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verwohnt hat, verwohnte im Jahre 1927 17 vH. Der Beamte
schließlich gab im Jahre 1927 19,3 vH an Miete aus gegenüber
19,5 vH im Jahre 1907.
Was diese Zahlen bedeuten, kann man daraus entnehmen,
daß neben 17,3 vH Selbsttätigen und 17 vH helfenden An
gehörigen 16,5 vH der Berufstätigen Angestellte und Beamte
und 45,1 vH Arbeiter sind.
„Bodenpolitik und städtische Bodenpreise.“
Bearbeiter: Liegenschaftsdirektor Rom, Köln,
und Professor Dr. Spiethoff, Bonn,
Einen je größeren Teil ihres Gebietes die Gemeinde selbst
zu eigen hat, um so mehr vereinfacht sich ihre städtebauliche
Arbeit, um so besser und zweckmäßiger läßt sich ihr Wohnungs
wesen ausgestalten. Während in den nordischen Ländern die
Gemeinden meist mehr als die Hälfte ihres Gebietes im Eigen
tum haben und nur zu Bauzwecken verpachten, spielt in den
romanischen Ländern der Gemeindebesitz an Boden kaum
eine Rolle.
In. Deutschland hat Ulm % der Grundfläche seines Ge
bietes zu eigen und ist deshalb in der Lage, Kleinhausgrund
stücke an fertiger Straße zum Preise von 4 RM pro qm mit
dem bekannten Wiederkaufsreeht abzugeben. Vertraglich
wird eine Ausnutzung des Bodens von 18 bis 25 v H sicher
gestellt, auch in Gebieten, wo die Bauordnung eine höhere
Ausnutzung gestattet.
Außerordentlich charakteristisch für die Abwicklung einer
Stadterweiterung des 19. Jahrhunderts sind die Grundstücks
preise, die bei Durchführung der Entfestigung von Köln bezahlt
wurden. (Das durch diese Entfestigung erschlossene Gebiet
ist in Abb. 36 dargestellt.) Die Stadt Köln mußte 1882 an den
Militärfiskus für das rohe Bruttoland 10 RM pro qm bezahlen.
Nachdem die militärischen Anlagen beseitigt, das Gelände
planiert, das Straßenland und die sonstigen Freiflächen abge
zogen und die Straßen ausgebaut waren, kostete der qm die
Stadt 30 RM. Dieser außerordentlich hohe Erschließungspreis
erklärt sich aus der Schwierigkeit der Beseitigung der Festungs
anlagen. Es wäre zweifellos zweckmäßiger gewesen, die Wall
anlagen mit geringen Veränderungen als Freiflächen zu erhalten.
Die Stadt verkaufte um 1883 an Baustellenhändler Grund
stücke zum Preise von 40 bis 50 RM pro qm, und diese verkauften
sie weiter an die Bauunternehmer zu Preisen von 60 bis 80 RM
für den qm. Um 1895 betrug der Verkaufspreis der Stadt für
die letzten wenigen noch übrig gebliebenen Grundstücke 80 bis
90 RM, und um die Jahrhundertwende kauften die Bauunter
nehmer die Bauplätze aus zweiter und dritter Hand für 120 bis
150 RM. Bei solchen Grundpreisen konnte die Gemeinde keinen
Gebrauch von dem Mittel der Baubeschränkung machen, um
die Bodenpreise niedrig zu halten, zumal der Bebauungsplan
eine ziemlich starke Aufteilung mit kostspieligen Straßen vor
sah.
Zweifellos hat das Ulmer Verfahren der gewinnlosen Boden
unternehmung, die das Land in Händen der Gemeinde beläßt,
die größten sozialpolitischen und wirtschaftlichen Vorzüge.
,,Sozialpolitik im Wohnungswesen.“
Bearbeiter: Stadtbaudirektor Dr.-Ing. Gut, München.
Zu allen Zeiten hat es Bevölkerungskreise gegeben, welche
die Kosten einer angemessenen Wohnung nicht aufbringen
konnten und welche daher der öffentlichen Wohlfahrtspflege
zur Last fielen. Die hohen feuerpolizeilichen und gesundheit
lichen Ansprüche, welche in den dicht bevölkerten modernen
Großstädten an Wohngebäude gestellt werden müssen, ver
teuern die Wohnungen und infolgedessen ist heute die Zahl
derjenigen, welche eine städtische Wohnung nicht mieten
können, besonders groß. Arbeitslosigkeit, Unglück und Krank
heit bringen manchen in diese Lage, in welcher sich andere
durch Mangel an Fähigkeiten und Willenskraft dauernd be
finden. Zu diesen ärmsten Bevölkerungskreisen kommen noch
zwei besondere Klassen, nämlich die Kriegsbeschädigten,
welche durch die Einwirkung des Krieges in ihrer Erwerbs
fähigkeit beschränkt sind, und die Kinderreichen, welche einer
besonder» großen Wohnung bedürfen.
Die Maßnahmen der allgemeinen Wohnungsfürsorge,
welche auf Stärkung der Selbsthilfen eingestellt sind, genügen
zweifellos in den Fällen nicht, wo die Selbsthilfe beschränkt
oder ausgeschlossen ist. Auch die mit Staatszuschüssen er
bauten Häuser sind für diese Bevölkerungskreise zu teuer.
