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Es zeigte sich hier wie immer wieder, daß die neuzeitliche
Schweißtechnik in noch stets wachsendem Maße die Aufmerk
samkeit der Maschineningenieure und Eisenhüttenleute, der
Bauingenieure und Metallfachleute beansprucht.
Den Hauptvortrag der öffentlichen Sitzung hielt Prof.
Dr. Konen, derzeit Rektor der Universität Bonn. Sein Thema
war weit gespannt von der forschenden und rechnenden neu
zeitlichen Physik bis zur technischen Anwendung der Erkennt
nisse; es lautete „Strahlungsprobleme“. Prof. Konen beleuch
tete am Beispiel der Sonnenstrahlung in wissenschaftlich
einwandfreier Weise und doch allgemein verständlich die Be
deutung der strahlenden Energie. Für die Leser dieser Zeit
schrift dürfte der Gegenstand etwas ferner liegen, das Bau
wesen wurde ganz kurz berührt in der Heizungs- und Be
leuchtungstechnik. Das menschliche Auge erfaßt nur einen
kleinen Bereich des Sonnenspektrums, die Atmosphäre läßt
nur einen kleinen Teil der ultravioletten Strahlung der Sonne
zu uns gelangen. Daher ist für viele Zwecke des Bauwesens die
Verwendung von Glasarten zu Fenstern und von Lichtquellen
wichtig, die reich an denjenigen ultravioletten Strahlen sind,
die für biologische und physiologisch-chemische Vorgänge
in Frage kommen. Hier ist z. B. der Bau von Treibhäusern zu
nennen. Ueberhaupt ist die ungeheure Energiemenge, die die
Sonne uns stündlich sendet, nach der heutigen Technik am
vorteilhaftesten auf dem Wege über die grüne Pflanze ausnutz
bar. Für Sonnenmaschinen ist unser Klima viel zu ungünstig;
deshalb sollte der Ingenieur sich der Weiterentwicklung des
Treibhauses annehmen. Um leistungsfähige Gläser mit gün
stiger Durchlässigkeit für wirksame ultraviolette Strahlen zu
finden, werden zur Zeit mit Mitteln der Notgemeinschaft plan
mäßig alle in Frage kommenden Werkstoffe durchforscht. Der
Erledigung harrt aber noch die Aufgabe, im einzelnen festzu
stellen, welche fördernde oder hemmende Wirkung die einzelnen
Frequenzbereiche des ultravioletten Lichtes auf den Organis
mus von Pflanze und Tier haben.
Anstrichtechnik. Viel zu wenig nehmen sich die Ingenieure
der in der Anstrichtechnik ihrer harrenden Aufgaben an.
Führende Handwerker betonen seit Jahren die Notwendigkeit
der Zusammenarbeit mit den Ingenieuren zur Entwicklung
mechanischer Anstrichverfahren, die der handwerklichen
Praxis gerecht werden. Der Verein deutscher Ingenieure
bemüht sich in einem gemeinsamen Fachausschuß mit dem Ver
ein deutscher Chemiker, die in der Anstrichtechnik noch uner
ledigten Aufgaben wissenschaftlicher Grundlagen zu bearbeiten
und die schon gewonnenen Forschungsergebnisse der lebenden
Praxis zuzuführen. Wer sich als Ingenieur mit den Problemen
des mechanischen Anstrichs näher befaßt, findet eine ganze
Reihe reizvoller Forschungs- und Gestaltungsaufgaben. In der
Industrie, insbesondere der Massenfertigung, sind auch schon
vielerorts bemerkenswerte Lösungen für das mechanische
Aufbringen von Farbe und Lack gefunden, im Malerhandwerk
fehlt aber offenbar immer noch die enge Fühlungnahme zwischen
Handwerker und Ingenieur. Denn die heute üblichen Geräte
zum Farbspritzen haben noch grundlegende Schw ächen, vor
allem die Nebelbildung; es kann nicht Aufgabe des Hand
werkers sein, sie zu beseitigen. Auf der Fachtagung für Anstrich
technik im Rahmen der Hauptversammlung zeigte der erste
Vortrag überzeugend die Notwendigkeit Yon Ingenieurarbeit.
