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NEUE KNICKFORMEL FÜR AUSSERMITTIGEN KRAFTANGRIFF.
Von Dipl.-Ing. E. Eiwitz, Düsseldorf.
Uebersicht: Während die Formel ^<r zu i für mittigen
Kraftangriff (Knicken) in jeder Beziehung einwandfrei ist,
befriedigt bei außermittigem Kraftangriff die Formel
ffmi weniger. Sie kann nicht hergeleitet
werden und ist als eine empirische Formel aufzufassen. Es
wird eine organisch aufgebaute Formel hergeleitet, die den
verschieden großen Sicherheitsgraden für Knicken und
Biegung Rechnung trägt.
Bei mittigem Kraftangriff ist die Berechnung von
Druckstäben aus Baustahl amtlich nach dem sog. a>-Ver-
fahren vorgeschrieben. Sie boII erfolgen nach der Formel
co • P . ...
Cf — —-jp Oral* (1)
Darin bedeuten P die Druckkraft, F die Querschnittfläche
und ö> ein die Knickverhältnisse, insbesondere die Schlank
heit des Stabes berücksichtigender Beiwert, und zwar der
art, daß der Stab genau so wie ein gewöhnlicher Zugstab
behandelt werden kann. Demgemäß ist <7*ui die zulässige
Beanspruchung für Zug oder für Druck, falls Knicken nicht
in Frage kommt, auch für Biegung; a m \ ist die zulässige
Grundspannung. Ist Sr die Knicklänge des Stabes und i
der Trägheitshalbmesser des Stabprofils, A = 8g : i der
Schlankheitsgrad, dann ist der Beiwert co nur von dem
Schlankheitsgrad abhängig. Trotz verschieden hoher zu
lässiger Spannung (je nach der Schärfe der Rechnung, der
eingeführten Belastungen usw.) ändert der Beiwert co für
den betreffenden Baustoff (z. B. St 37) seinen Wert nicht.
Der Beiwert co ist unabhängig von der verlangten Knick
sicherheit, schließt diese vielmehr nach Art der Herleitung
schon ein. Gewonnen ist der Bei wert co in folgender
Weise: Ausgegangen wird von der Knickfestigkeitslinie,
d. i. der Linie der Knickspannungen or, Ihr ist ein aus
Abb. 1 zu ersehender Verlauf zugrunde gelegt. Von
A — 0 bis A = 60 soll <3r unveränderlich groß und gleich der
Quetschgrenze <7« sein; die Linie der Knickspannungen ver
läuft hier nach einer Wagerechten. Von A = 60 bis A = 100,
wobei A = 100 der Proportionalitätsgrenze entspricht, ist
eine fallende Gerade angenommen. Für A^lOO (elastischer
Bereich) gilt die Euler-Hyperbel. Der letzte Zweig der
Knickfestigkeitslinie trifft genau zu, während für A = 0
bis 100 (unelastischer Bereich) der angenommene Linien
zug etwas unterhalb der genauen Linie fällt, also zu
gunsten der Sicherheit. Ein solcher Verlauf der Knick-
festigkeitslinie ist wegen seiner praktischen Brauchbar
keit schon früher vom Verfasser vorgeschlagen 1 ). Der
vte Teil (v = Sicherheitsgrad) der Knickspannung a K
ißt die zulässige Druck- oder Knickspannung: — = cumi.
Anders als für Zug oder Biegung ist für Knicken der
Sicherheitsgrad v nicht unveränderlich, sondern veränder
lich gewählt. Er ist für A = 0 so groß wie bei Zug = v 0 ,
’) „Die Lehre von der Knickfestigkeit“, Gebr, Jänccke, Hannover 1920
*
tf „ | Kmckspattnuftg
W SO 30 SO SOSO W SO 90 WO ISO
Abb. 2.
