ERMESSUNG
BRANDENBURG
Chancen und Risiken einer
elektronischen Vermessungsurkunde
Anwendungsbereich und Grenzen
von Unschädlichkeitszeugnissen
https://geoportal.brandenburg.de/aktionsplan
20 Jahre SAPOS®-Regelbetrieb in Brandenburg
Staffelde im Tausch gegen die „spitze Nase“
Der lange Weg zur besseren Qualität
Aktualisierung der Nutzungsarten –
ein Praxisbericht aus dem Norden
1/2021
Impressum
Nr. 1/2021
26. Jahrgang
Schriftleitung:
Andre Schönitz (MIK)
Christian Killiches (LGB)
Redaktion:
Stephan Bergweiler (LGB)
Anett Thätner (Katasterbehörde Teltow-Fläming)
Frank Netzband (Katasterbehörde Oberhavel)
Lektorat:
Michaela Gora (MIK)
Layout:
Nicole Schall (LGB)
Einsendungen von Manuskripten werden erbeten an:
Schriftleitung Vermessung Brandenburg
Ministerium des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg (MIK)
Vermessungs- und Geoinformationswesen, Grundstückswertermittlung
Henning-von-Tresckow-Str. 9 –13
14467 Potsdam
E-Mail: schriftleitung.vermessung@mik.brandenburg.de
Redaktionsschluss:
31.03.2021
Herstellung, Druck und Vertrieb:
Landesvermessung und
Geobasisinformation Brandenburg (LGB)
Heinrich-Mann-Allee 103
14473 Potsdam
Telefon: +49 331 8844-123
Telefax: +49 331 884416-123
E-Mail: vertrieb@geobasis-bb.de
Autoren-Hinweise:
Die Regeln zur Manuskriptgestaltung stehen im Internet zum Download unter:
https://geobasis-bb.de > Geodaten > Publikationen und Infomaterial > Vermessung Brandenburg
Vermessung Brandenburg erscheint zweimal jährlich und ist zum Abonnementspreis von 2,50 Euro (+ Porto und Verpackung) bei der
Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg zu beziehen.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. ISSN 1430-7650
Vorwort
Erfolgreiche Krisenbewältigung hat ihre Wurzeln lange vor der Krise
Seit über einem Jahr begleitet uns die Covid19-Pandemie. Nach den harten Maßnahmen im Frühjahr vergangenen Jahres folgte eine Entspannung im Sommer, die viele denken ließ, die Pandemie
sei vorbei. Die explodierenden Zahlen im Herbst waren ein Schock. Nein, es ist nicht vorbei. Der
erneute Shutdown und die Verschärfung bzw. Verlängerung der Eindämmungsmaßnahmen waren
und sind notwendig, um die Infektionszahlen und die wirtschaftlichen Schäden nicht ins Unermessliche wachsen zu lassen.
Wir in der Vermessungsverwaltung und in den Büros der ÖbVI sind bisher gut durch die Krise gekommen. Unsere Dienste sind notwendig und gefragt, ob im Koordinierungszentrum Krisenmanagement in Brandenburg, in den Landes- und Kreisverwaltungen, für die Wirtschaft und nicht zuletzt
für die Bürger. Dazu gehören das Aufsetzen eines Corona-Dashboards für das Koordinierungszentrum Krisenmanagement, hohe Datenabfragen aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen oder die
schnelle Umsetzung der sog. 15-Kilometer-Regel im Brandenburgviewer.
Eines wird in dieser Pandemie sehr deutlich. Um Schäden in der Wirtschaft, Mängel in der Bildung
und Verwaltung möglichst gering zu halten, ist die Digitalisierung der entsprechenden Bereiche ein
wichtiges Werkzeug. Hier haben die letzten Wochen und Monate gezeigt, dass das Tempo in einigen Bereichen noch zu erhöhen ist.
Die Vermessungsverwaltung und die Büros des freien Berufs im Land Brandenburg haben ihre
Schularbeiten gemacht und schon vor vielen Jahren intensiv an der Modernisierung und Digitalisierung ihrer Verfahren und Portale gearbeitet. So kann die Betreuung unserer Kunden z. B. auch
aus dem Homeoffice heraus erfolgen. Auskünfte und Datenabgaben aus den amtlichen Portalen
erfolgen digital über das Internet – Dank Geobroker, Geoportal und Lika-Online. Selbst die Vorbereitung der Vermessungsunterlagen erfolgt mit dem Bereitstellungsportal automatisiert. Die Prüfung
und Übernahme war weiterhin möglich. Wichtige Bereiche in der Wirtschaft und Verwaltung, die
auf Geodaten angewiesen sind, bleiben arbeitsfähig und produktiv. Der Immobilienmarkt und die
Baubranche werden nicht behindert und wichtige Infrastrukturmaßnahmen können weitergeführt
werden.
Vor wenigen Wochen wurde nach umfassender technologischer Erneuerung das Geoportal Brandenburg freigeschaltet. Eine Vielzahl von Verwaltungsleistungen baut auf Geodaten auf. Geodaten
sind deshalb eine Querschnittsressource, auch und gerade im Rahmen der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) im Land Brandenburg.
Unser Dank gilt allen Kolleginnen und Kollegen in den Verwaltungen des Landes, der Landkreise
und kreisfreien Städte sowie den ÖbVI für ihre engagierte Arbeit in dieser schwierigen Zeit. Der
Grundstein dafür wurde bereits vor Jahren gelegt.
Gemeinsame Schriftleitung
Andre Schönitz und Christian Killiches
ermessung Brandenburg 1/2021
1
2
ermessung Brandenburg 1/2021
Inhaltsverzeichnis
VORWORT...................................................................................................................................... 1
BEITRÄGE...................................................................................................................................... 4
Chancen und Risiken einer elektronischen Vermessungsurkunde.......................................... 4
Anwendungsbereich und Grenzen von Unschädlichkeitszeugnissen
Systematische Vorgehensweise zur Beurteilung der Unschädlichkeit.................................. 16
https://geoportal.brandenburg.de/aktionsplan....................................................................... 28
20 Jahre SAPOS®-Regelbetrieb in Brandenburg................................................................... 32
Staffelde im Tausch gegen die „spitze Nase“
Zu geschichtlichen Hintergründen der Festlegung der Festlandabschnitte
der deutsch-polnischen Grenze in den Jahren 1945 bis 1951.............................................. 41
Der lange Weg zur besseren Qualität.................................................................................... 45
Aktualisierung der Nutzungsarten – ein Praxisbericht aus dem Norden............................... 55
NACHWUCHSINITIATIVE........................................................................................................... 66
Das duale Studium in der LGB hat sich etabliert................................................................... 66
Der Beelitzer Postkutscher – ein historisches Brettspiel....................................................... 70
MITTEILUNGEN........................................................................................................................... 73
Offen für alle – Digitaler Kundentag der LGB........................................................................ 73
Brandenburger Geodätentag erstmals digital.......................................................................... 74
BUCHBESPRECHUNGEN.......................................................................................................... 76
Das deutsche Vermessungs- und Geoinformationswesen.................................................... 76
ermessung Brandenburg 1/2021
3
Frank Netzband
Chancen und Risiken einer
elektronischen Vermessungsurkunde
In den vergangenen Jahren wurde in
mehreren Klausurberatungen und auch
kleineren Runden verschiedentlich über
Möglichkeiten und Notwendigkeiten einer
medienbruchfreien elektronischen Vorgangsbearbeitung bei der Einreichung, Prüfung, Übernahme und Langzeitspeicherung
der für die Fortführung des Liegenschaftskatasters relevanten Unterlagen gesprochen. Umgesetzt wurde bisher nichts. Einige
Aspekte der in diesem Zusammenhang von
mir gesammelten Erkenntnisse, Einsichten
und gelegentlich kontrovers diskutierten
Themen möchte ich hier in der wohlverstandenen Hoffnung wiedergeben, damit eine
breitere Diskussion im Land anzustoßen.
Einleitung
Im vergangenen Herbst wurde ich als sachverständiger Zeuge ins Landgericht Neuruppin geladen. Es ging (verkürzt dargestellt) wieder einmal
um die Frage, ob ein Jahrzehnte alter Maschendrahtzaun maßgeblich für die Lage einer Grundstücksgrenze sein könne. Die Einzelrichterin
betrachtete fasziniert die von mir mitgebrachte
gar wunderbar colorierte Vermessungsurkunde
aus dem Jahr 1903, ließ sich das Verfahren der
Grenzfeststellung ausführlich erklären, schaute
dann ein wenig ratlos auf die streitenden Parteien und schickte uns schließlich alle nach Hause. In Anbetracht dieser auf gutem preußischen
Urkundenpapier für die Ewigkeit niedergelegten
Tatbestände an Grund und Boden gäbe es doch
gar keinen Raum für Zweifel. Es war nicht mein
erstes derartiges Aha-Erlebnis vor Gericht. Wir
sind gut beraten, wenn wir sorgfältig überlegen,
ob uns die möglichen Effektivitätsgewinne einer
medienbruchfreien digitalen Vorgangsbearbei-
tung den Verzicht auf die pure Überzeugungskraft
einer Papierurkunde wert sind. Vergessen sollten
wir auch nicht, dass wir langfristiger denken müssen als viele andere Zweige der Kommunalverwaltung. Eine dauernde Aufbewahrungspflicht für
die Ergebnisse der Verwaltungstätigkeit ist nicht
der Normalfall und hat zwangsläufig Auswirkungen auf die Konzepte der Datenhaltung.
Anderseits hat die Digitalisierung und der mit ihr
einhergehende digitale Wandel die Lebenswirklichkeit unserer Gesellschaft bereits jetzt tiefgreifend verändert. Begriffe wie eIDAS, Vertrauensdienstesystem und Single Digital Gateway werden
zukünftig unser Arbeitsleben in hohem Maße
bestimmen. Insofern sei mir verziehen, wenn
ich diesem für uns noch neuen Ökosystem viel
Beachtung einräume. Insbesondere die Justiz,
für die wir letztendlich den nicht unbeträchtlichen
Aufwand unserer Urkundenarchive betreiben, arbeitet mit atemberaubender Geschwindigkeit am
Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs. Wir
selbst waren, wie in § 16 Absatz 3 des Brandenburgischen Vermessungsgesetzes nachzulesen
ist, im Jahre 2008 (Abb. 1) dem Zeitgeist schon
einmal weit voraus. Diesen Vorsprung haben wir
heute jedoch zweifelsfrei eingebüßt, auch weil die
technische Entwicklung rund um qualifizierte Signaturen und der damit hohe Aufwand im täglichen
Arbeiten bisher immer noch sehr hoch waren.
Was für die Grenzniederschrift möglich war,
sollte auch für die Dokumentation der eigentlichen Tatbestände an Grund und Boden in der
Vermessungsurkunde gedacht werden dürfen.
Die Begründung passt heute so gut wie damals.
Meines Wissens hat in den vergangenen 12
Jahren jedoch niemand die Option der elektronischen Grenzniederschrift gezogen.
Absatz 3 eröffnet erstmals die Möglichkeit, die Grenzniederschrift in elektronischer Form aufzunehmen.
§ 61 Abs. 1 Nr. 8 Beurkundungsgesetz lässt die Beurkundung von Tatbeständen durch Behörden oder
Öffentlich bestellte Vermessungsingenieurinnen oder -ingenieure, die am Grund und Boden durch
vermessungstechnische Ermittlungen festgestellt werden, aufgrund landesrechtlicher Vorschriften
unberührt. Zugleich wird der Landesgesetzgeber ermächtigt, neues Recht zu setzen. Diese Möglichkeit
nutzt die Regelung [1].
Abb. 1: Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung zur Strukturreform des amtlichen Vermessungswesens von 2008
4
ermessung Brandenburg 1/2021
Dafür gibt es einen durchaus nachvollziehbaren
Grund; die für das Verfahren erforderliche qualifizierte elektronische Signatur (qeS). Greifen
wir also einmal zum Lexikon und stellen uns die
Frage: Was ist eine qeS, wo kommt sie her und
geht es eventuell einfacher?
Die (elektronische) Urkunde und
die elektronische Signatur (eS)
Urkunden im Sinne der Zivilprozessordnung
(ZPO) sind schriftliche Gedankenäußerungen,
die einer objektiven Deutung allein aufgrund
ihrer Wahrnehmung zugänglich sind. Der Begriff der Urkunde enthält keine Beschränkung
auf rechtsgeschäftliche Erklärungen, so dass
auch Tatsachenäußerungen und sachkundige Ausführungen umfasst sind. Auf die Art der
Herstellung und das Vorhandensein einer Unterschrift kommt es, soweit nur der Urheber aus
der Urkunde selbst heraus erkennbar ist, nicht
an. Damit fällt zweifelsfrei auch unser in der
tatsächlichen Vermessungspraxis regelmäßig
elektronisch erstellte und erst nach Schlussbearbeitung ausgedruckte Fortführungsriss in
die Kategorie Urkunde. Diese eminent wichtige Urkundeneigenschaft muss nach einhelliger
Meinung aller meiner Gesprächspartner auch
bei einer medienbruchfreien elektronischen
Vorgangsbearbeitung weiterhin gewährleistet
sein. Auch dann, wenn das Restrisiko statistisch
vernachlässigbar scheint. Ungeachtet der vielen Jahrzehnte Praxiserfahrung konnte in den
Gesprächsrunden kein Fall benannt werden, in
dem ein Gericht tatsächlich über die Echtheit eines Fortführungsrisses entscheiden musste.
Maßgeblicher Gesichtspunkt für die noch weit
verbreitete Einordnung des elektronischen Dokumentes als Gegenstand des richterlichen Augenscheins ist die fehlende Verkörperung auf
einem unmittelbar, also ohne technische Hilfsmittel, lesbaren Schriftträger. Dieses Manko
steht einer Gleichstellung elektronischer Dokumente mit Urkunden vermeintlich entgegen.
Die Vorschriften über den Urkundenbeweis stellen eine Ausnahme vom Grundsatz der freien
Beweiswürdigung dar. Sie nehmen die richterliche Entscheidung über den Beweiswert des
vorgelegten Dokumentes quasi vorweg. Der
hohe praktische Beweiswert beruht jedoch nur
mittelbar auf den Regelungen der ZPO. Viel entscheidender ist die Bedeutung der Urkunden im
Rechtsverkehr und ihre durch eine Jahrhunderte lange Tradition erworbene Wertschätzung.
Elektronische Dokumente müssen sich diesen
Vertrauensbonus erst noch verdienen. Dies und
die Etablierung von elektronischen Hilfsmitteln
zur Beweiswerterhaltung erfordert erfahrungsgemäß Zeit. Und so ist bis heute die qeS der einzige im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)
und in der ZPO vorgesehene Echtheitsbeweis
für elektronische Dokumente (Abb. 2), obwohl
es seit 2016 im unmittelbar geltenden europäischen Recht wirkungsgleiche Alternativen gibt.
Bisher ist mit diesen Werkzeugen im deutschen
Zivilrecht nur eine herausgehobene Beweiskraft
gegeben, welche eben kein Urkundenbeweis ist.
"
Gemäß § 371 a Absatz 3 Satz 1 der
Zivilprozessordung finden die Vorschriften über die
Beweiskraft öffentlicher Urkunden auf elektronische
Dokumente entsprechende Anwendung, wenn
sie von einer öffentlichen Behörde innerhalb ihrer
Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem
Glauben versehenen Person innerhalb des
ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der
vorgeschriebenen Form erstellt sind. Die für uns so
wichtige, bei Urkunden in Papierform automatisch
gegebene, Vermutung der Echtheit besteht hier aber
nur, wenn das elektronische Dokument mit einer
qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist.
Abb. 2: Regelungen der Zivilprozessordnung zur Echtheitsvermutung
elektronischer Dokumente
Unser Vermessungsgesetz sowie auch die ZPO
und das VwVfG beziehen sich noch auf das am
29. Juli 2017 außer Kraft getretene Signaturgesetz [2], nach welchem die qeS alternativlos für
die Rechtssicherheit von elektronischen Prozessen der öffentlichen Verwaltung war.
Das Signaturgesetz wurde abgelöst durch das
Vertrauensdienstegesetz (VDG) [3], welches
wiederum weitgehend auf die Verordnung [EU]
Nr. 910/2014 über elektronische Transaktionen
im Binnenmarkt (eIDAS-Verordnung) [4] aufbaut.
Ziel der eIDAS-Verordnung ist es, einheitliche
europäische Regelungen für Signaturen, Siegel
und Zeitstempel zu schaffen und einen konformen Umgang mit diesen Vertrauensdiensten im
digitalen Binnenmarkt zu ermöglichen. Dieses
von mir in der Einleitung so respektlos als Ökosystem (Abb. 3) bezeichnete Zusammenspiel
von staatlich überwachten und garantierten
ermessung Brandenburg 1/2021
5
eIDAS
Vertrauenssystem
eIDAS-Dienste
eID
CA
Identifizierungsdienst
SigS
VaIS
Signatur- und Siegelerstellungsdienst
Validierungsdienst
ID
ID
TSA
Zertifizierungsdienst
Zeitstempeldienst
Press
EDS
Bewahrungsdienst
Zustelldienst
eIDAS-basierter
Transaktionsdienst
Benutzer
Abb. 3: Zusammenspiel der Dienste nach eIDAS-Verordnung
Arten von elektronischen Signaturen (eS) mit Rechtsfolgen
(einfache) eS
fortgeschrittene eS
• Jegliche elektronische
Daten, die zum
Unterzeichnen
verwendet werden.
• Kann auch eine
kopierbare oder
eingescannte
Unterschrift sein.
• Geschützt durch
geheimen privaten
Schlüssel des
Unterzeichnenden.
• Nachträgliche
Veränderung
des Dokumentes
erkennbar.
• Freie richterliche
Beweiswürdigung
(§ 286 ZPO)
• Immer noch
freie richterliche
Beweiswürdigung
(§ 286 ZPO)
Abb. 4: Rechtswirkungen der elektronischen Signatur im deutschen Zivilrecht
6
ermessung Brandenburg 1/2021
qualifizierte eS
• Technisch identisch
mit fortgeschrittener
eS.
• Erstellung,
Überprüfung und
Validierung der
qeS durch einen
Vertrauensdiensteanbieter.
• Ersetzt gesetzliche
Schriftform
(§§ 126, 126a BGB),
• Beweiskraft öffentlicher Urkunden
(§ 371a ZPO)
Diensten gestattet uns, die komplette Existenz
innerhalb der gesamten Europäischen Union
ungefährdet elektronisch auszuleben.
Die bisherige Differenzierung (Abb. 4) zwischen
einfachen, fortgeschrittenen und qualifizierten
Signaturen wird im Wesentlichen beibehalten.
Neu hinzu kommen elektronische Siegel sowie
Fernsignaturen (z. B. die Handy-Signatur), welche zahlreiche elektronische Unterschriftsprozesse erheblich komfortabler gestalten werden.
Die qeS fungiert als Äquivalent zur handschriftlichen Unterschrift. Sie garantiert, dass die digitalen Dokumente unverändert vorliegen/ übermittelt wurden und weist sicher nach, wer das
Dokument unterzeichnet hat.
Eine qeS basiert auf der Verwendung zweier
elektronischer Schlüssel:
•
•
dem privaten Schlüssel (Private Key)
dem öffentlichen Schlüssel (Public Key)
Der öffentliche Schlüssel ist Bestandteil eines
digitalen Zertifikates, das die Identitätsangaben
zum Inhaber enthält. Mit dem privaten Schlüssel, über den nur der Zertifikatsinhaber verfügt,
können elektronische Dokumente digital unterschrieben werden. Mit dem öffentlichen Schlüssel kann jeder diese Dokumente prüfen, insbesondere den Urheber und die Unverfälschtheit
der Daten erkennen.
Benötigt wird eine Smartcard, auf der ein qualifiziertes Organisationszertifikat und ein kryptografisches Schlüsselpaar hinterlegt sind. Außerdem sind ein Kartenlesegerät und eine gängige
Signatur-Software notwendig.
Dies klingt für eine technikaffine Behörde wie
die unsere zunächst einmal nicht nach einer unüberwindbaren Hürde.
auf informationelle Selbstbestimmung begründete Klage dagegen wurde abgewiesen. Gerade im
Datenschutzkontext ist die psychologische Hürde
jedoch offenkundig unverändert hoch (Abb. 5).
In das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
wird durch die streitgegenständliche Weisung
eingegriffen, weil die Klägerin nicht mehr frei
entscheiden kann, wann sie wem welche Daten
zur Verfügung stellt. Durch die Weisung wird sie
verpflichtet, einem von der Beklagten ausgewählten
Zertifizierungsdiensteanbieter die aus dem
Personalausweis ersichtlichen Daten zur Verfügung
zu stellen. Dieser Eingriff ist der Klägerin zumutbar.
Abb. 5: Zitat aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Hier ist jedoch Erleichterung in Sicht. Der IT-Planungsrat hat in seiner Sitzung am 23. Oktober
2020 [6] den Bund gebeten, eine Siegelfunktion
für die Digitalisierung von Verwaltungsakten, die
der Schriftform bedürfen, technisch und rechtlich zu prüfen (Abb. 6).
Eine entsprechende Übernahme in die Zivilprozessordnung ist zu erwarten.
Elektronische Bescheide, für die die Schriftform
angeordnet ist, müssen aktuell mit der qualifizierten
elektronischen Signatur (qeS) versehen sein. Diese
ist personenbezogen, d. h. Mitarbeitende in der
Verwaltung müssen eine persönliche qeS erhalten
und können diese nur mit zusätzlicher Hardware,
einer Signaturkarte und einer dazugehörigen PIN an
den Bescheid anbringen. Diese persönlichen qeS
müssen zudem von der Behörde autorisiert, verwaltet
und regelmäßig erneuert werden. Dies ist sehr teuer.
Praktisch führen diese Vorgaben dazu, dass
kaum eine Behörde elektronische Bescheide
schriftformersetzend mit qeS erlässt.
Ein größeres Problem war und ist es wohl, dass
eine qeS ausschließlich an natürliche Personen
ausgegeben wird und wir zwangsläufig als Behörde auftreten.
Abb. 6: Zitat aus dem Sitzungsprotokoll des IT-Planungsrates vom 23.10.2020
Das Bundesarbeitsgericht hat zwar schon 2013
[5] entschieden, dass der jeweilige Arbeitgeber
Angestellte zur Beantragung und Nutzung einer
elektronischen Signaturkarte im Rahmen der
übertragenen Aufgaben verpflichten kann. Die
hauptsächlich mit einer Verletzung des Rechtes
Elektronische Siegel sind Daten in elektronischer Form, die anderen Daten in elektronischer Form beigefügt oder logisch mit ihnen verbunden werden, um ihren Ursprung und
ihre Unversehrtheit zu bestätigen. Das Siegel
ermessung Brandenburg 1/2021
7
verschmilzt mit den elektronischen Daten, die
versiegelt werden, zu einer Einheit – ähnlich wie
Siegellack, der auf einer Urkunde aufgetragen
wird. Elektronische Siegel bieten damit eine
doppelte Echtheitsgarantie, dass
•
•
tatsächlich diejenige Behörde das Dokument
ausgestellt hat, die als Absender genannt ist
und
die Daten des Dokuments hundertprozentig dem Original entsprechen, also nicht im
Nachhinein verändert wurden.
Im Gegensatz zur personenbezogenen Signatur
handelt es sich beim Siegel um ein Organisationszertifikat, welches problemlos mit bestimmten Rollen und Berechtigungen in der Behörde
verknüpft werden kann.
Erhältlich ist die Siegelkarte bei qualifizierten
Vertrauensdiensteanbietern. Nur diese erfüllen
die strengen Anforderungen der eIDAS-Verordnung an Sicherheit und Haftung. Sie unterliegen
überdies der Aufsicht der Bundesnetzagentur
und werden alle zwei Jahre von unabhängigen
Auditoren zertifiziert. Dies könnte unsere Zukunftslösung sein. Die Frage lautet also: Weiter
abwarten oder jetzt starten?
Für das Abwarten spricht die rasante Entwicklung im elektronischen Recht. Die beabsichtigte Einführung einer einheitlichen Identifikationsnummer zur eindeutigen Zuordnung der
betroffenen Person als Grundlage jedes behördenübergreifenden Datenaustausches im
beabsichtigten Registermodernisierungsgesetz
verspricht hier einen weiteren Modernisierungsschub. Eventuell bekommen wir ohne eigene
Anstrengung eine rechtssichere Musterlösung
in den Schoß gelegt. Hier besteht allerdings die
Gefahr, dass es dann nicht die für unsere Belange optimale Lösung wird. Wenn wir jetzt starten,
können wir die Entwicklung steuern. Wie lange
diese Chance noch besteht, ist unsicher.
Eine gewisse Ungeduld im politischen Raum ist
schließlich durchaus wahrnehmbar. Als Beleg
mag ein Auszug (Abb. 7) aus dem Beratungsbericht des Landesrechnungshofes an den Landtag zum Thema der Umsetzung der Digitalisierung im Land Brandenburg dienen [7].
Die Kollegen im Ministerium für Infrastruktur
und Landesplanung sind bei der Novellierung
der Brandenburgischen Bauordnung 2020 mit
der absolut vergleichbaren Zielstellung einer
8
ermessung Brandenburg 1/2021
Exemplarisch umschreibt die
Einschätzung des MIK das Agieren
der Landesverwaltung: „In den
vergangenen zwei Jahren [haben]
einige Fachministerien Energien in die
Abwehr des Onlinezugangsgesetzes
respektive des Brandenburgischen
E-Government-Gesetzes gesteckt,
anstatt diese Zeit sinnstiftend,
zielführend und verantwortungsvoll in
Projekt- und Umsetzungsplanungen
zu investieren.“
Abb. 7: Zitat aus Bericht des Landungsrechnungshofes
Bei der digitalen Einreichung und
Bearbeitung von Bauanträgen
erweisen sich die vielfältigen und
pauschalen Schriftformerfordernisse
als überflüssig. Für digitale
Unterschriftsleistungen sind
ersetzende Formen erforderlich.
… Die digitalen Ersatzformen für
die Unterschrift (Digitale Signatur)
haben sich jedoch auch nach
Einführung des elektronischen
Personalausweises in JedermannVerfahren kaum durchgesetzt.
Abb. 8: Zitat aus der Begründung zur Novellierung der
Brandenburgischen Bauordnung
ausschließlich elektronischen Kommunikation
den vermeintlich einfacheren Weg (Abb. 8) gegangen und haben im Gesetzestext die Schriftform kurzerhand durch die Textform (lesbare
Erklärung) ersetzt [8].
Wie die Justiz diese neu eingeführte niederschwellige Form der elektronischen Antragstellung bewertet, wird abzuwarten sein. Ich denke,
für die Vermessungsurkunden des amtlichen Verzeichnisses der Grundstücke kommt eine solche
Vereinfachung keinesfalls in Frage. Oder doch?
Die unlängst in meinem Posteingang gefundene frühzeitige Beteiligung zur Änderung der
Brandenburgischen
Bauvorlagenverordnung
(Schreiben vom 01.02.2021, zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht) betrifft mit dem
amtlichen Lageplan eine andere Urkunde.
Mit einer wortgleichen Begründung (Abb. 9)
ließe sich jedoch auch aus der Vermessungs
urkunde per Federstrich ein elektronisches, aus
urkundenrechtlicher Sicht ziemlich wertloses
Dokument machen. Ist es nunmehr nicht für uns
höchste Zeit, die Phase der Diskussion zu verlassen und selbstbestimmt zu handeln? Dass
diese Verfahrensweise im Umgang mit bisher
der Schriftform bedürftigen Verwaltungsvorgängen zeitnah zum Brandenburger Standard
erklärt wird, ist angesichts des aufgestauten
Handlungsdrucks immerhin vorstellbar.
Auf die Erforderlichkeit der
„Beurkundung mit öffentlichem
Glauben“ wird verzichtet. Sie steht
einer elektronischen Antragstellung
entgegen. Auf die Forderung kann
verzichtet werden, da der amtliche
Lageplan nur von entsprechend
qualifizierten Stellen, wie der
Katasterbehörde oder einer Öffentlich
bestellten Vermessungsingenieurin
oder einem Öffentlich bestellten
Vermessungsingenieur erstellt
werden darf.
Abb. 9: Zitat aus der Begründung zur Änderung der
Brandenburgischen Bauvorlagenverordnung
Durch vereinte Stellungnahme aus dem Ministerium des Innern und für Kommunales und
der kommunalen Ebene konnte die Streichung
der Urkundeneigenschaft des amtlichen Lageplanes in Brandenburg gerade noch verhindert
werden.
Langzeitmanagement elektronischer
Vermessungsurkunden im E-Archiv
Wenn wir uns für die elektronische Vermessungs
urkunde entscheiden, stellt sich automatisch
die Frage nach dem Speicherort und der langfristigen Beweiswerterhaltung. Elektronische
Dokumente können ja leider aus sich heraus
nicht gelesen werden. Die Lesbarkeit und die
Verfügbarkeit müssen unabhängig von einzel-
nen Produkten und Herstellern auf lange Zeit
gesichert sein. Aber mit dieser Herausforderung
stehen wir ja nicht allein. Ich denke, inzwischen
haben alle Landkreise und kreisfreien Städte
in Brandenburg Dokumentenmanagementsysteme im Einsatz. Wir können davon ausgehen,
dass alle diese Systeme den Anforderungen der
Technischen Richtlinie „ESOR“ (TR-ESOR-Beweiswerterhaltung kryptographisch signierter Dokumente) des BSI [9], welche sich zum
Quasi-Standard in Deutschland entwickelt hat,
entsprechen. Unter dieser Voraussetzung könnten wir alles so lassen wie es ist und die Aufgabe
der Archivierung weiter der Verantwortung der
einzelnen Katasterbehörden anvertrauen. Nur,
wäre dies sinnvoll? Oder sollten wir im Sinne
der einheitlichen Aufgabenwahrnehmung nicht
doch auf einen elektronischen Vermessungsurkunden-TRESOR beim Landesbetrieb LGB
orientieren? Schon aus sicherheitstechnischen
Erwägungen scheint mir persönlich der zentrale
Ansatz vernünftiger.
Der informationstechnische Fortschritt, ob wir nun
an Quantencomputer, künstliche Intelligenz oder
ganz andere noch im Nebel der Zukunft liegende Konzepte denken, schreitet voran. Heute als
absolut sicher geltende Verschlüsselungsmechanismen werden dies morgen nicht mehr sein. Der
Gesetzgeber hat hier vorgesorgt. Im Vertrauens
dienstegesetz finden wir in § 15 folgende Formulierung: „Sofern hierfür Bedarf besteht, sind
qualifiziert signierte, gesiegelte oder zeitgestempelte Daten durch geeignete Maßnahmen neu zu
schützen, bevor der Sicherheitswert der vorhandenen Signaturen, Siegel oder Zeitstempel durch
Zeitablauf geringer wird.“ (Abb. 10)
Die Beweiswerterhaltung für unsere theoretischen elektronischen Vermessungsurkunden
könnte einem bei der Bundesnetzagentur gelisteten Bewahrungsdienst übertragen oder alternativ bei der LGB selbst angesiedelt werden.
Der Aufwand scheint überschaubar (Abb. 11),
da es bei der erforderlichen Neusignierung/Neusiegelung aus juristischer Sicht genügt, wenn
ein neuer qualifizierter Zeitstempel um alle zu
einem bestimmten Zeitpunkt vorhandenen Daten gelegt wird [9].
ermessung Brandenburg 1/2021
9
Technische Machbarkeit
Die Norm ermöglicht es qualifizierten
Vertrauensdiensteanbietern, deren Kunden
sowie Dritten (beispielsweise dem Empfänger
einer qualifiziert signierten Willenserklärung), den
Beweiswert von Daten langfristig zu erhalten, sofern
hierfür – etwa aufgrund vertraglicher Vereinbarungen
– Bedarf besteht, jegliche Daten langfristig zu sichern.
Die langfristige Sicherung qualifiziert signierter
Daten erfolgt derzeit durch Neusignieren oder
erneutes Zeitstempeln der signierten Daten, bevor
die verwendeten Algorithmen und Parameter ihre
Sicherheitseignung verlieren. Die Beobachtung der
Sicherheitseignung und die Neusignierung bzw. das
erneute Zeitstempeln ist nicht Bewahrungsdiensten
vorbehalten, sondern kann auch von den genannten
Personen selbst vorgenommen werden.
Die Einhaltung des Standes der Technik wird
jedenfalls dann vermutet, wenn die entsprechenden
und jeweils aktuellsten, im Bundesanzeiger bekannt
gemachten Schutzprofile und Technischen Richtlinien
des BSI eingehalten werden. Auf Konformität mit
europäischen Standards ist zu achten [10].
Abb. 10: Zitat aus der Begründung zum Vertrauensdienstegesetz
Um eine wirtschaftliche neue Sicherung zu
ermöglichen, ist es zudem nach [VDG, § 15] nicht
erforderlich, für jedes elektronische Datum, das
erneut signiert bzw. gesiegelt bzw. zeitgestempelt
werden muss, einen eigenen elektronischen
Zeitstempel einzuholen. Ein elektronischer
Zeitstempel darf sich vielmehr auf beliebig viele
signierte bzw. gesiegelte bzw. zeitgestempelte
Daten beziehen.
…
Die neue Sicherung eines Teils eines elektronischen
Archivs ist damit auch automatisiert möglich.
…
Die Erstellung qualifizierter elektronischer
Signaturen bzw. Siegel oder qualifizierter
Zeitstempel im Massenverfahren ist ebenfalls
zulässig.
Abb.11: Zitat aus TR-ESOR (BSI TR 03125)
Gegenüber anderen Behörden, welche sich mit
medienbruchfreien Verwaltungsprozessen beschäftigen, hat die Vermessungs- und Katasterverwaltung in Brandenburg einen gewaltigen
Vorsprung. Die technischen Basiskomponenten
stehen mit dem Bereitstellungsportal, dem elektronischen Rissarchiv (ANS) und den elektronischen Geschäftsbüchern der Katasterbehörden
im Grundsatz schon zur Verfügung.
Da es Eigenentwicklungen sind, haben wir die
volle digitale Souveränität. Und genau dies ist,
wie die letzten Monate überdeutlich gezeigt haben, insbesondere in kritischen Situationen eminent wichtig.
Mit der Einreichung von Vermessungsschriften
werden bereits jetzt Antragsdaten digital übergeben. Auch für deren Übernahme in die Geschäftsbücher der Katasterbehörden existiert
schon eine Schnittstelle. Es ist technisch unkompliziert und mit überschaubarem Aufwand
verbunden, diese Schnittstelle zu erweitern. Im
Speziellen würde es sich um noch fehlende Angaben aus dem Übernahmeantrag wie Antragsteller, Kostenschuldner und Wert der baulichen
Anlagen handeln. Die automatisierte Vollständigkeitsprüfung der Angaben zum Übernahmeantrag ist möglich.
Das Bereitstellungsportal ist mit dem der technischen Stelle Liegenschaftskataster im Landesbetrieb LGB eigenen Weitblick schon so
konzipiert, dass es die Anforderungen an einen
sicheren Übermittlungsweg im Sinne der Regelungen zum elektronischen Rechtsverkehr erfüllt. Es bietet die Möglichkeit, digitale Dokumente in beide Richtungen zu übersenden und kann
für den Transport der diskutierten elektronischen
Vermessungsurkunden verwendet werden.
Für die Art der Anbringung einer erforderlichen
qualifizierten elektronischen Signatur/ eines
qualifizierten elektronischen Siegels kommen
drei Varianten in Betracht:
1. durch die Vermessungsstelle als Urheber
der Urkunde,
2. durch den Landesbetrieb bei Übergabe der
Urkunde an das Bereitstellungsportal und
3. durch die Katasterbehörde nach erfolgter
Übernahmeentscheidung.
10
ermessung Brandenburg 1/2021
Variante 1 ist rechtlich gesehen die sicherste
Lösung, bedeutet in der Konsequenz gleichwohl, dass jede Vermessungsstelle mit der
notwendigen Infrastruktur ausgestattet werden
muss. Außerdem ist hier eine Trennung zwischen dem unveränderlichen Original und einer mit Verfahrensvermerken der zuständigen
Katasterbehörde versehenen Gebrauchskopie
erforderlich.
Die Variante 2 wäre in Analogie zu der aus dem
DE-Mail-Verfahren bekannten Lösung zu sehen. Hierfür dürfte eine gesetzliche Legalisierung des Bereitstellungsportals als besonderes
elektronisches Behördenpostfach erforderlich
sein. Auch hier ist die Trennung zwischen dem
unveränderlichen Original und einer mit Verfahrensvermerken der zuständigen Katasterbehörde versehenen Gebrauchskopie erforderlich.
Zu überlegen wäre, ob nicht neben der absenderauthentifizierten DE-Mail, dem besonderen
elektronischen Anwaltspostfach, dem besonderen elektronischen Notarpostfach, dem besonderen elektronischen Behördenpostfach und
dem in der Diskussion befindlichen Datencockpit eines jeden Bürgers auch ein besonderes
elektronisches Vermessungspostfach für die
rechtssichere Kommunikation mit dem freien
Beruf Sinn machen würde.
Variante 3 beruht auf der Annahme, dass die
Urkundeneigenschaft erst mit der Fortführungsentscheidung der zuständigen Katasterbehörde
entsteht. Das Original und die Gebrauchskopie
wären identisch und unnötige Signierungen/Siegelungen im Wege von Mängelbearbeitungen
würden entfallen. Die Identifizierungsnummer im
ANS kann hier ebenfalls final vergeben werden.
Für die originären elektronischen Vermessungsurkunden müsste ein separater Bereich
im ANS, quasi ein ANS-Tresor entsprechend
den Anforderungen der TR-ESOR des BSI [9]
eingerichtet werden. Die Bereitstellung würde
wie bei den analogen Vermessungsurkunden
über eine digitale Gebrauchskopie im ANS erfolgen. Ein ersetzendes Scannen der bereits
vorhandenen analogen Vermessungsurkunden
entsprechend der TR-03138 (Resiscan) [11] im
Sinne eines einheitlichen Datenbestandes wurde diskutiert. Dafür wird jedoch keine Notwendigkeit gesehen.
Der Aufwand für die technische Umsetzung
einer medienbruchfreien elektronischen Vorgangsbearbeitung bei der Fortführung des
Liegenschaftskatasters mit elektronischen Vermessungsurkunden (Abb. 12) wäre demnach
überschaubar. Wir müssen nur wollen. Wollen
wir?
Vermessungsstelle erhebt Daten und pflegt diese ins Bereitstellungsportal ein
Übergabe Informationen über elektronische Schnittstelle
direkt an Geschäftsbuch der Katasterbehörde
Übergabe der Vermessungsurkunde mittels sicherem
Übermittlungsweg Bereitstellungsportal
Katasterbehörde prüft Vollständigkeit der Informationen und Anforderungen an
Vermessungsurkunde und trifft Fortführungsentscheidung
Verfahrensschritte gemäß Fortführungsbeleg werden
elektronisch im Geschäftsbuch der Katasterbehörde
dokumentiert
Vermessungsurkunde wird mit qualifiziertem elektronischen
Siegel geschlossen und an ANS-TRESOR
übergeben
Landesbetrieb erzeugt Kopie der Vermessungsurkunde für Gebrauchsarchiv (ANS)
ggf. Sicherungskopie der Geschäftsbücher der
Katasterbehörden im Landesbetrieb LGB
langfristige Beweiswerterhaltung in Verantwortung des
Landesbetriebes LGB
Abb. 12: Schema eines möglichen medienbruchfreien Verfahrens
ermessung Brandenburg 1/2021
11
Ökonomische Aspekte
Egal in welchem Strategiepapier zur elektronischen Verwaltung man blättert, irgendwo findet
sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die These, dass durch die medienbruchfreie elektronische Vorgangsbearbeitung
gigantische Effizienzreserven gehoben werden
können. Umso überraschter war ich, dass von
vielen Kollegen/-innen genau dieser Effekt für
die Vermessungs- und Katasterverwaltung in
Zweifel gezogen und damit die Sinnfrage von
vornherein negativ beantwortet wurde.
Die Einsparung von Urkundenpapier, Druckertoner, Briefumschlägen, Postgebühren etc. sollte
zunächst einmal unstreitig sein.
Die gewichtigste Stärke einer elektronischen
Vorgangsbearbeitung sehe ich in der Schnelligkeit der Übermittlung. Momentan schreibe ich
einen Brief, lege die Akte zurück in den Schrank
und hole sie Wochen später nach Antwort wieder hervor. Ein medienbruchfreies Verfahren
würde es mir ermöglichen, die Messungsschriften direkt zurückzugeben, eventuelle Meinungsverschiedenheiten mittels Videoanruf sofort zu
klären und den Vorgang nach Wiedereinreichung idealerweise am selben Arbeitstag abzuschließen.
Zur Beurteilung der Zeiteinsparung innerhalb
meiner Behörde bin ich, so unauffällig wie es
mir möglich war, einer einzelnen (wohlgemerkt
mängelfreien) analogen Vermessungsurkunde
mit der Schrittzähler- und Stoppuhrapplikation meines Smartphones hinterhergelaufen
(Abb. 13).
Was mich bei der Auswertung dann wirklich
überrascht hat: Diese Vermessungsurkunde
wurde in Summe geschlagene 37 Minuten
durch die Räume des Amtes getragen. Das ist
natürlich keine repräsentative Studie und Vermessungsrisse werden oftmals in Stapeln durch
die Gegend getragen. Die sozialen Kontakte
bei der Arbeit sind wichtig, es wurden dabei
selbstverständlich auch fachliche Themen nebenbei abgehandelt und den Verantwortlichen
für das betriebliche Gesundheitsmanagement
höre ich am Tag der Rückengesundheit ob
der vielen Bewegung auch jubeln, dennoch
… 37 Minuten ggf. einzusparende Bearbeitungszeit je Messungsschrift allein durch den
durchgängigen elektronischen Transport in
Lichtgeschwindigkeit. Nicht zu vergessen
12
ermessung Brandenburg 1/2021
von der Eingangsregistrierung
zum Schrank mit den
ungeprüften
Messungsschriften
47 Schritte
vom Schrank mit
den ungeprüften
Messungsschriften
zum Prüfingenieur
28 Schritte
vom Prüfingenieur zum
Fachdienstleiter zwecks
Bescheinigung der
Übernahmefähigkeit
29 Schritte
vom Fachdienstleiter zum
Übernahmetechniker
45 Schritte
vom Übernahmetechniker
zum Prüfingenieur zwecks
Prüfung der Simulation
14 Schritte
und zurück
14 Schritte
vom Übernahmetechniker zur
Schlussprüfung zum
Teamleiter
26 Schritte
und zurück
26 Schritte
vom Übernahmetechniker
zum
ANS-Bearbeiter
(Scannen und Metadaten)
34 Schritte
vom ANS-Bearbeiter ins
Archiv
99 Schritte
Abb. 13: Tragewege einer analogen Vermessungsurkunde
sind die Aufwendungen für das Gebrauchsarchiv im Kellergeschoss. Im Gegensatz zu
den Büroarbeitsplätzen der Mitarbeiter/-innen
genießen die Urkunden eine kostenintensive
hochwertige Temperatur- und Feuchtigkeitsregelung. Und auch die von den Kollegen/-innen
liebevoll Schuhkartons (Abb. 14) genannten
Archivschachteln nach DIN ISO 16245 [12]
entsprechen dem Gegenwert eines voll ausgerüsteten Messbusses.
Ob hier durch den Umstieg auf einen elektronischen Tresor im Landesbetrieb LGB nicht
doch einiges an Kosten einzusparen wäre?
•
•
die Fortführung des Liegenschaftskatasters
anhand der Erhebungsdaten und
die Nachnutzung für spätere Vermessungen.
Zur Fortführung ist in der maßgeblichen Verwaltungsvorschrift, der Liegenschaftsvermessungsvorschrift [13], in den Erläuterungen zu
14.2 schon eine denkbare Argumentation formuliert: „Die dokumentierte Form der Vermessungsschriften ist als hinreichend anzusehen,
wenn sie ausreicht, die Nachweise des Liegenschaftskatasters ohne zusätzlichen Arbeitsaufwand fortzuführen.“ Wenn wir für die ALKISFortführung keine Vermessungsurkunde mehr
bräuchten, dann bräuchten wir sie folglich gar
nicht mehr.
Abb. 14: Aufbewahrungssystem für analoge
Vermessungsurkunden (Schuhkartons)
Langfristige Visionen
Bei allen Gesprächen gingen wir von vornherein davon aus, dass die Vermessungsurkunde
an sich unverzichtbar ist. Hinterfragen wir dies
doch einmal.
Eines der wichtigsten Argumente pro Vermessungsurkunde ist die mögliche Vorlage
bei Gericht zu Beweiszwecken auch noch
Jahrzehnte nach der eigentlichen Vermessung.
Die dynamische Datenbank ALKIS (Amtliches
Liegenschaftskatasterinformationssystem) wird
unstreitig als amtliches Verzeichnis der Grundstücke nach § 2 Absatz 2 der Grundbuchordnung angesehen. Damit besteht hier auch der
öffentliche Glauben des Grundbuches. Das
Liegenschaftskataster gilt mit staatlicher Garantie als richtig. Ein Gegenbeweis ist selbstverständlich zulässig.
Wir müssen streng formal gesehen nicht beweisen, dass unsere im ALKIS geführte Grundstücksgeometrie zutreffend ist und konstruieren
an dieser Stelle ohne wirkliche Notwendigkeit
eine Beweislastumkehr zu unseren Ungunsten.
Dies ist seit über einhundert Jahren gelebte
Praxis, aber wäre es nicht an der Zeit auch
darüber nachzudenken?
Wenn die Vermessungsurkunde zur Beweissicherung entbehrlich sein sollte, blieben noch
zwei weitere wichtige Aspekte:
Die Nachnutzung ist für ältere Vermessungen
unstreitig eine Notwendigkeit. In aktuellen Anträgen dagegen sehe ich in den Vermessungsurkunden nur noch Koordinaten, welche identisch im ALKIS geführt werden. In der gelebten
Außendienstpraxis werden in Gebieten mit hinreichend qualifiziertem Kataster ausschließlich
die Vermessungskoordinaten verwendet, die
eigentliche Vermessungsurkunde wird zumeist
schon gar nicht mehr mitgeführt.
Es wäre zumindest theoretisch vorstellbar, die
Bezeichnung Erhebungs- und Qualifizierungskomponente (EQK) wörtlich zu nehmen und
den Vermessungsstellen, welche die Fortführungsdaten ja erheben, den Zugang zur Produktionsumgebung zu eröffnen. Diese könnten
den Fortführungsentwurf (die gegenwärtigen
Vermessungsschriften sind quasi der analoge
Fortführungsentwurf) direkt im System erstellen,
die Fortführung simulieren und das Simulationsergebnis der zuständigen Katasterbehörde zur
Fortführungsentscheidung übergeben. Der bisher schon als PDF-Dokument entstehende grafische Nachweis wäre für diese Entscheidung
durch die Vermessungsstelle im Sinne eines
Punktidentitätsnachweises (Abb. 15) aufzubereiten und könnte anschließend direkt in elektronischer Form an das Automatisierte Nachweissystem für Vermessungsrisse übergeben werden.
Das ist zugegebenermaßen ein revolutionärer
Ansatz und so fallen mir auf Anhieb auch zwei
starke Gegenargumente ein.
1. Wir werden auf lange Zeit noch kein flächendeckendes Koordinatenkataster in
Brandenburg haben. Eine Trennung zwischen dem eigentlichen Vermessungsan-
ermessung Brandenburg 1/2021
13
Abb. 15: Mögliche Zukunftsvariante für die Vermessungsurkunde (Punktidentitätsnachweis)
14
ermessung Brandenburg 1/2021
trag und der zumeist noch erforderlichen
Qualitätsverbesserung, welche ja vor der
Fortführungssimulation erfolgen müsste, ist
nicht möglich. Und diese Kernaufgabe der
Katasterbehörden der Vermessungsstelle
zu überlassen, ist nicht zuletzt aus gebührentechnischen Gründen ausgeschlossen.
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Signaturgesetz_(Deutschland)
2. Die praktische Arbeit in der EQK besteht im
Wesentlichen aus einer Wiederholungskette
von Mausklick und Warten auf den grünen
Haken im Ablaufschema. Reizvolle Arbeitsvorgänge mit schwierigen Tätigkeitsmerkmalen und Entscheidungskompetenz sind
in der Objektbearbeitung gebündelt. Diese
an die datenerhebende Vermessungsstelle abzugeben, wäre schon aus arbeitspsychologischer Sicht ein Desaster. Die
Nachwuchsgewinnung für den vermeintlich
langweiligen Bürojob im Katasteramt ist so
schon schwierig genug.
[5] Bundesarbeitsgericht 10 AZR 270/12
https://dejure.org/dienste/vernetzung/rec
htsprechung?Gericht=BAG&Datum=25.
09.2013&Aktenzeichen=10%20AZR%20
270%2F12
Aus heutiger Sicht kaum vorstellbar, aber wenn
wir zwanzig Jahre in die Zukunft denken?
[8] www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de, 7. Wahlperiode, Gesetz zur Änderung der Brandenburgischen Bauordnung
Gesetzentwurf (LReg) 22.07.2020 Drucksache 7/1697 (30 S.)
Diese Diskussion sollte geführt werden. Nur wer
sich ändert, bleibt sich treu.
Schlussbemerkung
Soweit nicht als Zitat gekennzeichnet, beruhen
die genannten Fakten weitgehend auf Fortbildungen bei der Europäischen Akademie für Steuern,
Wirtschaft und Recht zu den Themen eAkte, elektronischer Rechtsverkehr und Onlinezugangsgesetz. Besonders bedanken möchte ich mich an
dieser Stelle bei Herrn Andreas Schmidt, Referatsleiter IT und Geheimschutz im Bundespräsidialamt und Herrn Dr. Henning Müller, Richter
und Leiter Datenverarbeitung und IT-Organisation am Hessischen Landessozialgericht.
Und wenn jemandem aufgefallen ist, dass mehr
Fragen gestellt, als Antworten gegeben wurden:
Dies ist nicht unabsichtlich geschehen. Mein gesetztes Ziel ist die Meinungsbildung für die anstehende Novellierung unseres Vermessungsgesetzes.
Quellen:
[3] https://www.gesetze-im-internet.de/vdg/
[4] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/
TXT/PDF/?uri=CELEX:32014R0910
[6] https://www.it-planungsrat.de/SharedDocs/Sitzungen/DE/2020/Sitzung_33.
html?pos=9
[7] www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de, 7. Wahlperiode, Bericht (LRH)
21.08.2020 Drucksache 7/1843 (45 S.)
[9] https://www.bsi.bund.de/DE/Publikationen/
TechnischeRichtlinien/tr03125/TR-03125_
node.html
[10] h t t p s : / / d i p b t . b u n d e s t a g . d e / d o c /
btd/18/124/1812494.pdf
[11] https://www.bsi.bund.de/DE/Publikationen/
TechnischeRichtlinien/tr03138/tr03138_
node.html
[12] https://www.din.de/de/mitwirken/normenausschuesse/nid/veroeffentlichungen/wdcbeuth:din21:150098522
[13] https://www.brandenburg.de/cms/list.php?
page=vermessungsvorschriften&id=37750
&skip=15
Frank Netzband
Katasterbehörde des Landkreises Oberhavel
frank.netzband@oberhavel.de
[1] www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de, 4. Wahlperiode, Gesetz zur Strukturreform des amtlichen Vermessungswesens, Gesetzentwurf (LReg) 03.09.2008
Drucksache 4/6675 (47 S.)
ermessung Brandenburg 1/2021
15
Robert Krägenbring
Anwendungsbereich und Grenzen von
Unschädlichkeitszeugnissen
Systematische Vorgehensweise zur Beurteilung
der Unschädlichkeit
Sind Grundstücke mit dinglichen Rechten
belastet, besteht bei der Veräußerung von
Grundstücksteilen meist der Wunsch, zumindest diese Teile von der Belastung zu
befreien. Hierfür ist die Zustimmung der
durch das Recht Berechtigten erforderlich. Erteilen die Berechtigten ihre Zustimmung zur Aufhebung oder Änderung nicht
oder bestehen Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Berechtigten, kann letztlich
die Veräußerung scheitern. In bestimmten Fallkonstellationen kann jedoch die
Zustimmung durch ein Unschädlichkeitszeugnis ersetzt werden.
Der folgende Beitrag basiert auf einem Vortrag zum Geodätischen Kolloquium des
DVW Berlin-Brandenburg e. V. am 13. Februar 2020 in Potsdam. Er umreißt den Anwendungsbereich des Unschädlichkeitszeugnisses und arbeitet die in Frage kommenden
Fallkonstellationen heraus. Das Instrument
wird gegen andere Lösungsmöglichkeiten
abgegrenzt, insbesondere im direkten Vergleich zu den sogenannten Nichtbetroffenheits-/Nichtbegünstigungsbescheinigungen nach dem BGB.
Die Verfahrensweise zur Erteilung eines Unschädlichkeitszeugnisses wird dargestellt.
Dazu wird ein strukturiertes Beurteilungsschema zur Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen und der Erteilungsvoraussetzungen aufgezeigt.
Anwendungsbereich des
Unschädlichkeitszeugnisses
Zur Aufhebung oder Änderung von Rechten an
Grundstücken ist die Einigung des Eigentümers
des belasteten Grundstücks mit den durch das
Recht Berechtigten (materielles Konsensprinzip) und die Bewilligung der Eintragung ins
Grundbuch (formelles Konsensprinzip) erforderlich. In der Praxis scheitert dies beispielsweise daran, dass Berechtigte nicht oder nur
mit unverhältnismäßig hohem Aufwand ermittelbar sind oder dass diese ihre Zustimmung
nicht erteilen.
16
ermessung Brandenburg 1/2021
Unter engen Voraussetzungen hat der Gesetzgeber daher verschiedene Möglichkeiten zur Erleichterung des Grundstücksverkehrs in diesen
Fällen vorgesehen, insbesondere
•
•
•
landesrechtlich durch Regelungen zum Unschädlichkeitszeugnis,
bundesrechtlich durch Regelungen im BGB
zu Dienstbarkeiten und subjektiv dinglichen
Reallasten sowie
bundesrechtlich durch die Grundbuchbereinigung nach der Grundbuchordnung (GBO).
Dass es sich hierbei um Nischeninstrumente
handelt, zeigen die geringen Fallzahlen (exemplarisch für Thüringen siehe Tabelle 1).
Jahr
Unschädlichkeitszeugnisse
BGBBescheinigungen
2017
49
18
2018
48
2
2019
22
9
Tab. 1: Fallzahlen in Thüringen
Vorbemerkungen
Beschränkte dingliche Rechte an Grundstücken
lassen sich insbesondere in Nutzungsrechte
(Dienstbarkeiten), Sicherungs- und Verwertungsrechte sowie Erwerbsrechte einteilen. Sie
stellen regelmäßig eine Belastung des gesamten Grundstücks dar. Bei Dienstbarkeiten kann
jedoch die Ausübung des Rechts auf einen
bestimmten Teil des Grundstücks, den sogenannten Ausübungsbereich, beschränkt werden
(unechte Teilbelastung). Fälle einer echten Teilbelastung sind eher selten und entstehen nur
bei Zuschreibung von belasteten Grundstücken
zu einem unbelasteten Grundstück.
Weiterhin lassen sich die beschränkten dinglichen Rechte hinsichtlich des Berechtigten
einteilen in subjektiv dingliche und subjektiv
persönliche Rechte. Bei einem subjektiv dinglichen Recht ist ein anderes Grundstück, präzise ausgedrückt der jeweilige Eigentümer eines
bestimmten anderen Grundstücks, durch das
Recht begünstigt; dieses wird als herrschendes
Grundstück und das belastete Grundstück als
dienendes Grundstück bezeichnet. Subjektiv
dingliche Rechte erlöschen grundsätzlich nicht,
da sie wesentlicher Bestandteil des herrschenden Grundstücks sind (§ 96 BGB). Bei einem
subjektiv persönlichen Recht ist hingegen eine
konkrete Person berechtigt. Dabei kann es sich
auch um eine juristische Person oder um mehrere Personen handeln. Ist das Recht nicht veräußerbar, vererbbar oder übertragbar (z. B. bei
einem Wohnungsrecht) so liegt ein höchstpersönliches Recht vor. Es erlischt mit dem Ableben des Berechtigten bzw. dem Untergang der
juristischen Person.
Neben den unmittelbar Berechtigten können
auch weitere Personen an dem Recht berechtigt oder durch dieses begünstigt sein. Man
spricht hier von einer Drittberechtigung bzw.
Drittbegünstigung. Eine solche kann beispielsweise bei subjektiv dinglichen Rechten vorliegen, wenn das herrschende Grundstück selbst
auch belastet ist, z. B. mit einem Grundpfandrecht.
Fallgruppen des Unschädlichkeitszeugnisses
Das Unschädlichkeitszeugnis ist ein behördliches Zeugnis, welches feststellt, dass eine
Rechtsänderung für den oder die Berechtigten
unschädlich ist und damit die Zustimmung/Bewilligung der Berechtigten nicht erforderlich ist.
Dabei sind zwei wesentliche Anwendungsfälle
(vgl. Abbildung 1) zu unterscheiden,
•
•
die lastenfreie Veräußerung eines Grundstücksteils (Fallgruppe Veräußerung) und
die einvernehmliche Aufhebung eines subjektiv dinglichen Rechts (Fallgruppe Aufhebung).
In der Folge ersetzt das Unschädlichkeitszeugnis materiell die erforderlichen Erklärungen der
durch das Recht Berechtigten nach § 875 BGB
und etwaige Zustimmungen von Drittbegünstigten nach § 876 BGB sowie formell die erforderliche Eintragungsbewilligung nach § 19 GBO.
Teilweise sind landesrechtlich weitere Anwendungsfälle geregelt (z. B. Verteilung einer Reallast bei Teilung des belasteten Grundstücks,
Verzicht auf ein erstrangiges Erbbaurecht - beispielsweise in Brandenburg). Aufgrund der sehr
geringen Fallzahlen werden diese im Weiteren
nicht betrachtet.
Abb.1: Fallzahlen nach Fallgruppen und betroffenen Rechten in Thüringen (2015)
ermessung Brandenburg 1/2021
17
Die Fallgruppe Veräußerung stellt einen primären Anwendungsfall dar. Der Veräußerung eines
Grundstücksteils geht eine Teilung des Grundstücks voraus, nach der die Belastung sowohl
auf dem zu veräußernden Teilstück (Trennstück)
als auch auf dem Restgrundstück verbleibt. Das
Unschädlichkeitszeugnis ermöglicht es, im Zuge
der Veräußerung das Trennstück von der Belastung zu befreien und zwar ohne die Erklärung,
Zustimmung und Bewilligung der Berechtigten.
Die Belastung verbleibt anschließend auf dem
Restgrundstück. Der Belastungsgegenstand wird
verkleinert.
Die Fallgruppe Aufhebung betrifft die Aufhebung
eines subjektiv dinglichen Rechts, bei dem das
herrschende Grundstück mit einem Recht zu
Gunsten eines Dritten belastet ist (Abb. 2). Wird
das Recht des Dritten durch das aufzuhebende
subjektiv dingliche Recht berührt (sog. Drittbegünstigung), ist dessen Zustimmung nach § 876
Abs. 1 Satz 2 BGB erforderlich. Das Unschädlichkeitszeugnis ersetzt hierbei nur die Zustimmung des Drittbegünstigten (Drittzustimmung).
Die Eigentümer des dienenden und des herrschenden Grundstücks müssen sich hingegen
über die Aufhebung des Rechts einig sein. Die
entsprechende Erklärung nach § 875 BGB muss
vorliegen. Bei dem aufzuhebenden Recht kann
es sich ferner nur um eine Grunddienstbarkeit,
eine subjektiv dingliche Reallast oder um ein
subjektiv dingliches Vorkaufsrecht handeln.
Abb. 2: Beispielkonstellation für die Fallgruppe „Aufhebung“
18
ermessung Brandenburg 1/2021
Die vollständige Löschung eines Rechts ohne
die Zustimmung des unmittelbar Berechtigten
kann hingegen nicht mit einem Unschädlichkeitszeugnis begehrt werden.
Wohnungs- und Teileigentum
Die o. g. Fallgruppen bezeichnen Grundstücke
bzw. Grundstücksteile. Anfangs war unklar, ob
die Regelungen auch auf Wohnungs- und Teileigentum anwendbar sind. Dies wurde gerichtlich
bejaht. Klarstellend finden sich in den meisten
Landesgesetzen (auch in Thüringen und Brandenburg) hierzu explizite Regelungen, insbesondere zur lastenfreien
•
•
Veräußerung eines Teils des Sondereigentums an einen anderen Wohnungseigentümer und
Überführung eines Teils des Gemeinschaftseigentums in Sondereigentum bzw. eines
Teils eines Sondereigentums in Gemeinschaftseigentum.
Es handelt es sich folglich um Unterfälle der
Fallgruppe Veräußerung.
Anwendungsvoraussetzung
Die vorgenannten Anwendungsfälle knüpfen an
das dingliche Rechtsgeschäft an und sie setzen
es auch voraus. Für die Fallgruppe Veräußerung ist ein rechtsgeschäftlicher Wechsel des
Eigentümers des betreffenden Grundstücksteils
erforderlich. Es bedarf somit der Auflassung. Ein
Eigentumserwerb Kraft Gesetzes, insbesondere
durch Erbschaft, ist daher nicht ausreichend.
Unbeachtlich ist hingegen die schuldrechtliche
Grundlage der Eigentumsübertragung, d. h. ob
es sich um einen Kauf, Tausch oder eine Schenkung handelt; die Eigentumsübertragung entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt. Gleiches gilt
sinngemäß für die Fallgruppe Aufhebung.
Rechtsgrundlagen des
Unschädlichkeitszeugnisses
Die Gesetzgebungskompetenz zu den Unschädlichkeitszeugnissen liegt bei den Ländern. Dies resultiert aus Artikel 120 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch
(EGBGB). Dort werden auch die grundsätzlichen Anwendungsfälle umrissen, insbesondere
die Freistellung des Trennstücks im Falle einer
Veräußerung (Abs. 1) und das Ersetzen der
Drittzustimmung im Falle der Aufhebung eines
subjektiv dinglichen Rechts (Abs. 2 Nr. 2).
Entsprechende Regelungen haben alle Länder mit
Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern erlassen; teilweise als eigenständige Gesetze (Tab. 2).
In Mecklenburg-Vorpommern wird kein Regelungsbedarf gesehen. Dies teilte das dortige
Justizministerium auf Nachfrage des Bürgerbeauftragten mit [1]. Dem Unschädlichkeitszeugnis käme in der Mehrzahl der Bundesländer
eine eher geringe praktische Bedeutung zu und
daher möchte die Landesregierung die Regelungsdichte auf das notwendige Maß begrenzen.
In Brandenburg finden sich die Regelungen zum
Unschädlichkeitszeugnis in den §§ 20 bis 30
des Brandenburgischen Ausführungsgesetzes
zum BGB (BbgAGBGB). In Thüringen sind die
Regelungen seit 2008 in den §§ 28 bis 31 des
Thüringer Vermessungs- und Geoinformationsgesetzes (ThürVermGeoG) enthalten.
Eigentumsdogmatisch stellt sich das Unschädlichkeitszeugnis als (entschädigungslos hinzunehmende) Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Artikel 14 Abs. 1
Grundgesetz dar und konkretisiert die Sozialbindung des Eigentums im Sinne des Artikel
14 Abs. 2. Da es die wirtschaftliche Unschädlichkeit (Seite 25) für den Rechtsinhaber voraussetzt, ist hierbei auch kein finanzieller Ausgleich erforderlich.
Land
Rechtsgrundlage
BB
BbgAGBGB
BE
(PrGrdstAbverkG BE), (PRGrdstATG BE),
(PRGutsTAbtrG BE), (BGBAG BE), 1. RBerG
BW
AGBGB
§§ 22 – 28
10.02.2015
BY
AGBGB
Art. 72 – 74
26.03.2019
HB
UZeugnG
HE
HVGG
§§ 27 – 30
03.05.2018
HH
(BGBAG HA)
§§ 35 – 42
21.10.2016
MV
Bereich
Aktualität
§§ 20 – 30
08.05.2018
1850 – 1899
28.02.2012
keine Regelung
NI
(UZeugnG ND)
16.12.2014
NW
(UZeugnG NW)
01.10.2015
RP
UZLG
02.03.2017
SH
AGBGB Schl.-H.
SL
(UZeugnG SL)
SN
SächsJG
ST
(GrdstVUZeugnG ST)
TH
ThürVermGeoG
§§ 14 – 19
17.04.2018
21.11.2007
§§ 46 – 53
11.05.2019
05.12.2014
§§ 28 – 31
18.12.2018
Tab. 2:
Übersicht der landesrechtlichen
Regelungen zu Unschädlichkeitszeugnissen (Stand 1. Obtober 2020)
ermessung Brandenburg 1/2021
19
Abgrenzung zu anderen Instrumenten
Im Wege der Grundbuchberichtigung können
Rechtsänderungen, die außerhalb des Grundbuchs erfolgt sind, vollzogen werden, insbesondere wenn Rechte an Grundstücken bereits
erloschen sind. Regelfälle sind dabei das Erlöschen einer Hypothek durch vollständige Rückzahlung sowie das Erlöschen einer subjektiv
persönlichen Dienstbarkeit (z. B. Wohnungsrecht) oder einer subjektiv persönlichen Reallast
(z. B. Pflegeverpflichtung) aufgrund des Todes
der berechtigten Person. In diesen Fällen ist das
Grundbuch unrichtig geworden und bedarf der
Berichtigung. Hierbei sind die entsprechenden
Nachweise formgerecht beizubringen.
Im Wege der Grundbuchbereinigung (§ 84
GBO) können Rechte, die gegenstandslos geworden sind, gelöscht werden. Das betrifft z. B.
Dienstbarkeiten, die jeglichen Vorteil sowohl in
der Gegenwart als auch für die Zukunft verloren
haben, wenn ein Berechtigter nicht mehr ermittelbar ist, das Recht inhaltlich unzulässig oder
anderweitig erloschen (vgl. § 5 GBBerG, Dienstbarkeiten und vergleichbare Rechte erlöschen
110 Jahre nach Geburt des Berechtigten) ist.
Schwierigkeiten bereitet dabei oft der Nachweis
der entsprechenden Vorrausetzungen.
