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Full text: Vermessung Brandenburg (Rights reserved) Issue2021,1 (Rights reserved)

 ERMESSUNG BRANDENBURG Chancen und Risiken einer elektronischen Vermessungsurkunde Anwendungsbereich und Grenzen von Unschädlichkeitszeugnissen https://geoportal.brandenburg.de/aktionsplan 20 Jahre SAPOS®-Regelbetrieb in Brandenburg Staffelde im Tausch gegen die „spitze Nase“ Der lange Weg zur besseren Qualität Aktualisierung der Nutzungsarten – ein Praxisbericht aus dem Norden 1/2021 Impressum Nr. 1/2021 26. Jahrgang Schriftleitung: Andre Schönitz (MIK) Christian Killiches (LGB) Redaktion: Stephan Bergweiler (LGB) Anett Thätner (Katasterbehörde Teltow-Fläming) Frank Netzband (Katasterbehörde Oberhavel) Lektorat: Michaela Gora (MIK) Layout: Nicole Schall (LGB) Einsendungen von Manuskripten werden erbeten an: Schriftleitung Vermessung Brandenburg Ministerium des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg (MIK) Vermessungs- und Geoinformationswesen, Grundstückswertermittlung Henning-von-Tresckow-Str. 9 –13 14467 Potsdam E-Mail: schriftleitung.vermessung@mik.brandenburg.de Redaktionsschluss: 31.03.2021 Herstellung, Druck und Vertrieb: Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg (LGB) Heinrich-Mann-Allee 103 14473 Potsdam Telefon: +49 331 8844-123 Telefax: +49 331 884416-123 E-Mail: vertrieb@geobasis-bb.de Autoren-Hinweise: Die Regeln zur Manuskriptgestaltung stehen im Internet zum Download unter: https://geobasis-bb.de > Geodaten > Publikationen und Infomaterial > Vermessung Brandenburg Vermessung Brandenburg erscheint zweimal jährlich und ist zum Abonnementspreis von 2,50 Euro (+ Porto und Verpackung) bei der Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg zu beziehen. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. ISSN 1430-7650 Vorwort Erfolgreiche Krisenbewältigung hat ihre Wurzeln lange vor der Krise Seit über einem Jahr begleitet uns die Covid19-Pandemie. Nach den harten Maßnahmen im Frühjahr vergangenen Jahres folgte eine Entspannung im Sommer, die viele denken ließ, die Pandemie sei vorbei. Die explodierenden Zahlen im Herbst waren ein Schock. Nein, es ist nicht vorbei. Der erneute Shutdown und die Verschärfung bzw. Verlängerung der Eindämmungsmaßnahmen waren und sind notwendig, um die Infektionszahlen und die wirtschaftlichen Schäden nicht ins Unermessliche wachsen zu lassen. Wir in der Vermessungsverwaltung und in den Büros der ÖbVI sind bisher gut durch die Krise gekommen. Unsere Dienste sind notwendig und gefragt, ob im Koordinierungszentrum Krisenmanagement in Brandenburg, in den Landes- und Kreisverwaltungen, für die Wirtschaft und nicht zuletzt für die Bürger. Dazu gehören das Aufsetzen eines Corona-Dashboards für das Koordinierungszentrum Krisenmanagement, hohe Datenabfragen aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen oder die schnelle Umsetzung der sog. 15-Kilometer-Regel im Brandenburgviewer. Eines wird in dieser Pandemie sehr deutlich. Um Schäden in der Wirtschaft, Mängel in der Bildung und Verwaltung möglichst gering zu halten, ist die Digitalisierung der entsprechenden Bereiche ein wichtiges Werkzeug. Hier haben die letzten Wochen und Monate gezeigt, dass das Tempo in einigen Bereichen noch zu erhöhen ist. Die Vermessungsverwaltung und die Büros des freien Berufs im Land Brandenburg haben ihre Schularbeiten gemacht und schon vor vielen Jahren intensiv an der Modernisierung und Digitalisierung ihrer Verfahren und Portale gearbeitet. So kann die Betreuung unserer Kunden z. B. auch aus dem Homeoffice heraus erfolgen. Auskünfte und Datenabgaben aus den amtlichen Portalen erfolgen digital über das Internet – Dank Geobroker, Geoportal und Lika-Online. Selbst die Vorbereitung der Vermessungsunterlagen erfolgt mit dem Bereitstellungsportal automatisiert. Die Prüfung und Übernahme war weiterhin möglich. Wichtige Bereiche in der Wirtschaft und Verwaltung, die auf Geodaten angewiesen sind, bleiben arbeitsfähig und produktiv. Der Immobilienmarkt und die Baubranche werden nicht behindert und wichtige Infrastrukturmaßnahmen können weitergeführt werden. Vor wenigen Wochen wurde nach umfassender technologischer Erneuerung das Geoportal Brandenburg freigeschaltet. Eine Vielzahl von Verwaltungsleistungen baut auf Geodaten auf. Geodaten sind deshalb eine Querschnittsressource, auch und gerade im Rahmen der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) im Land Brandenburg. Unser Dank gilt allen Kolleginnen und Kollegen in den Verwaltungen des Landes, der Landkreise und kreisfreien Städte sowie den ÖbVI für ihre engagierte Arbeit in dieser schwierigen Zeit. Der Grundstein dafür wurde bereits vor Jahren gelegt. Gemeinsame Schriftleitung Andre Schönitz und Christian Killiches ermessung Brandenburg 1/2021 1 2 ermessung Brandenburg 1/2021 Inhaltsverzeichnis VORWORT...................................................................................................................................... 1 BEITRÄGE...................................................................................................................................... 4 Chancen und Risiken einer elektronischen Vermessungsurkunde.......................................... 4 Anwendungsbereich und Grenzen von Unschädlichkeitszeugnissen Systematische Vorgehensweise zur Beurteilung der Unschädlichkeit.................................. 16 https://geoportal.brandenburg.de/aktionsplan....................................................................... 28 20 Jahre SAPOS®-Regelbetrieb in Brandenburg................................................................... 32 Staffelde im Tausch gegen die „spitze Nase“ Zu geschichtlichen Hintergründen der Festlegung der Festlandabschnitte der deutsch-polnischen Grenze in den Jahren 1945 bis 1951.............................................. 41 Der lange Weg zur besseren Qualität.................................................................................... 45 Aktualisierung der Nutzungsarten – ein Praxisbericht aus dem Norden............................... 55 NACHWUCHSINITIATIVE........................................................................................................... 66 Das duale Studium in der LGB hat sich etabliert................................................................... 66 Der Beelitzer Postkutscher – ein historisches Brettspiel....................................................... 70 MITTEILUNGEN........................................................................................................................... 73 Offen für alle – Digitaler Kundentag der LGB........................................................................ 73 Brandenburger Geodätentag erstmals digital.......................................................................... 74 BUCHBESPRECHUNGEN.......................................................................................................... 76 Das deutsche Vermessungs- und Geoinformationswesen.................................................... 76 ermessung Brandenburg 1/2021 3 Frank Netzband Chancen und Risiken einer elektronischen Vermessungsurkunde In den vergangenen Jahren wurde in mehreren Klausurberatungen und auch kleineren Runden verschiedentlich über Möglichkeiten und Notwendigkeiten einer medienbruchfreien elektronischen Vorgangsbearbeitung bei der Einreichung, Prüfung, Übernahme und Langzeitspeicherung der für die Fortführung des Liegenschaftskatasters relevanten Unterlagen gesprochen. Umgesetzt wurde bisher nichts. Einige Aspekte der in diesem Zusammenhang von mir gesammelten Erkenntnisse, Einsichten und gelegentlich kontrovers diskutierten Themen möchte ich hier in der wohlverstandenen Hoffnung wiedergeben, damit eine breitere Diskussion im Land anzustoßen. Einleitung Im vergangenen Herbst wurde ich als sachverständiger Zeuge ins Landgericht Neuruppin geladen. Es ging (verkürzt dargestellt) wieder einmal um die Frage, ob ein Jahrzehnte alter Maschendrahtzaun maßgeblich für die Lage einer Grundstücksgrenze sein könne. Die Einzelrichterin betrachtete fasziniert die von mir mitgebrachte gar wunderbar colorierte Vermessungsurkunde aus dem Jahr 1903, ließ sich das Verfahren der Grenzfeststellung ausführlich erklären, schaute dann ein wenig ratlos auf die streitenden Parteien und schickte uns schließlich alle nach Hause. In Anbetracht dieser auf gutem preußischen Urkundenpapier für die Ewigkeit niedergelegten Tatbestände an Grund und Boden gäbe es doch gar keinen Raum für Zweifel. Es war nicht mein erstes derartiges Aha-Erlebnis vor Gericht. Wir sind gut beraten, wenn wir sorgfältig überlegen, ob uns die möglichen Effektivitätsgewinne einer medienbruchfreien digitalen Vorgangsbearbei- tung den Verzicht auf die pure Überzeugungskraft einer Papierurkunde wert sind. Vergessen sollten wir auch nicht, dass wir langfristiger denken müssen als viele andere Zweige der Kommunalverwaltung. Eine dauernde Aufbewahrungspflicht für die Ergebnisse der Verwaltungstätigkeit ist nicht der Normalfall und hat zwangsläufig Auswirkungen auf die Konzepte der Datenhaltung. Anderseits hat die Digitalisierung und der mit ihr einhergehende digitale Wandel die Lebenswirklichkeit unserer Gesellschaft bereits jetzt tiefgreifend verändert. Begriffe wie eIDAS, Vertrauensdienstesystem und Single Digital Gateway werden zukünftig unser Arbeitsleben in hohem Maße bestimmen. Insofern sei mir verziehen, wenn ich diesem für uns noch neuen Ökosystem viel Beachtung einräume. Insbesondere die Justiz, für die wir letztendlich den nicht unbeträchtlichen Aufwand unserer Urkundenarchive betreiben, arbeitet mit atemberaubender Geschwindigkeit am Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs. Wir selbst waren, wie in § 16 Absatz 3 des Brandenburgischen Vermessungsgesetzes nachzulesen ist, im Jahre 2008 (Abb. 1) dem Zeitgeist schon einmal weit voraus. Diesen Vorsprung haben wir heute jedoch zweifelsfrei eingebüßt, auch weil die technische Entwicklung rund um qualifizierte Signaturen und der damit hohe Aufwand im täglichen Arbeiten bisher immer noch sehr hoch waren. Was für die Grenzniederschrift möglich war, sollte auch für die Dokumentation der eigentlichen Tatbestände an Grund und Boden in der Vermessungsurkunde gedacht werden dürfen. Die Begründung passt heute so gut wie damals. Meines Wissens hat in den vergangenen 12 Jahren jedoch niemand die Option der elektronischen Grenzniederschrift gezogen. Absatz 3 eröffnet erstmals die Möglichkeit, die Grenzniederschrift in elektronischer Form aufzunehmen. § 61 Abs. 1 Nr. 8 Beurkundungsgesetz lässt die Beurkundung von Tatbeständen durch Behörden oder Öffentlich bestellte Vermessungsingenieurinnen oder -ingenieure, die am Grund und Boden durch vermessungstechnische Ermittlungen festgestellt werden, aufgrund landesrechtlicher Vorschriften unberührt. Zugleich wird der Landesgesetzgeber ermächtigt, neues Recht zu setzen. Diese Möglichkeit nutzt die Regelung [1]. Abb. 1: Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung zur Strukturreform des amtlichen Vermessungswesens von 2008 4 ermessung Brandenburg 1/2021 Dafür gibt es einen durchaus nachvollziehbaren Grund; die für das Verfahren erforderliche qualifizierte elektronische Signatur (qeS). Greifen wir also einmal zum Lexikon und stellen uns die Frage: Was ist eine qeS, wo kommt sie her und geht es eventuell einfacher? Die (elektronische) Urkunde und die elektronische Signatur (eS) Urkunden im Sinne der Zivilprozessordnung (ZPO) sind schriftliche Gedankenäußerungen, die einer objektiven Deutung allein aufgrund ihrer Wahrnehmung zugänglich sind. Der Begriff der Urkunde enthält keine Beschränkung auf rechtsgeschäftliche Erklärungen, so dass auch Tatsachenäußerungen und sachkundige Ausführungen umfasst sind. Auf die Art der Herstellung und das Vorhandensein einer Unterschrift kommt es, soweit nur der Urheber aus der Urkunde selbst heraus erkennbar ist, nicht an. Damit fällt zweifelsfrei auch unser in der tatsächlichen Vermessungspraxis regelmäßig elektronisch erstellte und erst nach Schlussbearbeitung ausgedruckte Fortführungsriss in die Kategorie Urkunde. Diese eminent wichtige Urkundeneigenschaft muss nach einhelliger Meinung aller meiner Gesprächspartner auch bei einer medienbruchfreien elektronischen Vorgangsbearbeitung weiterhin gewährleistet sein. Auch dann, wenn das Restrisiko statistisch vernachlässigbar scheint. Ungeachtet der vielen Jahrzehnte Praxiserfahrung konnte in den Gesprächsrunden kein Fall benannt werden, in dem ein Gericht tatsächlich über die Echtheit eines Fortführungsrisses entscheiden musste. Maßgeblicher Gesichtspunkt für die noch weit verbreitete Einordnung des elektronischen Dokumentes als Gegenstand des richterlichen Augenscheins ist die fehlende Verkörperung auf einem unmittelbar, also ohne technische Hilfsmittel, lesbaren Schriftträger. Dieses Manko steht einer Gleichstellung elektronischer Dokumente mit Urkunden vermeintlich entgegen. Die Vorschriften über den Urkundenbeweis stellen eine Ausnahme vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung dar. Sie nehmen die richterliche Entscheidung über den Beweiswert des vorgelegten Dokumentes quasi vorweg. Der hohe praktische Beweiswert beruht jedoch nur mittelbar auf den Regelungen der ZPO. Viel entscheidender ist die Bedeutung der Urkunden im Rechtsverkehr und ihre durch eine Jahrhunderte lange Tradition erworbene Wertschätzung. Elektronische Dokumente müssen sich diesen Vertrauensbonus erst noch verdienen. Dies und die Etablierung von elektronischen Hilfsmitteln zur Beweiswerterhaltung erfordert erfahrungsgemäß Zeit. Und so ist bis heute die qeS der einzige im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und in der ZPO vorgesehene Echtheitsbeweis für elektronische Dokumente (Abb. 2), obwohl es seit 2016 im unmittelbar geltenden europäischen Recht wirkungsgleiche Alternativen gibt. Bisher ist mit diesen Werkzeugen im deutschen Zivilrecht nur eine herausgehobene Beweiskraft gegeben, welche eben kein Urkundenbeweis ist. " Gemäß § 371 a Absatz 3 Satz 1 der Zivilprozessordung finden die Vorschriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden auf elektronische Dokumente entsprechende Anwendung, wenn sie von einer öffentlichen Behörde innerhalb ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form erstellt sind. Die für uns so wichtige, bei Urkunden in Papierform automatisch gegebene, Vermutung der Echtheit besteht hier aber nur, wenn das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist. Abb. 2: Regelungen der Zivilprozessordnung zur Echtheitsvermutung elektronischer Dokumente Unser Vermessungsgesetz sowie auch die ZPO und das VwVfG beziehen sich noch auf das am 29. Juli 2017 außer Kraft getretene Signaturgesetz [2], nach welchem die qeS alternativlos für die Rechtssicherheit von elektronischen Prozessen der öffentlichen Verwaltung war. Das Signaturgesetz wurde abgelöst durch das Vertrauensdienstegesetz (VDG) [3], welches wiederum weitgehend auf die Verordnung [EU] Nr. 910/2014 über elektronische Transaktionen im Binnenmarkt (eIDAS-Verordnung) [4] aufbaut. Ziel der eIDAS-Verordnung ist es, einheitliche europäische Regelungen für Signaturen, Siegel und Zeitstempel zu schaffen und einen konformen Umgang mit diesen Vertrauensdiensten im digitalen Binnenmarkt zu ermöglichen. Dieses von mir in der Einleitung so respektlos als Ökosystem (Abb. 3) bezeichnete Zusammenspiel von staatlich überwachten und garantierten ermessung Brandenburg 1/2021 5 eIDAS Vertrauenssystem eIDAS-Dienste eID CA Identifizierungsdienst SigS VaIS Signatur- und Siegelerstellungsdienst Validierungsdienst ID ID TSA Zertifizierungsdienst Zeitstempeldienst Press EDS Bewahrungsdienst Zustelldienst eIDAS-basierter Transaktionsdienst Benutzer Abb. 3: Zusammenspiel der Dienste nach eIDAS-Verordnung Arten von elektronischen Signaturen (eS) mit Rechtsfolgen (einfache) eS fortgeschrittene eS • Jegliche elektronische Daten, die zum Unterzeichnen verwendet werden. • Kann auch eine kopierbare oder eingescannte Unterschrift sein. • Geschützt durch geheimen privaten Schlüssel des Unterzeichnenden. • Nachträgliche Veränderung des Dokumentes erkennbar. • Freie richterliche Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) • Immer noch freie richterliche Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) Abb. 4: Rechtswirkungen der elektronischen Signatur im deutschen Zivilrecht 6 ermessung Brandenburg 1/2021 qualifizierte eS • Technisch identisch mit fortgeschrittener eS. • Erstellung, Überprüfung und Validierung der qeS durch einen Vertrauensdiensteanbieter. • Ersetzt gesetzliche Schriftform (§§ 126, 126a BGB), • Beweiskraft öffentlicher Urkunden (§ 371a ZPO) Diensten gestattet uns, die komplette Existenz innerhalb der gesamten Europäischen Union ungefährdet elektronisch auszuleben. Die bisherige Differenzierung (Abb. 4) zwischen einfachen, fortgeschrittenen und qualifizierten Signaturen wird im Wesentlichen beibehalten. Neu hinzu kommen elektronische Siegel sowie Fernsignaturen (z. B. die Handy-Signatur), welche zahlreiche elektronische Unterschriftsprozesse erheblich komfortabler gestalten werden. Die qeS fungiert als Äquivalent zur handschriftlichen Unterschrift. Sie garantiert, dass die digitalen Dokumente unverändert vorliegen/ übermittelt wurden und weist sicher nach, wer das Dokument unterzeichnet hat. Eine qeS basiert auf der Verwendung zweier elektronischer Schlüssel: • • dem privaten Schlüssel (Private Key) dem öffentlichen Schlüssel (Public Key) Der öffentliche Schlüssel ist Bestandteil eines digitalen Zertifikates, das die Identitätsangaben zum Inhaber enthält. Mit dem privaten Schlüssel, über den nur der Zertifikatsinhaber verfügt, können elektronische Dokumente digital unterschrieben werden. Mit dem öffentlichen Schlüssel kann jeder diese Dokumente prüfen, insbesondere den Urheber und die Unverfälschtheit der Daten erkennen. Benötigt wird eine Smartcard, auf der ein qualifiziertes Organisationszertifikat und ein kryptografisches Schlüsselpaar hinterlegt sind. Außerdem sind ein Kartenlesegerät und eine gängige Signatur-Software notwendig. Dies klingt für eine technikaffine Behörde wie die unsere zunächst einmal nicht nach einer unüberwindbaren Hürde. auf informationelle Selbstbestimmung begründete Klage dagegen wurde abgewiesen. Gerade im Datenschutzkontext ist die psychologische Hürde jedoch offenkundig unverändert hoch (Abb. 5). In das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird durch die streitgegenständliche Weisung eingegriffen, weil die Klägerin nicht mehr frei entscheiden kann, wann sie wem welche Daten zur Verfügung stellt. Durch die Weisung wird sie verpflichtet, einem von der Beklagten ausgewählten Zertifizierungsdiensteanbieter die aus dem Personalausweis ersichtlichen Daten zur Verfügung zu stellen. Dieser Eingriff ist der Klägerin zumutbar. Abb. 5: Zitat aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Hier ist jedoch Erleichterung in Sicht. Der IT-Planungsrat hat in seiner Sitzung am 23. Oktober 2020 [6] den Bund gebeten, eine Siegelfunktion für die Digitalisierung von Verwaltungsakten, die der Schriftform bedürfen, technisch und rechtlich zu prüfen (Abb. 6). Eine entsprechende Übernahme in die Zivilprozessordnung ist zu erwarten. Elektronische Bescheide, für die die Schriftform angeordnet ist, müssen aktuell mit der qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) versehen sein. Diese ist personenbezogen, d. h. Mitarbeitende in der Verwaltung müssen eine persönliche qeS erhalten und können diese nur mit zusätzlicher Hardware, einer Signaturkarte und einer dazugehörigen PIN an den Bescheid anbringen. Diese persönlichen qeS müssen zudem von der Behörde autorisiert, verwaltet und regelmäßig erneuert werden. Dies ist sehr teuer. Praktisch führen diese Vorgaben dazu, dass kaum eine Behörde elektronische Bescheide schriftformersetzend mit qeS erlässt. Ein größeres Problem war und ist es wohl, dass eine qeS ausschließlich an natürliche Personen ausgegeben wird und wir zwangsläufig als Behörde auftreten. Abb. 6: Zitat aus dem Sitzungsprotokoll des IT-Planungsrates vom 23.10.2020 Das Bundesarbeitsgericht hat zwar schon 2013 [5] entschieden, dass der jeweilige Arbeitgeber Angestellte zur Beantragung und Nutzung einer elektronischen Signaturkarte im Rahmen der übertragenen Aufgaben verpflichten kann. Die hauptsächlich mit einer Verletzung des Rechtes Elektronische Siegel sind Daten in elektronischer Form, die anderen Daten in elektronischer Form beigefügt oder logisch mit ihnen verbunden werden, um ihren Ursprung und ihre Unversehrtheit zu bestätigen. Das Siegel ermessung Brandenburg 1/2021 7 verschmilzt mit den elektronischen Daten, die versiegelt werden, zu einer Einheit – ähnlich wie Siegellack, der auf einer Urkunde aufgetragen wird. Elektronische Siegel bieten damit eine doppelte Echtheitsgarantie, dass • • tatsächlich diejenige Behörde das Dokument ausgestellt hat, die als Absender genannt ist und die Daten des Dokuments hundertprozentig dem Original entsprechen, also nicht im Nachhinein verändert wurden. Im Gegensatz zur personenbezogenen Signatur handelt es sich beim Siegel um ein Organisationszertifikat, welches problemlos mit bestimmten Rollen und Berechtigungen in der Behörde verknüpft werden kann. Erhältlich ist die Siegelkarte bei qualifizierten Vertrauensdiensteanbietern. Nur diese erfüllen die strengen Anforderungen der eIDAS-Verordnung an Sicherheit und Haftung. Sie unterliegen überdies der Aufsicht der Bundesnetzagentur und werden alle zwei Jahre von unabhängigen Auditoren zertifiziert. Dies könnte unsere Zukunftslösung sein. Die Frage lautet also: Weiter abwarten oder jetzt starten? Für das Abwarten spricht die rasante Entwicklung im elektronischen Recht. Die beabsichtigte Einführung einer einheitlichen Identifikationsnummer zur eindeutigen Zuordnung der betroffenen Person als Grundlage jedes behördenübergreifenden Datenaustausches im beabsichtigten Registermodernisierungsgesetz verspricht hier einen weiteren Modernisierungsschub. Eventuell bekommen wir ohne eigene Anstrengung eine rechtssichere Musterlösung in den Schoß gelegt. Hier besteht allerdings die Gefahr, dass es dann nicht die für unsere Belange optimale Lösung wird. Wenn wir jetzt starten, können wir die Entwicklung steuern. Wie lange diese Chance noch besteht, ist unsicher. Eine gewisse Ungeduld im politischen Raum ist schließlich durchaus wahrnehmbar. Als Beleg mag ein Auszug (Abb. 7) aus dem Beratungsbericht des Landesrechnungshofes an den Landtag zum Thema der Umsetzung der Digitalisierung im Land Brandenburg dienen [7]. Die Kollegen im Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung sind bei der Novellierung der Brandenburgischen Bauordnung 2020 mit der absolut vergleichbaren Zielstellung einer 8 ermessung Brandenburg 1/2021 Exemplarisch umschreibt die Einschätzung des MIK das Agieren der Landesverwaltung: „In den vergangenen zwei Jahren [haben] einige Fachministerien Energien in die Abwehr des Onlinezugangsgesetzes respektive des Brandenburgischen E-Government-Gesetzes gesteckt, anstatt diese Zeit sinnstiftend, zielführend und verantwortungsvoll in Projekt- und Umsetzungsplanungen zu investieren.“ Abb. 7: Zitat aus Bericht des Landungsrechnungshofes Bei der digitalen Einreichung und Bearbeitung von Bauanträgen erweisen sich die vielfältigen und pauschalen Schriftformerfordernisse als überflüssig. Für digitale Unterschriftsleistungen sind ersetzende Formen erforderlich. … Die digitalen Ersatzformen für die Unterschrift (Digitale Signatur) haben sich jedoch auch nach Einführung des elektronischen Personalausweises in JedermannVerfahren kaum durchgesetzt. Abb. 8: Zitat aus der Begründung zur Novellierung der Brandenburgischen Bauordnung ausschließlich elektronischen Kommunikation den vermeintlich einfacheren Weg (Abb. 8) gegangen und haben im Gesetzestext die Schriftform kurzerhand durch die Textform (lesbare Erklärung) ersetzt [8]. Wie die Justiz diese neu eingeführte niederschwellige Form der elektronischen Antragstellung bewertet, wird abzuwarten sein. Ich denke, für die Vermessungsurkunden des amtlichen Verzeichnisses der Grundstücke kommt eine solche Vereinfachung keinesfalls in Frage. Oder doch? Die unlängst in meinem Posteingang gefundene frühzeitige Beteiligung zur Änderung der Brandenburgischen Bauvorlagenverordnung (Schreiben vom 01.02.2021, zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht) betrifft mit dem amtlichen Lageplan eine andere Urkunde. Mit einer wortgleichen Begründung (Abb. 9) ließe sich jedoch auch aus der Vermessungs­ urkunde per Federstrich ein elektronisches, aus urkundenrechtlicher Sicht ziemlich wertloses Dokument machen. Ist es nunmehr nicht für uns höchste Zeit, die Phase der Diskussion zu verlassen und selbstbestimmt zu handeln? Dass diese Verfahrensweise im Umgang mit bisher der Schriftform bedürftigen Verwaltungsvorgängen zeitnah zum Brandenburger Standard erklärt wird, ist angesichts des aufgestauten Handlungsdrucks immerhin vorstellbar. Auf die Erforderlichkeit der „Beurkundung mit öffentlichem Glauben“ wird verzichtet. Sie steht einer elektronischen Antragstellung entgegen. Auf die Forderung kann verzichtet werden, da der amtliche Lageplan nur von entsprechend qualifizierten Stellen, wie der Katasterbehörde oder einer Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurin oder einem Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur erstellt werden darf. Abb. 9: Zitat aus der Begründung zur Änderung der Brandenburgischen Bauvorlagenverordnung Durch vereinte Stellungnahme aus dem Ministerium des Innern und für Kommunales und der kommunalen Ebene konnte die Streichung der Urkundeneigenschaft des amtlichen Lageplanes in Brandenburg gerade noch verhindert werden. Langzeitmanagement elektronischer Vermessungsurkunden im E-Archiv Wenn wir uns für die elektronische Vermessungs­ urkunde entscheiden, stellt sich automatisch die Frage nach dem Speicherort und der langfristigen Beweiswerterhaltung. Elektronische Dokumente können ja leider aus sich heraus nicht gelesen werden. Die Lesbarkeit und die Verfügbarkeit müssen unabhängig von einzel- nen Produkten und Herstellern auf lange Zeit gesichert sein. Aber mit dieser Herausforderung stehen wir ja nicht allein. Ich denke, inzwischen haben alle Landkreise und kreisfreien Städte in Brandenburg Dokumentenmanagementsysteme im Einsatz. Wir können davon ausgehen, dass alle diese Systeme den Anforderungen der Technischen Richtlinie „ESOR“ (TR-ESOR-Beweiswerterhaltung kryptographisch signierter Dokumente) des BSI [9], welche sich zum Quasi-Standard in Deutschland entwickelt hat, entsprechen. Unter dieser Voraussetzung könnten wir alles so lassen wie es ist und die Aufgabe der Archivierung weiter der Verantwortung der einzelnen Katasterbehörden anvertrauen. Nur, wäre dies sinnvoll? Oder sollten wir im Sinne der einheitlichen Aufgabenwahrnehmung nicht doch auf einen elektronischen Vermessungsurkunden-TRESOR beim Landesbetrieb LGB orientieren? Schon aus sicherheitstechnischen Erwägungen scheint mir persönlich der zentrale Ansatz vernünftiger. Der informationstechnische Fortschritt, ob wir nun an Quantencomputer, künstliche Intelligenz oder ganz andere noch im Nebel der Zukunft liegende Konzepte denken, schreitet voran. Heute als absolut sicher geltende Verschlüsselungsmechanismen werden dies morgen nicht mehr sein. Der Gesetzgeber hat hier vorgesorgt. Im Vertrauens­ dienstegesetz finden wir in § 15 folgende Formulierung: „Sofern hierfür Bedarf besteht, sind qualifiziert signierte, gesiegelte oder zeitgestempelte Daten durch geeignete Maßnahmen neu zu schützen, bevor der Sicherheitswert der vorhandenen Signaturen, Siegel oder Zeitstempel durch Zeitablauf geringer wird.“ (Abb. 10) Die Beweiswerterhaltung für unsere theoretischen elektronischen Vermessungsurkunden könnte einem bei der Bundesnetzagentur gelisteten Bewahrungsdienst übertragen oder alternativ bei der LGB selbst angesiedelt werden. Der Aufwand scheint überschaubar (Abb. 11), da es bei der erforderlichen Neusignierung/Neusiegelung aus juristischer Sicht genügt, wenn ein neuer qualifizierter Zeitstempel um alle zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhandenen Daten gelegt wird [9]. ermessung Brandenburg 1/2021 9 Technische Machbarkeit Die Norm ermöglicht es qualifizierten Vertrauensdiensteanbietern, deren Kunden sowie Dritten (beispielsweise dem Empfänger einer qualifiziert signierten Willenserklärung), den Beweiswert von Daten langfristig zu erhalten, sofern hierfür – etwa aufgrund vertraglicher Vereinbarungen – Bedarf besteht, jegliche Daten langfristig zu sichern. Die langfristige Sicherung qualifiziert signierter Daten erfolgt derzeit durch Neusignieren oder erneutes Zeitstempeln der signierten Daten, bevor die verwendeten Algorithmen und Parameter ihre Sicherheitseignung verlieren. Die Beobachtung der Sicherheitseignung und die Neusignierung bzw. das erneute Zeitstempeln ist nicht Bewahrungsdiensten vorbehalten, sondern kann auch von den genannten Personen selbst vorgenommen werden. Die Einhaltung des Standes der Technik wird jedenfalls dann vermutet, wenn die entsprechenden und jeweils aktuellsten, im Bundesanzeiger bekannt gemachten Schutzprofile und Technischen Richtlinien des BSI eingehalten werden. Auf Konformität mit europäischen Standards ist zu achten [10]. Abb. 10: Zitat aus der Begründung zum Vertrauensdienstegesetz Um eine wirtschaftliche neue Sicherung zu ermöglichen, ist es zudem nach [VDG, § 15] nicht erforderlich, für jedes elektronische Datum, das erneut signiert bzw. gesiegelt bzw. zeitgestempelt werden muss, einen eigenen elektronischen Zeitstempel einzuholen. Ein elektronischer Zeitstempel darf sich vielmehr auf beliebig viele signierte bzw. gesiegelte bzw. zeitgestempelte Daten beziehen. … Die neue Sicherung eines Teils eines elektronischen Archivs ist damit auch automatisiert möglich. … Die Erstellung qualifizierter elektronischer Signaturen bzw. Siegel oder qualifizierter Zeitstempel im Massenverfahren ist ebenfalls zulässig. Abb.11: Zitat aus TR-ESOR (BSI TR 03125) Gegenüber anderen Behörden, welche sich mit medienbruchfreien Verwaltungsprozessen beschäftigen, hat die Vermessungs- und Katasterverwaltung in Brandenburg einen gewaltigen Vorsprung. Die technischen Basiskomponenten stehen mit dem Bereitstellungsportal, dem elektronischen Rissarchiv (ANS) und den elektronischen Geschäftsbüchern der Katasterbehörden im Grundsatz schon zur Verfügung. Da es Eigenentwicklungen sind, haben wir die volle digitale Souveränität. Und genau dies ist, wie die letzten Monate überdeutlich gezeigt haben, insbesondere in kritischen Situationen eminent wichtig. Mit der Einreichung von Vermessungsschriften werden bereits jetzt Antragsdaten digital übergeben. Auch für deren Übernahme in die Geschäftsbücher der Katasterbehörden existiert schon eine Schnittstelle. Es ist technisch unkompliziert und mit überschaubarem Aufwand verbunden, diese Schnittstelle zu erweitern. Im Speziellen würde es sich um noch fehlende Angaben aus dem Übernahmeantrag wie Antragsteller, Kostenschuldner und Wert der baulichen Anlagen handeln. Die automatisierte Vollständigkeitsprüfung der Angaben zum Übernahmeantrag ist möglich. Das Bereitstellungsportal ist mit dem der technischen Stelle Liegenschaftskataster im Landesbetrieb LGB eigenen Weitblick schon so konzipiert, dass es die Anforderungen an einen sicheren Übermittlungsweg im Sinne der Regelungen zum elektronischen Rechtsverkehr erfüllt. Es bietet die Möglichkeit, digitale Dokumente in beide Richtungen zu übersenden und kann für den Transport der diskutierten elektronischen Vermessungsurkunden verwendet werden. Für die Art der Anbringung einer erforderlichen qualifizierten elektronischen Signatur/ eines qualifizierten elektronischen Siegels kommen drei Varianten in Betracht: 1. durch die Vermessungsstelle als Urheber der Urkunde, 2. durch den Landesbetrieb bei Übergabe der Urkunde an das Bereitstellungsportal und 3. durch die Katasterbehörde nach erfolgter Übernahmeentscheidung. 10 ermessung Brandenburg 1/2021 Variante 1 ist rechtlich gesehen die sicherste Lösung, bedeutet in der Konsequenz gleichwohl, dass jede Vermessungsstelle mit der notwendigen Infrastruktur ausgestattet werden muss. Außerdem ist hier eine Trennung zwischen dem unveränderlichen Original und einer mit Verfahrensvermerken der zuständigen Katasterbehörde versehenen Gebrauchskopie erforderlich. Die Variante 2 wäre in Analogie zu der aus dem DE-Mail-Verfahren bekannten Lösung zu sehen. Hierfür dürfte eine gesetzliche Legalisierung des Bereitstellungsportals als besonderes elektronisches Behördenpostfach erforderlich sein. Auch hier ist die Trennung zwischen dem unveränderlichen Original und einer mit Verfahrensvermerken der zuständigen Katasterbehörde versehenen Gebrauchskopie erforderlich. Zu überlegen wäre, ob nicht neben der absenderauthentifizierten DE-Mail, dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach, dem besonderen elektronischen Notarpostfach, dem besonderen elektronischen Behördenpostfach und dem in der Diskussion befindlichen Datencockpit eines jeden Bürgers auch ein besonderes elektronisches Vermessungspostfach für die rechtssichere Kommunikation mit dem freien Beruf Sinn machen würde. Variante 3 beruht auf der Annahme, dass die Urkundeneigenschaft erst mit der Fortführungsentscheidung der zuständigen Katasterbehörde entsteht. Das Original und die Gebrauchskopie wären identisch und unnötige Signierungen/Siegelungen im Wege von Mängelbearbeitungen würden entfallen. Die Identifizierungsnummer im ANS kann hier ebenfalls final vergeben werden. Für die originären elektronischen Vermessungsurkunden müsste ein separater Bereich im ANS, quasi ein ANS-Tresor entsprechend den Anforderungen der TR-ESOR des BSI [9] eingerichtet werden. Die Bereitstellung würde wie bei den analogen Vermessungsurkunden über eine digitale Gebrauchskopie im ANS erfolgen. Ein ersetzendes Scannen der bereits vorhandenen analogen Vermessungsurkunden entsprechend der TR-03138 (Resiscan) [11] im Sinne eines einheitlichen Datenbestandes wurde diskutiert. Dafür wird jedoch keine Notwendigkeit gesehen. Der Aufwand für die technische Umsetzung einer medienbruchfreien elektronischen Vorgangsbearbeitung bei der Fortführung des Liegenschaftskatasters mit elektronischen Vermessungsurkunden (Abb. 12) wäre demnach überschaubar. Wir müssen nur wollen. Wollen wir? Vermessungsstelle erhebt Daten und pflegt diese ins Bereitstellungsportal ein Übergabe Informationen über elektronische Schnittstelle direkt an Geschäftsbuch der Katasterbehörde Übergabe der Vermessungsurkunde mittels sicherem Übermittlungsweg Bereitstellungsportal Katasterbehörde prüft Vollständigkeit der Informationen und Anforderungen an Vermessungsurkunde und trifft Fortführungsentscheidung Verfahrensschritte gemäß Fortführungsbeleg werden elektronisch im Geschäftsbuch der Katasterbehörde dokumentiert Vermessungsurkunde wird mit qualifiziertem elektronischen Siegel geschlossen und an ANS-TRESOR übergeben Landesbetrieb erzeugt Kopie der Vermessungsurkunde für Gebrauchsarchiv (ANS) ggf. Sicherungskopie der Geschäftsbücher der Katasterbehörden im Landesbetrieb LGB langfristige Beweiswerterhaltung in Verantwortung des Landesbetriebes LGB Abb. 12: Schema eines möglichen medienbruchfreien Verfahrens ermessung Brandenburg 1/2021 11 Ökonomische Aspekte Egal in welchem Strategiepapier zur elektronischen Verwaltung man blättert, irgendwo findet sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die These, dass durch die medienbruchfreie elektronische Vorgangsbearbeitung gigantische Effizienzreserven gehoben werden können. Umso überraschter war ich, dass von vielen Kollegen/-innen genau dieser Effekt für die Vermessungs- und Katasterverwaltung in Zweifel gezogen und damit die Sinnfrage von vornherein negativ beantwortet wurde. Die Einsparung von Urkundenpapier, Druckertoner, Briefumschlägen, Postgebühren etc. sollte zunächst einmal unstreitig sein. Die gewichtigste Stärke einer elektronischen Vorgangsbearbeitung sehe ich in der Schnelligkeit der Übermittlung. Momentan schreibe ich einen Brief, lege die Akte zurück in den Schrank und hole sie Wochen später nach Antwort wieder hervor. Ein medienbruchfreies Verfahren würde es mir ermöglichen, die Messungsschriften direkt zurückzugeben, eventuelle Meinungsverschiedenheiten mittels Videoanruf sofort zu klären und den Vorgang nach Wiedereinreichung idealerweise am selben Arbeitstag abzuschließen. Zur Beurteilung der Zeiteinsparung innerhalb meiner Behörde bin ich, so unauffällig wie es mir möglich war, einer einzelnen (wohlgemerkt mängelfreien) analogen Vermessungsurkunde mit der Schrittzähler- und Stoppuhrapplikation meines Smartphones hinterhergelaufen (Abb. 13). Was mich bei der Auswertung dann wirklich überrascht hat: Diese Vermessungsurkunde wurde in Summe geschlagene 37 Minuten durch die Räume des Amtes getragen. Das ist natürlich keine repräsentative Studie und Vermessungsrisse werden oftmals in Stapeln durch die Gegend getragen. Die sozialen Kontakte bei der Arbeit sind wichtig, es wurden dabei selbst­verständlich auch fachliche Themen nebenbei abgehandelt und den Verantwortlichen für das betriebliche Gesundheitsmanagement höre ich am Tag der Rückengesundheit ob der vielen Bewegung auch jubeln, dennoch … 37 Minuten ggf. einzusparende Bearbeitungszeit je Messungsschrift allein durch den durchgängigen elektronischen Transport in Lichtgeschwindigkeit. Nicht zu vergessen 12 ermessung Brandenburg 1/2021 von der Eingangsregistrierung zum Schrank mit den ungeprüften Messungsschriften 47 Schritte vom Schrank mit den ungeprüften Messungsschriften zum Prüfingenieur 28 Schritte vom Prüfingenieur zum Fachdienstleiter zwecks Bescheinigung der Übernahmefähigkeit 29 Schritte vom Fachdienstleiter zum Übernahmetechniker 45 Schritte vom Übernahmetechniker zum Prüfingenieur zwecks Prüfung der Simulation 14 Schritte und zurück 14 Schritte vom Übernahmetechniker zur Schlussprüfung zum Teamleiter 26 Schritte und zurück 26 Schritte vom Übernahmetechniker zum ANS-Bearbeiter (Scannen und Metadaten) 34 Schritte vom ANS-Bearbeiter ins Archiv 99 Schritte Abb. 13: Tragewege einer analogen Vermessungsurkunde sind die Aufwendungen für das Gebrauchsarchiv im Kellergeschoss. Im Gegensatz zu den Büroarbeitsplätzen der Mitarbeiter/-innen genießen die Urkunden eine kostenintensive hochwertige Temperatur- und Feuchtigkeitsregelung. Und auch die von den Kollegen/-innen liebevoll Schuhkartons (Abb. 14) genannten Archivschachteln nach DIN ISO 16245 [12] entsprechen dem Gegenwert eines voll ausgerüsteten Messbusses. Ob hier durch den Umstieg auf einen elektronischen Tresor im Landesbetrieb LGB nicht doch einiges an Kosten einzusparen wäre? • • die Fortführung des Liegenschaftskatasters anhand der Erhebungsdaten und die Nachnutzung für spätere Vermessungen. Zur Fortführung ist in der maßgeblichen Verwaltungsvorschrift, der Liegenschaftsvermessungsvorschrift [13], in den Erläuterungen zu 14.2 schon eine denkbare Argumentation formuliert: „Die dokumentierte Form der Vermessungsschriften ist als hinreichend anzusehen, wenn sie ausreicht, die Nachweise des Liegenschaftskatasters ohne zusätzlichen Arbeitsaufwand fortzuführen.“ Wenn wir für die ALKISFortführung keine Vermessungsurkunde mehr bräuchten, dann bräuchten wir sie folglich gar nicht mehr. Abb. 14: Aufbewahrungssystem für analoge Vermessungsurkunden (Schuhkartons) Langfristige Visionen Bei allen Gesprächen gingen wir von vornherein davon aus, dass die Vermessungsurkunde an sich unverzichtbar ist. Hinterfragen wir dies doch einmal. Eines der wichtigsten Argumente pro Vermessungsurkunde ist die mögliche Vorlage bei Gericht zu Beweiszwecken auch noch Jahrzehnte nach der eigentlichen Vermessung. Die dynamische Datenbank ALKIS (Amtliches Liegenschaftskatasterinformationssystem) wird unstreitig als amtliches Verzeichnis der Grundstücke nach § 2 Absatz 2 der Grundbuchordnung angesehen. Damit besteht hier auch der öffentliche Glauben des Grundbuches. Das Liegenschaftskataster gilt mit staatlicher Garantie als richtig. Ein Gegenbeweis ist selbstverständlich zulässig. Wir müssen streng formal gesehen nicht beweisen, dass unsere im ALKIS geführte Grundstücksgeometrie zutreffend ist und konstruieren an dieser Stelle ohne wirkliche Notwendigkeit eine Beweislastumkehr zu unseren Ungunsten. Dies ist seit über einhundert Jahren gelebte Praxis, aber wäre es nicht an der Zeit auch darüber nachzudenken? Wenn die Vermessungsurkunde zur Beweissicherung entbehrlich sein sollte, blieben noch zwei weitere wichtige Aspekte: Die Nachnutzung ist für ältere Vermessungen unstreitig eine Notwendigkeit. In aktuellen Anträgen dagegen sehe ich in den Vermessungsurkunden nur noch Koordinaten, welche identisch im ALKIS geführt werden. In der gelebten Außendienstpraxis werden in Gebieten mit hinreichend qualifiziertem Kataster ausschließlich die Vermessungskoordinaten verwendet, die eigentliche Vermessungsurkunde wird zumeist schon gar nicht mehr mitgeführt. Es wäre zumindest theoretisch vorstellbar, die Bezeichnung Erhebungs- und Qualifizierungskomponente (EQK) wörtlich zu nehmen und den Vermessungsstellen, welche die Fortführungsdaten ja erheben, den Zugang zur Produktionsumgebung zu eröffnen. Diese könnten den Fortführungsentwurf (die gegenwärtigen Vermessungsschriften sind quasi der analoge Fortführungsentwurf) direkt im System erstellen, die Fortführung simulieren und das Simulationsergebnis der zuständigen Katasterbehörde zur Fortführungsentscheidung übergeben. Der bisher schon als PDF-Dokument entstehende grafische Nachweis wäre für diese Entscheidung durch die Vermessungsstelle im Sinne eines Punktidentitätsnachweises (Abb. 15) aufzubereiten und könnte anschließend direkt in elektronischer Form an das Automatisierte Nachweissystem für Vermessungsrisse übergeben werden. Das ist zugegebenermaßen ein revolutionärer Ansatz und so fallen mir auf Anhieb auch zwei starke Gegenargumente ein. 1. Wir werden auf lange Zeit noch kein flächendeckendes Koordinatenkataster in Brandenburg haben. Eine Trennung zwischen dem eigentlichen Vermessungsan- ermessung Brandenburg 1/2021 13 Abb. 15: Mögliche Zukunftsvariante für die Vermessungsurkunde (Punktidentitätsnachweis) 14 ermessung Brandenburg 1/2021 trag und der zumeist noch erforderlichen Qualitätsverbesserung, welche ja vor der Fortführungssimulation erfolgen müsste, ist nicht möglich. Und diese Kernaufgabe der Katasterbehörden der Vermessungsstelle zu überlassen, ist nicht zuletzt aus gebührentechnischen Gründen ausgeschlossen. [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Signaturgesetz_(Deutschland) 2. Die praktische Arbeit in der EQK besteht im Wesentlichen aus einer Wiederholungskette von Mausklick und Warten auf den grünen Haken im Ablaufschema. Reizvolle Arbeitsvorgänge mit schwierigen Tätigkeitsmerkmalen und Entscheidungskompetenz sind in der Objektbearbeitung gebündelt. Diese an die datenerhebende Vermessungsstelle abzugeben, wäre schon aus arbeitspsychologischer Sicht ein Desaster. Die Nachwuchsgewinnung für den vermeintlich langweiligen Bürojob im Katasteramt ist so schon schwierig genug. [5] Bundesarbeitsgericht 10 AZR 270/12 https://dejure.org/dienste/vernetzung/rec htsprechung?Gericht=BAG&Datum=25. 09.2013&Aktenzeichen=10%20AZR%20 270%2F12 Aus heutiger Sicht kaum vorstellbar, aber wenn wir zwanzig Jahre in die Zukunft denken? [8] www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de, 7. Wahlperiode, Gesetz zur Änderung der Brandenburgischen Bauordnung Gesetzentwurf (LReg) 22.07.2020 Drucksache 7/1697 (30 S.) Diese Diskussion sollte geführt werden. Nur wer sich ändert, bleibt sich treu. Schlussbemerkung Soweit nicht als Zitat gekennzeichnet, beruhen die genannten Fakten weitgehend auf Fortbildungen bei der Europäischen Akademie für Steuern, Wirtschaft und Recht zu den Themen eAkte, elektronischer Rechtsverkehr und Onlinezugangsgesetz. Besonders bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei Herrn Andreas Schmidt, Referatsleiter IT und Geheimschutz im Bundespräsidialamt und Herrn Dr. Henning Müller, Richter und Leiter Datenverarbeitung und IT-Organisation am Hessischen Landessozialgericht. Und wenn jemandem aufgefallen ist, dass mehr Fragen gestellt, als Antworten gegeben wurden: Dies ist nicht unabsichtlich geschehen. Mein gesetztes Ziel ist die Meinungsbildung für die anstehende Novellierung unseres Vermessungsgesetzes. Quellen: [3] https://www.gesetze-im-internet.de/vdg/ [4] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ TXT/PDF/?uri=CELEX:32014R0910 [6] https://www.it-planungsrat.de/SharedDocs/Sitzungen/DE/2020/Sitzung_33. html?pos=9 [7] www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de, 7. Wahlperiode, Bericht (LRH) 21.08.2020 Drucksache 7/1843 (45 S.) [9] https://www.bsi.bund.de/DE/Publikationen/ TechnischeRichtlinien/tr03125/TR-03125_ node.html [10] h t t p s : / / d i p b t . b u n d e s t a g . d e / d o c / btd/18/124/1812494.pdf [11] https://www.bsi.bund.de/DE/Publikationen/ TechnischeRichtlinien/tr03138/tr03138_ node.html [12] https://www.din.de/de/mitwirken/normenausschuesse/nid/veroeffentlichungen/wdcbeuth:din21:150098522 [13] https://www.brandenburg.de/cms/list.php? page=vermessungsvorschriften&id=37750 &skip=15 Frank Netzband Katasterbehörde des Landkreises Oberhavel frank.netzband@oberhavel.de [1] www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de, 4. Wahlperiode, Gesetz zur Strukturreform des amtlichen Vermessungswesens, Gesetzentwurf (LReg) 03.09.2008 Drucksache 4/6675 (47 S.) ermessung Brandenburg 1/2021 15 Robert Krägenbring Anwendungsbereich und Grenzen von Unschädlichkeitszeugnissen Systematische Vorgehensweise zur Beurteilung der Unschädlichkeit Sind Grundstücke mit dinglichen Rechten belastet, besteht bei der Veräußerung von Grundstücksteilen meist der Wunsch, zumindest diese Teile von der Belastung zu befreien. Hierfür ist die Zustimmung der durch das Recht Berechtigten erforderlich. Erteilen die Berechtigten ihre Zustimmung zur Aufhebung oder Änderung nicht oder bestehen Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Berechtigten, kann letztlich die Veräußerung scheitern. In bestimmten Fallkonstellationen kann jedoch die Zustimmung durch ein Unschädlichkeitszeugnis ersetzt werden. Der folgende Beitrag basiert auf einem Vortrag zum Geodätischen Kolloquium des DVW Berlin-Brandenburg e. V. am 13. Februar 2020 in Potsdam. Er umreißt den Anwendungsbereich des Unschädlichkeitszeugnisses und arbeitet die in Frage kommenden Fallkonstellationen heraus. Das Instrument wird gegen andere Lösungsmöglichkeiten abgegrenzt, insbesondere im direkten Vergleich zu den sogenannten Nichtbetroffenheits-/Nichtbegünstigungsbescheinigungen nach dem BGB. Die Verfahrensweise zur Erteilung eines Unschädlichkeitszeugnisses wird dargestellt. Dazu wird ein strukturiertes Beurteilungsschema zur Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen und der Erteilungsvoraussetzungen aufgezeigt. Anwendungsbereich des Unschädlichkeitszeugnisses Zur Aufhebung oder Änderung von Rechten an Grundstücken ist die Einigung des Eigentümers des belasteten Grundstücks mit den durch das Recht Berechtigten (materielles Konsensprinzip) und die Bewilligung der Eintragung ins Grundbuch (formelles Konsensprinzip) erforderlich. In der Praxis scheitert dies beispielsweise daran, dass Berechtigte nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand ermittelbar sind oder dass diese ihre Zustimmung nicht erteilen. 16 ermessung Brandenburg 1/2021 Unter engen Voraussetzungen hat der Gesetzgeber daher verschiedene Möglichkeiten zur Erleichterung des Grundstücksverkehrs in diesen Fällen vorgesehen, insbesondere • • • landesrechtlich durch Regelungen zum Unschädlichkeitszeugnis, bundesrechtlich durch Regelungen im BGB zu Dienstbarkeiten und subjektiv dinglichen Reallasten sowie bundesrechtlich durch die Grundbuchbereinigung nach der Grundbuchordnung (GBO). Dass es sich hierbei um Nischeninstrumente handelt, zeigen die geringen Fallzahlen (exemplarisch für Thüringen siehe Tabelle 1). Jahr Unschädlichkeitszeugnisse BGBBescheinigungen 2017 49 18 2018 48 2 2019 22 9 Tab. 1: Fallzahlen in Thüringen Vorbemerkungen Beschränkte dingliche Rechte an Grundstücken lassen sich insbesondere in Nutzungsrechte (Dienstbarkeiten), Sicherungs- und Verwertungsrechte sowie Erwerbsrechte einteilen. Sie stellen regelmäßig eine Belastung des gesamten Grundstücks dar. Bei Dienstbarkeiten kann jedoch die Ausübung des Rechts auf einen bestimmten Teil des Grundstücks, den sogenannten Ausübungsbereich, beschränkt werden (unechte Teilbelastung). Fälle einer echten Teilbelastung sind eher selten und entstehen nur bei Zuschreibung von belasteten Grundstücken zu einem unbelasteten Grundstück. Weiterhin lassen sich die beschränkten dinglichen Rechte hinsichtlich des Berechtigten einteilen in subjektiv dingliche und subjektiv persönliche Rechte. Bei einem subjektiv dinglichen Recht ist ein anderes Grundstück, präzise ausgedrückt der jeweilige Eigentümer eines bestimmten anderen Grundstücks, durch das Recht begünstigt; dieses wird als herrschendes Grundstück und das belastete Grundstück als dienendes Grundstück bezeichnet. Subjektiv dingliche Rechte erlöschen grundsätzlich nicht, da sie wesentlicher Bestandteil des herrschenden Grundstücks sind (§ 96 BGB). Bei einem subjektiv persönlichen Recht ist hingegen eine konkrete Person berechtigt. Dabei kann es sich auch um eine juristische Person oder um mehrere Personen handeln. Ist das Recht nicht veräußerbar, vererbbar oder übertragbar (z. B. bei einem Wohnungsrecht) so liegt ein höchstpersönliches Recht vor. Es erlischt mit dem Ableben des Berechtigten bzw. dem Untergang der juristischen Person. Neben den unmittelbar Berechtigten können auch weitere Personen an dem Recht berechtigt oder durch dieses begünstigt sein. Man spricht hier von einer Drittberechtigung bzw. Drittbegünstigung. Eine solche kann beispielsweise bei subjektiv dinglichen Rechten vorliegen, wenn das herrschende Grundstück selbst auch belastet ist, z. B. mit einem Grundpfandrecht. Fallgruppen des Unschädlichkeitszeugnisses Das Unschädlichkeitszeugnis ist ein behördliches Zeugnis, welches feststellt, dass eine Rechtsänderung für den oder die Berechtigten unschädlich ist und damit die Zustimmung/Bewilligung der Berechtigten nicht erforderlich ist. Dabei sind zwei wesentliche Anwendungsfälle (vgl. Abbildung 1) zu unterscheiden, • • die lastenfreie Veräußerung eines Grundstücksteils (Fallgruppe Veräußerung) und die einvernehmliche Aufhebung eines subjektiv dinglichen Rechts (Fallgruppe Aufhebung). In der Folge ersetzt das Unschädlichkeitszeugnis materiell die erforderlichen Erklärungen der durch das Recht Berechtigten nach § 875 BGB und etwaige Zustimmungen von Drittbegünstigten nach § 876 BGB sowie formell die erforderliche Eintragungsbewilligung nach § 19 GBO. Teilweise sind landesrechtlich weitere Anwendungsfälle geregelt (z. B. Verteilung einer Reallast bei Teilung des belasteten Grundstücks, Verzicht auf ein erstrangiges Erbbaurecht - beispielsweise in Brandenburg). Aufgrund der sehr geringen Fallzahlen werden diese im Weiteren nicht betrachtet. Abb.1: Fallzahlen nach Fallgruppen und betroffenen Rechten in Thüringen (2015) ermessung Brandenburg 1/2021 17 Die Fallgruppe Veräußerung stellt einen primären Anwendungsfall dar. Der Veräußerung eines Grundstücksteils geht eine Teilung des Grundstücks voraus, nach der die Belastung sowohl auf dem zu veräußernden Teilstück (Trennstück) als auch auf dem Restgrundstück verbleibt. Das Unschädlichkeitszeugnis ermöglicht es, im Zuge der Veräußerung das Trennstück von der Belastung zu befreien und zwar ohne die Erklärung, Zustimmung und Bewilligung der Berechtigten. Die Belastung verbleibt anschließend auf dem Restgrundstück. Der Belastungsgegenstand wird verkleinert. Die Fallgruppe Aufhebung betrifft die Aufhebung eines subjektiv dinglichen Rechts, bei dem das herrschende Grundstück mit einem Recht zu Gunsten eines Dritten belastet ist (Abb. 2). Wird das Recht des Dritten durch das aufzuhebende subjektiv dingliche Recht berührt (sog. Drittbegünstigung), ist dessen Zustimmung nach § 876 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderlich. Das Unschädlichkeitszeugnis ersetzt hierbei nur die Zustimmung des Drittbegünstigten (Drittzustimmung). Die Eigentümer des dienenden und des herrschenden Grundstücks müssen sich hingegen über die Aufhebung des Rechts einig sein. Die entsprechende Erklärung nach § 875 BGB muss vorliegen. Bei dem aufzuhebenden Recht kann es sich ferner nur um eine Grunddienstbarkeit, eine subjektiv dingliche Reallast oder um ein subjektiv dingliches Vorkaufsrecht handeln. Abb. 2: Beispielkonstellation für die Fallgruppe „Aufhebung“ 18 ermessung Brandenburg 1/2021 Die vollständige Löschung eines Rechts ohne die Zustimmung des unmittelbar Berechtigten kann hingegen nicht mit einem Unschädlichkeitszeugnis begehrt werden. Wohnungs- und Teileigentum Die o. g. Fallgruppen bezeichnen Grundstücke bzw. Grundstücksteile. Anfangs war unklar, ob die Regelungen auch auf Wohnungs- und Teileigentum anwendbar sind. Dies wurde gerichtlich bejaht. Klarstellend finden sich in den meisten Landesgesetzen (auch in Thüringen und Brandenburg) hierzu explizite Regelungen, insbesondere zur lastenfreien • • Veräußerung eines Teils des Sondereigentums an einen anderen Wohnungseigentümer und Überführung eines Teils des Gemeinschaftseigentums in Sondereigentum bzw. eines Teils eines Sondereigentums in Gemeinschaftseigentum. Es handelt es sich folglich um Unterfälle der Fallgruppe Veräußerung. Anwendungsvoraussetzung Die vorgenannten Anwendungsfälle knüpfen an das dingliche Rechtsgeschäft an und sie setzen es auch voraus. Für die Fallgruppe Veräußerung ist ein rechtsgeschäftlicher Wechsel des Eigentümers des betreffenden Grundstücksteils erforderlich. Es bedarf somit der Auflassung. Ein Eigentumserwerb Kraft Gesetzes, insbesondere durch Erbschaft, ist daher nicht ausreichend. Unbeachtlich ist hingegen die schuldrechtliche Grundlage der Eigentumsübertragung, d. h. ob es sich um einen Kauf, Tausch oder eine Schenkung handelt; die Eigentumsübertragung entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt. Gleiches gilt sinngemäß für die Fallgruppe Aufhebung. Rechtsgrundlagen des Unschädlichkeitszeugnisses Die Gesetzgebungskompetenz zu den Unschädlichkeitszeugnissen liegt bei den Ländern. Dies resultiert aus Artikel 120 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB). Dort werden auch die grundsätzlichen Anwendungsfälle umrissen, insbesondere die Freistellung des Trennstücks im Falle einer Veräußerung (Abs. 1) und das Ersetzen der Drittzustimmung im Falle der Aufhebung eines subjektiv dinglichen Rechts (Abs. 2 Nr. 2). Entsprechende Regelungen haben alle Länder mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern erlassen; teilweise als eigenständige Gesetze (Tab. 2). In Mecklenburg-Vorpommern wird kein Regelungsbedarf gesehen. Dies teilte das dortige Justizministerium auf Nachfrage des Bürgerbeauftragten mit [1]. Dem Unschädlichkeitszeugnis käme in der Mehrzahl der Bundesländer eine eher geringe praktische Bedeutung zu und daher möchte die Landesregierung die Regelungsdichte auf das notwendige Maß begrenzen. In Brandenburg finden sich die Regelungen zum Unschädlichkeitszeugnis in den §§ 20 bis 30 des Brandenburgischen Ausführungsgesetzes zum BGB (BbgAGBGB). In Thüringen sind die Regelungen seit 2008 in den §§ 28 bis 31 des Thüringer Vermessungs- und Geoinformationsgesetzes (ThürVermGeoG) enthalten. Eigentumsdogmatisch stellt sich das Unschädlichkeitszeugnis als (entschädigungslos hinzunehmende) Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Artikel 14 Abs. 1 Grundgesetz dar und konkretisiert die Sozialbindung des Eigentums im Sinne des Artikel 14 Abs. 2. Da es die wirtschaftliche Unschädlichkeit (Seite 25) für den Rechtsinhaber voraussetzt, ist hierbei auch kein finanzieller Ausgleich erforderlich. Land Rechtsgrundlage BB BbgAGBGB BE (PrGrdstAbverkG BE), (PRGrdstATG BE), (PRGutsTAbtrG BE), (BGBAG BE), 1. RBerG BW AGBGB §§ 22 – 28 10.02.2015 BY AGBGB Art. 72 – 74 26.03.2019 HB UZeugnG HE HVGG §§ 27 – 30 03.05.2018 HH (BGBAG HA) §§ 35 – 42 21.10.2016 MV Bereich Aktualität §§ 20 – 30 08.05.2018 1850 – 1899 28.02.2012 keine Regelung NI (UZeugnG ND) 16.12.2014 NW (UZeugnG NW) 01.10.2015 RP UZLG 02.03.2017 SH AGBGB Schl.