/
nicht erforderlich.
innen die Besichtigung ihrer privaten RäuWelche Daten muss ich auf Verlangen me durch eine Vielzahl von Personen nicht
des Vermieters von mir preisgeben, wenn zumutbar, sodass ausnahmsweise ein beich mich nach der Besichtigung auf die rechtigtes Interesse daran bestehen kann,
Wohnung bewerbe?
frühzeitig eine Vorauswahl zu treffen.
Bei der Bewerbung auf eine besichtigte Sollten Sie sogar tatsächlich einmal eine
Wohnung können folgende Angaben ver- Wohnung anmieten, ohne diese vorher
langt werden: Geburtsort und Geburtsda- gesehen zu haben, denken Sie bitte auch
tum der in den Vertrag aufzunehmenden an Ihr fristgebundenes Widerrufsrecht Fragen des Vermieters, die den höchst persönlichen
Mieter/innen (gegebenenfalls auch Vorla- (§ 312 Absatz 4 BGB).
Lebensbereich von Mieter/innen betreffen, wie zum
ge des Personalausweises zur Prüfung), Beispiel nach ethnischer Zugehörigkeit, Religion,
Höhe des Nettoeinkommens der Mieter/ Welche Daten muss ich von mir preis- politischer Überzeugung oder sexueller Orientierung,
innen, etwaig laufende Einkommenspfän- geben, wenn ich den Mietvertrag tat- müssen Mieter/innen nicht beantworten. Sie dürfen,
wenn es für sie von Vorteil ist, solche Fragen auch
dungen, Vermögensauskünfte aus den sächlich abschließe?
unwahrheitsgemäß beantworten, ohne dass ihnen
letzten zwei Jahren, eine laufende Pri- Hat sich der Vermieter für Sie entschieden, später ein Nachteil daraus entstehen kann.
vatinsolvenz der Mieter/innen, Räu- können nun neben den zuvor genannten
mungsklagen bzw. Vollstreckungsmaß- Informationen solche Daten gefordert
nahmen wegen Mietschulden der letzten 5 werden, welche Einblick in die besonders einer Behinderung, strafrechtlichen
Jahre, Beruf der Mieter/innen sowie die schützenswerten Bereiche Ihrer Finanzen Verurteilungen, einer Mitgliedschaft in
aktuellen Arbeitgeber oder auch der Besitz gewähren. Sie müssen daher erst jetzt Ihre einem Mieterverein, ob ich häufig Musik
eines Haustiers. Einkommensverhältnisse durch Belege höre oder ob ich rauche?
Diese Daten dürfen Vermieter verlangen, nachweisen und Ihre Bankverbindung Bei diesen konkreten Fragen geht es nicht
weil sie der Vorbereitung eines möglichen mitteilen. Weiterhin müssen Sie dem Ver- nur um die datenschutzrechtliche ZuläsMietvertrags dienen oder konkrete berech- mieter nun Informationen zum vorherigen sigkeit. Diese Fragen zählen zum höchsttigte Interessen des Vermieters überwie- Mietverhältnis (Mietschuldenfreiheitsbe- persönlichen Lebensbereich und gehen
gen. Die Angaben zu Ihrer Bonität – also scheinigung oder andere Belege) geben. Vermieter zu keinem Zeitpunkt etwas an.
Informationen, die Ihre Zahlungsfähigkeit Auch die Selbstauskunft durch eine Aus- Wenn es für Sie von Vorteil ist, dürfen Sie
kunftei (etwa Schufa) kann in diesem hier auch lügen. Es kann Ihnen daraus
Stadium gefordert werden. Hier genügen später kein Nachteil entstehen. Eine Künaber statt einer umfassenden Selbstaus- digung des Mietverhältnisses kann nicht
kunft schon solche Auskünfte, die für das mit solch einer falschen Angabe begründet
Mietverhältnis von ausreichendem Inter- werden, denn es handelt sich hierbei um
esse sind. Kontaktdaten früherer Vermie- unzulässige Fragen.
ter können von Ihnen nicht verlangt wer-
den. Mit Blick auf den stark angespannten
Das Recht des Vermieters zur Abfrage Wohnungsmarkt und die Konkurrenzsidieser Daten folgt hier aus der Vorberei- tuation unter hunderten Wohnungsbetung des Mietvertrags oder konkreten be- werber/innen habe ich nicht immer
gleich die Möglichkeit, unzulässige Darechtigten Interessen des Vermieters.
tenabfragen eines Vermieters zu verhin-
Rechtsanwalt Hagen Richter
MieterEcho 423 April 2022
Was mache ich, wenn sich der Vermieter
nach folgenden Punkten erkundigt:
meiner Religion, meiner ethnischen Zugehörigkeit, meinen persönlichen bzw.
politischen Überzeugungen, meiner sexuellen Orientierung, meinen Familienplänen, meinem Gesundheitszustand,
dern. Welche Möglichkeiten habe ich
dann im Anschluss?
In der Realität ist es oft nicht möglich oder
mit erheblichen Schwierigkeiten und
Nachteilen verbunden, sofort auf die eigenen Datenschutzrechte zu pochen. Wenn
Ihnen zum Beispiel bei der Vereinbarung
25
MIETRECHT
BERLIN
AKTUELL
eines Besichtigungstermins keine andere dass Ihre Daten an Dritte übermittelt werWahl bleibt, als dem Vermieter Angaben den. Für die Weitergabe Ihrer Kontaktdazu machen, auf die eigentlich kein An- ten (Name, E-Mail oder Telefon) kann sich
spruch besteht, können Sie Ihre Rechte zu Ihr Vermieter aber im Einzelfall doch auf
einem späteren Zeitpunkt durchsetzen. ein berechtigtes Interesse oder den MietWenn Daten unberechtigt abgefragt wur- vertrag berufen. Und zwar vor allem dann,
den, können Sie die zuvor genannten Da- wenn eine schnelle Schadensbeseitigung
tenschutzrechte geltend machen. Sie kön- notwendig ist. Sofern Sie dem Vermieter
nen etwa Auskunft zur Datenverarbeitung Ihre ausdrückliche Einwilligung zur Weiund/oder Löschung verlangen – notfalls tergabe Ihrer Kontaktdaten erteilt haben,
auch durch Klage beim Gericht. Reagiert können Sie dies jederzeit für die Zukunft
der Vermieter nicht auf die Ausübung Ihrer widerrufen. Wenn Sie grundsätzlich keine
Rechte, können Sie auch eine Beschwerde Weitergabe Ihrer Telefonnummer wünbei der Berliner Datenschutzaufsichtsbe- schen, können Sie gegenüber dem Vermiehörde einreichen. ter Ihr Widerspruchsrecht gemäß Art. 21
Einige Daten – wie etwa der Name einer Absatz 1 DS-GVO geltend machen.
Person – offenbaren automatisch einen Sie sind bei der Anmietung einer neuen
möglichen Migrationshintergrund. Eine Wohnung gemäß § 17 BMG verpflichtet,
rassistische Diskriminierung oder Un- eine sogenannte Wohnungsgeberbescheigleichbehandlung wegen der ethnischen nigung (Vermieterbescheinigung) bei der
Herkunft ist durch das generelle Benach- Meldebehörde einzureichen. Gemäß § 19 Endet der Mietvertrag, müssen die erhobenen
teiligungsverbot stets verboten. Hat Ihr Absatz 1 und 4 BMG kann aber auch der Daten gelöscht werden, in der Praxis jedoch gelten
Vermieter mehr als 50 Wohnungen in Vermieter eine elektronische Bestätigung unterschiedliche Löschzeitpunkte, zudem gelten für
bestimmte Unterlagen gesetzliche Aufbewahrungsseinem Bestand, liegt ein sogenanntes gegenüber der Meldebehörde einreichen fristen.