-A=?jL
wächst mit A erst langsam und dann immer schneller nach
den Ordinaten einer Parabel (Scheitel bei A = 0) bis auf
<n>2v 0 bei A = 100. Für A ^ 100 bleibt v unveränderlich gleich
groß. Die größere Sicherheit der schlankeren Stäbe ist
dadurch begründet, daß es praktisch um so schwieriger
wird, die Voraussetzungen der Theorie: genau mittiger
Kraftangriff, vollkommen unverbogene gerade Stäbe usw.
zu erfüllen, je schlanker der Stab ist. Nun ist o K : v gleich
der zulässigen Knickspannung adwi und kann in der ge
schilderten Weise für jeden Baustoff und für jedes A
ein für allemal festgestellt werden. Damit folgt der
Beiwert co aus <fdm\ — tfiui: co als ein einem jeden A zu
gehöriger Wert zu co —
Ozul
ok : v
(2)
Jetzt kann der Nachweis der Spannungen in den auf
Knicken beanspruchten Stäben nach der Formel —^ ffiui
erfolgen.
Das co-Verfahren hat den großen Vorzug, das Knick
problem sowohl im elastischen wie im unelastischen Bereich
durch eine einzige Formel zu umfassen. Es beruht auf
wissenschaftlicher Grundlage und bleibt dabei überaus
klar, einfach und leicht verständlich. Es setzt den Sicher
heitsgrad zutreffend fest, wobei sowohl für Knicken wie
auch für Zug und Biegung von der Quetschgrenze (statt
von der Bruchfestigkeit) ausgegangen wird. Allerdings
setzt das co-Verfahren schon den Stabquerschnitt mit seinen
Funktionen als vorhanden voraus. Es ist also in ge
wissem Sinne ein Probierverfahren. Doch ist das Aus
proben für einen geübten Statiker nur eine Arbeit unter
geordneter Natur. Auch liegen Gebrauchsformeln vor,
die verhältnismäßig schnell zum Ziele führen. Sie können
durch noch einfachere ersetzt werden, worüber an anderer
Stelle berichtet wird.
Während für mittigen Kraftangriff das co-Verfahren
an Klarheit, Einfachheit und Eleganz bei gleichzeitiger
Zuverlässigkeit kaum übertroffen werden kann, befriedigt
für außermittigen Kraftangriff das vorgeschriebene Ver
fahren weniger. Hier soll die Berechnung erfolgen nach
der Formel
a —
co 4 P
F
W
i Ozui»
(3)
wo M das aus äußeren Kräften herrührende Biegungs
moment einschließlich des Moments der an einem Hebelarm
angreifenden Druckkraft P, weiter W das Widerstands
moment des Stabquerschnittes bedeuten. Der Wert a
kann als Randspannung aus Druck und Biegung unter
Berücksichtigung des die Tragfähigkeit abmindemden
Einflusses der Knickung aufgefaßt werden. Die Formel
soll also eine solche für Knicken und Biegung sein. Sie
befriedigt zunächst die Sonderfälle: M ~ 0 und P = 0.
Insbesondere verhütet sie durch den Bei wert co, daß P
größer werden kann als bei mittigem Kraftangriff. Ob
man eine zu große oder eine zu geringe Sicherheit bei
Benutzung der Gl. (3) bekommt, in welchen Fällen sie
von der erforderlichen Sicherheit abweicht, ist so ohne
weiteres nicht zu sagen. Gl. (3) ist als eine empirische
Formel — nach den Ergebnissen der folgenden Unter
suchungen als eine gute empirische Formel — anzu
sehen. Wissenschaftlich kann sie nicht hergeleitet werden.
Der Werf. er =
co
jjT H - soll eine Randspannung
aus Biegung mit Achsdruck darstellen. Läßt man P
P
wachsen, dann nimmt die Achsdruckspannung — in gleichem
r
• /r#
Verhältnis wie P, die Biegungsrandspannung ^ dagegen
stärker zu, weil mit wachsendem P auch die Durchbiegung
wächst und sogar noch starker als die Achskraft P. Aus