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gehalten werden kann nach der Entstehung eines mit unge
heueren Kosten in unmittelbarer Nachbarschaft geschaffenen
Wettbewerbhafens, ist schon an sieh mindestens zweifelhaft.
Sicherlich wird aber jene Verpflichtung unerfüllbar, wenn man
den Konkurrenzhafen dem Verkehr zu niedrigeren Tarifen zur
Verfügung stellt. In welchem ungewöhnlichen Maße diese
Distanzierung in den Hafentarifen Platz gegriffen hat, ergibt
sich ohne weiteres aus der Vergleichung der Tarife, die — den
Danziger Gulden zu 81 Pfg. und den Zloty zu 47 Pfg. gerechnet
— eine große Mehrbelastung des Danziger Verkehrs erkennen
läßt. Sie beträgt im allgemeinen etwa das Doppelte, steigt
aber bei der vom Schiffsraum berechneten Abgabe auf das Fünf
fache, Ein wesentliches Moment für die Bildung der Hafen
tarife ergibt sich aus der Beziehung zwischen den Einnahmen
des Hafens einerseits und der Kapitalverzinsung nebst Betriebs-
und Unterhaltungskosten anderseits. In dieser Beziehung
wird im Danziger Hafenausschuß, wo die polnische Regierung
bekanntlich durch Kommissare vertreten ist, nachdrücklich
dahin gewirkt, daß die Einnahmen die Ausgaben decken oder
ihrer Deckung möglichst nahekommen sollen. Es wäre inter
essant und für die Beurteilung der Zusammenhänge wichtig zu
erfahren, wie die gleiche Wirtschaftsrechnung für den Hafen
Gdingen aufgestellt wird und mit welchem Ergebnis sie ab
schließt.
Ob die von Polen angewandten gewaltsamen Mittel zur
Niederhaltung des Danziger Verkehrs auf die Dauer zum Ziele
führen werden, und welch© Opfer diese Verkehrspolitik den
polnischen Steuerzahlern noch auferle'gen wird, steht zunächst
dahin. Anscheinend steht die polnische Subventionspolitik in
bezug auf den Seeverkehr nach Gdingen vor einem ersten
empfindlichen Mißerfolg, sofern man einem Artikel der War
schauer Zeitung „ABC“ Glauben schenkt, in dem die Renta
bilität einer vor Jahresfrist geschaffenen Schiffahrtlinie Gdin
gen—Amerika besprochen wird. In diesem Artikel wird der
Linie jede Daseinsberechtigung abgesprochen und ihre Betriebs
einstellung empfohlen. Nach einer im Handelsteil einer deut
schen Zeitung erschienenen Inhaltsangabe des Warschauer
Artikels sollte die Linie den Grundstock einer ozeanischen
Handelsflotte Polens bilden. „Rigorose Versuche, die Linie,
die von vornherein ein Zuschußbetrieb war, rentabel zu gestal
ten, scheiterten an den Abwehrmaßnahmen der dadurch ge
schädigten Länder, vor allem Kanadas.“ Nauticus.
MITTEILUNGEN.
Richard Borrmann f*
Am 26. März d. J. ist der langjährige Inhaber des Lehrstuhls
für Baugeschichte an der Technischen Hochschule Berlin, der
Geheime Baurat Professor Dr.-Ing. e. h. Richard Borrmann,
im Alter von 79 Jahren gestorben. Er ruht auf dem Friedhof
der Dreifaltigkeitsgemeinde in Berlin.
Am 27. Dezember 1852 wurde er zu Orle bei Graudenz als Sohn
eines Gutsbesitzers geboren. Als Kind schon hat er mit seinem
Vater große Reisen gemacht. Von 1866—72 ist er in Schul-
pforta gewesen. Die dort erfahrene Ausbildung, das Studium der
alten Sprachen und Literatur haben für sein ganzes Leben
Bedeutung gehabt. Sie haben ihn, wie er selbst gesagt hat, zu
einer idealeren Auffassung seines Architektenberufs über das
rein Praktische hinaus befähigt. Von 1874—78 hat er an der
Bauakademie in Berlin unter Adler, Bötticher, Strack, Lucae,
Spiegelberg studiert. Schon als Student arbeitete er ein Jahr
lang im Schloßarchiv. Von 1878—83 hat Adler ihn als Architekt
bei den Ausgrabungen in Olympia beschäftigt, und dort schloß
er mit Wilhelm Dörpfeld eine Freundschaft fürs Leben. Jn den
Sommermonaten machte er damals größere Reisen durch
Griechenland und Italien und nach Konstantinopel. Von dem
Olympiawerk hat er besonders den zweiten Band und darin
besonders die Terrakotten bearbeitet. Nur kurze Zeit war er
als Regierungsbaumeister praktisch in der preußischen Hoch
bauverwaltung tätig. Von 1887—92 ist sein grundlegendes,
heute noch immer beachtetes Werk „Die Bau- und Kunst
denkmäler von Berlin“ im Auftrag des Magistrats der Stadt
Berlin entstanden. Von 1892—1904 ist er unter Leasing Direk
torialassistent am Kunstgewerbemuseum gewesen. Von 1899
ab hat er im Aufträge der General Verwaltung der Staatlichen
Museen über 5 Jahre lang die Vorbereitungen zu einem großen
Museum von Abgüssen, insbesondere dekorativer Werke der
Bildhauerkunst und der Baukunst geleitet, das in der Art des
Pariser Trocadero geplant war. Das Unternehmen ist, weil es zu
kostspielig wurde, 1906 aufgegeben worden. Am 1. April 1904
wurde Borrmann der Nachfolger F. Adlers auf dem Lehrstuhl
für Baugeschichte an der Technischen Hochschule Berlin. Seine
Vorlesungen sind von einer mustergültigen Klarheit gewesen.
