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Ueber Fortschritt© derWassergasschweißung dickwandiger
Gefäße berichtete Dr. Nehl, Mühlheim. Seine Ausführungen
zeigten deutlich, daß diese Preßschweißung gegenüber der leb
haft erörterten Schmelzschweißung keineswegs vernachlässigt
worden ist. In der Wassergasschweißung ist Deutschland
allen anderen Ländern stark überlegen. Einen wertvollen
Beitrag zur Schweißung dickwandiger Gefäße lieferte Oberin
genieur Jurczyk, Osnabrück. Die Erfahrungen bei solchen
Arbeiten an Hochdruckarmaturen lassen sich mit der gebotenen
Vorsicht für das Schweißen von Dampfkesseln verwerten.
Zum Schluß der Fachtagung berichtete Dipl.-Ing. Stursberg,
Düsseldorf, über umfangreiche Versuche zur Erkennung der
Schweißbedingungen bei höher gekohltem Flußstahl, die im
Aufträge des Fachausschusses und mit Unterstützung weiterer
Stellen seit längerer Zeit durchgeführt werden. Diese Versuche
haben den Zweck, das Schweißen des billigen hochgekohlten
Flußstahls sicherzustellen. Wenn dieser Stahl mit der gleichen
Zuverlässigkeit geschweißt werden kann, wie die bisher meist
verwendeten niedrig gekohlten Stähle, dann ist für noch wirt
schaftlichere Herstellung im Rohrleitungsbau, z. B. von Fern
gasleitungen, im Apparatebau und auch im Stahlhochbau ein
weiterer wesentlicher Schritt getan. Stursberg hat bislang den
Einfluß der Azetylen-Schweißflamme bei der Gasschweißung,
den Einfluß des Lichtbogens und der Elektrode bei der elek
trischen Schweißung untersucht und über Festigkeits- und
Dichtigkeitseigenschaften der Verbindungen zahlreiche Zahlen
tafeln und Schaubilder gewonnen. Endgültige Anweisungen an
die ausführende Praxis kann er jedoch erst nach Abschluß der
noch vorzunehmenden Versuche geben.
In der großen öffentlichen Jubiläumssitzung der Haupt
versammlung am 28. Juni überbrachten Vertreter technisch-
wissenschaftlicher Vereine aus achtzehn verschiedenen Staaten
ihre Glückwünsche. Allen voran waren die Ingenieure aus den
Vereinigten Staaten in der stattlichen Zahl von 75 Mann er
schienen. Zahlreiche Ehrungen für hervorragende Einzel- und
Gemeinschaftsarbeit wurden Mitgliedern des Vereins undGasten
zuteil. Das neu geschaffene Ehrenzeichen, eine silberne Plakette
mit dem Denkmal in Alexisbad, wurde mehrfach verliehen, und
vier verdienstvolle Männer, darunter als Bauingenieur der
Geheime Baurat Prof. Dr.-Ing. e. h. de Thierry, Berlin,
wurden zu Ehrenmitgliedern ernannt.
Dr. Adrian.
DAS BAUSPARKASSENGESETZ.
Von Verwaltungsrechtsrat von Grüner, Berlin.
Seit mehr als zwei Jahren erscholl in der deutschen
Oeffentlichkeit immer lauter und nachdrücklicher der Ruf
nach einer gesetzlichen Regelung des Bausparwesens. Die
Bausparbewegung hat unter dem doppelten Druck der Woh
nungsnot und der Kapitalnot aus kleinen Anfängen in den
letzten Jahren einen Umfang angenommen, der sie einerseits
zu einem bedeutsamen wirtschaftlichen Faktor stempelt, der
anderseits aber auch mancherlei Mißbrauch Tor und Tür
öffnet, sei es, daß unzuverlässige Persönlichkeiten in schwindel
hafter Absicht sich ihrer bedienen, sei es, daß Phantasten oder
Dilettanten ohne böse Absicht doch gleiches Unheil anrichten
wie jene. So ist es denn auf das Lebhafteste zu begrüßen,
daß uns das „Gesetz zur Aenderung des Gesetzes über die
privaten Versicherungsunternehnrangen“ vom 30. Mai 1931
(Reichsgesetzblatt S. 102) unter einem besonderen Abschnitt
„Bausparkassen“ auch das längst geforderte Bausparkassen
gesetz gebracht hat*).
Man hat bei dieser gesetzlichen Regelung sich die Erfah
rungen aus dem privaten Versicherungswesen zunutze gemacht
und hat, wie seinerzeit beim privaten Versicherungswesen, es
mit Recht vermieden, schon heute eingehende materielle Vor
schriften für das Bausparwesen zu erlassen; denn, wie die
Begründung zum Gesetze zutreffend ausführt, „die Bauspar-
bewegung ist noch viel zu sehr im Fluß, als daß bei einer gesetz
lichen Regelung des materiellen Bausparrechts auf der einen
Seite die Gefahr einer unvollständigen, auf der anderen Seite
die Gefahr einer die weitere Entwicklung hemmenden Regelung
vermieden werden könnte“.
