409
Kleinwohnung die notwendige Einsparung der Mehrkosten
für die Anlage, Einrichtung und Benutzung eines Einzel-
bades zu Änderungen in den bisherigen Gewohnheiten führen.
Sehr oft werden gemeinsame Baderäume für eine Reihe von
Wohnungen, die zweckmäßig im Kellergeschoß mit der Wasch
küche verbunden werden, am besten den wirtschaftlichen
Möglichkeiten der Mieter gerecht werden. Keinesfalls darf
die Hergabe öffentlicher Mittel von der unbedingten Forde
rung eines Einzelbades für jede Wohnung abhängig gemacht
werden. Selbstverständlich muß auch die ganze übrige Aus
stattung aller Wohnungen zwar eine wirtschaftliche und ein
fache Führung des Haushalts nach Möglichkeit erleichtern,
aber jeden überflüssigen Aufwand vermeiden. Stabfußboden,
Eichenholztreppen, kostspielige Wandplattenbeläge, hoch
wertige Tapeten und andere Wohnungsverbesserungen, die
sich ein reiches Volk leisten konnte, müssen beim Wohnungs
bau für die breiten Schichten zugunsten einer erträglichen
Mietgestaltung aufgegeben werden.
Alle diese plantechnischen Vereinfachungen und Ein
sparungen genügen aber noch keineswegs, um die Wohnungs
baukosten für die Dauer ausreichend zu senken. Wer mit
den Dingen der Praxis vertraut ist, der muß zugeben, daß
sich im Laufe der Zeit insbesondere auf dem Gebiete der Ver
gebung Mißstände herausgebildet haben, die zu einer Über
setzung der Baukosten führen mußten. So schließt die Be
schränkung der Vergebung öffentlicher oder mit öffentlichen
Mitteln geförderter Bauaufträge auf bestimmte örtlich be
grenzte Untemehraerkreise den gesunden Gedanken der
Heranziehung auswärtigen Wettbewerbs aus, fördert viel
mehr den Zusammenschluß bestimmter Untemehmergruppen
zu gemeinsamer Preisabgabe. Die Fälle, in denen Ge
meinden die Hergabe öffentlicher Mittel von der Vergebung
an in der Gemeinde selbst ansässige Unternehmer abhängig
machten und die Unternehmer am Orte sich zum Preisring
zusammenschlossen, sind häufig genug. Wenn dabei auch
das Bestreben, die in der Gemeinde aufgebrachten Mittel
Gemeindeangehörigen zugute kommen zu lassen und den
Arbeitsmarkt der Gemeinde zu entlasten, aus lokalen Gründen
erklärlich erscheint, so sind doch die Forderungen der Gesamt
wirtschaft so ungleich wichtiger, daß derartige lokale Wünsche
zurücktreten müssen. Auch der Ausschluß solcher Arbeit
nehmer, die nicht in der Gemeinde selbst, wohl aber in ihrem
Umkreis wohnen, und vorher in der Gemeinde ihren gewohnten
Arbeitsplatz hatten von der Beteiligung an den mit öffent
lichen Mitteln geförderten Wohnbauten mußte unterbunden
werden, da er die durchaus erwünschte und fördernswerte
Aussiedlung der Bevölkerung in die Umgebung der Groß
städte gefährdet hätte. Nebenher hatte sich vielerorts der
Brauch herausgebildet, Neubauten nach einem für den Kubik
meter umbauten Raumes generell abgegebenen Einheitspreis
ohne näheren Nachweis der Einzelkosten zu vergeben. Dieses
Verfahren hat eine Preiskontrolle nahezu unmöglich gemacht.
Ein solcher roh berechneter Preis gibt dem Bauherrn keines*
falls die Möglichkeit, sich über die Angemessenheit der ab
gegebenen Preise in einer Zeit zu unterrichten, in der die
Preise für jede einzelne Teilleistung des Bauwerks einem
ständigen Wechsel unterliegen. Die Vergabe nach Kubik
meter macht aber nicht nur eine Nachprüfung der Angemessen
heit der Preise kaum durchführbar, sondern ermöglicht es
auch, daß in den Preis Nebenkosten mit einkalkuliert werden,
die bei einer wirtschaftlichen Preisbildung aus den Baukosten
Ausscheiden müssen, wie Provisionen, Rabatte, Verwaltungs-
kosten und sogenannte Lebegelder privater und gemein
nütziger Bauherren. Hier muß also eine Baukostensenkung
dadurch erstrebt werden, daß die Vergebung auf Grund von
Preisangeboten für die einzelnen Leistungen erfolgt, bei der
Vergebung nach Kubikmeter umbauten Raumes aber zum
mindesten gleichzeitig der genaue Nachweis der Einzelleitun
gen des Preisangebotes verlangt wird. Auch die ständige
Verbesserung neuzeitlicher Bauweisen — ich darf nur auf
den Wettbewerb der Stahlskelett- und Eisenbetonskelett
bauten, auf die technische Vervollkommnung des Flachdach
baus und die Einführung zahlreicher Massivdeckensysteme
hinweisen — wird zur Senkung der Baukosten beitragen
können. Neue Bauweisen zwingen auch die Anhänger der
bisherigen Bauweisen zu schärferer Preiskalkulation. Der
Kampf zwischen Ziegelbau und Betonbau, zwischen dem
steilen und dem flachen Dach, zwischen der hölzernen und
der massiven Zwischendecke ist nicht nur vom Gesichtspunkt
einer stetigen Verbesserung der Bautechnik und einer Hebung
der Wirtschaftlichkeit des Bewohnens aus erwünscht, sondern
ganz besonders auch vom Standpunkt der Preisbildung.
