Rettet die
lokale
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lten
Deutscher Städteund Gemeindebund
www.dstgb.de
ale
Kommun sg
Handlun it
fähigke
sichern
Entlastung von
Sozialkosten
BILANZ 2010 und AUSBLICK 2011
der deutschen Städte und Gemeinden
Inhalt
1 Rettet die lokale Demokratie!
4
2 DStGB-Forderungen auf einen Blick
6
3 Städte und Gemeinden kämpfen ums Überleben
3.1 Gefangen in der Schuldenfalle
3.2 Finanznot gefährdet kommunale Handlungsfähigkeit
3.3 Gemeindefinanzkommission muss Gewerbesteuer stärken
3.4 Gewerbesteuer für Kommunen unverzichtbar
3.4.1 Gewerbesteuer auf Erholungskurs
3.4.2 Hände weg von den Hinzurechnungen!
3.5 Sozialausgaben gehören auf die Agenda
3.6 2011 bleibt Finanzierungsdefizit im zweistelligen
Milliardenbereich
3.6.1 Kommunale Selbstverwaltung stärken
3.6.2 Haushalte konsolidieren und Schulden abbremsen
3.6.3 Kein Spielraum für Steuersenkungen
3.6.4 Kürzung der Städtebauförderung zurücknehmen
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8
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9
4 Sozialausgaben überfordern Kommunen
4.1 Soziale Leistungen auf wirklich Bedürftige konzentrieren
4.2 Eingliederungshilfen für Behinderte reformieren
4.3 Pflegeversicherung zukunftsfest machen
4.4 Altersarmut bekämpfen
4.5 Ausbau der Kleinkinderbetreuung schreitet voran
4.6 Zusammenarbeit von Arbeitsagenturen und Kommunen
wird fortgesetzt
4.6.1 Bundesanteil an den Unterkunftskosten erhöhen
4.6.2 Teilhabepakete für Kinder statt deutliche Erhöhung
der Regelsätze
5 Planungsverfahren beschleunigen und
Bürgerbeteiligung stärken
5.1 Bürgerbeteiligung intensivieren
5.2 Großprojekte besser managen
5.3 Kammern für beschleunigte Entscheidungen schaffen
5.4 Nationales Recht nicht mit über das EU-Recht
hinausgehenden Regeln befrachten
5.5 Vorrang und schnellere Verfahren für allgemein
bedeutsame Investitionen
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forsa-Umfrage zum Jahreswechsel 2010/2011
im Auftrag des DStGB
6.1 Vertrauen in die einzelnen politischen Ebenen
6.2 Meinungen zur Verwendung von Steuermehreinnahmen
6.3 Einstellungen zum Bau neuer Überlandleitungen
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1 Rettet die lokale Demokratie!
Kommunen gestalten das Leben vor Ort. Sie sollen die
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnt
Kinderbetreuung ausbauen, Schulen sanieren, Kultur
vor einer Schwächung oder Abschaffung der Gewerbe-
und Sport fördern, die Jugendarbeit verbessern, Abwas-
steuer. Derartige Maßnahmen würden auf einen nach-
ser beseitigen, Sozialhilfe zahlen und mit Investitionen
haltigen Widerstand der Städte und Gemeinden stoßen.
das örtliche Handwerk stärken. Dies alles jedoch mit
Die Gewerbesteuer muss als wichtigste Einnahmequelle
immer weniger finanziellen Mitteln. Obwohl es der Wirt-
erhalten und gestärkt werden. Die Forderung, insbeson-
schaft wieder besser geht, ist die Finanzlage der Städte
dere der FDP, die ertragsunabhängigen Bestandteile aus
und Gemeinden weiter katastrophal. Die Städte und
der Gewerbesteuer herauszunehmen, werden die Städte
Gemeinden leiden insbesondere unter explodierenden
und Gemeinden nicht akzeptieren. Man darf nicht ver-
Sozialausgaben. Trotz einer leichten Stabilisierung der
gessen, dass mit den Gewerbesteuereinnahmen auch
gemeindlichen Steuer-
für die Unternehmen unverzichtbare und wichtige Infra-
einnahmen werden die
struktur erhalten und ausgebaut wird. Schlagwortartig
Kommunen das Jahr
lässt sich sagen: Der Unternehmer erwartet, dass die
2010 mit dem höch-
Feuerwehr auch fährt, wenn er keinen Gewinn macht.
sten
Eine tragfähige Alternative zur Gewerbesteuer gibt es
„Den Kommunen
droht der Verlust
Finanzierungs
defizit seit Jahrzehnten
der Handlungs
in Höhe von -11 Milliar-
fähigkeit“
den Euro abschließen.
DStGB-Präsident
Bürgermeister
Roland Schäfer
Trotz
nicht.
Jetzt ist auch kein Zeitpunkt für Steuersenkungen.
Nach einer im Auftrag des DStGB durchgeführten
sinkender
Forsa-Umfrage ist die große Mehrheit der Bundesbür-
Arbeitslosigkeit werden
ger (77 Prozent) der Meinung, dass die zu erwartenden
die
Sozialausgaben
Steuermehreinnahmen zur Verbesserung der Finanz
weiter steigen. Sie haben im Jahr 2010 die 41 Milliarden-
situation der Städte und Gemeinden verwendet werden
Grenze überschritten. Damit verfestigt sich die struktu-
sollten. Dass die Steuermehreinnahmen zur Senkung von
relle Unterfinanzierung. Den Kommunen droht der Ver-
Steuern genutzt werden sollten, möchte nur eine Minder-
lust der Handlungsfähigkeit. Das hat gravierende Folgen
heit von 18 Prozent. Die Meinungen unterscheiden sich
für das Leben der Menschen vor Ort und führt zwangs-
in den einzelnen Regionen und Bevölkerungsgruppen
läufig zu weniger Investitionen, zum Verfall der Infra-
nur wenig. Selbst von den FDP-Anhängern plädiert nur
struktur und dazu, dass wichtige Vorhaben wie der Weg
eine Minderheit von 20 Prozent dafür, die Steuermehr-
in die Bildungsrepublik, eine bessere Kinderbetreuung
einnahmen für Steuersenkungen zu verwenden.
und die Integrationsförderung nicht im nötigen Umfang
Der Bürger begegnet dem Staat in erster Linie in sei-
vorangetrieben werden können. Die freiwilligen Aufga-
ner Stadt und Gemeinde. Wenn dort nicht mehr ansatz-
ben werden zunehmend in Frage gestellt.
weise das Notwendigste geleistet werden kann, wird die
Die Kommunen brauchen jetzt schnell eine Stabili-
Politikverdrossenheit weiter steigen, die Partizipation und
sierung der kommunalen Einnahmensituation und eine
die Bereitschaft, sich für die Allgemeinheit einzusetzen,
Reduzierung ihrer Ausgaben.
sinken. Die Politik muss sich bewusster werden, dass
ohne die Stadt kein Staat zu machen oder auch nur zu
bewahren ist.
Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in
„Wir brauchen
Deutschland in die kommunale Politikebene ist deutlich
jetzt Reformen
größer als das Vertrauen zur Bundes- bzw. zur jeweiligen
und eine Neu
Landesregierung. Die DStGB-forsa-Umfrage zeigt, dass
ausrichtung der
49 Prozent der Bürger zu ihrer Gemeinde- oder Stadtver-
Gesellschaft“
waltung mit dem jeweiligen Bürger- oder Oberbürgermei-
DStGB-Hauptgeschäftsführer
Dr. Gerd Landsberg
ster das größte Vertrauen haben, zur Bundesregierung
lediglich 13 Prozent und zur jeweiligen Landesregierung
16 Prozent. Derzeit haben 22 Prozent zu keiner PolitikEbene Vertrauen. Die Politik muss das verlorengegangene
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Bilanz 2010 und Ausblick 2011
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Vertrauen wieder zurückgewinnen.
Wirtschaftsstandort Deutschland sind
Notwendig ist eine Neuausrichtung
viele Großprojekte unverzichtbar. Wenn
unserer Gesellschaft. Wir brauchen
wir den Umstieg zu den alternativen
jetzt Reformen.
Energien schaffen wollen, brauchen
Die Reformen müssen dazu bei-
wir bis zu 3 600 Kilometer neue Hoch-
tragen, dass der Sozialstaat finan-
spannungsleitungen in Deutschland.
zierbar bleibt und zukunftsfest wird.
Sonst wird das Projekt scheitern.
Gleichzeitig muss dem demographischen Wandel Rech-
Der Handlungsbedarf wird auch durch die Forsa-
nung getragen und die Wettbewerbsfähigkeit Deutsch-
Umfrage deutlich, wonach die Mehrheit der Bevöl-
lands erhöht werden. Dies wird nur mit starken Städ-
kerung zwar für den Ausbau der alternativen Energie
ten und Gemeinden verwirklicht werden können. Nur
plädiert, aber nur rund 61 Prozent der Bürger bereit
wer die Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden
wären, in der Nähe ihres Wohnortes neue Überland-
sichert, ihre Gestaltungsmöglichkeiten erweitert und die
stromleitungen zu akzeptieren. Überdurchschnittlich
kommunale Kompetenz sinnvoll nutzt, sichert auch die
oft würden gerade die Norddeutschen Bedenken gegen
lokale Demokratie.
den Bau von neuen Überleitungen haben. Hier liegt die
Das Beispiel Stuttgart 21 zeigt, dass die Bürger-
Zustimmung nur bei 51 Prozent.
beteiligung gestärkt und Planungsverfahren optimiert
Die Lösung lautet nicht noch mehr Basisdemokra-
werden müssen. Gerade große Projekte brauchen inno-
tie in Abstimmungen, sondern mehr Transparenz. In
vative Plattformen, beispielsweise Diskussionsforen im
Deutschland hat sich die repräsentative Demokratie
Internet. Auch die Auslegung von Planungsunterlagen
bewährt. Im Übrigen kann eine mögliche Volksabstim-
könnte problemlos ins Netz verlagert werden. Dann hät-
mung immer nur mit „Ja“ oder „Nein“ entscheiden. Ob
ten mehr Bürger einen Zugang und könnten ihre Ein-
dann eine qualitativ gute Entscheidung herauskommt,
wände und Bedenken vorbringen. Gleichzeitig müssen
ist in den meisten Fällen fraglich. Ziel muss ein Konsens
derartige Projekte bundesweit mit Informationskam-
unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sein.
pagnen verbunden werden. So hat zum Beispiel die
Insgesamt darf die Beteiligung der Bürgerinnen und
sogenannte „Info-Box“ am Potsdamer Platz in Berlin
Bürger nicht als Belästigung gesehen, sondern muss
über Jahre Millionen Besucher angezogen. Die virtu-
als Chance für weniger Politikverdrossenheit genutzt
elle Darstellung der neuen Innenstadt von Berlin hat
werden. Wir müssen diesen Prozess aufnehmen und
einen wesentlichen Beitrag geleistet, dass die immen-
politisch gestalten, dann liegen darin weniger Risiken
sen Baumaßnahmen und die damit verbundenen
und mehr Chancen.
Beeinträchtigungen des Lebens der Bürgerinnen und
Bürger in Berlin akzeptiert wurden. Die begleitende
Aufklärungs- und Informationsarbeit darf nicht
erst beginnen, wenn die Bagger fahren, sondern
sollten schon vor den ersten Planungen einsetzen
und den gesamten Prozess begleiten. Die Kosten
derartiger Informationskampagnen müssen von
vornherein in die Planung von Großprojekten mit
einkalkuliert werden. Zusätzlich sollte man den
Mut haben, die Planungsunterlagen soweit wie
möglich rechtzeitig offenzulegen. Sowie die Bürger
das Gefühl haben, hier bestehe ein „closed shop“,
würde die Akzeptanz zurückgehen.
Im Zuge der Modernisierung der Bürgerbeteiligung sollte man die formellen Planungsund
Beteiligungsverfahren straffen, um so zu einer
Verkürzung der Planungszeit zu kommen. Für den
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Bilanz 2010 und Ausblick 2011
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2 DStGB-Forderungen auf einen Blick
Kommunale Einnahmesituation verbessern!
Gewerbesteuer reformieren
•
Bewährte Elemente bewahren und stärken.
•
Gewerbesteuer durch Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und durch Einbeziehung
der Selbständigen stabilisieren.
•
Gemeindlichen Umsatzsteueranteil erhöhen.
•
Grundsteuerreform vorantreiben, Aufkommen verbessern.
Ausgaben reduzieren!
Kosten der Unterkunft: Faire Lastentragung zwischen Bund und Kommunen!
•
Keine Absenkung, sondern Erhöhung der Bundesbeteiligung.
•
Beteiligung des Bundes an tatsächliche Ausgaben der Kommunen anpassen.
•
Zusammenlegung von Unterkunftskosten und Wohngeld.
•
Pauschalierung vorsehen, Bürokratiekosten einsparen.