-H. SL (UZeugnG SL) SN SächsJG ST (GrdstVUZeugnG ST) TH ThürVermGeoG §§ 14 – 19 17.04.2018 21.11.2007 §§ 46 – 53 11.05.2019 05.12.2014 §§ 28 – 31 18.12.2018 Tab. 2: Übersicht der landesrechtlichen Regelungen zu Unschädlichkeitszeugnissen (Stand 1. Obtober 2020) ermessung Brandenburg 1/2021 19 Abgrenzung zu anderen Instrumenten Im Wege der Grundbuchberichtigung können Rechtsänderungen, die außerhalb des Grundbuchs erfolgt sind, vollzogen werden, insbesondere wenn Rechte an Grundstücken bereits erloschen sind. Regelfälle sind dabei das Erlöschen einer Hypothek durch vollständige Rückzahlung sowie das Erlöschen einer subjektiv persönlichen Dienstbarkeit (z. B. Wohnungsrecht) oder einer subjektiv persönlichen Reallast (z. B. Pflegeverpflichtung) aufgrund des Todes der berechtigten Person. In diesen Fällen ist das Grundbuch unrichtig geworden und bedarf der Berichtigung. Hierbei sind die entsprechenden Nachweise formgerecht beizubringen. Im Wege der Grundbuchbereinigung (§ 84 GBO) können Rechte, die gegenstandslos geworden sind, gelöscht werden. Das betrifft z. B. Dienstbarkeiten, die jeglichen Vorteil sowohl in der Gegenwart als auch für die Zukunft verloren haben, wenn ein Berechtigter nicht mehr ermittelbar ist, das Recht inhaltlich unzulässig oder anderweitig erloschen (vgl. § 5 GBBerG, Dienstbarkeiten und vergleichbare Rechte erlöschen 110 Jahre nach Geburt des Berechtigten) ist. Schwierigkeiten bereitet dabei oft der Nachweis der entsprechenden Vorrausetzungen. Nichtbetroffenheit und Nichtbegünstigung nach BGB Das BGB regelt den Fortbestand von Rechten im Falle von Grundstücksteilungen. Unter bestimmten Vorrausetzungen werden Grundstücksteile bei einer Teilung von der Belastung (Nichtbetroffenheit) oder der Begünstigung durch ein Recht (Nichtbegünstigung) frei. Die Freistellung erfolgt dabei Kraft Gesetzes. Nichtbetroffenheit kommt nur bei der Teilung von Grundstücken, die mit einer Grunddienstbarkeit (§ 1026) oder einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§ 1090 Abs. 2) belastet sind, infrage. Liegt der betreffende Grundstücksteil nach der Teilung des belasteten Grundstücks vollständig außerhalb des Ausübungsbereiches der Dienstbarkeit, wird er von der Dienstbarkeit frei. Nichtbegünstigung kann vorliegen, wenn ein Grundstück geteilt wird, welches durch ein subjektiv dingliches Recht begünstigt ist. Wird nach der Teilung faktisch nur noch einer der neu gebildeten Grundstücksteile durch das Recht begünstigt, erlischt es für die übrigen Teile. Infrage kommen nur Grunddienstbarkeiten (§ 1025) und subjektiv dingliche Reallasten (§ 1109 Abs. 3). Der grundbuchliche Vollzug kann unmittelbar bei der Teilung erfolgen oder im Nachgang im Wege der Berichtigung. In beiden Fällen sind entsprechende Nachweise beizubringen, regelmäßig Abb. 3: Grundsätzlicher Anwendungsbereich in Bezug auf den Ausübungsbereich des Rechts 20 ermessung Brandenburg 1/2021 durch eine Bescheinigung der katasterführenden Stelle (sogenannte Nichtbetroffenheits- bzw. Nichtbegünstigungsbescheinigung); im Folgenden als BGB-Bescheinigung bezeichnet. Sachliche Abgrenzung von Unschädlichkeitszeugnis und BGB-Bescheinigung übungsbereich; der Bereich der tatsächlichen Ausübung hingegen nicht. Das Unschädlichkeitszeugnis kennt diese Einschränkung nicht; es kommt grundsätzlich bei allen eingetragenen dinglichen Rechten in Betracht. Größe des Trennstücks Die Freistellung von Grundstücksteilen aufgrund Unschädlichkeitszeugnisses und aufgrund Nichtbetroffenheit nach BGB überschneidet sich teilweise (Abb. 3). Es gibt aber wesentliche Unterschiede, die in den meisten Fällen nur jeweils eine Möglichkeit zulassen. Während beim Unschädlichkeitszeugnis das Trennstück nur einen geringen Umfang haben darf, ist für die Freistellung aufgrund Nichtbetroffenheit die Größe des Trennstücks unerheblich; sie knüpft lediglich an den rechtlichen Ausübungsbereich an. Veräußerung vs. Teilung Zeitlicher Anwendungsbereich Das Unschädlichkeitszeugnis erfordert zwingend einen (rechtsgeschäftlichen) Wechsel des Eigentümers des betreffenden Grundstücksteils. Eine bloße Teilung oder Zuschreibung zu einem anderen Grundstück desselben Eigentümers reicht nicht aus [2]. Die Nichtbetroffenheit erfordert hingegen lediglich eine Teilung des Grundstücks bzw. eine Abschreibung des Grundstücksteils. Besondere Beachtung verdient die zeitliche Komponente (Abb. 4). Die Freistellung eines Grundstücksteils aufgrund Nichtbetroffenheit ist zeitlich unbegrenzt möglich. Die erforderliche BGB-Bescheinigung kann bereits vor einer Teilung beantragt werden; hilfreich ist aber, wenn die entsprechende katastertechnische Zerlegung bereits stattgefunden hat. Erfolgt die Freistellung nicht im Zuge der Teilung, so kann sie auch zu einem späteren Zeitpunkt durch Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs geschehen. Unbeachtlich ist dabei, ob zwischenzeitlich weitere Veräußerungen oder Teilungen stattgefunden haben, denn der Grundstücksteil ist bereits Kraft Gesetzes von der Belastung frei geworden. Ausübungsbereich des Rechts Die Nichtbetroffenheit setzt voraus, dass entweder eine Grunddienstbarkeit oder eine subjektiv dingliche Reallast vorliegt und dass der Ausübungsbereich des Rechts räumlich beschränkt ist. Maßgeblich ist hierbei nur der rechtliche Aus- Abb. 4: Zeitlicher Anwendungsbereich des Unschädlichkeitszeugnisses und der BGB-Bescheinigung ermessung Brandenburg 1/2021 21 Das Unschädlichkeitszeugnis hingegen hat einen terminierten Anwendungszeitraum. Es muss vor dem Vollzug der Veräußerung, sprich vor der Eintragung des neuen Eigentümers, erteilt worden sein und zusammen mit dem Antrag auf Eintragung beim Grundbuch eingereicht werden. Ist die Veräußerung der Teilfläche bereits abgeschlossen, so kann ein Unschädlichkeitszeugnis nicht mehr vollzogen werden [3]. Mögliche Überschneidungen Teilweise umstritten ist, ob eine Wahlmöglichkeit zwischen beiden Instrumenten besteht. Dies betrifft insbesondere den Fall, bei dem das Trennstück möglicherweise außerhalb des Ausübungsbereiches des Rechts liegt und sich der Nachweis der Nichtbetroffenheit schwierig gestaltet; sei es aufgrund der Auslegung des Eintragungstextes des Rechts im Grundbuch bzw. den Grundakten oder aufgrund mangelnder Katasterunterlagen. Letztlich wird das Grundbuch eine Freistellung aufgrund Nichtbetroffenheit nur vornehmen, wenn es daran keine Zweifel hat. Nach Ansicht des Verfassers ist der Anwendungsbereich des Unschädlichkeitszeugnisses auch für diese Fälle dem Grunde nach eröffnet. Abb. 5: Rechtscharakter und Bindungswirkung 22 ermessung Brandenburg 1/2021 Zum einen liegt bei Rechten mit beschränktem Ausübungsbereich regelmäßig nur eine unechte Teilbelastung vor. Belastet ist dabei das ganze Grundstück, lediglich die Ausübung ist beschränkt. Somit sind beide Anwendungsvoraussetzungen (belastetes Grundstück, Veräußerung einer Teilfläche) gegeben. Zum anderen erfolgt die Veräußerung des Grundstücksteils dadurch, dass dieser unmittelbar abgeschrieben wird und ein neues Grundstück mit anderem Eigentümers entsteht. Sollten beide Instrumente einsetzbar sein, werden letztlich die durch die Behörde zu erhebenden Verwaltungskosten ausschlaggebend sein. Während eine BGB-Bescheinigung eine einfache Amtshandlung darstellt (Kosten in Thüringen ca. 25 €), handelt es sich bei der Erteilung des Unschädlichkeitszeugnisses um ein Verwaltungsverfahren (Kosten in Thüringen mind. 400 €). Rechtscharakter des Unschädlichkeitszeugnisses und der BGB-Bescheinigung Ein weiterer wesentlicher Unterschied besteht hinsichtlich der rechtlichen Qualität beider Urkunden (Abb. 5). Das Unschädlichkeitszeugnis ist ein Verwaltungsakt. Es stellt rechtsverbindlich die Unschädlichkeit fest. Ist es unanfecht- bar geworden, bindet es das Grundbuch; diesem steht keine materielle Prüfungsbefugnis hinsichtlich der Erteilungsvoraussetzungen mehr zu. 26) vorgestellt, mit denen zumindest die Anträge aussortiert werden können, die unzulässig und aussichtslos sind. Zu prüfen ist auch, ob eine BGB-Bescheinigung infrage kommt. Die BGB-Bescheinigung ist zwar eine öffentliche Urkunde, stellt aber eine bloße Tatsachenermittlung dar. Sie dient dem Grundbuch lediglich als eine Grundlage bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Nichtbetroffenheit bzw. Nichtbegünstigung vorliegen. Erste Ebene: Ermittlung des Anwendungsfalls (Fallgruppe) und Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen Verfahren zur Erteilung des Unschädlichkeitszeugnisses Beim Unschädlichkeitszeugnis handelt es sich in den meisten Ländern um ein Verwaltungsverfahren, für das die Kataster- bzw. die Flurbereinigungsbehörden zuständig sind. In Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Hamburg liegt die Zuständigkeit bei den Amtsgerichten. Antragsberechtigt sind der Eigentümer, der Erwerber sowie der Inhaber des Rechts. Antragstellung Aufgrund der besonderen Rechtsmaterie ist oftmals eine Beratung erforderlich. Dabei ist zu klären, ob der Anwendungsbereich des Unschädlichkeitszeugnisses grundsätzlich gegeben ist und wenn ja, welcher Anwendungsfall vorliegt (Abb. 6). Es werden einfache KO-Fragen (Seite Bevor eine Prüfung der materiellen Voraussetzungen zur Erteilung des Unschädlichkeitszeugnisses (Erteilungsvoraussetzungen) erfolgen kann, ist die Einordnung in die jeweilige Fallgruppe vorzunehmen (Abb. 7) und die jeweiligen Anwendungsvoraussetzungen sind zu prüfen: • Fallgruppe Veräußerung bzw. Überführung: Prüfung, ob eine Teilfläche des Grundstücks oder ein Teil eines Sondereigentums bzw. des Gemeinschaftseigentums den Eigentümer wechseln soll. • Fallgruppe die Aufhebung eines Rechts: Prüfung, ob die Einigung der beiden beteiligten Grundstückseigentümer erfolgt ist. Lässt sich der Sachverhalt keinem der Anwendungsfälle zuordnen oder liegen die Anwendungsvoraussetzungen nicht (mehr) vor, so ist der Antrag abzulehnen (Abb. 6). Abb. 6: Grundsätzliche Vorgehensweise zur Beurteilung eines Antrags ermessung Brandenburg 1/2021 23 Abb. 7: Anwendungsfälle des Unschädlichkeitszeugnisses in Brandenburg und Thüringen Zweite Ebene: Prüfung der Erteilungsvoraussetzungen Wann materiell gesehen Unschädlichkeit gegeben ist, bestimmen die landesrechtlichen Regelungen. Allerdings wird dabei der unbestimmte Rechtsbegriff „unschädlich“ meist durch weitere unbestimmte Rechtsbegriffe umschrieben. Dennoch erfolgt so eine Konkretisierung der Erteilungsvoraussetzungen; regelmäßig durch objektiv quantifizierbare Kenngrößen (Fläche, Wert) und einen nicht zu besorgenden Nachteil für den Berechtigten bestimmt. Letzterer kann nur qualitativ betrachtet werden und stellt die am schwierigsten zu beurteilende Vorrausetzung dar. Dies wird später thematisiert. Nachstehend werden die Erteilungsvoraussetzungen für beide Fallgruppen vergleichend für Brandenburg und Thüringen dargestellt. Fallgruppe Veräußerung Die Erteilungsvoraussetzungen für die lastenfreie Veräußerung einer Teilfläche sind in Brandenburg (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 BbgAGBGB) und Thüringen (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ThürVermGeoG) inhaltsgleich formuliert (Abb. 8). Gefordert ist 1. die Geringfügigkeit hinsichtlich • des Werts und • des Umfangs des Trennstücks im Vergleich zum Restgrundstück und 2. dass für die Berechtigten ein Nachteil nicht zu besorgen ist. 24 ermessung Brandenburg 1/2021 Es ist zu beachten, dass dem Gesetzeswortlaut nach beide Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Das Nichtvorliegen eines Nachteils steht als weitere Forderung neben der Geringfügigkeit. Geringfügigkeit Für die Beurteilung der Geringfügigkeit ist nicht der absolute Wert maßgebend, sondern das Verhältnis des Trennstücks zum Restgrundstück. Mit Umfang ist hierbei die Grundstücksgröße gemeint, die problemlos ermittelt werden kann. Etwas schwieriger stellt sich ggf. die wertmäßige Betrachtung dar, wenn bauliche Anlagen auf dem Trennstück vorhanden sind. Ansonsten dürfte pragmatisch eine überschlägige Bewertung ausreichend sein, beispielweise durch Multiplikation der jeweiligen Grundstücksfläche mit dem Bodenrichtwert. Geringfügigkeit kann bis etwa 10 Prozent ohne Weiteres angenommen werden. Hier hilft der Vergleich mit der Baulandumlegung, bei der eine unwesentliche Mehr- oder Minderzuteilung bis ca. 10 Prozent gesehen wird. Dies stellt aber nur eine Richtgröße dar. Eine durch Rechtsprechung für Unschädlichkeitszeugnisse gezogene Geringfügigkeitsgrenze ist dem Verfasser nicht bekannt. Nicht zu besorgender Nachteil für die Berechtigten – wirtschaftliche Unschädlichkeit Teilweise wurde in der Praxis der fehlende Nachteil mit der Geringfügigkeit begründet. Nach der mittlerweile abgelösten Vorschrift in Thüringen war „ein Nachteil nicht zu besorgen […], wenn Abb. 8: Erteilungsvoraussetzungen für die Fallgruppe Veräußerung […] das Trennstück im Verhältnis zum verbleibenden Teil des Grundstücks von geringem Wert und Umfang ist“ (§ 4 Abs. 1 ThürGUZ). Eine vergleichbare Regelung findet sich noch in Bayern (Art. 73 Abs. 3 AGBGB). In BadenWürttemberg wird hingegen ausschließlich auf die Geringfügigkeit abgestellt (§ 23 AGBGB). Die Prüfung eines nicht zu besorgenden Nachteils stellt immer eine Einzelfallbetrachtung dar und kann nicht pauschal beantwortet werden. Dabei sind sowohl die unmittelbar Berechtigten als auch etwaige Drittberechtigte, insbesondere bei subjektiv dinglichen Rechten, zu betrachten. Ein nicht zu besorgender Nachteil bedeutet nicht, dass ein Nachteil völlig ausgeschlossen sein muss. Vielmehr muss er lediglich nicht zu befürchten, das heißt unwahrscheinlich sein [4]. Es ist keine rein rechtliche Betrachtung vorzunehmen, sondern eine wirtschaftliche Betrachtung erforderlich. Das ergibt sich schon daraus, dass das Unschädlichkeitszeugnis die geforderte Zustimmung der Berechtigten (nach §§ 875 f. BGB) durchbrechen soll. „Alle diese Bestimmungen haben wirtschaftliche Bedeutung, setzen aber trotzdem nach ihrem Wortlaut nicht die Feststellung einer wirtschaftlichen Benachteiligung voraus und sprechen nicht von einer Gefährdung oder Verschlechterung des Rechts oder des Grundstücks, sondern von einer bloßen ‚Berührung‘“ (BGH, Urteil v. 9.6.1969, Az. III ZR 231/65 - juris, Rn. 28). Aus der Umkehrung der Argumentation des BGH folgt, dass das Un- schädlichkeitszeugnis auf einen nicht zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteil für den Berechtigten durch die Rechtsänderung abstellt. Schlüter [5] geht noch weiter und hält hingegen einen Nachteil bereits dann nicht mehr für gegeben, wenn die Berechtigten der Mitteilung über die beabsichtigte Erteilung des Zeugnisses nicht widersprochen haben. Er postuliert somit eine durch Stillschweigen hervorgerufene Rechtswirkung. Dem kann nicht gefolgt werden. Ob ein Nachteil zu befürchten ist, hat die Behörde im Rahmen der Sachverhaltsermittlung von Amts wegen zu klären. Das im Zuge der Anhörung durch die Beteiligten Vorgebrachte kann zur Entscheidung beitragen; auf eine Nichtäußerung kann sich die Behörde aber bei ihrer Entscheidung nicht stützen. Auch die Mitteilung des Berechtigten, dass er keinen Nachteil für sich sieht, reicht nicht aus. Selbst ein Verzicht auf das Recht oder die Zustimmung zur Löschung des Rechts kann im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung des Unschädlichkeitszeugnisses nicht erfolgen. Dies kann nur gegenüber dem Grundbuch in der entsprechenden Form erklärt werden. Betrachtung bestimmter dinglicher Rechte Regelmäßig sind durch die Änderung oder die Aufhebung eines Rechts Nachteile für die Berechtigten möglich. Daher ist eine konkrete und begründete Aussage zu treffen, warum ein Nachteil nicht zu erwarten ist. Bestehen Zweifel daran, sollte das Unschädlichkeitszeugnis nicht erteilt werden. ermessung Brandenburg 1/2021 25 Bei Vorkaufsrechten, Erbbaurechten, Wohnungserbbaurechten [6], Nacherbenvermerken [7], Auflassungsvormerkungen und beim Nießbrauch [8] ist ein Nachteil regelmäßig anzunehmen, da eine Reduzierung des Belastungsgegenstandes den durch das Recht begründeten Anspruch schmälert. Bei Grundpfandrechten und Reallasten ist ein (wirtschaftlicher) Nachteil regelmäßig nicht zu befürchten, wenn aus dem Restgrundstück auch künftig die Forderung vollstreckbar ist bzw. die zu bewirkenden Leistungen erbracht werden können. Bei Grundpfandrechten ist ein Nachteil regelmäßig anzunehmen, wenn das Grundstück bereits bis zur Beleihungsgrenze (60 v. H. des Beleihungswertes; vgl. § 14 Pfandbriefgesetz) oder darüber hinaus belastet ist. Ist der Beleihungswert nicht bekannt, ist der Wert des Grundstücks überschlägig zu ermitteln und ein ausreichender Sicherheitsabschlag vorzunehmen. Fallgruppe Aufhebung Die Erteilungsvoraussetzungen hinsichtlich des Ersetzens der Drittzustimmung unterscheiden sich zwischen Brandenburg und Thüringen deutlich. Unschädlichkeit liegt in • • BB vor, „… wenn für diejenigen, zu deren Gunsten das andere Grundstück belastet ist, ein Nachteil nicht zu besorgen ist, weil ihre Rechte nur geringfügig betroffen werden“ (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 BbgAGBGB). TH vor, „… wenn „für diejenigen, zu deren Gunsten das andere Grundstück belastet ist, ein Nachteil nicht zu besorgen ist und ihr Recht oder das aufzuhebende Recht verhältnismäßig geringfügig ist“ (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 ThürVermGeoG). In Brandenburg wird der fehlende Nachteil mit einer nur geringfügigen Betroffenheit des Rechts am herrschenden Grundstück begründet. Die Ausübung dieses Rechts darf dem Dritten somit nicht wesentlich erschwert werden. Im Falle eines Mitbenutzungsrechts am Grundstück, muss die Nutzung weiterhin möglich sein und etwaige Einschränkungen (z. B. ein anderer Zugangsweg) dürfen nur unwesentlich sein. Im Einzelfall ist dabei auf die konkret berechtigte Person einzugehen. Handelt es sich um ein Grundpfandrecht, dürfte entscheidend sein, ob eine etwaige Zwangsverwertung immer noch eine ausreichende Befriedigung der Forderung ermöglicht. 26 ermessung Brandenburg 1/2021 In Thüringen besteht demgegenüber die Forderung nach einem fehlenden Nachteil parallel zur Geringfügigkeit. Ferner impliziert der Wortlaut eine Wahlmöglichkeit bei Beurteilung der Geringfügigkeit. Zum einen wird auf das Recht des Dritten an dem herrschenden Grundstück Bezug genommen. Es soll verhältnismäßig geringfügig sein. Ein vager Hinweis, was darunter zu verstehen ist, findet sich in Ziff. 3.5.1 der Thüringer Verwaltungsvorschrift zur Erteilung von Unschädlichkeitszeugnissen (ThürVwVUZ). Maßgeblich ist das Verhältnis des Wertes des Rechts zum Wert des herrschenden Grundstücks. Zum anderen wird auf das aufzuhebende Recht abgestellt. Es ist dann verhältnismäßig geringfügig, wenn es den Wert oder die Nutzung des herrschenden Grundstücks nur unwesentlich beeinflusst (Ziff. 3.5.2 ThürVwVUZ). Dies entspricht inhaltlich der geringfügigen Betroffenheit, welche die Regelung in Brandenburg voraussetzt. Einfache und praxistaugliche Beurteilung der Anwendungsfälle (KO-Fragen) Aus den eindeutig definierten Anwendungs­ vo­ raussetzungen und den engen Erteilungs­ voraussetzungen für Unschädlichkeitszeugnisse wurden KO-Fragen für die Fallgruppe Veräußerung/Überführung (Tab. 3) und die Fallgruppe Aufhebung (Tab. 4) entwickelt. Dabei handelt es sich um einfache ja/nein-Fragen. Wird bereits eine der KO-Fragen mit der jeweiligen KO-Antwort beantwortet, scheidet die Erteilung eines Unschädlichkeitszeugnisses aus. KO-Frage Handelt es sich um eine Veräußerung (Kauf, Tausch, Schenkung)? KO-Antwort Nein Ist die Veräußerung im Grundbuch bereits vollzogen? Ja Handelt es sich um eine Teilfläche? Nein Ist die Teilfläche deutlich größer als 10 % des Grundstücks? Ja Tab. 3: KO-Fragen für die Fallgruppe Veräußerung KO-Frage KO-Antwort Handelt es sich um ein subjektiv dingliches Recht (begünstigt ist ein anderes Grundstück)? Nein Liegt für die Aufhebung des subjektiv ding­ lichen Rechts die Zustimmung des begünstigen Grundstückseigentümers vor? Nein Tab. 4: KO-Fragen für die Fallgruppe Aufhebung Damit können auf effiziente Weise die Anträge aussortiert werden, die keinesfalls zum Ziel führen. Insbesondere dort, wo Anfragen zentral eingehen und durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein breites Aufgabenspektrum abgedeckt werden muss, kann dies unnötige Antragstellungen vermeiden. Die KO-Fragen dürften bereits dem Laien die Möglichkeit bieten, den eigenen Sachverhalt zu beurteilen. Zusammenfassung Quellen: [1] 22. Bericht des Bürgerbeauftragten an den Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Drs. 7/458, 3. April 2017, Seite 28 ff. [2] OLG München, Beschluss vom 26.09.2012, Az. 34 Wx 30/12 – juris -, Rn. 21 [3] OLG München, Beschluss vom 26.09.2012, Az. 34 Wx 30/12 - juris -, 2. Leitsatz Unschädlichkeitszeugnisse können Hindernisse bei der Veräußerung von Grundstücksteilen belasteter Grundstücke überwinden. Sie ersetzen dabei die Zustimmung der durch das jeweilige Recht unmittelbar Berechtigten und etwaiger Drittberechtigten. Allerdings bestehen hohe Hürden bei den Erteilungsvoraussetzungen. Daher stellt das Unschädlichkeitszeugnis kein „Allheilmittel“ dar. Insbesondere der geringe Umfang des lastenfrei veräußerbaren Grundstücksteils und die Forderung nach einem nicht zu erwartenden Nachteil für die durch das Recht Berechtigten, schränkt das Instrument stark ein. [4] BVerwG, Urteil v. 16. Juli 1965, Az. IV C 54.65 - juris -, 6. Leitsatz Dennoch hat es eine praktische Bedeutung. Es ist ein Baustein im Bündel der möglichen Rechtsinstrumente, um die teils erheblichen Beeinträchtigungen des Grundstücksverkehrs durch eingetragene, insbesondere ältere Rechte an Grundstücken abmildern zu können. [8] Schöner/Stöber: Grundbuchrecht, C. H. Beck, 16. Auflage, Rn. 740 Die vorgestellte Beurteilungssystematik wird in Thüringen seit mehreren Jahren erfolgreich angewandt. Sie ermöglicht eine sachliche, effiziente und nachvollziehbare Entscheidungsfindung im Verwaltungsverfahren. [5] Schlüter, Markus: „Das Unschädlichkeitszeugnis im Grundstücksverkehr“, Zeitschrift für Vermögens- und Immobilienrecht, 4/1998, S. 183 (184) [6] Panz, Peter: „Überlegungen zum Unschädlichkeitszeugnis“, BWNotZ, 1/1998, S. 16 [7] Nacherbenvermerke sind keine Belastungen des Grundstücks, LG Frankfurt, Beschluss vom 26.08.1985, Az. 2/9 T 932/85 Robert Krägenbring Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft robert.kraegenbring@tmil.thueringen.de ermessung Brandenburg 1/2021 27 Sabine Schwermer, Ralf Strehmel https://geoportal.brandenburg.de/aktionsplan Am 23. September 2020 haben die in den ministerialen Geschäftsbereichen für das Geoinformationswesen zuständigen Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter gemeinsam den Aktionsplan GDI-BB als künftiges Steuerungsinstrument für den weiteren Ausbau der Geodateninfrastruktur im Land Brandenburg (GDI-BB) festgelegt. Der Aktionsplan GDI-BB beschreibt den Weg, auf dem in den nächsten – wenigstens – fünf Jahren die Geodateninfrastruktur Brandenburg besonders geprägt werden soll. Im Zuge dieser Prägephase wird im Internet eine Sammlung mit Beschreibungen von entsprechenden Aktionen der unmittelbaren Landesverwaltung zur Verfügung gestellt. Diese Beschreibungen bieten Transparenz über die Ausbauaktivitäten in der Geodateninfrastruktur im Land Brandenburg. Ein kurzer Rückblick Obwohl im Jahr 2006 die geplante Fusion der Bundesländer Berlin und Brandenburg nicht erfolgte, entstanden ab diesem Zeitpunkt zwischen den beiden Bundesländern weiterhin gemeinsame Projekte zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg und Infrastrukturprojekte, wie der Flughafen Berlin Weiterer Ausbau der Geodateninfrastruktur Brandenburg Aktionsplan Abb. 1: Deckblatt des Aktionsplans GDI-BB 28 ermessung Brandenburg 1/2021 Brandenburg, seien hier als typische Beispiele genannt, welche die von beiden Ländern angestrebte Handlungsbreite zeigen. Die Geodateninfrastruktur sollte auch gemeinsam entwickelt werden, weshalb der Masterplan GDI-BE/BB im Januar 2008 von beiden Landesregierungen auf einer gemeinsamen Kabinettsitzung zur länderübergreifenden Strategie bestimmt wurde. Fortan wurde das gemeinsame Vorgehen in Angelegenheiten der Geodateninfrastruktur überall dort zwischen den beiden Ländern abgestimmt, wo dieses geboten war. Zum Beispiel wurde ein gemeinsames Berlin/Brandenburgisches Profil der ISO 19115 (Metadatenprofil) entwickelt und mit dem „Bürgerportal Oberflächennahe Geothermie“ eine erste länderübergreifende Geodateninfrastrukturanwendung geschaffen. In der praktischen Zusammenarbeit beider Länder wurde aber auch allen Beteiligten rasch bewusst, dass neben gemeinsamen Zielen auch länderspezifische Anforderungen bestanden, für die Lösungen zu erarbeiten waren, die auf das Land Brandenburg als Flächenland oder das Land Berlin als Stadt individuell zuzuschneiden waren. Parallel zur Entwicklung der GDI in der Region wurde zunächst vorrangig aufgrund der Anforderungen der Europäischen Geodateninfrastruktur (INSPIRE) auch die strukturierte Entwicklung der deutschlandweiten Geodateninfrastruktur (GDIDE) forciert. Mit der GDI-DE entstand somit eine organisatorische Plattform, auf der Bund und Länder gemeinsam überregionale Geodateninfrastruktur gestalten konnten. Diese organisatorische Plattform diente fortan auch Berlin und Brandenburg für den weiteren Ausbau der Geodateninfrastruktur in der Region. Was bis heute im Land Brandenburg erreicht ist Mit dem Geodateninfrastrukturgesetz wurde EURecht in Landesrecht umgesetzt. Es regelt die technische und inhaltliche INSPIRE-Umsetzung, definiert die ressortübergreifende Kontaktstelle mit ihrer Aufgabe der Unterstützung des Lenkungsgremiums GDI-DE in seiner Funktion als die nationale Anlaufstelle der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Europäischen Union und beschreibt das für das Land zu betreibende Geoportal mit seinen grundlegenden Funktionalitäten. geodatenhaltende Stellen MIK Bereitstellung der Geodaten: • Metadaten • Darstellungsdienste • Downloaddienste Fachaufsicht inkl. Steuerung INSPIRE-Umsetzung und GDI-BB, LG GDI-DE, Leitung IMAGI Bbg, Kommunalaufsicht I M AG I B b g LGB, Kontaktstelle GDI-DE Planung Umsetzung INSPIRE, GDI Begleitung geodatenhaltende Stellen LGB Koordinierung Umsetzung INSPIRE, GDI Abb. 2: Organisation der GDI-BB Für den Betrieb der GDI-BB hat das Land Brandenburg eine Organisationsstruktur aufgebaut. Mit dem Interministeriellen Ausschuss für das Geoinformationswesen im Land Brandenburg (IMAGI Bbg), der Kontaktstelle GDI-DE, der INSPIRE-Zentrale und der über diese Organisationsbausteine gepflegten Kommunikationsstrukturen werden im Land Brandenburg sowohl die direkten gesetzlichen Aufgaben (INSPIRE-Umsetzung, BbgGDIG) als auch die übrigen ressortübergreifenden Angelegenheiten der GDI-BB gesteuert. Das Land Brandenburg hat die Architektur seiner Geodateninfrastruktur zukunftsorientiert entwickelt, sodass die Basis geschaffen ist, auch künftigen Anforderungen aus der Europäischen Union, der Bundesrepublik Deutschland oder der Region mit zeitnah entwickelbaren Lösungen gerecht zu werden. Über die zahlreichen kommunalen und landesweiten Fachportale sowie über das Geoportal Brandenburg präsentiert das Land Geodaten und Anwendungen von weit über 100 Anbietern. Diese Angebote sind weltweit recherchierbar und bis auf wenige Ausnahmen frei zugänglich. Die Nutzung ist selbst bei sehr hochwertigen Geodaten meist entgeltfrei. Insgesamt ist die Entwicklung der GDI-BB seit 2008 ununterbrochen dynamisch. Eine Geodateninfrastruktur