Sieger wird stets die Bauweise sein, die höchstmögliche tech
nische Vollkommenheit mit wirtschaftlicher Preisbildung ver
bindet.
Wir dürfen uns indes nicht damit bescheiden, die tech
nischen Sparmöglichkeiten bei Planung und Ausführung der
Bauten auszuschöpfen. Nach wie vor bringt die Finanzierung
der Bauten eine unmittelbare Verteuerung. Solange der Zins
fuß für Dauerkapital nicht wieder annähernd auf den Friedens
stand zurückgeführt ist, wird sich aus der Finanzierung immer
noch eine erhebliche Quelle für Mehrkosten ergeben. Die
Rechnung ergibt, daß eine Verbilligung des Zinsfußes für
erststellige Hypotheken um 1 vH etwa eine Mietsenkung
von nahezu 10 vH zur Folge hat, also einer Baukostensenkung
um fast 10 vH gleichkommt. Mit allem Nachdruck ist daher
immer wieder auf die Herabsetzung des Zinsfußes für Dauer
kapital zu drängen.
Die Kapitaldecke, die aus Öffentlichen und privaten
Mitteln dem Wohnungsbau zur Verfügung steht, ist nun ein
mal heute knapper geworden; um so mehr zwingt uns dies zu
ihrer möglichst ausgiebigen Nutzung. Das Ziel wird nur dann
erreicht werden können, wenn wir auf allen vorangeführten
Gebieten die Kosten senken. Wir sind allerdings schon ein
gutes Stück vorwärts gekommen. Der Baukostenindex, der
im Januar des letzten Jahres 181 betragen hatte, ist heute
auf unter 145 gesunken, also um etwa 20 vH. Er liegt aber
immer noch nicht unerheblich über dem Lebenshaltungsindex
und über dem Emährungsindex. Das Bestreben muß darauf
gerichtet sein, daß er diese Zahlen nicht übersteigt. Vergessen
wir nicht, daß jede Ermäßigung der Baukosten nicht nur
dem Konsumenten zugute kommt, sondern letzten Endes der
Bauwirtschaft selbst, da Kostenersparnis stärker als alle
anderen Mittel neue Bauaufgaben ermöglicht und somit der
Bau Wirtschaft wieder die Belebung bringen kann, deren sie
dringend bedarf.
NEUES VON DER ITALIENISCHEN MELIORATIONS-TÄTIGKEIT.
Von Regierungsbaurat Niemeier, Stettin.
(Schluß von Seite 350.)
2. Die Kolmation der Maremmen bei Grosseto.
Auch dieses Unternehmen, ,,Boniflca grossetana o dell‘
Ombrone“, eine umfangreiche Kolmation zur Aufhöhung der
Sumpfflächen des alten Sees Castiglione della Pescaia, hat
bereits eine lange, ehrwürdige Geschichte hinter sich. Von
den zahlreichen Sumpfniederungen, welche hinter den Dünen
und Hügeln der Toskanischen Küste in einer Erstreckung
von über 150 km von der Mündung des Fine-Flusses bei Cecina
bis zur Grenze mit der Provincia romana sich erstrecken und
welche allgemein „Maremme Tosoane“ heißen, ist am be
kanntesten die an der Stelle des ehemaligen Sees von Casti-
glione della Pescaia gelegene, welche heute die Bonifica grosse
tana bildet. Die Einsumpfung dieses Sees liegt verhältnis
mäßig kurze Zeit zurück; in etruskischer Zeit war die benach
barte Gegend ziemlich bevölkert, und es erhob sich daselbst
eine Stadt. Man identifiziert den l&go die Castiglione mit
dem von Cicero in seiner Rede pro Milone erwähnten lacus
Preliüs. Sicher ist, daß bereits während der römischen Herr
schaft und auch noch im Mittelalter durch die verschlammende
Tätigkeit des Ombrone, der Bruna und mehrerer anderer
Flüsse der Seegrund aufgehöht, die Verbindung des Sees mit
dem Meere durch die Ablagerungsmassen unterbrochen und
so an Stelle des Sees verderbenbringender Sumpf erzeugt
wrurde. Die Malaria entvölkerte das Gebiet und eine lange
Periode der Verlassenheit und des Elends begann, wodurch
der ,,agro grossetano“ noch heute eine traurige Berühmtheit
hat (vgl. Abb. 2 auf S. 410).
Die ersten Versuche der Sanierung der Gegend beginnen
mit der mediceischen Herrschaft und hauptsächlich derjenigen
der Großherzöge Ferdinand I. und Ferdinand II. Ersterer
rief im Jahre 1592 in Grosseto den „Magistrato dei Fossi“
ins Leben, eine Einrichtung, die etwa unseren heutigen Fluß-