Das Gesetz gibt in seiner nunmehrigen Form fast un
begrenzte Möglichkeiten auch materieller Regelung unter voller
Wahrung aller Entwicklungsmöglichkeiten und der Anpassungs
fähigkeit der materiellen Rechtsnormen an diese. Formell
beschränkt sich das Gesetz auf eine verwaltungsrechtliche und
zwar in erster Linie gewerbepolizeiliche Regelung, indem es
die Bausparkassen der Beaufsichtigung durch das Reichs
aufsichtsamt für Privatversicherungen unterwirft. Als erster
und wesentlichster Ausfluß dieser Aufsicht erscheint die Ein
führung der Konzessionspflicht für Bausparkassen, verbunden
mit dem Recht der Untersagung des ferneren Geschäftsbetriebes
für bereits zugelassene Bausparkassen mit der Wirkung, daß
neue Bausparverträge nicht mehr abgeschlossen, früher ab
geschlossene nicht erhöht werden dürfen. Außerdem steht für
den Fall der Untersagung des Geschäftsbetriebes der Aufsichts
behörde das Recht zu, alle Anordnungen zu treffen, die zur
einstweiligen Sicherstellung des Vermögens der Unternehmung
im Interesse der Bausparer nötig sind, insbesondere die Ver
mögensverwaltung geeigneten Personen zu übertragen. Die
Zulassung zum Geschäftsbetriebe kann insbesondere versagt
oder die ausgesprochene Zulassung durch Untersagung des
Geschäftsbetriebes widerrufen werden, wenn nach dem Ge
schäftsplan die Belange der Bausparer nicht hinreichend
gewahrt sind, oder durch die technischen Geschäftsunterlagen
die Erfüllbarkeit der aus den Bausparverträgen sich ergebenden
Verpflichtungen der Bausparkasse nicht genügend dargetan ist.
*) Inzwischen ist das nunmehrige „Gesetz Ober die BeaafsichtUnng der privaten
VersicheruugaUnternehmungen und Bausparkassen“ unterm 9. Juni 1931 in der ans der
Novelle sich ergehenden Fassung tu B. G. Bl. I S. 31$ ff. verhfleQtlleht worden.
In dieser Bestimmung der Wahrung des Interesses der Bau
sparer liegt der Schwerpunkt des ganzen Gesetzes, da hiernach
offenbar die Aufsichtsbehörde nicht nur berechtigt, sondern
verpflichtet ist, für Wahrung der Interessen der Bausparer
Sorge zu tragen. Damit wird die Aufsichtsbehörde zum Richter
nicht nur über die mathematische Richtigkeit der Tarife der
einzelnen Bausparkassen, sondern darüber hinaus über alle die
heute noch keineswegs abschließend geklärten Fragen des Bau
sparwesens wie Zinsberechnung oder Zinslosigkeit, offener oder
geschlossener Sparerkreis und dergleichen mehr.
Um das Aufsichtsamt zur Lösung dieser Aufgaben zu
befähigen, wird ihm wiederum nach dem bewährten Beispiel
des Versicherungswesens ein besonderer Beirat für Bauspar
kassen, der aus Sachverständigen des Bausparwesens besteht,
beigegeben. Schon bei Prüfung der zu erwartenden etwa
300 Anträge auf Zulassung von ebensoviel privaten Bauspar
kassen werden sich beim .Reichsaufsichtsamt gewisse grund
sätzliche Entscheidungen zu diesen zum Teil sehr schwierigen
Fragen herausbilden müssen; aber fast ebenso sicher kann nach
den bisherigen Erfahrungen angenommen werden, daß diese
erstmaligen Grundsätze noch keinen Anspruch auf dauernde
Gültigkeit werden machen können, sondern laufend den fort
schreitenden. Erkenntnissen der Theorie und der Praxis werden
angepaßt werden müssen. Aus diesem Grunde ist auch die
Einstellung derjenigen, welche den Mangel materiell-rechtlicher
Bestimmungen im Bauspareesetz vermissen, wohl kaum be
rechtigt. Wer — wie der Verfasser — von Geburt des deutschen
Bausparwesens ab sich mit der Materie beschäftigt hat, wird
ohne Beschämung eingestehen, daß er immer wieder dazu-
gelemt hat und auch in wichtigen und wichtigsten Fragen
seine ersten Ansichten hat revidieren müssen.
Auch in bezug auf die Definition der Bausparkassen läßt
das Gesetz eine wohl angebrachte Vorsicht walten. Es definiert
zwar die privaten Bausparkassen als „Privatimternehmungen,
bei denen durch die Leistungen mehrerer Sparer ein Vermögen
aufgebracht werden soll, aus dem die einzelnen Sparer Dar
lehen für die Beschaffung oder Verbesserung von Wohnungen
oder Siedlungen oder zur Ablösung hierzu eingegangener Ver
pflichtungen erhalten“, sieht aber gleichzeitig vor, daß der
Reichswirtschaftsminiater im Einvernehmen mit dem Reichs
arbeitsminister und mit Zustimmung des Reichsrats Ge
schäftsbetriebe, die wirtschaftlich dieselben oder ähnliche
Zwecke wie Bausparkassen verfolgen, den für diese geltenden
Bestimmungen unterstellen kann. Im übrigen entscheidet aus
schließlich das Reichsaufsichtsamt mit bindender Kraft für
Gerichte und Verwaltungsbehörden darüber, ob eine Unter
nehmung als eine der Aufeicht unterliegende Bausparkasse an
zusehen ist.
Durch die Einarbeitung des Bausparkassengesetzes in die
Novelle zum Versicherungsaufsichtsgesetz hat leider die Ueber-
sichtlichkeit des Gesetzes nicht gewonnen, da neben einer
Anzahl von Sondervorschriften für die Bausparkassen auch eine
erhebliche Anzahl von Vorschriften des eigentlichen Versiche-
rungs&ufeichtsgesetzes für sinngemäß auf Bausparkassen an
wendbar erklärt werden. An wichtigen Einzelbestimmungen
sind folgende noch hervorzuheben: