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den geplanten neuen Straßen im Stadterweiterungsgebiet
bei rd. 6000 m Gesamtlänge der Straßenfronten----- * 60
= 3600 Personen ansiedeln lassen.
In den Baulücken und an den freien Straßenfronten
der bereits bebauten Stadtteile können noch mindestens
1000 Personen untergebracht werden, da man hier wohl
eine teilweise höhere Bauweise voraussetzen darf. Hier
nach würden im ganzen 3600+1000 — 4600 Personen neu
angesiedelt werden können. Das bedeutet eine Vergröße
rung der heute vorhandenen Einwohnerzahl (einschließ
lich der Kurgäste) von rd. 3000 auf das mehr als 2 1 /2fache.
Es dürfte mithin der vorliegende Bebauungsplan auf abseh
bare Zeit vollauf genügen.
Von ganz besonderer Bedeutung für jeden Stadt
erweiterungsplan ist die Entwässerungsfrage. Leider ist
die volle Erkenntnis von dem innigen Zusammenhang des
Bebauungsplanes mit dem Entwässerungsplane noch lange
nicht Allgemeingut der Städtebauer geworden, so daß Pro
fessor Dr, Heiligenthal, Karlsruhe, mit Recht schreiben
konnte: ,,Die Architekten entwerfen im allgemeinen ihre
Bebauungspläne ohne jede Rücksichtnahme auf die Ent
wässerung; sic übergeben dann das Kind ihrer Muse ver
trauensvoll dem Bauingenieur, damit er es trocken lege;
sie fragen aber nicht danach, was diese Trockenlegung
kostet.“
Zu der vom Verfasser des Bebauungsplanes vorge
sehenen Entwässerung der Stadterweitcrungsgebiete nach
dem Trennverfahren sei noch folgendes näher aus
geführt :
Zur Abführung der Brauchwässer (Wirtschaftswässer
einschließlich der Fäkalien) sind nirgends größere Rohr
durchmesser als 20 cm erforderlich, da das Längsgefälle
niemals kleiner wird als 1:200 und da es sich stets nur
um ganz geringe Brauchwassermengen handelt. Ein Rohr
von 20 cm Durchmesser führt bei einem Gefälle von
1:200 rd. 20 l/sek ab. Setzt man einen Wasserverbrauch
von durchschnittlich 100 Liter je Kopf und Tag voraus und
macht man die übliche Annahme, daß in der Stunde des
stärksten Abflusses 1 / i0 dieser Menge, also sekundlich
100_
lb” 6Ö t 60
0,0028 1 ablaufen, so würde ein Rohr von
20 cm Durchmesser bei einem Gefälle von 1:200 für
20 _
0,0028
= 7200 Personen ausreichen, d. h. für die doppelte Ein
wohnerzahl des ganzen Stadterweiterungsgebietes. Der
Durchmesser der Brauchwasserleitungen könnte also im
vorliegenden Falle rechnerisch sehr viel kleiner sein als
20 cm. Es ist aber, wie allgemein üblich, aus praktischen
Gründen die Weite von 20 cm bei Brauchwasserableitun
gen als Mindestdurchmesser vorgeschlagen worden.
Die Leitungen werden am zweckmäßigsten aus Stein-
zeugrohren hergestellt. Bei stärkeren Gefällen als etwa
1:20 sollen Absturzschächte angewendet werden, damit
nicht das sogenannte „Trockenlaufen“ der Leitungen
eintritt.
Die Abführung der Niederschlagwässer kann nahezu
überall oberirdisch erfolgen, und zwar, da die Straßen an
keiner Stelle ein geringeres Gefälle als 1 : 200 erhalten
sollen, durch die Straßenrinnsteine bis auf Laufstrecken
von höchstens 300 m Länge und im weiteren Verlauf durch
offene Gräben, 'die in dem Lageplan Abb. 2 angegeben
sind.
Die erforderlichen offenen Gräben sind, wie aus dem
Plan ersichtlich, in Grünstreifen untergebracht worden. Zu
den Grünstreifen und Freiflächen sei noch folgendes be
merkt :
Die im Plan vorgesehenen Grünflächen (Freiflächen),
d. h. diejenigen Flächen, in denen jede Bebauung aus
geschlossen ist, bilden ein in sich zusammenhängendes
über das ganze Stadterweiterungsgebiet planmäßig ver
teiltes Netz, das in erster Linie die städtebauliche Forde
rung nach weitgehender Auflockerung der Bebauung er
füllen soll.