Dasselbe gilt von seinem Buch „Die Baukunst des Altertums
und des Islams im Mittelalter“, das als erster Band der „Ge
schichte der Baukunst“ von Borrmann und Neuwirth 1904 er
schien. Von 1919 ab hat Borrmann auf kurze Zeit als Nach
folger Zimmermanns das Schinkelmuseum der Technischen
Hochschule mit größter Gewissenhaftigkeit verwaltet. Im
Jahre 1908/09 ist Borrmann Rektor gewesen. Er war ordent
liches Mitglied der Akademie des Bauwesens, außerdem
Dr.-Ing. e. n. der Technischen Hochschulen München und Ber
lin. 1921 trat er in den Ruhestand. Von jeher lebte er sehr
zurückgezogen.
Von den Werken Borrmanns sind außer den drei schon genann
ten noch die folgenden zu nennen: „Die Keramik in der Bau
kunst“, 1897; „Der -dorische Tempel der Griechen“, 1900;
„Die Alhambra zu Granada“, 1900 (die beiden letzten in „Die
Baukunst“, herausgegeben von Borrmann und Graul); „Mo
derne Keramik“, 1902; „Monumentale Wasserkunstanlagen im
Städtebau des Altertums und der neueren Zeit“, 1910; „Die
geschlossenen Platzanlagen im Altertum und in neuerer Zeit“,
1912; „Vom Städtebau im Islamischen Osten“, 1914; „Zeich
nungen. und Entwürfe von Ludwig Persius im Architektur
museum der Technischen Hochschule Berlin“ („Zeitschrift für
Bauwesen“ 1926, 1); „Der Hochbau in Berlin“, in: „Hundert
Jahre Architekten-Verein zu Berlin 1824—1924“, 1924. Es
war sein großes letztes öffentliches Auftreten beim hundert
jährigen Jubiläum des Berliner Architekten-Vereins. ein Vortrag
im großen Spiegelsaal des Charlottenburger Schlosses.
Wer ihn kannte, achtete und liebte den stets geraden, pflicht
treuen, edlen Menschen, den stillen, gründlichen Gelehrten, der
keine Phrasen kannte, liebte die klare Rede, das gütige Auge.
Dankbar gedenken seiner viele Schüler, Kollegen, Freunde.
Borrmann hatte keinen Feind. Mit ihm ist ein Vertreter echten,
edlen, vornehmen Preußentums dahingegangen.
Krencker.
Friedrich Gerlach.
Am 29. April d. J. konnte der Geheime Baurat Prof. Dr.-Ing.
e. h. Friedrich Gerlach, Stadtältester von Berlin, daselbst
seinen 75. Geburtstag begehen, noch bevor er die beabsichtigte
Uebersiedlung mit seiner Familie an den Rhein ausgeführt hat.
Aus westfälischem Geblüt stammend, hat er durch seinen
Lebenslauf als Bauingenieur, zunächst im Dienste der Staats
hauverwaltung, dann als Stadtbaurat und schließlich als Hoch
schulprofessor und Landtagsabgeordneter bewiesen, wie der
Techniker auf den verschiedensten Gebieten und auch außer
halb der technischen Wissenschaften seinen Mann stehen kann.
Aus Stübbens Schulung in Köln und aus zwölfjähriger Tätigkeit
als Magistratsmitglied von Berlin-Schöneberg stieg er zu einem
der angesehensten Städtebauer auf und ging 1911 nach Danzig,
um an der dortigen Technischen Hochschule den Lehrstuhl für
Städtebau zu übernehmen, den er bis 1926 inne hatte. 1913 für
den Wahlkreis Meschede—Olpe ins Abgeordnetenhaus gewählt,
hat er sowohl an dem Eingemeindungsplan von Danzig und am
preuß. Wohnungsgesetz von 1918 als auch für die Gleichstellung
der Professoren an den Technischen Hochschulen mit den Uni
versitätsprofessoren erfolgreich mitgewirkt. An seinem Ehren
tage gedenken seiner herzlichst und dankbar die sämtlichen
Fachgenossen von der „Fakultät für das Bauwesen“.
Tagungen.
Der Berufsverein höherer Staatsbaubeamter in Preußen
hält seine diesjährige Hauptversammlung am Sonnabend, den
16. Mai, vormittags 9% Uhr, im großen Sitzungssaal des Pots
damer Bahnhofs in Berlin ab. Auf der Tagesordnung u. a.
Geschäftsbericht, erneute Stellung zur Amtsbezeichnungsfrage,
Geschäftsverteilung bei den Regierungen und Waeserbaudirek
tionen (Grenzgebiete), Berichte aus den Verwaltungen und
Verbänden.
Der vierte deutsche Naturschutztag
wurde in Berlin vom 8, bis 12. April abgehalten. Von den Vor
trägen sind besonders hervorzuheben die von Professor Dr.
Schwenkei, Stuttgart: „Das Verhältnis der Kulturlandschaft
zur Urlandechaft“, Regierungsbaumeister a. D. Schürmann,
Köln (an Stelle des durch Krankheit verhinderten Landes
oberbaurats Dr. Prager, Düsseldorf): „Landesplanung und