Massengeschäft vor und es gelten zusätz- – Sie erhalten hier von Ihrem Vermieter
lich die Anforderungen an das Benachtei- eine Vorgangsnummer. Die Berechtigung
ligungsverbot gemäß § 2 Absatz 2 Allge- dazu liegt in der gesetzlichen Pflicht, die dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). das Bundesmeldegesetz bestimmt. Der setz (AGG) begangen haben. Betroffene
Liegt eine Benachteiligung bei der Anmie- Vermieter darf folgende Daten an die müssen ihre Ansprüche nach dem AGG
tung einer Wohnung vor, können Sie sich Meldebehörde weiterleiten: Einzugsda- innerhalb von 2 Monaten geltend machen,
dagegen wehren. Lassen Sie sich hierzu tum, Anschrift der Wohnung sowie Namen sodass für Vermieter spätestens 6 Monate
bei uns beraten oder nutzen Sie die Bera- der nach § 17 Absatz 1 BMG meldepflich- nach dem Vertragsschluss kein Grund für
das Vorhalten der Daten gegeben ist.
tungsangebote der Antidiskriminierungs- tigen Personen.
stellen wie dem Antidiskriminierungs- Im laufenden Mietverhältnis sind solche
Wann erfolgt die Löschung meiner Daten zu löschen, die etwa im Auswahlnetzwerk Berlin (ADNB).
übermittelten Daten? Was passiert mit verfahren erhoben wurden, nun aber nicht
Dürfen Vermieter einfach meine Daten meinen Daten nach der Beendigung des mehr benötigt werden. Beispielsweise
Mietverhältnisses? müssen die Daten aus der Selbstauskunft,
an Handwerker/innen weitergeben?
Die Übermittlung der Daten kann über- Grundsätzlich dürfen Ihre Daten nur so- also diejenigen zur wirtschaftlichen Leishaupt nur dann zulässig sein, wenn tat- lange genutzt werden, wie es die jeweils tungsfähigkeit, spätestens 2 Jahre nach
sächlich auch Instandsetzungsmaßnah- konkrete Rechtsgrundlage des Vermieters Mietvertragsschluss gelöscht werden.
men oder Wartungsarbeiten anfallen. Die zulässt. Fällt der zugrunde liegende Miet- Nach Beendigung des Mietverhältnisses
Weitergabe darf nur dazu dienen, dass vertrag oder das überwiegende, berechtig- dürfen zum Beispiel Kontaktdaten ehemaHandwerker/innen zur Vereinbarung eines te Interesse des Vermieters weg, müssen liger Mieter/innen für die Dauer der VerTermins Kontakt aufnehmen können. Die die Daten gelöscht werden. Die Frage nach jährungsfristen noch behalten werden.
anlasslose Übermittlung ist nie gestattet. der Löschung ist in der Praxis jedoch Wenn noch Betriebskostenabrechnungen
Andere Daten als Kontaktdaten dürfen komplexer als es dieser Grundsatz vermu- offen sind, muss nach erfolgter Abrechgrundsätzlich nicht weitergegeben wer- ten lassen würde. Je nach konkreter Art der nung oder spätestens 3 Jahre nach Mietden. Außerdem muss die Weitergabe Ihrer jeweiligen Datennutzung ergeben sich un- vertragsende gelöscht werden. Ähnlich
Kontaktdaten auch tatsächlich erforder- terschiedliche Löschzeitpunkte. Daneben kann es auch bei Kautionsansprüchen
lich sein, um die notwendige zügige gibt es für bestimmte Unterlagen beson- sein.
Durchführung des Termins zu ermögli- dere gesetzliche Aufbewahrungsfristen. Daneben spielen noch die erwähnten gechen. Soll der Termin weit in der Zukunft Wenn Sie sich beispielsweise erfolglos auf setzlichen Aufbewahrungsfristen eine
liegen, dürfte die ungewollte Weitergabe eine Wohnung beworben haben, muss die Rolle. Geschäftsunterlagen und sogenicht ohne Weiteres erforderlich sein, da Löschung Ihrer Bewerbungsdaten spätes- nannte Handelsbriefe müssen 6 Jahre aufalternative Abstimmungsmöglichkeiten tens nach 6 Monaten nach Abschluss des bewahrt werden, steuerrechtliche Unterlabestehen. Hier könnte die Handwerksfir- Mietvertrags mit den Mitbewerber/innen gen sogar 10 Jahre. Das bedeutet, dass
ma oder die Hausverwaltung auch einen erfolgen. Der Grund dafür ist, dass Ver- steuerrechtliche Buchungsbelege wie ein
Benachrichtigungszettel in den Briefkas- mieter ein berechtigtes Interesse daran Mietvertrag 10 Jahre nach dem Ende des
ten werfen. So haben Sie selbst die Mög- haben, im Bedarfsfall nachweisen zu kön- Mietverhältnisses aufbewahrt werden
lichkeit gegebenenfalls erforderliche Ter- nen, dass sie bei der Auswahl der Bewer- müssen. Im Bedarfsfall lassen Sie sich zu
minabstimmungen vorzunehmen, ohne ber/innen keine Diskriminierung nach diesen Einzelfragen beraten.
26
MieterEcho 423 April 2022
RECHT UND RECHTSPRECHUNG
AG Kreuzberg
Urteil vom 27. September 2021
AZ: 20 C 149/21
ruanischen Lebensgefährtin nicht zu der
Annahme, dass zukünftig der Lebensmittelpunkt der beiden in Berlin liegen solle.
Kündigung wegen
Eigenbedarfs
Mitgeteilt von Rechtsanwältin
Franziska Dams
Ein Kündigungsschreiben, in welchem
der Vermieter wahrheitswidrig angibt,
dass ihm kein weiterer Wohnraum zur
Verfügung stünde, ist nicht ordnungsgemäß und kann einen Räumungsanspruch nicht begründen.
Der Vermieter einer Kreuzberger Zweizimmerwohnung kündigte seinem dort
seit 1987 wohnenden Mieter am 9. Oktober 2020 wegen Eigenbedarfs zum
31. Juli 2021. Er benötige die Wohnung für
sich selbst und anderer Wohnraum stünde ihm nicht zur Verfügung. Im Laufe des
Räumungsprozesses teilte er mit, dass er
derzeit in einer anderen Zweizimmerwohnung wohne. Ursprünglich habe er diese
Wohnung mit der Mutter seines Sohnes
bewohnt, welche nun in Bayern lebte,
weshalb er ein Zimmer untervermietet
habe. Aufgrund der beengten Wohnungsverhältnisse in der jetzigen Wohnung
weigere sich die Mutter, den Sohn für Besuche nach Berlin zu lassen. Schließlich
behauptete er, mit seiner derzeitigen peruanischen Lebensgefährtin, mit welcher
er ebenfalls einen Kinderwunsch hege,
eine gemeinsame Zukunft in Berlin zu planen. Es stellte sich heraus, dass der Vermieter tatsächlich noch zwei Eigentumswohnungen in Spandau und eine weitere
Wohnung in Mariendorf besitzt. Außerdem
gibt es Internetauftritte mit seiner Lebensgefährtin, mit welcher er in Peru ein Tourismusprojekt betreibt.