Eingliederungshilfe: Versicherungslösung mit bundesfinanziertem Leistungsgesetz
•
Einführung eines Versicherungsschutz des Einzelnen, der organisatorisch mit der
Pflegeversicherung verbunden wird.
•
Als gesamtgesellschaftliche Aufgabe brauchen wir ergänzend ein bundesfinanziertes
Leistungsgesetz für behinderte Menschen.
Grundsicherung im Alter: Renten armutsfest machen!
•
Übernahme der Grundsicherung durch den Bund.
•
Vorgelagerte Sicherungssysteme stärken.
•
Lebensarbeitszeit verlängern, Eigenvorsorge ausbauen.
Kinderbetreuung solide finanzieren!
•
Betreuungsbedarf realistisch feststellen.
•
Bundes- und Länderbeteiligung an den tatsächlichen Bedarf anpassen.
•
Wirtschaft stärker einbinden.
•
Vorrang für Investitionen in die Infrastruktur statt Erhöhung von Transferleistungen.
Arbeitsmarktpolitik: Fördern und Fordern konsequent anwenden
•
Kommunale Kompetenz in den neuen Jobcentern dauerhaft sichern.
•
Kreisangehörige Gemeinden in die Entscheidungsprozesse einbinden.
•
Bundesvorgaben reduzieren, Spielraum des Jobmanagers vor Ort erhöhen.
•
Bezahlte Bürgerarbeit ausbauen.
Mitwirkung und Gesetzesfolgenabschätzung
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•
Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände verfassungsrechtlich absichern.
•
Gesetzesfolgenabschätzung zwingend vorschreiben.
•
Bürokratiekosten solide feststellen und minimieren.
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3 Städte und Gemeinden kämpfen ums Überleben
Die Lage in den Kommunen ist katastrophal! Kommunale Einnahmen und Ausgaben driften zunehmend auseinander;
der kommunale Finanzierungssaldo stürzt weiter ab. Nach einem Finanzierungsdefizit im Jahr 2009 von -7,2 Milliarden Euro werden die Kommunen das Jahr 2010 voraussichtlich mit einem Defizit von über -11 Milliarden Euro
abschließen. Ein bisher unbekanntes Ausmaß! Die schwierige Situation der kommunalen Haushalte ist dabei nur zum
Teil auf die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise zurückzuführen. Tatsächlich ist die Schieflage der kommunalen Finanzen Ergebnis einer sich seit Jahren vollziehenden Entwicklung. Betrachtet man einmal die Finanzierungssalden der
Kommunen über einen längeren Zeitraum (Abbildung 1) zeigt sich, dass die Kommunen lediglich in den kurzen DreiJahres-Zeiträumen von 1998 bis 2000 und 2006 bis 2008 Finanzierungsüberschüsse erzielen konnten. Tatsache ist
also: Die Kommunen in Deutschland sind strukturell unterfinanziert!
Abbildung 1
3.1 Gefangen in
der Schuldenfalle
Diese strukturelle Unter
finanzierung zeigt sich
deutlich
darin,
dass
es den Städten und
Gemeinden
auch
in
den wirtschaftlich guten
Jahren nicht gelungen
ist, ihre Haushalte zu
konsolidieren. Ein Indiz
hierfür sind die seit
der Wiedervereinigung
unaufhörlich steigenden
Kassenkredite
(Abbil-
dung 2). In den ersten neun Monaten dieses
Jahres haben sie das Rekordniveau von 40,5
Milliarden Euro erreicht. Damit setzt sich der
rasante Anstieg des Jahres 2009 im laufenden
Jahr 2010 verschärft fort. Inzwischen liegt der
Anteil der Kassenkredite an der Gesamtverschuldung der Kommunen bei 35 Prozent.
Zugleich stellen die Kassenkredite den zinsempfindlichen Teil der kommunalen Kredite
dar. Die Kassenkredite werden weiter steigen,
denn zur Erfüllung ihrer laufenden Ausgabeverpflichtungen sind Städte und Gemeinden
auch in den kommenden Jahren in hohem
Maße auf die Aufnahme neuer Kassenkredite
angewiesen.
Abbildung 2
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Bilanz 2010 und Ausblick 2011
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3.2 Finanznot gefährdet kommunale
Handlungsfähigkeit
Das Grundgesetz garantiert den Gemeinden und
Gemeindeverbänden das Recht auf kommunale Selbstverwaltung. Soweit die Theorie, die Realität ist wahrlich
eine andere: Städte und Gemeinden sehen sich seit
Jahren einem Prozess ausgesetzt, der die finanziellen
Grundlagen ihrer Selbstverwaltung zerstört und ihre
Konsolidierungsmaßnahmen konterkariert. Auf der Einnahmenseite schwächen Steuerrechtsänderungen in
erheblichem Ausmaß die finanzielle Einnahmenbasis
der Kommunen. Auf der Ausgabenseite weist insbesondere die Entwicklung der Sozialleistungen eine Dynamik
auf, die die Handlungsfähigkeit der Kommunen mehr
Steuerbasis auch wirtschaftlich schwächerer Kommunen beigetragen werden. Das Kommunalmodell zielt
dabei nicht auf eine Steuererhöhung. Soweit sich Spielräume für Messzahlsenkungen ergeben, sollen diese
auch genutzt werden.
3.4.1 Gewerbesteuer auf Erholungskurs
Im Jahr 2009 ist die Gewerbesteuer netto um fast
- 20 Prozent zurückgegangen. Eben dieser Rückgang
soll nun als Argument für die Abschaffung der Gewerbesteuer dienen. Das wäre fatal, denn die Gewerbesteuer
gehört zu den dynamischsten Steuerarten, die wir
haben. Aktuell wächst das Aufkommen aus der Gewerbesteuer wieder deutlich an. Die Steuerschätzer erwarteten noch im Mai für
und mehr in Frage stellt. Freiwilligen Aufgaben ist längst
2010 bei der Gewer-
weitgehend der Boden entzogen und auch im Pflicht-
besteuer
bereich arbeiten die Kommunen am Rand ihrer Lei-
Aufkommen von 25,9
stungsfähigkeit. Die kommunale Selbstverwaltung ist in
Milliarden Euro. Nun
Gefahr!
