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FORTSCHRITTE IM RAU VON WASSERKRAFTHAUSERN
UNI) IHREN NEBENANLAGEN.
Von Dr.-Ing. Erwin Marquardt, Stadtbaurat in München.
1. Krafthäuser.
Die seit dem Krieg rasch steigende Erhöhung der Leistung
der Kraftwerke und die Tendenz zur Anordnung möglichst
weniger und dafür möglichst großer Einzelmasehinensätze be
einflußte im Zusammenhang mit dem größten Fortschritt im
Turbinenbau, der Erfindung der Flügelradturbinen, auch die
bauliche Ausgestaltung der Krafthäuser. In Nieder- und
Mitteldruckwerken hat in den letzten zehn Jahren die senk
rechte Einradturbine offener und halboffener Aufstellung mit
Schirmgeneratoren, namentlich in der Form der Kaplan- und
Propellerturbine, die früher beliebte wagerechte Mehrfach-
Francisturbine offener Aufstellung mehr und mehr verdrängt,
obwohl bei letzterer Maschinen und Baukonstruktionen ein
facher auszuführen und daher im allgemeinen auch die Bau
zeiten kürzer sind. Die von der Rhein-Main-Donau A.-G. ge
schaffene Staustufe Steinbach-Kachlet stellt die erste Aus
führung einer ausgesprochenen Großanlage dar, die ausschließ
lich mit Propellerturbinen (acht Stück anstatt der ursprünglich
vorgesehenen zwölf Francisturbinen) ausgerüstet wurde (Abb. 1,
2 und 3). Für die Krafthäuser ergab die neue Turbinenart
größere Höhen, damit mit dem Montagekran die langen
Maschinenwellen eingesetzt werden können. Diese Entwicklung
führte neuerdings in Verbindung mit dem auf lebenden Stahl
skelettbau zu einer Bevorzugung des Flachdaches gegenüber
dem auffälligeren Steildach (z. B. Vermuntwerk) oder gar zu
der Verlegung des Montagekranes aus dem Maschinenhaus
heraus, das dann entsprechende Dachluken erhält (z. B. Kraft
haus Illertissen der Unteren Illerstufe). Tn baukonstruktiver
Hinsicht zeigen insbesondere die in Beton- und Eisenbeton
ausgeführten Turbinenkammern und die im modernen Schnell
läuferturbinenbau besonders wichtigen Saugschläuche eine sehr
fortgeschrittene Durchführung. Abb. 4 und 5 lassen erkennen,
welche Anforderungen der Einbau der Turbinen in geschlossene
Spiralgehäuse an den Eisenbeton stellt. Wie Abb. 6 zeigt,
ordnet man bei den Saugschläuchen der Niederdruckanlagen
zur Verringerung der Turbulenz des Wassers und zur Er
höhung des Turbinenwirkungsgrades neuerdings stehende und
liegende Teilungszungen an.
Ein erfolgreiches Mittel, mit möglichst kleinem Raum
bedarf, namentlich der Oberwasserkammer, auszukommen,
wurde neuerdings in der Propellerturbine mit fast axialem
Durchfluß gefunden, die beim jüngst durchgeführten Umbau
der bekannten Anlage Beznau (Aare) verwendet wurde. Die
Ziffer, die den Raumbedarf für die Turbine kennzeichnet,
wurde für verschiedene bekannte Anlagen in Vergleich zu der
neuen Beznau-Turbine gesetzt :
Anlage: Lilla-Edet Kachlet Eglisau Beznau
Raumziffer: 135 230 144 76 mV.
Eine weitere Verbilligung ist es, wenn man, wie in Ryburg-
Schwörstadt, an den Turbineneinläufen keine Absperrschützen
mehr vorsieht, sondern die Turbinenleitschaufeln oder Damm
balken Verschlüsse als Absperrorgane benutzt, welch letztere
man durch den Kran der Rechenreinigungsmaschine versetzen
kann.
Als Beispiel dafür, wie die im letzten Jahrzehnt auch bei
uns häufiger gewordenen Mitteldruckanlagen in Schweden in
halboffener Aufstellung ausgefiihrt werden, wo sie wie in den
Vereinigten Staaten von Amerika schon vor dem Krieg
heimisch waren, sei auf Abb. 7 mit der bedeutenden Höhe von
20 m hingewiesen (vgl. auch Pfrombach). So wie man
in letzter Zeit durch die große Länge der Saugrohre für Flügel
radturbinen dazu überging, den tiefbaulichen Teil zur Auf
nahme von Schalt- und Transformatorenstationen heran
zuziehen (z. B. Lilla-Edet), verwendet man schon seit einigen
Jahren in Schweden die in Eisenbeton ausgeführten Einlauf
rohre als Unterbau für derartige Anlageteile (vgl. auch
Shannonwerk). In Abb. 7 ist neuartig und beachtenswert,
daß zur Erzielung einer wirksamen Entwässerung und zur
Vermeidung von Unterdruckwirkung auf die Einlaufkammern
und auf die zu den beiden Einradfrancisturbinen führenden
Druckschläuche diese vom Felsen abgesetzt und freitragend
ausgebildet wurden.
Bei den Bechenanlagen hat sich gegenüber früher manches
geändert. Bei Anlagen rnit Flügelradturbinen von geringer
Schaufelzahl geht man neuerdings im zulässigen Abstand der
Rechenstäbe vor dem Turbineneinlauf bei uns auf 50 mm, in
den Vereinigten Staaten und in Schweden auf 220 bis 230 mm;
Ryburg-Schwörstadt hat 150 mm mit stromlinienförmigen
Rechenstäben. Im Zusammenhang mit dieser Fischfrage mag
auch der Hinweis interessieren, daß man an Stelle der kost
spieligen, meist wirkungslosen und daher viel umstrittenen
Fischtreppen beim Stauwehr Kembs erstmals den Versuch mit
einem neuen Fischaufzug (System Gutzwiller) macht, dessen
Kosten sich auf 16 500 Frs. stellen gegenüber den Kosten
der Fischtreppe alter Bauart in Laufenburg mit 273 000 Frs.
und Eglisau mit 115 000 Frs. — Während man sich bei früheren
Anlagen bei uns im allgemeinen beim Turbineneinlauf mit der
Rechenreinigung von Hand begnügte, hat sich seit dem Krieg
a Wehr, b Krafthaus, c Schiff schleusen, d Umspannwerk
Abb. 1. Kachletstufe der Rhein-Main-Donau A.-G., München, von Oberstrom gesehen.