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Zentralblatt der Bauverwaltung
vereinigt mit ^
Zeitschrift für Bauwesen
MIT NACHRICHTEN DER REICHS- U. STAATSBEHÖRDEN. HERAUSGEGEBEN IM PREUSS. FINANZMINISTERIUM
SCHRIFTLEITER: INGENIEURBAU RICHARD BERGIUS • HOCHBAU Pr.-Ing. GUSTAV LAMPMANN
51. JAHRGANG BERLIN, DEN 9. SEPTEMBER 1931 NUMMER 37
Alle Rechte Vorbehalten.
NEUBAUTEN AUF DEM BERLINER SCHLACHTHOF.
Von Magistratsoberhaurat Straßmann, Berlin,
Der städtische Vieh- und Schlachthof in Berlin, der in
den Jahren 1878 bis 1881 von Blankenstein und Lindemann
erbaut und in den Jahren 1895 big 1898 von. Lindemann und
Hetze erweitert wurde, konnte im allgemeinen durch Um- und
Ergänzungsbauten den Forderungen gerecht werden, die das
Wachstum der Stadt und die Änderung der Betriebsweisen im
Laufe der Zeit gestellt hatten. In den letzten Jahren sind jedoch
einige umfangreiche Neubauten notwendig geworden.
I. Der Fleischgroßmarkt.
Der Schlächter früherer Zeit, der sämtliche Zwischen
stufen vom Vieheinkauf bis zum Kleinverkauf der Fleisch
waren in sich vereinigte, besteht in Großstädten nicht mehr.
Auf dem Berliner Schlachthofe kommt ein unmittelbarer
Ankauf des Viehs vom Lande durch den Schlächter nicht in
Frage, und für Schlachten und Verkauf hat sich eine Arbeits
teilung so vollzogen, daß im wesentlichen nur Großschlächter
schlachten und von diesen sogenannte Ladenschlächter, die
selbst nicht mehr schlachten und daher zutreffender mit
Fleischer oder Fleischhändler zu bezeichnen wären, das Fleisch
in ganzen, halben oder viertel Tieren kaufen und an die Bevöl
kerung im kleinen absetzen oder zu Fleisch- und Wurstwaren
verarbeiten. Dieser Handel zwischen Großschlächter und
Ladenschlächter vollzieht sich auf demFIeischgroßmarkt, wobei
als Verkäufer noch Großhändler, die Fleisch von auswärts ein-
führen, und Bauernfleischer aus der Provinz und als Käufer
Groß-Gastwirtschaften, Konsum-Vereine und ähnl. auftreten.
Der Berliner Fleischgroßmarkt war früher gemeinsam mit
dem Großhandel in anderen Lebensmitteln in den Zentral
markthallen am Alexanderplatz untergebracht. Die Zunahme
des Fleischhandels machte es notwendig, benachbarte Stadt-
bahnbögen und Läden einzubeziehon, ohne daß aber die
Nachfrage nach Plätzen erfüllt werden konnte, Auch war
die Zersplitterung dem Markte nachteilig. Als weitere
Mängel kamen hinzu die erhebliche Entfernung des Marktes
vom Schlachthofe und die Belastung der Straßen mit Fuhr
werken, die mit der Zeit zu unhaltbaren Zuständen in der
Gegend des Alexanderplatzes führte. Der Fleischgroßmarkt
wurde daher von dem übrigen Lebensmittel-Großmarkt ge
trennt und nach dem Vieh- und Schlachthof verlegt, mit dem
er nunmehr unter derselben Verwaltung ein einheitliches wirt
schaftliches Ganzes bildet.
Das Gelände mit einer Länge von rund 450 m und einer
Breite von rund 200 m stößt an den Vieh- und Schlachthof
an, allerdings durch die Landsberger Allee getrennt. Es läßt
sich aber bei Anlagen so ausgedehnten Umfanges wie dem
Vieh- und Schlachthofe einer Millionenstadt die Kreuzung durch
öffentliche Straßen kaum vermeiden, zumal dann nicht, wenn
die Anlage mit dem Wachsen der Stadt immer größer wird.