Nichtbetroffenheit und Nichtbegünstigung
nach BGB
Das BGB regelt den Fortbestand von Rechten im
Falle von Grundstücksteilungen. Unter bestimmten Vorrausetzungen werden Grundstücksteile
bei einer Teilung von der Belastung (Nichtbetroffenheit) oder der Begünstigung durch ein Recht
(Nichtbegünstigung) frei. Die Freistellung erfolgt
dabei Kraft Gesetzes.
Nichtbetroffenheit kommt nur bei der Teilung von
Grundstücken, die mit einer Grunddienstbarkeit
(§ 1026) oder einer beschränkten persönlichen
Dienstbarkeit (§ 1090 Abs. 2) belastet sind, infrage. Liegt der betreffende Grundstücksteil
nach der Teilung des belasteten Grundstücks
vollständig außerhalb des Ausübungsbereiches
der Dienstbarkeit, wird er von der Dienstbarkeit
frei.
Nichtbegünstigung kann vorliegen, wenn ein
Grundstück geteilt wird, welches durch ein subjektiv dingliches Recht begünstigt ist. Wird nach
der Teilung faktisch nur noch einer der neu gebildeten Grundstücksteile durch das Recht begünstigt, erlischt es für die übrigen Teile. Infrage
kommen nur Grunddienstbarkeiten (§ 1025) und
subjektiv dingliche Reallasten (§ 1109 Abs. 3).
Der grundbuchliche Vollzug kann unmittelbar bei
der Teilung erfolgen oder im Nachgang im Wege
der Berichtigung. In beiden Fällen sind entsprechende Nachweise beizubringen, regelmäßig
Abb. 3: Grundsätzlicher Anwendungsbereich in Bezug auf den Ausübungsbereich des Rechts
20
ermessung Brandenburg 1/2021
durch eine Bescheinigung der katasterführenden Stelle (sogenannte Nichtbetroffenheits- bzw.
Nichtbegünstigungsbescheinigung); im Folgenden als BGB-Bescheinigung bezeichnet.
Sachliche Abgrenzung von Unschädlichkeitszeugnis und BGB-Bescheinigung
übungsbereich; der Bereich der tatsächlichen
Ausübung hingegen nicht. Das Unschädlichkeitszeugnis kennt diese Einschränkung nicht;
es kommt grundsätzlich bei allen eingetragenen
dinglichen Rechten in Betracht.
Größe des Trennstücks
Die Freistellung von Grundstücksteilen aufgrund
Unschädlichkeitszeugnisses und aufgrund
Nichtbetroffenheit nach BGB überschneidet sich
teilweise (Abb. 3). Es gibt aber wesentliche Unterschiede, die in den meisten Fällen nur jeweils
eine Möglichkeit zulassen.
Während beim Unschädlichkeitszeugnis das
Trennstück nur einen geringen Umfang haben
darf, ist für die Freistellung aufgrund Nichtbetroffenheit die Größe des Trennstücks unerheblich; sie knüpft lediglich an den rechtlichen Ausübungsbereich an.
Veräußerung vs. Teilung
Zeitlicher Anwendungsbereich
Das Unschädlichkeitszeugnis erfordert zwingend einen (rechtsgeschäftlichen) Wechsel des
Eigentümers des betreffenden Grundstücksteils. Eine bloße Teilung oder Zuschreibung zu
einem anderen Grundstück desselben Eigentümers reicht nicht aus [2]. Die Nichtbetroffenheit erfordert hingegen lediglich eine Teilung
des Grundstücks bzw. eine Abschreibung des
Grundstücksteils.
Besondere Beachtung verdient die zeitliche
Komponente (Abb. 4). Die Freistellung eines
Grundstücksteils aufgrund Nichtbetroffenheit
ist zeitlich unbegrenzt möglich. Die erforderliche BGB-Bescheinigung kann bereits vor einer Teilung beantragt werden; hilfreich ist aber,
wenn die entsprechende katastertechnische
Zerlegung bereits stattgefunden hat. Erfolgt die
Freistellung nicht im Zuge der Teilung, so kann
sie auch zu einem späteren Zeitpunkt durch
Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs geschehen. Unbeachtlich ist dabei, ob zwischenzeitlich weitere Veräußerungen oder Teilungen
stattgefunden haben, denn der Grundstücksteil
ist bereits Kraft Gesetzes von der Belastung frei
geworden.
Ausübungsbereich des Rechts
Die Nichtbetroffenheit setzt voraus, dass entweder eine Grunddienstbarkeit oder eine subjektiv
dingliche Reallast vorliegt und dass der Ausübungsbereich des Rechts räumlich beschränkt
ist. Maßgeblich ist hierbei nur der rechtliche Aus-
Abb. 4: Zeitlicher Anwendungsbereich des Unschädlichkeitszeugnisses und der BGB-Bescheinigung
ermessung Brandenburg 1/2021
21
Das Unschädlichkeitszeugnis hingegen hat
einen
terminierten
Anwendungszeitraum.
Es muss vor dem Vollzug der Veräußerung,
sprich vor der Eintragung des neuen Eigentümers, erteilt worden sein und zusammen mit
dem Antrag auf Eintragung beim Grundbuch
eingereicht werden. Ist die Veräußerung der
Teilfläche bereits abgeschlossen, so kann ein
Unschädlichkeitszeugnis nicht mehr vollzogen
werden [3].
Mögliche Überschneidungen
Teilweise umstritten ist, ob eine Wahlmöglichkeit zwischen beiden Instrumenten besteht.
Dies betrifft insbesondere den Fall, bei dem das
Trennstück möglicherweise außerhalb des Ausübungsbereiches des Rechts liegt und sich der
Nachweis der Nichtbetroffenheit schwierig gestaltet; sei es aufgrund der Auslegung des Eintragungstextes des Rechts im Grundbuch bzw.
den Grundakten oder aufgrund mangelnder Katasterunterlagen. Letztlich wird das Grundbuch
eine Freistellung aufgrund Nichtbetroffenheit
nur vornehmen, wenn es daran keine Zweifel
hat.
Nach Ansicht des Verfassers ist der Anwendungsbereich des Unschädlichkeitszeugnisses
auch für diese Fälle dem Grunde nach eröffnet.
Abb. 5: Rechtscharakter und Bindungswirkung
22
ermessung Brandenburg 1/2021
Zum einen liegt bei Rechten mit beschränktem
Ausübungsbereich regelmäßig nur eine unechte Teilbelastung vor. Belastet ist dabei das
ganze Grundstück, lediglich die Ausübung ist
beschränkt. Somit sind beide Anwendungsvoraussetzungen (belastetes Grundstück, Veräußerung einer Teilfläche) gegeben. Zum anderen
erfolgt die Veräußerung des Grundstücksteils
dadurch, dass dieser unmittelbar abgeschrieben wird und ein neues Grundstück mit anderem Eigentümers entsteht.
Sollten beide Instrumente einsetzbar sein, werden letztlich die durch die Behörde zu erhebenden Verwaltungskosten ausschlaggebend sein.
Während eine BGB-Bescheinigung eine einfache Amtshandlung darstellt (Kosten in Thüringen ca. 25 €), handelt es sich bei der Erteilung
des Unschädlichkeitszeugnisses um ein Verwaltungsverfahren (Kosten in Thüringen mind.
400 €).
Rechtscharakter des Unschädlichkeitszeugnisses und der BGB-Bescheinigung
Ein weiterer wesentlicher Unterschied besteht
hinsichtlich der rechtlichen Qualität beider Urkunden (Abb. 5). Das Unschädlichkeitszeugnis
ist ein Verwaltungsakt. Es stellt rechtsverbindlich die Unschädlichkeit fest. Ist es unanfecht-
bar geworden, bindet es das Grundbuch; diesem steht keine materielle Prüfungsbefugnis
hinsichtlich der Erteilungsvoraussetzungen
mehr zu.
26) vorgestellt, mit denen zumindest die Anträge
aussortiert werden können, die unzulässig und
aussichtslos sind. Zu prüfen ist auch, ob eine
BGB-Bescheinigung infrage kommt.
Die BGB-Bescheinigung ist zwar eine öffentliche Urkunde, stellt aber eine bloße Tatsachenermittlung dar. Sie dient dem Grundbuch lediglich als eine Grundlage bei der Prüfung, ob die
Voraussetzungen für eine Nichtbetroffenheit
bzw. Nichtbegünstigung vorliegen.
Erste Ebene: Ermittlung des
Anwendungsfalls (Fallgruppe) und Prüfung
der Anwendungsvoraussetzungen
Verfahren zur Erteilung des
Unschädlichkeitszeugnisses
Beim Unschädlichkeitszeugnis handelt es sich
in den meisten Ländern um ein Verwaltungsverfahren, für das die Kataster- bzw. die Flurbereinigungsbehörden zuständig sind. In Bayern,
Baden-Württemberg, Sachsen und Hamburg
liegt die Zuständigkeit bei den Amtsgerichten.
Antragsberechtigt sind der Eigentümer, der Erwerber sowie der Inhaber des Rechts.
Antragstellung
Aufgrund der besonderen Rechtsmaterie ist oftmals eine Beratung erforderlich. Dabei ist zu klären, ob der Anwendungsbereich des Unschädlichkeitszeugnisses grundsätzlich gegeben ist
und wenn ja, welcher Anwendungsfall vorliegt
(Abb. 6). Es werden einfache KO-Fragen (Seite
Bevor eine Prüfung der materiellen Voraussetzungen zur Erteilung des Unschädlichkeitszeugnisses (Erteilungsvoraussetzungen) erfolgen kann, ist die Einordnung in die jeweilige
Fallgruppe vorzunehmen (Abb. 7) und die jeweiligen Anwendungsvoraussetzungen sind zu
prüfen:
•
Fallgruppe Veräußerung bzw. Überführung:
Prüfung, ob eine Teilfläche des Grundstücks
oder ein Teil eines Sondereigentums bzw.
des Gemeinschaftseigentums den Eigentümer wechseln soll.
•
Fallgruppe die Aufhebung eines Rechts:
Prüfung, ob die Einigung der beiden beteiligten Grundstückseigentümer erfolgt ist.
Lässt sich der Sachverhalt keinem der Anwendungsfälle zuordnen oder liegen die Anwendungsvoraussetzungen nicht (mehr) vor, so ist
der Antrag abzulehnen (Abb. 6).
Abb. 6: Grundsätzliche Vorgehensweise zur Beurteilung eines Antrags
ermessung Brandenburg 1/2021
23
Abb. 7: Anwendungsfälle des Unschädlichkeitszeugnisses in Brandenburg und Thüringen
Zweite Ebene: Prüfung der
Erteilungsvoraussetzungen
Wann materiell gesehen Unschädlichkeit gegeben ist, bestimmen die landesrechtlichen Regelungen. Allerdings wird dabei der unbestimmte
Rechtsbegriff „unschädlich“ meist durch weitere unbestimmte Rechtsbegriffe umschrieben.
Dennoch erfolgt so eine Konkretisierung der
Erteilungsvoraussetzungen; regelmäßig durch
objektiv quantifizierbare Kenngrößen (Fläche,
Wert) und einen nicht zu besorgenden Nachteil
für den Berechtigten bestimmt. Letzterer kann
nur qualitativ betrachtet werden und stellt die
am schwierigsten zu beurteilende Vorrausetzung dar. Dies wird später thematisiert.
Nachstehend werden die Erteilungsvoraussetzungen für beide Fallgruppen vergleichend für
Brandenburg und Thüringen dargestellt.
Fallgruppe Veräußerung
Die Erteilungsvoraussetzungen für die lastenfreie Veräußerung einer Teilfläche sind in Brandenburg (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 BbgAGBGB) und
Thüringen (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ThürVermGeoG)
inhaltsgleich formuliert (Abb. 8). Gefordert ist
1. die Geringfügigkeit hinsichtlich
• des Werts und
• des Umfangs
des Trennstücks im Vergleich zum Restgrundstück und
2. dass für die Berechtigten ein Nachteil nicht
zu besorgen ist.
24
ermessung Brandenburg 1/2021
Es ist zu beachten, dass dem Gesetzeswortlaut
nach beide Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Das Nichtvorliegen eines Nachteils steht als
weitere Forderung neben der Geringfügigkeit.
Geringfügigkeit
Für die Beurteilung der Geringfügigkeit ist nicht
der absolute Wert maßgebend, sondern das
Verhältnis des Trennstücks zum Restgrundstück. Mit Umfang ist hierbei die Grundstücksgröße gemeint, die problemlos ermittelt werden kann. Etwas schwieriger stellt sich ggf. die
wertmäßige Betrachtung dar, wenn bauliche
Anlagen auf dem Trennstück vorhanden sind.
Ansonsten dürfte pragmatisch eine überschlägige Bewertung ausreichend sein, beispielweise
durch Multiplikation der jeweiligen Grundstücksfläche mit dem Bodenrichtwert.
Geringfügigkeit kann bis etwa 10 Prozent ohne
Weiteres angenommen werden. Hier hilft der
Vergleich mit der Baulandumlegung, bei der eine
unwesentliche Mehr- oder Minderzuteilung bis
ca. 10 Prozent gesehen wird. Dies stellt aber nur
eine Richtgröße dar. Eine durch Rechtsprechung
für Unschädlichkeitszeugnisse gezogene Geringfügigkeitsgrenze ist dem Verfasser nicht bekannt.
Nicht zu besorgender Nachteil für die
Berechtigten – wirtschaftliche Unschädlichkeit
Teilweise wurde in der Praxis der fehlende Nachteil mit der Geringfügigkeit begründet. Nach der
mittlerweile abgelösten Vorschrift in Thüringen
war „ein Nachteil nicht zu besorgen […], wenn
Abb. 8: Erteilungsvoraussetzungen für die Fallgruppe Veräußerung
[…] das Trennstück im Verhältnis zum verbleibenden Teil des Grundstücks von geringem
Wert und Umfang ist“ (§ 4 Abs. 1 ThürGUZ).
Eine vergleichbare Regelung findet sich noch
in Bayern (Art. 73 Abs. 3 AGBGB). In BadenWürttemberg wird hingegen ausschließlich auf
die Geringfügigkeit abgestellt (§ 23 AGBGB).
Die Prüfung eines nicht zu besorgenden Nachteils stellt immer eine Einzelfallbetrachtung dar
und kann nicht pauschal beantwortet werden.
Dabei sind sowohl die unmittelbar Berechtigten
als auch etwaige Drittberechtigte, insbesondere
bei subjektiv dinglichen Rechten, zu betrachten.
Ein nicht zu besorgender Nachteil bedeutet
nicht, dass ein Nachteil völlig ausgeschlossen
sein muss. Vielmehr muss er lediglich nicht zu
befürchten, das heißt unwahrscheinlich sein [4].
Es ist keine rein rechtliche Betrachtung vorzunehmen, sondern eine wirtschaftliche Betrachtung erforderlich. Das ergibt sich schon daraus,
dass das Unschädlichkeitszeugnis die geforderte Zustimmung der Berechtigten (nach §§ 875
f. BGB) durchbrechen soll. „Alle diese Bestimmungen haben wirtschaftliche Bedeutung, setzen aber trotzdem nach ihrem Wortlaut nicht
die Feststellung einer wirtschaftlichen Benachteiligung voraus und sprechen nicht von einer
Gefährdung oder Verschlechterung des Rechts
oder des Grundstücks, sondern von einer bloßen ‚Berührung‘“ (BGH, Urteil v. 9.6.1969, Az. III
ZR 231/65 - juris, Rn. 28). Aus der Umkehrung
der Argumentation des BGH folgt, dass das Un-
schädlichkeitszeugnis auf einen nicht zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteil für den Berechtigten durch die Rechtsänderung abstellt.
Schlüter [5] geht noch weiter und hält hingegen
einen Nachteil bereits dann nicht mehr für gegeben, wenn die Berechtigten der Mitteilung über
die beabsichtigte Erteilung des Zeugnisses nicht
widersprochen haben. Er postuliert somit eine
durch Stillschweigen hervorgerufene Rechtswirkung. Dem kann nicht gefolgt werden. Ob ein
Nachteil zu befürchten ist, hat die Behörde im
Rahmen der Sachverhaltsermittlung von Amts
wegen zu klären. Das im Zuge der Anhörung
durch die Beteiligten Vorgebrachte kann zur Entscheidung beitragen; auf eine Nichtäußerung
kann sich die Behörde aber bei ihrer Entscheidung nicht stützen. Auch die Mitteilung des Berechtigten, dass er keinen Nachteil für sich sieht,
reicht nicht aus. Selbst ein Verzicht auf das Recht
oder die Zustimmung zur Löschung des Rechts
kann im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung
des Unschädlichkeitszeugnisses nicht erfolgen.
Dies kann nur gegenüber dem Grundbuch in der
entsprechenden Form erklärt werden.
Betrachtung bestimmter dinglicher Rechte
Regelmäßig sind durch die Änderung oder die Aufhebung eines Rechts Nachteile für die Berechtigten möglich. Daher ist eine konkrete und begründete Aussage zu treffen, warum ein Nachteil nicht
zu erwarten ist. Bestehen Zweifel daran, sollte das
Unschädlichkeitszeugnis nicht erteilt werden.
ermessung Brandenburg 1/2021
25
Bei Vorkaufsrechten, Erbbaurechten, Wohnungserbbaurechten [6], Nacherbenvermerken
[7], Auflassungsvormerkungen und beim Nießbrauch [8] ist ein Nachteil regelmäßig anzunehmen, da eine Reduzierung des Belastungsgegenstandes den durch das Recht begründeten
Anspruch schmälert.
Bei Grundpfandrechten und Reallasten ist ein
(wirtschaftlicher) Nachteil regelmäßig nicht zu
befürchten, wenn aus dem Restgrundstück auch
künftig die Forderung vollstreckbar ist bzw. die
zu bewirkenden Leistungen erbracht werden
können. Bei Grundpfandrechten ist ein Nachteil
regelmäßig anzunehmen, wenn das Grundstück
bereits bis zur Beleihungsgrenze (60 v. H. des
Beleihungswertes; vgl. § 14 Pfandbriefgesetz)
oder darüber hinaus belastet ist. Ist der Beleihungswert nicht bekannt, ist der Wert des Grundstücks überschlägig zu ermitteln und ein ausreichender Sicherheitsabschlag vorzunehmen.
Fallgruppe Aufhebung
Die Erteilungsvoraussetzungen hinsichtlich des
Ersetzens der Drittzustimmung unterscheiden
sich zwischen Brandenburg und Thüringen
deutlich. Unschädlichkeit liegt in
•
•
BB vor, „… wenn für diejenigen, zu deren
Gunsten das andere Grundstück belastet ist,
ein Nachteil nicht zu besorgen ist, weil ihre
Rechte nur geringfügig betroffen werden“
(§ 21 Abs. 1 Nr. 2 BbgAGBGB).
TH vor, „… wenn „für diejenigen, zu deren
Gunsten das andere Grundstück belastet
ist, ein Nachteil nicht zu besorgen ist und ihr
Recht oder das aufzuhebende Recht verhältnismäßig geringfügig ist“ (§ 29 Abs. 1 Nr. 3
ThürVermGeoG).
In Brandenburg wird der fehlende Nachteil
mit einer nur geringfügigen Betroffenheit des
Rechts am herrschenden Grundstück begründet. Die Ausübung dieses Rechts darf dem Dritten somit nicht wesentlich erschwert werden.
Im Falle eines Mitbenutzungsrechts am Grundstück, muss die Nutzung weiterhin möglich sein
und etwaige Einschränkungen (z. B. ein anderer
Zugangsweg) dürfen nur unwesentlich sein. Im
Einzelfall ist dabei auf die konkret berechtigte Person einzugehen. Handelt es sich um ein
Grundpfandrecht, dürfte entscheidend sein, ob
eine etwaige Zwangsverwertung immer noch
eine ausreichende Befriedigung der Forderung
ermöglicht.
26
ermessung Brandenburg 1/2021
In Thüringen besteht demgegenüber die Forderung nach einem fehlenden Nachteil parallel zur
Geringfügigkeit. Ferner impliziert der Wortlaut
eine Wahlmöglichkeit bei Beurteilung der Geringfügigkeit. Zum einen wird auf das Recht des
Dritten an dem herrschenden Grundstück Bezug
genommen. Es soll verhältnismäßig geringfügig
sein. Ein vager Hinweis, was darunter zu verstehen ist, findet sich in Ziff. 3.5.1 der Thüringer Verwaltungsvorschrift zur Erteilung von Unschädlichkeitszeugnissen (ThürVwVUZ). Maßgeblich
ist das Verhältnis des Wertes des Rechts zum
Wert des herrschenden Grundstücks. Zum anderen wird auf das aufzuhebende Recht abgestellt. Es ist dann verhältnismäßig geringfügig,
wenn es den Wert oder die Nutzung des herrschenden Grundstücks nur unwesentlich beeinflusst (Ziff. 3.5.2 ThürVwVUZ). Dies entspricht
inhaltlich der geringfügigen Betroffenheit, welche
die Regelung in Brandenburg voraussetzt.
Einfache und praxistaugliche Beurteilung
der Anwendungsfälle (KO-Fragen)
Aus den eindeutig definierten Anwendungs
vo
raussetzungen und den engen Erteilungs
voraussetzungen für Unschädlichkeitszeugnisse wurden KO-Fragen für die Fallgruppe
Veräußerung/Überführung (Tab. 3) und die Fallgruppe Aufhebung (Tab. 4) entwickelt. Dabei
handelt es sich um einfache ja/nein-Fragen.
Wird bereits eine der KO-Fragen mit der jeweiligen KO-Antwort beantwortet, scheidet die Erteilung eines Unschädlichkeitszeugnisses aus.
KO-Frage
Handelt es sich um eine Veräußerung
(Kauf, Tausch, Schenkung)?
KO-Antwort
Nein
Ist die Veräußerung im Grundbuch
bereits vollzogen?
Ja
Handelt es sich um eine Teilfläche?
Nein
Ist die Teilfläche deutlich größer als
10 % des Grundstücks?
Ja
Tab. 3: KO-Fragen für die Fallgruppe Veräußerung
KO-Frage
KO-Antwort
Handelt es sich um ein subjektiv
dingliches Recht (begünstigt ist ein
anderes Grundstück)?
Nein
Liegt für die Aufhebung des subjektiv ding
lichen Rechts die Zustimmung des begünstigen Grundstückseigentümers vor?
Nein
Tab. 4: KO-Fragen für die Fallgruppe Aufhebung
Damit können auf effiziente Weise die Anträge
aussortiert werden, die keinesfalls zum Ziel führen. Insbesondere dort, wo Anfragen zentral eingehen und durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein breites Aufgabenspektrum abgedeckt
werden muss, kann dies unnötige Antragstellungen vermeiden. Die KO-Fragen dürften bereits
dem Laien die Möglichkeit bieten, den eigenen
Sachverhalt zu beurteilen.
Zusammenfassung
Quellen:
[1] 22. Bericht des Bürgerbeauftragten an den
Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Drs.
7/458, 3. April 2017, Seite 28 ff.
[2] OLG München, Beschluss vom 26.09.2012,
Az. 34 Wx 30/12 – juris -, Rn. 21
[3] OLG München, Beschluss vom 26.09.2012,
Az. 34 Wx 30/12 - juris -, 2. Leitsatz
Unschädlichkeitszeugnisse können Hindernisse bei der Veräußerung von Grundstücksteilen
belasteter Grundstücke überwinden. Sie ersetzen dabei die Zustimmung der durch das jeweilige Recht unmittelbar Berechtigten und etwaiger Drittberechtigten. Allerdings bestehen hohe
Hürden bei den Erteilungsvoraussetzungen.
Daher stellt das Unschädlichkeitszeugnis kein
„Allheilmittel“ dar. Insbesondere der geringe
Umfang des lastenfrei veräußerbaren Grundstücksteils und die Forderung nach einem
nicht zu erwartenden Nachteil für die durch das
Recht Berechtigten, schränkt das Instrument
stark ein.
[4] BVerwG, Urteil v. 16. Juli 1965, Az. IV C
54.65 - juris -, 6. Leitsatz
Dennoch hat es eine praktische Bedeutung.
Es ist ein Baustein im Bündel der möglichen
Rechtsinstrumente, um die teils erheblichen
Beeinträchtigungen des Grundstücksverkehrs
durch eingetragene, insbesondere ältere Rechte an Grundstücken abmildern zu können.
[8] Schöner/Stöber: Grundbuchrecht, C. H.
Beck, 16. Auflage, Rn. 740
Die vorgestellte Beurteilungssystematik wird in
Thüringen seit mehreren Jahren erfolgreich angewandt. Sie ermöglicht eine sachliche, effiziente und nachvollziehbare Entscheidungsfindung
im Verwaltungsverfahren.
[5] Schlüter, Markus: „Das Unschädlichkeitszeugnis im Grundstücksverkehr“, Zeitschrift
für Vermögens- und Immobilienrecht,
4/1998, S. 183 (184)
[6] Panz, Peter: „Überlegungen zum Unschädlichkeitszeugnis“, BWNotZ, 1/1998, S. 16
[7] Nacherbenvermerke sind keine Belastungen des Grundstücks, LG Frankfurt, Beschluss vom 26.08.1985, Az. 2/9 T 932/85
Robert Krägenbring
Thüringer Ministerium für Infrastruktur
und Landwirtschaft
robert.kraegenbring@tmil.thueringen.de
ermessung Brandenburg 1/2021
27
Sabine Schwermer, Ralf Strehmel
https://geoportal.brandenburg.de/aktionsplan
Am 23. September 2020 haben die in den
ministerialen Geschäftsbereichen für das
Geoinformationswesen zuständigen Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter
gemeinsam den Aktionsplan GDI-BB als
künftiges Steuerungsinstrument für den
weiteren Ausbau der Geodateninfrastruktur im Land Brandenburg (GDI-BB) festgelegt. Der Aktionsplan GDI-BB beschreibt
den Weg, auf dem in den nächsten – wenigstens – fünf Jahren die Geodateninfrastruktur Brandenburg besonders geprägt
werden soll. Im Zuge dieser Prägephase
wird im Internet eine Sammlung mit Beschreibungen von entsprechenden Aktionen der unmittelbaren Landesverwaltung
zur Verfügung gestellt. Diese Beschreibungen bieten Transparenz über die Ausbauaktivitäten in der Geodateninfrastruktur im Land Brandenburg.
Ein kurzer Rückblick
Obwohl im Jahr 2006 die geplante Fusion der
Bundesländer Berlin und Brandenburg nicht erfolgte, entstanden ab diesem Zeitpunkt zwischen
den beiden Bundesländern weiterhin gemeinsame Projekte zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg und
Infrastrukturprojekte, wie der Flughafen Berlin
Weiterer Ausbau der
Geodateninfrastruktur
Brandenburg
Aktionsplan
Abb. 1: Deckblatt des Aktionsplans GDI-BB
28
ermessung Brandenburg 1/2021
Brandenburg, seien hier als typische Beispiele
genannt, welche die von beiden Ländern angestrebte Handlungsbreite zeigen. Die Geodateninfrastruktur sollte auch gemeinsam entwickelt
werden, weshalb der Masterplan GDI-BE/BB im
Januar 2008 von beiden Landesregierungen auf
einer gemeinsamen Kabinettsitzung zur länderübergreifenden Strategie bestimmt wurde.
Fortan wurde das gemeinsame Vorgehen in Angelegenheiten der Geodateninfrastruktur überall
dort zwischen den beiden Ländern abgestimmt,
wo dieses geboten war. Zum Beispiel wurde ein
gemeinsames Berlin/Brandenburgisches Profil
der ISO 19115 (Metadatenprofil) entwickelt und
mit dem „Bürgerportal Oberflächennahe Geothermie“ eine erste länderübergreifende Geodateninfrastrukturanwendung geschaffen.
In der praktischen Zusammenarbeit beider Länder
wurde aber auch allen Beteiligten rasch bewusst,
dass neben gemeinsamen Zielen auch länderspezifische Anforderungen bestanden, für die
Lösungen zu erarbeiten waren, die auf das Land
Brandenburg als Flächenland oder das Land Berlin als Stadt individuell zuzuschneiden waren.
Parallel zur Entwicklung der GDI in der Region
wurde zunächst vorrangig aufgrund der Anforderungen der Europäischen Geodateninfrastruktur
(INSPIRE) auch die strukturierte Entwicklung der
deutschlandweiten Geodateninfrastruktur (GDIDE) forciert. Mit der GDI-DE entstand somit eine
organisatorische Plattform, auf der Bund und
Länder gemeinsam überregionale Geodateninfrastruktur gestalten konnten. Diese organisatorische Plattform diente fortan auch Berlin und
Brandenburg für den weiteren Ausbau der Geodateninfrastruktur in der Region.
Was bis heute im Land Brandenburg
erreicht ist
Mit dem Geodateninfrastrukturgesetz wurde EURecht in Landesrecht umgesetzt. Es regelt die
technische und inhaltliche INSPIRE-Umsetzung,
definiert die ressortübergreifende Kontaktstelle mit
ihrer Aufgabe der Unterstützung des Lenkungsgremiums GDI-DE in seiner Funktion als die nationale
Anlaufstelle der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Europäischen Union und beschreibt
das für das Land zu betreibende Geoportal mit
seinen grundlegenden Funktionalitäten.
geodatenhaltende
Stellen
MIK
Bereitstellung der Geodaten:
• Metadaten
• Darstellungsdienste
• Downloaddienste
Fachaufsicht inkl. Steuerung
INSPIRE-Umsetzung und GDI-BB,
LG GDI-DE, Leitung IMAGI Bbg,
Kommunalaufsicht
I M AG I B b g
LGB,
Kontaktstelle GDI-DE
Planung
Umsetzung INSPIRE, GDI
Begleitung
geodatenhaltende Stellen
LGB
Koordinierung
Umsetzung INSPIRE, GDI
Abb. 2: Organisation der GDI-BB
Für den Betrieb der GDI-BB hat das Land Brandenburg eine Organisationsstruktur aufgebaut.
Mit dem Interministeriellen Ausschuss für das
Geoinformationswesen im Land Brandenburg
(IMAGI Bbg), der Kontaktstelle GDI-DE, der INSPIRE-Zentrale und der über diese Organisationsbausteine gepflegten Kommunikationsstrukturen
werden im Land Brandenburg sowohl die direkten
gesetzlichen Aufgaben (INSPIRE-Umsetzung,
BbgGDIG) als auch die übrigen ressortübergreifenden Angelegenheiten der GDI-BB gesteuert.
Das Land Brandenburg hat die Architektur seiner Geodateninfrastruktur zukunftsorientiert
entwickelt, sodass die Basis geschaffen ist,
auch künftigen Anforderungen aus der Europäischen Union, der Bundesrepublik Deutschland
oder der Region mit zeitnah entwickelbaren Lösungen gerecht zu werden.
Über die zahlreichen kommunalen und landesweiten Fachportale sowie über das Geoportal
Brandenburg präsentiert das Land Geodaten und
Anwendungen von weit über 100 Anbietern. Diese Angebote sind weltweit recherchierbar und bis
auf wenige Ausnahmen frei zugänglich. Die Nutzung ist selbst bei sehr hochwertigen Geodaten
meist entgeltfrei. Insgesamt ist die Entwicklung
der GDI-BB seit 2008 ununterbrochen dynamisch.
Eine Geodateninfrastruktur unterliegt
ständig neuen Anforderungen
Auch wenn das Land Brandenburg hinsichtlich seiner rechtlich, organisatorisch, technisch
und inhaltlich agilen Geodateninfrastruktur weder den Vergleich mit anderen Bundesländern
scheuen noch Zweifel hinsichtlich der generellen Leistungsfähigkeit der GDI-BB hegen muss,
unterliegt ein solchermaßen komplexes Netzwerk einem ständigen Innovationsdruck und
bietet stets auch Bereiche mit Verbesserungspotenzial.
Das breite Angebot an Geodatendiensten, welches sich in einer vitalen Geodateninfrastruktur ohnehin stetig erhöht, wird jedoch noch
immer nicht umfassend genutzt. Insbesondere
aufgrund teilweise fehlender Bekanntheit des
breiten Angebotes und meist nur im Vorfeld der
Nutzung vermuteter erheblicher technischer
Hürden erfolgt die Geoinformationsgewinnung
noch zu häufig auf Basis von lokal gehaltenen
Geodaten mit unzureichender Aktualität. Geodaten mit ihrer über die Architekturkomponenten
einer Geodateninfrastruktur stets gewährleisteten Aktualität sollten die Basis für sachgerechte
Geoinformationsgewinnung im Vorfeld von Entscheidungen sein.
ermessung Brandenburg 1/2021
29
In engem Zusammenhang mit der Geoinformationsgewinnung aus lokal gehaltenen Geodaten
steht die mehrfache (kostspielige und selten
vollständig notwendige) Erfassung gleicher oder
sehr ähnlicher Geodaten. Von durchgängig wirtschaftlichem Geodatenmanagement darf deshalb noch nicht ausgegangen werden.
Ferner schreitet die generelle Standardisierung
von digitalen Verwaltungsprozessen und deren
Verknüpfung mit der Geodateninfrastruktur nur
schwerfällig fort, obwohl alle notwenigen Standards beschrieben, hinreichend erprobt und
auch praktische Anwendung finden. Das Marketing bei Standardisierungsvorhaben ist aber
noch zu konservativ.
Die beschriebenen Defizite haben sehr spezifische Ursachen, die selten nachhaltig rechtlicher
oder technischer Natur sind. Eine gemeinsame
Ursache ist allerdings meist offensichtlich: Da
Geoinformationswissen derzeit noch nicht als Teil
der Allgemeinbildung betrachtet werden kann,
muss die Mehrheit der potenziellen Nutznießer
einer Geodateninfrastruktur als Autodidakten betrachtet werden. Ein in der Gesellschaft verinnerlichtes Wissen um die noch wenig angetasteten
Reserven einer individuellen Mehrwertgewinnung, welche die Fortentwicklung einer Geodateninfrastruktur quasi zum Selbstläufer machen
könnte, kann es deshalb noch nicht geben.
Ferner ist als gemeinsame Ursache die in der
Verwaltung bisher nicht genügend stringente
Verzahnung fachverwaltungsspezifischer Entwicklungen insbesondere dort festzustellen, wo
Geodaten als Bindeglied dienen würden. Mit
einer effizienten Organisation der GDI-Ressourcenkompetenzen könnte diese Bindefunktion
als GDI-typischer Mehrwert offensichtlicher werden. In der Gesellschaft sollte dieser Mehrwert
dann vorrangig als innovatives Verwaltungshandeln wahrgenommen werden.
Der Aktionsplan GDI-BB fordert
zum Handeln in Schwerpunkten auf
Als standardisiertes Netzwerk steht eine staatliche Geodateninfrastruktur mit ihrer Dienstearchitektur zum Management von Geodaten prinzipiell offen – Nutzern und Anbietern von Geodaten
und Geoanwendungen gleichermaßen! Generell
kann sich die GDI-BB deshalb in allen Bereichen
fortentwickeln – insbesondere technisch (Standards) und inhaltlich (Datenthemen).
Mit dem Aktionsplan GDI-BB konzentriert sich
die unmittelbare Landesverwaltung auf drei
Schwerpunkte, die die Ausbauaktivitäten in der
GDI-BB mittelfristig bestimmen sollen. Diese
drei Schwerpunkte sind in Zielen formuliert:
Ziel 1 – Geodaten ein Leben lang anwenden
Die unmittelbare Landesverwaltung wird die
sachgerechte Verwendung von Geodaten zum
generellen Gegenstand der Aus-, Fort- und Weiterbildung machen und so dazu beitragen, dass
das Verständnis über Geodaten sukzessive als
Teil der Allgemeinbildung in der Gesellschaft gesteigerte Beachtung erfährt.
Ziel 2 – Geodaten einmal erfassen und vielfach
nutzen
Die geodatenhaltenden Stellen in der unmittelbaren Landesverwaltung werden Transparenz
über das eigene Handeln im Rahmen besonders
bedeutsamer Vorhaben zur Geodatenerfassung
schaffen, um Mehrfacherfassung vermeidbarer
und ressourcenschonende Qualitätssicherung
möglich zu machen.
Ziel 3 – Mehrwerte gewinnen: Geodaten in
Verwaltungsprozesse integrieren
Die durch Bundes- und Landesgesetze geforderte Digitalisierung von Verwaltungsprozessen
wird durch die unmittelbare Landesverwaltung
überall dort mit der GDI-BB in Zusammenhang
gebracht, wo die Prozesse durch die Nutzung
von Geodatenangeboten der GDI-BB vervollständigt und somit die Transparenz des Verwaltungsprozesses für die Nutzer erhöht wird.
Abb. 3:
Drei Ziele der GDI-BB
30
ermessung Brandenburg 1/2021
Aktivitäten sind Aktionen und werden Teil
einer Sammlung
Wird mit einer in der unmittelbaren Landesverwaltung initiierten Aktivität thematisch das Erreichen
der für die GDI-BB mittelfristig definierten Ziele gefördert, ist diese als Ausbauaktivität für die
GDI-BB zu werten und eine Aktion im Sinne des
Aktionsplans GDI-BB. Sie wird damit Teil der im
Internet veröffentlichten Sammlung der Aktionen.
Die Sammlung der Aktionen schafft somit Transparenz über das Handeln in der unmittelbaren
Landesverwaltung, welches der Unterstützung
der Ziele der GDI-BB dient. Zu jeder Aktion
bietet die Sammlung eine ausführliche inhaltliche Beschreibung sowie die Kontaktdaten des
jeweiligen Ansprechpartners. Ferner werden
eine Reihe von Kurzinformationen zum Ziel und
Zweck, zu organisatorischen oder technischen
Aspekten sowie der Dauer der jeweiligen Aktion
und ihren Querbezügen zu anderen Strategien
des Bundes oder des Landes geführt.
Ministerium für Wirtschaft,
Arbeit und Energie
Ministerium für Landwirtschaft,
Umwelt und Klimaschutz
Ministerium für Bildung,
Jugend und Sport
Ministerium der Finanzen
und für Europa
Ministerium für Wissenschaft,
Forschung und Kultur
Ministerium der Justiz
Ministerium für Soziales,
Gesundheit, Integration
und Verbraucherschutz
Ministerium des Innern
und für Kommunales
Staatskanzlei
Aktionsplan
Ministerium für
Infrastruktur und
Landesplanung
GDI-BB
Abb. 4: Der gemeinsame Weg zur GDI-BB
GDI schafft Durchblick – im Land
Brandenburg auch durch die GDI selbst
Dass unsere Informationsgesellschaft nicht mehr
ohne digitale Geodaten auskommt, wird seit einigen Jahren gesellschaftlich hinreichend kommuniziert. Die Geodateninfrastruktur versorgt jeden
von uns – technisch oft unmerklich –, indem sie
die für uns wichtigen Themen – und sei es inhaltlich auch nur hintergründig – mit Geoinformationen anreichert und uns so mehr Verständnis
für Entscheidungen verschafft, die wir nicht direkt treffen, aber mit deren Auswirkung wir leben
müssen. Denn Verständnis zu haben bedeutet,
gemeinsam zu agieren. An dieser für uns selbstverständlichen gesellschaftlichen Transparenz
hat die Geodateninfrastruktur ihren Anteil.
Eine ähnliche Transparenz in die Aktivitäten innerhalb der Geodateninfrastruktur zu bringen
und über diesen Weg Verständnis für die Entwicklungen in der GDI-BB zu fördern, ist Leitgedanke des Aktionsplans GDI-BB zum weiteren
Ausbau der Geodateninfrastruktur Brandenburg. Denn Verständnis für die Entwicklungen
zu haben bedeutet, gemeinsam mit denen zu
agieren, die die Aktionen verantworten. Mit dieser in der GDI-BB künftig selbstverständlichen
Transparenz setzt das Land Brandenburg ein
starkes Zeichen für gemeinsames fachverwaltungsübergreifendes Handeln und agiles
E-Government rund um die GDI-BB.
Abb. 5: GDI – Die „eingebaute“ Lupe
Sabine Schwermer
Ministerium des Innern und für Kommunales
des Landes Brandenburg
sabine.schwermer@mik.brandenburg.de
Ralf Strehmel
ralf.strehmel@t-online.de
ermessung Brandenburg 1/2021
31
Petra Wagenführ
20 Jahre SAPOS®-Regelbetrieb
in Brandenburg
Der Satellitenpositionierungsdienst SAPOS® ist ein Gemeinschaftsprojekt der
Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland (AdV) und stellt den
amtlichen, geodätischen Raumbezug in
Form eines deutschlandweiten Netzes
von GNSS-Referenzstationen [1] für jedermann bereit. Es ist noch gar nicht so
lange her, da blickte Brandenburg auf 10
Jahre SAPOS® zurück. Nun kann eine weitere Dekade hinzufügt werden, in der sich
viel ereignet hat und viele Fortschritte erzielt werden konnten. Das soll Anlass sein
für einen Rückblick auf die Anfänge des
SAPOS® in Brandenburg und die Entwicklung in den letzten 20 Jahren.
In den 1990er Jahren begannen sich die einzelnen Landesvermessungsverwaltungen mit einer möglichen Nutzung des US-amerikanischen
Navigationssatellitensystems GPS für Verfahren in der Landesvermessung zu befassen.
Die ersten Bundesländer bauten dazu jeweils
eine GPS-Referenzstation auf und schlossen
sich themenbezogen zusammen. Die Aktivitäten der einzelnen Bundesländer bzw. Gruppen
hatten ein breites Spektrum. Ohne besondere
Steuerung fand jeder sein Spezialgebiet und
die bevorzugte technische Ausstattung, sei es
der SAPOS®-Decoder (Abb. 1), das Verfahren
RASANT zum Korrekturdatenversand über den
öffentlichen Rundfunk oder das Verfahren zur
Datenabgabe über den 2 m-Funk mit Lizenzund Frequenzerwerb. Und nicht zu vergessen,
die Marke SAPOS® wurde geschützt.
Abb. 1: SAPOS-Decoder ab 1996
32
ermessung Brandenburg 1/2021
Diese Pionierzeit mündete 1995 auf der 96.
AdV-Plenumstagung in den Beschluss, folgende bundesweit einheitlichen, permanenten
SAPOS®-Dienste einzurichten: Echtzeit Positionierungs-Service (EPS), Hochpräziser Echtzeit
Positionierungs-Service (HEPS), Geodätischer
Postprocessing Positionierungs-Service (GPPS)
und der heute im amtlichen Vermessungswesen nicht verwendete Geodätische Hochpräzise
Postprocessing-Service (GHPS). Die Eigenentwicklungen der Länder ermöglichten die Nutzung
der Dienste in den Anfangsjahren und waren Basis für technologisch ausgereifte GNSS-Rover,
die Ende der 1990er Jahre von den Fachfirmen
präsentiert wurden.
Das amtliche Vermessungswesen war von Beginn
an bestrebt, unterstützt durch sinnvolle Technologien und geeignete Technik, SAPOS® als Dienstleiter 24 Stunden an allen 7 Tagen der Woche den
Nutzern bereitzustellen und damit auch für viele
Aufgaben der freien Wirtschaft attraktiv zu sein.
Erstes SAPOS®-Datenangebot
im Land Brandenburg
Nach einem Besuch der ersten Referenzstation des Landes Sachsen-Anhalt in Halle (Saale) Ende 1994 hat das Landesvermessungsamt
Brandenburg die Software GNSMART der Firma Geo++ GmbH beschafft und 1995 auf dem
EUREF-Punkt auf dem Großen Ravensberg in
Potsdam die erste Referenzstation eingerichtet.
Die Ausrüstung bestand aus einem der legendären Trimble 4000 SSE-Empfänger (Abb. 2)
und zugehöriger Antenne.
Pilotprojekt mit 4 Referenzstationen
Abb. 2: GPS-Empfänger Trimble 4000 SSE der Referenzstation Potsdam
In der Folge wurden im Landesvermessungsamt
permanent Daten im RINEX-Format [2] gespeichert und auf Datenträgern abgegeben, um damit
im Postprocessing die Koordinaten zu berechnen.
In Echtzeit wurden Korrekturdaten im RTCMFormat 2 [3] über den Rundfunk versendet, dem
späteren EPS. Die Datenübertragung zur Einspeisung in den Ostdeutschen Rundfunk erfolgte
über eine Standleitung. Diese ersten Datenangebote wurden rege und erfolgreich genutzt.
Die positiven Testergebnisse und die Resonanz
erlaubten den nächsten Schritt. In Brandenburg
wurde 1995 ein Pilotprojekt SAPOS® initiiert, in
dem eine Bietergemeinschaft bestehend aus
den Firmen Geo++ für den geodätischen Teil
und der ISYS GmbH für die Informations- und
Kommunikationstechnik ein Konzept für ein
Netz aus vier Referenzstationen und eine zentrale Steuerung und Datenverwaltung erarbeitete. Dabei orientierte man sich am aktuellen
Entwicklungsstand der Vermessung mit Navigationssatellitensystemen und setzte die Empfehlungen der AdV zu SAPOS® um.
Als Standorte für diese Referenzstationen wurden
die Katasterbehörden in Brandenburg an der Havel, Bad Belzig und Wünsdorf sowie das Landesvermessungsamt in Potsdam gewählt (Abb. 4).
Neben der Empfangsantenne vom Typ NovAtel
503 auf den Gebäudedächern wurde in geeigneten Räumlichkeiten die gesamte Rechen- und
Kommunikationstechnik und der GPS-Empfänger
Zeiss GePoS RM24 in einem Netzwerkschrank
untergebracht. Das Konzept sah eine größtmögliche Zentralisierung der Prozesse und Daten vor.
Als Kommunikationsweg wurde von Anfang an
das Landesverwaltungsnetz genutzt.
Auf den Referenzstationen befanden sich PC
samt Peripheriegeräten, die mit der Software
GNSMART Korrekturdaten berechneten und mit
einem Kommunikationsmodul zum Landesvermessungsamt nach Potsdam übertrugen. Dort erfolgten die Multistationsausgleichung zur Berechnung der Flächenkorrekturparameter (FKP) und
die dauerhafte Speicherung der RTCM-Daten. Die
FKP wurden zur Referenzstation zurückgesandt
und dort im 2 m-Band über Funk und im GSM (Mobiltelefon) über Modem verschlüsselt abgegeben.
Abb. 3: Sendemast im Landkreis Potsdam-Mittelmark mit
2 m-Funkantenne Kathrein der Referenzstation Potsdam
Der Nutzer benötigte einen SAPOS®-Decoder
mit Vorab-Freischaltung, der die autorisierte
Datennutzung im gewünschten Datenformat
und die Abrechnung ermöglichte. Für GPPSKunden wurden RTCM-Daten gespeichert, auf
einer Tape-Library (Bandspeichertechnologie)
archiviert und schließlich zur Abgabe in RINEX
konvertiert. Sie wurden zunächst noch auf Datenträgern und ab 2001 auf einem Server im
Internetsegment des Landesbetriebes für Datenverarbeitung und Statistik, heute Zentraler ITDienstleister des Landes Brandenburg (ZIT-BB),
zum Herunterladen bereitgestellt. Die Software
und Technologie erstellte die Firma actina AG.
ermessung Brandenburg 1/2021
33
Flächendeckung und Beginn
des Regelbetriebes
Abb. 4: Pilotprojekt SAPOS-Standorte der Referenzstationen
Als Backup wurden Wählverbindungen im ISDN
durch ein Kommunikationsmodul der Referenzstationssoftware aufgebaut für den Fall, dass
die LVN-Verbindung ausfiel. Auf der Referenzstation Brandenburg war zusätzlich ein Mobiltelefon installiert. Das LVN ist auch heute noch
Übertragungsweg, wobei eine ständige Erweiterung des Service und der Bandbreite entsprechend den Anforderungen an die Datenqualität
des SAPOS® im Rahmen der Möglichkeiten des
LVN erfolgte.
Nach dem erfolgreichen Abschluss des Pilotprojekts Ende 1996 hat das Landesvermessungsamt 10 weitere Referenzstationen auf Gebäuden
der Katasterbehörden mit einheitlicher technischer Ausstattung erkundet und eingerichtet,
so dass 1999 insgesamt 14 Referenzstationen
zur Verfügung standen. Für die Installation der
Antennen wurde die Firma DT Digitaltechnik
hinzugezogen, die auch die Auswahl der Standorte für die 2 m-Funksender unterstützte. Ziel
war es, bis 1999 ca. 70 bis 80 % Flächenabdeckung zu erreichen. Als optimaler Abstand zwischen den Referenzstationen galt damals 50 bis
60 km. Die Variation des Stationsabstandes je
Bundesland liegt heute bei den Flächenländern
zwischen 0,4 bis 1,0 Stationen auf 1 000 km2
und beim Saarland und den Stadtstaaten zwischen 2,4 bis 7 Stationen auf 1 000 km2. Mit
dieser Stationsdichte garantieren die SAPOS®Betreiber die Zuverlässigkeit des Dienstes, da
ein eventueller Stationsausfall im Referenzstationsnetz kompensiert werden kann.
Die noch vorhandenen Lücken in der Abdeckung der Landesfläche wurden im Jahr 2000
durch weitere 7 Referenzstationen, vorzugsweise auf öffentlichen Gebäuden, weitgehend
geschlossen (Abb. 5). Mit jeder Ausbauphase
Sowohl die beiden ausführenden Firmen als
auch das Landesvermessungsamt testeten
ausführlich im Pilotprojekt, um die definierten
SAPOS®-Dienste zu verifizieren, eine optimale
Ausstattung der Referenzstationen, der Zentrale und der Kommunikation abzuleiten und damit
den Leistungsumfang für den Aufbau weiterer
Referenzstationen festzulegen. Die Bietergemeinschaft erstellte einen Testbericht, in dem
u. a. der Wegfall der Backup-Wählverbindungen vorgeschlagen wurde. Die Testmessungen
führten auch zur Entscheidung, die Netzausgleichung für die FlächenkorrekturparameterBerechnung beim weiteren Aufbau vorerst nicht
fortzuführen, weil Aufwand und Nutzen zum damaligen Zeitpunkt unverhältnismäßig waren.
Abb. 5: Weitgehende Flächenabdeckung durch
21 Referenzstationen seit dem Jahr 2000
34
ermessung Brandenburg 1/2021
SAPOS-Kunden
800
800
700
700
Anzahl
AnzahlKunden
Kunden
600
600
500
500
400
400
300
300
200
200
100
100
00
2000
2000 2001
2001 2002
2002 2003
2003 2004
2004 2005
2005 2006
2006 2007
2007 2008
2008 2009
2009 2010
2010 2011
2011 2012
2012 2013
2013
HEPS
HEPS
GPPS
GPPS
Anzahl
Anzahl ÖBVI
ÖBVI
Abb. 6: SAPOS Brandenburg – Anzahl der Kunden je Service und der SAPOS nutzenden ÖbVI
wuchs auch die zentrale SAPOS®-Technik der
LGB in Potsdam.
Parallel dazu wurden die Katasterbehörden des
Landes mit GNSS-Rovern ausgerüstet. Der
Dienst des SAPOS® Brandenburg ermöglichte den Katasterbehörden einen schnellen und
zeitgemäßen Zugang zum amtlichen Bezugssystem. Dies überzeugte auch die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure/-innen (ÖbVI)
und führte zu einem rasanten Anstieg der
SAPOS®-Nutzung in den Folgejahren (Abb. 6).
Die Hardware auf den Referenzstationen sowie der Entwicklungsstand der Referenzstationssoftware und der GNSS-Rover machten ab
2001 die landesweite Verarbeitung der FKP aus
einer Multistationsausgleichung möglich.
SAPOS® Brandenburg wurde 2001 durch Innenminister Jörg Schönbohm feierlich in den Regelbetrieb genommen (Abb. 7). Damit war jedoch
noch nicht das Ende der Entwicklung erreicht.
Die nächsten Jahre waren geprägt von der Integration weiterer Navigationssatellitensysteme,
der Einführung neuer internationaler Standards
und der Erschließung neuer Kommunikationswege.
Abb. 7: Offizieller Start des Regelbetriebes von SAPOS Brandenburg im
Juni 2001 durch Innenminister Jörg Schönbohm
ermessung Brandenburg 1/2021
35
Zentrale Stelle SAPOS®, Ntrip-Caster und
GLONASS
Abb. 8: Antenne Leica 504 GG
Mit der Einrichtung der Zentralen Stelle SAPOS®
im Jahr 2003 begann der Datenaustausch der
Bundesländer untereinander und damit die länderübergreifende Vernetzung. Die Einbeziehung
der benachbarten Referenzstationen stellte die
Berechnung der FKP bis zur Landesgrenze sicher. Die Zentrale Stelle SAPOS® agiert seither
erfolgreich als zentraler Ansprechpartner für länderübergreifend oder bundesweit tätige Kunden.
Eingerichtet ist die zentrale Stelle SAPOS® beim
Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen (LGLN) [4].
Ein ISDN-Backup von der Potsdamer Zentrale
der Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg (LGB) zu den Referenzstationen gab es von 2002 bis 2019, als die deutsche
Telekom das ISDN einstellte.
Abb. 9: Receiver Topcon NET-G3
Abb. 10:
Antennenkalibrierung
am Roboter der
Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung und
Wohnen Berlin
36
ermessung Brandenburg 1/2021
Die LGB ersetzte ab 2003 die Datenabgabe an
den Referenzstationen durch die zentrale Datenbereitstellung via ISDN/GSM und Internet.
Letzteres wird seit 2005 durch das vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG)
entwickelte Ntrip [5] möglich, welches die Korrekturdaten ähnlich einem Internetradio abgibt.
Seit 2018 erfolgte die Abkehr von ISDN und
GSM (GSM-CSD bis Ende 2020). Während die
Anzahl gleichzeitiger Nutzer bei der Einwahl in
das ISDN am Datenserver begrenzt war – ein
Primärmultiplexanschluss erlaubte 30 parallele
Anrufe –, ist die Datenabgabe mit Ntrip lediglich
durch die Dimension des Internetanschlusses
und die Software begrenzt. Nach einer Mitnutzung des Ntrip-Casters in Niedersachsen von
2005 bis 2010 hat die LGB in Frankfurt (Oder)
den ersten eigenen Caster eingerichtet. Im
Land Brandenburg besteht seitdem die Möglichkeit, mindestens 700 Nutzer gleichzeitig zu
bedienen.
Nach diesen Veränderungen der zentralen
SAPOS®-Technik der LGB stand nun die Erneuerung der Empfangstechnik auf den Referenzstationen an und damit auch die Integration des
russischen Navigationssatellitensystems GLONASS.
2006 hat die LGB fünf neue Empfänger
GRX1200GGPro und Antennen 504 GG der Firma Leica (Abb. 8) beschafft, um die gleichzeitige
Verwendung der Navigationssatellitensysteme
GPS und GLONASS in SAPOS® zu verifizie-
ren. Basierend auf den Tests in verschiedenen
Bundesländern und der Empfehlung der AdVProjektgruppe GPS-GLONASS-Galileo hat der
Arbeitskreis Raumbezug der AdV im Juni 2007
einen Beschluss zur Ausrüstung aller SAPOS®Referenzstationen mit Empfangstechnik für
GPS und GLONASS (2G) bis zum 01.01.2009
gefasst. Mit der Beschaffung von weiteren 16
Empfängern Topcon NET-G3 und den zugehörigen Antennen hat die LGB diesen Beschluss bis
Februar 2008 umgesetzt.
Zudem wurden die Antennen nun azimut- und
elevationsabhängig absolut kalibriert. Diese
Schritte führten zu einer verbesserten Qualität
der Positionierung.
Polnische Stationen, letzter Lückenschluss
und RTCM 3
Im Jahr 2008 konnten schließlich die benachbarten Referenzstationen des polnischen Betreibers ASG-EUPOS in die Netzausgleichung
eingeführt werden. Und auch umgekehrt werden
die SAPOS®-Daten aus Deutschland in allen
umliegenden Staaten genutzt. Der Austausch
geschieht in aller Regel über die Zentrale Stelle
SAPOS®.
Die GNSS-Technik wurde vollständig netzwerkfähig. Zu dieser Zeit etablierte sich der Begriff
„Fühlerstation“, d. h. der GNSS-Empfänger
wurde der Sensor, der alle Daten empfangen,
verarbeiten und weiterleiten kann, die auf der
Referenzstation gemessen werden, z. B. auch
Wetterdaten. Die Anzahl der Geräte in den Netzwerkschränken an den Referenzstationen sank
stetig. Dagegen stieg die Datenverfügbarkeit
durch den Wegfall potenzieller Ausfallursachen.
So summierte sich die Ausfallzeit von einzelnen
Referenzstation im Land Brandenburg im Jahr
2007 noch auf 35 Tage, betrug 2008 noch 14
Tage und 2009 nur noch einen Tag. 2020 lag die
Verfügbarkeit der Dienste HEPS und GPPS bei
99,8 % bzw. 99,9 %.
Im Osten Brandenburgs konnten 2013 zwei letzte Lücken in der Flächendeckung geschlossen
werden. Neu war dabei, dass die Planung der
Referenzstationen mit den polnischen Kollegen
abgestimmt wurde. So wurde eine Station östlich des Oderbruchs und die andere in Guben
errichtet.
Im selben Jahr hat die LGB neben der zentralen
SAPOS®-Technik in Potsdam weitere SAPOS®Technik in Frankfurt (Oder) aufgebaut, um für
mehr Redundanz und Ausfallsicherheit zu sorgen. Heutzutage wird die Arbeit von wenigen
virtuellen Maschinen geleistet, die sich in den
IT-Serviceräumen der LGB befinden.
Ab dem Jahr 2014 konnten mit der Einführung
des Datenformates RTCM 3 auch Transformationsnachrichten im HEPS ausgesendet
werden. In Brandenburg erhalten die Nutzer
seitdem Höhen im amtlichen System und müssen kein Geoid-Modell mehr auf ihrem Rover
installieren.
Mit der Einführung des einheitlichen integrierten geodätischen Raumbezugs in Deutschland – ETRS89/DREF91 (Realisierung 2016),
DHHN2016 und DHSN2016 – setzte sich in
der Vermessungsverwaltung eine ganzheitliche Betrachtungsweise der bislang getrenn-
Abb. 11:
Ehemalige
SAPOS-Technikzentrale
in der LGB Potsdam
im Jahr 2010
ermessung Brandenburg 1/2021
37
ten geometrisch und physikalisch definierten
Komponenten durch. Die deutlich verbesserten Genauigkeiten des Deutschen Haupthöhennetzes DHHN2016 und des Quasigeoids
GCG2016 ermöglichten gleichzeitig einen
Qualitätssprung in der Anwendung der GNSSMesstechnik mittels SAPOS®, insbesondere
für die Bestimmung der Normalhöhe als Gebrauchshöhe.
GPPS-PrO, Galileo und BeiDou
Um den Nutzern zusätzlich zu GPS und GLONASS auch Korrekturdaten für die Navigationssatellitensysteme Galileo und BeiDou anbieten
zu können, stand die nächste Erneuerung der
Empfangstechnik ins Haus. Seit 2017 sind die
Referenzstationen für den Empfang dieser Satellitensysteme ausgerüstet. Hinsichtlich der
Hersteller zeigt sich in Brandenburg ein heterogenes Bild; es sind Geräte von Topcon, Leica
und Septentrio im Einsatz.
2019 wurde GPPS um eine Dienststufe erweitert. Neben dem Abruf von RINEX-Daten physischer und virtueller Referenzstationen können
die Kunden seitdem auch den Berechnungsdienst GPPS-PrO nutzen. Mit diesem Dienst
werden aus RINEX-Daten die Koordinaten eines Neupunktes berechnet und dem Nutzer per
E-Mail zugesandt.
Während seit 2018 GPS, GLONASS, Galileo
und BeiDou als Rohdaten über die Zentrale
Stelle SAPOS® bereitgestellt werden, dauerte
es noch etwas länger, bis auch die Nutzer im
Land Brandenburg mit den vier GNSS versorgt
werden konnten. Seit März 2020 nutzt SAPOS®
Brandenburg neben den Navigationssatellitensystemen GPS und GLONASS auch das europäische Galileo und das chinesische Beidou für
die Datenbereitstellung im Echtzeitdienst und
seit Beginn 2021 auch für die aufgezeichneten
RINEX-Daten.
Aufbau von zwei Bodenstationen
Seit mehr als einem Jahrzehnt wird die Qualität
der SAPOS®-Daten in verschiedenen Monitorings überprüft. Anhand der langen Zeitreihen
wurden an manchen Referenzstationen jahreszeitliche Effekte festgestellt. Diese Lageschwankungen ließen sich durch physikalische
Einflüsse an den Gebäuden erklären und veranlassten die LGB zum Verlegen der Stationen.
Auch durch andere Rahmenbedingungen, wie
38
ermessung Brandenburg 1/2021
Abb. 12: Bodenvermarkte Referenzstation in Brandenburg
an der Havel
geplanter Abriss oder Kernsanierung von Gebäuden, mussten Verlegungen von Referenzstationen vorgenommen werden. Die beiden
jüngsten Referenzstationen wurden nach dem
neuesten Stand der Erkenntnisse mit bodenvermarkten Antennen aufgebaut. Die Station Templin wurde am 13.06.2019 in Betrieb genommen
und die Station Brandenburg an der Havel folgte
am 01.09.2020 (Abb. 12) [6].
Kostenfreie Nutzung SAPOS® Brandenburg
Seit Januar 2020 gilt Open Data auch für SAPOS® Brandenburg umfänglich. Damit können
sämtliche SAPOS®-Dienste nach vorheriger Anmeldung kostenfrei genutzt werden. Dies verlieh
der Nachfrage einen neuen Schub, insbesondere
bei der Nutzergruppe der Landwirte (Abb. 13, 14).
Seit den Anfangszeiten von SAPOS® hat sich
das Augenmerk der Nutzer immer mehr auf die
Echtzeitdienste verlagert, die heute ungefähr
90 % der abgerufenen Datenmenge ausmachen. Die Homepage der LGB bietet einen Überblick über den SAPOS®-Dienst in Brandenburg
mit entsprechenden Zugangsinformationen [7].
Die Umstellung auf die kostenfreie Nutzung des
SAPOS®-Dienstes bedeutete keinen Verlust an
Qualität und Service. Die LGB bietet denselben
hohen Standard an Service und Beratung für
Nutzer an wie vorher.
Abb. 13:
Vergleich der
SAPOS-Nutzung 2019
und 2020 in Brandenburg
Datenabruf in
Datenabruf
in Minuten
Minuten
1.800.000
1.800.000
1.600.000
1.600.000
1.400.000
1.400.000
1.200.000
1.200.000
1.000.000
1.000.000
800.000
800.000
600.000
600.000
400.000
400.000
200.000
200.000 0
0
2019
2020
2019
2020
Datenabruf in Minuten 2020 nach Nutzergruppen
1.400.000
1.200.000
1.000.000
800.000
600.000
400.000
200.000
0
Jan
Feb
März
April
Mai
Juni
Juli
Aug
Sept
Okt
Nov
Dez
165.971
219.625
401.679
455.327
226.725
266.927
287.189
270.287
310.300
264.966
312.265
448.091
1.461
214.387
320.157
277.107
546.321
816.170
1.239.0
1.110.0
485.260
274.878
0
0
Andere
Landwirtschaft
Abb. 14: Entwicklung der Nachfrage SAPOS in der Landwirtschaft in Brandenburg
Qualitätsmanagement
Zur optimalen Überwachung der Bereitstellung
des Raumbezugs haben die SAPOS®-Betreiber
der Bundesländer ein Qualitätsmanagement mit
zugehörigem Sicherungssystem aufgebaut. Die
Grundlagen dafür bilden neben einer einheitli-
chen SAPOS®-Produktdefinition auch internationale Standards zum Betrieb des Dienstes und
zur Abgabe der Daten. Neben der qualitativen
Beurteilung der Referenzstationen als Träger
der amtlichen Koordinaten stehen Kennzahlen
zur Steuerung der SAPOS®-Dienste und zur
Einschätzung der Nutzerresonanz im Fokus des
ermessung Brandenburg 1/2021
39
SAPOS®-Qualitätsmanagements. Ebenso werden die Qualität der Echtzeit-Datenströme und
die Langzeitverfügbarkeit von RINEX-Daten als
Gütekriterium beurteilt.
Die AdV-Projektgruppe
SAPOS®-Qualitäts
management hat seit 2007 aus den Qualitätsmaßnahmen der Länder sieben bundesweit einheitliche Statistiken erarbeitet, die regelmäßig
aktualisiert werden. Sie erstellt jährlich einen
SAPOS®-Qualitätsbericht und die Bestandsaufnahme SAPOS®. Anlassbezogen wird die
Produktdefinition SAPOS® aktualisiert. Auf der
Homepage der AdV sind die Dokumente und
Statistiken umfassend für interne Zwecke und in
ausgewählter Form für die externe Nutzung zugänglich [8].
Die Qualität des SAPOS® wird durch seine Verfügbarkeit und die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Ergebnisse gemessen. Die LGB möchte
sicherstellen, dass die Referenzstationspunkte
stabil und gut geeignet sind und die angebotenen Dienste die Anforderungen erfüllen. Seit
Beginn des Pilotprojekts SAPOS® im Jahr 1995
werden alle Bestandteile der Referenzstationen
und der zentralen Technik erfasst sowie Änderungen und beobachtete Ereignisse dokumentiert. Dies erfolgte zunächst auf analogem Wege.
Heute nutzt die LGB dafür ein SAPOS®Wiki,
welches die Ausstattung der Referenzstationen,
ihre Koordinaten, die Netzwerk- und Standortinformationen und die Rechnerstruktur der
SAPOS®-Technikzentralen in Frankfurt (Oder)
und Potsdam umfasst.
In „täglicher Wartung“ hält die LGB die erste
Inaugenscheinnahme und alle weiteren Ereignisse des Tages fest. Ebenso werden sämtliche
Nutzerkontakte dokumentiert. Regelmäßige
Auswertungen helfen, auf Betreiberseite die
Hardware und das Betriebssystem sowie die
Referenzstationssoftware und den Datentransfer im Landesverwaltungsnetz den Anforderungen anzupassen. Auch für die Nutzer können
daraus Hinweise abgeleitet werden. Die LGB
stellt auf ihrer Homepage aktuelle SAPOS®Qualitätsinformationen für die Nutzer zur Verfügung [9].
Ausblick
Die Entwicklung von SAPOS® ist noch längst
nicht abgeschlossen. SAPOS® Brandenburg
ist auch künftig bestrebt, den technischen Fortschritt und neue Verfahren im bundesweiten
40
ermessung Brandenburg 1/2021
AdV-Rahmen bestmöglich in die Praxis umzusetzen, verbunden mit einem wirksamen Qualitätsmanagement und hoher Servicequalität.
Bei alledem steht der Nutzer im Mittelpunkt des
Geschehens.
Auf jeden Fall hält auch das nächste Jahrzehnt
eine Menge an Innovationen bereit!
Quellen:
[1] Global Navigation Satellite System – unter GNSS werden aktuell die satellitengestützten global nutzbaren Navigations- und
Positionierungssysteme GPS, GLONASS,
Galileo und Beidou zusammengefasst.
[2] Receiver Independent Exchange Format
[3] Radio Technical Commission für Maritime
Services
[4] https://zentrale-stelle-sapos.de
[5] Networked Transport of RTCM via Internet
Protocol
[6] Mathias Meißies: Zweite bodenvermarkte
SAPOS-Referenzstation in Brandenburg in
Betrieb, Vermessung Brandenburg 2/2020,
S. 74 – 76
[7] https://geobasis-bb.de/lgb/de/geodaten/
raumbezug-sapos/
[8] http://www.adv-online.de/Startseite/
[9] https://geobasis-bb.de/lgb/de/geodaten/
raumbezug-sapos/sapos-monitoring/
Petra Wagenführ
Jörg Rubach
Staffelde im Tausch gegen die „spitze Nase“
Zu geschichtlichen Hintergründen der Festlegung
der Festlandabschnitte der deutsch-polnischen
Grenze in den Jahren 1945 bis 1951
Seit 2011 arbeiten die Vermessungsverwaltungen der Bundesländer Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern
an der Umsetzung des „Vertrags zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und der
Republik Polen über die Vermarkung und
Instandhaltung der gemeinsamen Grenze
auf den Festlandabschnitten sowie den
Grenzgewässern und die Einsetzung einer Ständigen Deutsch-Polnischen Grenzkommission“. Während die Kolleginnen
und Kollegen aus Brandenburg und Sachsen ihre Arbeiten wie selbstverständlich auf die Grenze in Oder (Talweg) und
Neiße (Mittellinie) und deren Markierung
durch Grenzsäulen konzentrieren, gilt
das für das nördliche Brandenburg und
einen Großteil der polnischen Grenze zu
Mecklenburg-Vorpommern nicht. Hier verläuft die Staatsgrenze überwiegend über
Land, teilweise durch unübersichtliches
Gelände, dass man manchmal glauben
mag, dort käme freiwillig nur jemand hin,
wenn er sich um die Grenzeinrichtungen
kümmern muss. Da stellt sich bei den Betroffenen die Frage nach dem Warum. Die
Antwort findet sich in einem spannenden
Exkurs in die Geschichte nach 1945.
„Gelernten“ DDR-Bürgern ist die „Oder-NeißeFriedensgrenze“ ein Begriff. Damit wurde die
im Ergebnis des Zweiten Weltkriegs gebildete
Staatsgrenze zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Republik Polen im
sozialistischen Sprachgebrauch bezeichnet. Im
ersten (!) außenpolitischen Akt des wiedervereinigten Deutschlands ist dieser Grenzverlauf
auch von der Bundesrepublik Deutschland anerkannt worden. Hierzu unterzeichneten Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und
sein polnischer Amtskollege Krzysztof Skubiszewski am 14. November 1990 in Warschau den
deutsch-polnischen Grenzvertrag.
Die Festlegung, dass die Grenze zwischen
Deutschland und Polen nach dem Zweiten
Weltkrieg entlang von Oder und Neiße verlau-
fen soll, ist im Februar 1945 im Abkommen von
Jalta erstmalig formuliert und im Potsdamer
Abkommen im August 1945 festgeschrieben
worden. So vereinbarten Winston Churchill,
Theodor Roosevelt und Josef Stalin für die alliierten Siegermächte Großbritannien, USA und
Sowjetunion verbindlich: „Die Häupter der drei
Regierungen stimmen darin überein, dass bis
zur endgültigen Festlegung der Westgrenze Polens die früher deutschen Gebiete östlich der Linie, die von der Ostsee unmittelbar westlich von
Swinemünde und von dort die Oder entlang bis
zur Einmündung der westlichen Neiße und die
westliche Neiße entlang bis zur tschechoslowakischen Grenze verläuft ... .“
Nimmt man eine Karte zur Hand, stellt man
schnell fest, dass der heutige Grenzverlauf im
nördlichen Teilabschnitt von der Festlegung im
Potsdamer Abkommen abweicht. Insbesondere
würde Stettin, Hauptstadt der preußischen Provinz Pommern mit einst 380 000 Einwohnern,
zu Deutschland bzw. zur 1945 gebildeten sowjetischen Besatzungszone, der späteren DDR,
gehören.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs setzte
sich Stalin aus eigenen machtpolitischen Erwägungen über die Festlegung der Alliierten hinweg und gab Stettin in polnische Hände. Dies
war natürlich ein Affront gegen die USA und
Großbritannien, die aber wegen dieser Angelegenheit keinen neuen militärischen Konflikt
riskieren wollten. An dieser Stelle soll nur auf
die umfangreich zu diesem Thema verfügbare Literatur, z. B. auf das Buch „MecklenburgVorpommern, die Stadt Stettin ausgenommen“,
von Bernd Aischmann, Journalist und mehrere
Jahre Vize-Regierungssprecher im Land Brandenburg, verwiesen werden. Wenn es nach der
polnischen Seite gegangen wäre, hätten auch
Usedom und Rügen nach dem Sieg über Hitler an Polen gehen sollen. Nach Aischmann,
der sich auf polnische Teilnehmer der Verhandlungsrunde beruft, sei Stalin bei der Frage nach
Rügen an die Landkarte gegangen, habe seine
Brille aufgesetzt und geantwortet, dass „wir sie
ermessung Brandenburg 1/2021
41
wahrscheinlich nach dem Dritten Weltkrieg erobern können, jetzt ist das nicht möglich.“ [1]
Am 5. Juni 1945 übergab die Sowjetunion – fünf
Tage nach dem Abzug der Briten aus Schwerin
– Stettin an die polnische Verwaltung. Aus Stettin wurde Szczecin. Der letzte Stettiner Oberbürgermeister, Erich Wiesner, wechselte nach
Schwerin, wurde dort ebenfalls Chef der Stadtverwaltung und später Redakteur und Parteisekretär der Schweriner Volkszeitung. [1]
Natürlich konnte Stettin nicht aus der direkten
Umgebung herausgelöst in polnische Hände
gegeben werden. Um die Lebensfähigkeit der
Stadt zu erhalten, übergab die Sowjetunion
auch den halben damaligen Kreis Randow an
Polen. Der vom Potsdamer Vertrag abweichende Grenzverlauf wurde am 21. September 1945
durch den Schweriner Grenzvertrag besiegelt.
Dabei ging alles sehr schnell. Am 19. September 1945 wurde dem polnischen Bevollmächtigten der Volksrepublik Polen, Leonard Borkowicz, und dem Präsidenten der Stadt Stettin,
Piotr Zaremba, in Berlin durch den Generalstabschef der Roten Armee der Sowjetunion,
Marschall Georgi Konstantinowitsch Schukow,
eine eigens für diesen Zweck aus Moskau herbeigeschaffte Landkarte im Maßstab 1 : 500 000
übergeben, die den Stettiner Zipfel nun nach
Polen verschob. Am 20. September 1945 wurde der Grenzverlauf von sowjetischen Topographen der sowjetischen Delegation in Anwesenheit polnischer Delegierter in Greifswald in eine
Stabskarte 1 : 100 000 übertragen. Bei einer
Ortsbesichtigung am Nachmittag wurden nur
geringe Korrekturen durchgeführt. [2]
Der Schweriner Grenzvertrag ist in russischer
Sprache verfasst, ihm wurde noch eine polnische Übersetzung beigefügt. Der Übergang
des Territoriums wurde auf den 4. Oktober 1945
festgelegt. [2]
Aus diesen Ausführungen wird ersichtlich, dass
die deutsche Seite nicht mit am Verhandlungstisch saß. Es ist überliefert, dass Wilhelm Pieck,
damals Vorsitzender der KPD und späterer Präsident der DDR, sehr verärgert über diese Entwicklung war. Obwohl es von vornherein ausgeschlossen war, gegen die Festlegung aus Moskau
aufzubegehren, tat man sich in der Sowjetischen
Besatzungszone und auch nach Gründung der
DDR am 7. Oktober 1949 schwer, den Grenzverlauf von deutscher Seite anzunehmen. Das ist
auch ein Grund, warum es von der Festlegung
42
ermessung Brandenburg 1/2021
des Grenzverlaufs im Jahr 1945 bis zum Abkommen zwischen der Deutschen Demokratischen
Republik und der Republik Polen über die Markierung der festgelegten und bestehenden deutschpolnischen Staatsgrenze am 6. Juli 1950 (Vertrag
von Zgorzelec) so lange gedauert hat.
Zu der im Potsdamer Abkommen mit der Formulierung: „… bis zur endgültigen Festlegung der
Westgrenze …“ beabsichtigten Friedenskonferenz mit Deutschland kam es übrigens nicht. Allgemein wurde diese Friedenskonferenz für 1947
bzw. 1948 erwartet. Allerdings scheiterten die
vorbereitenden Beratungen der Außenminister
der USA, der Sowjetunion, Großbritanniens und
Frankreichs sowohl im März / April 1947 in Moskau und als auch dann endgültig im Dezember
1947 in London am beginnenden Kalten Krieg.
Für die Trennlinie zwischen Deutschland und
Polen bedeutete dies: Das Potsdamer Provisorium, ergänzt um die Vereinbarungen von Schwerin am 21. September 1945, verstetigte sich zu
einem nicht veränderbaren Dauerzustand. [3]
Ein weiteres Kapitel in dieser spannenden Geschichte fehlt aber noch.
Im September 1950 nahm die Gemischte DeutschPolnische Kommission für die Markierung der
Staatsgrenze zwischen Deutschland und Polen
(Grenzmarkierungskommission) ihre Arbeit auf.
In ihrem Ende 1950 vorgelegten „Bericht über die
vollzogene Unterzeichnung des Aktes betr. die
Markierung der Staatsgrenze zwischen Deutschland und Polen“ wird von der polnischen Seite
der Grenzmarkierungskommission die grundsätzliche Abweichung des Grenzverlaufes westlich
von Świnoujście (Swinemünde) in der Größe von
150 ha beantragt. Hintergrund war, dass das für
die Bevölkerung von Świnoujście dienende Wasserwerk sonst auf deutscher Seite liegen würde. Am 19. Januar 1951 wurde in Szczecin das
Schlussprotokoll der Grenzmarkierungskommission unterschrieben, nach dem nunmehr um das
Wasserwerk eine „spitzen Nase“ (Abb. 1) gezogen wurde, wodurch ca. 75 ha Land von der DDR
auf Polen übergehen würden. [4]
Am 11. Juni 1951 einigten sich für die Volksrepublik Polen der Gaubeamte Felix Kazmierczak, für die DDR der Volkspolizist Horst Weirandt
sowie der Vertreter der Sowjetischen Kontrollkommission Gennadi Filippow in dem Übergabeprotokoll über den Verlauf der Grenze beim
Wasserwerk von Swinemünde, wodurch dieses
mitsamt einem überwiegend bewaldeten Ge-
Abb. 1: Planzeichnung zum zukünftigen Grenzverlauf (Ausschnitt) aus der Spätphase der Verhandlungen zwischen
der DDR und Polen mit der „spitzen Nase“. Zusätzlich eingefügt als gestrichelte Linie ist in dieser Wiedergabe die von
1945 bis Juni 1951 praktizierte Demarkationslinie, entnommen aus [3] Seite 86
bietszipfel (in Polen auch „Sack“ (pl. worek) genannt) von der DDR an Polen übertragen wurde. [4]
Quellen:
Als Kompensation wurde der DDR von Polen
ein Gebiet entsprechender Größe an der Oder
im Bereich Staffelde (heute Land Brandenburg)
übertragen. Staffelde ist somit die einzige Ortschaft, die nach vorübergehender polnischer
Verwaltung zwischen 1945 und 1951 wieder
deutsch wurde. [5]
[2] Wikipedia, Schweriner Grenzvertrag
In diesen Jahren war Staffelde Niemandsland
und nicht bewohnt. Erst nach der Anerkennung
der Oder-Neiße Grenze 1950 durch die DDR
und Festlegung vom genauen Grenzverlauf
1951 kehrten die Einwohner in den Ort zurück.
Nach der DDR-Kreisreform 1950 kam der Ort
zum Kreis Angermünde. [6]
Heute ist Staffelde Ortsteil der Gemeinde Mescherin im Landkreis Uckermark (Abb. 2, S. 44).
[1] Schweriner Volkszeitung vom 20.09.2010, S. 3
[3] Aischmann, Bernd: Die Entstehung der Grenze auf der Insel Usedom 1945 bis 1951, Tagungsband zur Tagung „Zwischen Usedom
und Uznam – Geschichte, Gegenwart und
Perspektiven einer Grenze“ vom 14. bis 16.
Oktober 2011 in Kamminke/ Insel Usedom
[4] Wikipedia, Wasserwerk Świnoujście
[5] Wikipedia, Staffelde (Mescherin)
[6] https://www.uckermark-region.de/gartz/
staffelde.htm
Dr.-Ing. Jörg Rubach
Landesamt für innere Verwaltung
Mecklenburg-Vorpommern
joerg.rubach@laiv-mv.de
ermessung Brandenburg 1/2021
43
Abb. 2:
44
Ausschnitt aus der Topographischen Karte 1:25 000, Blatt 2752 Gartz (Oder), LGB (2008)
ermessung Brandenburg 1/2021
Judith Killiches
Der lange Weg zur besseren Qualität
Kann das Verfahren zur Qualitätsverbesserung im Liegenschaftskataster (QL) die
Durchführung von Liegenschaftsvermessungen beschleunigen und die Zuverlässigkeit der ALKIS-Daten erhöhen? In Anbetracht des erheblichen Personaleinsatzes
für das Thema muss diese Sinnfrage gestellt werden. Für die Katasterbehörde
des Landkreises Dahme-Spreewald ist die
Antwort ein klares Ja. Der folgende Erfahrungsbericht soll die Entwicklung und die
aktuellen Erkenntnisse mit der Qualitätsverbesserung des Liegenschaftskatasters
im Landkreis Dahme-Spreewald widerspiegeln.
Die Anfänge nach 1989
Mit der Maueröffnung 1989, insbesondere
mit der Währungsunion am 1. Juli 1990 und
dem Beitritt der DDR zum Wirtschaftssystem
der Bundesrepublik Deutschland begann ein
ungeahnter Run auf die Liegenschaften des
Beitrittsgebietes. Dem Ansturm von Bauwilligen, Rückübertragungsinteressenten und
Investoren waren die Grundbuchämter und
Liegenschaftsdienste in den Bezirken kaum
gewachsen. Zumal die Unterlagen des Liegenschaftsdienstes wie Flurkarten, Flurbücher und Mutterrollen ausnahmslos analog
vorlagen. Die Liegenschaftskarten wurden
überwiegend in historischen Maßstäben aus
der Entstehung, meist im Maßstab 1 : 3 000
(Maßstäbe von 1 : 1 000 bis 1 : 5 000) auf Kartostat (PVC-Folien) geführt. Die Fortführung
erfolgte mit Tusche, Ziehfeder und Skribent
per Handkartierung. Welche Kraftanstrengungen die Mitarbeiter/-innen im Liegenschaftsdienst und ab 1990 in der Folge die Katasterund Vermessungsämter erbrachten, lässt sich
heute im digitalen Zeitalter kaum ermessen.
Nicht selten kam es beispielsweise vor, dass
Antragsteller mit einem Kopiergerät anreisten, um die ersehnten Kopien aus dem Liegenschaftskataster umgehend mitnehmen zu
können. Die Fortführer/-innen waren glücklich,
als die ersten Schablonen für Signaturen beschafft wurden und Tuschezeichner in festen
Linienbreiten geliefert wurden. So waren die
ersten Aufgaben zur Gewährleistung von Qualitätsarbeit neben der Schaffung gesetzlicher
Grundlagen vor allem die Einstellung von Personal und Beschaffung von Technik.
Nach den ersten „wilden Nachwendejahren“ war
trotz unvermindert hohem Antragsstau allen Beteiligten im Liegenschaftskataster klar, dass ein
„weiter so“ mit den analogen Karten nicht wirtschaftlich und zeitgemäß ist. Bereits mit dem ersten Gesetz über die Landesvermessung und das
Liegenschaftskataster vom 28. November 1991
wurden dazu wegweisende Festlegungen getroffen. So war unter § 10 (Zweck) Absatz (2) festgeschrieben: “Die Einrichtung und Fortführung des
Liegenschaftskatasters sowie seine Weiterentwicklung sind so zu gestalten, dass es den Anforderungen des Rechtsverkehrs, der Verwaltung
und der Wirtschaft an ein öffentliches raumbezogenes Basisinformationssystem im Sinne des
§ 1 (5) gerecht wird.“ Darin hieß es weiter: “Seine Daten sollen von Stellen des Landes und der
Kommunen für raum- und grundstücksbezogene
Informationssysteme, Datensammlungen, Entscheidungen und Maßnahmen als geometrische
Basisdaten verwendet werden.“
Dazu waren die analogen Karten, in denen der
Gebäudebestand nahezu vollständig fehlte, nur
in sehr begrenztem Maße geeignet (Abb. 1).
Beispielsweise wurden Innenbereichssatzungen und Bebauungspläne auf der Basis der
analogen Flurkarten erstellt, mit deren geometrischen Mängeln die Kommunen und Bauwilligen
teilweise bis heute umgehen müssen.
Das Liegenschaftsbuch wurde bereits 1994/1995
in das System ALB (Automatisiertes Liegenschaftsbuch) überführt. Grundlage dafür war die
Computergestützte Liegenschaftsdokumentation COLIDO, die bereits in den 1980er Jahren in
der DDR aufgebaut und zwischen 1991 bis 1993
um die Eigentümerdaten ergänzt wurde.
Wohl nur sehr wenige fantasiebegabte Berufskollegen konnten sich damals vorstellen, wie die
Unmenge an analogen Dokumenten den o.g.
Anforderungen jemals genügen könnte.
Für den Landkreis Dahme-Spreewald (LDS)
waren das ca. 1 140 Inselflurkarten inklusive
Beiblätter und ca. 130 Rahmenkarten der damaligen Kreisstädte Königs Wusterhausen,
Lübben und Luckau.
Wie innovativ und zukunftsweisend war damit das erste Vermessungsgesetz des Landes
Brandenburg. Um die sich daraus ergebende
ermessung Brandenburg 1/2021
45
Abb. 1: Auszug aus der Flurkarte Gemarkung Schönefeld, Flur 2 (1 : 3 000)
Vielzahl an Anforderungen zu bündeln, wurde
zusätzlich am 22. Dezember 1994 der erste
Prioritätenerlass für die Kataster- und Vermessungsarbeiten verabschiedet. Als vordringliche
Aufgaben wurden hier neben der Realisierung
des Mikrofilmgebrauchsarchivs, die Auflösung
der ungetrennten Hofräume und der Aufbau
der Automatisierten Liegenschaftskarte (ALK)
genannt. Mit diesen Arbeiten wurde 1995/1996
begonnen.
Die erste Flurkarte, welche in LDS in die digitale Welt überführt werden sollte, war die Flur
3 von Waltersdorf in der Gemeinde Schönefeld
(Abb. 2). Eines der ersten Einkaufszentren des
Landes Brandenburg war hier bereits entstanden. Die Flurkarte lag im Maßstab 1 : 5 000 vor
und wies eine Vielzahl von Nebenzeichnungen
46
ermessung Brandenburg 1/2021
und sogar ein Beiblatt auf. Die Nebenzeichnungen waren teilweise im Kartenmaßstab 1 : 5 000
kartiert und passten trotzdem nicht in die Kartenfläche des ursprünglichen Gebietes. Nach
den ersten deprimierenden Erfahrungen beim
Digitalisieren der Karte wurde die Flur 3 wegen
unlösbarer Spannungen und zahlreicher Widersprüche zunächst zurückgestellt und die Flur 4
von Waltersdorf digitalisiert. Diese lag im Maßstab 1 : 1 000 vor und beruhte auf einer Neuvermessung aus den Jahren 1933/34. Da gab es
schon eher ein Erfolgserlebnis.
In diesem Zeitraum wurden wir von den Ereignissen überrollt. Die Politik traf die Entscheidung
für den Bau eines Großflughafens in Schönefeld. Die Planunterlagen dafür waren mithilfe
topografischer Karten, die teilweise auf DDR-
Abb. 2: Analoge Flurkarte Waltersdorf Flur 3
Unterlagen beruhten und den besagten analogen Flurkarten zusammengestellt. Als diese
Planunterlagen mit aktuellen Luftbilddaten verschnitten wurden, stellte sich bald heraus, dass
sie für die Anforderung einer Flughafenplanung
vollkommen unzureichend waren. Einfaches
Beispiel war ein Waldflurstück, welches in den
Planunterlagen deutlich neben dem im Luftbild
erkennbaren Wald kartiert war. Wie sollte hier
eine Lösung aussehen?
Der deutsch-deutsche Wirtschafts- und Wissenstransfer und die Möglichkeiten, die sich für
alle Vermessungsbüros nach der Wende ergaben, erwiesen sich dabei als Motor und Segen.
Ein Ingenieurbüro, dass bereits am Flughafen
Schönefeld tätig war und eng mit verschiedenen ÖbVI aus Nordrhein-Westfalen zusammenarbeitete, entwickelte gemeinsam mit den
verantwortlichen Planern, dem Landesvermessungsamt und den beiden betroffenen Katasterund Vermessungsämtern Dahme-Spreewald
und Teltow-Fläming ein Konzept zur Erstellung
qualifizierter Planunterlagen, in dessen Ergebnis die Flurkarten in dem Gebiet als ALK geführt
werden konnten. Darauf aufbauend wurden, finanziert durch den Flughafen, flächendeckend
Befliegungen in hoher Qualität (mit Feldvergleich) durchgeführt, die den Gebäudebestand
und eine gute Aktualität der tatsächlichen Nutzung im Datenbestand gewährleisteten. Für die
Überführung der Flurkarten in die ALK wurde
eine Vielzahl kartenidentischer Grenzpunkte als
Passpunkte bestimmt. Zumindest in den Gebieten mit qualifiziertem Katasternachweis wurde,
mit wirtschaftlich vertretbarem Zeitaufwand,
weiteres Zahlenwerk berechnet und konnte den
Datenbestand stützen. Dass unter dem enormen Zeitdruck mit Projektbeginn 1996 bis zum
Zieltermin 2002 keine „Idealkarten“ entstanden, ist nachvollziehbar und dennoch bekam
die ALK-Erstellung in Dahme-Spreewald und
Teltow-Fläming damit einen ungeahnten Schub.
Die Planunterlagen für den BER konnten in
arbeitstauglicher Form und guter Qualität alle
Skeptiker des Projektes überzeugen.
ermessung Brandenburg 1/2021
47
Parallel dazu startete 2001 das Projekt „FALKE“
(Forcierte ALK-Einrichtung). Hierbei wurden mit
Fördermitteln der EU im verkürzten Verfahren die
analogen Liegenschaftskarten des Landes Brandenburg in den digitalen Nachweis der ALK überführt. Im Jahr 2006 sollte das Projekt abgeschlossen sein. Dieses ambitionierte Zeitfenster war für
einen Großteil der Fluren nur im vereinfachten
Verfahren, mittels verketteter Transformation der
Flurränder und Einpassung des Rasterbildes der
Flurkarten möglich. Darüber ist bereits an anderer Stelle ausführlich berichtet worden (z. B. Vermessung Brandenburg 1/2007, S. 15), insofern
wird nicht auf Details eingegangen. Nur so viel:
unter Beachtung der Erfahrungen mit der ersten
Karte im Maßstab 1 : 5 000 und den Ergebnissen
aus dem „Flughafen-Projekt“ entschlossen wir
uns, zusätzlich durch die Auftragnehmer weitere
flächenhaft verteilte Passpunkte bestimmen zu
lassen und Vermessungszahlenwerk in begrenztem Umfang einzuarbeiten. Mit der Einführung
der „Kostenordnung für die Datenerhebung zur
Forcierten Einrichtung der Automatisierten Liegenschaftskarte (FALKO)“ am 01.10.2002 konnte
durch die nun festgelegte ausschließliche Beauftragung von ÖbVI die Qualität der ALK-Erstellung
in Vergabeprojekten abgesichert werden.
Jahre der Erfahrung und Entwicklung
Die im Jahr 2013 erfolgte Zusammenführung
von ALK und ALB und die Einführung des Amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystems (ALKIS) machte die Datenstruktur modern
aber nicht genauer. Der Zeitdruck bis zur Einführung von ALKIS verhinderte in der Mehrheit
der Fälle eine tiefgreifende Analyse und die qualitative Bereinigung von Abweichungen.
Insbesondere bei der Übernahme von Vermessungsschriften zeigten sich die Schwächen der
digitalen Liegenschaftskarte. Nicht selten mussten pragmatische Lösungen gefunden werden,
um die Fortführung der Karte in einem akzeptablen Zeitrahmen zu gewährleisten. So wurden beispielsweise einzelne Grenzpunkte frei
schwebend ohne Bezug zu Flurstücksgrenzen
abgelegt, weil die Koordinaten der Messung
zwar zu einem Maß eines Risses, aber nicht zur
übrigen digitalisierten Nachbarschaft passten.
Bereits mit dem Prioritätenerlass II vom 22. Dezember 2006 wurde den genannten Problemen
Rechnung getragen und die geometrische Verbesserung der Liegenschaftskarte als eine der
vordringlichen Aufgaben den Katasterbehörden
48
ermessung Brandenburg 1/2021
aufgetragen. Mit dem Prioritätenerlass III vom 4.
Mai 2015 wurde diese Aufgabe fortgeschrieben.
Dazu waren nach vorheriger Qualitätsanalyse
durch die Katasterbehörden Zeitpläne aufzustellen. Es waren Gebiete festzulegen, in denen Fortführungen regelmäßig durch die geringe geometrische Qualität der Liegenschaftskarte erschwert
und verlangsamt werden. Diese sollen innerhalb
von zehn Jahren qualitativ verbessert werden. Im
LDS waren diese Flächen aus 1 063 Fluren auszuwählen. Der Zeitplan beginnt 2016, erstreckt
sich bis 2025 und soll außerdem das eingeplante
Personal enthalten. Seit 2006 hatten sich bereits
zwei Mitarbeiter/-innen in die Thematik eingearbeitet und erste Projekte abgeschlossen. Mit dem
nötigen Optimismus war im ersten Arbeitsplan
vorgesehen, ca. 85 Fluren zu bearbeiten. Neue
Kollegen wurden in das Projekt eingearbeitet, so
dass aktuell im Projektteam insgesamt 4,4 Vollbeschäftigteneinheiten (VbE) tätig sind.
Die Festlegung zur Software als Landeslösung
erfolgte als Kombination SYSTRA/KIVID. Ein
Leitfaden, wie die Daten zu erfassen sind, das
Ablaufschema mit festgelegten Arbeitsschritten,
wurde 2015 erstmalig durch die Praktiker der Katasterbehörde im Landkreis Oder-Spree (LOS)
erarbeitet. Die QL-Datenbank wurde für jeden
Landkreis bereitgestellt, in welcher die Projekte
nach einem vorgegebenen Duktus abzulegen
sind. Letztere ermöglicht die erneute Nutzung
der Projektdaten bzw. eine Erweiterung bei Teiloder angrenzenden Projekten. Das war eine
wichtige Entscheidung für die langfristige Nutzung der Projektdaten und des flächenhaft erfassten Katasterzahlenwerkes. Die Einarbeitung
in die Software, die Abläufe und das Verständnis
für das Zusammenspiel des historischen Zahlenwerks ist ein längerer Prozess, der für Neulinge
mit ein bis zwei Jahren bemessen werden muss.
Erst nach dieser Zeit und der Bearbeitung von
mehreren Klein-QL-Projekten ist eine stabile
Selbstständigkeit bei der Bearbeitung von Projekten zu erreichen. Optimale Voraussetzungen
für diese Tätigkeiten sind Erfahrungen mit Liegenschaftsvermessungen, Freude an Berechnungsarbeiten und analytisches Denkvermögen.
QL nimmt Fahrt auf
Die Katasterbehörde Dahme-Spreewald übernimmt jährlich im Mittel ca. 1 900 Vermessungsschriften in das Liegenschaftskataster. Bei der
Übernahme wirkt sich in Einzelfällen der antragsbezogene Ansatz der Liegenschaftsver-
messungen nachteilig aus. Der Punktidentitätsnachweis stellt zwar den Katasternachweis
dem Vermessungsergebnis aller zur Grenzuntersuchung herangezogenen Objektpunkte gegenüber, Widersprüche im Zahlennachweis zu
einzelnen Maßen sind jedoch nicht zwingend
aufzuführen. Das würde erheblich mehr Aufwand z. B. weitere Grenzuntersuchungen nach
sich ziehen und so wird die Messung „passend“
eingereicht. Der Bezug zur Entstehungsmessung wird außer Acht gelassen, da vielleicht
schon amtliche Koordinaten vorhanden sind.
Spätestens bei der QL-Bearbeitung fallen diese
Mängel auf.
Zur Gewährleistung eines zeitnahen Abschlusses der Übernahme hat sich daher folgende
Arbeitsweise entwickelt: Liegenschaftsvermessungen mit Koordinatenabweichungen zum
Datenbestand unter 1 m werden direkt in der
EQK bearbeitet und homogenisiert. Bei Koordinatendifferenzen über 1 m werden die Daten an
das QL-Team abgegeben und die Einarbeitung
erfolgt vor der endgültigen Übernahme mit SYSTRA unter Einbeziehung der nachbarschaftlichen geometrischen Bedingungen und weiteren
Zahlenwerks. Das sind ca. 8 bis 10 % aller Liegenschaftsvermessungen. Die zweite Teilaufgabe im QL-Team sind die sogenannten KleinQL-Projekte wie diese von Thomas Günther in
Vermessung Brandenburg 2/2020 beschrieben
wurden. Der größte Anteil der Kollegen im QLTeam ist in der Projektbearbeitung nach dem
QL-Arbeitsplan eingesetzt.
diniert und die nach Westen und Norden angrenzenden Flurstücke ebenfalls. Also sollte
das Problem lösbar sein. Für das Flurstück 472
lag nur die Reinkarte im Maßstab 1 : 5 000 vor.
Nachdem das gesamte Zahlenwerk inklusive
Digitalisierung der Reinkarte erfasst und berücksichtigt wurde, ergab sich die Karte wie in
Abbildung 4.
Abb. 3: Kartenauszug der Gemeinde
Die Klein-QL-Projekte eignen sich gut, um neue
Mitarbeiter/-innen einzuarbeiten. Sie sind in ihrer Ausdehnung meistens überschaubar, die
Widersprüche auch und der Bearbeitungsablauf
wird geübt.
Ein derartiges „Einarbeitungsprojekt“ wurde
kürz
lich von einem neuen Kollegen bearbeitet. Der in Abbildung 3 folgende Kartenauszug
wurde von einem Mitarbeiter der gemeindlichen Liegenschaftsverwaltung übersandt mit
dem Hinweis: „Am Flurstück 472 ist die Liegenschaftskarte nicht richtig, die Straße ist zu breit
und das Gebäude steht auf der Straße.“
Das vorhandene Zahlenwerk auch der angrenzenden Flurstücke wurde im QL-Verfahren
erfasst und entsprechend ausgeglichen. Das
Flurstück selbst war nie vermessen worden.
Die gegenüberliegende Straßenseite war vermessungstechnisch gut bestimmt und koor-
Abb. 4: ALKIS nach der QL-Bearbeitung
Die Fragestellung der Gemeinde war damit nicht
gelöst und das Ergebnis infolgedessen eher unbefriedigend. Schlussfolgerung: wo kein qualifizierter Zahlennachweis vorhanden ist, können
keine Wunder erwartet werden. Hier kann nur
eine Liegenschaftsvermessung die Lösung bringen.
ermessung Brandenburg 1/2021
49
Kartenanalyse
Nach dem QL-Arbeitsplan wurden Fluren festgelegt, die möglichst vollständig zu bearbeiten
sind. Dabei war einiges an Lehrgeld zu bezahlen. Beispielweise wenn die Flur sehr groß
ist, viele Flurstücke enthält und eine Vielzahl
Fortführungsrisse vorhanden sind, kann die
Bearbeitung unübersichtlich und zeitlich unabsehbar sein, was den Bearbeiter frustriert und
den Prüfaufwand enorm erhöht. Inzwischen hat
sich gezeigt, dass eine Voranalyse der Flur von
Vorteil für die Bearbeitung ist. Welche geometrische Form hat die Flur? Wie viele vermessungstechnisch koordinierte Grenzpunktkoordinaten
in welcher Qualität sind vorhanden? Wie sind
diese „Referenzpunkte“ entstanden (Transformation oder Liegenschaftsvermessung)? Und
wie sind sie räumlich verteilt? Regelmäßig werden größere Fluren geteilt, um die Bearbeitung
zeitlich überschaubar und die Prüfung im Rahmen zu halten. Nach unserer Erfahrung verbessert es die Zufriedenheit der Mitarbeiter/-innen,
wenn ein Projekt absehbar abgeschlossen werden kann.
Qualität des Zahlenwerks
Wie geht man optimal an die Erfassung des
Zahlennachweises?
Beginnt man mit den Entstehungsrissen oder
kann man davon ausgehen, dass überall, wo
amtliche Koordinaten vorliegen, das Liegenschaftskataster einwandfrei ist und diese Gebiete außen vor gelassen werden können?
Nach unserer Erfahrung gibt es wohl keinen Königsweg. Als vorteilhaft hat sich erwiesen, das
Zahlenwerk nicht der Entstehung nach, sondern räumlich zusammenhängend einzugeben.
Das heißt, beginnend mit einer Teilfläche werden die Risse für diese Flurstücke erfasst. Das
muss nicht der Entstehungsriss sein. Zweckmäßig sind flächenhafte Risse. Viele Flurstücke
gibt es nicht mehr so, wie sie entstanden sind
und man muss sich mühsam mit Punkten auseinandersetzen, die es aktuell nicht mehr gibt.
Flächenhafte Risse gibt es gelegentlich aus
den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts oder aus der Zeit der Bodenreform. Bei
letzteren bestätigt sich die Erfahrung über die
in anderen Artikeln berichtet wurde: Die Bodenreformmessungen sind häufig nicht gut kontrolliert, sind aber vielerorts nicht so schlecht wie
ihr Ruf.
50
ermessung Brandenburg 1/2021
Als tückisch haben sich Straßenmessungen
erwiesen, die grundsätzlich wichtig für die Qualitätsverbesserung sind. Nicht selten jedoch
wurden nach der ersten Straßenschlussvermessung Folgemessungen mit Erweiterungen des
Straßenflurstücks vorgenommen und schon ist
man auf der Suche nach den entsprechenden
Grenzpunkten für die Maßketten.
Direkt nach jedem Fortführungsriss, manchmal
bereits nach einzelnen Messungslinien, wird
eine erste Ausgleichung vorgenommen, um erste und grobe Fehler zu erkennen und analysieren zu können. Beispielsweise kann damit getestet werden, ob die Messungslinie überhaupt
mit den richtigen Punkten verbunden wurde oder
ob die angegebenen Kontrollmaße passen. Die
Berechnung/Ausgleichung wird regelmäßig wiederholt, um Fehler oder Widersprüche frühzeitig
zu analysieren und zu verorten.
Für die einheitliche Bearbeitung der QL-Projekte wurde ein Laufzettel entwickelt, der für jedes
Verfahren zu führen ist (Abb. 5 und 6 Auszug).
Dieser wird bei Bedarf ergänzt. So hat sich beispielsweise herauskristallisiert, dass die Splittpunktbereinigung im ALKIS-Bestand vor Beginn
des Verfahrens Probleme bei der späteren Homogenisierung und Einarbeitung in den Datenbestand vermeidet. Der Laufzettel gewährleistet
den einheitlichen Ablauf und die Selbstkontrolle
des Bearbeiters bis zum Abschluss des QL-Verfahrens.
Karten- bzw. Zeichenfehler sind in der Akte separat abzulegen und zu erläutern. Der Sachbearbeiter analysiert den Fehler und stellt die
entsprechenden Unterlagen zusammen. Ein
erfahrener Ingenieur prüft den Sachverhalt und
entscheidet über die Vorgehensweise der Fehlerbereinigung und des ggf. zu erstellenden Vermessungsrisses.
Wichtig ist das Thema Kreisgrenze. Es muss
gewährleistet sein, dass die Absprache mit
dem Nachbarkreis erfolgt, um unerwünschte Kollisionen mit zeitgleichen QL-Aktivitäten
oder Fortführungen im Nachbarkreis zu vermeiden.
Für die Beurteilung der Qualität des Projektes
ist neben den ausgleichungstechnischen Kriterien u. a. die Nachvollziehbarkeit der abgeschalteten Punkte oder Maße wichtig. Kommen
abgeschaltete Referenzpunkte (koordinatenmäßig qualitativ bestimmte Grenzpunkte) ggf.
Antrags.Nr.: 62 -
Abb. 5:
Auszug aus dem Laufzettel
QL-Projekt
__________ / ______
Laufzettel - Qualitätsverbesserung des Liegenschaftskatasters
Gemarkung
:
Flur :
VOM KVA AUSZUFUELLEN
1. VORBEREITENDE ARBEITEN
Prüfung der Anschlusspunktqualität
Übersicht der Anschlusspunkte aus dem GIS
Analyse der Anschlusspunkte
Ordnerstruktur auf S:\ erstellt
DAVID-Projekt angelegt (ohne Sperre + Reservierungen)
QGIS-Übersicht aktualisiert
KIVID/SYSTRA DATENBANK-Projekt angelegt
□
□
□
□
□
□
□
Unterschrift
:
□
Unterschrift
:
Unterschrift
:
Unterschrift
:
2. DATENERFASSUNG
Datenerfassung abgeschlossen
Katasterwidersprüche
2.2
Maßfehler
□
2.3
Kartenfehler
□
3. WEITERFÜHRENDE ARBEITEN
Analyse- und Festeausgleichung durchgeführt
Gebietsübersicht erstellt
vorläufige Rissliste erstellt
Rot/Schwarz-Plott erstellt
□
□
□
□
Unterschrift
:
Unterschrift
:
4. PRÜFUNG
Rot/Schwarz-Plott geprüft
□
Unterschrift
:
Prüfung im SYSTRA DATENBANK-Projekt
□
Unterschrift
:
auf Einhaltung der technische Struckturen geprüft
□
Unterschrift
:
Katasterrechtlich geprüft
□
Unterschrift
:
□
Unterschrift
:
Unterschrift
:
Unterschrift
:
Unterschrift
:
Unterschrift
:
Unterschrift
:
endgültige Rissliste in KIVID erstellt
□
□
□
Unterschrift
:
Import in QL-Datenbank
□
Unterschrift
:
□
□
Unterschrift
:
Unterschrift
:
Unterschrift
:
Unterschrift
:
Unterschrift
:
Unterschrift
:
Prüfprotokoll abgelegt
ja
□
nein
□
Kreisgrenze betroffen?
ja
□
nein
□
Kreisgrenze - Absprache erfolgt
ja
□
nein
□
Offenlegung notwendig
5. WEITERFÜHRENDE ARBEITEN
DAVID-Projekt angelegt (mit Sperre)
VOM KVA AUSZUFUELLEN
VOM AUFTRAGNEHMER AUSZUFUELLEN
2.1
Aktualisierung der Ausgangsdaten / Datenbankprojekt
endgültige Analyse- und Festeausgleichung
PIN erstellt (Analyse BRB.Datei + Zwangs BRB.Datei)
KIVID/SYSTRA HOM-Projekt angelegt / bearbeitet
Prüfung HOM-Projekt
□
□
□
□
6. ABSCHLUSS
QL-NAS-Daten in DAVID-Projekt importiert
Erfasste Risse gescannt
7. SCHLUSSPRÜFUNG
Simulationsprüfung im DAVID-Projekt
Absenken und Löschen des Projektes
QGIS-Übersicht aktualisiert
Abschluss in GEORG
Abb. 6:
Auszug aus dem Laufzettel
QL-Projekt
Offenlegung von:
bis:
□
□
□
□
□
ermessung Brandenburg 1/2021
51
aus einer Liegenschaftsvermessung und ist
diese u. U. fehlerbehaftet? Ist die Begründung
für die Abschaltung von Maßen plausibel? Die
Kreativität der Sachbearbeiter bei den Formulierungen in der Begründungszeile war teilweise groß und für den Prüfer nicht immer eindeutig. Deswegen wurden Textempfehlungen
erarbeitet, die regelmäßig verwendet werden
sollen, um jedem Prüfer die Entscheidungsgrundlage zu verdeutlichen. Die Begründungszeile ist auf 25 Zeichen begrenzt, daher muss
hier mit Worten gespart werden und die Erläuterung trotzdem eindeutig sein. Es wurden feste Abkürzungen vereinbart, die eindeutig und
nachvollziehbar sind (z. B. „Widsp. zw. FR 51
u. 210“ oder „Maßfehler“ oder „Mauerstärke
nicht bea.“ usw.).
Außerdem wurde eine Prüfliste erstellt (Auszug
Abb. 7). Nach dem vier-Augen-Prinzip werden
die QL-Verfahren durch einen anderen Sachbearbeiter geprüft.
Checkliste zur Prüfung von QL-Verfahren (Datenbankprojekt)
Antragsnummer:
Gemarkung:
Flur:
A) Formell (technisch und logisch)
1.
1.1
Grundlagen
Sysplan
QLDB-Ladedatei erzeugen
1.2
2.
Browser
"Digitalisierte Koordinaten"
2.1
Gebäudepunkte + Bauwerkspkt
grds. ausgeschaltet (variabel, je
nach Projekt)
2.2
Topopunkte grds. ausgeschaltet
2.3
3
sortieren nach Entstehung
Browser
Nein Bemerkungen
Ja
Nein Bemerkungen
Ja
Nein Bemerkungen
Ja
Nein Bemerkungen
alle Punkte (Gebpkt,
Bwpkt,Stdpkt, Topopkt), die eine
Ent. des Projektes haben, müssen
"AN" geschaltet sein
"Punkte"
entsprechen alle Pktnr. der QLRichtlinie
3.1
sortieren nach Punktnummern
3.2
Kontrolle , ob diese berechneten
Filtern nach Punktnummern
Punkte nicht evt. "wahre" GP sind,
mit einem X (Hilfspunkte) und
die eine amtliche Punktnummer
der OA 11003
erhalten müssen
4
Browser
"Referenzkoordinaten"
alle Punkte "AN" geschaltet
4.1
4.2
Ja
Papierkörbe leeren, QLDBLadedatei erzeugen und Ergebnis
prüfen
Kreisgrenze betroffen? Wenn ja:
Zuständigkeit mit dem
Nachbarkreis klären
sortieren nach Entstehung
alle Punkte (mit eigener
Projektnummer in der
Entstehung) stochastisch
abgeschaltet
Abb. 7: Auszug aus der Checkliste Prüfung QL-Verfahren
1
52
ermessung Brandenburg 1/2021
Erfahrungen in Einzelprojekten
Mit der ALK-Erstellung wurden eine Vielzahl lokaler Koordinatenverzeichnisse transformiert. Der
Zeitdruck der ALK-Erstellung hat eine Prüfung
der Transformation oft verhindert und so liegen
zwar Grenzpunkte mit amtlichen Koordinaten
vor, deren Qualität jedoch tlw. unbefriedigend ist.
So ergaben sich in der Flur 12 von Luckau regelmäßig Probleme bei der Fortführung der Liegenschaftskarte mit Abweichungen von 20 bis 40
cm. Für eine Stadtlage ist das deutlich zu viel.
Die Liegenschaftskarte für die Kernstadt Luckau
lag schon zu DDR-Zeiten als Rahmenkarte
1 : 1 000 vor und man unterlag der Annahme, hier
müsse die Liegenschaftskarte einwandfrei sein.
Der Zahlennachweis der Kernstadt bestand neben Stückvermessungsrissen aus den Protokollen der Bodensonderung und den Koordinaten
aus den Luftbilddaten, welche die Basis für die
Auflösung der ungetrennten Hofräume bildeten.
Regelmäßige Schwierigkeiten bei der Übernahme von Liegenschaftsvermessungen erforderten, dass die Flur 12 in den QL-Plan aufgenommen wurde. Bei ca. 3 000 Flurstücken, 3,6 km²
Fläche und mit einer Vielzahl an Fortführungen
im Jahr, war die Bearbeitung in einem einzigen
QL-Verfahren nicht praktikabel. Die Flur wurde in
neun Teilprojekte aufgeteilt und die Teilflächen,
wie Neubaugebiete (Umlegungsgebiet und Gewerbegebiet), die flächenhaft nach 1990 neu
koordiniert wurden, außen vorgelassen (Abb. 8).
Mit diesem Projekt wurden die unterschiedlichsten Erfahrungen gesammelt. In der Übersicht ist
beispielsweise die Festlegung der Arbeitsnummernbereiche zur Vermeidung von doppelten
Punktnummern zu erkennen. Die Aufteilung auf
verschiedene Bearbeiter verkürzt zwar die Gesamtbearbeitungszeit, erfordert aber ein konzentriertes Projektmanagement. Widersprüche im
Zahlennachweis führen zu erhöhtem Aufwand bei
der Fehleranalyse. In mehreren der o. g. Projekte
wurden Vermessungen entdeckt, bei denen der
Bezug zur Entstehung oder die Nachbarschaft
außer Acht gelassen wurden. Diese Widersprüche lassen sich mit QL nicht lösen. Es mussten
insgesamt drei Revisionsmessungen beauftragt
werden. Das verzögerte den zeitlichen Ablauf der
Bearbeitung erheblich. Im Ergebnis wurde die Flur
in ihrer Qualität deutlich verbessert und vor allem
eine Vielzahl an Mängeln und Fehlern beseitigt.
In den zurückliegenden Jahren wurden einzelne QL-Projekte in Vergabe durch ortsansässige
ÖbVI bearbeitet. Bislang sind gute Erfahrungen
Abb. 8: Projektübersicht Luckau Flur 12
mit der Qualität dieser Projekte gemacht worden. Beispielsweise musste sich die Auftragnehmerin im Teilprojekt 9 von Luckau intensiv
mit den Protokollen der Bodensonderung/Auflösung der Ungetrennten Hofräume auseinandersetzen. Mängel und Widersprüche in den
Protokollen zur Bodensonderung wurden aufgedeckt, deren Behebung mit der QL-Bearbeitung
entschieden wurde.
Voraussetzung für die Vergabe ist, dass der/
die ÖbVI das Programmsystem SYSTRA/KIVID
benutzt und beherrscht. Mit der Einführung der
QL-Datenbank ist die Datenstruktur unabdingbar für weitere/angrenzende Projekte und daher
die SYSTRA/KIVID-Bearbeitung unverzichtbar.
Teilprojekte oder in angrenzenden Projekten
erfasstes Zahlenwerk können wiederverwendet
und erweitert werden. Wesentlich für die Vergaben war ebenso, dass die Auswertung von
Geobasisdaten des Liegenschaftskatasters als
hoheitliche Aufgabe in die Vermessungsgebührenordnung – VermGebO aufgenommen wurde.
Einen guten Eindruck über das Ergebnis der QLBearbeitung erhält man mit dem Rot-Schwarz-Plot
(Abb. 9). Und natürlich geben sichtbare Verschiebungen dem Sachbearbeiter ein besseres Gefühl,
dass die Arbeit, die man wochenlang in das Projekt gesteckt hat, besonders erfolgreich war. Doch
das ist es nicht allein. In jedem Projekt werden
Karten- und Zeichenfehler aufgedeckt. Angefangen mit fehlenden Grenzpunkten über falsche
Grenzverbindungen bis hin zu vollkommen widersprüchlichen Katasterzahlennachweisen. Hier
liegt ein großer Wert der QL-Bearbeitung.
Ausblick
In nächsten Projekten soll getestet werden, ob
und in welchen Fällen das „Lücken-QL-Verfahren“ ausreichend für die Qualitätsverbesserung
sein kann. Das heißt, dass in Fluren mit qualitativ guten Referenzpunkten nur die Lücken durch
QL-Berechnung geschlossen werden. Kann
das erfolgreich sein oder werden doch wieder
nachbarschaftliche Widersprüche eine Lücken-
ermessung Brandenburg 1/2021
53
Maßstab: 1:2500
Abb. 9: Rot-Schwarz Plot nach Ausgleichung
schluss-Bearbeitung verhindern? Ein Workshop
und Austausch mit den Kollegen/-innen anderer
Landkreise zur Vorgehensweise und den Erfahrungen mit QL-Projekten wäre wichtig, ist aber
seit Längerem nicht möglich.
sich beispielsweise in den Fällen, in denen anschließend die tatsächliche Nutzung aktualisiert
wird. Die Übernahme beigebrachter Liegenschaftsvermessungen wird beschleunigt. Der
personelle und technische Aufwand lohnt sich.
Beispielsweise wünsche ich mir, dass die Erkenntnisse aus den Analysen und der Fehlersuche (wie Maßfehler oder Widersprüche) mit
„kleinem Aufwand“ in den Nachweis übernommen werden können. Auch nach dem QL-Verfahren muss dies jede Vermessungsstelle noch
selbst herausfinden, obwohl das Wissen im
QL-Verfahren vorliegt. Der Nachweis über das
QL-Verfahren im Bereitstellungsportal besteht
aktuell nur aus einer Gebietsübersicht.
Dankenswerterweise engagieren sich auch einzelne ÖbVI für die Thematik, indem beispielweise Passpunkte eingereicht werden, in Gebieten
wo bei Grenzanzeigen o. ä. Mängel in der Liegenschaftskarte offenbar werden.
Die Ergebnisse der QL-Bearbeitung können nur
so gut sein wie das vorhandene Zahlenwerk.
Zeichenfehler werden beseitigt und die Liegenschaftskarte weitestgehend in Übereinstimmung
mit dem Zahlenwerk gebracht. In jedem Fall wird
die Karte in ihrer Qualität verbessert. Das zeigt
54
ermessung Brandenburg 1/2021
Ein weiter Weg zur besseren Qualität der Liegenschaftskarte liegt bereits hinter uns. Die Notwendigkeit zur Qualitätsverbesserung ist weiterhin unabweisbar. Für die Realisierung liegen
noch viele spannende QL-Projekte vor uns.
Judith Killiches
Katasterbehörde des Landkreises Dahme-Spreewald
Judith.Killiches@Dahme-Spreewald.de
0.00
ÖbVI Susann Pfennig, Sarina Franke, Axel Walther
Aktualisierung der Nutzungsarten –
ein Praxisbericht aus dem Norden
Die Überprüfung der Nutzungsarten und
Klassifizierungen sind innerhalb eines
Turnus von drei Jahren (Grundaktualität)
zu gewährleisten. So steht es im Nutzungsartenerlass [1] geschrieben. Aufgrund
von anders gesetzten Prioritäten und der
begrenzten Ressourcen konnte diese
Pflicht in den vergangenen Jahrzehnten
vielerorts nicht vorrangig gesehen werden. Das Grundkonzept der laufenden
Qualitätsverbesserung im Liegenschaftskataster sah ursprünglich vor, zunächst
die Geometrie der Liegenschaftskarte zu
verbessern und erst danach die Inhalte der tatsächlichen Nutzung wieder der
ggf. veränderten Wirklichkeit anzupassen. Aufgrund aktueller Entwicklungen im
Wasserrecht, veränderten Anforderungen
der Statistik und der anstehenden Grundsteuerreform wurde im Frühjahr 2020
beschlossen, hier umzusteuern und bis
Ende 2023 die Grundaktualität landesweit
wieder herzustellen. Über den Weg der
Katasterbehörde des Landkreises Oberhavel dorthin soll dieser Erfahrungsbericht Auskunft geben. (Die Redaktion)
Vorwort
Das Liegenschaftskataster in der ehemaligen
Provinz Brandenburg wurde ab 1861 als Datensammlung für die Erhebung der Grundsteuer
eingerichtet. Die heutige eigentumsrechtliche
Funktion kam erst mit dem 1900 in Kraft getretenen Bürgerlichen Gesetzbuch hinzu. Die
nachfolgend skizzierten aktuellen Entwicklungen führen dazu, dass hier 160 Jahre später ein
„Zurück zu den Ursprüngen“ ansteht.
Mit der Verwaltungsvorschrift „Nachweis der
Nutzungsarten und Klassifizierungen im Liegenschaftskataster – Nutzungsartenerlass“
des Ministeriums des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg vom 27.11.2019
wurden die Grundlagen geschaffen, um die
veränderten gesetzlichen Regelungen für das
neue Grundsteuermodell und die Umlagen des
Unterhaltungsaufwandes nach dem Brandenburgischen Wassergesetz (BbgWG) [2] zu erfüllen.
Im Land Brandenburg soll ab 2025 die Grundsteuer auf Basis eines wertabhängigen Modells
erhoben werden. Notwendig ist die Änderung
der Grundsteuererhebung, weil das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 10. April 2018
[3] feststellte, dass Anzahl und Ausmaß der
Wertverzerrungen aufgrund der unterbliebenen
Hauptfeststellungen dem Gleichheitsgrundsatz
des Grundgesetzes widersprächen.
Das Land Brandenburg beabsichtigt das Bundesmodell umzusetzen. Hier sind Angaben wie
Bodenrichtwert, Nutzungsart und Baujahr notwendig. Diese Angaben sollen aus dem Liegenschaftskataster entnommen werden.
In § 80 des Brandenburgischen Wassergesetzes (BbgWG) ist festgelegt, dass die Bemessung der Beiträge für die Gewässerunterhaltungsverbände sich nach der Größe der
Fläche bestimmt, mit denen die Mitglieder am
Verbandsgebiet beteiligt sind und nach der Nutzungsartengruppe, der die Flächen im Liegenschaftskataster zugeordnet sind.
Dabei sind die Nutzungsartengruppen der umlagepflichtigen Flächen drei Vorteilsgebietstypen zuzuordnen. Dies sind „Siedlungs- und
Verkehrsflächen“, „Landwirtschaft“ und „Waldflächen“. Maßgeblich für die Flächen- und Nutzungsausweisung sind jeweils die im Liegenschaftskataster zum Stichtag des 1. Juni des
Vorjahres erfassten Geoinformationen.
Die flächendeckende und korrekte Erfassung
dieser Nutzungsarten bis Ende 2023 mit dem
Anspruch des gerichtsfesten Nachweises stellt
eine große Herausforderung für alle Katasterbehörden dar. Dies ist nur mittels eines normierten
und standardisierten Verfahrens möglich.
Die Information kam für den Landkreis Oberhavel immerhin rechtzeitig genug, um die neue
Aufgabe als strategisches Ziel in den Haushaltsplan 2021 (Abb. 1) aufzunehmen und für die
Folgejahre anzumelden. Mit dem beschlossenen Haushaltsplan des Landkreises ist nunmehr
die Grundlage vorhanden, um die notwendigen
organisatorischen und personalwirtschaftlichen
Maßnahmen umzusetzen.
ermessung Brandenburg 1/2021
55
Produktbeschreibung 2021
Produktnummer:
51102
Produkt:
Führung des Liegenschaftskatasters
Produktgruppe:
Räumliche Planungs- und Entwicklungsmaßnahmen
Produktbereich:
Räumliche Planung und Entwicklung
Verantwortlicher:
FDL Liegenschaftskataster
Produktdefinition
Kurzbeschreibung:
Führung des Liegenschaftskatasters (Geobasisinformationssystem) als
amtliches Verzeichnis der Grundstücke gemäß § 2 Absatz 2 Grundbuchordnung
Bereitstellung der Geobasisinformationen der Liegenschaften, der Landschaft und des Raumbezugs für Bedürfnisse der Verwaltung, der Wirtschaft und des Rechtsverkehrs
Leistungsspektrum:
•
•
•
Qualitätsverbesserung (QL) im Liegenschaftskataster als Schwerpunktaufgabe der Daseinsvorsorge (hier die Landnutzung)
Erteilung von Auszügen, Auskünften und Bescheinigungen aus den
Nachweisen des Liegenschaftskatasters
Prüfung von eingereichten Messungsschriften und Fortführung der
Nachweise des Liegenschaftskatasters
Auftragsgrundlage:
§§ 5 bis 10 und 26 bis 28 des Brandenburgischen Vermessungsgesetzes
§§ 20, 26 Brandenburgisches Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch
Zielgruppe:
Grundstückseigentümer
Wirtschaft, Behörden
Ziele:
Qualitätsverbesserung (QL) im Liegenschaftskataster
• Herstellung der Grundaktualität des Nachweises der Landnutzung im
Liegenschaftskataster bis Ende 2023
Beschleunigung bzw. Stabilisierung der Bereitstellung von Geobasisinformationen als:
• einfache Auskünfte
• Bescheidung über die Fortführung des Liegenschaftskatasters ab Erhalt der Vermessungsunterlagen durch den ÖbVI
Kennzahlen
Erfassungsmerkmal
ME
Ergebnis
/ Ist 2019
Plan 2020
durchschnittliche Bearbeitungszeit einfache
Auskünfte
Aktualisierung der
Landnutzung
durchschnittliche Bearbeitungszeit Fortführungsbescheid
Plan 2021
Entw. zum Vorjahr
absolut
%
0
0
Tage
2
2
2
qkm
neu
neu
600
neu
neu
Tage
35
33
30
-3
-10
Abb. 1: Auszug aus dem Haushaltsplan 2021 Landkreis Oberhavel [4]
Die in Punkt 3 des Nutzungsartenerlasses dargelegten Erfassungsmethoden sind priorisiert
anzuwenden. Dies auch unter der Maßgabe,
dass für die sehr umfängliche Aufgabe nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen.
Es gibt diverse Geofachdaten aus verschiedenen
Fachgebieten, welche inhaltlich einigen Nutzungsarten entsprechen. Beispielhaft seien genannt:
Forstgrundkarte, Seen, digitales Feldblockkataster und die Biotoptypkartierungen. Grundsätzlich
56
ermessung Brandenburg 1/2021
sollten vorhandene Geofachdaten genutzt werden. Für die Anforderungen des Liegenschaftskatasters sind ergänzend Lageanpassungen über
aktuelle digitale Orthophotos zu tätigen.
Für den Landkreis Oberhavel wird geprüft, ob
dieses Massenverfahren über ArcGIS [5] umgesetzt werden kann. Der große Vorteil von ArcGIS liegt in seiner Funktionalität, direkt Flächen
erfassen und ändern zu können. Dies verspricht
einen erheblichen Effizienzgewinn.
Dort wo keine Geofachdaten vorhanden sind
oder in einer nicht für das Liegenschaftskataster
nutzbaren Qualität vorliegen, sind die Nutzungsarten aus dem aktuellen digitalen Orthophoto zu
erfassen. Auch hier wird aus wirtschaftlichen
Gründen die Nutzung von ArcGIS geprüft.
Für die Überführung soll ein Verfahren entwickelt werden, um die ESRI-Shape-Dateien aus
ArcGIS verlustfrei über Geograf/KIVID ins ALKIS zu übertragen. Berücksichtigt werden soll
dabei auch die Umsetzung des vollständigen
Fortführungsentwurfes (vFE). Beim vollständigen Fortführungsentwurf handelt es sich um
ein im Projektstatus befindliches Verfahren, bei
dem der Katasterbehörde nicht nur die einzelnen Punktobjekte sondern die vollständigen Flächenobjekte elektronisch übermittelt werden.
Dort wo keine eindeutige Ansprache und Erfassung aus den Geofachdaten und dem digitalen
Orthophoto möglich ist, muss eine Vermessung
vor Ort erfolgen. Die konkreten Verfahren wurden durch das Büro der Öffentlich bestellten
Vermessungsingenieurin Susann Pfennig aus
Gransee erarbeitet und werden im Folgenden
konkreter erläutert.
Im Bearbeitungsgebiet amtlicher Vermessungen sind von den ausführenden Vermessungsstellen die Nutzungsarten zu überprüfen und
ggf. Veränderungen zu erheben. Hier ist noch
Überzeugungsarbeit im freien Beruf zu leisten.
Vorgeschrieben ist dies derzeit nur für den überschaubaren Bereich der zu vermessenden Fläche im Antragsflurstück. Diese Informationen für
das gesamte Messungsgebiet zu liefern, wäre
ohne größeren Aufwand realisierbar.
Ausgangssituation für das Konzept
Entsprechend dem Nutzungsartenerlass werden die Nutzungsarten und Klassifizierungen
im Liegenschaftskataster überprüft, aktualisiert
und in ihrer Fläche und ihren Eigenschaften neu
beurteilt bzw. aufgegliedert.
Ziel ist es, die Daten des amtlichen Liegenschaftsinformationssystems zu optimieren und
für weitere Auswertungen/Statistiken nutzbar zu
machen. Die Daten der Landnutzung sollen den
Charakter von Gebieten bezüglich ihrer derzeitigen und absehbaren künftigen Funktion oder
ihres Zweckes beschreiben. Durch die Vergabe der neuen Nutzungsartenkennungen nach
dem Nutzungsartenkatalog zur erweiterten tat-
sächlichen Nutzung wird eine systematische
Verarbeitung der Daten und eine effizientere
Auswertbarkeit der amtlichen Flächenstatistik
angestrebt. Derzeit weist das Liegenschaftskataster bezüglich der tatsächlichen Nutzung eine
Vermischung aus den Themen Landbedeckung
und Landnutzung auf. Mit dem neuen Nutzungsartenerlass soll auch diese Situation bereinigt
werden und eine strikte Trennung zwischen
Landbedeckung und Landnutzung erfolgen.
Zur Bewältigung dieser Problematik hat unser
Vermessungsbüro bereits 2020 im Auftrag der
zuständigen Katasterbehörde für das Gebiet der
Stadt Liebenwalde die Überprüfung der für die
Landflächen derzeit geführten Nutzungsarten
sowie die Korrektur der tatsächlichen Nutzung
der Flächen in diesem Gebiet entsprechend
den Festlegungen des Nutzungsartenerlasses
vorgenommen. Die Art und Weise der Durchführung erfolgte in Abstimmung mit der Katasterbehörde im Landkreis Oberhavel. Im Ergebnis
unserer Arbeit möchten wir in diesem Konzept
unsere Vorgehensweise, Methoden der Prüfung
und Bearbeitung der Nutzungsarten sowie Hinweise und Empfehlungen zu aufgetretenen Problemen darlegen.
Grundlagen
Das Gebiet der Stadt Liebenwalde umfasst eine
Fläche von ca. 142 175 000 m² mit derzeit 94 zu
bearbeitenden Fluren.
Die Bearbeitung aller Flurstücke der Stadt Liebenwalde wurde, wie im Nutzungsartenerlass
Punkt 2.2 festgelegt, flurweise vollzogen. Die
Erfassung bzw. Beurteilung der tatsächlichen
räumlichen Ausdehnung der einzelnen Flächen
entsprechend der jeweiligen Nutzungsart erfolgte jeweils innerhalb des Umringes einer Flur. Die
Abgrenzungen der Art der Landnutzung wurden
entsprechend der erweiterten Nutzungsarten
generalisiert und sinnvoll bestimmt. Bei der Erfassung und Prüfung der Flächen wurden die
Festlegungen aus dem Nutzungsartenerlass
bezüglich der Erfassungsuntergrenze je Erhebungseinheit von 1 000 m² sowie die Vernachlässigung kleinerer Ausbuchtungen und der
Verzicht auf Abgrenzung einer tatsächlichen
Nutzung in Nähe einer Flurstücksgrenze <1 m
berücksichtigt. Besondere Flächen, von denen
eine relevante Wirkung ausgeht, wie beispielsweise eine Grabenfläche auf Grünland, wurden
unabhängig von der Mindestgröße aufgenommen (Abb. 2 und 3).
ermessung Brandenburg 1/2021
57
Abb. 2: Grabenflächen im aktuellen Luftbild
Abb. 3: Grabenfläche mit 408 m² auf Grünland nach Aktualisierung
Erhebung
Die Nutzungsarten beschreiben die zum Zeitpunkt der Erhebung vorgefundene tatsächliche
Bodennutzung. Generell wurden die Abgrenzungen der Nutzungsarten mittels der digitalen
58
ermessung Brandenburg 1/2021
Orthophotos des Landkreises Oberhavel bestimmt. Orthophotos verschiedener Jahrgänge
wurden uns von der Katasterbehörde zur Verfügung gestellt.
In Teilen der Ortslagen und in Gebieten, in
denen die tatsächliche Nutzung im DOP nicht
eindeutig erkennbar waren, wurden unsererseits Feldvergleiche durchgeführt (wie im Nutzungsartenerlass Punkt 3.2 festgelegt, keine
mögliche Einschätzung entsprechend der
Luftbildaufnahmen). Auch eine messbegleitende Erhebung einer Nutzungsartengrenze
ist laut Nutzungsartenerlass Punkt 3.3 vorgesehen. Da im Gebiet von Liebenwalde von
unserem Büro zahlreiche Vermessungen erfolgten, wurden diese Daten für eine genauere
Erhebung der Nutzungsartenflächen ebenfalls
verwendet.
Zur Abgrenzung der Siedlungs- und Vegetationsflächen (Wohnbaufläche/Grünland/Grünanlage) wurden vorhandene Unterlagen der Stadt
Liebenwalde (Bebauungspläne und Innenbereichssatzungen) hinzugezogen und berücksichtigt.
Es erfolgte keine Prüfung und Berücksichtigung
der im Liegenschaftskataster vorhandenen und
nachgewiesenen Grenzen der tatsächlichen
Nutzungen bezüglich deren Entstehung (Liegenschaftsvermessung, Digitalisierung), sondern eine komplette Neubewertung der zum
Zeitpunkt der Erfassung vorgefundenen tatsächlichen Nutzung.
Software
Die Aufnahme der Flächennutzung sowie die
Ausarbeitung der Übernahmen für die Nutzungsartenänderungen wurden mit der Software GEOgraf (Firma HHK Datentechnik GmbH
aus Braunschweig) und KIVID (Firma Burg,
Software & Service für die Vermessung GmbH
aus Eltville am Rhein) vorgenommen. Nach
Aussage und in Abstimmung mit der Firma Burg
erfolgte in 2020 die Entwicklung und Anpassung
der neuen KIVID-Version, in welcher die neuen
Nutzungsartenkennungen aus dem Nutzungsartenerlass vom 27.11.2019 integriert wurden.
Technische Ausrüstung
Grundlage für die Durchführung dieser Arbeiten
ist die exzellente innerbetriebliche Ausstattung
unserer Arbeitsplätze. Im Vorjahr wurden in unserem Vermessungsbüro alle Arbeitsplätze mit
einer 3-Monitor-Bildschirmtechnik mit speziellen
Monitoren (27-Zoll, hohe QHD-Auflösung und
Bildpunktdichte, 75 Hertz) ausgestattet und mittels qualitativ hochwertiger Servertechnologie
für eine effektive Arbeitsweise gesorgt. Servertechnologien haben den Vorteil, einen externen
Zugriff zu ermöglichen. Darüber hinaus ist das
System jederzeit für weitere Arbeitsplätze skalierbar. In Corona-Zeiten ein nicht zu verachtender Vorteil.
Für die Überprüfung der Nutzungsarten war
es hilfreich, Orthophotos verschiedener Jahrgänge einzubeziehen. Ergänzend wurden bei
der Bewertung zweifelhafter Flächen auch alle
möglichen weiteren zur Verfügung stehenden
Quellen (eigene Vermessungen, LIKA-Online,
Brandenburg-Viewer) verwendet. Hierfür war
die 3-Monitor-Bildschirmtechnik eine sehr große Unterstützung. Für die Arbeit mit verschiedenen Datenquellen im Vergleich ist dies generell
sehr empfehlenswert. Bei der Verarbeitung von
derart großen Datenmengen sind leistungsstarke Prozessoren und schnelle, große Arbeitsspeicher eine Grundvoraussetzung. Für eine
effektive Arbeitsweise müssen sich die vielen
verschiedenen zur Bewertung hinzugezogenen
Quellen/Dokumente schnell öffnen lassen und
mit präzisem schnellen Zoom zur Verfügung
stehen.
Ein weiteres hilfreiches Arbeitsmittel stellt das
Aktiv-Plan-System (APS) für diese Tätigkeit
dar. In unserem Vermessungsbüro wurde ein
System entwickelt, in welchem eigene aufbereitete Karten im Maßstabs-Zoom von 1 : 50 bis
1 : 50 000 für die Nutzung zur Verfügung gestellt
werden können.
Zum Einsatz kommt das System bereits in Kommunen, bei Verbänden, bei der Freiwilligen Feuerwehr, bei Kunden mit größeren Forstbeständen und bei Landwirten in Form eines Tablets
hauptsächlich im Außendienst. Eine Nutzung ist
ebenfalls im Innendienst/Büro sinnvoll und sehr
sachdienlich. Es können verschiedene Themenkarten und Luftbilder (7 Ebenen) überlagernd
abgebildet und einzeln oder zeitgleich eingeblendet werden. Mittels der Transparentregler
können die Sichtbarkeiten der eingestellten sich
überlagernden Karten ebenfalls zur besseren
Beurteilung gewählt werden, so dass sich hier
die unterschiedlichen Entwicklungen der Flächen gut nachvollziehen lassen (Abb. 4).
In Abbildung 4 sind einige Funktionalitäten des
Tablets eingeblendet. Sichtbar sind in dieser Ansicht unter anderem die Nutzung von 4 Kartenebenen, die Nordpfeilfunktion sowie das Tool für
die Strecken- und Flächenberechnung.
ermessung Brandenburg 1/2021
59
Abb. 4: Luftbilder aus 2013, 2016 und 2020 zur Auswertung im APS
Weiterhin besteht die Möglichkeit der amtlichen
Koordinatenanzeige, des stufenweisen oder
stufenlosen Zooms, einer Bildzentrierung sowie
bei Verfügbarkeit eines WLAN das Herunterladen von Updates und somit einer Aktualisierung
einzelner Teilflächen der Karte oder der gesamten Karte.
Generell nutzen wir zur Erfassung der tatsächlichen Nutzung mindestens diese 4 Ebenen,
bestehend aus den Luftbildern von 2013, 2016,
2020 sowie die Liegenschaftskarte mit Flur- und
Flurstücksgrenzen. Da wir im Gebiet von Liebenwalde viele Messungen durchgeführt haben,
fließen selbstverständlich auch die vorhandenen Messdaten in die Erhebung der tatsächlichen Nutzung mit ein.
Das mobile APS bietet einen entscheidenden
Vorteil bei der Erhebung der Nutzungsarten.
Durch die Verwendung der eigenen Karten
im Außendienst besteht die Möglichkeit, sich
im Gelände mittels GPS-Funktionalität und
Nordausrichtung zu orientieren. Da das System auch offline betrieben werden kann, navigiert das APS den Anwender in den Fluren
und Flurstücken auch ohne Internetempfang.
60
ermessung Brandenburg 1/2021
In den Wäldern und Feldern und sonstigen
Flächen innerhalb und abseits der Dörfer ist in
den meisten Fällen kein Internet verfügbar und
eine Orientierung zum Auffinden der zu beurteilenden Flächen ohne dieses Hilfsmittel sehr
viel schwerer. Mit dem Tablet sind die sonstigen Funktionalitäten, wie z. B. das Versenden
einer E-Mail, das Fotografieren, das Fertigen
von Screenshots, das Ausfüllen von Formularen und eine Verwaltung von Dokumenten im
Archiv ebenfalls verfügbar und können somit
genutzt werden.
Durch die Navigationsfunktion kann der Anwender jederzeit sehen, wo und in welcher Flur er
sich befindet und welche Möglichkeiten der Erreichbarkeit/Zuwegungen es zu den zu beurteilenden Flächen gibt. In der Abbildung 5 ist zu
sehen, wie die Navigation und Orientierung mittels des mobilen Systems erleichtert wird.
Bearbeitung
Durch unser Büro wurde angestrebt, die Erhebung der erweiterten tatsächlichen Nutzung mit
vollständigem Fortführungsentwurf (vFE) [6] einzureichen. Einen ersten Testlauf hierzu sowie
Abb. 5: Navigation im APS auf dem Tablet
eine Grobabstimmung erfolgte mit der Katasterbehörde im Landkreis Oberhavel im Vorfeld der
Arbeiten.
Nach erfolgreichem Testlauf wurde im zweiten
Schritt die Vorgehensweise der Aufteilung und
Erfassung für das Liebenwalder Gebiet festgelegt. Die Erfassung und Aufarbeitung der
tatsächlichen Nutzung erfolgte objektorientiert
mittels GEOgraf unter Zuhilfenahme der zur Verfügung stehenden Luftbilder oder dem Abgleich
im Außendienst. Hierzu wurden sogenannte
Hilfsflächenobjekte entsprechend der tatsächlichen Nutzung angelegt, die die Grundlage für
eine weitere Verarbeitung in KIVID zur Aufbereitung des vFE bildeten. Vorgaben entsprechend der Richtlinien des Nutzungsartenerlasses bezüglich der Flur- und Flurstücksgrenzen
wurden berücksichtigt: „Für die Nutzungsarten
… sind entsprechend ihrer tatsächlichen räumlichen Ausdehnung Objekte zu bilden. Diese
sind an der Flurgrenze zu begrenzen ... Fällt
die Abgrenzung der tatsächlichen Nutzung in
die Nähe der Flurstücksgrenze (< 1 m), ist ihre
Geometrie identisch mit der Flurstücksgrenze
festzulegen. Fachlich begründete Ausnahmen
sind zulässig.“
In Absprache mit der Katasterbehörde haben
wir gleichzeitig die Möglichkeit angeboten und
umgesetzt, im Außendienst die Sichtung und
Beurteilung des tatsächlichen Gebäudebestandes mit den Inhalten der Liegenschaftskarte abzugleichen. Es erfolgt gewissermaßen
eine Mitteilung über eine abweichende Bebauung, folglich der zum Zeitpunkt der Erhebung
tatsächlich vorgefundene Gebäudebestand.
Mittels dieser Unterlagen kann von Seiten der
Katasterbehörde geprüft werden, ob die zusätzlichen Bauwerke erfasst und nicht mehr
vorhandene Bauwerke gelöscht werden sollen. Darüber hinaus wurden aufgefallene, offensichtliche Fehler in der Liegenschaftskarte
protokolliert.
Die Arbeitsweise der Erhebung der erweiterten tatsächlichen Nutzung der Flächen erfolgte
in zwei Arbeitsabläufen. Zunächst wurden die
tatsächlichen Nutzungsflächen aus Luftbildern
und/oder dem Ortsvergleich mittels GEOgraf
digitalisiert. Dabei ist unbedingt darauf zu achten, dass die gesamte Fläche einer Flur erfasst
und lückenlos neu bewertet wird, so dass keine
Restflächen übrigbleiben.
ermessung Brandenburg 1/2021
61
Die Bewertung der Nutzungsart der Flächen
warf oftmals einige Fragen bezüglich ihrer Erfassung, der Geometrie, der Vernachlässigung
oder der Zuordnung auf. Wiederkehrende Gegebenheiten, die nicht so eindeutig entsprechend dem Nutzungsartenerlass eingestuft werden konnten, wurden mit der Katasterbehörde
abgestimmt.
Schwierig war oft das Treffen von Entscheidungen bezüglich der genutzten Flächen, wenn diese in den Luftbildern nicht eindeutig erkennbar
waren, wie beispielsweise Gräben oder Wege
hinter Baumreihen, Wege der vorübergehenden oder ständigen Nutzung, Unterscheidung
eines gepflügten Ackers oder einer gemähten
Wiese, Laub-, Nadel- oder Mischwald. Fragen,
Probleme und Hinweise, die bei der sogenannten Neueinstufung aufgetreten sind, werden in
einem internen Nachschlagewerk anhand von
Beispielen ausführlicher aufgezeigt, um eine
einheitliche Vorgehensweise bei der Erfassung
der tatsächlich genutzten Flächen zu erreichen.
Im Anschluss an die Digitalisierung und der Bildung von Flächenobjekten nach ihrer tatsächlichen Nutzung erfolgte die Aktualisierung der Nutzungsarten einer kompletten Flur mit KIVID. Das
Programm bietet die Bearbeitung der tatsächlichen Nutzung mit dem ALKIS-Assistenten an.
Entsprechend unserer Arbeitsweise erfolgt
zunächst die Zusammenlegung der alten Flächenobjekte der gesamten Flur (ausscheidende Objekte der Flur). Im Anschluss werden die
vorbereiteten neuen Hilfsobjekte, welche durch
Digitalisierung in GEOgraf erstellt wurden, in
der Flur aufgeteilt (Aufteilung der zukünftigen
Objekte der Flur). Einzelne sich überlagernde
Flächen (z. B. Sumpfloch im Acker) werden
nachfolgend aus der entsprechenden Fläche
ausgestanzt (Stanzung). Es ist darauf zu achten, dass alle alten Objekte zusammengelegt
und lückenlos durch die neuen Flächenobjekte
über die Flurstücke der Flur verschnitten/ersetzt
werden (Abb. 6).
Des Weiteren erfolgt die Anpassung des Umringes der Nutzungsobjekte aus der jeweilig
angrenzenden Nachbarflur an die neu entstandenen Nutzungsobjekte der in Bearbeitung befindlichen Flur. Durch diese Randanpassung
ändern sich immer auch deren Objekt-ID und
Objektschlüssel. In gewisser Weise werden
somit auch Änderungen in der angrenzenden
Nachbarflur bzw. den Nachbarfluren vorgenommen.
Bis zur Übernahme der Fortführung durch die
Katasterbehörde bleiben daher alle an die eingereichte Flur angrenzenden Nachbarflure für
Abb. 6: KIVID ALKIS-Assistent, tatsächliche Nutzung, Objekte vor/nach der Bearbeitung
62
ermessung Brandenburg 1/2021
eine weitere Bearbeitung bzw. eines konkurrierenden Übernahmeantrages gesperrt. In Folge
dessen kann leider nicht gleich eine anliegende
Flur weiterbearbeitet werden. Aus diesen Erfahrungen möchten wir darauf hinweisen, dass
während der Übernahme einer Flur auch die
Nutzungsarten, welche direkt an der Flurgrenze
anliegen, durch andere Fortführungen nicht verändert werden dürfen.
Die Prüffunktion des ALKIS-Assistenten listet
alle noch zu bearbeitenden Fehler auf. Erst
nach der kompletten Fehlerbeseitigung können
der Fortführungsbeleg und die Exportdateien erzeugt werden. Eingereicht wird der vFE mit den
entsprechenden Fortführungsunterlagen, welche durch die Software KIVID generiert werden,
bestehend aus dem Fortführungsbeleg und den
digitalen Fortführungsdaten (vFE_*.xml).
Weiterhin wird eine zusätzliche Prüfliste erstellt,
die eine Übergabe- und Dokumentationsübersicht mit den Inhalten der Gemarkung, Flure,
Flurstücke, Zeitpunkt der Bearbeitung, Kriterium geändert/unverändert, Aussage zum Feldvergleich, Aufmaß usw. darstellt. Durch diese
Prüfliste kann eine nachvollziehbare Aussage
zur entsprechenden Flurbearbeitung und den
vorgefundenen Besonderheiten gegeben werden. Mittels dieser Liste wird nochmals geprüft,
ob auch alle Flurstücke der Flur übernommen
und fehlerfrei fortgeführt wurden.
Das Einreichen der Fortführungsunterlagen erfolgte in Etappen flurweise entsprechend ihrer
Bearbeitung. Um Kollisionen zu vermeiden, war
es für manche Flure erforderlich, das zu bearbeitende Antragsgebiet während der Bearbeitungszeit und Fertigung der Abgabeschriften (vFE), für
sämtliche weitere Übernahmen zu sperren. Dies
erfolgte grundsätzlich in Absprache durch die
Katasterbehörde des Landkreises Oberhavel.
Im Folgenden soll die Erfassung durch eine
Vorher-Nachher-Darstellung
veranschaulicht
werden (Abb. 7 und 8).
Erfahrungen
Ungeachtet der maßgebenden Richtlinien für
die Erhebung der Nutzungsarten im Nutzungsartenerlass ergaben sich bei der Bewertung der
tatsächlich genutzten Flächen Fragen und Probleme. In unserer kleinen Firmenarbeitsgruppe
wurde die Behandlung dieser Fälle gemeinsam
diskutiert und dann mit der zuständigen Katasterbehörde abgestimmt, wie mit diesen zu
verfahren ist. Diese Fallbeispiele sowie weitere Hinweise zur Erhebung der Nutzungsarten
können hier aufgrund des Umfanges nicht ab-
Abb. 7: Vor der Fortführung, ausgewertetes Luftbild, nach der Fortführung
ermessung Brandenburg 1/2021
63
Abb. 8:
Vor der Fortführung,
ausgewertetes Luftbild,
nach der Fortführung
64
ermessung Brandenburg 1/2021
gedruckt werden. Sie können jedoch für Interessierte über die Katasterbehörde des Landkreises Oberhavel gern angefordert werden. Ziel ist
es ja, eine weitestgehend einheitliche Bewertung bei der Erhebung der neuen erweiterten
Nutzungsarten der Landflächen zu erreichen.
die Festlegungen zur Mindestflächengröße, zur
Nachbarschaftsabgrenzung und dem Zwang
die Nutzungsartengrenze auf die Grenzen des
Liegenschaftskatasters zu ziehen. Eine gedankliche und fachliche Trennung von Liegenschaft
und Nutzung ist angebracht.
Nachwort
Hinzu kommen sollten Abstimmungen mit den
verschiedenen Akteuren der Geofachdatenerzeugung und -nutzung. Vielleicht wäre es möglich,
Kooperationen mit diesen zu vereinbaren. Doppelte Aufwände könnten reduziert und die Qualität der Geoinformationen verbessert werden.
Dies müsste ggf. spezialgesetzlich geregelt werden, da die Nutzungsarten nach § 11 des Brandenburgischen Vermessungsgesetzes zunächst
nur dem Nachweis der Liegenschaften dienen.
Die Aktualisierung der Nutzungsarten als eigenständige Geometrie im Liegenschaftskataster ist
aus Sicht der kommunalen Anwender überfällig.
Neben dem Nutzen für die Grundsteuererhebung und die Berechnung der Umlagen der
Gewässerunterhaltungsverbände kann auch für
viele weitere Fachanwender ein großer Gewinn
entstehen. Hierzu sind aber noch Abstimmungen zwischen den Beteiligten zu tätigen.
Die Herausforderungen in nächster Zeit bestehen in der:
•
•
•
•
•
Sichtung der vorhandenen Geofachdaten
auf Zugang und Eignung,
Entwicklung einer standardisierten und formalisierten Methode zur qualitätsgerechten
Massendatenerfassung und Übernahme in
das Liegenschaftskataster,
Abstimmung mit den beteiligten Ressorts
und Partnern,
Einrichtung der Arbeitsplätze und
Qualifizierung der Mitarbeiter/-innen.
Diese Herausforderungen wird die Katasterbehörde Oberhavel in den nächsten Wochen und
Monaten angehen und lösen.
Notwendig dafür ist auch ein Erfahrungsaustausch und die Abstimmung mit den anderen
Katasterbehörden, dem Landesbetrieb Landesvermessung und Geobasisinformation und dem
Ministerium des Innern und für Kommunales.
Ein Gesamtkonzept für das ganze Land Brandenburg könnte für die Aufgabenerledigung
sehr vorteilig sein. Dies erscheint hinsichtlich
der rechtlichen Verwendung der Landnutzung
zu steuerlichen und gebührentechnischen Zwecken sinnvoll und notwendig.
Quellen:
[1] https://mik.brandenburg.de/sixcms/media.
php/9/2019-11-27_Erlass_Nutzungsarten.
pdf
[2] https://bravors.brandenburg.de/gesetze/
bbgwg
[3] h t t p : / / w w w . b v e r f g . d e / e /
ls20180410_1bvl001114.html
[4] https://www.oberhavel.de/media/custom/2242_36925_1.PDF?1612848576
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/ArcGIS
[6] Zu „Vollständiger Fortführungsentwurf für
ALKIS“ Vermessung Brandenburg, Heft
2/2018, S. 55
ÖbVI Susann Pfennig, Sarina Franke
(Erfahrungsbericht)
info@vb-sp.de
Axel Walther (Vor- und Nachwort)
Katasterbehörde des Landkreises Oberhavel
axel.walther@oberhavel.de
Zu überprüfen ist, ob einige Festlegungen in
den Erhebungsgrundsätzen angepasst werden
müssen. Vor allem mit Blick auf eine rechtskonforme Verwendung der Nutzungsarten für die
Grundsteuererhebung und den Vorgaben aus
§ 80 des BbgWG. Dies betrifft insbesondere
ermessung Brandenburg 1/2021
65
Nachwuchsinitiative
Thomas Gernhardt
Das duale Studium in der LGB
hat sich etabliert
Das Ministerium des Innern und für Kommunales (MIK) hatte der LGB im Juli 2015
den Arbeitsauftrag erteilt, Möglichkeiten zu
prüfen, die eine langfristige Bindung von
Auszubildenden, Studierenden und Laufbahnauszubildenden an die Vermessungsund Katasterverwaltung des Landes Brandenburg erlauben und im Gegenzug eine
finanzielle Unterstützung vorsehen. Im
Ergebnis der Betrachtungen wurde von
der LGB vorgeschlagen, ein finanziell unterstütztes Studium mit vertiefter Praxis
im Bereich Geodäsie und Geoinformatik
anzubieten (duales Studium), welches
2016 mit zwei Studierenden als Pilotmodell eingeführt wurde. Mit Bestehen der
Abschlussprüfung im Oktober 2020 durch
den zweiten Studenten ist das Pilotmodell
beendet worden und das duale Studium in
der LGB fest etabliert.
Bei dem von der LGB durchgeführten Modell handelt es sich im Wesentlichen um ein praxisintegriertes Studienmodell, das durch eine besondere
Flexibilität gekennzeichnet ist. So können die Studierenden an einer Hochschule ihrer Wahl studieren (Bachelorstudiengang im Bereich Geodäsie
und Geoinformatik), müssen jedoch Fächer bzw.
Vertiefungsrichtungen belegen, die sie für eine
anschließende Laufbahnausbildung im gehobenen vermessungstechnischen Verwaltungsdienst
(gD) in der LGB qualifizieren. Die Begrenzung auf
Studienstandorte mit explizit dual ausgerichteten
Studiengängen entfällt. Somit können die Studierenden die Hochschule verstärkt nach ihren individuellen Bedürfnissen auswählen. Zudem richtet
sich das Modell sowohl an Schulabsolventen und
Ausbildungsabbrecher aus anderen Disziplinen,
als auch an Interessenten mit einschlägigem
Berufsabschluss. Damit besteht die Möglichkeit,
auch ehemaligen Auszubildenden eine Entwicklungsperspektive aufzeigen zu können und sie
längerfristig zu binden. Durch die Bedingung,
Fächer bzw. Vertiefungsrichtungen belegen zu
66
ermessung Brandenburg 1/2021
müssen, welche die Studierenden für eine anschließende Laufbahnausbildung gD in der LGB
qualifizieren, wird ferner sichergestellt, dass perspektivisch auch ausreichend befähigter Nachwuchs für dieses Ausbildungsangebot der LGB
zur Verfügung steht. Die dual Studierenden werden im Rahmen eines abgeschlossenen Bildungsvertrags vergütet und leisten ihre Praxisphasen in
den prüfungs- und vorlesungsfreien Zeiten in der
LGB ab. Der Bildungsvertrag enthält zudem eine
Bleibevereinbarung (Absichtserklärung der Studierenden) derart, dass die Studierenden nach
ihrem Abschluss die Laufbahnausbildung für den
gehobenen Dienst und dann eine Tätigkeit in der
LGB aufnehmen. Damit verbunden sind auch Regularien zur anteiligen Rückzahlung von Vergütungen bei Aufkündigung der Bleibevereinbarung
durch die Studierenden. Die zeitliche Dauer der
Bleibevereinbarung ist dabei rechtlich auf maximal 5 Jahre begrenzt. Da es 2016 noch keine
tarifrechtliche Regelung gab, wurde von der LGB
ein Musterbildungsvertrag erstellt. Dieser Vertrag
wurde zur Nachnutzung für die Katasterbehörden
auf die Internetseite der LGB gestellt.
Abschluss der ersten Bildungsverträge
Zum Wintersemester 2016/2017 wurden die
ersten beiden Bildungsverträge in einer gemeinsamen Veranstaltung von LGB und MIK
abgeschlossen. Beide Studierende nahmen ihr
Studium an der Beuth Hochschule für Technik in
Berlin im Bachelorstudiengang „Geoinformation“
auf. Um den Erfolg des Studiums, insbesondere
während der Praxiszeit abzusichern wurde für sie
ein Betreuer und Ansprechpartner (Tutor) etabliert. Beide Studierenden haben während des Pilotmodells ihre vertraglich festgelegten Pflichten
(Studienanwesenheit, Berichterstattung, Absolvieren der Praxiszeiten etc.) erfüllt. Die praktische Ausbildung wurde in unterschiedlichen Bereichen der LGB durchgeführt. Damit erhielten
sie einen guten Einblick über die Bandbreite der
Aufgaben der LGB. Nach jedem Praxisabschnitt
erstellten die Studierenden einen kurzen Praxisbericht, der vom Tutor geprüft wurde.
Die Studierenden waren während der Vorlesungs- und Prüfungszeiten stets für die Hochschule freigestellt, sodass deswegen keine
Fehlzeiten entstanden sind.
Mit den Studierenden wurde abgestimmt, welche
Wahlpflichtmodule in den einzelnen Semestern zu
wählen sind, damit die Zulassungsvoraussetzungen für den anschließenden Vorbereitungsdienst
erfüllt werden. Die Studierenden haben dem
Vertrag entsprechend nach jedem Semester die
Leistungsnachweise der Hochschule eingereicht.
Dies diente dem Nachweis über die Teilnahme
an den Lehrveranstaltungen und der Möglichkeit,
Unterstützung beim Lernen anzubieten.
Es wurde eindeutig festgelegt, dass die Studierenden keine weiteren Erwerbstätigkeiten ausüben durften, die den Interessen der LGB widersprechen oder den Studienfortschritt gefährden.
Die erste Absolventin hat das Studium im Oktober 2019 mit Auszeichnung und als Jahrgangsbeste beendet. In Vermessung Brandenburg
1/2020 erschien ihr Erfahrungsbericht zum Pilotmodell [1]. Wegen der Vertragsgestaltung
musste sie sich für die drei Wochen zwischen
Studienabschluss und Aufnahme des Vorbereitungsdienstes im November 2019 arbeitslos
melden. Daraus wurden inzwischen Konsequenzen gezogen und andere Lösungsmöglichkeiten für die nachfolgenden Studierenden gefunden, wie die Änderung der Vertragslaufzeit
oder bei 3,5-jährigem Studium der Abschluss
eines befristeten Arbeitsvertrags.
Bei dem anderen Studierenden war der Abschluss des Studiums durch verschiedene Umstände nicht im Rahmen des ursprünglich geplanten Zeitpunktes im Oktober 2019 möglich.
Entsprechend dem Bildungsvertrag wurde dieser
nicht aufgelöst. Ziel war es, dass er das Studium
erfolgreich beendet, um dann ab 01.11.2020 mit
der Laufbahnausbildung zu beginnen. Dieses
Ziel konnte erreicht werden, in dem er seine Bachelorarbeit im Oktober 2020 erfolgreich verteidigte. In den Zeiten, während er nicht mit der Bachelorarbeit beschäftigt war, erfüllte er weiterhin
praktische Aufgaben in der LGB.
Bis 2019 nahmen alle dual Studierenden der LGB
ihr Studium an der Beuth Hochschule für Technik
in Berlin im Bachelorstudiengang „Geoinformati-
on“ mit dem Schwerpunkt „Geodäsie“ auf. Durch
das Studienmodell ist eine vertragliche Zusammenarbeit zwischen der LGB und der Beuth-Hochschule nicht zwingend notwendig. Aus heutiger
Sicht sollte es aber eine engere Zusammenarbeit
geben, damit bei eventuellen Problemen mit den
Studierenden ein schneller Informationsfluss vorhanden ist und einheitlich reagiert werden kann.
Außerdem kann dadurch das von der Hochschule
vorgesehene Praxissemester besser abgestimmt
werden. Eine verstärkte fachliche Zusammenarbeit ist der Themenfindung für die Abschlussarbeiten dienlich. Davon profitieren alle drei Seiten.
An der Hochschule gibt es eine breitere Themenvielfalt, für die LGB werden bestimmte Projekte
schneller bearbeitet und der Studierende erkennt
den Nutzen seiner Arbeit und damit auch des
gesamten Studiums. Erstmalig ist die Aufgabenstellung für eine 2021 anstehende Bachelorarbeit
gemeinsam abgestimmt worden.
Intensivierung der Nachwuchswerbung
Die Ergebnisse der im Jahr 2017 aktualisierten Bestands- und Bedarfsanalyse für Vermessungsfachkräfte in der Vermessungs- und Katasterverwaltung des Landes machen deutlich,
dass in Folge der Personalabgänge der kommenden Jahre ein erheblicher Mehrbedarf an
Bachelorabsolventen und Absolventen mit abgeschlossener Laufbahnausbildung gD entstehen
wird, der durch die aktuellen Ausbildungszahlen
nicht gedeckt werden kann. Das Konzept zur
Fachkräftesicherung in der Vermessungs- und
Katasterverwaltung des Landes Brandenburg
vom 15.02.2018 empfiehlt daher eine Steigerung der Neueinstellungen von derzeit drei auf
acht gD-Auszubildenden jährlich ab 2023 [2].
In den Jahren 2017, 2019 und 2020 ist es für
die Laufbahnausbildung im gehobenen vermessungstechnischen Verwaltungsdienst trotz großer Anstrengungen nicht gelungen, mindestens
drei Stellen für die gD-Ausbildung zu besetzen.
Da auf dem „freien Markt“ die künftig benötigte
höhere Anzahl an Laufbahnauszubildenden für
den gehobenen Dienst offenkundig nicht mehr
sicher akquirierbar ist, auch nicht bei verstärkter
Nachwuchswerbung, soll in der Vermessungsund Katasterverwaltung weiterhin auf das duale
Studium gesetzt werden.
Die LGB hat 2019 auf Grund der Erfahrungen
bei Messeteilnahmen und weiterer Kontakte zu
jungen Menschen die Öffentlichkeitsarbeit zur
Bewerbung des dualen Studiums intensiviert.
Es wurde der Internetauftritt überarbeitet, ein
ermessung Brandenburg 1/2021
67
Interview ///
Swen Schröder,
25 Jahre, Duales Studium Geoinformation
mit Schwerpunkt Geodäsie
Wie bist du zu dem Studium gekommen?
WelchedeinerStärkenkannstdueinbringen?
Schon immer habe ich mich für die Erde und
wiesiesichverändertinteressiert.Durchmeine
BerufsausbildungzumGeomatikerbeiderLGB
bekamicheinenEinblick,wiedieErdeerkundet,
vermessen und grafisch dargestellt wird.
MeingutesräumlichesVorstellungsvermögen
hilft mir die geometrischen Informationen
einzuordnen und mit meinem Interesse für
Naturwissenschaften kann ich neue Inhalte
schneller erfassen. Ich habe auch keine
Berührungsängste mit Computern oder
neuen technischen Geräten.
Was gefällt dir an dem Studium am besten?
Man begreift, dass so unglaublich viele
Informationen einen Raumbezug haben
und dass man diese allein auf Grund ihrer
Lage zueinander in Beziehung setzen kann.
Dadurch kann man ein völlig neues
VerständnisvonZusammenhängenerlangen.
Welche deiner persönlichen Ziele kannst du
verwirklichen?
Ich bekomme die Möglichkeit, nach meinem
StudiumineinemArbeitsumfeldzuarbeiten,
dass sowohl abwechslungsreich als auch
interessant ist. Dadurch habe ich auch
zukünftigdieMöglichkeit,meinenfachlichen
Horizont zu erweitern.
Abb. 1: Broschüre „Arbeitsplatz Erde – Brandenburg und Berlin“ [3]
38
39
Ihre Voraussetzungen
neues Faltblatt
[4] aufgelegt und auf drei Ausbildungsmessen intensiveAnsprechpartner:
Gespräche zu diesem
Thomas Gernhardt
Telefon
+49 331 8844-223
Thema geführt. Es zeigte
sich,
dass viele junge
E-Mail: Thomas.Gernhardt@geobasis-bb.de
Menschen
an
einem
dualen
Studium
interessiert
Neben den grundsätzlichen Voraussetzungen sollten
Einstellungsbehörde:
Sie vor allem:
LGB (Landesvermessung und
sind,
weil
sie
sich
besser
auf
das
Studium
kon selbstständig
Geobasisinformation Brandenburg)
zielstrebig
Heinrich-Mann-Allee 103
zentrieren
können,
ohne
nebenbei
studienfrem teamfähig
14473 Potsdam
motiviert
de bzw. Hilfsarbeiten zu
verrichten und für die
aufgeschlossen
Bewerbungsadresse:
kommunikationsfreudig und
personal@geobasis-bb.de
IT-affin sein. Zeit nach dem Studium frühzeitig Perspektiven
Bewerbungszeitraum:
ganzjährlich
möglich
erhalten. Dies zeigte sich
auch
in der Anzahl der
Für den Vertragsbeginn zum Wintersemester
(1. Oktober)
gilt als LGB
Stichtag der zur
10. Mai des
Ihre Bewerbung:
Bewerbungen auf die von
der
Verfüjeweiligen Jahres
Senden Sie uns bitte:
gung gestellten zwei Plätze. Es gingen bis 2020
▪ Ihren ausführlichen Lebenslauf
▪ ein Motivationsschreiben
und
en über Geodäsie henden ein.
jährlich
15 undInfo20
Bewerbungen
rmation
▪ Schulabgangszeugnis
(liegt zwischen
das Schulabtik und die entsprec
Grundsätzliche Voraussetzung ist die Fachhochschul- oder allgemeine Hochschulreife bis Ende des
jeweiligen Schuljahres. Vorkenntnisse im Bereich
Geoinformationstechnologien sind wünschenswert.
gangszeugnis zur Bewerbung noch nicht
vor, bitte das letzte Zwischen- oder Jahreszeugnis)
Zeugnisse über eine etwaige fachliche
Schulbildung, berufliche Ausbildung oder
sonstige Tätigkeiten
Geoinforma
auf
Studienangebote
erde.de
www.arbeitsplatz-
Für das Studium wird ganzjährig geworben; bisher war der Stichtag für die Bewerbung der 10.