Dr. Goos, Hamburg, Direktor der Hamburg-Amerika-
Linie, sprach über die Verwendung weißer Farben in der
Schiffahrt. Der Bedarf an solchen Farben ist groß, die Reede
reien lassen sich die Erhaltung der Schiffe durch guten Anstrich
stets angelegen sein. Weiße Farben werden aus vielfachen
Gründen bevorzugt, besonders für den Innenanstrich. Die
Hapag verbraucht z. B. jährlich rd. 300 000 kg weiße Oelfarbe
und rund 65 000 kg weiße Lackfarbe. Für Instandsetzungs
arbeiten kommt die Nitrolackierung noch nicht in Frage.
Nitrolacke können nur gespritzt werden, im Innern des Schiffes
kann aber die nebelnde Spritzpistole nicht geduldet werden;
man kann die Nebel nicht absaugen und aus den oft engen
Gängen nicht wieder entfernen. Hier liegt also eine Aufgabe für
den Ingenieur vor: die Schaffung einer nebellosen Spritzpistole
für Innenarbeiten ohne Absaugemöglichkeit. Beim Neubau von
Schiffen ist die Zelluloselackierung natürlich möglich und in An
wendung, weil hier die Teile vor dem Einbau gespritzt werden
können. Das hauptsächlich angewandte Pigment für die
Weißfarben im Schiffbau ist Zinkweiß. Der Oel- bzw. Firnis-
gehalt der strichfertigen Farbe ist 20 bis 25 vH. In den Gesell
schaftsräumen und für andere repräsentative Zwecke werden
vielfach Emaille-Lackfarben unter Benutzung von Leinöl-
Standöl verwendet, wodurch der Glanz und die Dauerhaftigkeit
des Anstriches erhöht werden. Ferner wird für sodafeste An
striche chinesisches Holzöl in Verbindung mit unverseifbaren
Harzen verwandt.
Dr. Becker, Köln, sprach über die physikalisch-optischen
Grundlagen der Weißpigmente. Die Deckfähigkeit der
Weißpigmente ist von dem Unterschied der Lichtbrechungs
zahlen von Pigment und umhüllenden Stoff abhängig. Durch
Glasstückchen in Mitteln verschiedener Brechungszahlen läßt
sich dies leicht veranschaulichen. Die Deckfähigkeit ist weiter
abhängig von der Teilchengröße der Pigmente; sie nimmt mit
abnehmender Teilchengröße solange zu, bis sich die Größe der
Teilchen der Wellenlänge des roten Lichtes nähert. Bei weiterer
Verringerung der Teilchengröße wird die Deckfähigkeit wieder
schlechter. Für die Vermahlung der Pigmente ist also ein
günstigster Wert einzuhalten. Zu beachten ist der Unterschied
zwischen Färbevermögen und Deckfähigkeit. Diese beiden
wären dann verhältnismäßig gleich groß, wenn die Gewichts
mengen in der Raumeinheit der verschiedenen streichfertigen
Farben gleich groß wären. Wegen der verschieden großen
Oelaufnanme der Weißpigmente sind diese Gewichtsmengen
aber sehr verschieden, Dr. Becker ist mit der Ausarbeitung
eines Meßverfahrens für die Bestimmung der Deckfähigkeit
beschäftigt und wird in der Fachpresse demnächst hierüber be
richten. Für den Bauingenieur sind die Abkreideerscheinungen
weißer Farben von Bedeutung. Bunte Anstriche kreiden sehr
selten, was offenbar auf die Absorbtion der besonders schäd
lich wirkenden ultravioletten Strahlen zurück zu führen ist.
Ein Zusatz von Buntpigment zu weißen Farbanstrichen ist
daher günstig.
Ueber Fortschritte in der Bekämpfung von Gefahren bei
Anstricharbeiten sprach Oberregierungsrat Stiller, Berlin.