unterliegt ständig neuen Anforderungen Auch wenn das Land Brandenburg hinsichtlich seiner rechtlich, organisatorisch, technisch und inhaltlich agilen Geodateninfrastruktur weder den Vergleich mit anderen Bundesländern scheuen noch Zweifel hinsichtlich der generellen Leistungsfähigkeit der GDI-BB hegen muss, unterliegt ein solchermaßen komplexes Netzwerk einem ständigen Innovationsdruck und bietet stets auch Bereiche mit Verbesserungspotenzial. Das breite Angebot an Geodatendiensten, welches sich in einer vitalen Geodateninfrastruktur ohnehin stetig erhöht, wird jedoch noch immer nicht umfassend genutzt. Insbesondere aufgrund teilweise fehlender Bekanntheit des breiten Angebotes und meist nur im Vorfeld der Nutzung vermuteter erheblicher technischer Hürden erfolgt die Geoinformationsgewinnung noch zu häufig auf Basis von lokal gehaltenen Geodaten mit unzureichender Aktualität. Geodaten mit ihrer über die Architekturkomponenten einer Geodateninfrastruktur stets gewährleisteten Aktualität sollten die Basis für sachgerechte Geoinformationsgewinnung im Vorfeld von Entscheidungen sein. ermessung Brandenburg 1/2021 29 In engem Zusammenhang mit der Geoinformationsgewinnung aus lokal gehaltenen Geodaten steht die mehrfache (kostspielige und selten vollständig notwendige) Erfassung gleicher oder sehr ähnlicher Geodaten. Von durchgängig wirtschaftlichem Geodatenmanagement darf deshalb noch nicht ausgegangen werden. Ferner schreitet die generelle Standardisierung von digitalen Verwaltungsprozessen und deren Verknüpfung mit der Geodateninfrastruktur nur schwerfällig fort, obwohl alle notwenigen Standards beschrieben, hinreichend erprobt und auch praktische Anwendung finden. Das Marketing bei Standardisierungsvorhaben ist aber noch zu konservativ. Die beschriebenen Defizite haben sehr spezifische Ursachen, die selten nachhaltig rechtlicher oder technischer Natur sind. Eine gemeinsame Ursache ist allerdings meist offensichtlich: Da Geoinformationswissen derzeit noch nicht als Teil der Allgemeinbildung betrachtet werden kann, muss die Mehrheit der potenziellen Nutznießer einer Geodateninfrastruktur als Autodidakten betrachtet werden. Ein in der Gesellschaft verinnerlichtes Wissen um die noch wenig angetasteten Reserven einer individuellen Mehrwertgewinnung, welche die Fortentwicklung einer Geodateninfrastruktur quasi zum Selbstläufer machen könnte, kann es deshalb noch nicht geben. Ferner ist als gemeinsame Ursache die in der Verwaltung bisher nicht genügend stringente Verzahnung fachverwaltungsspezifischer Entwicklungen insbesondere dort festzustellen, wo Geodaten als Bindeglied dienen würden. Mit einer effizienten Organisation der GDI-Ressourcenkompetenzen könnte diese Bindefunktion als GDI-typischer Mehrwert offensichtlicher werden. In der Gesellschaft sollte dieser Mehrwert dann vorrangig als innovatives Verwaltungshandeln wahrgenommen werden. Der Aktionsplan GDI-BB fordert zum Handeln in Schwerpunkten auf Als standardisiertes Netzwerk steht eine staatliche Geodateninfrastruktur mit ihrer Dienstearchitektur zum Management von Geodaten prinzipiell offen – Nutzern und Anbietern von Geodaten und Geoanwendungen gleichermaßen! Generell kann sich die GDI-BB deshalb in allen Bereichen fortentwickeln – insbesondere technisch (Standards) und inhaltlich (Datenthemen). Mit dem Aktionsplan GDI-BB konzentriert sich die unmittelbare Landesverwaltung auf drei Schwerpunkte, die die Ausbauaktivitäten in der GDI-BB mittelfristig bestimmen sollen. Diese drei Schwerpunkte sind in Zielen formuliert: Ziel 1 – Geodaten ein Leben lang anwenden Die unmittelbare Landesverwaltung wird die sachgerechte Verwendung von Geodaten zum generellen Gegenstand der Aus-, Fort- und Weiterbildung machen und so dazu beitragen, dass das Verständnis über Geodaten sukzessive als Teil der Allgemeinbildung in der Gesellschaft gesteigerte Beachtung erfährt. Ziel 2 – Geodaten einmal erfassen und vielfach nutzen Die geodatenhaltenden Stellen in der unmittelbaren Landesverwaltung werden Transparenz über das eigene Handeln im Rahmen besonders bedeutsamer Vorhaben zur Geodatenerfassung schaffen, um Mehrfacherfassung vermeidbarer und ressourcenschonende Qualitätssicherung möglich zu machen. Ziel 3 – Mehrwerte gewinnen: Geodaten in Verwaltungsprozesse integrieren Die durch Bundes- und Landesgesetze geforderte Digitalisierung von Verwaltungsprozessen wird durch die unmittelbare Landesverwaltung überall dort mit der GDI-BB in Zusammenhang gebracht, wo die Prozesse durch die Nutzung von Geodatenangeboten der GDI-BB vervollständigt und somit die Transparenz des Verwaltungsprozesses für die Nutzer erhöht wird. Abb. 3: Drei Ziele der GDI-BB 30 ermessung Brandenburg 1/2021 Aktivitäten sind Aktionen und werden Teil einer Sammlung Wird mit einer in der unmittelbaren Landesverwaltung initiierten Aktivität thematisch das Erreichen der für die GDI-BB mittelfristig definierten Ziele gefördert, ist diese als Ausbauaktivität für die GDI-BB zu werten und eine Aktion im Sinne des Aktionsplans GDI-BB. Sie wird damit Teil der im Internet veröffentlichten Sammlung der Aktionen. Die Sammlung der Aktionen schafft somit Transparenz über das Handeln in der unmittelbaren Landesverwaltung, welches der Unterstützung der Ziele der GDI-BB dient. Zu jeder Aktion bietet die Sammlung eine ausführliche inhaltliche Beschreibung sowie die Kontaktdaten des jeweiligen Ansprechpartners. Ferner werden eine Reihe von Kurzinformationen zum Ziel und Zweck, zu organisatorischen oder technischen Aspekten sowie der Dauer der jeweiligen Aktion und ihren Querbezügen zu anderen Strategien des Bundes oder des Landes geführt. Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz Ministerium für Bildung, Jugend und Sport Ministerium der Finanzen und für Europa Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur Ministerium der Justiz Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz Ministerium des Innern und für Kommunales Staatskanzlei Aktionsplan Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung GDI-BB Abb. 4: Der gemeinsame Weg zur GDI-BB GDI schafft Durchblick – im Land Brandenburg auch durch die GDI selbst Dass unsere Informationsgesellschaft nicht mehr ohne digitale Geodaten auskommt, wird seit einigen Jahren gesellschaftlich hinreichend kommuniziert. Die Geodateninfrastruktur versorgt jeden von uns – technisch oft unmerklich –, indem sie die für uns wichtigen Themen – und sei es inhaltlich auch nur hintergründig – mit Geoinformationen anreichert und uns so mehr Verständnis für Entscheidungen verschafft, die wir nicht direkt treffen, aber mit deren Auswirkung wir leben müssen. Denn Verständnis zu haben bedeutet, gemeinsam zu agieren. An dieser für uns selbstverständlichen gesellschaftlichen Transparenz hat die Geodateninfrastruktur ihren Anteil. Eine ähnliche Transparenz in die Aktivitäten innerhalb der Geodateninfrastruktur zu bringen und über diesen Weg Verständnis für die Entwicklungen in der GDI-BB zu fördern, ist Leitgedanke des Aktionsplans GDI-BB zum weiteren Ausbau der Geodateninfrastruktur Brandenburg. Denn Verständnis für die Entwicklungen zu haben bedeutet, gemeinsam mit denen zu agieren, die die Aktionen verantworten. Mit dieser in der GDI-BB künftig selbstverständlichen Transparenz setzt das Land Brandenburg ein starkes Zeichen für gemeinsames fachverwaltungsübergreifendes Handeln und agiles E-Government rund um die GDI-BB. Abb. 5: GDI – Die „eingebaute“ Lupe Sabine Schwermer Ministerium des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg sabine.schwermer@mik.brandenburg.de Ralf Strehmel ralf.strehmel@t-online.de ermessung Brandenburg 1/2021 31 Petra Wagenführ 20 Jahre SAPOS®-Regelbetrieb in Brandenburg Der Satellitenpositionierungsdienst SAPOS® ist ein Gemeinschaftsprojekt der Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland (AdV) und stellt den amtlichen, geodätischen Raumbezug in Form eines deutschlandweiten Netzes von GNSS-Referenzstationen [1] für jedermann bereit. Es ist noch gar nicht so lange her, da blickte Brandenburg auf 10 Jahre SAPOS® zurück. Nun kann eine weitere Dekade hinzufügt werden, in der sich viel ereignet hat und viele Fortschritte erzielt werden konnten. Das soll Anlass sein für einen Rückblick auf die Anfänge des SAPOS® in Brandenburg und die Entwicklung in den letzten 20 Jahren. In den 1990er Jahren begannen sich die einzelnen Landesvermessungsverwaltungen mit einer möglichen Nutzung des US-amerikanischen Navigationssatellitensystems GPS für Verfahren in der Landesvermessung zu befassen. Die ersten Bundesländer bauten dazu jeweils eine GPS-Referenzstation auf und schlossen sich themenbezogen zusammen. Die Aktivitäten der einzelnen Bundesländer bzw. Gruppen hatten ein breites Spektrum. Ohne besondere Steuerung fand jeder sein Spezialgebiet und die bevorzugte technische Ausstattung, sei es der SAPOS®-Decoder (Abb. 1), das Verfahren RASANT zum Korrekturdatenversand über den öffentlichen Rundfunk oder das Verfahren zur Datenabgabe über den 2 m-Funk mit Lizenzund Frequenzerwerb. Und nicht zu vergessen, die Marke SAPOS® wurde geschützt. Abb. 1: SAPOS-Decoder ab 1996 32 ermessung Brandenburg 1/2021 Diese Pionierzeit mündete 1995 auf der 96. AdV-Plenumstagung in den Beschluss, folgende bundesweit einheitlichen, permanenten SAPOS®-Dienste einzurichten: Echtzeit Positionierungs-Service (EPS), Hochpräziser Echtzeit Positionierungs-Service (HEPS), Geodätischer Postprocessing Positionierungs-Service (GPPS) und der heute im amtlichen Vermessungswesen nicht verwendete Geodätische Hochpräzise Postprocessing-Service (GHPS). Die Eigenentwicklungen der Länder ermöglichten die Nutzung der Dienste in den Anfangsjahren und waren Basis für technologisch ausgereifte GNSS-Rover, die Ende der 1990er Jahre von den Fachfirmen präsentiert wurden. Das amtliche Vermessungswesen war von Beginn an bestrebt, unterstützt durch sinnvolle Technologien und geeignete Technik, SAPOS® als Dienstleiter 24 Stunden an allen 7 Tagen der Woche den Nutzern bereitzustellen und damit auch für viele Aufgaben der freien Wirtschaft attraktiv zu sein. Erstes SAPOS®-Datenangebot im Land Brandenburg Nach einem Besuch der ersten Referenzstation des Landes Sachsen-Anhalt in Halle (Saale) Ende 1994 hat das Landesvermessungsamt Brandenburg die Software GNSMART der Firma Geo++ GmbH beschafft und 1995 auf dem EUREF-Punkt auf dem Großen Ravensberg in Potsdam die erste Referenzstation eingerichtet. Die Ausrüstung bestand aus einem der legendären Trimble 4000 SSE-Empfänger (Abb. 2) und zugehöriger Antenne. Pilotprojekt mit 4 Referenzstationen Abb. 2: GPS-Empfänger Trimble 4000 SSE der Referenzstation Potsdam In der Folge wurden im Landesvermessungsamt permanent Daten im RINEX-Format [2] gespeichert und auf Datenträgern abgegeben, um damit im Postprocessing die Koordinaten zu berechnen. In Echtzeit wurden Korrekturdaten im RTCMFormat 2 [3] über den Rundfunk versendet, dem späteren EPS. Die Datenübertragung zur Einspeisung in den Ostdeutschen Rundfunk erfolgte über eine Standleitung. Diese ersten Datenangebote wurden rege und erfolgreich genutzt. Die positiven Testergebnisse und die Resonanz erlaubten den nächsten Schritt. In Brandenburg wurde 1995 ein Pilotprojekt SAPOS® initiiert, in dem eine Bietergemeinschaft bestehend aus den Firmen Geo++ für den geodätischen Teil und der ISYS GmbH für die Informations- und Kommunikationstechnik ein Konzept für ein Netz aus vier Referenzstationen und eine zentrale Steuerung und Datenverwaltung erarbeitete. Dabei orientierte man sich am aktuellen Entwicklungsstand der Vermessung mit Navigationssatellitensystemen und setzte die Empfehlungen der AdV zu SAPOS® um. Als Standorte für diese Referenzstationen wurden die Katasterbehörden in Brandenburg an der Havel, Bad Belzig und Wünsdorf sowie das Landesvermessungsamt in Potsdam gewählt (Abb. 4). Neben der Empfangsantenne vom Typ NovAtel 503 auf den Gebäudedächern wurde in geeigneten Räumlichkeiten die gesamte Rechen- und Kommunikationstechnik und der GPS-Empfänger Zeiss GePoS RM24 in einem Netzwerkschrank untergebracht. Das Konzept sah eine größtmögliche Zentralisierung der Prozesse und Daten vor. Als Kommunikationsweg wurde von Anfang an das Landesverwaltungsnetz genutzt. Auf den Referenzstationen befanden sich PC samt Peripheriegeräten, die mit der Software GNSMART Korrekturdaten berechneten und mit einem Kommunikationsmodul zum Landesvermessungsamt nach Potsdam übertrugen. Dort erfolgten die Multistationsausgleichung zur Berechnung der Flächenkorrekturparameter (FKP) und die dauerhafte Speicherung der RTCM-Daten. Die FKP wurden zur Referenzstation zurückgesandt und dort im 2 m-Band über Funk und im GSM (Mobiltelefon) über Modem verschlüsselt abgegeben. Abb. 3: Sendemast im Landkreis Potsdam-Mittelmark mit 2 m-Funkantenne Kathrein der Referenzstation Potsdam Der Nutzer benötigte einen SAPOS®-Decoder mit Vorab-Freischaltung, der die autorisierte Datennutzung im gewünschten Datenformat und die Abrechnung ermöglichte. Für GPPSKunden wurden RTCM-Daten gespeichert, auf einer Tape-Library (Bandspeichertechnologie) archiviert und schließlich zur Abgabe in RINEX konvertiert. Sie wurden zunächst noch auf Datenträgern und ab 2001 auf einem Server im Internetsegment des Landesbetriebes für Datenverarbeitung und Statistik, heute Zentraler ITDienstleister des Landes Brandenburg (ZIT-BB), zum Herunterladen bereitgestellt. Die Software und Technologie erstellte die Firma actina AG. ermessung Brandenburg 1/2021 33 Flächendeckung und Beginn des Regelbetriebes Abb. 4: Pilotprojekt SAPOS-Standorte der Referenzstationen Als Backup wurden Wählverbindungen im ISDN durch ein Kommunikationsmodul der Referenzstationssoftware aufgebaut für den Fall, dass die LVN-Verbindung ausfiel. Auf der Referenzstation Brandenburg war zusätzlich ein Mobiltelefon installiert. Das LVN ist auch heute noch Übertragungsweg, wobei eine ständige Erweiterung des Service und der Bandbreite entsprechend den Anforderungen an die Datenqualität des SAPOS® im Rahmen der Möglichkeiten des LVN erfolgte. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Pilotprojekts Ende 1996 hat das Landesvermessungsamt 10 weitere Referenzstationen auf Gebäuden der Katasterbehörden mit einheitlicher technischer Ausstattung erkundet und eingerichtet, so dass 1999 insgesamt 14 Referenzstationen zur Verfügung standen. Für die Installation der Antennen wurde die Firma DT Digitaltechnik hinzugezogen, die auch die Auswahl der Standorte für die 2 m-Funksender unterstützte. Ziel war es, bis 1999 ca. 70 bis 80 % Flächenabdeckung zu erreichen. Als optimaler Abstand zwischen den Referenzstationen galt damals 50 bis 60 km. Die Variation des Stationsabstandes je Bundesland liegt heute bei den Flächenländern zwischen 0,4 bis 1,0 Stationen auf 1 000 km2 und beim Saarland und den Stadtstaaten zwischen 2,4 bis 7 Stationen auf 1 000 km2. Mit dieser Stationsdichte garantieren die SAPOS®Betreiber die Zuverlässigkeit des Dienstes, da ein eventueller Stationsausfall im Referenzstationsnetz kompensiert werden kann. Die noch vorhandenen Lücken in der Abdeckung der Landesfläche wurden im Jahr 2000 durch weitere 7 Referenzstationen, vorzugsweise auf öffentlichen Gebäuden, weitgehend geschlossen (Abb. 5). Mit jeder Ausbauphase Sowohl die beiden ausführenden Firmen als auch das Landesvermessungsamt testeten ausführlich im Pilotprojekt, um die definierten SAPOS®-Dienste zu verifizieren, eine optimale Ausstattung der Referenzstationen, der Zentrale und der Kommunikation abzuleiten und damit den Leistungsumfang für den Aufbau weiterer Referenzstationen festzulegen. Die Bietergemeinschaft erstellte einen Testbericht, in dem u. a. der Wegfall der Backup-Wählverbindungen vorgeschlagen wurde. Die Testmessungen führten auch zur Entscheidung, die Netzausgleichung für die FlächenkorrekturparameterBerechnung beim weiteren Aufbau vorerst nicht fortzuführen, weil Aufwand und Nutzen zum damaligen Zeitpunkt unverhältnismäßig waren. Abb. 5: Weitgehende Flächenabdeckung durch 21 Referenzstationen seit dem Jahr 2000 34 ermessung Brandenburg 1/2021 SAPOS-Kunden 800 800 700 700 Anzahl AnzahlKunden Kunden 600 600 500 500 400 400 300 300 200 200 100 100 00 2000 2000 2001 2001 2002 2002 2003 2003 2004 2004 2005 2005 2006 2006 2007 2007 2008 2008 2009 2009 2010 2010 2011 2011 2012 2012 2013 2013 HEPS HEPS GPPS GPPS Anzahl Anzahl ÖBVI ÖBVI Abb. 6: SAPOS Brandenburg – Anzahl der Kunden je Service und der SAPOS nutzenden ÖbVI wuchs auch die zentrale SAPOS®-Technik der LGB in Potsdam. Parallel dazu wurden die Katasterbehörden des Landes mit GNSS-Rovern ausgerüstet. Der Dienst des SAPOS® Brandenburg ermöglichte den Katasterbehörden einen schnellen und zeitgemäßen Zugang zum amtlichen Bezugssystem. Dies überzeugte auch die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure/-innen (ÖbVI) und führte zu einem rasanten Anstieg der SAPOS®-Nutzung in den Folgejahren (Abb. 6). Die Hardware auf den Referenzstationen sowie der Entwicklungsstand der Referenzstationssoftware und der GNSS-Rover machten ab 2001 die landesweite Verarbeitung der FKP aus einer Multistationsausgleichung möglich. SAPOS® Brandenburg wurde 2001 durch Innenminister Jörg Schönbohm feierlich in den Regelbetrieb genommen (Abb. 7). Damit war jedoch noch nicht das Ende der Entwicklung erreicht. Die nächsten Jahre waren geprägt von der Integration weiterer Navigationssatellitensysteme, der Einführung neuer internationaler Standards und der Erschließung neuer Kommunikationswege. Abb. 7: Offizieller Start des Regelbetriebes von SAPOS Brandenburg im Juni 2001 durch Innenminister Jörg Schönbohm ermessung Brandenburg 1/2021 35 Zentrale Stelle SAPOS®, Ntrip-Caster und GLONASS Abb. 8: Antenne Leica 504 GG Mit der Einrichtung der Zentralen Stelle SAPOS® im Jahr 2003 begann der Datenaustausch der Bundesländer untereinander und damit die länderübergreifende Vernetzung. Die Einbeziehung der benachbarten Referenzstationen stellte die Berechnung der FKP bis zur Landesgrenze sicher. Die Zentrale Stelle SAPOS® agiert seither erfolgreich als zentraler Ansprechpartner für länderübergreifend oder bundesweit tätige Kunden. Eingerichtet ist die zentrale Stelle SAPOS® beim Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen (LGLN) [4]. Ein ISDN-Backup von der Potsdamer Zentrale der Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg (LGB) zu den Referenzstationen gab es von 2002 bis 2019, als die deutsche Telekom das ISDN einstellte. Abb. 9: Receiver Topcon NET-G3 Abb. 10: Antennenkalibrierung am Roboter der Senats­verwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Berlin 36 ermessung Brandenburg 1/2021 Die LGB ersetzte ab 2003 die Datenabgabe an den Referenzstationen durch die zentrale Datenbereitstellung via ISDN/GSM und Internet. Letzteres wird seit 2005 durch das vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) entwickelte Ntrip [5] möglich, welches die Korrekturdaten ähnlich einem Internetradio abgibt. Seit 2018 erfolgte die Abkehr von ISDN und GSM (GSM-CSD bis Ende 2020). Während die Anzahl gleichzeitiger Nutzer bei der Einwahl in das ISDN am Datenserver begrenzt war – ein Primärmultiplexanschluss erlaubte 30 parallele Anrufe –, ist die Datenabgabe mit Ntrip lediglich durch die Dimension des Internetanschlusses und die Software begrenzt. Nach einer Mitnutzung des Ntrip-Casters in Niedersachsen von 2005 bis 2010 hat die LGB in Frankfurt (Oder) den ersten eigenen Caster eingerichtet. Im Land Brandenburg besteht seitdem die Möglichkeit, mindestens 700 Nutzer gleichzeitig zu bedienen. Nach diesen Veränderungen der zentralen SAPOS®-Technik der LGB stand nun die Erneuerung der Empfangstechnik auf den Referenzstationen an und damit auch die Integration des russischen Navigationssatellitensystems GLONASS. 2006 hat die LGB fünf neue Empfänger GRX1200GGPro und Antennen 504 GG der Firma Leica (Abb. 8) beschafft, um die gleichzeitige Verwendung der Navigationssatellitensysteme GPS und GLONASS in SAPOS® zu verifizie- ren. Basierend auf den Tests in verschiedenen Bundesländern und der Empfehlung der AdVProjektgruppe GPS-GLONASS-Galileo hat der Arbeitskreis Raumbezug der AdV im Juni 2007 einen Beschluss zur Ausrüstung aller SAPOS®Referenzstationen mit Empfangstechnik für GPS und GLONASS (2G) bis zum 01.01.2009 gefasst. Mit der Beschaffung von weiteren 16 Empfängern Topcon NET-G3 und den zugehörigen Antennen hat die LGB diesen Beschluss bis Februar 2008 umgesetzt. Zudem wurden die Antennen nun azimut- und elevationsabhängig absolut kalibriert. Diese Schritte führten zu einer verbesserten Qualität der Positionierung. Polnische Stationen, letzter Lückenschluss und RTCM 3 Im Jahr 2008 konnten schließlich die benachbarten Referenzstationen des polnischen Betreibers ASG-EUPOS in die Netzausgleichung eingeführt werden. Und auch umgekehrt werden die SAPOS®-Daten aus Deutschland in allen umliegenden Staaten genutzt. Der Austausch geschieht in aller Regel über die Zentrale Stelle SAPOS®. Die GNSS-Technik wurde vollständig netzwerkfähig. Zu dieser Zeit etablierte sich der Begriff „Fühlerstation“, d. h. der GNSS-Empfänger wurde der Sensor, der alle Daten empfangen, verarbeiten und weiterleiten kann, die auf der Referenzstation gemessen werden, z. B. auch Wetterdaten. Die Anzahl der Geräte in den Netzwerkschränken an den Referenzstationen sank stetig. Dagegen stieg die Datenverfügbarkeit durch den Wegfall potenzieller Ausfallursachen. So summierte sich die Ausfallzeit von einzelnen Referenzstation im Land Brandenburg im Jahr 2007 noch auf 35 Tage, betrug 2008 noch 14 Tage und 2009 nur noch einen Tag. 2020 lag die Verfügbarkeit der Dienste HEPS und GPPS bei 99,8 % bzw. 99,9 %. Im Osten Brandenburgs konnten 2013 zwei letzte Lücken in der Flächendeckung geschlossen werden. Neu war dabei, dass die Planung der Referenzstationen mit den polnischen Kollegen abgestimmt wurde. So wurde eine Station östlich des Oderbruchs und die andere in Guben errichtet. Im selben Jahr hat die LGB neben der zentralen SAPOS®-Technik in Potsdam weitere SAPOS®Technik in Frankfurt (Oder) aufgebaut, um für mehr Redundanz und Ausfallsicherheit zu sorgen. Heutzutage wird die Arbeit von wenigen virtuellen Maschinen geleistet, die sich in den IT-Serviceräumen der LGB befinden. Ab dem Jahr 2014 konnten mit der Einführung des Datenformates RTCM 3 auch Transformationsnachrichten im HEPS ausgesendet werden. In Brandenburg erhalten die Nutzer seitdem Höhen im amtlichen System und müssen kein Geoid-Modell mehr auf ihrem Rover installieren. Mit der Einführung des einheitlichen integrierten geodätischen Raumbezugs in Deutschland – ETRS89/DREF91 (Realisierung 2016), DHHN2016 und DHSN2016 – setzte sich in der Vermessungsverwaltung eine ganzheitliche Betrachtungsweise der bislang getrenn- Abb. 11: Ehemalige SAPOS-Technikzentrale in der LGB Potsdam im Jahr 2010 ermessung Brandenburg 1/2021 37 ten geometrisch und physikalisch definierten Komponenten durch. Die deutlich verbesserten Genauigkeiten des Deutschen Haupthöhennetzes DHHN2016 und des Quasigeoids GCG2016 ermöglichten gleichzeitig einen Qualitätssprung in der Anwendung der GNSSMesstechnik mittels SAPOS®, insbesondere für die Bestimmung der Normalhöhe als Gebrauchshöhe. GPPS-PrO, Galileo und BeiDou Um den Nutzern zusätzlich zu GPS und GLONASS auch Korrekturdaten für die Navigationssatellitensysteme Galileo und BeiDou anbieten zu können, stand die nächste Erneuerung der Empfangstechnik ins Haus. Seit 2017 sind die Referenzstationen für den Empfang dieser Satellitensysteme ausgerüstet. Hinsichtlich der Hersteller zeigt sich in Brandenburg ein heterogenes Bild; es sind Geräte von Topcon, Leica und Septentrio im Einsatz. 2019 wurde GPPS um eine Dienststufe erweitert. Neben dem Abruf von RINEX-Daten physischer und virtueller Referenzstationen können die Kunden seitdem auch den Berechnungsdienst GPPS-PrO nutzen. Mit diesem Dienst werden aus RINEX-Daten die Koordinaten eines Neupunktes berechnet und dem Nutzer per E-Mail zugesandt. Während seit 2018 GPS, GLONASS, Galileo und BeiDou als Rohdaten über die Zentrale Stelle SAPOS® bereitgestellt werden, dauerte es noch etwas länger, bis auch die Nutzer im Land Brandenburg mit den vier GNSS versorgt werden konnten. Seit März 2020 nutzt SAPOS® Brandenburg neben den Navigationssatellitensystemen GPS und GLONASS auch das europäische Galileo und das chinesische Beidou für die Datenbereitstellung im Echtzeitdienst und seit Beginn 2021 auch für die aufgezeichneten RINEX-Daten. Aufbau von zwei Bodenstationen Seit mehr als einem Jahrzehnt wird die Qualität der SAPOS®-Daten in verschiedenen Monitorings überprüft. Anhand der langen Zeitreihen wurden an manchen Referenzstationen jahreszeitliche Effekte festgestellt. Diese Lageschwankungen ließen sich durch physikalische Einflüsse an den Gebäuden erklären und veranlassten die LGB zum Verlegen der Stationen. Auch durch andere Rahmenbedingungen, wie 38 ermessung Brandenburg 1/2021 Abb. 12: Bodenvermarkte Referenzstation in Brandenburg an der Havel geplanter Abriss oder Kernsanierung von Gebäuden, mussten Verlegungen von Referenzstationen vorgenommen werden. Die beiden jüngsten Referenzstationen wurden nach dem neuesten Stand der Erkenntnisse mit bodenvermarkten Antennen aufgebaut. Die Station Templin wurde am 13.06.2019 in Betrieb genommen und die Station Brandenburg an der Havel folgte am 01.09.2020 (Abb. 12) [6]. Kostenfreie Nutzung SAPOS® Brandenburg Seit Januar 2020 gilt Open Data auch für SAPOS® Brandenburg umfänglich. Damit können sämtliche SAPOS®-Dienste nach vorheriger Anmeldung kostenfrei genutzt werden. Dies verlieh der Nachfrage einen neuen Schub, insbesondere bei der Nutzergruppe der Landwirte (Abb. 13, 14). Seit den Anfangszeiten von SAPOS® hat sich das Augenmerk der Nutzer immer mehr auf die Echtzeitdienste verlagert, die heute ungefähr 90 % der abgerufenen Datenmenge ausmachen. Die Homepage der LGB bietet einen Überblick über den SAPOS®-Dienst in Brandenburg mit entsprechenden Zugangsinformationen [7]. Die Umstellung auf die kostenfreie Nutzung des SAPOS®-Dienstes bedeutete keinen Verlust an Qualität und Service. Die LGB bietet denselben hohen Standard an Service und Beratung für Nutzer an wie vorher. Abb. 13: Vergleich der SAPOS-Nutzung 2019 und 2020 in Brandenburg Datenabruf in Datenabruf in Minuten Minuten 1.800.000 1.800.000 1.600.000 1.600.000 1.400.000 1.400.000 1.200.000 1.200.000 1.000.000 1.000.000 800.000 800.000 600.000 600.000 400.000 400.000 200.000 200.000 0 0 2019 2020 2019 2020 Datenabruf in Minuten 2020 nach Nutzergruppen 1.400.000 1.200.000 1.000.000 800.000 600.000 400.000 200.000 0 Jan Feb März April Mai Juni Juli Aug Sept Okt Nov Dez 165.971 219.625 401.679 455.327 226.725 266.927 287.189 270.287 310.300 264.966 312.265 448.091 1.461 214.387 320.157 277.107 546.321 816.170 1.239.0 1.110.0 485.260 274.878 0 0 Andere Landwirtschaft Abb. 14: Entwicklung der Nachfrage SAPOS in der Landwirtschaft in Brandenburg Qualitätsmanagement Zur optimalen Überwachung der Bereitstellung des Raumbezugs haben die SAPOS®-Betreiber der Bundesländer ein Qualitätsmanagement mit zugehörigem Sicherungssystem aufgebaut. Die Grundlagen dafür bilden neben einer einheitli- chen SAPOS®-Produktdefinition auch internationale Standards zum Betrieb des Dienstes und zur Abgabe der Daten. Neben der qualitativen Beurteilung der Referenzstationen als Träger der amtlichen Koordinaten stehen Kennzahlen zur Steuerung der SAPOS®-Dienste und zur Einschätzung der Nutzerresonanz im Fokus des ermessung Brandenburg 1/2021 39 SAPOS®-Qualitätsmanagements. Ebenso werden die Qualität der Echtzeit-Datenströme und die Langzeitverfügbarkeit von RINEX-Daten als Gütekriterium beurteilt. Die AdV-Projektgruppe SAPOS®-Qualitäts­ manage­ment hat seit 2007 aus den Qualitätsmaßnahmen der Länder sieben bundesweit einheitliche Statistiken erarbeitet, die regelmäßig aktualisiert werden. Sie erstellt jährlich einen SAPOS®-Qualitätsbericht und die Bestandsaufnahme SAPOS®. Anlassbezogen wird die Produktdefinition SAPOS® aktualisiert. Auf