wird dieses Niveau
3.3 Gemeindefinanzkommission muss
Gewerbesteuer stärken
Im März 2010 hat die Bundesregierung eine Gemeindefinanzkommission eingesetzt. Der DStGB gehört
dieser an. Die Kommission soll über eine Neuordnung
der Gemeindefinanzierung und über Möglichkeiten, die
kommunale Handlungsfähigkeit zu verbessern, beraten. Das klingt auf den ersten Blick positiv, doch steckt
dahinter auch das Ziel, die Gewerbesteuer abzuschaffen
und durch ein Zuschlagsmodell bei der Einkommenund der Körperschaftsteuer und einen höheren Anteil
an der Umsatzsteuer zu ersetzen (sogenanntes Prüfmodell). Der DStGB lehnt den Versuch, die Gewerbesteuer
durch eine andere Steuerquelle zu ersetzen ab – alle
bisher vorlegten Alternativen haben sich als untauglich
erwiesen!
netto
ein
nach der aktualisierten Steuerschätzung
vom November 2010
mit
voraussichtlich
28,7 Milliarden Euro (Abbildung 3) um + 2,8 Milliarden
Euro überschritten. Damit steigt das Netto-Aufkommen
der Gewerbesteuer bereits im laufenden Jahr wieder
um + 4,4 Prozent. Damit erholt sich die Gewerbesteuer
schneller als erwartet. Die positive Entwicklung der
Gewerbesteuer aktuell zeigt, dass es richtig ist, an ihr
festzuhalten!
3.4.2 Hände weg von den Hinzurechnungen!
Eine klare Absage erteilt der DStGB auch Diskussionen,
die auf eine Streichung der Hinzurechnungen bei der
Gewerbesteuer zielen! Die Gewerbesteuer als wirtschaftskraftbezogene Steuer stellt ein Äquivalent für wirtschaftsorientierte Ausgaben der Gemeinden dar. Dahin-
3.4 Gewerbesteuer für Kommunen
unverzichtbar
ter steht das Interesse der örtlichen Wirtschaft an einer
Stattdessen sollte die Gewerbesteuer gestärkt werden.
steuer finanzieren. Zur Finanzierung der gemeindlichen
Dazu gehören nach dem von den kommunalen Spit-
Leistungen müssen die Unternehmen einen Beitrag lei-
zenverbänden vorgeschlagenen Kommunalmodell die
sten – in guten wie in schlechten Zeiten. Die Feuerwehr
Verbreiterung der Bemessungsgrundlage durch einen
muss auch dann fahren, wenn es einem Unternehmen
Ausbau der Hinzurechnungen und die Erweiterung
schlecht geht. Wer die Hinzurechnungen streicht, legt
des Kreises der Steuerpflichtigen auf Freiberufler. Auf
Hand an das Fundament der Gewerbesteuer, sorgt für
diesem Wege kann die Abhängigkeit von den versteu-
erhebliche Steuerausfälle der Gemeinden und ermög-
erten Gewinnen nur weniger Steuerzahler vor Ort ver-
licht Steuergestaltungen, die neben den Gemeinden
ringert und zugleich zur Verbreiterung der kommunalen
auch die Haushalte von Bund und Ländern belasten.
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gut ausgebauten kommunalen Infrastruktur, welche die
Gemeinden durch die Einnahmen aus der Gewerbe-
Bilanz 2010 und Ausblick 2011
1-2/2011
Abbildung 3
in sachlich nicht nachvollziehbarer Weise
an Veränderungen auf der Einnahmenseite der Kommunen. Die Rede ist von
einem Gesamtpaket. Der DStGB begrüßt
die Haltung des Bundesfinanzministers,
dass eine Veränderung im System der
Gemeindefinanzierung nur gemeinsam
und im Konsens mit den Gemeinden
tragfähig ist. Die Kommunen müssen
dringend auf der Ausgabenseite, zum
Beispiel bei der Grundsicherung im
Alter, entlastet werden. Die Städte und
Gemeinden wehren sich aber dagegen,
dass Entlastungen bei den Sozialausgaben mit Änderungen bei der Gewerbe
steuer verbunden werden sollen. Die
3.5 Sozialausgaben gehören auf die Agenda
Der DStGB hat von Anfang an darauf hingewiesen, dass
das zentrale Problem der Kommunen nicht auf der Einnahmen-, sondern auf der Ausgabenseite und zwar im
Sozialbereich liegt. Denn die kommunalen Sozialaus
gaben – zugleich ein von den Kommunen kaum beein-
Zusage
von
Bundesfinanzminister
Schäuble, dass die Gewerbesteuer erhalten und nicht
geschwächt wird, muss weiter gelten!
3.6 2011 bleibt Finanzierungsdefizit im
zweistelligen Milliardenbereich
flussbarer Kostenblock – haben sich seit der Wieder-
Auch im Jahr 2011 droht den Kommunen in Deutsch-
vereinigung mit über 41 Milliarden Euro in 2010 fast
land ein Defizit in zweistelliger Milliardenhöhe. Daran
verdoppelt.
ändert auch die Steuerschätzung vom November 2010
Auf Drängen der kommunalen Spitzenverbände
nichts, auch wenn die Prognose für das Jahr 2011 für
und mit Hilfe der Länder ist es gelungen, auch das
die Städte und Gemeinden insgesamt nach oben kor-
Thema „Sozialausgaben“ auf die Agenda der Gemeinde
rigiert wurde. Zwischen kommunalen Einnahmen und
finanzkommission zu setzen. Zwar sollte die Kommis-
Ausgaben klafft nach wie vor ein großes Loch. Und auch
sion nach dem Willen der Bundesregierung auch Ent-
für die kommenden Jahre bis 2014 sind hohe kommu-
lastungsmöglichkeiten auf der Ausgabenseite prüfen,
nale Finanzierungsdefizite zu erwarten. Zu dieser Ent-
aber vorrangig hat sie sich mit der Flexibilisierung
wicklung des Finanzierungssaldos tragen maßgeblich
von Standards befasst. Insofern hat die Arbeitsgruppe
die Belastungen der kommunalen Haushalte mit Sozial
„Standards“ der Gemeindefinanzkommission in ihrem
ausgaben bei.