Gefahren für die Gesundheit des Arbeiters und für die Arbeits
stücke und Arbeitsstätten liegen im Farbkörper, in den Binde-
und Lösungsmitteln, in den zu verschiedenen Zwecken verwen
deten Zusatz- und Verdünnungsmitteln. Diese Gefahren treten
am meisten beim Farbspritzen hervor. Die sichtbaren Farb-
nebel und die unsichtbaren Dämpfe der Verdünnungsmittel
vermischen sich mit der Raumluft und bilden die Gefahren
quelle. Absaugen der Nebel und Dämpfe ist nicht überall
durchführbar; das Arbeitsgebiet erstreckt sich von der kleinen
Metallschraube bis zum Eisenbahnwagen und zur Hausfassade-
Anhand zahlreicher Beispiele und Abbildungen zeigte der Vor
tragende neuere Ausführungen von Absaugeanlagen. Wenn
man bedenkt, daß in Deutschland rund 250 000 Anstreicher
vorhanden sind, von denen erst ein ganz geringer Hundertsatz
als Spritzer arbeitet, vor allem wenig im Handwerk, und wenn
man erwartet, daß doch über kurz oder lang das nebelarme
Spritzen auch im Bauhandwerk Eingang und wachsende Ver
breitung finden wird, so muß man honen, daß sich die Bau
ingenieure weit mehr als bisher auch für die mit der Spritz
arbeit verbuudenenhygienischen Fragen interessieren. Von den
Maschineningenieuren aber muß man die baldige Schaffung der
nebellosen Spritzpistole erwarten, die auch in Leistung und
Form des Strahles einstellbar und damit handwerksgerecht ist.
Schweißtechnik. In meinem Bericht über die vorjährige
Hauptversammlung des VDI in Wien*) konnte ich darauf hin-
weisen, daß damals im Mittelpunkte der Beratungen der
Schweißfachleute die Einführung der Schweißtechnik in den
Stahlhochbau stand. Diese ist inzwischen erfolgt, nach schwie
rigen Beratungen sind im Mai 1931 die „Vorschriften für
geschweißte Stahlbauten“ als DIN-Blatt 4100 erschienen.
Damit sind dem Schweißfachmann, dem Eisenbauingenieur in
Büro und Werkstatt, dem Walzwerker und auch dem Beamten
der Baupolizei eine große Fülle neuer und reizvoller Aufgaben
gestellt worden. Der Siegeszug der Schweißtechnik ist inzwi
schen weiter gegangen. Ihr nächstes Eroberungsgebiet scheint
der Dampfkesselbau zu sein. Die Schweißfachleute hüben und
drüben des Atlantik wetteifern in dem Bemühen, den Nachweis
für die Zuverlässigkeit geschweißter Verbindungen auch im
Dampfkesselbau zu erbringen. Das Grundthema der Fach
tagung für Schweißtechnik in Köln war denn auch das Schweißen
im Kesselbau.
Einen hauptsächlich theoretischen Beitrag zur Spannungs
ermittlung in Schweißverbindungen gab Dipl.-Ing, Kochen-
dörffer, Essen. In Verbindung mit andern hat er versucht,
aus Spannungsvorgängen in Modellen Unterlagen für die Be-
stimmungder Spannungen in Schweißverbindungen zu gewinnen.
Die Ergebnisse sind aber nur ganz bedingt verwendbar. We
sentlich wichtiger sind die Reck- und Zerreißversuche mit
Schweißproben. Die Aetzung der Proben auf Kraftlinien nach
Fry zeigt deutlich den überragenden Einfluß scharfer Kanten
und Ecken. Sehr eindrucksvoll zeigte Dr. Messmer, Göttingen,
in Ergänzung der Ausführungen Kochendörffers den Verlauf
der inneren Spannungen in einem durchsichtigen Modell einer
Kessel-Schweißverbindung als farbiges Bild auf der Leinwand.
*) Zentralbl*tt der Bauverwaltuog 1930, S. 772.