der Homepage der AdV sind die Dokumente und Statistiken umfassend für interne Zwecke und in ausgewählter Form für die externe Nutzung zugänglich [8]. Die Qualität des SAPOS® wird durch seine Verfügbarkeit und die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Ergebnisse gemessen. Die LGB möchte sicherstellen, dass die Referenzstationspunkte stabil und gut geeignet sind und die angebotenen Dienste die Anforderungen erfüllen. Seit Beginn des Pilotprojekts SAPOS® im Jahr 1995 werden alle Bestandteile der Referenzstationen und der zentralen Technik erfasst sowie Änderungen und beobachtete Ereignisse dokumentiert. Dies erfolgte zunächst auf analogem Wege. Heute nutzt die LGB dafür ein SAPOS®Wiki, welches die Ausstattung der Referenzstationen, ihre Koordinaten, die Netzwerk- und Standortinformationen und die Rechnerstruktur der SAPOS®-Technikzentralen in Frankfurt (Oder) und Potsdam umfasst. In „täglicher Wartung“ hält die LGB die erste Inaugenscheinnahme und alle weiteren Ereignisse des Tages fest. Ebenso werden sämtliche Nutzerkontakte dokumentiert. Regelmäßige Auswertungen helfen, auf Betreiberseite die Hardware und das Betriebssystem sowie die Referenzstationssoftware und den Datentransfer im Landesverwaltungsnetz den Anforderungen anzupassen. Auch für die Nutzer können daraus Hinweise abgeleitet werden. Die LGB stellt auf ihrer Homepage aktuelle SAPOS®Qualitätsinformationen für die Nutzer zur Verfügung [9]. Ausblick Die Entwicklung von SAPOS® ist noch längst nicht abgeschlossen. SAPOS® Brandenburg ist auch künftig bestrebt, den technischen Fortschritt und neue Verfahren im bundesweiten 40 ermessung Brandenburg 1/2021 AdV-Rahmen bestmöglich in die Praxis umzusetzen, verbunden mit einem wirksamen Qualitätsmanagement und hoher Servicequalität. Bei alledem steht der Nutzer im Mittelpunkt des Geschehens. Auf jeden Fall hält auch das nächste Jahrzehnt eine Menge an Innovationen bereit! Quellen: [1] Global Navigation Satellite System – unter GNSS werden aktuell die satellitengestützten global nutzbaren Navigations- und Positionierungssysteme GPS, GLONASS, Galileo und Beidou zusammengefasst. [2] Receiver Independent Exchange Format [3] Radio Technical Commission für Maritime Services [4] https://zentrale-stelle-sapos.de [5] Networked Transport of RTCM via Internet Protocol [6] Mathias Meißies: Zweite bodenvermarkte SAPOS-Referenzstation in Brandenburg in Betrieb, Vermessung Brandenburg 2/2020, S. 74 – 76 [7] https://geobasis-bb.de/lgb/de/geodaten/ raumbezug-sapos/ [8] http://www.adv-online.de/Startseite/ [9] https://geobasis-bb.de/lgb/de/geodaten/ raumbezug-sapos/sapos-monitoring/ Petra Wagenführ Jörg Rubach Staffelde im Tausch gegen die „spitze Nase“ Zu geschichtlichen Hintergründen der Festlegung der Festlandabschnitte der deutsch-polnischen Grenze in den Jahren 1945 bis 1951 Seit 2011 arbeiten die Vermessungsverwaltungen der Bundesländer Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern an der Umsetzung des „Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Vermarkung und Instandhaltung der gemeinsamen Grenze auf den Festlandabschnitten sowie den Grenzgewässern und die Einsetzung einer Ständigen Deutsch-Polnischen Grenzkommission“. Während die Kolleginnen und Kollegen aus Brandenburg und Sachsen ihre Arbeiten wie selbstverständlich auf die Grenze in Oder (Talweg) und Neiße (Mittellinie) und deren Markierung durch Grenzsäulen konzentrieren, gilt das für das nördliche Brandenburg und einen Großteil der polnischen Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern nicht. Hier verläuft die Staatsgrenze überwiegend über Land, teilweise durch unübersichtliches Gelände, dass man manchmal glauben mag, dort käme freiwillig nur jemand hin, wenn er sich um die Grenzeinrichtungen kümmern muss. Da stellt sich bei den Betroffenen die Frage nach dem Warum. Die Antwort findet sich in einem spannenden Exkurs in die Geschichte nach 1945. „Gelernten“ DDR-Bürgern ist die „Oder-NeißeFriedensgrenze“ ein Begriff. Damit wurde die im Ergebnis des Zweiten Weltkriegs gebildete Staatsgrenze zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Republik Polen im sozialistischen Sprachgebrauch bezeichnet. Im ersten (!) außenpolitischen Akt des wiedervereinigten Deutschlands ist dieser Grenzverlauf auch von der Bundesrepublik Deutschland anerkannt worden. Hierzu unterzeichneten Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und sein polnischer Amtskollege Krzysztof Skubiszewski am 14. November 1990 in Warschau den deutsch-polnischen Grenzvertrag. Die Festlegung, dass die Grenze zwischen Deutschland und Polen nach dem Zweiten Weltkrieg entlang von Oder und Neiße verlau- fen soll, ist im Februar 1945 im Abkommen von Jalta erstmalig formuliert und im Potsdamer Abkommen im August 1945 festgeschrieben worden. So vereinbarten Winston Churchill, Theodor Roosevelt und Josef Stalin für die alliierten Siegermächte Großbritannien, USA und Sowjetunion verbindlich: „Die Häupter der drei Regierungen stimmen darin überein, dass bis zur endgültigen Festlegung der Westgrenze Polens die früher deutschen Gebiete östlich der Linie, die von der Ostsee unmittelbar westlich von Swinemünde und von dort die Oder entlang bis zur Einmündung der westlichen Neiße und die westliche Neiße entlang bis zur tschechoslowakischen Grenze verläuft ... .“ Nimmt man eine Karte zur Hand, stellt man schnell fest, dass der heutige Grenzverlauf im nördlichen Teilabschnitt von der Festlegung im Potsdamer Abkommen abweicht. Insbesondere würde Stettin, Hauptstadt der preußischen Provinz Pommern mit einst 380 000 Einwohnern, zu Deutschland bzw. zur 1945 gebildeten sowjetischen Besatzungszone, der späteren DDR, gehören. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs setzte sich Stalin aus eigenen machtpolitischen Erwägungen über die Festlegung der Alliierten hinweg und gab Stettin in polnische Hände. Dies war natürlich ein Affront gegen die USA und Großbritannien, die aber wegen dieser Angelegenheit keinen neuen militärischen Konflikt riskieren wollten. An dieser Stelle soll nur auf die umfangreich zu diesem Thema verfügbare Literatur, z. B. auf das Buch „MecklenburgVorpommern, die Stadt Stettin ausgenommen“, von Bernd Aischmann, Journalist und mehrere Jahre Vize-Regierungssprecher im Land Brandenburg, verwiesen werden. Wenn es nach der polnischen Seite gegangen wäre, hätten auch Usedom und Rügen nach dem Sieg über Hitler an Polen gehen sollen. Nach Aischmann, der sich auf polnische Teilnehmer der Verhandlungsrunde beruft, sei Stalin bei der Frage nach Rügen an die Landkarte gegangen, habe seine Brille aufgesetzt und geantwortet, dass „wir sie ermessung Brandenburg 1/2021 41 wahrscheinlich nach dem Dritten Weltkrieg erobern können, jetzt ist das nicht möglich.“ [1] Am 5. Juni 1945 übergab die Sowjetunion – fünf Tage nach dem Abzug der Briten aus Schwerin – Stettin an die polnische Verwaltung. Aus Stettin wurde Szczecin. Der letzte Stettiner Oberbürgermeister, Erich Wiesner, wechselte nach Schwerin, wurde dort ebenfalls Chef der Stadtverwaltung und später Redakteur und Parteisekretär der Schweriner Volkszeitung. [1] Natürlich konnte Stettin nicht aus der direkten Umgebung herausgelöst in polnische Hände gegeben werden. Um die Lebensfähigkeit der Stadt zu erhalten, übergab die Sowjetunion auch den halben damaligen Kreis Randow an Polen. Der vom Potsdamer Vertrag abweichende Grenzverlauf wurde am 21. September 1945 durch den Schweriner Grenzvertrag besiegelt. Dabei ging alles sehr schnell. Am 19. September 1945 wurde dem polnischen Bevollmächtigten der Volksrepublik Polen, Leonard Borkowicz, und dem Präsidenten der Stadt Stettin, Piotr Zaremba, in Berlin durch den Generalstabschef der Roten Armee der Sowjetunion, Marschall Georgi Konstantinowitsch Schukow, eine eigens für diesen Zweck aus Moskau herbeigeschaffte Landkarte im Maßstab 1 : 500 000 übergeben, die den Stettiner Zipfel nun nach Polen verschob. Am 20. September 1945 wurde der Grenzverlauf von sowjetischen Topographen der sowjetischen Delegation in Anwesenheit polnischer Delegierter in Greifswald in eine Stabskarte 1 : 100 000 übertragen. Bei einer Ortsbesichtigung am Nachmittag wurden nur geringe Korrekturen durchgeführt. [2] Der Schweriner Grenzvertrag ist in russischer Sprache verfasst, ihm wurde noch eine polnische Übersetzung beigefügt. Der Übergang des Territoriums wurde auf den 4. Oktober 1945 festgelegt. [2] Aus diesen Ausführungen wird ersichtlich, dass die deutsche Seite nicht mit am Verhandlungstisch saß. Es ist überliefert, dass Wilhelm Pieck, damals Vorsitzender der KPD und späterer Präsident der DDR, sehr verärgert über diese Entwicklung war. Obwohl es von vornherein ausgeschlossen war, gegen die Festlegung aus Moskau aufzubegehren, tat man sich in der Sowjetischen Besatzungszone und auch nach Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 schwer, den Grenzverlauf von deutscher Seite anzunehmen. Das ist auch ein Grund, warum es von der Festlegung 42 ermessung Brandenburg 1/2021 des Grenzverlaufs im Jahr 1945 bis zum Abkommen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Republik Polen über die Markierung der festgelegten und bestehenden deutschpolnischen Staatsgrenze am 6. Juli 1950 (Vertrag von Zgorzelec) so lange gedauert hat. Zu der im Potsdamer Abkommen mit der Formulierung: „… bis zur endgültigen Festlegung der Westgrenze …“ beabsichtigten Friedenskonferenz mit Deutschland kam es übrigens nicht. Allgemein wurde diese Friedenskonferenz für 1947 bzw. 1948 erwartet. Allerdings scheiterten die vorbereitenden Beratungen der Außenminister der USA, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs sowohl im März / April 1947 in Moskau und als auch dann endgültig im Dezember 1947 in London am beginnenden Kalten Krieg. Für die Trennlinie zwischen Deutschland und Polen bedeutete dies: Das Potsdamer Provisorium, ergänzt um die Vereinbarungen von Schwerin am 21. September 1945, verstetigte sich zu einem nicht veränderbaren Dauerzustand. [3] Ein weiteres Kapitel in dieser spannenden Geschichte fehlt aber noch. Im September 1950 nahm die Gemischte DeutschPolnische Kommission für die Markierung der Staatsgrenze zwischen Deutschland und Polen (Grenzmarkierungskommission) ihre Arbeit auf. In ihrem Ende 1950 vorgelegten „Bericht über die vollzogene Unterzeichnung des Aktes betr. die Markierung der Staatsgrenze zwischen Deutschland und Polen“ wird von der polnischen Seite der Grenzmarkierungskommission die grundsätzliche Abweichung des Grenzverlaufes westlich von Świnoujście (Swinemünde) in der Größe von 150 ha beantragt. Hintergrund war, dass das für die Bevölkerung von Świnoujście dienende Wasserwerk sonst auf deutscher Seite liegen würde. Am 19. Januar 1951 wurde in Szczecin das Schlussprotokoll der Grenzmarkierungskommission unterschrieben, nach dem nunmehr um das Wasserwerk eine „spitzen Nase“ (Abb. 1) gezogen wurde, wodurch ca. 75 ha Land von der DDR auf Polen übergehen würden. [4] Am 11. Juni 1951 einigten sich für die Volksrepublik Polen der Gaubeamte Felix Kazmierczak, für die DDR der Volkspolizist Horst Weirandt sowie der Vertreter der Sowjetischen Kontrollkommission Gennadi Filippow in dem Übergabeprotokoll über den Verlauf der Grenze beim Wasserwerk von Swinemünde, wodurch dieses mitsamt einem überwiegend bewaldeten Ge- Abb. 1: Planzeichnung zum zukünftigen Grenzverlauf (Ausschnitt) aus der Spätphase der Verhandlungen zwischen der DDR und Polen mit der „spitzen Nase“. Zusätzlich eingefügt als gestrichelte Linie ist in dieser Wiedergabe die von 1945 bis Juni 1951 praktizierte Demarkationslinie, entnommen aus [3] Seite 86 bietszipfel (in Polen auch „Sack“ (pl. worek) genannt) von der DDR an Polen übertragen wurde. [4] Quellen: Als Kompensation wurde der DDR von Polen ein Gebiet entsprechender Größe an der Oder im Bereich Staffelde (heute Land Brandenburg) übertragen. Staffelde ist somit die einzige Ortschaft, die nach vorübergehender polnischer Verwaltung zwischen 1945 und 1951 wieder deutsch wurde. [5] [2] Wikipedia, Schweriner Grenzvertrag In diesen Jahren war Staffelde Niemandsland und nicht bewohnt. Erst nach der Anerkennung der Oder-Neiße Grenze 1950 durch die DDR und Festlegung vom genauen Grenzverlauf 1951 kehrten die Einwohner in den Ort zurück. Nach der DDR-Kreisreform 1950 kam der Ort zum Kreis Angermünde. [6] Heute ist Staffelde Ortsteil der Gemeinde Mescherin im Landkreis Uckermark (Abb. 2, S. 44). [1] Schweriner Volkszeitung vom 20.09.2010, S. 3 [3] Aischmann, Bernd: Die Entstehung der Grenze auf der Insel Usedom 1945 bis 1951, Tagungsband zur Tagung „Zwischen Usedom und Uznam – Geschichte, Gegenwart und Perspektiven einer Grenze“ vom 14. bis 16. Oktober 2011 in Kamminke/ Insel Usedom [4] Wikipedia, Wasserwerk Świnoujście [5] Wikipedia, Staffelde (Mescherin) [6] https://www.uckermark-region.de/gartz/ staffelde.htm Dr.-Ing. Jörg Rubach Landesamt für innere Verwaltung Mecklenburg-Vorpommern joerg.rubach@laiv-mv.de ermessung Brandenburg 1/2021 43 Abb. 2: 44 Ausschnitt aus der Topographischen Karte 1:25 000, Blatt 2752 Gartz (Oder), LGB (2008) ermessung Brandenburg 1/2021 Judith Killiches Der lange Weg zur besseren Qualität Kann das Verfahren zur Qualitätsverbesserung im Liegenschaftskataster (QL) die Durchführung von Liegenschaftsvermessungen beschleunigen und die Zuverlässigkeit der ALKIS-Daten erhöhen? In Anbetracht des erheblichen Personaleinsatzes für das Thema muss diese Sinnfrage gestellt werden. Für die Katasterbehörde des Landkreises Dahme-Spreewald ist die Antwort ein klares Ja. Der folgende Erfahrungsbericht soll die Entwicklung und die aktuellen Erkenntnisse mit der Qualitätsverbesserung des Liegenschaftskatas­ters im Landkreis Dahme-Spreewald widerspiegeln. Die Anfänge nach 1989 Mit der Maueröffnung 1989, insbesondere mit der Währungsunion am 1. Juli 1990 und dem Beitritt der DDR zum Wirtschaftssystem der Bundesrepublik Deutschland begann ein ungeahnter Run auf die Liegenschaften des Beitrittsgebietes. Dem Ansturm von Bauwilligen, Rückübertragungsinteressenten und Investoren waren die Grundbuchämter und Liegenschaftsdienste in den Bezirken kaum gewachsen. Zumal die Unterlagen des Liegenschaftsdienstes wie Flurkarten, Flurbücher und Mutterrollen ausnahmslos analog vorlagen. Die Liegenschaftskarten wurden überwiegend in historischen Maßstäben aus der Entstehung, meist im Maßstab 1 : 3 000 (Maßstäbe von 1 : 1 000 bis 1 : 5 000) auf Kartostat (PVC-Folien) geführt. Die Fortführung erfolgte mit Tusche, Ziehfeder und Skribent per Handkartierung. Welche Kraftanstrengungen die Mitarbeiter/-innen im Liegenschaftsdienst und ab 1990 in der Folge die Katasterund Vermessungsämter erbrachten, lässt sich heute im digitalen Zeitalter kaum ermessen. Nicht selten kam es beispielsweise vor, dass Antragsteller mit einem Kopiergerät anreisten, um die ersehnten Kopien aus dem Liegenschaftskataster umgehend mitnehmen zu können. Die Fortführer/-innen waren glücklich, als die ersten Schablonen für Signaturen beschafft wurden und Tuschezeichner in festen Linienbreiten geliefert wurden. So waren die ersten Aufgaben zur Gewährleistung von Qualitätsarbeit neben der Schaffung gesetzlicher Grundlagen vor allem die Einstellung von Personal und Beschaffung von Technik. Nach den ersten „wilden Nachwendejahren“ war trotz unvermindert hohem Antragsstau allen Beteiligten im Liegenschaftskataster klar, dass ein „weiter so“ mit den analogen Karten nicht wirtschaftlich und zeitgemäß ist. Bereits mit dem ersten Gesetz über die Landesvermessung und das Liegenschaftskataster vom 28. November 1991 wurden dazu wegweisende Festlegungen getroffen. So war unter § 10 (Zweck) Absatz (2) festgeschrieben: “Die Einrichtung und Fortführung des Liegenschaftskatasters sowie seine Weiterentwicklung sind so zu gestalten, dass es den Anforderungen des Rechtsverkehrs, der Verwaltung und der Wirtschaft an ein öffentliches raumbezogenes Basisinformationssystem im Sinne des § 1 (5) gerecht wird.“ Darin hieß es weiter: “Seine Daten sollen von Stellen des Landes und der Kommunen für raum- und grundstücksbezogene Informationssysteme, Datensammlungen, Entscheidungen und Maßnahmen als geometrische Basisdaten verwendet werden.“ Dazu waren die analogen Karten, in denen der Gebäudebestand nahezu vollständig fehlte, nur in sehr begrenztem Maße geeignet (Abb. 1). Beispielsweise wurden Innenbereichssatzungen und Bebauungspläne auf der Basis der analogen Flurkarten erstellt, mit deren geometrischen Mängeln die Kommunen und Bauwilligen teilweise bis heute umgehen müssen. Das Liegenschaftsbuch wurde bereits 1994/1995 in das System ALB (Automatisiertes Liegenschaftsbuch) überführt. Grundlage dafür war die Computergestützte Liegenschaftsdokumentation COLIDO, die bereits in den 1980er Jahren in der DDR aufgebaut und zwischen 1991 bis 1993 um die Eigentümerdaten ergänzt wurde. Wohl nur sehr wenige fantasiebegabte Berufskollegen konnten sich damals vorstellen, wie die Unmenge an analogen Dokumenten den o.g. Anforderungen jemals genügen könnte. Für den Landkreis Dahme-Spreewald (LDS) waren das ca. 1 140 Inselflurkarten inklusive Beiblätter und ca. 130 Rahmenkarten der damaligen Kreisstädte Königs Wusterhausen, Lübben und Luckau. Wie innovativ und zukunftsweisend war damit das erste Vermessungsgesetz des Landes Brandenburg. Um die sich daraus ergebende ermessung Brandenburg 1/2021 45 Abb. 1: Auszug aus der Flurkarte Gemarkung Schönefeld, Flur 2 (1 : 3 000) Vielzahl an Anforderungen zu bündeln, wurde zusätzlich am 22. Dezember 1994 der erste Prioritätenerlass für die Kataster- und Vermessungsarbeiten verabschiedet. Als vordringliche Aufgaben wurden hier neben der Realisierung des Mikrofilmgebrauchsarchivs, die Auflösung der ungetrennten Hofräume und der Aufbau der Automatisierten Liegenschaftskarte (ALK) genannt. Mit diesen Arbeiten wurde 1995/1996 begonnen. Die erste Flurkarte, welche in LDS in die digitale Welt überführt werden sollte, war die Flur 3 von Waltersdorf in der Gemeinde Schönefeld (Abb. 2). Eines der ersten Einkaufszentren des Landes Brandenburg war hier bereits entstanden. Die Flurkarte lag im Maßstab 1 : 5 000 vor und wies eine Vielzahl von Nebenzeichnungen 46 ermessung Brandenburg 1/2021 und sogar ein Beiblatt auf. Die Nebenzeichnungen waren teilweise im Kartenmaßstab 1 : 5 000 kartiert und passten trotzdem nicht in die Kartenfläche des ursprünglichen Gebietes. Nach den ersten deprimierenden Erfahrungen beim Digitalisieren der Karte wurde die Flur 3 wegen unlösbarer Spannungen und zahlreicher Widersprüche zunächst zurückgestellt und die Flur 4 von Waltersdorf digitalisiert. Diese lag im Maßstab 1 : 1 000 vor und beruhte auf einer Neuvermessung aus den Jahren 1933/34. Da gab es schon eher ein Erfolgserlebnis. In diesem Zeitraum wurden wir von den Ereignissen überrollt. Die Politik traf die Entscheidung für den Bau eines Großflughafens in Schönefeld. Die Planunterlagen dafür waren mithilfe topografischer Karten, die teilweise auf DDR- Abb. 2: Analoge Flurkarte Waltersdorf Flur 3 Unterlagen beruhten und den besagten analogen Flurkarten zusammengestellt. Als diese Planunterlagen mit aktuellen Luftbilddaten verschnitten wurden, stellte sich bald heraus, dass sie für die Anforderung einer Flughafenplanung vollkommen unzureichend waren. Einfaches Beispiel war ein Waldflurstück, welches in den Planunterlagen deutlich neben dem im Luftbild erkennbaren Wald kartiert war. Wie sollte hier eine Lösung aussehen? Der deutsch-deutsche Wirtschafts- und Wissenstransfer und die Möglichkeiten, die sich für alle Vermessungsbüros nach der Wende ergaben, erwiesen sich dabei als Motor und Segen. Ein Ingenieurbüro, dass bereits am Flughafen Schönefeld tätig war und eng mit verschiedenen ÖbVI aus Nordrhein-Westfalen zusammenarbeitete, entwickelte gemeinsam mit den verantwortlichen Planern, dem Landesvermessungsamt und den beiden betroffenen Katasterund Vermessungsämtern Dahme-Spreewald und Teltow-Fläming ein Konzept zur Erstellung qualifizierter Planunterlagen, in dessen Ergebnis die Flurkarten in dem Gebiet als ALK geführt werden konnten. Darauf aufbauend wurden, finanziert durch den Flughafen, flächendeckend Befliegungen in hoher Qualität (mit Feldvergleich) durchgeführt, die den Gebäudebestand und eine gute Aktualität der tatsächlichen Nutzung im Datenbestand gewährleisteten. Für die Überführung der Flurkarten in die ALK wurde eine Vielzahl kartenidentischer Grenzpunkte als Passpunkte bestimmt. Zumindest in den Gebieten mit qualifiziertem Katasternachweis wurde, mit wirtschaftlich vertretbarem Zeitaufwand, weiteres Zahlenwerk berechnet und konnte den Datenbestand stützen. Dass unter dem enormen Zeitdruck mit Projektbeginn 1996 bis zum Zieltermin 2002 keine „Idealkarten“ entstanden, ist nachvollziehbar und dennoch bekam die ALK-Erstellung in Dahme-Spreewald und Teltow-Fläming damit einen ungeahnten Schub. Die Planunterlagen für den BER konnten in arbeitstauglicher Form und guter Qualität alle Skeptiker des Projektes überzeugen. ermessung Brandenburg 1/2021 47 Parallel dazu startete 2001 das Projekt „FALKE“ (Forcierte ALK-Einrichtung). Hierbei wurden mit Fördermitteln der EU im verkürzten Verfahren die analogen Liegenschaftskarten des Landes Brandenburg in den digitalen Nachweis der ALK überführt. Im Jahr 2006 sollte das Projekt abgeschlossen sein. Dieses ambitionierte Zeitfenster war für einen Großteil der Fluren nur im vereinfachten Verfahren, mittels verketteter Transformation der Flurränder und Einpassung des Rasterbildes der Flurkarten möglich. Darüber ist bereits an anderer Stelle ausführlich berichtet worden (z. B. Vermessung Brandenburg 1/2007, S. 15), insofern wird nicht auf Details eingegangen. Nur so viel: unter Beachtung der Erfahrungen mit der ersten Karte im Maßstab 1 : 5 000 und den Ergebnissen aus dem „Flughafen-Projekt“ entschlossen wir uns, zusätzlich durch die Auftragnehmer weitere flächenhaft verteilte Passpunkte bestimmen zu lassen und Vermessungszahlenwerk in begrenztem Umfang einzuarbeiten. Mit der Einführung der „Kostenordnung für die Datenerhebung zur Forcierten Einrichtung der Automatisierten Liegenschaftskarte (FALKO)“ am 01.10.2002 konnte durch die nun festgelegte ausschließliche Beauftragung von ÖbVI die Qualität der ALK-Erstellung in Vergabeprojekten abgesichert werden. Jahre der Erfahrung und Entwicklung Die im Jahr 2013 erfolgte Zusammenführung von ALK und ALB und die Einführung des Amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystems (ALKIS) machte die Datenstruktur modern aber nicht genauer. Der Zeitdruck bis zur Einführung von ALKIS verhinderte in der Mehrheit der Fälle eine tiefgreifende Analyse und die qualitative Bereinigung von Abweichungen. Insbesondere bei der Übernahme von Vermessungsschriften zeigten sich die Schwächen der digitalen Liegenschaftskarte. Nicht selten mussten pragmatische Lösungen gefunden werden, um die Fortführung der Karte in einem akzeptablen Zeitrahmen zu gewährleisten. So wurden beispielsweise einzelne Grenzpunkte frei schwebend ohne Bezug zu Flurstücksgrenzen abgelegt, weil die Koordinaten der Messung zwar zu einem Maß eines Risses, aber nicht zur übrigen digitalisierten Nachbarschaft passten. Bereits mit dem Prioritätenerlass II vom 22. Dezember 2006 wurde den genannten Problemen Rechnung getragen und die geometrische Verbesserung der Liegenschaftskarte als eine der vordringlichen Aufgaben den Katasterbehörden 48 ermessung Brandenburg 1/2021 aufgetragen. Mit dem Prioritätenerlass III vom 4. Mai 2015 wurde diese Aufgabe fortgeschrieben. Dazu waren nach vorheriger Qualitätsanalyse durch die Katasterbehörden Zeitpläne aufzustellen. Es waren Gebiete festzulegen, in denen Fortführungen regelmäßig durch die geringe geometrische Qualität der Liegenschaftskarte erschwert und verlangsamt werden. Diese sollen innerhalb von zehn Jahren qualitativ verbessert werden. Im LDS waren diese Flächen aus 1 063 Fluren auszuwählen. Der Zeitplan beginnt 2016, erstreckt sich bis 2025 und soll außerdem das eingeplante Personal enthalten. Seit 2006 hatten sich bereits zwei Mitarbeiter/-innen in die Thematik eingearbeitet und erste Projekte abgeschlossen. Mit dem nötigen Optimismus war im ersten Arbeitsplan vorgesehen, ca. 85 Fluren zu bearbeiten. Neue Kollegen wurden in das Projekt eingearbeitet, so dass aktuell im Projektteam insgesamt 4,4 Vollbeschäftigteneinheiten (VbE) tätig sind. Die Festlegung zur Software als Landeslösung erfolgte als Kombination SYSTRA/KIVID. Ein Leitfaden, wie die Daten zu erfassen sind, das Ablaufschema mit festgelegten Arbeitsschritten, wurde 2015 erstmalig durch die Praktiker der Katasterbehörde im Landkreis Oder-Spree (LOS) erarbeitet. Die QL-Datenbank wurde für jeden Landkreis bereitgestellt, in welcher die Projekte nach einem vorgegebenen Duktus abzulegen sind. Letztere ermöglicht die erneute Nutzung der Projektdaten bzw. eine Erweiterung bei Teiloder angrenzenden Projekten. Das war eine wichtige Entscheidung für die langfristige Nutzung der Projektdaten und des flächenhaft erfassten Katasterzahlenwerkes. Die Einarbeitung in die Software, die Abläufe und das Verständnis für das Zusammenspiel des historischen Zahlenwerks ist ein längerer Prozess, der für Neulinge mit ein bis zwei Jahren bemessen werden muss. Erst nach dieser Zeit und der Bearbeitung von mehreren Klein-QL-Projekten ist eine stabile Selbstständigkeit bei der Bearbeitung von Projekten zu erreichen. Optimale Voraussetzungen für diese Tätigkeiten sind Erfahrungen mit Liegenschaftsvermessungen, Freude an Berechnungsarbeiten und analytisches Denkvermögen. QL nimmt Fahrt auf Die Katasterbehörde Dahme-Spreewald übernimmt jährlich im Mittel ca. 1 900 Vermessungsschriften in das Liegenschaftskataster. Bei der Übernahme wirkt sich in Einzelfällen der antragsbezogene Ansatz der Liegenschaftsver- messungen nachteilig aus. Der Punktidentitätsnachweis stellt zwar den Katasternachweis dem Vermessungsergebnis aller zur Grenzuntersuchung herangezogenen Objektpunkte gegenüber, Widersprüche im Zahlennachweis zu einzelnen Maßen sind jedoch nicht zwingend aufzuführen. Das würde erheblich mehr Aufwand z. B. weitere Grenzuntersuchungen nach sich ziehen und so wird die Messung „passend“ eingereicht. Der Bezug zur Entstehungsmessung wird außer Acht gelassen, da vielleicht schon amtliche Koordinaten vorhanden sind. Spätestens bei der QL-Bearbeitung fallen diese Mängel auf. Zur Gewährleistung eines zeitnahen Abschlusses der Übernahme hat sich daher folgende Arbeitsweise entwickelt: Liegenschaftsvermessungen mit Koordinatenabweichungen zum Datenbestand unter 1 m werden direkt in der EQK bearbeitet und homogenisiert. Bei Koordinatendifferenzen über 1 m werden die Daten an das QL-Team abgegeben und die Einarbeitung erfolgt vor der endgültigen Übernahme mit SYSTRA unter Einbeziehung der nachbarschaftlichen geometrischen Bedingungen und weiteren Zahlenwerks. Das sind ca. 8 bis 10 % aller Liegenschaftsvermessungen. Die zweite Teilaufgabe im QL-Team sind die sogenannten KleinQL-Projekte wie diese von Thomas Günther in Vermessung Brandenburg 2/2020 beschrieben wurden. Der größte Anteil der Kollegen im QLTeam ist in der Projektbearbeitung nach dem QL-Arbeitsplan eingesetzt. diniert und die nach Westen und Norden angrenzenden Flurstücke ebenfalls. Also sollte das Problem lösbar sein. Für das Flurstück 472 lag nur die Reinkarte im Maßstab 1 : 5 000 vor. Nachdem das gesamte Zahlenwerk inklusive Digitalisierung der Reinkarte erfasst und berücksichtigt wurde, ergab sich die Karte wie in Abbildung 4. Abb. 3: Kartenauszug der Gemeinde Die Klein-QL-Projekte eignen sich gut, um neue Mitarbeiter/-innen einzuarbeiten. Sie sind in ihrer Ausdehnung meistens überschaubar, die Widersprüche auch und der Bearbeitungsablauf wird geübt. Ein derartiges „Einarbeitungsprojekt“ wurde kürz­ lich von einem neuen Kollegen bearbeitet. Der in Abbildung 3 folgende Kartenauszug wurde von einem Mitarbeiter der gemeindlichen Liegenschaftsverwaltung übersandt mit dem Hinweis: „Am Flurstück 472 ist die Liegenschaftskarte nicht richtig, die Straße ist zu breit und das Gebäude steht auf der Straße.