Herausgeber, Layout und Druck:
Zur SicherungMai
der beruflichen
desGleichstellung
jeweiligen Jahres. Besonders 2020 hatte
von Frauen sind Bewerbungen von Frauen
ausdrücklich erwünscht. Bei gleicher Eignung
sich herausgestellt, dass dies zu spät war, weil
und Befähigung werden Bewerbungen von
Schwerbehinderten bevorzugt berücksichtigt.
gute Bewerber schon Zusagen
aus anderen InsFotos: © stokkete / Fotolia
©
Picture-Factory
/ Fotolia
titutionen hatten bzw. aus anderen Gründen
ihre
Stand: Juni 2019
Bewerbung zurückgezogen haben. Deshalb ist
der Stichtag für 2021 auf den 15. Februar vorverlegt worden. Durch die Covid-19-Pandemie sind
2020 alle Präsenzmessen ausgefallen. Dies erschwerte die Werbung für das duale Studium erheblich. Trotzdem gab es für den Studienbeginn
2021 insgesamt wieder 15 Bewerbungen.
▪
Duales Studium
NACHWUCHS
I N I T I AT I V E
Studium mit vertiefter Praxis
im Bereich Geoinformationstechnologie
Landesvermessung und
Geobasisinformation Brandenburg
DUALES STUDIUM
Neuer Musterbildungsvertrag
Das Tarifreferat des Ministeriums des Innern und
für Kommunales legte fest, dass die Richtlinie
der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL)
für duale Studiengänge und Masterstudiengänge
vom 16. Mai 2019 in der Fassung des Landes
Brandenburg vom 28. Juli 2020 auch für die von
68
ermessung Brandenburg 1/2021
Landesvermessung und
Geobasisinformation Brandenburg
Abb. 2:
Faltblatt der
LGB zum
dualen Studium
der LGB abgeschlossenen Bildungsverträge anzuwenden ist. Der alte Mustervertrag wurde dadurch abgelöst. Die Neugestaltung der Verträge
erfolgte für die Studienanwärter 2020, sodass
diese nach den neuen Verträgen ausgebildet
werden. Der Vertrag regelt viele Angelegenheiten
spezifischer und für die Studierenden auch finanziell günstiger als der ursprüngliche von der LGB
entwickelte und angewendete Vertrag. Neben
dem höheren Studienentgelt und der Jahressonderzahlung sowie den Studiengebühren sind
aufgrund dieser Regelungen durch die LGB auch
Reisekosten und Trennungsgeld für Maßnahmen
außerhalb der Ausbildungsstätte (Betriebsort
Potsdam) zu tragen. Der neue Musterbildungsvertrag entsprechend der TdL kann von der Internetseite der LGB heruntergeladen werden [5].
bildungsmarkt zeigen, sind insbesondere duale
Studienkonzepte hier ein äußerst erfolgversprechender Ansatz. Ihre hybride Struktur aus akademischer Bildung und berufspraktischer Ausbildung macht sie dabei so innovativ wie erfolgreich.
Mit der Bildung des Dezernates Aus- und Fortbildung ist 2019 in der LGB die Aufgabe des Tutors
an die Dezernatsleitung übergegangen. Damit
ist das duale Studium in das Gesamtspektrum
der Nachwuchsgewinnung vom Praktikum bis
zur Laufbahnausbildung im höheren technischen Dienst integriert worden und die Auszubildenden werden kontinuierlich in ihrem Werdegang begleitet.
Für die Sicherstellung der zukünftigen Aufgaben der Vermessungs- und Katasterverwaltung
im Land Brandenburg ist es dringend erforderlich, den erfolgreich eingeschlagenen Weg
fortzusetzen, um sich auch mit dieser Art von
Ausbildungsangeboten im sogenannten „War
for Talents“ als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Wie dargelegt, sind die Erfahrungen
der LGB mit dem im Herbst 2016 gestarteten
Pilotmodell positiv. Mit diesem innovativen und
nachhaltigen Rekrutierungsinstrument kann
dem prognostizierten Mangel an Fachkräften
wirksam begegnet werden.
Ab März 2020 wurde das gesamte Leben und Studium durch die Covid-19-Pandemie geprägt. Die
dual Studierenden waren zu Beginn in der Praxisphase in der LGB. Es wurden sehr schnell die
technischen Bedingungen geschaffen, dass sie
wie die meisten anderen Mitarbeiter der LGB mobil zu Hause arbeiten können, was teilweise auch
geschah. Der Beginn des Sommersemesters im
April wurde um 14 Tage verschoben. Dadurch ist
die Praxisphase verlängert worden. Das Studium geht seitdem fast nur noch online vonstatten.
Durch die regelmäßige finanzielle Unterstützung
der LGB können sich die Studierenden trotzdem
voll auf das Studium konzentrieren, sodass von
den Leistungen her mit guten und pünktlichen Abschlüssen gerechnet werden kann. Es fallen aber
alle praktischen Übungen an der Hochschule aus,
sodass sich Vieles nur theoretisch angeeignet
und nicht vertieft werden kann. Die Praxisphasen
im Sommer 2020 konnten im normalen Umfang
entsprechend den damaligen äußeren Bedingungen in den zuständigen Dezernaten durchgeführt
werden. Die Praxisberichte wurde geschrieben
und zum Ende des Abschnitts führten alle Dezernatsleitungen Abschlussgespräche durch. Um die
Motivation beim Studium zu erhöhen, wurde während der Vorlesungszeit regelmäßig Kontakt mit
den Studierenden aufgenommen, um sich über
die Studienfortschritte zu informieren, gemeinsam die nächste Praxisphase vorzubereiten und
die zu belegenden Wahlpflichtveranstaltungen
abzustimmen.
Fazit
Im Werben um die klugen Köpfe haben vor allem die Einrichtungen die Nase vorn, welche die
eigenen Ausbildungsanforderungen mit den Ausbildungswünschen junger Menschen am besten
vereinen. Wie die Entwicklungen auf dem Aus-
Quellen:
[1] Katharina Bigalke: Erfahrungsbericht duales Studium „Geoinformation“, Vermessung Brandenburg 1/2020, S. 59-60, https://geobasis-bb.de/sixcms/media.php/9/
vbb_120.pdf
[2] Konzept zur Fachkräftesicherung in der
Vermessungs- und Katasterverwaltung,
15.02.2018, https://geobasis-bb.de/sixcms/
media.php/9/Extern_Konzept_Fachkraeftesicherung_15-02-18.pdf
[3] Broschüre „Arbeitsplatz Erde - Brandenburg und Berlin“, S. 38-39, Stand November 2016, https://geobasis-bb.de/sixcms/
media.php/9/Broschur_Arbeitsplatz-Erde_
Web.3875696.pdf
[4] Faltblatt der LGB: Duales Studium - Studium mit vertiefter Praxis im Bereich Geoinformationstechnologie, Stand Juni 2019,
https://geobasis-bb.de/sixcms/media.
php/9/Faltblatt_LGB-Duales-Studium.pdf
[5] https://geobasis-bb.de/lgb/de/aufgaben/
fachkraeftesicherung/infotexte-fachartikel/
Thomas Gernhardt
Landesvermessung und
Geobasisinformation Brandenburg
thomas.gernhardt@geobasis-bb.de
ermessung Brandenburg 1/2021
69
Der Beelitzer Postkutscher – ein historisches
Brettspiel
In der Tradition ihrer vielen Vorgänger bewarben sich die Auszubildenden des zweiten Ausbildungsjahres der LGB im Beruf Geomatiker/-in
auch 2020 wieder beim renommierten „Ravenstein-Förderpreis für Kartographie“. Mit dem
von ihnen entworfenen Brettspiel „Der Beelitzer
Postkutscher“ haben sie die Auswahlkommission überzeugt und den Ravenstein-Förderpreis
verliehen bekommen.
Seit nunmehr zehn Jahren nehmen die Auszubildenden der LGB durchgehend an diesem Wettbewerb teil – die erste Teilnahme datiert auf das
Jahr 1999, damals wurde man noch Kartograph/in – und konnten schon einige erste Plätze belegen. Doch auch die Kartographie lebt im Wandel
der Zeit. Wurde in den frühen 2000ern noch „Eine
eindrucksvolle CD-Präsentation“ gelobt, prämierte die Auswahlkommission in den letzten Jahren
immer wieder hochklassige Webanwendungen,
von der kamerageführten Tour um den Seddiner See bis zur interaktiven Karte vom Mars. Die
Azubis des 2018er Jahrgangs verfolgten hingegen einen historistischen Ansatz, der sich nichtsdestotrotz sehr interaktiv zeigte und schließlich
überzeugte. Im Rahmen dieses Wettbewerbs
entstand so im letzten Jahr mit „Der Beelitzer
Postkutscher“ ein historisches Brettspiel, dass
nicht nur kartenbegeisterte Geschichtsfreunde in
die Mitte des 19. Jahrhunderts versetzt, eine Zeit,
als die Eisenbahn noch angsteinflößend neu und
die Fahrt mit der Postkutsche eine beliebte und
sichere Form der Individualreise war.
Doch beginnen wir am Anfang. Die LGB ermutigt
ihre Auszubildenden zur Teilnahme am Förderpreis der Kartographie-Stiftung Ravenstein. Sie
sollen dabei nicht nur ihren Geist im kreativen
Umgang mit kartographischen Themen schulen,
Techniken der Geodatenverarbeitung lernen
oder ihr schulisches Fachwissen praktisch anwenden. Die Azubis bekommen auch Einblicke
in moderne Workflow-Prozesse und erfahren
am eigenen Leib, was es heißt, mit persönlicher
Verantwortung und Abgabeterminen zu arbeiten
und wie essentiell gutes Projektmanagement in
einer immer projektorientierteren Arbeitswelt ist.
Abb. 1:
Das historische Brettspiel „Der Beelitzer Postkutscher“
70
ermessung Brandenburg 1/2021
Jenny Giesecke, Laura Haase, Johanna Kurzweg, Erik Hannibal und Christian Moskwa hielten also seit Beginn ihrer Geomatikausbildung
Ausschau nach einem spannenden kartographischen Thema, dass sie zu einem ansprechenden Ravenstein-Projekt entwickeln konnten.
So ergab es sich, dass Erik Hannibal bei einer
spontanen Wandertour auf dem Wunderblutweg
durch die Mark Brandenburg – ausgerechnet im
Fontanejahr – auf die preußischen Meilensteine
stieß, die entlang der alten preußischen Postrouten in verschiedenen Restaurationszuständen auch heute noch Reisenden die zurückgelegte Entfernung anzeigen. Dem Erschrecken,
nach mehreren Stunden erst zwei Meilen bewältigt zu haben und der beruhigenden Erkenntnis,
dass die preußische Meile 7,532 km misst, folgte bald eine Projektidee. Man könnte die alten
Postrouten kartieren, mit modernen Mitteln eine
historische Karte gestalten und in irgendeiner
Abb. 2: Detailansicht des Brettspiels
Form das Thema „Maße im Wandel der Zeit“
bearbeiten. Die klaren Formen der Distanzsteine eigneten sich zudem hervorragend für einen
3D-Druck, was die Jury bereits im Vorjahr begeistern konnte. In Anbetracht persönlicher Vorlieben der Teammitglieder stand das angestrebte Endprodukt bald fest: Ein Brettspiel.
Hier konnten diverse Kernkompetenzen der
Kartographie erprobt werden: Datenrecherche
hinsichtlich der Abmessungen und Lage der historischen Routen. Zielgruppenorientiertes und
ergebnisspezifisches Design, sowohl bezüglich
der Grafiken als auch der Texte. Produktion von
3D-Modellen zu Zwecken der Visualisierung und
Webprogrammierung zur Dokumentation und
Präsentation, inkl. der Gestaltung einer OnlineKartenanwendung. Und zu guter Letzt natürlich
das Spielbrett selbst, das als Kartenmedium sowohl Ansprüchen der klassischen Kartographie
als auch der Spielbarkeit gerecht werden sollte.
Die Frage „Geodätische Genauigkeit oder spaßige Spielbrettoptik“ sollte sich mehr als einmal
stellen.
Die Kompetenzen und Zuständigkeiten wurden
in der Gruppe verteilt und so konnten die ein-
ermessung Brandenburg 1/2021
71
zelnen Teammitglieder auch in Zeiten etwaiger
Kontaktbeschränkungen stetig an ihrem Projekt
arbeiten. Ein Besuch im nahe gelegenen Museum „Alte Posthalterei“ in Beelitz – einer gut erhaltenen preußischen Posteinrichtung, wo seinerzeit auch Kleist und Schiller Station machten
– brachte den Auszubildenden erhellende Einblicke in den Alltag von damals und setzte den
endgültigen Rahmen für das Brettspiel. Es würde sich um einen Postillion drehen, der Waren
und Personen durch das Königreich Preußen
in der Zeit vor dem norddeutschen Bund befördert. Hierzu holt man sich aus den Hauptpostämtern in Magdeburg und Berlin Aufträge und
würfelt sich entlang der Postrouten durch zeitgenössische Anekdoten. So kutschiert man zum
Beispiel Theodor Fontane nach Hamburg, damit
er seinen Posten als Außenreporter der „Neuen
Preußischen Zeitung“ in London antreten kann,
macht Umwege, um versprengte Studenten
vom zweiten Wartburgfest nach Hause zu geleiten, oder holt eine Fuhre vom – damals gerade
erst erfundenen – Baumkuchen aus Salzwedel
ab. Grafisch orientierte sich das Team an historischen Karten aus dem „geheimen Staatsarchiv
Preußischer Kulturbesitz“ und wertete das Ensemble mit detaillierten Illustrationen bekannter
Wahrzeichen der angesteuerten Städte auf. Weil
sich die Meilensteine nicht in der eigentlichen
Karte verarbeiten ließen, wurden sie angesichts
ihrer klaren, ikonischen Form zu Spielfiguren
umfunktioniert und da bereits ein 3D-Drucker
dafür organisiert worden war, wurde außerdem
das Konzept selbstgedruckter, historischer Thaler ins Spiel integriert. Ein Ereignisfeld, das statt
der Eins den Würfel zieren würde, ergänzte das
Spiel um ein abwechslungsreiches Zufallselement.
Immer mehr Baustellen taten sich also auf und
so mussten die Azubis bald erkennen, dass
Kommunikation und Zeitplanung das A und O
vernünftigen Projektmanagements sind. Doch
mithilfe der Ausbilder gelang es ihnen, die mannigfaltigen Aufgaben in geordnete Bahnen zu
lenken. Passenderweise half dabei die klassische „Meilenstein“-Methode. Texte wurden redigiert, die Karte korrigiert, Plastikmünzen mit
Goldlack besprüht und nach unzähligen Testdurchläufen und dem Formulieren einer verständlichen Spielanleitung konnten die fünf angehenden Geomatiker/-innen im Sommer 2020
auf ein fertiges Brettspiel aus eigener Feder blicken und den „Beelitzer Postkutscher“ bei der
Ravenstein-Stiftung einreichen.
Abb. 3: Verleihung des Ravenstein-Förderpreises
am 18.12.2020 in der LGB
Natürlich konnte eine Preisverleihung im Corona-Jahr nicht im gewohnten Galaformat stattfinden und so begann ein banges Warten auf die
Bekanntgabe der Preisträger, das schließlich
mit der Verleihung des ersten Preises an die
Auszubildenden der LGB ein Ende fand. Prof.
Dr. Mark Vetter, Vorsitzender der KartographieStiftung Ravenstein, würdigte die herausragende Leistung in einem Grußwort: „Das Besondere an dieser Einreichung ist die Vielfalt.
Die Erarbeitung setzt sich im Grunde aus drei
Komponenten zusammen: einer überzeugenden grafischen und kartografischen Gestaltung,
dem 3D-Druck von Brettspiel-Zubehör und einer
Website zur Begleitung des Brettspiels. Das erfordert Kreativität, Können und nicht zuletzt eine
gute Koordination der Arbeiten.“
Schlussendlich konnte unter entsprechenden
hygienischen Bedingungen am 18.12.2020 doch
noch eine kleine Preisverleihung vollzogen werden. Der Vorsitzende der Jury, Dirk Zellmer, ergänzte dazu: „Die Auszubildenden haben in ausgezeichneter Teamarbeit von der Spielidee bis
zur Umsetzung alles selbst entwickelt. Die Arbeit
besticht durch viele liebevolle Details. Die Gestaltung der Spielfiguren, Spielchips und Ereigniskarten lässt sich von der historischen Epoche
leiten und auch eine passende Kartengrundlage
für das Brettspiel wurde verwendet. Das schafft
ein echtes Erlebnisgefühl und deshalb vergibt
die Jury den Förderpreis in diesem Jahr auch
ausschließlich an die Brandenburger Auszubildenden und ihren Beelitzer Postkutscher.“
(Erik Hannibal, LGB)
72
ermessung Brandenburg 1/2021
Mitteilungen
Offen für alle – Digitaler Kundentag der LGB
Der Kundentag der LGB zeigte erneut zukunftsweisende Perspektiven für die Anwendung von
Geoinformationen. Bereits das zehnte Mal hat die
LGB zum jährlichen Kundentag eingeladen und
damit den Nutzerinnen und Nutzern eine einzigartige Plattform für den Austausch rund um das Thema Geoinformation geboten. Mehr als 170 Teilnehmende verfolgten am 11.12.2020 durchgängig
die Vorträge und beteiligten sich mit ihren Fragen
und Anregungen intensiv an den Diskussionen.
Erstmalig fand der LGB-Kundentag aufgrund der
Pandemieeinschränkungen als rein videobasierte Veranstaltung unter dem Motto: „Das zehnte
Mal ist digital“ ausschließlich online statt.
Geboten wurden in bewährter Weise sowohl Beiträge aus der LGB als auch Präsentationen von externen Referenten aus der Verwaltungspraxis und
der Wissenschaft. Damit kamen unterschiedliche
Perspektiven zur Sprache, die für alle Beteiligten
einen wertvollen Erfahrungsaustausch darstellten
und Impulse für künftige Entwicklungen bieten.
Die Zugangsdaten erhalten Sie über die von Ihnen angegebene E-Mail Adresse. Wir bitten um Anmeldung bis
zum 04.12.2020.
So wurde der zehnte Kundentag auch im Jahr
2020 zu einem „Tag der Geoinformation für Brandenburg“, der die Interessenten aus Verwaltung,
Wirtschaft, Forschung und Wissenschaft zusammenbringt, um die Potenziale der interdisziplinären Anwendung von Geoinformationen zu erkennen und zu nutzen. Das vollständige Programm
des Kundentags 2020 mit den Vorträgen als Präsentation und – erstmalig – auch als Video sind
auf der Homepage der LGB verfügbar: https://
geobasis-bb.de (Suchbegriff „Kundentag 2020“)
und ermöglichen somit, den LGB-Kundentag
nachträglich und anschaulich zu erleben.
Anmeldung
Selbstverständlich wird auch 2021 ein Kundentag stattfinden; ganz gleich ob als bewährte Präsenzveranstaltung oder aufgrund etwaiger Pandemieeinschränkungen erneut digital.
Aufgrund der aktuellen
Situation wird der Kundentag der LGB in diesem
Jahr online veranstaltet.
Tag der Geoinformation
Vorträge zur Weiterentwicklung des Planungsportals Brandenburg und Umsetzung eines
Baulückenkatasters für Städte und Gemeinden,
zur kommunalen Auswertung von 3D-Daten der
LGB sowie zur Erneuerung des Brandenburger
Geoportals zeigten moderne Anwendungen und
spannende künftige Nutzungsszenarien gleichermaßen. Gewissermaßen mit einem Blick in den
Maschinenraum präsentierte die LGB die vorgesehene Qualifizierung und veränderte Erfassung der neuen Daten der Landnutzung und der
Landbedeckung, die in den kommenden Jahren
von den Katasterbehörden und der LGB erhoben
werden und damit den erkannten Bedarfen eines
noch größeren Nutzerkreises entsprechen.
Um uns technisch optimal vorbereiten zu
können, erbitten wir Ihre Anmeldung vorrangig online über nebenstehenden QR-Code:
10.
l...
alternativ über:
E-Mail: oliver.flint@geobasis-bb.de
Fax: +49 331 8844 16 123
al ist digita
Ich nehme am 11. Dezember 2020
am Online-Kundentag der LGB teil.
Name, Vorname
Funktion
Das 10te M
Firma / Behörde / Institution
Straße, Hausnummer
Ort
E-Mail
Datum, Unterschrift
Zu den Erfahrungen gehört dieses Mal der Blick auf
das erste Jahr der kostenfreien Bereitstellung der
digitalen Geobasisinformationen aus Sicht der LGB
und aus Sicht einer Kommune. Dabei kam nicht
nur zum Ausdruck, wie stark der Abruf der „Open
Data“ in den vergangenen Monaten zugenommen
hat und dabei vielfältige Anwendungsszenarien optimiert bzw. erschlossen werden konnten. Deutlich
wurde auch, wie umfangreich die „Datenschatzkiste“ mit kostenfreien Geoinformationen gefüllt ist
und wie wichtig gerade deshalb der offene Dialog
zwischen der LGB und den Anwendern ist, der
auch weiterhin gepflegt wird. Der Kundentag hat
das eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
online am
11.12.2020
2o2o
(Stefan Wagenknecht, LGB)
Abb.:
Einladungskarte zum
digitalen Kundentag
der LGB
ermessung Brandenburg 1/2021
73
Brandenburger Geodätentag erstmals digital
Der erste Freitag und Samstag im September
war für viele Kollegen/-innen für den Brandenburger Geodätentag reserviert. Man erwartete mit Spannung Tagungsort und -programm,
freute sich auf den fachlichen Austausch und
das Wiedersehen. Aufgrund der Corona-Pandemie konnte diese traditionelle Fachtagung von
BDVI, LGB und MIK im Jahr 2020 nicht stattfinden. Lange hatten die Veranstalter gehofft, die
Fachtagung im gewohnten Format im Frühjahr
2021 oder spätestens im September 2021 nachholen zu können. Doch auch diese Hoffnungen
erfüllten sich nicht, so dass ein digitales Format
ins Auge gefasst wurde.
Am 19. März 2021 wurde der Brandenburger
Geodätentag mit einem deutlich verkürzten Programm als eintägige Videokonferenz durchgeführt. Der BDVI zeichnete für die Durchführung
der Videokonferenz verantwortlich. Inhaltlich
war die Veranstaltung an den aktuellen Themen
im Land Brandenburg mit Vortragenden aus
dem MIK, der LGB und dem BDVI ausgerichtet.
Auf einen Festvortrag und den sprichwörtlichen
Blick über den Tellerrand wurde bewusst verzichtet.
Staatssekretär Uwe Schüler nahm sehr gern die
Gelegenheit für ein Grußwort wahr und sprach
seine Anerkennung für diese Veranstaltung und
das Miteinander von Verwaltung und freiem Beruf aus. Er würdigte insbesondere die Vorreiterposition des amtlichen Vermessungswesens
in der Digitalisierung und Open Data sowie die
wichtige Unterstützung der Krisenstäbe – sei es
für Hochwasser- und Waldbrandlagen, Afrikanische Schweinepest und die uns alle beherrschende Corona-Pandemie.
Das MIK stellte in seinen Sachstandsberichten
den aktuellen Stand bei der Novellierung des
Vermessungsgesetzes (Herr Schönitz), der Anpassung der Vermessungsgebührenordnung
(Frau Vogel) und zum Pilotprojekt „vollständiger
Fortführungsentwurf“ (Herr Masur) vor. Problematisiert wurde die Anzahl der zurückgewiesenen und nicht wieder eingereichten Vermessungsschriften, die derzeit auch im Fokus der
Aufsicht stehen.
Herr Krause, ÖbVI in Falkensee, informierte
engagiert und nicht nur bei diesem Thema als
leidenschaftlicher Ingenieur über BIM. Aus sei-
74
ermessung Brandenburg 1/2021
ner Praxis heraus stellte er die Bedeutung und
Möglichkeiten von BIM für ÖbVI vor, wobei viele
Aspekte nur angerissen werden konnten. Nach
seiner Einschätzung wird sich das Verfahren
immer weiter durchsetzen, so dass eine weitere
und vertiefte Befassung angeraten erscheint.
Mit dem Bericht der ÖbVI-Aufsicht wurden diesmal durch Herrn Kahlenberg, LGB, die „taufrischen“ Daten aus den Jahresberichten der
ÖbVI für 2020 präsentiert. Während die Anzahl
der hoheitlichen Vermessungen und damit die
Auftragslage sich spürbar erhöhte (insgesamt
rd. 8 %), ging die Anzahl der Mitarbeiter/-innen
leicht zurück. Für die Aufsicht durchaus ein Anlass zur Sorge, da wichtige Angelegenheiten zurückgestellt werden müssen.
Frau Braune, LGB, stellte eindrucksvolle Zahlen und Statistiken zur Nutzung der Geobasidaten und -dienste nach Einführung von Open
Data vor. Mit den aktuellen Zahlen für Januar
und Februar 2021 zeigt sich, dass es sich nicht
um einmalige Effekte im Jahr 2020 handelt,
sondern sich die Nachfrage auf einem hohen
Niveau einpendelt. Zum Einsatz von Geobasisdaten und webbasierten GIS-Anwendungen im
Krisenmanagement berichtete Herr Rothe von
der LGB. Er gab einen Einblick in die Arbeit des
Koordinierungszentrums
Krisenmanagement
Brandenburg (KKM) und insbesondere der insgesamt neun Kollegen/-innen der LGB und des
MIK, die nun schon langjährig in den Krisenstäben mitarbeiten. Die technologische Fortentwicklung der GIS-Anwendungen ist hierbei
beachtenswert. Schwachstelle bleibt die Einbindung der Sachdaten, die aktuell, webbasiert und
in geeigneten Formaten von vielen Stellen zur
Verfügung stehen müssen.
Zum Abschluss der Veranstaltung rückte das
Thema der Fachkräftesicherung zu Recht in
den Fokus. Herr Rauch, LGB, mahnte in seinem
Sachstandsbericht zur Arbeit des Beirats zur
Fachkräftesicherung, trotz erster Erfolge in den
Ausbildungszahlen und bei der Studienförderung, in den Anstrengungen nicht nachzulassen.
Die leichten Zuwächse können den Bedarf nicht
decken und bleiben hinter den auf der Grundlage
der Bedarfsanalyse ermittelten Zahlen zurück.
Ergänzt wurde dieser Sachstandsbericht durch
den Vortrag der Social Media-Beauftragten des
BDVI, Frau Rybka. Sie nahm die Teilnehmer/-
innen mit in die Welt der #weltvermesserer.
Dabei machte sie nicht nur mit diesem Angebot
vertraut, sondern warb auch um Beiträge für die
Kampagne. Die Beispiele für geeignete und ungeeignete Beiträge machten deutlich, dass hier
Phantasie und Tempo gefragt sind. Da fühlte
sich doch der oder die eine Teilnehmer/-in recht
antiquiert – „Nachhilfe“ von Kindern und Enkeln
ist hier gefragt.
Auch wenn alle Vortragenden und Teilnehmer/innen das persönliche Miteinander und den
fachlichen Austausch am Rande der Veranstaltung vermisst haben – der erste digitale Brandenburger Geodätentag war erfolgreich und
hat über 200 angemeldete Teilnehmer/-innen
erreicht. Dabei ist davon auszugehen, dass vor
den Bildschirmen noch weitere, nicht explizit
angemeldete Kollegen/-innen teilgenommen
haben. So soll am Ende dieses Berichts ein
Dank stehen. Ein Dank an die Vortragenden,
die sich dieser neuen Form des Vortrags gestellt haben, an Herrn Schönitz als Moderator
der Veranstaltung und ein besonderer Dank an
Herrn Reichert, der als Administrator für eine
reibungslose Durchführung der Videokonferenz
gesorgt hat.
(Beate Ehlers, MIK)
ermessung Brandenburg 1/2021
75
Buchbesprechungen
Kummer/Kötter/Kutterer/Ostrau (Hrsg.)
Das deutsche Vermessungs- und
Geoinformationswesen
Verlag: Wichmann Verlag, Berlin und Offenbach
2020
1.280 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-87907-676-5
159,00 €
Die Neuauflage des Grundwerks „Das deutsche Vermessungs- und Geoinformationswesen“ von 2020 hat sich als ein wesentlicher Bestandteil der Fachliteratur für das Berufsfeld der
Geodäsie etabliert. Dieses Werk stellt die Aktualisierung der Veröffentlichung aus 2015 dar.
Wie bereits im Vorgängerband beteiligten sich
auch bei dieser Anfertigung mehr als 50 international anerkannte Expertinnen und Experten
aus Wissenschaft und Praxis.
Die Fachbeiträge geben auf über 1.200 Seiten
einen umfassenden Einblick in folgende Themenfelder:
Teil A: Gesellschaftliche Verantwortung und institutionelles Gefüge
Teil B: Aufgabenfelder und Wirkungsbereiche
Teil C: Technische Netzwerke und Transfer
Teil D: Forschung und Lehre
Teil E: Rückblick und Ausblick
Der Abschnitt „Gesellschaftliche Verantwortung
und institutionelles Gefüge“ (Teil A) umfasst zunächst die Entwicklungen im Geoinformationswesen. Dazu zählen unter anderem historische
und politische Dimensionen. Im Anschluss daran werden die Zuständigkeiten, die Organisation und verschiedene Gremien vorgestellt.
Abschließend wird in diesem Themenfeld auf
die nationale Einordnung und das internationale
Umfeld des Vermessungs- und Geoinformationswesens eingegangen.
Im Teil B werden die Aufgabenfelder des Vermessungs- und Geoinformationswesens veranschaulicht, indem Grundlagen, fachliche Inhalte,
Beispiele und gegebenenfalls Entwicklungen dargestellt werden. Zu diesen zählen beispielswei-
76
ermessung Brandenburg 1/2021
se Geoinformationssysteme, Ingenieurgeodäsie,
Erdbeobachtung und Immobilienwertermittlung.
Der dritte Abschnitt (Teil C) beinhaltet das neu
hinzukommende Kapitel „Digitale Transformation“ und beschreibt zusätzlich die Geodateninfrastruktur in Deutschland und der Europäischen
Gemeinschaft. In diesem Zusammenhang werden Normen, Standards und die Qualitätssicherung thematisiert. Ebenso wird das Thema
Geobasisdaten näher betrachtet. Dabei fokussieren sich die Autorinnen und Autoren unter
anderem auf die Bereitstellung, den rechtlichen
Schutz und die Lizensierung dieser Daten.
Ein Schwerpunkt des Teils D „Forschung und
Lehre“ beinhaltet Forschungsvorhaben. Diese
widmen sich Erkenntnissen aus den verschiedenen geodätischen Disziplinen, wie der Ingenieurgeodäsie oder der Geoinformatik und
Kartographie. Außerdem wird dem Leser ein
Überblick über mögliche Ausbildungs- und Qualifizierungswege im Geoinformations- und Vermessungswesen gegeben.
Insgesamt wurden mit der Neuauflage 2020 „Das
deutsche Vermessungs- und Geoinformationswesen“ die Inhalte des Vorgängerbands aufgenommen und durch aktuelle Entwicklungen erweitert.
Demnach erfüllt die vorliegende Ausgabe die
Bestrebungen, langfristig einen zeitlichen Abriss
über das Berufsfeld der Geodäsie zu realisieren.
Aufgrund der fachlichen Vielfalt ist dieses Werk
nicht ausschließlich als reines Lehrbuch, sondern
auch als Nachschlagewerk und Wissensspeicher
für die Berufsanwendung zu empfehlen.
(Maria Panoscha, Linda Püngel, Julia Zyska,
ehemalige Referendarinnen der LGB)
Aus dem Angebot der LGB
Erste Orthophotos in neuer
TrueDOP-Qualität
Seit November 2020 werden Orthophotos in einer neuen Qualitätsstufe hergestellt.
Mit der Qualität des TrueDOP-Verfahrens werden alle Objekte im Bild genau von oben gesehen
und lagerichtig dargestellt. Die Umstellung der Orthophotos für die gesamte Fläche Brandenburgs
soll innerhalb der nächsten drei Jahre erfolgen.
Auf unserer Internetseite > Luftbilder aktuell können Sie anhand weiterer Bildbeispiele beide
Bildqualitäten mit einem Schieberegler betrachten und vergleichen.
Klassisches Orthophoto
Wesentliche Vorteile sind:
keine Umklappungen
keine sichttoten Räume
Deckungsgleichheit mit anderen Produkten
(z. B. Gebäudeumrisse, DTK)
echte 2D-Abbildungen ohne Fassadenteile
TrueDOP-Qualität
Weitere Informationen erhalten Sie über unseren Kundenservice oder auf unserer Internetseite.
Kundenservice:
kundenservice@geobasis-bb.de
Internet:
https://geobasis-bb.de
Onlineshop:
https://geobroker.geobasis-bb.de/
ermessung Brandenburg 1/2021
77
Ministerium des Innern und für Kommunales
des Landes Brandenburg
Vermessungs- und Geoinformationswesen,
Grundstückswertermittlung
Henning-von-Tresckow-Str. 9 -13
14467 Potsdam
1/2021