Zwischenbericht einvernehmlich festgestellt, dass die
Belastung der Kommunen durch Sozialausgaben eine
3.6.1 Kommunale Selbstverwaltung stärken
Dimension erreicht hat, die sich nicht durch eine Flexi-
Der DStGB erwartet von der Gemeindefinanzkommission
bilisierung von Standards kompensieren lässt. Der Bund
nunmehr zügig konkrete Ergebnisse, um die Finanzlage
ist hier gefordert, mehr Verantwortung zu übernehmen,
der Kommunen nachhaltig zu verbessern. Ziel der Kom-
da gesamtstaatliche Aufgaben finanziert werden.
mission muss sein, die Kommunen zu entlasten und
Entgegen dem einstigen Kabinettsbeschluss scheint
den kommunalen Handlungsspielraum zu erweitern.
der Bund nunmehr auch zu Lastenverschiebungen zwi-
Es gilt die kommunale Selbstverwaltung in Deutschland
schen den Ebenen bereit zu sein. Allerdings knüpft er
zu stärken! Denn, wie es im Koalitionsvertrag von CDU,
seine – inzwischen signalisierte – Bereitschaft zur Über-
CSU und FDP heißt: „Die kommunale Selbstverwal-
nahme von mehr Verantwortung bei den Sozialausgaben
tung ist ein hohes Gut.“ Als bürgernächste Stufe ist die
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Bilanz 2010 und Ausblick 2011
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kommunale Selbstverwaltung die Basis der staatlichen
das Jahr 2009 hinaus! Die durch die Schuldenbremse
Ordnung in Deutschland. Die Kommunen sind die Keim-
vorgegebene Notwendigkeit der sukzessiven Rückfüh-
zelle unserer Demokratie. Nur wenn die Finanzausstat-
rung der strukturellen Neuverschuldung, schränkt die
tung der Gemeinden und Gemeindeverbände dergestalt
im Zuge der Krise bereits engen finanziellen Spielräume
sichergestellt ist, dass kommunale Entscheidungsspiel-
von Bund und Ländern in den nächsten Jahren zusätz-
räume wieder eröffnet sind, ist es wieder attraktiver, sich
lich massiv ein. Auch die Ergebnisse der Steuerschät-
in die Kommunalpolitik einzubringen.
zung vom November 2010 untermauern die Position
des DStGB, wonach es für Steuersenkungen keinen
3.6.2 Haushalte konsolidieren und Schulden
abbremsen
Spielraum gibt. Bund, Länder und Kommunen werden
Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ist die
Steuern einnehmen als im Jahr 2008.
auch im Jahr 2011 etwa 24 Milliarden Euro weniger an
zentrale finanzpolitische Herausforderung der näheren
rung des öffentlichen Gesamthaushalts ausgesprochen
3.6.4 Kürzung der Städtebauförderung
zurücknehmen
und die mit der Schuldenbremse im Grundgesetz veran-
Der DStGB fordert den Bund nachdrücklich auf, die
kerte Regelung zur Begrenzung der Staatsverschuldung
Städtebaufördermittel ab dem Jahr 2012 wieder auf das
begrüßt. Allerdings sind mit der Einführung der Schul-
Niveau des Jahres 2010, also auf mindestens 610 Milli-
denbremse für Bund und Länder auch Gefahren für
onen Euro, aufzustocken. Die für das Jahr 2011 vorge-
die kommunalen Haushalte verbunden. Insbesondere
sehene Mittelkürzung des Bundesanteils auf nur noch
die Länder könnten versucht sein, ihre Verschuldung
455 Millionen Euro ist kontraproduktiv und wird dazu
zu begrenzen, indem sie Belastungen auf die Kommu-
führen, dass zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung
nalhaushalte verlagern. Um derartigen Bestrebungen
der städtebaulichen und sozialen Infrastruktur in den
seitens der Länder entgegenzuwirken, sollte eine ent-
Kommunen nicht mehr durchgeführt werden können.
sprechende Klarstellung in ihre Landesverfassungen
Nachweislich löst jeder Euro Fördermittel bis zu wei-
aufgenommen werden, wonach den Kommunen eine
teren acht Euro öffentliche und private Investitionen aus.
ihren Aufgaben angemessene Finanzausstattung zu
Dies kommt vor allem dem lokalen Handwerk und dem
garantieren ist.
Mittelstand zu Gute. Die Städtebauförderung ist insoweit
Zukunft. Der DStGB hat sich stets für eine Konsolidie-
ein Erfolgsprogramm zugunsten der Bürger in den Kom-
3.6.3 Kein Spielraum für Steuersenkungen
munen. Dies muss auch in Zukunft so bleiben.
Die Wirtschafts- und Finanzmarktkrise hat Deutschland
im Jahr 2009 in die stärkste Rezession seit Bestehen
der Bundesrepublik gestürzt. Der wirtschaftliche Einbruch belastet die Haushalte von Bund, Ländern und
Kommunen in Deutschland
enorm, und zwar weit über
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4 Sozialausgaben überfordern Kommunen
4.1 Soziale Leistungen auf wirklich
Bedürftige konzentrieren
Die Städte und Gemeinden haben ein enormes
Ausgabenproblem. Kein anderer Ausgabenblock steigt so rasch und mit solcher Dynamik
an, wie der der Sozialausgaben. Sie belaufen sich inzwischen weit über 41 Milliarden
Euro, beinahe doppelt so viel wie kurz nach
der Wiedervereinigung (Abbildung 4). Besonders belastet werden die Kommunen durch
die Ausgaben für die Eingliederung von Menschen mit Behinderungen, den Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose, der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
sowie für den Ausbau und den Betrieb von
Kindertageseinrichtungen. Für alle diese
Ausgaben gilt, dass sie letztendlich auf bundespolitischen Entscheidungen beruhen und
nicht oder nur in unerheblichem Maß von den
Kommunen beeinflusst werden können.
Abbildung 4
Angesichts der dramatischen Finanz
situation der Städte und Gemeinden ist eine
vorbehaltslose Debatte über die Zukunft des
Sozialstaates dringend angezeigt. Wir diskutieren derzeit in Deutschland nur darüber,
was der Staat zusätzlich gewähren kann,
ohne die Frage zu stellen, wer das bezahlen
soll. Der Bund ist gefordert, einen Teil dieser Kosten zu übernehmen. Die bisherigen
sozialen Leistungen sind so nicht mehr finanzierbar. Die Politik ist gefordert zu handeln.
Dazu gehört auch die notwendige Ehrlichkeit
gegenüber den Bürgern. Mit immer weniger Steuern können nicht immer bessere
Leistungen erbracht werden. Nicht alles, was
wünschenswert ist, ist auch finanzierbar. Vielmehr muss der Sozialstaat auf das wirklich
Notwendige zurückgeführt werden.
4.2 Eingliederungshilfen für
Behinderte reformieren
Abbildung 5
Nach wie vor steigen die Kosten bei der Eingliederungs-
treffen kann. Aus kommunaler Sicht ist es bedauerlich,
hilfe für Behinderte. Die Ausgaben haben sich allein seit
dass die Bundesregierung alle bisher unterbreiteten
1995 mehr als verdoppelt (Abbildung 5).
Vorschläge (zum Beispiel Bundesteilhabegeld mit dem
Behinderung ist ein allgemeines Lebensrisiko,
der Leistungsberechtigte einen Geldbetrag als Nach-
welches jeden Bürger jeden Tag überall in Deutschland
teilsausgleich seiner Behinderung erhält), die mit einer
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teilweisen Verlagerung von Eingliederungsleistungen auf
den Bund verbunden sind, ablehnt.