Das Amtsgericht Kreuzberg wies seine
Räumungsklage ab. Zum einen sei bereits
die Kündigung nicht ordnungsgemäß. Der
Vermieter sei „zwar nicht verpflichtet, im
Kündigungsschreiben Angaben zu anderem Wohneigentum zu machen, er darf
aber keine falschen Angaben machen“ .
Da er in seinem Kündigungsschreiben
explizit behauptet hatte, dass weiterer
Wohnraum nicht vorhanden sei, könne er
seinen Räumungsanspruch nicht auf diese Kündigung stützen. Im Übrigen stellte
das Amtsgericht klar, dass auch der Vortrag zu seinem angeblichen Wunsch, die
Wohnung selbst zu nutzen, widersprüchlich sei. Weshalb er ein Zimmer der von
ihm bewohnten Wohnung untervermietet
habe, nachdem die Mutter seines Sohnes
mit diesem ausgezogen war, erschließe
sich nicht. Er habe bereits zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass er Besuche seines
Sohnes wünsche. Auch führten die Internetauftritte des Klägers mit seiner peMieterEcho 423 April 2022
Droht dem/der Mieter/in bei einem Umzug nach
begründeter Eigenbedarfskündigung eine unmittelbare Gefahr der Verschlechterung der Gesundheit
und des psychischen Befindens, kann diese/r die
Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen.
AG Kreuzberg
Urteil vom 11. Januar 2022
AZ: 6 C 61/20
Kündigung wegen Eigenbedarfs und Härtegründe
des Gutachtens überzeugt, dass die „unmittelbare Gefahr einer Verschlechterung
der psychischen Situation der Beklagten“
weit über das „übliche Maß an Belastungen aufgrund eines Wohnungswechsels“ hinausginge. Außerdem begründe
in diesem besonderen Fall auch die lange Wohndauer und die damit einhergehende „Verwurzelung“ eine besondere
Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 BGB.
Aufgrund der gesundheitlichen Labilität
der Mieterin und ihrer geminderten Fähigkeit, Therapieempfehlungen zu folgen,
sei ein „strukturierendes Umfeld, welches
ihr Halt gibt und in welchem sie ohne besondere Schwierigkeiten in Krisensituationen die notwendigen medizinischen
und sozialen Hilfeangebote finden kann,
von gesteigerter Bedeutung“ . Auch stellte
das Gericht fest, dass das Interesse der
Mieterin am Erhalt der Wohnung das Interesse der Vermieter an der Beendigung
des Mietverhältnisses überwiegt. Bei dieser Abwägung spielte auch eine Rolle,
dass es dem 25-jährigen Sohn des Vermieters einfacher als der Mieterin fallen
würde, geeigneten Ersatzwohnraum auf
dem Wohnungsmarkt zu finden. Die Räumungsklage der Vermieter wurde daher
abgewiesen.
Mitgeteilt von Rechtsanwältin
Franziska Dams
Eine Mieterin kann auch bei einer begründeten Eigenbedarfskündigung die
Fortsetzung des Mietverhältnisses auf
unbestimmte Zeit verlangen, wenn ein
Umzug die unmittelbare Gefahr der
Verschlechterung der gesundheitlichen
und psychischen Situation der Mieterin
bedeuten würde.
Die Vermieter einer Wohnung in Kreuzberg kündigten der dort seit über 20
Jahren lebenden Mieterin wegen Eigenbedarfs. Einer der Vermieter wollte die
Wohnung seinem 25-jährigen Sohn, welcher die Wohnung gemeinsam mit einem
Freund nutzen wollte, gegen eine „marktangemessene“ Miete zur Verfügung stellen. Das Gericht war nach Vernehmung
des Sohnes sowie seines Großvaters
von der Ernsthaftigkeit dieser Nutzungsabsicht überzeugt. Allerdings hatte die
Mieterin eingewandt, dass die Räumung
der Wohnung für sie wegen ihrer chronischen gesundheitlichen und psychischen
Probleme sowie wegen ihrer Verwurzelung in der Wohngegend eine besondere Härte darstellen würde. Das Gericht
holte zum gesundheitlichen Zustand der
Klägerin ein Sachverständigengutachten
ein. Dieses bestätigte das Vorliegen einer
schweren rheumatischen Grunderkrankung sowie schwerer psychischer Probleme mit erhöhter Wiederholungsgefahr für
Suizide. Das Gericht war auf Grundlage
LG Berlin
Urteil vom 21. Dezember 2021
AZ: 63 S 141/21
Hauptmieterwechsel in einer
Wohngemeinschaft
Mitgeteilt von Rechtsanwalt
Hans-Christoph Friedmann
Ein Anspruch einer Wohngemeinschaft, die Zustimmung des Vermieters
zur Auswechselung einzelner Hauptmieter zu verlangen, besteht jedenfalls
dann nicht, wenn im Vertrag eine Regelung getroffen wurde, wonach diejenigen Personen, die dem Vermieter
als Vertragspartner gegenüberstehen,
konstant dieselben bleiben sollten.
Im Jahr 2017 mieteten mehrere Studenten
eine Siebenzimmerwohnung in Friedenau
an. Im Mietvertrag wurden lediglich zwei
der Studenten als Hauptmieter aufgeführt.
In § 1 des Mietvertrags ist festgehalten,
dass die Vermietung „zur Benutzung als
Wohnung durch eine Wohngemeinschaft
mit max. 7 Personen“ erfolgt. In § 23 des
Mietvertrages heißt es: „Der Mieter erhält
vom Vermieter die Genehmigung zur Untervermietung der Wohnung, bleibt aber
gegenüber dem Vermieter in der vollen
Haftung für eventuelle Schäden. Die Wohnung wird ausschließlich zu Wohnzwe27
BERLINUND RECHTSPRECHUNG
RECHT
ten Zimmer bei ihrem Auszug aus der
Wohngemeinschaft an andere Personen
unterzuvermieten, sodass ihnen insoweit
jedenfalls keine Kosten mehr entstehen.
Den beiden Mietern ist danach – anders
als die an einer Beendigung des Mietverhältnisses interessierte Vermieterin meinte – auch eine komplette Überlassung der
Wohnung an Untermieter möglich.
Vermieter sind nicht verpflichtet, dem Austausch einzelner Hauptmieter/innen einer Wohngemeinschaft
zuzustimmen, wenn der Mietvertrag eine Regelung
beinhaltet, wonach die Mieter/innen die dem Vermieter als Vertragspartner/innen gegenüberstehen,
konstant dieselben bleiben sollen.
cken genutzt. Die Anzahl der Untermieter
ist auf max. 7 Personen beschränkt. “
Nachdem einer der beiden Hauptmieter
ausgezogen war, begehrten die Mieter
von ihrer Vermieterin die Zustimmung
zum Ausscheiden dieses Mieters aus dem
Mietvertrag bei gleichzeitiger Aufnahme
eines der bisherigen Untermieter in den
Vertrag. Dies verweigerte die Vermieterin.