Das Grünflächennetz hat weiterhin den Zweck,
zu ermöglichen, daß die Einwohner des Stadtkernes auf
möglichst kurzen, staubfreien und verkehrssicheren Wegen
in die umliegenden Wälder und Berge gelangen können:
es soll das eng bebaute Stadtinnere mit der freien Natur
draußen in unmittelbare Verbindung bringen, indem es
wenn auch nur schmale Grünstreifen möglichst weit in
den Stadtkern hinein keilförmig vorstreckt.
Auch die obenerwähnten offenen Entwässerungs
gräben sind am zweckmäßigsten in den Grünstreifen
unterzubringen; ebenso die Eußwege, die zur Verbindung
der eingangs besprochenen staffelförmig übereinander an
geordneten Wohnstraßen und Wendeplätze anzulegen
sind. Vor allem aber sind die Grünflächen in weitgehen
dem Maße auch zur Einrichtung von Parkanlagen, Fried
hoferweiterungen, Erholungsplätzen, Spiel- und Sport
anlagen aller Art zu benutzen. Da aber in Nassau die
Geländegestaltung teilweise hierzu wenig geeignet ist, wird
man vielleicht auch daran denken können, ausgedehntere
Spiel- oder Sportplatzanlagen auf den tief liegenden, für
eine Bebauung ungeeigneten Flächen jenseits der Eisen
bahn unterzubringen.
Gegenstand des Bebauungsplanentwurfes war außer
der Erschließung geeigneten Siedlungsgeländes die Be
handlung der für die Stadt Nassau außerordentlich wich
tigen Frage, ob und gegebenenfalles in welcher Weise der
bislang bestehende Uebelstand behoben werden kann, daß
der starke Kraftwagen-Durchgangsverkehr des Lahntales
die engbebauten Teile der Stadt Nassau durchquert.
Dieser Uebelstand kann offenbar nur durch eine Um
gehungsstraße für den Kraftwagenverkehr beseitigt werden.
Von der Führung einer solchen Straße nördlich um Nassau
herum ist wegen der Steilheit des Geländes von vorn
herein Abstand zu nehmen. Es kann sich vielmehr nur
darum handeln, im Lahntal selbst eine zweckmäßige
Linienführung der Umgehungsstraße zu finden. Es lag
wohl der Gedanke nahe, daß eine Straßenführung in Be
tracht kommen könnte, die oberhalb des in der Nähe des
Wehres vorhandenen Steinbruchs nach der Lahn zu ab
zweigt, die vorhandene Oeffnung am Ostende der Eisen
bahnbrücke benutzt, dann am Lahnufer hochwasserfrei
verläuft, an dem östlichen Brückenkopf der Hängebrücke
die Straße nach Wiesbaden in Straßenhöhe kreuzt und
dann, südlich neben der Eisenbahn entlang führend, am
südöstlichen Stadtende die Landstraße im Lahntal wieder
erreicht, nachdem sie die Eisenbahn mittels einer Unter
führung oder einer Ueberführung durchquert hat.
Diese Linienführung hätte den großen Vorteil für sich,
daß die Umgehungsstraße die Innenstadt vollständig un
berührt läßt. Es stehen aber ihrer Ausführbarkeit schwere
Bedenken entgegen. Ein Hauptbedenken liegt darin, daß
die gesetzlich festgelegte Hochwasserlinie zwischen Eisen
bahnbrücke und Kettenbrücke nach der Lahn zu verschoben
werden müßte, was aller Voraussicht nach im Hinblick auf
die schwierige Hochwasserabführung durch das enge Lahn
tal nicht zu erreichen sein würde. Eine weitere Schwierig
keit ergibt sich bei der Kreuzung der Umgehungsstraße
mit der Eisenbahn am Elektrizitätswerk. Hier wäre zwar,
wenn auch mit sehr beträchtlichen Kosten, eine Ueber-
führung oder eine Unterführung der Umgehungsstraße
technisch ausführbar. Es bliebe aber der Nachteil bestehen,
daß die durchaus notwendige gute Uebersichtlichkeit für
den Kraftwagen verkehr stark beeinträchtigt werden würde.
Dieser Uebelstand würde sich übrigens auch bei der oben
erwähnten Benutzung der östlichen Durchfahrtöffnung der
Eisenbahnbrücke ergeben.
Es ist daher vom Verfasser die im Plan dargestellte
Linienführung der Umgehungsstraße gewählt worden.
Diese vorgeschlagene Linienführung vermeidet jede Bahn
kreuzung und, abgesehen von der ohnehin erforderlichen
Kreuzung mit der Straße nach Wiesbaden und der unver
meidlichen Durchquerung des Bahnhofvorplatzes, jede wei
tere Straßenkreuzung. Allerdings müssen bei dieser Linien
führung mehrere Häuser beseitigt werden. Die hierfür auf
zuwendenden Kosten sind aber jedenfalls sehr viel ge
ringer als bei jeder anderen Linienführung.