Aus Sicht des DStGB bedarf es sowohl einer Reform
der Leistungsstrukturen, zum Beispiel durch eine stärkere subjektbezogene Finanzierung, vollumfängliche
Leistungen aus der Pflegeund Krankenversicherung
sowie der Schaffung eines Markts von Anbietern, um
einen Preisund Leistungswettbewerb zu eröffnen, als
auch eine Überarbeitung der Finanzierungsgrundlagen.
Der DStGB fordert ein bundesfinanziertes Leistungsgesetz bzw. in einem ersten Schritt eine Bundesbeteiligung
an den Kosten der Eingliederungshilfe, da es sich um
eine gesamtstaatliche bzw. gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt. Es ist zu überlegen, die Eingliederungshilfe in eine Versicherungslösung zu überführen. Das
Risiko einer Behinderung ist – ebenso wie die Pflegebedürftigkeit – ein allgemeines Lebensrisiko. Von daher
Abbildung 6
ist es gerechtfertigt, zumindest zur teilweisen Abdeckung dieses Risikos eine Versicherung des Einzelnen
zu fordern. Menschen mit Behinderung, die finanziell
leistungsstark sind, müssen sich an der Finanzierung
ihnen zustehender Leistungen beteiligen. Dies gilt auch
für Eltern behinderter Kinder.
4.3 Pflegeversicherung zukunftsfest machen
Über 15 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung
werden die Probleme dieses Sozialversicherungszweigs
immer deutlicher. Die Finanzmittel werden knapper,
die Beitragssätze drohen weiter zu steigen, die kommunalfinanzierte Hilfe zur Pflege wird wieder stärker in
Anspruch genommen, es droht ein Mangel an Pflegekräften und die demographische Entwicklung wird diese
Probleme noch verstärken. Jüngste Modellrechnungen
des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass die Zahl
der Pflegebedürftigen von 2,2 Millionen im Jahr 2007
auf 2,9 Millionen im Jahr 2020 und etwa 3,4 Millio-
Abbildung 7
nen im Jahr 2030 ansteigen wird. Bis zum Jahr 2050
wird von einer Verdoppelung der Pflegebedürftigen auf
zu Hause allein durch Angehörige gepflegt. Weitere
4,5 Millionen ausgegangen (Abbildung 6).
0,5 Millionen Pflegebedürftige leben ebenfalls in Privat
Im Dezember 2007 waren 2,25 Millionen Men-
haushalten. Bei ihnen erfolgt die Pflege jedoch zum
schen in Deutschland pflegebedürftig im Sinne des
Teil oder vollständig durch ambulante Pflegedienste.
Pflegeversicherungsgesetzes. Die Mehrheit (83 Prozent)
709 000 Pflegebedürftige werden in Pflegeheimen
der Pflegebedürftigen war 65 Jahre und älter; ein gutes
betreut (Abbildung 7).
Drittel (35 Prozent) 85 Jahre und älter. 68 Prozent der
Pflegebedürftigen waren Frauen.
Das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz hat zwar zu
begrüßenswerten Verbesserungen für Pflegebedürftige
Mehr als zwei Drittel (rund 1,54 Millionen) der
geführt, die zentrale Fragen nach der finanziellen Nach-
Pflegebedürftigen wurden zu Hause versorgt. Davon
haltigkeit und insbesondere nach Lösungen, wie dem
erhielten 1,03 Millionen Pflegebedürftige ausschließ-
drohenden Fachkräftemangel begegnet werden kann,
lich Pflegegeld, das bedeutet, sie werden in der Regel
bleiben jedoch nach wie vor unbeantwortet.
12
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Bilanz 2010 und Ausblick 2011
1-2/2011
und gesetzgeberischen Maßnahmen des
Bundes, ist künftig von einem weiteren
Zuwachs von Kosten und Empfängerzahlen
in diesem Bereich auszugehen. So belegt
eine Studie des DIW ein geringes Rentenniveau für Frauen in den ostdeutschen
Bundesländern. Die Kommunen haben
auf diese Faktoren keinen Einfluss. Des
Weiteren zahlt der Bund zukünftig keine
Rentenversicherungsbeiträge
mehr
für
Hartz IV-Empfänger und verlagert damit
Kosten auf die kommunale Ebene. Darüber
hinaus sollte der Bund an der Verlängerung der Lebensarbeitszeit festhalten und
die Frühverrentung stoppen. Der DStGB
begrüßt, dass die Bundesarbeitsministerin
im kommenden Jahr eine Kommission zur
Altersarmut einsetzen will.
Abbildung 8
4.5 Ausbau der Kleinkinder betreuung schreitet voran
Der Ausbau der Kinderbetreuung in den
Kommunen hat sich spürbar beschleunigt.
Das belegen die Statistiken. Im März 2010
haben nach Mitteilung des Statistischen
Bundesamtes die Eltern von rund 472 000
Kindern unter drei Jahren in Deutschland
eine Betreuung in Kindertageseinrichtungen
oder in öffentlich geförderter Kindertagespflege in Anspruch genommen. Gegenüber
dem Vorjahr entspricht dies einem Anstieg
um rund 55 000 Kinder. (Abbildung 9) Der
Anteil der Kinder in Tagesbetreuung an allen
Kindern dieser Altersgruppe (Betreuungsquote) belief sich damit bundesweit auf über
23 Prozent (2009: 20 Prozent).
Die Städte und Gemeinden unternehmen enorme Anstrengungen zur Schaffung
Abbildung 9
von Betreuungsplätzen. Es ist aber nicht
erkennbar, woher die Städte und Gemein-
4.4 Altersarmut bekämpfen
den die Finanzmittel nehmen sollen, um bis 2013 aus-
Eine enorme Belastung kommt auf die Städte und
reichend Plätze für die Erfüllung des Rechtsanspruchs
Gemeinden durch die Grundsicherung im Alter und bei
für unter Dreijährige zu schaffen. Würde bis 2013 für
Erwerbsunfähigkeit zu. Die Ausgaben hierfür haben sich
35 Prozent aller unter Dreijährigen ein Betreuungsplatz
seit Einführung dieser Grundsicherung im Jahr 2003
zur Verfügung stehen, würde dies zu jährlichen Mehr-
nahezu verdreifacht (Abbildung 8).
aufwendungen bei den Betriebskosten von 3,1 MilliarEntwicklung
den Euro führen. Die zusätzlichen Betriebsausgaben
sowie der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt (Niedrig
würden sich ab 2013 jährlich auf rund 4,5 Milliarden
lohnbereich, Brüche in den Erwerbsbiographien)
Euro belaufen.