Nach Auffassung des Landgerichts Berlin
zu Recht. Die Zivilkammer 63 des Landgerichts ließ dabei offen, ob „allein die
Tatsache, dass ein Mietvertrag auf Mieterseite von einer Personenmehrheit geschlossen wird, die sich zu einer Wohngemeinschaft zusammen getan haben,
und dies auch dem Vermieter bekannt
war“ , einen solchen Anspruch auf Austausch eines Hauptmieters rechtfertigt,
weil dem Vermieter dann von vornherein
klar sein müsse, dass die Gemeinschaft
nicht auf Dauer angelegt sei. Vorliegend
hätten sich nämlich die Vertragsparteien
„ersichtlich für eine Lösung entschieden,
bei der trotz der Tatsache, dass die Wohnung vertragsgemäß durch eine in ihrer
Zusammensetzung flexible Wohngemeinschaft bewohnt werden sollte, diejenigen
Personen, die der (Vermieterin) als Mieter
gegenübertreten, konstant dieselben bleiben sollten“ . Gemäß § 23 des Mietvertrages sei es für die Vermieterin erkennbar
nicht von Bedeutung gewesen, ob die
beiden Mieter überhaupt selbst Mitglieder der Wohngemeinschaft sind und die
Wohnung bewohnen; sie sollten jedoch
ihre vertraglichen Ansprechpartner sein
und bleiben. Gleichzeitig ist es den Mietern nach Auffassung des Landgerichts in
diesem Fall unbenommen, die gegebenenfalls bislang von ihnen selbst bewohn28
Anmerkung: Das Thema Hauptmieterwechsel bei der Vermietung an Wohngemeinschaften ist gerade in Zeiten knappen Wohnraums von großer Bedeutung.
In der Rechtsprechung ist der Anspruch
sehr umstritten. Während u. a. die Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin
seit Jahren einen Anspruch der Mieter/
innen auf Austausch einzelner Mieter/
innen dann bejaht, wenn an mehrere
junge, nicht verwandte Menschen, die
sich noch in der Ausbildung befinden,
vermietet wird, hat die Zivilkammer 64 in
einem Urteil vom 18. August 2021 (AZ: 64
S 261/20) grundsätzlich einen solchen
Anspruch abgelehnt, wenn es keine Regelung im Mietvertrag zur Auswechslung
einzelner Hauptmieter/innen gibt. Die 64.
Zivilkammer hat die Revision gegen ihr
Urteil zugelassen. Die Mieter haben Revision eingelegt.
Es bleibt nun abzuwarten, wie der Bundesgerichtshof zu der Thematik Hauptmieterwechsel in Wohngemeinschaften
entscheidet. Wir werden berichten.
BGH
Urteil vom 9. Dezember 2020
AZ: VIII ZR 238/18
Wegfall des Eigenbedarfs
nach Kündigung
a) Hat der Vermieter das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs (§ 573 Abs. 2
Nr. 2 BGB) gekündigt, hat er – zur
Vermeidung eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens – den Mieter auf
einen späteren Wegfall des Eigenbedarfs bis zum Ablauf der Kündigungsfrist hinzuweisen (...). Dieser Zeitpunkt ist für das Bestehen
einer Hinweispflicht grundsätzlich
auch dann maßgebend, wenn die Parteien in einem (gerichtlichen) Räumungsvergleich einen späteren Auszugstermin des Mieters vereinbaren.
b) Der ersatzfähige (Kündigungsfolge-)Schaden eines Mieters nach
einer unberechtigten Eigenbedarfskündigung durch den Vermieter umfasst nicht die zum Zwecke des Eigentumserwerbs
einer
Wohnung
angefallenen
Maklerkosten
(…).
(Leitsätze von der Redaktion Mieter-
Echo gekürzt.)
Die Vermieterin einer Wohnung in Berlin
kündigte dem Mieter am 2. Dezember 2011
zum 31. August 2012, da sie die Wohnung
für die Tochter eines ihrer Gesellschafter
benötigte. Das Amtsgericht Charlottenburg gab der Räumungsklage statt. Während des laufenden Berufungsverfahrens
vor dem Landgericht Berlin erwarb der
Mieter eine Eigentumswohnung, um so
zukünftig seinen Wohnbedarf zu decken.
Der für ihn tätige Makler stellte ihm für die
Vermittlung einen Betrag von 29.543,42
Euro in Rechnung. Im Berufungsverfahren schlossen die Vermieterin und der
Mieter sodann einen Vergleich, wonach
sich der Mieter zur Räumung der Wohnung bis Ende Februar 2016 verpflichtete.
Tatsächlich räumte er die Wohnung dann
im Juni 2016. Da die Tochter des Gesellschafters der Vermieterin nicht in die Wohnung einzog, ging der Mieter davon aus,
dass der Eigenbedarf von Anfang an nur
vorgetäuscht war. Zumindest hatte es die
Vermieterin nach seiner Auffassung versäumt, ihm mitzuteilen, dass der Eigenbedarf nach der Kündigung entfallen wäre.
Er machte daher Schadensersatzansprüche geltend, unter anderem auch die
an den Makler gezahlten Kosten für die
Vermittlung der Eigentumswohnung. Die
Zivilkammer 64 des Landgerichts Berlin
sprach dem Mieter Schadensersatz (auch
die aufgewandten Maklerkosten) zu, da
die Vermieterin nicht ausreichend dargelegt habe, dass der Eigenbedarf zum Zeitpunkt des Ablaufs der im Räumungsvergleich vereinbarten Räumungsfrist noch
bestanden habe. Nach seiner Auffassung
seien auch die vom Mieter aufgewandten
Maklerkosten auf die Pflichtverletzung der
Vermieterin zurückzuführen.
Das sah der Bundesgerichtshof anders
und hob auf die Revision der Vermieterin
das Urteil auf. Entgegen der Ansicht des
Landgerichts habe eine Hinweispflicht bezüglich eines wegfallenden Eigenbedarfs
nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist
(und damit bis zur Beendigung des Mietverhältnisses), hier also bis zum 31. August 2012, bestanden und nicht – wie vom
Landgericht Berlin angenommen – bis
zum Ablauf der im Vergleich vereinbarten
Räumungsfrist zum 29. Februar 2016. Allein die Vereinbarung eines Auszugszeitpunkts habe keine Auswirkungen auf die
mit Ablauf der Kündigungsfrist eingetretene Beendigung des Mietverhältnisses.
„Zwar kann die durch eine wirksame erklärte Kündigung bewirkte Umgestaltung
des Mietverhältnisses grundsätzlich durch
ein rechtsgeschäftliches Zusammenwirken der Parteien – nicht einseitig – rückgängig gemacht werden. (…) Ein solcher
Wille muss sich jedoch aus dem Räumungsvergleich mit hinreichender Klarheit
entnehmen lassen“ . Dies war hier nicht
der Fall, da lediglich ein Auszugs- und
Rückgabetermin für die Wohnung vereinMieterEcho 423 April 2022
RECHT
RECHT UND
UND RECHTSPRECHUNG
RECHTSPRECHUNG
bart wurde. Anhaltspunkte dafür, dass die
Kündigung rückgängig gemacht werden
sollte, lagen nicht vor.
Unabhängig davon stellte der Bundesgerichtshof klar, dass selbst bei Vorliegen
eines entsprechenden Vertragsverstoßes
des Vermieters – vorgetäuschter Eigenbedarf oder unterbliebener Hinweis auf
den Wegfall des Eigenbedarfs innerhalb
der Kündigungsfrist – kein Anspruch auf
Ersatz von Maklerkosten für die Beschaffung einer Eigentumswohnung bestehe.