“ Das vorhandene Zahlenwerk auch der angrenzenden Flurstücke wurde im QL-Verfahren erfasst und entsprechend ausgeglichen. Das Flurstück selbst war nie vermessen worden. Die gegenüberliegende Straßenseite war vermessungstechnisch gut bestimmt und koor- Abb. 4: ALKIS nach der QL-Bearbeitung Die Fragestellung der Gemeinde war damit nicht gelöst und das Ergebnis infolgedessen eher unbefriedigend. Schlussfolgerung: wo kein qualifizierter Zahlennachweis vorhanden ist, können keine Wunder erwartet werden. Hier kann nur eine Liegenschaftsvermessung die Lösung bringen. ermessung Brandenburg 1/2021 49 Kartenanalyse Nach dem QL-Arbeitsplan wurden Fluren festgelegt, die möglichst vollständig zu bearbeiten sind. Dabei war einiges an Lehrgeld zu bezahlen. Beispielweise wenn die Flur sehr groß ist, viele Flurstücke enthält und eine Vielzahl Fortführungsrisse vorhanden sind, kann die Bearbeitung unübersichtlich und zeitlich unabsehbar sein, was den Bearbeiter frustriert und den Prüfaufwand enorm erhöht. Inzwischen hat sich gezeigt, dass eine Voranalyse der Flur von Vorteil für die Bearbeitung ist. Welche geometrische Form hat die Flur? Wie viele vermessungstechnisch koordinierte Grenzpunktkoordinaten in welcher Qualität sind vorhanden? Wie sind diese „Referenzpunkte“ entstanden (Transformation oder Liegenschaftsvermessung)? Und wie sind sie räumlich verteilt? Regelmäßig werden größere Fluren geteilt, um die Bearbeitung zeitlich überschaubar und die Prüfung im Rahmen zu halten. Nach unserer Erfahrung verbessert es die Zufriedenheit der Mitarbeiter/-innen, wenn ein Projekt absehbar abgeschlossen werden kann. Qualität des Zahlenwerks Wie geht man optimal an die Erfassung des Zahlennachweises? Beginnt man mit den Entstehungsrissen oder kann man davon ausgehen, dass überall, wo amtliche Koordinaten vorliegen, das Liegenschaftskataster einwandfrei ist und diese Gebiete außen vor gelassen werden können? Nach unserer Erfahrung gibt es wohl keinen Königsweg. Als vorteilhaft hat sich erwiesen, das Zahlenwerk nicht der Entstehung nach, sondern räumlich zusammenhängend einzugeben. Das heißt, beginnend mit einer Teilfläche werden die Risse für diese Flurstücke erfasst. Das muss nicht der Entstehungsriss sein. Zweckmäßig sind flächenhafte Risse. Viele Flurstücke gibt es nicht mehr so, wie sie entstanden sind und man muss sich mühsam mit Punkten auseinandersetzen, die es aktuell nicht mehr gibt. Flächenhafte Risse gibt es gelegentlich aus den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts oder aus der Zeit der Bodenreform. Bei letzteren bestätigt sich die Erfahrung über die in anderen Artikeln berichtet wurde: Die Bodenreformmessungen sind häufig nicht gut kontrolliert, sind aber vielerorts nicht so schlecht wie ihr Ruf. 50 ermessung Brandenburg 1/2021 Als tückisch haben sich Straßenmessungen erwiesen, die grundsätzlich wichtig für die Qualitätsverbesserung sind. Nicht selten jedoch wurden nach der ersten Straßenschlussvermessung Folgemessungen mit Erweiterungen des Straßenflurstücks vorgenommen und schon ist man auf der Suche nach den entsprechenden Grenzpunkten für die Maßketten. Direkt nach jedem Fortführungsriss, manchmal bereits nach einzelnen Messungslinien, wird eine erste Ausgleichung vorgenommen, um erste und grobe Fehler zu erkennen und analysieren zu können. Beispielsweise kann damit getestet werden, ob die Messungslinie überhaupt mit den richtigen Punkten verbunden wurde oder ob die angegebenen Kontrollmaße passen. Die Berechnung/Ausgleichung wird regelmäßig wiederholt, um Fehler oder Widersprüche frühzeitig zu analysieren und zu verorten. Für die einheitliche Bearbeitung der QL-Projekte wurde ein Laufzettel entwickelt, der für jedes Verfahren zu führen ist (Abb. 5 und 6 Auszug). Dieser wird bei Bedarf ergänzt. So hat sich beispielsweise herauskristallisiert, dass die Splittpunktbereinigung im ALKIS-Bestand vor Beginn des Verfahrens Probleme bei der späteren Homogenisierung und Einarbeitung in den Datenbestand vermeidet. Der Laufzettel gewährleistet den einheitlichen Ablauf und die Selbstkontrolle des Bearbeiters bis zum Abschluss des QL-Verfahrens. Karten- bzw. Zeichenfehler sind in der Akte separat abzulegen und zu erläutern. Der Sachbearbeiter analysiert den Fehler und stellt die entsprechenden Unterlagen zusammen. Ein erfahrener Ingenieur prüft den Sachverhalt und entscheidet über die Vorgehensweise der Fehlerbereinigung und des ggf. zu erstellenden Vermessungsrisses. Wichtig ist das Thema Kreisgrenze. Es muss gewährleistet sein, dass die Absprache mit dem Nachbarkreis erfolgt, um unerwünschte Kollisionen mit zeitgleichen QL-Aktivitäten oder Fortführungen im Nachbarkreis zu vermeiden. Für die Beurteilung der Qualität des Projektes ist neben den ausgleichungstechnischen Kriterien u. a. die Nachvollziehbarkeit der abgeschalteten Punkte oder Maße wichtig. Kommen abgeschaltete Referenzpunkte (koordinatenmäßig qualitativ bestimmte Grenzpunkte) ggf. Antrags.Nr.: 62 - Abb. 5: Auszug aus dem Laufzettel QL-Projekt __________ / ______ Laufzettel - Qualitätsverbesserung des Liegenschaftskatasters Gemarkung : Flur : VOM KVA AUSZUFUELLEN 1. VORBEREITENDE ARBEITEN Prüfung der Anschlusspunktqualität Übersicht der Anschlusspunkte aus dem GIS Analyse der Anschlusspunkte Ordnerstruktur auf S:\ erstellt DAVID-Projekt angelegt (ohne Sperre + Reservierungen) QGIS-Übersicht aktualisiert KIVID/SYSTRA DATENBANK-Projekt angelegt □ □ □ □ □ □ □ Unterschrift : □ Unterschrift : Unterschrift : Unterschrift : 2. DATENERFASSUNG Datenerfassung abgeschlossen Katasterwidersprüche 2.2 Maßfehler □ 2.3 Kartenfehler □ 3. WEITERFÜHRENDE ARBEITEN Analyse- und Festeausgleichung durchgeführt Gebietsübersicht erstellt vorläufige Rissliste erstellt Rot/Schwarz-Plott erstellt □ □ □ □ Unterschrift : Unterschrift : 4. PRÜFUNG Rot/Schwarz-Plott geprüft □ Unterschrift : Prüfung im SYSTRA DATENBANK-Projekt □ Unterschrift : auf Einhaltung der technische Struckturen geprüft □ Unterschrift : Katasterrechtlich geprüft □ Unterschrift : □ Unterschrift : Unterschrift : Unterschrift : Unterschrift : Unterschrift : Unterschrift : endgültige Rissliste in KIVID erstellt □ □ □ Unterschrift : Import in QL-Datenbank □ Unterschrift : □ □ Unterschrift : Unterschrift : Unterschrift : Unterschrift : Unterschrift : Unterschrift : Prüfprotokoll abgelegt ja □ nein □ Kreisgrenze betroffen? ja □ nein □ Kreisgrenze - Absprache erfolgt ja □ nein □ Offenlegung notwendig 5. WEITERFÜHRENDE ARBEITEN DAVID-Projekt angelegt (mit Sperre) VOM KVA AUSZUFUELLEN VOM AUFTRAGNEHMER AUSZUFUELLEN 2.1 Aktualisierung der Ausgangsdaten / Datenbankprojekt endgültige Analyse- und Festeausgleichung PIN erstellt (Analyse BRB.Datei + Zwangs BRB.Datei) KIVID/SYSTRA HOM-Projekt angelegt / bearbeitet Prüfung HOM-Projekt □ □ □ □ 6. ABSCHLUSS QL-NAS-Daten in DAVID-Projekt importiert Erfasste Risse gescannt 7. SCHLUSSPRÜFUNG Simulationsprüfung im DAVID-Projekt Absenken und Löschen des Projektes QGIS-Übersicht aktualisiert Abschluss in GEORG Abb. 6: Auszug aus dem Laufzettel QL-Projekt Offenlegung von: bis: □ □ □ □ □ ermessung Brandenburg 1/2021 51 aus einer Liegenschaftsvermessung und ist diese u. U. fehlerbehaftet? Ist die Begründung für die Abschaltung von Maßen plausibel? Die Kreativität der Sachbearbeiter bei den Formulierungen in der Begründungszeile war teilweise groß und für den Prüfer nicht immer eindeutig. Deswegen wurden Textempfehlungen erarbeitet, die regelmäßig verwendet werden sollen, um jedem Prüfer die Entscheidungsgrundlage zu verdeutlichen. Die Begründungszeile ist auf 25 Zeichen begrenzt, daher muss hier mit Worten gespart werden und die Erläuterung trotzdem eindeutig sein. Es wurden feste Abkürzungen vereinbart, die eindeutig und nachvollziehbar sind (z. B. „Widsp. zw. FR 51 u. 210“ oder „Maßfehler“ oder „Mauerstärke nicht bea.“ usw.). Außerdem wurde eine Prüfliste erstellt (Auszug Abb. 7). Nach dem vier-Augen-Prinzip werden die QL-Verfahren durch einen anderen Sachbearbeiter geprüft. Checkliste zur Prüfung von QL-Verfahren (Datenbankprojekt) Antragsnummer: Gemarkung: Flur: A) Formell (technisch und logisch) 1. 1.1 Grundlagen Sysplan QLDB-Ladedatei erzeugen 1.2 2. Browser "Digitalisierte Koordinaten" 2.1 Gebäudepunkte + Bauwerkspkt grds. ausgeschaltet (variabel, je nach Projekt) 2.2 Topopunkte grds. ausgeschaltet 2.3 3 sortieren nach Entstehung Browser Nein Bemerkungen Ja Nein Bemerkungen Ja Nein Bemerkungen Ja Nein Bemerkungen alle Punkte (Gebpkt, Bwpkt,Stdpkt, Topopkt), die eine Ent. des Projektes haben, müssen "AN" geschaltet sein "Punkte" entsprechen alle Pktnr. der QLRichtlinie 3.1 sortieren nach Punktnummern 3.2 Kontrolle , ob diese berechneten Filtern nach Punktnummern Punkte nicht evt. "wahre" GP sind, mit einem X (Hilfspunkte) und die eine amtliche Punktnummer der OA 11003 erhalten müssen 4 Browser "Referenzkoordinaten" alle Punkte "AN" geschaltet 4.1 4.2 Ja Papierkörbe leeren, QLDBLadedatei erzeugen und Ergebnis prüfen Kreisgrenze betroffen? Wenn ja: Zuständigkeit mit dem Nachbarkreis klären sortieren nach Entstehung alle Punkte (mit eigener Projektnummer in der Entstehung) stochastisch abgeschaltet Abb. 7: Auszug aus der Checkliste Prüfung QL-Verfahren 1 52 ermessung Brandenburg 1/2021 Erfahrungen in Einzelprojekten Mit der ALK-Erstellung wurden eine Vielzahl lokaler Koordinatenverzeichnisse transformiert. Der Zeitdruck der ALK-Erstellung hat eine Prüfung der Transformation oft verhindert und so liegen zwar Grenzpunkte mit amtlichen Koordinaten vor, deren Qualität jedoch tlw. unbefriedigend ist. So ergaben sich in der Flur 12 von Luckau regelmäßig Probleme bei der Fortführung der Liegenschaftskarte mit Abweichungen von 20 bis 40 cm. Für eine Stadtlage ist das deutlich zu viel. Die Liegenschaftskarte für die Kernstadt Luckau lag schon zu DDR-Zeiten als Rahmenkarte 1 : 1 000 vor und man unterlag der Annahme, hier müsse die Liegenschaftskarte einwandfrei sein. Der Zahlennachweis der Kernstadt bestand neben Stückvermessungsrissen aus den Protokollen der Bodensonderung und den Koordinaten aus den Luftbilddaten, welche die Basis für die Auflösung der ungetrennten Hofräume bildeten. Regelmäßige Schwierigkeiten bei der Übernahme von Liegenschaftsvermessungen erforderten, dass die Flur 12 in den QL-Plan aufgenommen wurde. Bei ca. 3 000 Flurstücken, 3,6 km² Fläche und mit einer Vielzahl an Fortführungen im Jahr, war die Bearbeitung in einem einzigen QL-Verfahren nicht praktikabel. Die Flur wurde in neun Teilprojekte aufgeteilt und die Teilflächen, wie Neubaugebiete (Umlegungsgebiet und Gewerbegebiet), die flächenhaft nach 1990 neu koordiniert wurden, außen vorgelassen (Abb. 8). Mit diesem Projekt wurden die unterschiedlichsten Erfahrungen gesammelt. In der Übersicht ist beispielsweise die Festlegung der Arbeitsnummernbereiche zur Vermeidung von doppelten Punktnummern zu erkennen. Die Aufteilung auf verschiedene Bearbeiter verkürzt zwar die Gesamtbearbeitungszeit, erfordert aber ein konzentriertes Projektmanagement. Widersprüche im Zahlennachweis führen zu erhöhtem Aufwand bei der Fehleranalyse. In mehreren der o. g. Projekte wurden Vermessungen entdeckt, bei denen der Bezug zur Entstehung oder die Nachbarschaft außer Acht gelassen wurden. Diese Widersprüche lassen sich mit QL nicht lösen. Es mussten insgesamt drei Revisionsmessungen beauftragt werden. Das verzögerte den zeitlichen Ablauf der Bearbeitung erheblich. Im Ergebnis wurde die Flur in ihrer Qualität deutlich verbessert und vor allem eine Vielzahl an Mängeln und Fehlern beseitigt. In den zurückliegenden Jahren wurden einzelne QL-Projekte in Vergabe durch ortsansässige ÖbVI bearbeitet. Bislang sind gute Erfahrungen Abb. 8: Projektübersicht Luckau Flur 12 mit der Qualität dieser Projekte gemacht worden. Beispielsweise musste sich die Auftragnehmerin im Teilprojekt 9 von Luckau intensiv mit den Protokollen der Bodensonderung/Auflösung der Ungetrennten Hofräume auseinandersetzen. Mängel und Widersprüche in den Protokollen zur Bodensonderung wurden aufgedeckt, deren Behebung mit der QL-Bearbeitung entschieden wurde. Voraussetzung für die Vergabe ist, dass der/ die ÖbVI das Programmsystem SYSTRA/KIVID benutzt und beherrscht. Mit der Einführung der QL-Datenbank ist die Datenstruktur unabdingbar für weitere/angrenzende Projekte und daher die SYSTRA/KIVID-Bearbeitung unverzichtbar. Teilprojekte oder in angrenzenden Projekten erfasstes Zahlenwerk können wiederverwendet und erweitert werden. Wesentlich für die Vergaben war ebenso, dass die Auswertung von Geobasisdaten des Liegenschaftskatasters als hoheitliche Aufgabe in die Vermessungsgebührenordnung – VermGebO aufgenommen wurde. Einen guten Eindruck über das Ergebnis der QLBearbeitung erhält man mit dem Rot-Schwarz-Plot (Abb. 9). Und natürlich geben sichtbare Verschiebungen dem Sachbearbeiter ein besseres Gefühl, dass die Arbeit, die man wochenlang in das Projekt gesteckt hat, besonders erfolgreich war. Doch das ist es nicht allein. In jedem Projekt werden Karten- und Zeichenfehler aufgedeckt. Angefangen mit fehlenden Grenzpunkten über falsche Grenzverbindungen bis hin zu vollkommen widersprüchlichen Katasterzahlennachweisen. Hier liegt ein großer Wert der QL-Bearbeitung. Ausblick In nächsten Projekten soll getestet werden, ob und in welchen Fällen das „Lücken-QL-Verfahren“ ausreichend für die Qualitätsverbesserung sein kann. Das heißt, dass in Fluren mit qualitativ guten Referenzpunkten nur die Lücken durch QL-Berechnung geschlossen werden. Kann das erfolgreich sein oder werden doch wieder nachbarschaftliche Widersprüche eine Lücken- ermessung Brandenburg 1/2021 53 Maßstab: 1:2500 Abb. 9: Rot-Schwarz Plot nach Ausgleichung schluss-Bearbeitung verhindern? Ein Workshop und Austausch mit den Kollegen/-innen anderer Landkreise zur Vorgehensweise und den Erfahrungen mit QL-Projekten wäre wichtig, ist aber seit Längerem nicht möglich. sich beispielsweise in den Fällen, in denen anschließend die tatsächliche Nutzung aktualisiert wird. Die Übernahme beigebrachter Liegenschaftsvermessungen wird beschleunigt. Der personelle und technische Aufwand lohnt sich. Beispielsweise wünsche ich mir, dass die Erkenntnisse aus den Analysen und der Fehlersuche (wie Maßfehler oder Widersprüche) mit „kleinem Aufwand“ in den Nachweis übernommen werden können. Auch nach dem QL-Verfahren muss dies jede Vermessungsstelle noch selbst herausfinden, obwohl das Wissen im QL-Verfahren vorliegt. Der Nachweis über das QL-Verfahren im Bereitstellungsportal besteht aktuell nur aus einer Gebietsübersicht. Dankenswerterweise engagieren sich auch einzelne ÖbVI für die Thematik, indem beispielweise Passpunkte eingereicht werden, in Gebieten wo bei Grenzanzeigen o. ä. Mängel in der Liegenschaftskarte offenbar werden. Die Ergebnisse der QL-Bearbeitung können nur so gut sein wie das vorhandene Zahlenwerk. Zeichenfehler werden beseitigt und die Liegenschaftskarte weitestgehend in Übereinstimmung mit dem Zahlenwerk gebracht. In jedem Fall wird die Karte in ihrer Qualität verbessert. Das zeigt 54 ermessung Brandenburg 1/2021 Ein weiter Weg zur besseren Qualität der Liegenschaftskarte liegt bereits hinter uns. Die Notwendigkeit zur Qualitätsverbesserung ist weiterhin unabweisbar. Für die Realisierung liegen noch viele spannende QL-Projekte vor uns. Judith Killiches Katasterbehörde des Landkreises Dahme-Spreewald Judith.Killiches@Dahme-Spreewald.de 0.00 ÖbVI Susann Pfennig, Sarina Franke, Axel Walther Aktualisierung der Nutzungsarten – ein Praxisbericht aus dem Norden Die Überprüfung der Nutzungsarten und Klassifizierungen sind innerhalb eines Turnus von drei Jahren (Grundaktualität) zu gewährleisten. So steht es im Nutzungsartenerlass [1] geschrieben. Aufgrund von anders gesetzten Prioritäten und der begrenzten Ressourcen konnte diese Pflicht in den vergangenen Jahrzehnten vielerorts nicht vorrangig gesehen werden. Das Grundkonzept der laufenden Qualitätsverbesserung im Liegenschaftskataster sah ursprünglich vor, zunächst die Geometrie der Liegenschaftskarte zu verbessern und erst danach die Inhalte der tatsächlichen Nutzung wieder der ggf. veränderten Wirklichkeit anzupassen. Aufgrund aktueller Entwicklungen im Wasserrecht, veränderten Anforderungen der Statistik und der anstehenden Grundsteuerreform wurde im Frühjahr 2020 beschlossen, hier umzusteuern und bis Ende 2023 die Grundaktualität landesweit wieder herzustellen. Über den Weg der Katasterbehörde des Landkreises Oberhavel dorthin soll dieser Erfahrungsbericht Auskunft geben. (Die Redaktion) Vorwort Das Liegenschaftskataster in der ehemaligen Provinz Brandenburg wurde ab 1861 als Datensammlung für die Erhebung der Grundsteuer eingerichtet. Die heutige eigentumsrechtliche Funktion kam erst mit dem 1900 in Kraft getretenen Bürgerlichen Gesetzbuch hinzu. Die nachfolgend skizzierten aktuellen Entwicklungen führen dazu, dass hier 160 Jahre später ein „Zurück zu den Ursprüngen“ ansteht. Mit der Verwaltungsvorschrift „Nachweis der Nutzungsarten und Klassifizierungen im Liegenschaftskataster – Nutzungsartenerlass“ des Ministeriums des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg vom 27.11.2019 wurden die Grundlagen geschaffen, um die veränderten gesetzlichen Regelungen für das neue Grundsteuermodell und die Umlagen des Unterhaltungsaufwandes nach dem Brandenburgischen Wassergesetz (BbgWG) [2] zu erfüllen. Im Land Brandenburg soll ab 2025 die Grundsteuer auf Basis eines wertabhängigen Modells erhoben werden. Notwendig ist die Änderung der Grundsteuererhebung, weil das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 10. April 2018 [3] feststellte, dass Anzahl und Ausmaß der Wertverzerrungen aufgrund der unterbliebenen Hauptfeststellungen dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes widersprächen. Das Land Brandenburg beabsichtigt das Bundesmodell umzusetzen. Hier sind Angaben wie Bodenrichtwert, Nutzungsart und Baujahr notwendig. Diese Angaben sollen aus dem Liegenschaftskataster entnommen werden. In § 80 des Brandenburgischen Wassergesetzes (BbgWG) ist festgelegt, dass die Bemessung der Beiträge für die Gewässerunterhaltungsverbände sich nach der Größe der Fläche bestimmt, mit denen die Mitglieder am Verbandsgebiet beteiligt sind und nach der Nutzungsartengruppe, der die Flächen im Liegenschaftskataster zugeordnet sind. Dabei sind die Nutzungsartengruppen der umlagepflichtigen Flächen drei Vorteilsgebietstypen zuzuordnen. Dies sind „Siedlungs- und Verkehrsflächen“, „Landwirtschaft“ und „Waldflächen“. Maßgeblich für die Flächen- und Nutzungsausweisung sind jeweils die im Liegenschaftskataster zum Stichtag des 1. Juni des Vorjahres erfassten Geoinformationen. Die flächendeckende und korrekte Erfassung dieser Nutzungsarten bis Ende 2023 mit dem Anspruch des gerichtsfesten Nachweises stellt eine große Herausforderung für alle Katasterbehörden dar. Dies ist nur mittels eines normierten und standardisierten Verfahrens möglich. Die Information kam für den Landkreis Oberhavel immerhin rechtzeitig genug, um die neue Aufgabe als strategisches Ziel in den Haushaltsplan 2021 (Abb. 1) aufzunehmen und für die Folgejahre anzumelden. Mit dem beschlossenen Haushaltsplan des Landkreises ist nunmehr die Grundlage vorhanden, um die notwendigen organisatorischen und personalwirtschaftlichen Maßnahmen umzusetzen. ermessung Brandenburg 1/2021 55 Produktbeschreibung 2021 Produktnummer: 51102 Produkt: Führung des Liegenschaftskatasters Produktgruppe: Räumliche Planungs- und Entwicklungsmaßnahmen Produktbereich: Räumliche Planung und Entwicklung Verantwortlicher: FDL Liegenschaftskataster Produktdefinition Kurzbeschreibung: Führung des Liegenschaftskatasters (Geobasisinformationssystem) als amtliches Verzeichnis der Grundstücke gemäß § 2 Absatz 2 Grundbuchordnung Bereitstellung der Geobasisinformationen der Liegenschaften, der Landschaft und des Raumbezugs für Bedürfnisse der Verwaltung, der Wirtschaft und des Rechtsverkehrs Leistungsspektrum: • • • Qualitätsverbesserung (QL) im Liegenschaftskataster als Schwerpunktaufgabe der Daseinsvorsorge (hier die Landnutzung) Erteilung von Auszügen, Auskünften und Bescheinigungen aus den Nachweisen des Liegenschaftskatasters Prüfung von eingereichten Messungsschriften und Fortführung der Nachweise des Liegenschaftskatasters Auftragsgrundlage: §§ 5 bis 10 und 26 bis 28 des Brandenburgischen Vermessungsgesetzes §§ 20, 26 Brandenburgisches Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Zielgruppe: Grundstückseigentümer Wirtschaft, Behörden Ziele: Qualitätsverbesserung (QL) im Liegenschaftskataster • Herstellung der Grundaktualität des Nachweises der Landnutzung im Liegenschaftskataster bis Ende 2023 Beschleunigung bzw. Stabilisierung der Bereitstellung von Geobasisinformationen als: • einfache Auskünfte • Bescheidung über die Fortführung des Liegenschaftskatasters ab Erhalt der Vermessungsunterlagen durch den ÖbVI Kennzahlen Erfassungsmerkmal ME Ergebnis / Ist 2019 Plan 2020 durchschnittliche Bearbeitungszeit einfache Auskünfte Aktualisierung der Landnutzung durchschnittliche Bearbeitungszeit Fortführungsbescheid Plan 2021 Entw. zum Vorjahr absolut % 0 0 Tage 2 2 2 qkm neu neu 600 neu neu Tage 35 33 30 -3 -10 Abb. 1: Auszug aus dem Haushaltsplan 2021 Landkreis Oberhavel [4] Die in Punkt 3 des Nutzungsartenerlasses dargelegten Erfassungsmethoden sind priorisiert anzuwenden. Dies auch unter der Maßgabe, dass für die sehr umfängliche Aufgabe nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen. Es gibt diverse Geofachdaten aus verschiedenen Fachgebieten, welche inhaltlich einigen Nutzungsarten entsprechen. Beispielhaft seien genannt: Forstgrundkarte, Seen, digitales Feldblockkataster und die Biotoptypkartierungen. Grundsätzlich 56 ermessung Brandenburg 1/2021 sollten vorhandene Geofachdaten genutzt werden. Für die Anforderungen des Liegenschaftskatasters sind ergänzend Lageanpassungen über aktuelle digitale Orthophotos zu tätigen. Für den Landkreis Oberhavel wird geprüft, ob dieses Massenverfahren über ArcGIS [5] umgesetzt werden kann. Der große Vorteil von ArcGIS liegt in seiner Funktionalität, direkt Flächen erfassen und ändern zu können. Dies verspricht einen erheblichen Effizienzgewinn. Dort wo keine Geofachdaten vorhanden sind oder in einer nicht für das Liegenschaftskataster nutzbaren Qualität vorliegen, sind die Nutzungsarten aus dem aktuellen digitalen Orthophoto zu erfassen. Auch hier wird aus wirtschaftlichen Gründen die Nutzung von ArcGIS geprüft. Für die Überführung soll ein Verfahren entwickelt werden, um die ESRI-Shape-Dateien aus ArcGIS verlustfrei über Geograf/KIVID ins ALKIS zu übertragen. Berücksichtigt werden soll dabei auch die Umsetzung des vollständigen Fortführungsentwurfes (vFE). Beim vollständigen Fortführungsentwurf handelt es sich um ein im Projektstatus befindliches Verfahren, bei dem der Katasterbehörde nicht nur die einzelnen Punktobjekte sondern die vollständigen Flächenobjekte elektronisch übermittelt werden. Dort wo keine eindeutige Ansprache und Erfassung aus den Geofachdaten und dem digitalen Orthophoto möglich ist, muss eine Vermessung vor Ort erfolgen. Die konkreten Verfahren wurden durch das Büro der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurin Susann Pfennig aus Gransee erarbeitet und werden im Folgenden konkreter erläutert. Im Bearbeitungsgebiet amtlicher Vermessungen sind von den ausführenden Vermessungsstellen die Nutzungsarten zu überprüfen und ggf. Veränderungen zu erheben. Hier ist noch Überzeugungsarbeit im freien Beruf zu leisten. Vorgeschrieben ist dies derzeit nur für den überschaubaren Bereich der zu vermessenden Fläche im Antragsflurstück. Diese Informationen für das gesamte Messungsgebiet zu liefern, wäre ohne größeren Aufwand realisierbar. Ausgangssituation für das Konzept Entsprechend dem Nutzungsartenerlass werden die Nutzungsarten und Klassifizierungen im Liegenschaftskataster überprüft, aktualisiert und in ihrer Fläche und ihren Eigenschaften neu beurteilt bzw. aufgegliedert. Ziel ist es, die Daten des amtlichen Liegenschaftsinformationssystems zu optimieren und für weitere Auswertungen/Statistiken nutzbar zu machen. Die Daten der Landnutzung sollen den Charakter von Gebieten bezüglich ihrer derzeitigen und absehbaren künftigen Funktion oder ihres Zweckes beschreiben. Durch die Vergabe der neuen Nutzungsartenkennungen nach dem Nutzungsartenkatalog zur erweiterten tat- sächlichen Nutzung wird eine systematische Verarbeitung der Daten und eine effizientere Auswertbarkeit der amtlichen Flächenstatistik angestrebt. Derzeit weist das Liegenschaftskataster bezüglich der tatsächlichen Nutzung eine Vermischung aus den Themen Landbedeckung und Landnutzung auf. Mit dem neuen Nutzungsartenerlass soll auch diese Situation bereinigt werden und eine strikte Trennung zwischen Landbedeckung und Landnutzung erfolgen. Zur Bewältigung dieser Problematik hat unser Vermessungsbüro bereits 2020 im Auftrag der zuständigen Katasterbehörde für das Gebiet der Stadt Liebenwalde die Überprüfung der für die Landflächen derzeit geführten Nutzungsarten sowie die Korrektur der tatsächlichen Nutzung der Flächen in diesem Gebiet entsprechend den Festlegungen des Nutzungsartenerlasses vorgenommen. Die Art und Weise der Durchführung erfolgte in Abstimmung mit der Katasterbehörde im Landkreis Oberhavel. Im Ergebnis unserer Arbeit möchten wir in diesem Konzept unsere Vorgehensweise, Methoden der Prüfung und Bearbeitung der Nutzungsarten sowie Hinweise und Empfehlungen zu aufgetretenen Problemen darlegen. Grundlagen Das Gebiet der Stadt Liebenwalde umfasst eine Fläche von ca. 142 175 000 m² mit derzeit 94 zu bearbeitenden Fluren. Die Bearbeitung aller Flurstücke der Stadt Liebenwalde wurde, wie im Nutzungsartenerlass Punkt 2.2 festgelegt, flurweise vollzogen. Die Erfassung bzw. Beurteilung der tatsächlichen räumlichen Ausdehnung der einzelnen Flächen entsprechend der jeweiligen Nutzungsart erfolgte jeweils innerhalb des Umringes einer Flur. Die Abgrenzungen der Art der Landnutzung wurden entsprechend der erweiterten Nutzungsarten generalisiert und sinnvoll bestimmt. Bei der Erfassung und Prüfung der Flächen wurden die Festlegungen aus dem Nutzungsartenerlass bezüglich der Erfassungsuntergrenze je Erhebungseinheit von 1 000 m² sowie die Vernachlässigung kleinerer Ausbuchtungen und der Verzicht auf Abgrenzung einer tatsächlichen Nutzung in Nähe einer Flurstücksgrenze <1 m berücksichtigt. Besondere Flächen, von denen eine relevante Wirkung ausgeht, wie beispielsweise eine Grabenfläche auf Grünland, wurden unabhängig von der Mindestgröße aufgenommen (Abb. 2 und 3). ermessung Brandenburg 1/2021 57 Abb. 2: Grabenflächen im aktuellen Luftbild Abb. 3: Grabenfläche mit 408 m² auf Grünland nach Aktualisierung Erhebung Die Nutzungsarten beschreiben die zum Zeitpunkt der Erhebung vorgefundene tatsächliche Bodennutzung. Generell wurden die Abgrenzungen der Nutzungsarten mittels der digitalen 58 ermessung Brandenburg 1/2021 Orthophotos des Landkreises Oberhavel bestimmt. Orthophotos verschiedener Jahrgänge wurden uns von der Katasterbehörde zur Verfügung gestellt. In Teilen der Ortslagen und in Gebieten, in denen die tatsächliche Nutzung im DOP nicht eindeutig erkennbar waren, wurden unsererseits Feldvergleiche durchgeführt (wie im Nutzungsartenerlass Punkt 3.2 festgelegt, keine mögliche Einschätzung entsprechend der Luftbildaufnahmen). Auch eine messbegleitende Erhebung einer Nutzungsartengrenze ist laut Nutzungsartenerlass Punkt 3.3 vorgesehen. Da im Gebiet von Liebenwalde von unserem Büro zahlreiche Vermessungen erfolgten, wurden diese Daten für eine genauere Erhebung der Nutzungsartenflächen ebenfalls verwendet. Zur Abgrenzung der Siedlungs- und Vegetationsflächen (Wohnbaufläche/Grünland/Grünanlage) wurden vorhandene Unterlagen der Stadt Liebenwalde (Bebauungspläne und Innenbereichssatzungen) hinzugezogen und berücksichtigt. Es erfolgte keine Prüfung und Berücksichtigung der im Liegenschaftskataster vorhandenen und nachgewiesenen Grenzen der tatsächlichen