Aufgrund
1-2/2011
der
demographischen
Bilanz 2010 und Ausblick 2011
www.dstgb.de
13
vom
Nordrhein-Westfalen gegen die finanziellen Folgen des
mitgetragenen
Kinderförderungsgesetzes dringend angezeigt. In der
Forsa-Umfrage wird der
Urteilsbegründung hat das Gericht insbesondere ausge-
tatsächliche Bedarf deut-
führt, dass die beanstandete Regelung gegen das lan-
lich höher ausfallen, als
desverfassungsrechtlich verankerte Konnexitätsprinzip
die
Nach
DStGB
einer
geplanten
verstoße. Dieses Prinzip verpflichtet den Landesgesetz-
750 000 Plätze bundes-
geber bei der Übertragung neuer oder der Veränderung
weit. Nach dieser Umfrage
bestehender kommunaler Aufgaben, gleichzeitig einen
kann die Nachfrage weit über 60 Prozent liegen. Auch
finanziellen Ausgleich für die entstehenden notwen-
die vom Deutschen Jugendinstitut jüngst veröffentliche
digen, durchschnittlichen Ausgaben zu schaffen. Das
Elternbefragung im Rahmen des DJI-Surveys AID:A
Land muss demnach die Kommunen für die finanzielle
„Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“ belegen,
Mehrbelastung entschädigen, die ihnen durch den Aus-
dass der Betreuungswunsch der Eltern erheblich ange-
bau der Kleinkindbetreuung entstehen.
bisher
stiegen ist. Es bleibt auch bei unserer Feststellung, dass
Hinzu kommt, dass aufgrund der angespannten
die Finanzierung für die vorgesehenen 750 000 Plätze
Finanzlage der Kirchen sich diese zunehmend aus der
nicht ausreichend sichergestellt ist.
Trägerschaft verabschieden bzw. nur Einrichtungen wei-
Der DStGB erwartet deshalb neben der Feststellung
ter betreiben, wenn die Kommunen eine hundertprozen-
des tatsächlichen Bedarfs auch eine Neuberechnung
tige Finanzierung sicherstellen. Auch treten zunehmend
der Finanzierungserfordernisse. Bund und insbeson-
privat-gewerbliche Anbieter auf den Markt. Solange die
dere die Länder müssen sich hier stärker engagieren,
rechtlichen und fachlichen Voraussetzungen für den
oder aber der Rechtsanspruch muss eingeschränkt
Betrieb der Einrichtung erfüllt sind, ist die Frage, ob
oder verschoben werden.
der Träger gemeinnützig oder privat gewerblich tätig
Ein stärkeres finanzielles Engagement der Länder
ist, irrelevant. Hinzu kommen zunehmend praktische
ist vor dem Hintergrund der erfolgreichen kommunalen
Schwierigkeiten, angesichts abnehmender Kinderzah-
Verfassungsbeschwerden
len Angebote wirtschaftlich so vorzuhalten, dass dem
mehrerer
Kommunen
in
Abbildung 10
14
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Bilanz 2010 und Ausblick 2011
1-2/2011
Wunsch- und Wahlrecht Rechnung getragen werden
gemeinsamen Einrichtungen als Nachfolgemodell der
kann. Das Wunsch- und Wahlrecht muss sich daher
Arbeitsgemeinschaften und der Option soll ein Regel-
gleichfalls an den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit
Ausnahme-Verhältnis bestehen. Verfassungsrechtlich
und Sparsamkeit orientieren. Es ist schwer vermittelbar,
wird darüber hinaus normiert, dass der Bund bei der
dass in anderen Sozialleistungsgesetzen wie zum Bei-
Option die Kosten der Bundesaufgaben einschließlich
spiel dem SGB II den Leistungsberechtigten im Detail
der Verwaltungskosten trägt.
vorgegeben wird, was für sie zumutbar ist und was nicht,
Der DStGB hat sich immer für die gemeinsame
während in der Jugendhilfe Wünsche der Leistungsbe-
Wahrnehmung der Aufgaben durch die Agentur für
rechtigten Mehrkosten verursachen dürfen.
Arbeit und Kommunen eingesetzt. Von daher ist die jetzt
Die Anstrengungen der Kommunen, das Betreu-
gefundene Lösung, auch in Zukunft die gemeinsame
ungsangebot für Kinder stetig auszubauen, sind mit
Aufgabenwahrnehmung von Agenturen für Arbeit und
enormen zusätzlichen Kosten verbunden. Im Jahr 2008
Kommunen vor Ort als Regelmodell und die Option als
kletterten die kommunalen Ausgaben auf brutto 14,2
Ausnahmemodell fortzuführen, ausdrücklich zu begrü-
Milliarden Euro (Abbildung 10).
ßen. Mit Blick auf die Option war für den DStGB wichtig,
dass verfassungsrechtlich dieses Modell als Ausnahme
4.6 Zusammenarbeit von Arbeitsagenturen
und Kommunen wird fortgesetzt
und die Finanzierungspflicht des Bundes für seine Ausgaben bei den Optionskommunen abgesichert wird. Die
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entschei-
Kommunalisierung der Langzeitarbeitslosigkeit konnte
dung vom Dezember 2007 die Arbeitsgemeinschaften
verhindert werden.
zwischen Agenturen für Arbeit und Kommunen für
aufgefordert, bis zum 31. Dezember 2010 eine verfas-
4.6.1 Bundesanteil an den Unterkunftskosten
erhöhen
sungskonforme Organisationsform für die Umsetzung
Die Kommunen werden durch den Anstieg der Kosten
des SGB II zu schaffen. Nachdem die Überlegungen
der Unterkunft massiv finanziell belastet. So hat der
zunächst dahin gingen, die Aufgaben der Grundsiche-
Bund seine Beteiligung an den Kosten für Unterkunft
rung durch die kommunalen Träger und die Bundes
von bundesdurchschnittlich 26 Prozent in 2010 auf
agentur getrennt wahrzunehmen, haben sich Bund und
23,6 Prozent abgesenkt. Hintergrund ist, dass sich die
Länder Mitte des Jahres auf eine verfassungsrechtliche
Bundesbeteiligung an der Zahl der Bedarfsgemein-
Absicherung der gemeinsamen Arbeit der Jobcenter im
schaften und nicht an der tatsächlichen Entwicklung
Rahmen der Grundsicherung für Arbeit geeinigt.
der Kosten für Unterkunft und Heizung orientiert. Das
verfassungswidrig erklärt und den Bundesgesetzgeber
In einem neuen Artikel 91e GG ist die gemein-
seit Dezember 2009 anhängige Vermittlungsverfahren
same Aufgabenwahrnehmung zwischen Agenturen für
zur Berechnung und Höhe der Bundesbeteiligung für
Arbeit und Kommunen in gemeinsamen Einrichtungen
das Jahr 2010 ist Mitte November ohne Einigung zu
und die Möglichkeit der Kommunen, die Aufgaben
Ende gegangen. Den Einspruch des Bundesrates hat
auf Wunsch als eigene Aufgabe durchzuführen, als
der Bundestag mit der Mehrheit der Regierungsfraktio
Ausnahmeregelung verankert worden. Zwischen den
nen zurückgewiesen.