Der Schaden des Mieters in Form dieser
Maklerkosten sei „zwar noch adäquat
kausal auf die – unterstellte – Pflichtverletzung“ der Vermieterin zurückzuführen.
Die Kosten für den Makler, welcher vom
Mieter mit der Suche nach einer Eigentumswohnung beauftragt war, stammten
jedoch, anders als bei einer Anmietung,
„nicht aus dem Bereich der Gefahren, zu
deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht“ der Vermieterin besteht. Denn der
Mieter sei „aus seiner bisherigen Stellung
als Mieter unter Einschaltung des Maklers
in diejenige eines Eigentümers gewechselt“. Er habe durch den Eigentumserwerb,
der Gegenstand des Maklerauftrags war,
nicht lediglich seinen Besitzverlust an der
zuvor gemieteten Wohnung ausgeglichen,
sondern wolle damit seinen Wohnbedarf
künftig anders als bisher decken. Der
Schädiger hat aber nur für die Einbußen
einzustehen, die die durch den Vertrag
geschützten Interessen betreffen. „Vermögenseinbußen mittels derer sich der Mieter in die Lage versetzen will, (auf Dauer angelegtes) Eigentum zu erwerben“ ,
fielen jedoch „bei wertender Betrachtung
nicht mehr unter den Schutzzweck der
Vertragspflicht des Vermieters zur (vorübergehenden) Gebrauchserhaltung“ einer
gemieteten Wohnung.
BGH
Urteil vom 8. Dezember 2021
AZ: VIII ZR 32/20
Kündigung wegen
Zahlungsverzugs
Die Erheblichkeit des zur außerordentlichen fristlosen Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs berechtigenden
Mietrückstände ist gemäß § 543 Abs. 2
Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Alt. 2, § 569 Abs. 3
Nr. 1 Satz 1 BGB allein nach der Gesamthöhe der beiden rückständigen
Teilbeträge zu bestimmen. Danach ist
der Rückstand jedenfalls dann nicht
mehr unerheblich, wenn er die für einen Monat geschuldete Miete übersteigt. Für eine darüberhinausgehende
gesonderte Bewertung der Höhe der
MieterEcho 423 April 2022
Ein Rückstand der Mietzahlung, der die geschuldete Miete für einen Monat übersteigt, berechtigt den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung.
einzelnen monatlichen Rückstände im lichkeit des zur außerordentlichen fristloVerhältnis zu jeweils einer Monatsmiete sen Kündigung wegen Zahlungsverzugs
und damit für eine richterliche Anhe- bei Wohnraummietverhältnissen berechbung der Anforderungen an eine au- tigenden Mietrückstands allein nach der
ßerordentliche fristlose Kündigung we- Gesamthöhe der beiden rückständigen
gen Zahlungsverzugs lässt das Gesetz Teilbeträge zu bestimmen. Danach sei
keinen Raum (…).
der Gesamtrückstand dann nicht mehr
(Leitsatz von der Redaktion Mieter- unerheblich, wenn er die Miete für einen
Echo gekürzt.) Monat übersteigt. Das Gesetz sehe daneben eine gesonderte Bewertung der
Die Mieterin einer Wohnung in Berlin, für einzelnen monatlichen Rückstände im
welche eine Bruttomiete von 704 Euro Verhältnis zur Monatsmiete – wie vom
monatlich vereinbart war, blieb im Janu- Landgericht Berlin vorgenommen – nicht
ar 2018 einen Teilbetrag von 135,41 Euro vor. Auch das Argument des Landgerichts
schuldig, im Februar 2018 zahlte sie gar für seine Auslegung, dass anderenfalls
keine Miete. Nachdem die Vermieterin eine fristlose Kündigung schon dann ermit Schreiben vom 9. Februar 2018 das folgen könne, wenn der Mieter mit der
Mietverhältnis deswegen gekündigt hatte, Zahlung einer einzigen Monatsmiete soglich die Mieterin die Zahlungsrückstän- wie im vorherigen oder folgenden Monat
de aus. Da sie die Schonfrist-Regelung mit einem Minimalbetrag in Verzug gerades § 569 Abs. 3 BGB bereits weniger als ten sei, ließ der Bundesgerichtshof nicht
zwei Jahre zuvor in Anspruch genommen gelten. Das Gesetz lasse nämlich keinen
hatte, führte dies jedoch nicht mehr zur Raum für eine „richterliche Anhebung“ der
Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung. Anforderungen an eine außerordentliche
Dennoch wies das Landgericht Berlin fristlose Kündigung wegen Zahlungs(Zivilkammer 66) die Räumungsklage der verzugs. Im Übrigen bliebe dieses vom
Vermieterin ab. Zwar übersteige der Ge- Landgericht angeführte Problem auch
samtbetrag des Rückstandes in Höhe von dann, wenn man auch für die einzelnen
839,41 Euro eine Monatsmiete. Zusätzlich monatlichen Rückstände eine Mindesthösei jedoch notwendig, dass in jedem der he im Verhältnis zur Gesamtmiete annehbeiden aufeinanderfolgenden Monate ein men würde; auch dann könne das ÜberRückstand mit einem nicht unerheblichen steigen einer solchen – wie auch immer
Teil der Miete bestanden habe. Dies sei festgelegten – Mindesthöhe um einen
für Januar 2018 nicht der Fall gewesen, Cent wiederum eine Kündigung rechtfertida der Mietrückstand für diesen Monat gen. Der Bundesgerichtshof ließ in seiner
mit 135,41 Euro nur 19% der Monats- Entscheidung offen, ob unter besonderen
miete von 704 Euro betragen habe. Als Umständen des Einzelfalls (zum Beispiel
„nicht unerheblicher Teil der Miete“ könne ein Mietrückstand von einer Monatsmiejedoch nur ein Anteil von etwa der Hälfte te plus ein Cent) „der Gesichtspunkt von
der jeweiligen Monatsmiete angesehen Treu und Glauben (§ 241 Abs. 2, § 242
werden. Dieser Auffassung folgt der Bun- BGB)“ einer Kündigung eines Mietverhältdesgerichtshof leider nicht und verurteilte nisses über Wohnraum entgegenstehen
die Mieterin zur Räumung. Gemäß § 543 könnte. Dies sei hier jedenfalls nicht der
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Alt. 2, § 569 Fall, da auch der Rückstand für Januar
Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB sei die „Erheb- 2018 schon nicht minimal gewesen sei.
29
RECHT
BERLINUND RECHTSPRECHUNG
BGH
Urteil vom 27. Oktober 2021
AZ: VIII ZR 102/21
Betriebskosten
(Belegeinsicht)
a) Ein Mieter kann im Rahmen der bei einer Betriebskostenabrechnung geschuldeten Belegvorlage vom Vermieter dann
nicht die Einsichtnahme in Unterlagen
verlangen, die das Vertragsverhältnis
zwischen einem vom Vermieter mit einer
betriebskostenrelevanten Dienstleistung
beauftragten Dritten und dem von diesem
weiter beauftragten Subunternehmer
betreffen, wenn der Vermieter mit dem
Dritten eine Vergütung für dessen Tätigkeit vereinbart hat oder diese nach § 612
BGB als vereinbart gilt und der Vermieter
die von dem Dritten in Rechnung gestellte Vergütung in der Betriebskostenabrechnung auf die Mieter umgelegt hat
(…). Dies gilt auch dann, wenn der Vermieter eine Schwestergesellschaft beauftragt hatte, unabhängig davon, ob deren
Vergütung eine Gewinnmarge enthält.
b) Dem Mieter steht ein Einsichtsrecht in
den Vertrag, den der von dem Vermieter
beauftragte Dritte mit einem Subunternehmer geschlossen hat, sowie in die
Abrechnungen des Subunternehmers
aber dann zu, wenn zwischen dem Vermieter und dem von ihm beauftragten
Dritten für die Erbringung der Dienstleistung nicht eine Vergütung vereinbart
worden ist, sondern nur eine Erstattung
der entstandenen Kosten.
