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entwurf sah einen beweglichen Sturzboden aus Stein
pflaster auf Schotter- und Faschinenunterlage vor. Diese
Bauweise war bei Nadelwehren auf leichtbeweglichem
Sande an der unteren Ems mit gutem Erfolge ausgeführt
worden. Ein späterer Entwurf plante eine starre Beton
decke. In sandigen Strom- und Flußbetten hat man auch
anderwärts, wie an der Oder und Weichsel, schon seit
Jahrzehnten die bewährte Bauweise mit Steinen, Schotter
und Sinkstückunterlagen angewandt, bei erheblich großen
Wassermengen und hohem Abfall, u. a. am Strauchwehr
bei Breslau und bei Absperrwerken in der unteren Nogat.
Mit .starren Sturzbetten hat man aber in leichtem Sand
keine guten Erfahrungen gemacht, wie ich u. a. an den
Wassertreppen von Staudämmen festgestellt habe. Es
bilden sich in solchem Boden leicht Unterwaschungen und
die Betondecken reißen und sacken ab. Mit Rücksicht auf
den feinen Sand der Stever empfahl es sich daher, ein
nicht vollkommen starres Sturzbett einzubauen. Es wurden
vielmehr einzelne Betonblöcke von 4:4m Seitenlange ge
bildet, die z. T. offene, z. T. mit Asphalt gestrichene Stoß
flächen haben (Abb. 4). Diese Bauweise versprach bei voller
Standfestigkeit eine ausreichende Bewegungsmöglichkeit.
Es ist dadurch eine Art halbstarre Decke entstanden, die
Setzungen gestattet und den Unterdrück zu mindern ge
eignet ist. Ein erheblicher Teil des Wasserunterdruckes
wird auch hier durch eiserne Spundwände, deren Fort
setzungen den Durchgang im Damm um die Flanken des
Entlastungsbauwerks verhindern, abgesperrt und im übri
gen durch kapillare Reibung im feinen Sande des Unter
grundes teilweise aufgezehrt. Der Unterdrück konnte daher
mit der halben Größe des Unterschiedes zwischen normalem
Ober- und niedrigem Unterwasser angesetzt werden.
Ueber die zweckmäßige Ausbildung der Sturzbetten
im Längsschnitt bestehen in den beteiligten Fachkreisen
Meinungsverschiedenheiten; nur darüber ist man sich einig,
daß der Sturzboden vom Wehr nach dem Unterwasser nicht
abfallen sollte. Er steigt an oder liegt wagerecht. Viele
neuere Anlagen zeigen ein Ansteigen aus der Erwägung
heraus, daß die Energie des abströmenden Wassers sich
z. T. mit in der Hebung der im Wasserpolster angesammel
ten Wassermasse aufzehren soll. Hier ist die wagerechte
Bauweise ausgeführt.
Die Sturzbettverlängerung bis etwa 5 m unterhalb der
Kreisstraßenbrücke ist als rauhes Basaltpflaster, unter der
Brücke jedoch glatt hergestellt. Bei der Aufrauhung ent
steht durch die Reibung und den Stau der Brückenpfeiler
eine Art zweites Wasserpolster. Die Brückenquerschnitte
sind durch Abgrabung um etwa 50vH vergrößert worden,
so daß sich bei HHW die Strömungsgeschwindigkeit auf
1,25 m/sek vermindert. Die Fließgeschwindigkeit von etwa
10 m am Fuß des Wehrrückens geht also stark zurück.
Diese Geschwindigkeit darf als nicht mehr gefahrbringend
für den Bestand der Brücke angesehen werden. Wegen der
Abgrabungen wurden ihre Pfeiler und Widerlager durch
Eisenbetonummantelung geschützt.
5. Schutz des Flußbetten der Stever unterhalb der
Kreisstraßenbrücke gegen Auskolkungen. An die erwähnte
Pflasterung schließt sich zunächst eine Steinpackung auf
Schotterbett an. Die die Pflasterung abschließende Spund
wand und die Endspundwand reichen je 4 m tief. Die
abgegrabenen Uferböschungen sind durch Steinschüttung
abgedeckt. Die neuaufgebrachte Sohle (1 : 135) der weite
ren Strecke ist durch gepflasterte Sohlquerschwellen be
festigt.
Das Walzenwehr hat sich nach Mitteilung des Wasser
werks bisher durchaus bewährt. Die beiden Neuerungen
des Hochwasserentlastungsbauwerks: das halbstarre Sturz
bett und sein ausgerundeter Abschluß dürften somit Be
achtung verdienen.
DIE TARIFBILDUNG DER OSTSEEHÄFEN GDINGEN UND DANZIG.