Nutzungen bezüglich deren Entstehung (Liegenschaftsvermessung, Digitalisierung), sondern eine komplette Neubewertung der zum Zeitpunkt der Erfassung vorgefundenen tatsächlichen Nutzung. Software Die Aufnahme der Flächennutzung sowie die Ausarbeitung der Übernahmen für die Nutzungsartenänderungen wurden mit der Software GEOgraf (Firma HHK Datentechnik GmbH aus Braunschweig) und KIVID (Firma Burg, Software & Service für die Vermessung GmbH aus Eltville am Rhein) vorgenommen. Nach Aussage und in Abstimmung mit der Firma Burg erfolgte in 2020 die Entwicklung und Anpassung der neuen KIVID-Version, in welcher die neuen Nutzungsartenkennungen aus dem Nutzungsartenerlass vom 27.11.2019 integriert wurden. Technische Ausrüstung Grundlage für die Durchführung dieser Arbeiten ist die exzellente innerbetriebliche Ausstattung unserer Arbeitsplätze. Im Vorjahr wurden in unserem Vermessungsbüro alle Arbeitsplätze mit einer 3-Monitor-Bildschirmtechnik mit speziellen Monitoren (27-Zoll, hohe QHD-Auflösung und Bildpunktdichte, 75 Hertz) ausgestattet und mittels qualitativ hochwertiger Servertechnologie für eine effektive Arbeitsweise gesorgt. Servertechnologien haben den Vorteil, einen externen Zugriff zu ermöglichen. Darüber hinaus ist das System jederzeit für weitere Arbeitsplätze skalierbar. In Corona-Zeiten ein nicht zu verachtender Vorteil. Für die Überprüfung der Nutzungsarten war es hilfreich, Orthophotos verschiedener Jahrgänge einzubeziehen. Ergänzend wurden bei der Bewertung zweifelhafter Flächen auch alle möglichen weiteren zur Verfügung stehenden Quellen (eigene Vermessungen, LIKA-Online, Brandenburg-Viewer) verwendet. Hierfür war die 3-Monitor-Bildschirmtechnik eine sehr große Unterstützung. Für die Arbeit mit verschiedenen Datenquellen im Vergleich ist dies generell sehr empfehlenswert. Bei der Verarbeitung von derart großen Datenmengen sind leistungsstarke Prozessoren und schnelle, große Arbeitsspeicher eine Grundvoraussetzung. Für eine effektive Arbeitsweise müssen sich die vielen verschiedenen zur Bewertung hinzugezogenen Quellen/Dokumente schnell öffnen lassen und mit präzisem schnellen Zoom zur Verfügung stehen. Ein weiteres hilfreiches Arbeitsmittel stellt das Aktiv-Plan-System (APS) für diese Tätigkeit dar. In unserem Vermessungsbüro wurde ein System entwickelt, in welchem eigene aufbereitete Karten im Maßstabs-Zoom von 1 : 50 bis 1 : 50 000 für die Nutzung zur Verfügung gestellt werden können. Zum Einsatz kommt das System bereits in Kommunen, bei Verbänden, bei der Freiwilligen Feuerwehr, bei Kunden mit größeren Forstbeständen und bei Landwirten in Form eines Tablets hauptsächlich im Außendienst. Eine Nutzung ist ebenfalls im Innendienst/Büro sinnvoll und sehr sachdienlich. Es können verschiedene Themenkarten und Luftbilder (7 Ebenen) überlagernd abgebildet und einzeln oder zeitgleich eingeblendet werden. Mittels der Transparentregler können die Sichtbarkeiten der eingestellten sich überlagernden Karten ebenfalls zur besseren Beurteilung gewählt werden, so dass sich hier die unterschiedlichen Entwicklungen der Flächen gut nachvollziehen lassen (Abb. 4). In Abbildung 4 sind einige Funktionalitäten des Tablets eingeblendet. Sichtbar sind in dieser Ansicht unter anderem die Nutzung von 4 Kartenebenen, die Nordpfeilfunktion sowie das Tool für die Strecken- und Flächenberechnung. ermessung Brandenburg 1/2021 59 Abb. 4: Luftbilder aus 2013, 2016 und 2020 zur Auswertung im APS Weiterhin besteht die Möglichkeit der amtlichen Koordinatenanzeige, des stufenweisen oder stufenlosen Zooms, einer Bildzentrierung sowie bei Verfügbarkeit eines WLAN das Herunterladen von Updates und somit einer Aktualisierung einzelner Teilflächen der Karte oder der gesamten Karte. Generell nutzen wir zur Erfassung der tatsächlichen Nutzung mindestens diese 4 Ebenen, bestehend aus den Luftbildern von 2013, 2016, 2020 sowie die Liegenschaftskarte mit Flur- und Flurstücksgrenzen. Da wir im Gebiet von Liebenwalde viele Messungen durchgeführt haben, fließen selbstverständlich auch die vorhandenen Messdaten in die Erhebung der tatsächlichen Nutzung mit ein. Das mobile APS bietet einen entscheidenden Vorteil bei der Erhebung der Nutzungsarten. Durch die Verwendung der eigenen Karten im Außendienst besteht die Möglichkeit, sich im Gelände mittels GPS-Funktionalität und Nordausrichtung zu orientieren. Da das System auch offline betrieben werden kann, navigiert das APS den Anwender in den Fluren und Flurstücken auch ohne Internetempfang. 60 ermessung Brandenburg 1/2021 In den Wäldern und Feldern und sonstigen Flächen innerhalb und abseits der Dörfer ist in den meisten Fällen kein Internet verfügbar und eine Orientierung zum Auffinden der zu beurteilenden Flächen ohne dieses Hilfsmittel sehr viel schwerer. Mit dem Tablet sind die sonstigen Funktionalitäten, wie z. B. das Versenden einer E-Mail, das Fotografieren, das Fertigen von Screenshots, das Ausfüllen von Formularen und eine Verwaltung von Dokumenten im Archiv ebenfalls verfügbar und können somit genutzt werden. Durch die Navigationsfunktion kann der Anwender jederzeit sehen, wo und in welcher Flur er sich befindet und welche Möglichkeiten der Erreichbarkeit/Zuwegungen es zu den zu beurteilenden Flächen gibt. In der Abbildung 5 ist zu sehen, wie die Navigation und Orientierung mittels des mobilen Systems erleichtert wird. Bearbeitung Durch unser Büro wurde angestrebt, die Erhebung der erweiterten tatsächlichen Nutzung mit vollständigem Fortführungsentwurf (vFE) [6] einzureichen. Einen ersten Testlauf hierzu sowie Abb. 5: Navigation im APS auf dem Tablet eine Grobabstimmung erfolgte mit der Katasterbehörde im Landkreis Oberhavel im Vorfeld der Arbeiten. Nach erfolgreichem Testlauf wurde im zweiten Schritt die Vorgehensweise der Aufteilung und Erfassung für das Liebenwalder Gebiet festgelegt. Die Erfassung und Aufarbeitung der tatsächlichen Nutzung erfolgte objektorientiert mittels GEOgraf unter Zuhilfenahme der zur Verfügung stehenden Luftbilder oder dem Abgleich im Außendienst. Hierzu wurden sogenannte Hilfsflächenobjekte entsprechend der tatsächlichen Nutzung angelegt, die die Grundlage für eine weitere Verarbeitung in KIVID zur Aufbereitung des vFE bildeten. Vorgaben entsprechend der Richtlinien des Nutzungsartenerlasses bezüglich der Flur- und Flurstücksgrenzen wurden berücksichtigt: „Für die Nutzungsarten … sind entsprechend ihrer tatsächlichen räumlichen Ausdehnung Objekte zu bilden. Diese sind an der Flurgrenze zu begrenzen ... Fällt die Abgrenzung der tatsächlichen Nutzung in die Nähe der Flurstücksgrenze (< 1 m), ist ihre Geometrie identisch mit der Flurstücksgrenze festzulegen. Fachlich begründete Ausnahmen sind zulässig.“ In Absprache mit der Katasterbehörde haben wir gleichzeitig die Möglichkeit angeboten und umgesetzt, im Außendienst die Sichtung und Beurteilung des tatsächlichen Gebäudebestandes mit den Inhalten der Liegenschaftskarte abzugleichen. Es erfolgt gewissermaßen eine Mitteilung über eine abweichende Bebauung, folglich der zum Zeitpunkt der Erhebung tatsächlich vorgefundene Gebäudebestand. Mittels dieser Unterlagen kann von Seiten der Katasterbehörde geprüft werden, ob die zusätzlichen Bauwerke erfasst und nicht mehr vorhandene Bauwerke gelöscht werden sollen. Darüber hinaus wurden aufgefallene, offensichtliche Fehler in der Liegenschaftskarte protokolliert. Die Arbeitsweise der Erhebung der erweiterten tatsächlichen Nutzung der Flächen erfolgte in zwei Arbeitsabläufen. Zunächst wurden die tatsächlichen Nutzungsflächen aus Luftbildern und/oder dem Ortsvergleich mittels GEOgraf digitalisiert. Dabei ist unbedingt darauf zu achten, dass die gesamte Fläche einer Flur erfasst und lückenlos neu bewertet wird, so dass keine Restflächen übrigbleiben. ermessung Brandenburg 1/2021 61 Die Bewertung der Nutzungsart der Flächen warf oftmals einige Fragen bezüglich ihrer Erfassung, der Geometrie, der Vernachlässigung oder der Zuordnung auf. Wiederkehrende Gegebenheiten, die nicht so eindeutig entsprechend dem Nutzungsartenerlass eingestuft werden konnten, wurden mit der Katasterbehörde abgestimmt. Schwierig war oft das Treffen von Entscheidungen bezüglich der genutzten Flächen, wenn diese in den Luftbildern nicht eindeutig erkennbar waren, wie beispielsweise Gräben oder Wege hinter Baumreihen, Wege der vorübergehenden oder ständigen Nutzung, Unterscheidung eines gepflügten Ackers oder einer gemähten Wiese, Laub-, Nadel- oder Mischwald. Fragen, Probleme und Hinweise, die bei der sogenannten Neueinstufung aufgetreten sind, werden in einem internen Nachschlagewerk anhand von Beispielen ausführlicher aufgezeigt, um eine einheitliche Vorgehensweise bei der Erfassung der tatsächlich genutzten Flächen zu erreichen. Im Anschluss an die Digitalisierung und der Bildung von Flächenobjekten nach ihrer tatsächlichen Nutzung erfolgte die Aktualisierung der Nutzungsarten einer kompletten Flur mit KIVID. Das Programm bietet die Bearbeitung der tatsächlichen Nutzung mit dem ALKIS-Assistenten an. Entsprechend unserer Arbeitsweise erfolgt zunächst die Zusammenlegung der alten Flächenobjekte der gesamten Flur (ausscheidende Objekte der Flur). Im Anschluss werden die vorbereiteten neuen Hilfsobjekte, welche durch Digitalisierung in GEOgraf erstellt wurden, in der Flur aufgeteilt (Aufteilung der zukünftigen Objekte der Flur). Einzelne sich überlagernde Flächen (z. B. Sumpfloch im Acker) werden nachfolgend aus der entsprechenden Fläche ausgestanzt (Stanzung). Es ist darauf zu achten, dass alle alten Objekte zusammengelegt und lückenlos durch die neuen Flächenobjekte über die Flurstücke der Flur verschnitten/ersetzt werden (Abb. 6). Des Weiteren erfolgt die Anpassung des Umringes der Nutzungsobjekte aus der jeweilig angrenzenden Nachbarflur an die neu entstandenen Nutzungsobjekte der in Bearbeitung befindlichen Flur. Durch diese Randanpassung ändern sich immer auch deren Objekt-ID und Objektschlüssel. In gewisser Weise werden somit auch Änderungen in der angrenzenden Nachbarflur bzw. den Nachbarfluren vorgenommen. Bis zur Übernahme der Fortführung durch die Katasterbehörde bleiben daher alle an die eingereichte Flur angrenzenden Nachbarflure für Abb. 6: KIVID ALKIS-Assistent, tatsächliche Nutzung, Objekte vor/nach der Bearbeitung 62 ermessung Brandenburg 1/2021 eine weitere Bearbeitung bzw. eines konkurrierenden Übernahmeantrages gesperrt. In Folge dessen kann leider nicht gleich eine anliegende Flur weiterbearbeitet werden. Aus diesen Erfahrungen möchten wir darauf hinweisen, dass während der Übernahme einer Flur auch die Nutzungsarten, welche direkt an der Flurgrenze anliegen, durch andere Fortführungen nicht verändert werden dürfen. Die Prüffunktion des ALKIS-Assistenten listet alle noch zu bearbeitenden Fehler auf. Erst nach der kompletten Fehlerbeseitigung können der Fortführungsbeleg und die Exportdateien erzeugt werden. Eingereicht wird der vFE mit den entsprechenden Fortführungsunterlagen, welche durch die Software KIVID generiert werden, bestehend aus dem Fortführungsbeleg und den digitalen Fortführungsdaten (vFE_*.xml). Weiterhin wird eine zusätzliche Prüfliste erstellt, die eine Übergabe- und Dokumentationsübersicht mit den Inhalten der Gemarkung, Flure, Flurstücke, Zeitpunkt der Bearbeitung, Kriterium geändert/unverändert, Aussage zum Feldvergleich, Aufmaß usw. darstellt. Durch diese Prüfliste kann eine nachvollziehbare Aussage zur entsprechenden Flurbearbeitung und den vorgefundenen Besonderheiten gegeben werden. Mittels dieser Liste wird nochmals geprüft, ob auch alle Flurstücke der Flur übernommen und fehlerfrei fortgeführt wurden. Das Einreichen der Fortführungsunterlagen erfolgte in Etappen flurweise entsprechend ihrer Bearbeitung. Um Kollisionen zu vermeiden, war es für manche Flure erforderlich, das zu bearbeitende Antragsgebiet während der Bearbeitungszeit und Fertigung der Abgabeschriften (vFE), für sämtliche weitere Übernahmen zu sperren. Dies erfolgte grundsätzlich in Absprache durch die Katasterbehörde des Landkreises Oberhavel. Im Folgenden soll die Erfassung durch eine Vorher-Nachher-Darstellung veranschaulicht werden (Abb. 7 und 8). Erfahrungen Ungeachtet der maßgebenden Richtlinien für die Erhebung der Nutzungsarten im Nutzungsartenerlass ergaben sich bei der Bewertung der tatsächlich genutzten Flächen Fragen und Probleme. In unserer kleinen Firmenarbeitsgruppe wurde die Behandlung dieser Fälle gemeinsam diskutiert und dann mit der zuständigen Katasterbehörde abgestimmt, wie mit diesen zu verfahren ist. Diese Fallbeispiele sowie weitere Hinweise zur Erhebung der Nutzungsarten können hier aufgrund des Umfanges nicht ab- Abb. 7: Vor der Fortführung, ausgewertetes Luftbild, nach der Fortführung ermessung Brandenburg 1/2021 63 Abb. 8: Vor der Fortführung, ausgewertetes Luftbild, nach der Fortführung 64 ermessung Brandenburg 1/2021 gedruckt werden. Sie können jedoch für Interessierte über die Katasterbehörde des Landkreises Oberhavel gern angefordert werden. Ziel ist es ja, eine weitestgehend einheitliche Bewertung bei der Erhebung der neuen erweiterten Nutzungsarten der Landflächen zu erreichen. die Festlegungen zur Mindestflächengröße, zur Nachbarschaftsabgrenzung und dem Zwang die Nutzungsartengrenze auf die Grenzen des Liegenschaftskatasters zu ziehen. Eine gedankliche und fachliche Trennung von Liegenschaft und Nutzung ist angebracht. Nachwort Hinzu kommen sollten Abstimmungen mit den verschiedenen Akteuren der Geofachdatenerzeugung und -nutzung. Vielleicht wäre es möglich, Kooperationen mit diesen zu vereinbaren. Doppelte Aufwände könnten reduziert und die Qualität der Geoinformationen verbessert werden. Dies müsste ggf. spezialgesetzlich geregelt werden, da die Nutzungsarten nach § 11 des Brandenburgischen Vermessungsgesetzes zunächst nur dem Nachweis der Liegenschaften dienen. Die Aktualisierung der Nutzungsarten als eigenständige Geometrie im Liegenschaftskataster ist aus Sicht der kommunalen Anwender überfällig. Neben dem Nutzen für die Grundsteuererhebung und die Berechnung der Umlagen der Gewässerunterhaltungsverbände kann auch für viele weitere Fachanwender ein großer Gewinn entstehen. Hierzu sind aber noch Abstimmungen zwischen den Beteiligten zu tätigen. Die Herausforderungen in nächster Zeit bestehen in der: • • • • • Sichtung der vorhandenen Geofachdaten auf Zugang und Eignung, Entwicklung einer standardisierten und formalisierten Methode zur qualitätsgerechten Massendatenerfassung und Übernahme in das Liegenschaftskataster, Abstimmung mit den beteiligten Ressorts und Partnern, Einrichtung der Arbeitsplätze und Qualifizierung der Mitarbeiter/-innen. Diese Herausforderungen wird die Katasterbehörde Oberhavel in den nächsten Wochen und Monaten angehen und lösen. Notwendig dafür ist auch ein Erfahrungsaustausch und die Abstimmung mit den anderen Katasterbehörden, dem Landesbetrieb Landesvermessung und Geobasisinformation und dem Ministerium des Innern und für Kommunales. Ein Gesamtkonzept für das ganze Land Brandenburg könnte für die Aufgabenerledigung sehr vorteilig sein. Dies erscheint hinsichtlich der rechtlichen Verwendung der Landnutzung zu steuerlichen und gebührentechnischen Zwecken sinnvoll und notwendig. Quellen: [1] https://mik.brandenburg.de/sixcms/media. php/9/2019-11-27_Erlass_Nutzungsarten. pdf [2] https://bravors.brandenburg.de/gesetze/ bbgwg [3] h t t p : / / w w w . b v e r f g . d e / e / ls20180410_1bvl001114.html [4] https://www.oberhavel.de/media/custom/2242_36925_1.PDF?1612848576 [5] https://de.wikipedia.org/wiki/ArcGIS [6] Zu „Vollständiger Fortführungsentwurf für ALKIS“ Vermessung Brandenburg, Heft 2/2018, S. 55 ÖbVI Susann Pfennig, Sarina Franke (Erfahrungsbericht) info@vb-sp.de Axel Walther (Vor- und Nachwort) Katasterbehörde des Landkreises Oberhavel axel.walther@oberhavel.de Zu überprüfen ist, ob einige Festlegungen in den Erhebungsgrundsätzen angepasst werden müssen. Vor allem mit Blick auf eine rechtskonforme Verwendung der Nutzungsarten für die Grundsteuererhebung und den Vorgaben aus § 80 des BbgWG. Dies betrifft insbesondere ermessung Brandenburg 1/2021 65 Nachwuchsinitiative Thomas Gernhardt Das duale Studium in der LGB hat sich etabliert Das Ministerium des Innern und für Kommunales (MIK) hatte der LGB im Juli 2015 den Arbeitsauftrag erteilt, Möglichkeiten zu prüfen, die eine langfristige Bindung von Auszubildenden, Studierenden und Laufbahnauszubildenden an die Vermessungsund Katasterverwaltung des Landes Brandenburg erlauben und im Gegenzug eine finanzielle Unterstützung vorsehen. Im Ergebnis der Betrachtungen wurde von der LGB vorgeschlagen, ein finanziell unterstütztes Studium mit vertiefter Praxis im Bereich Geodäsie und Geoinformatik anzubieten (duales Studium), welches 2016 mit zwei Studierenden als Pilotmodell eingeführt wurde. Mit Bestehen der Abschlussprüfung im Oktober 2020 durch den zweiten Studenten ist das Pilotmodell beendet worden und das duale Studium in der LGB fest etabliert. Bei dem von der LGB durchgeführten Modell handelt es sich im Wesentlichen um ein praxisintegriertes Studienmodell, das durch eine besondere Flexibilität gekennzeichnet ist. So können die Studierenden an einer Hochschule ihrer Wahl studieren (Bachelorstudiengang im Bereich Geodäsie und Geoinformatik), müssen jedoch Fächer bzw. Vertiefungsrichtungen belegen, die sie für eine anschließende Laufbahnausbildung im gehobenen vermessungstechnischen Verwaltungsdienst (gD) in der LGB qualifizieren. Die Begrenzung auf Studienstandorte mit explizit dual ausgerichteten Studiengängen entfällt. Somit können die Studierenden die Hochschule verstärkt nach ihren individuellen Bedürfnissen auswählen. Zudem richtet sich das Modell sowohl an Schulabsolventen und Ausbildungsabbrecher aus anderen Disziplinen, als auch an Interessenten mit einschlägigem Berufsabschluss. Damit besteht die Möglichkeit, auch ehemaligen Auszubildenden eine Entwicklungsperspektive aufzeigen zu können und sie längerfristig zu binden. Durch die Bedingung, Fächer bzw. Vertiefungsrichtungen belegen zu 66 ermessung Brandenburg 1/2021 müssen, welche die Studierenden für eine anschließende Laufbahnausbildung gD in der LGB qualifizieren, wird ferner sichergestellt, dass perspektivisch auch ausreichend befähigter Nachwuchs für dieses Ausbildungsangebot der LGB zur Verfügung steht. Die dual Studierenden werden im Rahmen eines abgeschlossenen Bildungsvertrags vergütet und leisten ihre Praxisphasen in den prüfungs- und vorlesungsfreien Zeiten in der LGB ab. Der Bildungsvertrag enthält zudem eine Bleibevereinbarung (Absichtserklärung der Studierenden) derart, dass die Studierenden nach ihrem Abschluss die Laufbahnausbildung für den gehobenen Dienst und dann eine Tätigkeit in der LGB aufnehmen. Damit verbunden sind auch Regularien zur anteiligen Rückzahlung von Vergütungen bei Aufkündigung der Bleibevereinbarung durch die Studierenden. Die zeitliche Dauer der Bleibevereinbarung ist dabei rechtlich auf maximal 5 Jahre begrenzt. Da es 2016 noch keine tarifrechtliche Regelung gab, wurde von der LGB ein Musterbildungsvertrag erstellt. Dieser Vertrag wurde zur Nachnutzung für die Katasterbehörden auf die Internetseite der LGB gestellt. Abschluss der ersten Bildungsverträge Zum Wintersemester 2016/2017 wurden die ersten beiden Bildungsverträge in einer gemeinsamen Veranstaltung von LGB und MIK abgeschlossen. Beide Studierende nahmen ihr Studium an der Beuth Hochschule für Technik in Berlin im Bachelorstudiengang „Geoinformation“ auf. Um den Erfolg des Studiums, insbesondere während der Praxiszeit abzusichern wurde für sie ein Betreuer und Ansprechpartner (Tutor) etabliert. Beide Studierenden haben während des Pilotmodells ihre vertraglich festgelegten Pflichten (Studienanwesenheit, Berichterstattung, Absolvieren der Praxiszeiten etc.) erfüllt. Die praktische Ausbildung wurde in unterschiedlichen Bereichen der LGB durchgeführt. Damit erhielten sie einen guten Einblick über die Bandbreite der Aufgaben der LGB. Nach jedem Praxisabschnitt erstellten die Studierenden einen kurzen Praxisbericht, der vom Tutor geprüft wurde. Die Studierenden waren während der Vorlesungs- und Prüfungszeiten stets für die Hochschule freigestellt, sodass deswegen keine Fehlzeiten entstanden sind. Mit den Studierenden wurde abgestimmt, welche Wahlpflichtmodule in den einzelnen Semestern zu wählen sind, damit die Zulassungsvoraussetzungen für den anschließenden Vorbereitungsdienst erfüllt werden. Die Studierenden haben dem Vertrag entsprechend nach jedem Semester die Leistungsnachweise der Hochschule eingereicht. Dies diente dem Nachweis über die Teilnahme an den Lehrveranstaltungen und der Möglichkeit, Unterstützung beim Lernen anzubieten. Es wurde eindeutig festgelegt, dass die Studierenden keine weiteren Erwerbstätigkeiten ausüben durften, die den Interessen der LGB widersprechen oder den Studienfortschritt gefährden. Die erste Absolventin hat das Studium im Oktober 2019 mit Auszeichnung und als Jahrgangsbeste beendet. In Vermessung Brandenburg 1/2020 erschien ihr Erfahrungsbericht zum Pilotmodell [1]. Wegen der Vertragsgestaltung musste sie sich für die drei Wochen zwischen Studienabschluss und Aufnahme des Vorbereitungsdienstes im November 2019 arbeitslos melden. Daraus wurden inzwischen Konsequenzen gezogen und andere Lösungsmöglichkeiten für die nachfolgenden Studierenden gefunden, wie die Änderung der Vertragslaufzeit oder bei 3,5-jährigem Studium der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags. Bei dem anderen Studierenden war der Abschluss des Studiums durch verschiedene Umstände nicht im Rahmen des ursprünglich geplanten Zeitpunktes im Oktober 2019 möglich. Entsprechend dem Bildungsvertrag wurde dieser nicht aufgelöst. Ziel war es, dass er das Studium erfolgreich beendet, um dann ab 01.11.2020 mit der Laufbahnausbildung zu beginnen. Dieses Ziel konnte erreicht werden, in dem er seine Bachelorarbeit im Oktober 2020 erfolgreich verteidigte. In den Zeiten, während er nicht mit der Bachelorarbeit beschäftigt war, erfüllte er weiterhin praktische Aufgaben in der LGB. Bis 2019 nahmen alle dual Studierenden der LGB ihr Studium an der Beuth Hochschule für Technik in Berlin im Bachelorstudiengang „Geoinformati- on“ mit dem Schwerpunkt „Geodäsie“ auf. Durch das Studienmodell ist eine vertragliche Zusammenarbeit zwischen der LGB und der Beuth-Hochschule nicht zwingend notwendig. Aus heutiger Sicht sollte es aber eine engere Zusammenarbeit geben, damit bei eventuellen Problemen mit den Studierenden ein schneller Informationsfluss vorhanden ist und einheitlich reagiert werden kann. Außerdem kann dadurch das von der Hochschule vorgesehene Praxissemester besser abgestimmt werden. Eine verstärkte fachliche Zusammenarbeit ist der Themenfindung für die Abschlussarbeiten dienlich. Davon profitieren alle drei Seiten. An der Hochschule gibt es eine breitere Themenvielfalt, für die LGB werden bestimmte Projekte schneller bearbeitet und der Studierende erkennt den Nutzen seiner Arbeit und damit auch des gesamten Studiums. Erstmalig ist die Aufgabenstellung für eine 2021 anstehende Bachelorarbeit gemeinsam abgestimmt worden. Intensivierung der Nachwuchswerbung Die Ergebnisse der im Jahr 2017 aktualisierten Bestands- und Bedarfsanalyse für Vermessungsfachkräfte in der Vermessungs- und Katasterverwaltung des Landes machen deutlich, dass in Folge der Personalabgänge der kommenden Jahre ein erheblicher Mehrbedarf an Bachelorabsolventen und Absolventen mit abgeschlossener Laufbahnausbildung gD entstehen wird, der durch die aktuellen Ausbildungszahlen nicht gedeckt werden kann. Das Konzept zur Fachkräftesicherung in der Vermessungs- und Katasterverwaltung des Landes Brandenburg vom 15.02.2018 empfiehlt daher eine Steigerung der Neueinstellungen von derzeit drei auf acht gD-Auszubildenden jährlich ab 2023 [2]. In den Jahren 2017, 2019 und 2020 ist es für die Laufbahnausbildung im gehobenen vermessungstechnischen Verwaltungsdienst trotz großer Anstrengungen nicht gelungen, mindestens drei Stellen für die gD-Ausbildung zu besetzen. Da auf dem „freien Markt“ die künftig benötigte höhere Anzahl an Laufbahnauszubildenden für den gehobenen Dienst offenkundig nicht mehr sicher akquirierbar ist, auch nicht bei verstärkter Nachwuchswerbung, soll in der Vermessungsund Katasterverwaltung weiterhin auf das duale Studium gesetzt werden. Die LGB hat 2019 auf Grund der Erfahrungen bei Messeteilnahmen und weiterer Kontakte zu jungen Menschen die Öffentlichkeitsarbeit zur Bewerbung des dualen Studiums intensiviert. Es wurde der Internetauftritt überarbeitet, ein ermessung Brandenburg 1/2021 67 Interview /// Swen Schröder, 25 Jahre, Duales Studium Geoinformation mit Schwerpunkt Geodäsie Wie bist du zu dem Studium gekommen? WelchedeinerStärkenkannstdueinbringen? Schon immer habe ich mich für die Erde und wiesiesichverändertinteressiert.Durchmeine BerufsausbildungzumGeomatikerbeiderLGB bekamicheinenEinblick,wiedieErdeerkundet, vermessen und grafisch dargestellt wird. MeingutesräumlichesVorstellungsvermögen hilft mir die geometrischen Informationen einzuordnen und mit meinem Interesse für Naturwissenschaften kann ich neue Inhalte schneller erfassen. Ich habe auch keine Berührungsängste mit Computern oder neuen technischen Geräten. Was gefällt dir an dem Studium am besten? Man begreift, dass so unglaublich viele Informationen einen Raumbezug haben und dass man diese allein auf Grund ihrer Lage zueinander in Beziehung setzen kann. Dadurch kann man ein völlig neues VerständnisvonZusammenhängenerlangen. Welche deiner persönlichen Ziele kannst du verwirklichen? Ich bekomme die Möglichkeit, nach meinem StudiumineinemArbeitsumfeldzuarbeiten, dass sowohl abwechslungsreich als auch interessant ist. Dadurch habe ich auch zukünftigdieMöglichkeit,meinenfachlichen Horizont zu erweitern. Abb. 1: Broschüre „Arbeitsplatz Erde – Brandenburg und Berlin“ [3] 38 39 Ihre Voraussetzungen neues Faltblatt [4] aufgelegt und auf drei Ausbildungsmessen intensiveAnsprechpartner: Gespräche zu diesem Thomas Gernhardt Telefon +49 331 8844-223 Thema geführt. Es zeigte sich, dass viele junge E-Mail: Thomas.Gernhardt@geobasis-bb.de Menschen an einem dualen Studium interessiert Neben den grundsätzlichen Voraussetzungen sollten Einstellungsbehörde: Sie vor allem: LGB (Landesvermessung und sind, weil sie sich besser auf das Studium kon selbstständig Geobasisinformation Brandenburg)  zielstrebig Heinrich-Mann-Allee 103 zentrieren können, ohne nebenbei studienfrem teamfähig 14473 Potsdam  motiviert de bzw. Hilfsarbeiten zu verrichten und für die  aufgeschlossen Bewerbungsadresse:  kommunikationsfreudig und personal@geobasis-bb.de  IT-affin sein. Zeit nach dem Studium frühzeitig Perspektiven Bewerbungszeitraum: ganzjährlich möglich erhalten. Dies zeigte sich auch in der Anzahl der Für den Vertragsbeginn zum Wintersemester (1. Oktober) gilt als LGB Stichtag der zur 10. Mai des Ihre Bewerbung: Bewerbungen auf die von der Verfüjeweiligen Jahres Senden Sie uns bitte: gung gestellten zwei Plätze. Es gingen bis 2020 ▪ Ihren ausführlichen Lebenslauf ▪ ein Motivationsschreiben und en über Geodäsie henden ein. jährlich 15 undInfo20 Bewerbungen rmation ▪ Schulabgangszeugnis (liegt zwischen das Schulabtik und die entsprec Grundsätzliche Voraussetzung ist die Fachhochschul- oder allgemeine Hochschulreife bis Ende des jeweiligen Schuljahres. Vorkenntnisse im Bereich Geoinformationstechnologien sind wünschenswert. gangszeugnis zur Bewerbung noch nicht vor, bitte das letzte Zwischen- oder Jahreszeugnis) Zeugnisse über eine etwaige fachliche Schulbildung, berufliche Ausbildung oder sonstige Tätigkeiten Geoinforma auf Studienangebote erde.de www.arbeitsplatz- Für das Studium wird ganzjährig geworben; bisher war der Stichtag für die Bewerbung der 10. Herausgeber, Layout und Druck: Zur SicherungMai der beruflichen desGleichstellung jeweiligen Jahres. Besonders 2020 hatte von Frauen sind Bewerbungen von Frauen ausdrücklich erwünscht. Bei gleicher Eignung sich herausgestellt, dass dies zu spät