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Abb. 10. Gewölbereihesperre der Kraftanlage Rio de Pedras
(Brasilien). Entnahmeturm mit Rechenreinigungsmaschine.
Freistrahlturbinen, zur Verminderung der Gebäude- und Kran
kosten \md zur Erzielung möglichst hoher Umdrehungszahlen
die Neigung zum vermehrten Einbau mit senkrechter Welle.
Die uns hauptsächlich von skandinavischen Anlagen bekannte
unterirdische Turbinenaufstellung (Kavernen-Werke) finden
wir jetzt auch in Frankreich (Abb. 9) und Italien. Das Kraft
werk Brommat der Societö des Forces Motrices de la Truyere
hat eine Leistung von 150 000 kW mit 300 Millionen kWh
Jahresarbeitsmöglichkeit. Abb. 8 zeigt eine interessante
norwegische Anlage mit einem neuerdings gelegentlich auch bei
uns vorkommenden Unterwasserstollen (FriedIngen, Parten
stein), der naturgemäß mit einem Unterwasserschwallraum
ausgestattet ist.
Eine besondere Stellung nehmen Pumpspeicheranlagen ein.
Die hydraulische Akkumulierung in der Form des Hoch-
pumpens von Wasser durch Ueberschußkraft und Wieder
ausnutzen bei Kraftmangcl ist schon früher verwirklicht
worden. Aber erst das letzte Jahrzehnt hat hier Großaus-
fiihrungen gebracht. Der in den letzten Jahren entbrannte
Kampf zwischen Wasserspeicherung und Spitzendeckung durch
Wärmeanlagen hat in jüngster Zeit insofern eine Wendung
zugunsten der Pumpspeicherung erfahren, als drei große
deutsche, bisher vorwiegend auf Dampfkraft eingestellte
Kraftwerke: die Energieversorgung Groß-Dresden A. G., die
Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke Essen und die
Preußische Elektrizitäts-A. G. sich im Pumpspeicherwerk
Niederwartha bzw\ Herdecke und Bringhausen dieser neuen
Spitzendeckungsart bedienen. Die Abb. 11 und 12 kennzeich
nen die wirtschaftlichen Eigenschaften der im allgemeinen in
Frage kommenden beiden Speicherbeckenformen: Nieder
wartha, das Talsperrenbecken mit einer langen, mit Wasser
schlössern auszustattenden Druckrohrleitung und unvoll
ständig ausgenutztem Beckenraum — Herdecke, das künstlich
auszuhebende Speicherbecken mit 5 bis 30 m hohen Um
fassungsmauern aus Beton, jedoch mit einer kurzen Druck-
rohrleitung und daher kürzeren Oeffnungs- und Schließzeiten.
Bei den heutigen Maschinensätzen trachtet man, Turbine,
Generator und Pumpe miteinander zu kuppeln, wobei der
Generator während der Pumpzeit als Motor läuft (Herdecke).
11. Entlastung8- und Energieverzehrungsanlagen.
Eine besondere Bedeutung und eine hohe Entwicklungs
stufe haben in den letzten Jahren jene Konstruktionen erlangt,
die bei plötzlichen Betriebstörungen oder -Unterbrechungen
zur unschädlichen Umleitung des in der Regel geschiebefreien
Wassers um die Krafthäuser und zur Verzehrung der hierbei
auftretenden Energie notwendig werden. Sie lassen sich in
Entnahme-, Ableitungs- und EnergieverzehrungsVorrichtungen
gliedern, w'obei gelegentlich zw r ei oder alle drei Zwecke von
einem Bauglied erfüllt werden (z. B. Saugheber). Die älteste
und einfachste Entlastungsvorrichtung — der freie Ucberfall
oder das Streichwehr — sind in den letzten Jahren wegen
ihrer namentlich bei kleiner Ueberfallhöhe bedeutenden Bau
länge und Kosten mehr und mehr durch selbsttätige Stau
körper und Saugüberfälle verdrängt worden. Da Entlastungs
anlagen heute mehr als früher mit mechanischen Bestandteilen
ausgerüstet sind, so wird man sich bei ihrer Auswahl vor allem
bewußt sein müssen, daß ihre Herstellung besonders zuver
lässig sein muß, daß ihr Sicherheitsgrad ein hoher ist und daß
ihre Zugänglichkeit und Wartungsmöglichkeit stets gewährt
bleiben. Der Bauingenieur ist von den ihm bei seinen Wasser
bauten gewohnten Maßstäben her zu leicht geneigt, diese
mechanischen Einrichtungen schon deswegen als nebensächlich
zu betrachten, w r eil ihre Anschaffungskosten meist nur einen
verschwindend kleinen Teil im Gesamtaufwand für eine Wasser-
kraftanlage ausmachen. Er übersieht jedoch, daß die Kosten
dieser mechanischen Ausrüstungen außer jedem Verhältnis zu
ihrer Wichtigkeit für das zuverlässige Arbeiten der Gesamt
anlage stehen. Eine im letzten Jahrzehnt sehr weitgehend
fortentwickelte und empfehlenswerte Form eines selbsttätigen
Ueberfalles bildet neben einzelnen der zahlreichen Stauklappen
systeme der Saugheberüberfall 2 ). Das rege Interesse, dem
dieser in den letzten Jahren begegnet ist, zeigen auch die zahl
reichen Laboratoriumsversuche, bei welchen die Mittlere
Isar A.-G. (Miag) w'egw’eisend vorangeschritten ist und denen
2 ) Vgl. Marquardt: ..Talsperren“. Handbuch ftir Bisenbetonbau, 3. Aufl., Bd. IV.,
S. 329 bis 337. Berlin 1920. W. Ernst u. Sohn.
Abb. 11. Gesamtanlage des Pumpspeicher
werks Niederwartha der Energieversor
gung Groß-Dresden A.-G.
a oberes Becken, b Sperrdamm, c Einlauf bauwerk,
d obere Druckrohrleitung, e Wasserschlösser, f untere
Drurkrohrleitung, g Krafthans, h unteres Speicherbecken.