Es besteht eine praktische Notwendigkeit dafür, daß das
Entgelt für Verkehrsleistungen in den Häfen nicht von Fall zu
Fall zwischen den Eigentümern dieser Verkehrsanstalten und
den Benutzern vereinbart, sondern ein für allemal in einer
öffentlich erkennbaren und für jedermann gleichmäßigen Weise
festgesetzt wird. Es ist kaum nötig hinzuzufügen, daß ohne der
artige Festsetzungen ein bedenkliches Chaos auf dem Gebiete
des Verkehrswesens, in Verbindung mit dem Risiko einseitiger
Begünstigungen oder Benachteiligungen, entstehen würde. Das
Tarifhoheitsrecht hat aber im Staatsleben noch eine andere
Funktion, der mindestens die gleiche volkswirtschaftliche und
finanzielle Wichtigkeit inriewohnt. Es ist der Regulator für die
Wettbewerbbestrebungen, die verschiedene Häfen desselben
Staates zu verfolgen pflegen, um von dem das Wirtschaftsleben
und die Hafenfinanzen befruchtenden Verkehrsstrome einen
möglichst großen Anteil für sich zu erlangen. Diese Erscheinung
zeigt sich nicht nur bei Häfen von benachbarter Lage im eigent
lichen Sinne des Wortes, sondern auch bei solchen, die räumlich
weit voneinander getrennt sind, aber für gewisse Gütertransporte
auf weite Entfernungen im Durchgangsverkehr eine alternative
Rolle spielen, d. h. für Empfänger und Versender zur Auswahl
stehen. In Preußen ist die Tarifhoheit des Staates immer in der
Weise und mit dem Ziele gehandhabt worden, daß die für ein
bestimmtes Verkehrsgebiet am Wettbewerbe beteiligten Häfen
durch das Eingreifen der zuständigen Behörden verhindert
wurden, sich gegenseitig eine ruinöse Konkurrenz zu machen,
die schließlich dahin führen müßte und zuweilen dahin geführt
hat, daß durch rücksichtslose Unterbietung in den Tarifen für
die Benutzung von Häfen die Rentabilität dieser Verkehrsein
richtungen zum Schaden der Unterhaltungspflichtigen und der
Steuerzahler in verhängnisvoller Weise herabgedrückt wurde;
vor allen Dingen gilt dies für den Interessenkrieg kommunaler
Hafenanstalten untereinander. Die preußische Regierung hat
noch ganz kürzlich in einer allgemeinen Anordnung darauf hin
gewiesen, daß es eine wichtige Aufgabe der Staatsregierung sei,
diesem unwirtschaftlichen Wettbewerb der Häfen entgegen
zutreten.
Das so gekennzeichnete, übrigens durch die Natur der Sache
bedingte und in allen zivilisierten Staaten geltende Regime der
Tarifbildung soll hier als Hintergrund dienen, auf den die Hand
habung der polnischen Tarifhoheit*) gegenüber den Ostseehäfen
Gdingen und Danzig projiziert wird. Beide sind so eng benach
bart, wie man es selten oder niemals zwischen zwei Seehäfen
finden wird; sie sind auf das gleiche Hinterland angewiesen, und
keiner von ihnen kann in dem Verkehr mit diesem Hinterlande
für sich einen Vorteil erlangen, der sich nicht als Nachteil für
den anderen auswirkt. Die Konkurrenz in bezug auf die Trans
portkosten für alle nicht am Hafenort selbst bleibenden oder
von dort aus verschifften Güter ist so scharf wie nur irgend
möglich; so scharf, daß selbst Pfennige und Pfennigbruchteile,
die sich aus der Verschiedenheit der Hafenkosten ergeben, für
die Wahl des einen oder des anderen Transportweges den Aus
schlag geben können. Die strengste Parität auf dem Gebiete der
Hafenabgaben würde also hier, wenn irgendwo, ein absolutes
Erfordernis sein, sofern den Geboten der Gerechtigkeit gefolgt
und der unwirtschaftlichen Festlegung von Bau- und Unter
haltungskosten begegnet werden soll. Man kann gegen diese
These nicht etwa einwenden, daß beide Häfen in verschiedenen
Staaten gelegen sind. Denn bei der Schöpfung des Staates
Danzig in dem Frieden von Versailles und bei der Ausstattung
des polnischen Staates mit gewissen Vorzugsrechten ihm gegen
über ist die ausdrückliche Voraussetzung gemacht und deutlich
ausgesprochen worden, daß der Danziger Hafen wie Kind im
polnischen Hause behandelt werden und insbesondere hinsicht
lich seiner Hafeninteressen die gleiche Fürsorge erfahren sollte,
wie wenn er ein polnischer Hafen wäre. In einer Entscheidung
des Kommissars des Völkerbundes vom 15. August 1921 ist der
polnischen Regierung die ausdrückliche Verpflichtung auferlegt
worden, den Danziger Hafen für den polnischen Seeverkehr in
vollem Umfange auszunutzen. Ob diese Verpflichtung inne-
*) Den Ausgangspunkt der Betrachtung bildet die von dem Ausschuß (iir den
Hafen und die Wasserwege von Danzig herausgegebeno Werbeschrift „Der Hafen
von Danzig“, Warschau 1929, Verlag Przemysl i. Handel, worin es auf S.67 heilt,
daß die Kosten flir die Verwaltung uni Unterhaltung des Hafens durch die Hafen-
ahgaben aufzubringen sind.