war, weil und Befähigung werden Bewerbungen von Schwerbehinderten bevorzugt berücksichtigt. gute Bewerber schon Zusagen aus anderen InsFotos: © stokkete / Fotolia © Picture-Factory / Fotolia titutionen hatten bzw. aus anderen Gründen ihre Stand: Juni 2019 Bewerbung zurückgezogen haben. Deshalb ist der Stichtag für 2021 auf den 15. Februar vorverlegt worden. Durch die Covid-19-Pandemie sind 2020 alle Präsenzmessen ausgefallen. Dies erschwerte die Werbung für das duale Studium erheblich. Trotzdem gab es für den Studienbeginn 2021 insgesamt wieder 15 Bewerbungen. ▪ Duales Studium NACHWUCHS I N I T I AT I V E Studium mit vertiefter Praxis im Bereich Geoinformationstechnologie Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg DUALES STUDIUM Neuer Musterbildungsvertrag Das Tarifreferat des Ministeriums des Innern und für Kommunales legte fest, dass die Richtlinie der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) für duale Studiengänge und Masterstudiengänge vom 16. Mai 2019 in der Fassung des Landes Brandenburg vom 28. Juli 2020 auch für die von 68 ermessung Brandenburg 1/2021 Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg Abb. 2: Faltblatt der LGB zum dualen Studium der LGB abgeschlossenen Bildungsverträge anzuwenden ist. Der alte Mustervertrag wurde dadurch abgelöst. Die Neugestaltung der Verträge erfolgte für die Studienanwärter 2020, sodass diese nach den neuen Verträgen ausgebildet werden. Der Vertrag regelt viele Angelegenheiten spezifischer und für die Studierenden auch finanziell günstiger als der ursprüngliche von der LGB entwickelte und angewendete Vertrag. Neben dem höheren Studienentgelt und der Jahressonderzahlung sowie den Studiengebühren sind aufgrund dieser Regelungen durch die LGB auch Reisekosten und Trennungsgeld für Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte (Betriebsort Potsdam) zu tragen. Der neue Musterbildungsvertrag entsprechend der TdL kann von der Internetseite der LGB heruntergeladen werden [5]. bildungsmarkt zeigen, sind insbesondere duale Studienkonzepte hier ein äußerst erfolgversprechender Ansatz. Ihre hybride Struktur aus akademischer Bildung und berufspraktischer Ausbildung macht sie dabei so innovativ wie erfolgreich. Mit der Bildung des Dezernates Aus- und Fortbildung ist 2019 in der LGB die Aufgabe des Tutors an die Dezernatsleitung übergegangen. Damit ist das duale Studium in das Gesamtspektrum der Nachwuchsgewinnung vom Praktikum bis zur Laufbahnausbildung im höheren technischen Dienst integriert worden und die Auszubildenden werden kontinuierlich in ihrem Werdegang begleitet. Für die Sicherstellung der zukünftigen Aufgaben der Vermessungs- und Katasterverwaltung im Land Brandenburg ist es dringend erforderlich, den erfolgreich eingeschlagenen Weg fortzusetzen, um sich auch mit dieser Art von Ausbildungsangeboten im sogenannten „War for Talents“ als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Wie dargelegt, sind die Erfahrungen der LGB mit dem im Herbst 2016 gestarteten Pilotmodell positiv. Mit diesem innovativen und nachhaltigen Rekrutierungsinstrument kann dem prognostizierten Mangel an Fachkräften wirksam begegnet werden. Ab März 2020 wurde das gesamte Leben und Studium durch die Covid-19-Pandemie geprägt. Die dual Studierenden waren zu Beginn in der Praxisphase in der LGB. Es wurden sehr schnell die technischen Bedingungen geschaffen, dass sie wie die meisten anderen Mitarbeiter der LGB mobil zu Hause arbeiten können, was teilweise auch geschah. Der Beginn des Sommersemesters im April wurde um 14 Tage verschoben. Dadurch ist die Praxisphase verlängert worden. Das Studium geht seitdem fast nur noch online vonstatten. Durch die regelmäßige finanzielle Unterstützung der LGB können sich die Studierenden trotzdem voll auf das Studium konzentrieren, sodass von den Leistungen her mit guten und pünktlichen Abschlüssen gerechnet werden kann. Es fallen aber alle praktischen Übungen an der Hochschule aus, sodass sich Vieles nur theoretisch angeeignet und nicht vertieft werden kann. Die Praxisphasen im Sommer 2020 konnten im normalen Umfang entsprechend den damaligen äußeren Bedingungen in den zuständigen Dezernaten durchgeführt werden. Die Praxisberichte wurde geschrieben und zum Ende des Abschnitts führten alle Dezernatsleitungen Abschlussgespräche durch. Um die Motivation beim Studium zu erhöhen, wurde während der Vorlesungszeit regelmäßig Kontakt mit den Studierenden aufgenommen, um sich über die Studienfortschritte zu informieren, gemeinsam die nächste Praxisphase vorzubereiten und die zu belegenden Wahlpflichtveranstaltungen abzustimmen. Fazit Im Werben um die klugen Köpfe haben vor allem die Einrichtungen die Nase vorn, welche die eigenen Ausbildungsanforderungen mit den Ausbildungswünschen junger Menschen am besten vereinen. Wie die Entwicklungen auf dem Aus- Quellen: [1] Katharina Bigalke: Erfahrungsbericht duales Studium „Geoinformation“, Vermessung Brandenburg 1/2020, S. 59-60, https://geobasis-bb.de/sixcms/media.php/9/ vbb_120.pdf [2] Konzept zur Fachkräftesicherung in der Vermessungs- und Katasterverwaltung, 15.02.2018, https://geobasis-bb.de/sixcms/ media.php/9/Extern_Konzept_Fachkraeftesicherung_15-02-18.pdf [3] Broschüre „Arbeitsplatz Erde - Brandenburg und Berlin“, S. 38-39, Stand November 2016, https://geobasis-bb.de/sixcms/ media.php/9/Broschur_Arbeitsplatz-Erde_ Web.3875696.pdf [4] Faltblatt der LGB: Duales Studium - Studium mit vertiefter Praxis im Bereich Geoinformationstechnologie, Stand Juni 2019, https://geobasis-bb.de/sixcms/media. php/9/Faltblatt_LGB-Duales-Studium.pdf [5] https://geobasis-bb.de/lgb/de/aufgaben/ fachkraeftesicherung/infotexte-fachartikel/ Thomas Gernhardt Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg thomas.gernhardt@geobasis-bb.de ermessung Brandenburg 1/2021 69 Der Beelitzer Postkutscher – ein historisches Brettspiel In der Tradition ihrer vielen Vorgänger bewarben sich die Auszubildenden des zweiten Ausbildungsjahres der LGB im Beruf Geomatiker/-in auch 2020 wieder beim renommierten „Ravenstein-Förderpreis für Kartographie“. Mit dem von ihnen entworfenen Brettspiel „Der Beelitzer Postkutscher“ haben sie die Auswahlkommission überzeugt und den Ravenstein-Förderpreis verliehen bekommen. Seit nunmehr zehn Jahren nehmen die Auszubildenden der LGB durchgehend an diesem Wettbewerb teil – die erste Teilnahme datiert auf das Jahr 1999, damals wurde man noch Kartograph/in – und konnten schon einige erste Plätze belegen. Doch auch die Kartographie lebt im Wandel der Zeit. Wurde in den frühen 2000ern noch „Eine eindrucksvolle CD-Präsentation“ gelobt, prämierte die Auswahlkommission in den letzten Jahren immer wieder hochklassige Webanwendungen, von der kamerageführten Tour um den Seddiner See bis zur interaktiven Karte vom Mars. Die Azubis des 2018er Jahrgangs verfolgten hingegen einen historistischen Ansatz, der sich nichtsdestotrotz sehr interaktiv zeigte und schließlich überzeugte. Im Rahmen dieses Wettbewerbs entstand so im letzten Jahr mit „Der Beelitzer Postkutscher“ ein historisches Brettspiel, dass nicht nur kartenbegeisterte Geschichtsfreunde in die Mitte des 19. Jahrhunderts versetzt, eine Zeit, als die Eisenbahn noch angsteinflößend neu und die Fahrt mit der Postkutsche eine beliebte und sichere Form der Individualreise war. Doch beginnen wir am Anfang. Die LGB ermutigt ihre Auszubildenden zur Teilnahme am Förderpreis der Kartographie-Stiftung Ravenstein. Sie sollen dabei nicht nur ihren Geist im kreativen Umgang mit kartographischen Themen schulen, Techniken der Geodatenverarbeitung lernen oder ihr schulisches Fachwissen praktisch anwenden. Die Azubis bekommen auch Einblicke in moderne Workflow-Prozesse und erfahren am eigenen Leib, was es heißt, mit persönlicher Verantwortung und Abgabeterminen zu arbeiten und wie essentiell gutes Projektmanagement in einer immer projektorientierteren Arbeitswelt ist. Abb. 1: Das historische Brettspiel „Der Beelitzer Postkutscher“ 70 ermessung Brandenburg 1/2021 Jenny Giesecke, Laura Haase, Johanna Kurzweg, Erik Hannibal und Christian Moskwa hielten also seit Beginn ihrer Geomatikausbildung Ausschau nach einem spannenden kartographischen Thema, dass sie zu einem ansprechenden Ravenstein-Projekt entwickeln konnten. So ergab es sich, dass Erik Hannibal bei einer spontanen Wandertour auf dem Wunderblutweg durch die Mark Brandenburg – ausgerechnet im Fontanejahr – auf die preußischen Meilensteine stieß, die entlang der alten preußischen Postrouten in verschiedenen Restaurationszuständen auch heute noch Reisenden die zurückgelegte Entfernung anzeigen. Dem Erschrecken, nach mehreren Stunden erst zwei Meilen bewältigt zu haben und der beruhigenden Erkenntnis, dass die preußische Meile 7,532 km misst, folgte bald eine Projektidee. Man könnte die alten Postrouten kartieren, mit modernen Mitteln eine historische Karte gestalten und in irgendeiner Abb. 2: Detailansicht des Brettspiels Form das Thema „Maße im Wandel der Zeit“ bearbeiten. Die klaren Formen der Distanzsteine eigneten sich zudem hervorragend für einen 3D-Druck, was die Jury bereits im Vorjahr begeistern konnte. In Anbetracht persönlicher Vorlieben der Teammitglieder stand das angestrebte Endprodukt bald fest: Ein Brettspiel. Hier konnten diverse Kernkompetenzen der Kartographie erprobt werden: Datenrecherche hinsichtlich der Abmessungen und Lage der historischen Routen. Zielgruppenorientiertes und ergebnisspezifisches Design, sowohl bezüglich der Grafiken als auch der Texte. Produktion von 3D-Modellen zu Zwecken der Visualisierung und Webprogrammierung zur Dokumentation und Präsentation, inkl. der Gestaltung einer OnlineKartenanwendung. Und zu guter Letzt natürlich das Spielbrett selbst, das als Kartenmedium sowohl Ansprüchen der klassischen Kartographie als auch der Spielbarkeit gerecht werden sollte. Die Frage „Geodätische Genauigkeit oder spaßige Spielbrettoptik“ sollte sich mehr als einmal stellen. Die Kompetenzen und Zuständigkeiten wurden in der Gruppe verteilt und so konnten die ein- ermessung Brandenburg 1/2021 71 zelnen Teammitglieder auch in Zeiten etwaiger Kontaktbeschränkungen stetig an ihrem Projekt arbeiten. Ein Besuch im nahe gelegenen Museum „Alte Posthalterei“ in Beelitz – einer gut erhaltenen preußischen Posteinrichtung, wo seinerzeit auch Kleist und Schiller Station machten – brachte den Auszubildenden erhellende Einblicke in den Alltag von damals und setzte den endgültigen Rahmen für das Brettspiel. Es würde sich um einen Postillion drehen, der Waren und Personen durch das Königreich Preußen in der Zeit vor dem norddeutschen Bund befördert. Hierzu holt man sich aus den Hauptpostämtern in Magdeburg und Berlin Aufträge und würfelt sich entlang der Postrouten durch zeitgenössische Anekdoten. So kutschiert man zum Beispiel Theodor Fontane nach Hamburg, damit er seinen Posten als Außenreporter der „Neuen Preußischen Zeitung“ in London antreten kann, macht Umwege, um versprengte Studenten vom zweiten Wartburgfest nach Hause zu geleiten, oder holt eine Fuhre vom – damals gerade erst erfundenen – Baumkuchen aus Salzwedel ab. Grafisch orientierte sich das Team an historischen Karten aus dem „geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz“ und wertete das Ensemble mit detaillierten Illustrationen bekannter Wahrzeichen der angesteuerten Städte auf. Weil sich die Meilensteine nicht in der eigentlichen Karte verarbeiten ließen, wurden sie angesichts ihrer klaren, ikonischen Form zu Spielfiguren umfunktioniert und da bereits ein 3D-Drucker dafür organisiert worden war, wurde außerdem das Konzept selbstgedruckter, historischer Thaler ins Spiel integriert. Ein Ereignisfeld, das statt der Eins den Würfel zieren würde, ergänzte das Spiel um ein abwechslungsreiches Zufallselement. Immer mehr Baustellen taten sich also auf und so mussten die Azubis bald erkennen, dass Kommunikation und Zeitplanung das A und O vernünftigen Projektmanagements sind. Doch mithilfe der Ausbilder gelang es ihnen, die mannigfaltigen Aufgaben in geordnete Bahnen zu lenken. Passenderweise half dabei die klassische „Meilenstein“-Methode. Texte wurden redigiert, die Karte korrigiert, Plastikmünzen mit Goldlack besprüht und nach unzähligen Testdurchläufen und dem Formulieren einer verständlichen Spielanleitung konnten die fünf angehenden Geomatiker/-innen im Sommer 2020 auf ein fertiges Brettspiel aus eigener Feder blicken und den „Beelitzer Postkutscher“ bei der Ravenstein-Stiftung einreichen. Abb. 3: Verleihung des Ravenstein-Förderpreises am 18.12.2020 in der LGB Natürlich konnte eine Preisverleihung im Corona-Jahr nicht im gewohnten Galaformat stattfinden und so begann ein banges Warten auf die Bekanntgabe der Preisträger, das schließlich mit der Verleihung des ersten Preises an die Auszubildenden der LGB ein Ende fand. Prof. Dr. Mark Vetter, Vorsitzender der KartographieStiftung Ravenstein, würdigte die herausragende Leistung in einem Grußwort: „Das Besondere an dieser Einreichung ist die Vielfalt. Die Erarbeitung setzt sich im Grunde aus drei Komponenten zusammen: einer überzeugenden grafischen und kartografischen Gestaltung, dem 3D-Druck von Brettspiel-Zubehör und einer Website zur Begleitung des Brettspiels. Das erfordert Kreativität, Können und nicht zuletzt eine gute Koordination der Arbeiten.“ Schlussendlich konnte unter entsprechenden hygienischen Bedingungen am 18.12.2020 doch noch eine kleine Preisverleihung vollzogen werden. Der Vorsitzende der Jury, Dirk Zellmer, ergänzte dazu: „Die Auszubildenden haben in ausgezeichneter Teamarbeit von der Spielidee bis zur Umsetzung alles selbst entwickelt. Die Arbeit besticht durch viele liebevolle Details. Die Gestaltung der Spielfiguren, Spielchips und Ereigniskarten lässt sich von der historischen Epoche leiten und auch eine passende Kartengrundlage für das Brettspiel wurde verwendet. Das schafft ein echtes Erlebnisgefühl und deshalb vergibt die Jury den Förderpreis in diesem Jahr auch ausschließlich an die Brandenburger Auszubildenden und ihren Beelitzer Postkutscher.“ (Erik Hannibal, LGB) 72 ermessung Brandenburg 1/2021 Mitteilungen Offen für alle – Digitaler Kundentag der LGB Der Kundentag der LGB zeigte erneut zukunftsweisende Perspektiven für die Anwendung von Geoinformationen. Bereits das zehnte Mal hat die LGB zum jährlichen Kundentag eingeladen und damit den Nutzerinnen und Nutzern eine einzigartige Plattform für den Austausch rund um das Thema Geoinformation geboten. Mehr als 170 Teilnehmende verfolgten am 11.12.2020 durchgängig die Vorträge und beteiligten sich mit ihren Fragen und Anregungen intensiv an den Diskussionen. Erstmalig fand der LGB-Kundentag aufgrund der Pandemieeinschränkungen als rein videobasierte Veranstaltung unter dem Motto: „Das zehnte Mal ist digital“ ausschließlich online statt. Geboten wurden in bewährter Weise sowohl Beiträge aus der LGB als auch Präsentationen von externen Referenten aus der Verwaltungspraxis und der Wissenschaft. Damit kamen unterschiedliche Perspektiven zur Sprache, die für alle Beteiligten einen wertvollen Erfahrungsaustausch darstellten und Impulse für künftige Entwicklungen bieten. Die Zugangsdaten erhalten Sie über die von Ihnen angegebene E-Mail Adresse. Wir bitten um Anmeldung bis zum 04.12.2020. So wurde der zehnte Kundentag auch im Jahr 2020 zu einem „Tag der Geoinformation für Brandenburg“, der die Interessenten aus Verwaltung, Wirtschaft, Forschung und Wissenschaft zusammenbringt, um die Potenziale der interdisziplinären Anwendung von Geoinformationen zu erkennen und zu nutzen. Das vollständige Programm des Kundentags 2020 mit den Vorträgen als Präsentation und – erstmalig – auch als Video sind auf der Homepage der LGB verfügbar: https:// geobasis-bb.de (Suchbegriff „Kundentag 2020“) und ermöglichen somit, den LGB-Kundentag nachträglich und anschaulich zu erleben. Anmeldung Selbstverständlich wird auch 2021 ein Kundentag stattfinden; ganz gleich ob als bewährte Präsenzveranstaltung oder aufgrund etwaiger Pandemieeinschränkungen erneut digital. Aufgrund der aktuellen Situation wird der Kundentag der LGB in diesem Jahr online veranstaltet. Tag der Geoinformation Vorträge zur Weiterentwicklung des Planungsportals Brandenburg und Umsetzung eines Baulückenkatasters für Städte und Gemeinden, zur kommunalen Auswertung von 3D-Daten der LGB sowie zur Erneuerung des Brandenburger Geoportals zeigten moderne Anwendungen und spannende künftige Nutzungsszenarien gleichermaßen. Gewissermaßen mit einem Blick in den Maschinenraum präsentierte die LGB die vorgesehene Qualifizierung und veränderte Erfassung der neuen Daten der Landnutzung und der Landbedeckung, die in den kommenden Jahren von den Katasterbehörden und der LGB erhoben werden und damit den erkannten Bedarfen eines noch größeren Nutzerkreises entsprechen. Um uns technisch optimal vorbereiten zu können, erbitten wir Ihre Anmeldung vorrangig online über nebenstehenden QR-Code: 10. l... alternativ über: E-Mail: oliver.flint@geobasis-bb.de Fax: +49 331 8844 16 123 al ist digita Ich nehme am 11. Dezember 2020 am Online-Kundentag der LGB teil. Name, Vorname Funktion Das 10te M Firma / Behörde / Institution Straße, Hausnummer Ort E-Mail Datum, Unterschrift Zu den Erfahrungen gehört dieses Mal der Blick auf das erste Jahr der kostenfreien Bereitstellung der digitalen Geobasisinformationen aus Sicht der LGB und aus Sicht einer Kommune. Dabei kam nicht nur zum Ausdruck, wie stark der Abruf der „Open Data“ in den vergangenen Monaten zugenommen hat und dabei vielfältige Anwendungsszenarien optimiert bzw. erschlossen werden konnten. Deutlich wurde auch, wie umfangreich die „Datenschatzkiste“ mit kostenfreien Geoinformationen gefüllt ist und wie wichtig gerade deshalb der offene Dialog zwischen der LGB und den Anwendern ist, der auch weiterhin gepflegt wird. Der Kundentag hat das eindrucksvoll unter Beweis gestellt. online am 11.12.2020 2o2o (Stefan Wagenknecht, LGB) Abb.: Einladungskarte zum digitalen Kundentag der LGB ermessung Brandenburg 1/2021 73 Brandenburger Geodätentag erstmals digital Der erste Freitag und Samstag im September war für viele Kollegen/-innen für den Brandenburger Geodätentag reserviert. Man erwartete mit Spannung Tagungsort und -programm, freute sich auf den fachlichen Austausch und das Wiedersehen. Aufgrund der Corona-Pandemie konnte diese traditionelle Fachtagung von BDVI, LGB und MIK im Jahr 2020 nicht stattfinden. Lange hatten die Veranstalter gehofft, die Fachtagung im gewohnten Format im Frühjahr 2021 oder spätestens im September 2021 nachholen zu können. Doch auch diese Hoffnungen erfüllten sich nicht, so dass ein digitales Format ins Auge gefasst wurde. Am 19. März 2021 wurde der Brandenburger Geodätentag mit einem deutlich verkürzten Programm als eintägige Videokonferenz durchgeführt. Der BDVI zeichnete für die Durchführung der Videokonferenz verantwortlich. Inhaltlich war die Veranstaltung an den aktuellen Themen im Land Brandenburg mit Vortragenden aus dem MIK, der LGB und dem BDVI ausgerichtet. Auf einen Festvortrag und den sprichwörtlichen Blick über den Tellerrand wurde bewusst verzichtet. Staatssekretär Uwe Schüler nahm sehr gern die Gelegenheit für ein Grußwort wahr und sprach seine Anerkennung für diese Veranstaltung und das Miteinander von Verwaltung und freiem Beruf aus. Er würdigte insbesondere die Vorreiterposition des amtlichen Vermessungswesens in der Digitalisierung und Open Data sowie die wichtige Unterstützung der Krisenstäbe – sei es für Hochwasser- und Waldbrandlagen, Afrikanische Schweinepest und die uns alle beherrschende Corona-Pandemie. Das MIK stellte in seinen Sachstandsberichten den aktuellen Stand bei der Novellierung des Vermessungsgesetzes (Herr Schönitz), der Anpassung der Vermessungsgebührenordnung (Frau Vogel) und zum Pilotprojekt „vollständiger Fortführungsentwurf“ (Herr Masur) vor. Problematisiert wurde die Anzahl der zurückgewiesenen und nicht wieder eingereichten Vermessungsschriften, die derzeit auch im Fokus der Aufsicht stehen. Herr Krause, ÖbVI in Falkensee, informierte engagiert und nicht nur bei diesem Thema als leidenschaftlicher Ingenieur über BIM. Aus sei- 74 ermessung Brandenburg 1/2021 ner Praxis heraus stellte er die Bedeutung und Möglichkeiten von BIM für ÖbVI vor, wobei viele Aspekte nur angerissen werden konnten. Nach seiner Einschätzung wird sich das Verfahren immer weiter durchsetzen, so dass eine weitere und vertiefte Befassung angeraten erscheint. Mit dem Bericht der ÖbVI-Aufsicht wurden diesmal durch Herrn Kahlenberg, LGB, die „taufrischen“ Daten aus den Jahresberichten der ÖbVI für 2020 präsentiert. Während die Anzahl der hoheitlichen Vermessungen und damit die Auftragslage sich spürbar erhöhte (insgesamt rd. 8 %), ging die Anzahl der Mitarbeiter/-innen leicht zurück. Für die Aufsicht durchaus ein Anlass zur Sorge, da wichtige Angelegenheiten zurückgestellt werden müssen. Frau Braune, LGB, stellte eindrucksvolle Zahlen und Statistiken zur Nutzung der Geobasidaten und -dienste nach Einführung von Open Data vor. Mit den aktuellen Zahlen für Januar und Februar 2021 zeigt sich, dass es sich nicht um einmalige Effekte im Jahr 2020 handelt, sondern sich die Nachfrage auf einem hohen Niveau einpendelt. Zum Einsatz von Geobasisdaten und webbasierten GIS-Anwendungen im Krisenmanagement berichtete Herr Rothe von der LGB. Er gab einen Einblick in die Arbeit des Koordinierungszentrums Krisenmanagement Brandenburg (KKM) und insbesondere der insgesamt neun Kollegen/-innen der LGB und des MIK, die nun schon langjährig in den Krisenstäben mitarbeiten. Die technologische Fortentwicklung der GIS-Anwendungen ist hierbei beachtenswert. Schwachstelle bleibt die Einbindung der Sachdaten, die aktuell, webbasiert und in geeigneten Formaten von vielen Stellen zur Verfügung stehen müssen. Zum Abschluss der Veranstaltung rückte das Thema der Fachkräftesicherung zu Recht in den Fokus. Herr Rauch, LGB, mahnte in seinem Sachstandsbericht zur Arbeit des Beirats zur Fachkräftesicherung, trotz erster Erfolge in den Ausbildungszahlen und bei der Studienförderung, in den Anstrengungen nicht nachzulassen. Die leichten Zuwächse können den Bedarf nicht decken und bleiben hinter den auf der Grundlage der Bedarfsanalyse ermittelten Zahlen zurück. Ergänzt wurde dieser Sachstandsbericht durch den Vortrag der Social Media-Beauftragten des BDVI, Frau Rybka. Sie nahm die Teilnehmer/- innen mit in die Welt der #weltvermesserer. Dabei machte sie nicht nur mit diesem Angebot vertraut, sondern warb auch um Beiträge für die Kampagne. Die Beispiele für geeignete und ungeeignete Beiträge machten deutlich, dass hier Phantasie und Tempo gefragt sind. Da fühlte sich doch der oder die eine Teilnehmer/-in recht antiquiert – „Nachhilfe“ von Kindern und Enkeln ist hier gefragt. Auch wenn alle Vortragenden und Teilnehmer/innen das persönliche Miteinander und den fachlichen Austausch am Rande der Veranstaltung vermisst haben – der erste digitale Brandenburger Geodätentag war erfolgreich und hat über 200 angemeldete Teilnehmer/-innen erreicht. Dabei ist davon auszugehen, dass vor den Bildschirmen noch weitere, nicht explizit angemeldete Kollegen/-innen teilgenommen haben. So soll am Ende dieses Berichts ein Dank stehen. Ein Dank an die Vortragenden, die sich dieser neuen Form des Vortrags gestellt haben, an Herrn Schönitz als Moderator der Veranstaltung und ein besonderer Dank an Herrn Reichert, der als Administrator für eine reibungslose Durchführung der Videokonferenz gesorgt hat. (Beate Ehlers, MIK) ermessung Brandenburg 1/2021 75 Buchbesprechungen Kummer/Kötter/Kutterer/Ostrau (Hrsg.) Das deutsche Vermessungs- und Geoinformationswesen Verlag: Wichmann Verlag, Berlin und Offenbach 2020 1.280 Seiten, gebunden ISBN 978-3-87907-676-5 159,00 € Die Neuauflage des Grundwerks „Das deutsche Vermessungs- und Geoinformationswesen“ von 2020 hat sich als ein wesentlicher Bestandteil der Fachliteratur für das Berufsfeld der Geodäsie etabliert. Dieses Werk stellt die Aktualisierung der Veröffentlichung aus 2015 dar. Wie bereits im Vorgängerband beteiligten sich auch bei dieser Anfertigung mehr als 50 international anerkannte Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis. Die Fachbeiträge geben auf über 1.200 Seiten einen umfassenden Einblick in folgende Themenfelder: Teil A: Gesellschaftliche Verantwortung und institutionelles Gefüge Teil B: Aufgabenfelder und Wirkungsbereiche Teil C: Technische Netzwerke und Transfer Teil D: Forschung und Lehre Teil E: Rückblick und Ausblick Der Abschnitt „Gesellschaftliche Verantwortung und institutionelles Gefüge“ (Teil A) umfasst zunächst die Entwicklungen im Geoinformationswesen. Dazu zählen unter anderem historische und politische Dimensionen. Im Anschluss daran werden die Zuständigkeiten, die Organisation und verschiedene Gremien vorgestellt. Abschließend wird in diesem Themenfeld auf die nationale Einordnung und das internationale Umfeld des Vermessungs- und Geoinformationswesens eingegangen. Im Teil B werden die Aufgabenfelder des Vermessungs- und Geoinformationswesens veranschaulicht, indem Grundlagen, fachliche Inhalte, Beispiele und gegebenenfalls Entwicklungen dargestellt werden. Zu diesen zählen beispielswei- 76 ermessung Brandenburg 1/2021 se Geoinformationssysteme, Ingenieurgeodäsie, Erdbeobachtung und Immobilienwertermittlung. Der dritte Abschnitt (Teil C) beinhaltet das neu hinzukommende Kapitel „Digitale Transformation“ und beschreibt zusätzlich die Geodateninfrastruktur in Deutschland und der Europäischen Gemeinschaft. In diesem Zusammenhang werden Normen, Standards und die Qualitätssicherung thematisiert. Ebenso wird das Thema Geobasisdaten näher betrachtet. Dabei fokussieren sich die Autorinnen und Autoren unter anderem auf die Bereitstellung, den rechtlichen Schutz und die Lizensierung dieser Daten. Ein Schwerpunkt des Teils D „Forschung und Lehre“ beinhaltet Forschungsvorhaben. Diese widmen sich Erkenntnissen aus den verschiedenen geodätischen Disziplinen, wie der Ingenieurgeodäsie oder der Geoinformatik und Kartographie. Außerdem wird dem Leser ein Überblick über mögliche Ausbildungs- und Qualifizierungswege im Geoinformations- und Vermessungswesen gegeben. Insgesamt wurden mit der Neuauflage 2020 „Das deutsche Vermessungs- und Geoinformationswesen“ die Inhalte des Vorgängerbands aufgenommen und durch aktuelle Entwicklungen erweitert. Demnach erfüllt die vorliegende Ausgabe die Bestrebungen, langfristig einen zeitlichen Abriss über das Berufsfeld der Geodäsie zu realisieren. Aufgrund der fachlichen Vielfalt ist dieses Werk nicht ausschließlich als reines Lehrbuch, sondern auch als Nachschlagewerk und Wissensspeicher für die Berufsanwendung zu empfehlen. (Maria Panoscha, Linda Püngel, Julia Zyska, ehemalige Referendarinnen der LGB) Aus dem Angebot der LGB Erste Orthophotos in neuer TrueDOP-Qualität Seit November 2020 werden Orthophotos in einer neuen Qualitätsstufe hergestellt. Mit der Qualität des TrueDOP-Verfahrens werden alle Objekte im Bild genau von oben gesehen und lagerichtig dargestellt. Die Umstellung der Orthophotos für die gesamte Fläche Brandenburgs soll innerhalb der nächsten drei Jahre erfolgen. Auf unserer Internetseite > Luftbilder aktuell können Sie anhand weiterer Bildbeispiele beide Bildqualitäten mit einem Schieberegler betrachten und vergleichen. Klassisches Orthophoto Wesentliche Vorteile sind:  keine Umklappungen  keine sichttoten Räume  Deckungsgleichheit mit anderen Produkten (z. B. Gebäudeumrisse, DTK)  echte 2D-Abbildungen ohne Fassadenteile TrueDOP-Qualität Weitere Informationen erhalten Sie über unseren Kundenservice oder auf unserer Internetseite. Kundenservice: kundenservice@geobasis-bb.de Internet: https://geobasis-bb.de Onlineshop: https://geobroker.geobasis-bb.de/ ermessung Brandenburg 1/2021 77 Ministerium des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg Vermessungs- und Geoinformationswesen, Grundstückswertermittlung Henning-von-Tresckow-Str. 9 -13 14467 Potsdam 1/2021
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