733
Abb. ,9. Wandmalerei und Plastik von Oskar Schlemmer, Breslau,
thematischer Verständlichkeit verlangen ? Zweifellos gehören
die wenigen abstrakten Maler Deutschlands zu den wertvollsten
künstlerischen Kräften, die wir haben, allein was soll die Kunst,
wenn sie wirklich wieder mit praktischen Aufgaben verbunden
wird, mit der bloßen Abstraktion beginnen ? (Die einzige Aus
nahme bildet hier die Glasmalerei, wo der reine Zusammenklang
farbiger Werte sehr wohl als „Inhalt“ empfunden wird.) Das
„Mauerbild“ im Sinne der Abstraktionen von Baumeister und
Schlemmer (Abb. 7 u. 9) ist ein großartiger künstlerischer
Wurf — für Menschen, die ein fein erzogenes künstlerisches
Empfinden haben, schwerlich aber für die anderen. Und
schließlich sind alle die vielen, mit großem Aufwand unter
nommenen Versuche der Russen, eine „proletarische Kunst“
außerhalb von angewandter Kunst zu schaffen, so unverhüllt
fehlgeschlagen, daß man sich fragen muß, ob nicht die alte
These von der Unpopularität aller „reinen“ Kunst zu Recht
bestehe und tatsächlich Photographie und Plakat, nicht aber
Gemälde und Plastik, die Volkskunst von heute repräsentieren.
Es würden sich noch viele Fragen auf ähnliche Antithesen
hin erheben lassen. Die Malerei und Plastik der Gegenwart
befinden sich in einer entscheidenden Umgestaltung, die an
den Kern der Dinge rührt. Eines aber ist gewiß; daß nur durch
eine rastlose Arbeit an diesen Problemen eine Klärung möglich
ist. Und zu dieser Arbeit gehören Aufträge, gehören Wirkungs
möglichkeiten, mit denen der Künstler sich auseinandersetzen
kann. Auch das härteste Eisen schmiedet sich im Feuer.
ABTEILUNG ,.DIE WOHNUNG UNSERER ZEIT‘
Von Dr. Adolf Behne, Berlin.
Döblin spielte kürzlich in einer vor Malern gehaltenen
Rede die neue Architektur gegen die Malerei aus. Die Malerei
produziere Atelierkram, die Architektur diene und helfe dem
Leben. Und sicherlich: es werden zahllose Bilder gemalt, die
nur für ihren Urheber einiges Interesse haben, zahllose Bilder,
deren sozialer Radius klein ist gegenüber einem brauchbaren
Siedlungsgrundriß. Aber Döblin beging den Fehler, „die“
Malerei, „das“ Bild gegen „die“ Architektur zu stellen. Die
soziale Potenz ist der Architektur nicht damit garantiert, daß
sie begehbar ist, und das Bild ist nicht zur „Ästhetik“ ver
urteilt, weil es ohne Einfluß auf den Lichteinfallwinkel oder
die Auf schließungskosten bleibt. Welche Stellung ein Kunst
werk innerhalb der Gesellschaft einnimmt, das dürfte weniger
von der Zw^ei- oder Dreizahl seiner Dimensionen abhängen,
als von seiner Erkenntniskraft, seiner Gesinnung und seiner
Intensität in jedem einzelnen Falle.
Die neuen Architekten fanden es richtig, das Bild des
Malers von ihren Wänden fernzuhalten. Die Konsequenzen
waren für die wirtschaftliche Situation der Maler recht un
angenehm. Trotzdem kann ich keinen Architekten deshalb
tadeln, wenn sein Raum von einer solchen architektonischen
Vollkommenheit, Dichtigkeit und Lebendigkeit ist, daß jede
Zutat nur stören könnte. Wo aber ohne eine solche Legiti
mation der Leistung die Verbannung des Bildes nur Unter
werfung unter eine Mode ist, scheint sie mir kein Fortschritt
und angesichts der Notlage der meisten Maler bedauerlich.
Denn es ist doch ganz klar, daß der Verzicht auf „Maler und
Bildhauer am Bau“, ursprünglich gemeint als ein Schlag gegen
das Dekorative, längst in sein Gegenteil umgeschlagen ist:
heute ist es dekorativ, kein Bild an der Wand zu haben. Der
Vorstoß gegen das Bild, in seinem Ursprung revolutionär, ist
heute als Dogma und Erkennungsmarke der Mitläufer
reaktionär.
Was hat das mit der Halle II „Die Wohnung unserer
Zeit“ zu tun?
Die Wohnungen, die uns in der Halle II gezeigt wurden
— von den paar Ausnahmen sprechen wir noch —, scheinen
mir Wohnungen von gestern und vorgestern zu sein. Berlin 1931
ist schließlich nicht Stuttgart 1927 und nicht Breslau 1929.
Wenn wir in so kritischer Zeit so große Mittel aufw r enden,
müssen wir doch wohl überzeugt sein, daß Stuttgart und
Breslau die Probleme noch nicht endgültig gelöst hatten. Aber
was die Halle II zeigte, war die stilistische Erstarrung, die
modische Auswalzung von Stuttgart 1927.