Anderseits muß alle» vermieden werden, was das Selbst
vertrauen dieser Kreise mindert, um den Wiederaufstieg nicht
zu behindern. Daher empfiehlt es sich, diese Familien nicht
getrennt von der übrigen Bevölkerung unterzubringen und
ihnen möglichst unauffällig durch Mietzuschüsse u. dgl. bei
zustehen.
Anders sind natürlich Kranke zu behandeln, beispielweise
Lungentuberkulose, für deren Unterbringung außer allgemein
sozialpolitischen Erwägungen auch der Gesichtspunkt des
Schutzes der übrigen Bevölkerung entscheidet. Getrennt von
der übrigen Bevölkerung werden auch die sogenannten asozialen
Elemente angesiedelt.
„Grundriß
Bearbeiter: Professor Dr. Gropius, Berlin.
Der historische Grundriß der Kleinwohnung, bestehend in
heizbarer Stube, nichtheizbarer Kammer und Küche, hat sich
aus bestimmten Bedürfnissen und unter bestimmten tech
nischen Voraussetzungen des Betriebs (Trennung des Zimmer
ofens vom Herd) entwickelt. Heute, da die Möglichkeiten des
Betriebs der Wohnung sich grundlegend geändert haben, da
die Bedürfnisse des Wohnens und die Möglichkeiten der Be
wirtschaftung der Wohnung ganz andere geworden sind, muß
die Funktion des einzelnen Raumes der Wohnung zunächst
wieder klar herausgearbeitet werden, um den geänderten Be
dürfnissen entsprechende Wohntypen zu erhalten. Die An
forderungen, die an einen guten Grundriß gestellt werden
müssen, sind folgende: einfachste Benutzbarkeit, kurze Lauf-
wege, gute harmonische Raumgliederung, klare Trennung von
Schlafteil, Wohnteil und Wirtschaftsteil, Trennung der Schlaf
gelegenheit der Eltern, Töchter und Söhne, gute Sonnenlage,
gute Belichtung und Belüftung aller Räume, Schallsicherung
gegen den Nachbar, Möglichkeit der Vereinfachung der Haus
wirtschaft und Vermeidung zerrissener Wandflächen, welche
die Möblierung erschweren.
Die Art der Darstellung dieses Themas war allzustark
auf das Kind im Besucher eingestellt.
„Siedlungsform, Hausform und Blockgestaltung“
Bearbeiter: Stadtbaurat a. D. Bruno Taut, Berlin.
Diese Frage wurde allzusehr aus der Perspektive Berlins
gesehen, und es ergab sich, daß diese Perspektive keine Vogel
perspektive, sondern eine Froschperspektive ist.
Der Verlauf war doch nicht der, daß im Jahre 1918 einige
Prominente in Berlin wieder einmal die Zeitkanone gelöst und
damit den Siegeszug der Mietkasernen durch alle Lande auf
gehalten haben. Tatsächlich war es doch so, daß der Einfluß
Berlins auf das Wohnungswesen in der Vorkriegszeit nach
Osten zwar groß war, daß er aber nach Westen kaum über die
Elbe vorgedrungen ist, obwohl sehr geschäftstüchtige Pro
minente daran gearbeitet haben. Die Ursache dieser Er
scheinung war, daß das Gründertum, das sich im Kolonial
gebiet breitmachte, dem Mutterlande an Weser und Rhein
auf die Nerven ging und daß die Bevölkerung an Weser und
Rhein die Berliner Mietkasernen ablehnte. Die historische
Bedeutung des Jahres 1918 besteht darin, daß das Dreiklassen
wahlrecht beseitigt wurde und daß damit die Interessenten
des Mietkasernensystems ihre Macht verloren. Nun konnte sich
der Einfluß des Mutterlandes auch östlich der Elbe auswirken
und konnte das dort bestehende Mietkasernensystem zu Fall
bringen.
Es war daher irreführend, die Berliner Vorkriegsbauweise
der Nachkriegsbauweise gegenüberzustellen, um die deutsche
Entwicklung zu zeigen. Ohne Angabe der außerordentlich
großen örtlichen Verschiedenheiten im deutschen. Wohnungs
wesen und ohne die Schilderung der Verhältnisse, welche zu
bestimmten Siedlungsformen und Hausformen geführt haben,
verleiten solche Darstellungen zu falschen Schlüssen. Man
darf auch nicht vergessen, daß manches, was die Nachkriegszeit
geschaffen hat, für den Osten zwar einen Fortschritt, bei An
wendung im Westen aber einen Rückschritt bedeutet.
„Gemeinschaftseinrichtungen im Wohnungsbau.“
Bearbeiter: Architekt Prof. Gustav Wolf, Breslau,
Mitarbeiter: Architekt Adolf Bock.
An Gemeinschaftseinrichtungen im Wohnungsbau werden
verlangt: Sammelwaschküchen oder Waschanstalten, Kinder
horte, Großgaragen, Müllhäuschen oder Mülleimerunterstände
und Sammelantennen. Unter besonderen Verhältnissen, wie
bei Werksiedlungen, können besondere Saalbauten und Lese
hallen zweckmäßig sein. Eine eigene Sportanlage besitzt die
Siedlung ,,Neu-Rössen“ der Leunawerke, die aber doch wohl
allen Werkangehörigen zugänglich ist. Gemeinsame Dach
gärten werden nicht von allen Mietern begrüßt werden, vor
allem nicht von denen, welche die obersten Stockwerke be
wohnen. Bereits vor dem Kriege waren beispielweise in den