(Leitsatz a) von der Redaktion MieterEcho gekürzt.)
Der Bundesgerichtshof hatte in diesem
Fall zu entscheiden, wie weit das Recht
von Mietern auf Belegeinsicht reicht, wenn
der Vermieter einzelne betriebskostenrelevante Dienstleistungen von anderen Firmen ausführen lässt, die gegebenenfalls
selbst wieder Subunternehmer mit der
Ausführung der Arbeiten beauftragen. Hier
hatte eine Vermieterin die Hausreinigung
einer Schwestergesellschaft übertragen,
welche wiederum Subunternehmer mit
der Durchführung der Reinigungsarbeiten
beauftragt hatte. Nach dem ursprünglichen
Vertrag zwischen der Vermieterin und ihrer Schwestergesellschaft hatte sie dieser
„sämtliche Kosten“ zu erstatten, die für die
Erfüllung der vertraglich vereinbarten Aufgaben entstehen. Für die Zeit ab 1. Januar
2017 wurde sodann vereinbart, dass die
Vermieterin der Schwestergesellschaft für
die Erfüllung der vertraglich festgelegten
Aufgaben eine bestimmte Vergütung zu
zahlen hat. Die Mieter begehrten Einsicht
auch in die Rechnungen, die das Verhältnis
der Schwestergesellschaft mit ihren Subunternehmern betrafen. Der Bundesgerichtshof gestand den Mietern ein Einsichtsrecht
30
Einsichtsrecht in einen Vertrag, den ein vom Vermieter beauftragter Dritter mit einem Subunternehmer
geschlossen hat, sowie in die Abrechnungen des Subunternehmers steht Mieter/innen nur zu, wenn zwischen
Vermieter und dem beauftragten Dritten für die Erbringung der Dienstleistung keine Vergütung, sondern eine
Erstattung der entstandenen Kosten vereinbart wurde. Grafiken: nmp
nur teilweise zu: Für die Zeit ab 1. Januar
2017 konnten die Mieter danach Einsicht
in Rechnungen, Leistungsverzeichnis und
Leistungsbeschreibungen, die das Verhältnis der Schwestergesellschaft zu ihren
Subunternehmern betrafen, nicht verlangen. Die Vorlage solcher Belege sei für diesen Zeitraum zur sachgerechten Überprüfung der Betriebskostenabrechnung nicht
erforderlich. Es reiche insoweit die (von der
Vermieterin gewährte) Einsicht in die Unterlagen aus dem Vertragsverhältnis zwischen der Vermieterin und ihrer Schwestergesellschaft. Aus diesen ergebe sich die
von der Vermieterin an ihre Schwestergesellschaft für die Hausreinigung zu leistende Vergütung und die zwischen beiden
bestehende Vergütungsregelung, welche
unabhängig davon sei, welche Bezahlung
zwischen der Schwestergesellschaft und
ihren Subunternehmern vereinbart wurde. Ob die zwischen der Vermieterin und
ihrer Schwestergesellschaft vereinbarte
Vergütung marktüblich sei, könnten die
Mieter auch ohne Kenntnis der Vereinbarung zwischen der Schwestergesellschaft
und ihren Subunternehmern überprüfen.
Entscheidend für die Frage, welche Leistungen im Verhältnis zwischen der Vermieterin und ihre Schwestergesellschaft
zu erbringen sind und ob diese vertragsgemäß erbracht und abgerechnet wurden,
ist allein die zwischen diesen bestehende
Vereinbarung. Ein Recht auf Einsichtnahme in die Vertrags- und Abrechnungsunterlagen zwischen der Schwestergesellschaft
und deren Subunternehmern stehe den
Mietern auch nicht zu, um die Gewinnmarge der Schwestergesellschaft überprüfen
zu können. „Die Höhe der vom Vermieter
bezahlten und auf die Mieter umzulegenden Vergütung eines Dienstleistungsunternehmens ist zwar an dem Wirtschaftlichkeitsgebot zu messen. Hierfür bedarf
es indes keiner Kenntnis der Höhe des
von dem beauftragten Dienstleistungsunternehmen erzielten Gewinns, sondern
eines – vom Mieter selbst durchführba-
ren und ihm zumutbaren – Vergleichs der
umgelegten Kosten mit der marktüblichen
Vergütung“. Die Zulässigkeit der Umlegung einer marktüblichen Vergütung einschließlich eines etwaigen Gewinns auch
bei Beauftragung eines Schwesterunternehmens stehe auch in Einklang mit der
Betriebskostenverordnung. Nach dieser
könne ein Vermieter eigene Sach- und
Arbeitsleistungen mit einem Betrag umlegen, der für eine gleichwertige Leistung
eines Unternehmers angesetzt werden
könnte. Ein Vermieter könne insoweit zum
Beispiel „die Kosten auf Grundlage eines
von einem Unternehmer bezüglich der anfallenden Arbeiten abgegebenen Angebots
geltend machen (…), mithin die marktübliche Vergütung einschließlich Gewinn
(ohne Umsatzsteuer) umlegen“. Entsprechend begegne auch die Beauftragung
einer Schwestergesellschaft gegen eine
marktübliche Vergütung einschließlich Gewinn keinen Bedenken. Anders entschied
der Bundesgerichtshof für die Zeit vor dem
1. Januar 2017: Nach der bis dahin geltenden Vereinbarung zwischen der Vermieterin und ihrer Schwestergesellschaft hatte
diese nur einen Anspruch auf Erstattung
der ihr für die Hausreinigung entstandenen Kosten. Entsprechend könne die
Vermieterin für diese Zeiträume nur die
Kosten der Hausreinigung auf die Mieter
umlegen, die ihrer Schwestergesellschaft
tatsächlich entstanden sind und die diese an die Vermieterin weitergeben durfte.
Dementsprechend war für diesen Zeitraum
für die sachgerechte Überprüfung der
Betriebskostenabrechnung die Kenntnis
der bei der Schwestergesellschaft entstandenen Kosten notwendig. Hierfür gestand der Bundesgerichtshof den Mietern
ein Einsichtsrecht in die Rechnungen der
Subunternehmen, die diese bezüglich der
Hausreinigung gegenüber der Schwestergesellschaft erteilt haben. Nur so könnten
nämlich die Mieter prüfen, ob tatsächlich
nur die der Schwestergesellschaft entstandenen Kosten auf sie umgelegt wurden.
MieterEcho 423 April 2022
BETRIEBSKOSTENBERATUNG
Auf unserer Website www.bmgev.de finden Sie einen Betriebskostenrechner sowie zahlreiche Tipps rund um die Betriebskostenabrechnung.