Hier beim Fleischgroßmarkt geht daher zur Zeit die Zufuhr des
Fleisches vom Schlachthofe zum Markt über die Landsberger
Allee. In Zukunft wird dies aber in einem Tunnel geschehen,
der mit dem Neubau der Brücke Landsberger Allee an deren
südwestlichem Widerlager hergestellt wird. Auch soll dann die
Zufuhr durch Förderanlagen erleichtert werden. Im Nord
osten stößt der Fleischgroßmarkt an die Ringbahn an und ist
an die Gütergleise angeschlossen. Auf den zwei Ladegleisen
können etwa 60 Bahnwagen aufgestellt werden. Vor dem
Fleischgroßmarkt auf der anderen Seite ist ein ausgedehntes
Auffahrtgelände für die Fuhrwerke vorhanden.
Der Großmarkt besteht aus drei Hallen. Mit dem Bau der
ersten an. der Landsberger Allee gelegenen wurde schon im Jahre
1914 begonnen, der Bau wurde auch zunächst während des Krie
ges weitergeführt, dann aber eingestellt und erst 1924 wieder auf -
genommen, 1925 wurde die Halle und damit der Fleischgroß
markt auf dem Schlachthofe eröffnet. Der Halle I schloß sich
bald die Halle II an — eröffnet 1926 — und Halle III —- eröff
net 1929 —. Halle II und III wurden durch Überbauung der
Zwischenstraße zu einem Gebäude zusammengefaßt. In den
drei Hallen sind rund 1 500 Stände mit 13 000 qm Fläche vor
handen. Der Markt ist, wie schon aus seiner räumlichen Größe
hervorgeht, bedeutenden Umfanges, die Besucherzahl an Markt
tagen ist auf etwa 10 000 anzunehmen, die Zahl der Fuhrwerke
auf etwa 2000, und der Jahresumsatz mag zur Zeit bis eine Milli
arde Reichsmark betragen. Die Baukosten betrugen für die
drei Hallen mit Bahnanschluß und Nebenanlagen rund 8500000
Reichsmark.
Die Hallen sind in der üblichen Weise in Standinseln und
Gänge aufgeteilt, aber ohne Erhöhung der Inseln; Galerien
sind nicht vorhanden. Die Hallen sind nicht unterkellert. Die
Hauptgänge haben eine Breite von 6 bis 7 m, die übrigen
Gänge von 3,50 bis 3,60 m. Die Standgröße schwankt zwischen
6 und 20 qra und betragt i. M. 7,5 qm, die Standhöhe beträgt
2,90 m. Die Stände können durch herausnehmbare Seiten-
und Rückwände verändert werden. Die Wände sind aus
gelochtem Eisenblech, die Decken aus Drahtgeflecht; die Vorder
seite der Stände ist ganz offen und durch Drahtgeflecht-Roll
gitter verschließbar. Im Innern sind Hakenleisten zum Auf
hängen der Fleischstücke angebracht. Alle Teile der Stand
konstruktion sind feuerverzinkt.
Der nach der Bahn gelegene Teil der Halle III dient den
umfangreichen Anlagen, der Zollstation und ist von der übrigen
Halle völlig getrennt. Auf der Zollstation wird das von aus
wärts, gegenwärtig im wesentlichen aus Holland, Dänemark
und Schweden eingeführte Fleisch untersucht und verzollt.
Während die Halle I noch entsprechend den alten Berliner
Markthallen durch zwei quergerichtete Schiffe von 14,5m Spann
weite, sonst durch Langschiffe von 8 m Spannweite überdeckt
ist, sind die Hallen II und III auf die ganze Länge dreischiffig
überdeckt mit zwei seitlichen Zweigelenkrahmen, auf deren aus
kragenden Teilen die Laterne des Mittelschiffes als Dreigelenk
rahmen mit Zugband aufgesetzt ist. Die Dächer sind eisen
bewehrte Bimsbetonplatten, die an ihrer Unterfläche mit glatter
Feinschicht überzogen und verfugt sind. Die Dachflächen sind
als Doppelpappdach eingedeckt, deren Oberfläche mit Weiß
kalk zum Schutze gegen Sonnenstrahlen gestrichen wurde.
Die LüftungsfLügel der eisernen verzinkten Fenster drehen um
die wagerechte Achse und sind zu einer größeren Zahl gekuppelt
von der Halle aus stellbar. Die den Sonnenstrahlen ausgesetz
ten Scheiben sind mit Klarglas verglast, das die Sonnenwir
kung aufhebt, ohne das äußere Ansehen, des Fleisches nach
teilig zu beeinflussen. Die Hallenwände sind auf Höhe der
Stände mit weißglasierten Steinen verblendet, darüber geputzt
und mit Kalkfarbe gestrichen. Der Fußboden muß undurch
lässig, fugenlos und widerstandsfähig gegen die Raddrücke der