Zusätzlich zur Beratung in allen anderen Beratungsstellen werden
Betriebskostenabrechnungen in folgenden Beratungsstellen überprüft:
Dienstag 11 bis 13 Uhr, Neukölln
Sonnenallee 101, Beratungsstelle der Berliner MieterGemeinschaft
Freitag 13 bis 16 Uhr, Kreuzberg
Möckernstraße 92, Geschäftsstelle der Berliner MieterGemeinschaft
Bitte bringen Sie zu den Beratungen die aktuelle und die vorherige
Betriebskostenabrechnung sowie den Mietvertrag mit.
SOZIALBERATUNG
Auskünfte von Jurist/innen und Sozialarbeiter/innen zu sozialrechtlichen Fragen sowie Unterstützung beim Ausfüllen von Anträgen auf
ALG II, Beratungs- oder Prozesskostenhilfe.
Montag 13 bis 16 Uhr*, Neukölln
Sonnenallee 101, Beratungsstelle der Berliner MieterGemeinschaft
tercüman bulunmaktadır
Dienstag 19 bis 20 Uhr, Kreuzberg
Möckernstraße 92, Geschäftsstelle der Berliner MieterGemeinschaft
Mittwoch 13 bis 16 Uhr, Neukölln
Sonnenallee 101, Beratungsstelle der Berliner MieterGemeinschaft
Freitag 15 bis 17 Uhr*, Neukölln
Sonnenallee 101, Beratungsstelle der Berliner MieterGemeinschaft
* Nur für Mitglieder der Berliner MieterGemeinschaft. Bringen Sie als
Nachweis über Ihre Mitgliedschaft das aktuelle MieterEcho auf Ihren
Namen oder einen Zahlungsbeleg mit.
HAUSVERSAMMLUNGEN
Auch die Durchführung von Hausversammlungen unterliegt den
strengen Einschränkungen der Eindämmungsverordnung.
Wir bitten um Verständnis, dass wir diese derzeit nicht anbieten
können.
Aber auch in dieser besonderen Situation sind wir bemüht, Sie bei
der Durchsetzung Ihrer Rechte zu unterstützen.
Rufen Sie uns in unaufschiebbaren Fällen an, um Wege und
Möglichkeiten der Unterstützung mit uns abzustimmen.
MieterEcho 423 April 2022
CORONA-KRISE
EINSCHRÄNKUNG DES BERATUNGS- UND
SERVICE-ANGEBOTS
Liebe Mitglieder,
der Senat von Berlin hat auf Basis des geänderten Infektionsschutzgesetzes (IfSG) die Neunte Verordnung zur Änderung
der Vierten SARS-CoV-2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung beschlossen. Ab April werden auf der Grundlage des IfSG
die derzeitigen landesrechtlichen Regelungen angepasst. Wir
werden Sie nach Bekanntgabe der Änderungen auf unserer
Internetseite über die dann geltenden Regeln unterrichten. Bis
zur Neuregelung bleiben die vorübergehenden Einschränkungen in unserem Service- und Beratungsangebot bestehen.
Daher finden in unseren Beratungsstellen derzeit noch keine
regulären Beratungen statt. Um Ihnen dennoch bei mietrechtlichen Problemen notwendigen Rechtsrat erteilen zu können,
bieten wir wie bisher erweiterte Telefonberatung, bei dringendem Bedarf auch persönliche Beratung mit Terminvereinbarung an. Bitte halten Sie sich bei Terminberatungen strikt an die
Zutritts- und die Hygieneregeln und beachten Sie auch die
organisatorischen Hinweise zur Beratung. Diese finden Sie im
Internet unter www.bmgev.de direkt auf der Startseite der BMG
e.V. Verfügen Sie über keinen Internetzugang, können Sie diese in der Zentrale anfordern.
Bitte nutzen Sie unsere Telefonberatung:
Montags von 14 bis 17 Uhr
Dienstags von 14 bis 17 Uhr
Mittwochs von 10 bis 13 Uhr
Donnerstags von 14 bis 17 Uhr
Freitags von 13 bis 16 Uhr
unter den Telefonnummern:
030 - 21 00 25 70
030 - 21 00 25 71
030 - 21 00 25 72
Telefonische Sozialberatung (kein Mietrecht) bieten wir
dienstags von 10 bis 13 Uhr unter der Telefonnummer
030 - 21 00 25 71 an.
Bitte bereiten Sie Ihre telefonische Konsultation vor, indem Sie
sich vor der Beratung Notizen zu Ihren wesentlichen Fragen
machen.
Zu Beginn des Anrufs nennen Sie bitte Ihren Namen und
Ihre Mitgliedsnummer (Sie finden diese im Adressfeld Ihres
MieterEchos).
In der Telefonberatung erfahren Sie auch, ob zu Ihrem Problem
(z. B. wegen einer Kündigung oder der Ankündigung einer
Modernisierung) ein Ausnahmefall für eine weitergehende telefonische oder (unter Einhaltung der gebotenen Schutzmaßnahmen) persönliche Beratung vorliegt. Wird Ihnen eine Terminberatung empfohlen, vereinbaren Sie bitte über die Geschäftsstelle (030 - 2168001) telefonisch einen Termin.
Wir sind sicher, dass wir auch weiterhin auf Ihr Verständnis,
Ihre Umsicht und Rücksichtnahme sowie Toleranz und Solidarität bauen können.
Rufen Sie uns an, wenn Sie Fragen haben.
31
Unsere Beratungsstellen
BITTE BEACHTEN SIE ZUR CORONA-PRÄVENTION:
In unseren Beratungsstellen findet wegen der
Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus
zurzeit keine reguläre Beratung statt. Bitte beachten Sie die Hinweise zur Beratung auf der vorherigen Seite oder informieren Sie sich im Internet
unter www.bmgev.de/beratung/beratungsstellen
über unser derzeitiges Beratungsangebot.
Lichtenberg
Charlottenburg
■
Montag 18.30 bis 19.30 Uhr
■
Dienstag 17 bis 18.30 Uhr
Prenzlauer Berg
■
Frankfurter Allee 149
Sophie-Charlotten-Straße 30 A, abw gGmbH/
1. OG, Bibliothek, Sprachschule, Vorderhaus, 3.OG, Raum 301
u und i Frankfurter Allee
i Westend ; 309, 145
■ Donnerstag 18 bis 19 Uhr
■ Donnerstag 18 bis 19 Uhr
Einbecker Straße 85, 4. OG
Mierendorffplatz 19, Ecke Lise-Meitner-Straße
Geschäftsstelle der Volkssolidarität, ■
Haus am Mierendorffplatz, u Mierendorffplatz
u Friedrichsfelde u und i Lichtenberg
u und i Jungfernheide ; M27, X9
Friedrichshain
■
■
Montag 18 bis 20 Uhr
■
■
Mitte
Mittwoch 19 bis 20 Uhr
Mittwoch 18.30 bis 19.30 Uhr Tucholskystraße 32, Ecke Auguststraße
■
jeden 2. und 4. Mittwoch im Monat
Albert-Kuntz-Straße 42
Stadtteilzentrum Hellersdorf-Ost,
Mittendrin leben e. V., u Louis-Lewin-Straße Ee 195
Hohenschönhausen
■
Montag 18 bis 19.30 Uhr
Alt-Marzahn 30a, Lebensnähe e. V.
Kreutzigerstraße 23, M
ieterladen, Kontakt- und Begegnungsstätte
u Samariterstraße Ee 21
(bitte klingeln)
■
Donnerstag 19 bis 20 Uhr
i Marzahn Ee M6, M8, 18
Kreutzigerstraße 23, M
ieterladen, ; X54, 154, 192, 195
u Samariterstraße Ee 21
Hellersdorf
■
Marzahn
Comic-Bibliothek „Bei Renate“
i Oranienburger Straße, Hackescher Markt
u Oranienburger Tor, Weinmeisterstraße
Ee M1, M6 ; 240
■
■
Neukölln
Montag 13 bis 18 Uhr
Sonnenallee 101
Mittwoch 17.30 bis 18.30 Uhr
■
u Rathaus Neukölln ; M41, 104, 167
Neustrelitzer Straße 63, Bürgerinitiative
saat 16 dan 18'e kadar
Ausländische MitbürgerInnen e. V., ■
tercüman bulunmaktadır
Ee M5, M16 ; 256
■ Montag 19 bis 20 Uhr
Fritz-Reuter-Allee 50
Seniorenfreizeitstätte Bruno Taut
Montag 17 bis 19 Uhr
u Blaschkoallee, Parchimer Allee
Wilhelminenhofstraße 42b, BIZO
; M46, 171
i Schöneweide weiter mit Ee 63 oder 67
■ Dienstag 18.15 bis 19.15 Uhr ■
Donnerstag 18 bis 19 Uhr Hobrechtstraße 55, Zugangsweg neben dem
Puchanstraße 9, Rabenhaus e.V., Spielplatz, Nachbarschaftsladen „elele”
i Köpenick ; X69, 269, 164
u Hermannplatz
Ee 60, 61, 62, 63, 68
■
; M29, M41, 171, 194
■ Mittwoch 10 bis 12 und 16 bis 19.30 Uhr
Sonnenallee 101
u Rathaus Neukölln ; M41, 104, 167
■
Montag 18 bis 19 Uhr
■
Freitag
10 bis 17 Uhr
Bergmannstraße 14
Sonnenallee 101
Stadtteilausschuss Kreuzberg e.V.
u Rathaus Neukölln ; M41, 104, 167
u Gneisenaustraße, Mehringdamm
Köpenick
■
■
Kreuzberg
■
■
■
■
■
Mittwoch 16 bis 17.30 Uhr
Möckernstraße 92, Ecke Yorckstraße, u Möckernbrücke, Mehringdamm,
■
Yorckstraße i Yorckstraße ; M19
tercüman bulunmaktadır
Donnerstag 10 bis 12 Uhr
Möckernstraße 92, Ecke Yorckstraße, u Möckernbrücke, Mehringdamm,
Yorckstraße i Yorckstraße ; M19
Donnerstag 18.15 bis 19 Uhr
Mehringdamm 114
Familienzentrum, Raum 403a, 2. Stock, u Platz der Luftbrücke
Freitag 18 bis 19 Uhr
Adalbertstraße 95A, Gartenhaus, Kotti e.V.
u Kottbusser Tor ; M29,140
Pankow
■
Montag 19 bis 20 Uhr
Fehrbelliner Straße 92
Nachbarschaftshaus, - (bitte Türöffner am
Klingeltableau benutzen)
u Rosa-Luxemburg-Platz, Rosenthaler Platz
Ee M1, M8, M12 ; 240
Montag 18.30 bis 19.30 Uhr
Oderberger Straße 50, Kiez-Kantine
u Eberswalder Straße
Ee M1, M10, M12 ; 240
■
Dienstag 16 bis 17 Uhr
John-Schehr-Straße 24
Café 157 e. V.
i Greifswalder Straße Ee M4, M10
Mittwoch 18.30 bis 19.30 Uhr
Greifenhagener Straße 28
Sonntags-Club e. V.
u und i Schönhauser Allee
Ee M1, M13, 12, 50
■
Freitag 9 bis 11 Uhr
Fehrbelliner Straße 92
Nachbarschaftshaus, - (bitte Türöffner am
Klingeltableau benutzen)
u Rosa-Luxemburg-Platz, Rosenthaler Platz
Ee M1, M8, M12 ; 240
Reinickendorf
■
Dienstag 18.30 bis 19.30 Uhr
Alt-Tegel 43
Seniorenfreizeitstätte, Clubraum, i Tegel u Alt-Tegel
Schöneberg
Montag 16.30 bis 17.30 Uhr
Kurfürstenstraße 130, Berliner Aids-Hilfe e.V., u Nollendorfplatz ; M19, M29, 100, 106, 187
Montag 17.30 bis 18.30 Uhr
Kaiserin-Augusta-Straße 23, Kirchengemeinde Alt-Tempelhof, Bücherstube
u Kaiserin-Augusta-Straße
; 170, 184, 246
Tiergarten
Donnerstag 18 bis 19 Uhr
Turmstraße 71
AWO Freizeitstätte Club Tiergarten u Turmstraße i Beusselstraße
; TXL, 101, 106, M27
Wedding
■
Donnerstag 18.30 bis 20 Uhr
Jablonskistraße 20, Einhorn gGmbH
Ee M2, M10
Donnerstag 18 bis 19 Uhr
Wiesenstraße 30, Tageszentrum
Wiese 30, -
u und i Wedding
u Nauener Platz i Humboldthain
Weißensee
Dienstag 18 bis 19 Uhr
Bizetstraße 75, Ecke Herbert-Baum-Straße
Berliner Stadtmission, Ee M4, M13, M12 ; 255
Wilmersdorf
Montag 18.30 bis 19.30 Uhr
Wilhelmsaue 119, Nebentrakt des Kirchen-
gebäudes, links vom Kircheneingang, u Blissestraße ; 101, 104, 249
Zehlendorf
■
Mittwoch 18 bis 19 Uhr
Kirchstraße 1/3, Rathaus Zehlendorf
Raum bitte beim Pförtner erfragen
i Zehlendorf
; M48, X10, 101, 112, 115, 118,
184, 285, 623
Dienstag 18.30 bis 19.30 Uhr
Cranachstraße 7, Sozialstation, i Friedenau ; 187, 246
Donnerstag 19 bis 20 Uhr
Kurfürstenstraße 130, Berliner Aids-Hilfe e.V., u Nollendorfplatz ; M19, M29, 100, 106, 187
Spandau
Mittwoch 19 bis 20 Uhr
Mauerstraße 6, Kulturhaus Spandau
u und i Spandau
Schönholzer Straße 10, Eingang Mitte
2. OG, Bücherstube, Stadtteilzentrum Pankow
Nachbarschafts- und Familienzentrum, u und i Pankow i Wollankstraße
■ Montag 18.30 bis 19.30 Uhr
Ee M1 ; 107, 155, 250, 255
Osdorfer Straße 121, Arbeiterwohlfahrt
- Zugang über den Parkplatz
i Osdorfer Straße ; 112, 186
Dienstag 18.30 bis 19.30 Uhr
Tempelhof
■
Steglitz
Die angegebenen Beratungszeiten gelten für das laufende
Quartal und in der Regel auch
darüber hinaus. Dennoch können mitunter Änderungen auftreten.
Um sicher zu gehen, können Sie
gern unsere Geschäftsstelle unter 030 - 2168001 anrufen (oder
siehe www.bmgev.de/beratung/
■ Mittwoch 19 bis 20 Uhr
beratungsstellen.html).
Schildhornstraße 85a
Bezirksgeschäftsstelle Die Linke
u Schloßstraße ; 282
Bitte beachten Sie auch unsere
Serviceangebote auf Seite 31.