Die derzeitige Rechtslage führt
zu einer einseitigen Belastung der
Kommunen:
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
12,3
13,7
13,7
13,3
13,5
13,8
14,3
Bundesbeteiligung in Prozent
29,1
29,1
31,8
29,2
26,0
23,6
25,1
Bundesbeteiligung in Milliarden Euro
3,59
3,98
4,35
3,89
3,52
3,25
3,60
8,74
9,70
9,33
9,43
10,00
10,53
10,70
Kosten der Unterkunft/
Heizung in Milliarden Euro
Kommunale Belastung
(KdU/Heizung abzüglich Bundes
beteiligung) in Milliarden Euro
2010: Hochrechnung auf das Jahresende 2010 mit den Ausgabedaten Januar bis September 2010 des BMF
2011: Prognose nach dem Gesetzentwurf des Siebten Änderungsgesetzes zum SGB II
1-2/2011
Bilanz 2010 und Ausblick 2011
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15
Für die kommunalen Träger ist im Zeitraum 2005
ein sogenanntes Schulbasispaket von 100 Euro im Jahr
bis 2010 eine Deckungslücke von insgesamt sechs Mil-
gezahlt werden. Aus Sicht des DStGB entspricht die nur
liarden Euro entstanden. Die künftige Entwicklung wird
geringfügige Erhöhung der Regelsätze den Vorgaben
nach der bestehenden Gesetzessystematik zu weiteren
des Bundesverfassungsgerichts. Die von Wohlfahrtsver-
Einbußen führen. Der DStGB hat die fehlerhafte Anpas-
bänden geübte Kritik ist dagegen nicht haltbar. Die von
sungsformel wiederholt beklagt und eine Ausrichtung
diesen geforderte Erhöhung der Regelsätze auf weit über
an den tatsächlichen Kosten gefordert. Die Bundesbe-
400 Euro im Monat würde zu Mehrkosten in Milliarden-
teiligung müsste danach im Jahr 2010 bundesdurch-
höhe führen und zur Folge haben, dass insbesondere
schnittlich 35,8 Prozent betragen. Für das Jahr 2011
die Kommunen bei den Kosten der Unterkunft weiter
müsste die Bundesbeteiligung auf 37,7 Prozent erhöht
belastet werden. Bei der Regelsatzhöhe ist zu berück-
werden.
sichtigen, dass mit jedem Euro neue Leistungsberechtigte zu Lasten der kommunalen Träger hinzukommen
4.6.2 Teilhabepakete für Kinder statt
deutliche Erhöhung der Regelsätze
und die Anreize zur Aufnahme einer bedarfsdeckenden
Erwerbstätigkeit reduziert werden.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
Für den DStGB ist das Bildungs- und Teilhabepaket
9. Februar 2010 zu den Regelleistungen nach dem
für Kinder grundsätzlich der richtige Weg, die Teilhabe-
SGB II hat der Bund die Aufgabe, bis zum Jahresende den
chancen bedürftiger Kinder zu verbessern. Die Städte
existenznotwendigen Bedarf zu ermitteln und abzude-
und Gemeinden machen seit Jahren die Erfahrung, dass
cken. Konkret verlangt das Bundesverfassungsgericht:
es unbeschadet der materiellen Existenzsicherung für
•
transparente und nachvollziehbare Herleitung der
Kinder wichtig ist, dass die Leistungen bei den Kindern
Erwachsenenregelsätze;
ankommen und dort ihren Bestimmungszweck erfüllen.
eine eigene Berechnung des Existenzminimums
Dies ist bei Sachleistungen oder unbaren Abrechnungen
von Kindern und Jugendlichen anstelle einer pro-
leichter zu bewerkstelligen als bei den Geldleistungen.
zentualen Ableitung des Erwachsenenregelsatzes;
Der DStGB erwartet aber, dass die Städte und Gemein-
die Einbeziehung von Bildungs- und Teilhabebe-
den gegen Erstattung ihrer Verwaltungskosten stärker in
standteilen in die Regelsätze für Kinder und Jugend-
die Umsetzung eingebunden werden. Die Umsetzung
liche.
des Bildungs- und Teilhabepaketes erfordert nämlich die
•
•
Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich
genaue Kenntnis der konkreten Strukturen vor Ort, der
nicht die Erhöhung der Regelsätze verlangt, sondern nur
einzelnen Schulen, der Vielzahl von Vereinen und ande-
eine transparente Berechnung. In dem zwischenzeitlich
ren Teilhabeangeboten. Nur die Städte und Gemeinden
vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zur Ermittlung
sind mit all diesem vertraut. Sie kennen die einzelnen
von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und
Angebote, da sie mit ihnen in der Jugendarbeit, der
SGB XII wird der Regelbedarf für Alleinstehende von
Kinderbetreuung, der Vereinsförderung, als Schulträger,
359,00 Euro um fünf Euro auf 364 Euro
beim bürgerschaftlichen Engage-
erhöht. Die Regelsätze für Kinder werden
ment und weiteren kommunalen
nicht verändert. Ab dem 1. Januar 2011
Aufgaben in enger Verbindung
werden für die Kinder jedoch zusätzliche
stehen. Momentan ist unklar, wie
Sachleistungen in Form von Teilhabepake
die bisherigen freiwilligen Ange-
ten für Vereinsmitgliedschaften, Förderun-
bote der Städte und Gemeinden
terricht, Schulfahrten und Schulessen vor-
mit den neuen Leistungen ver-
gesehen. Zusätzlich wird für diese Kinder
zahnt werden können und sollen.
16
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Bilanz 2010 und Ausblick 2011
1-2/2011
5 Planungsverfahren beschleunigen
und Bürgerbeteiligung stärken
5.1 Bürgerbeteiligung intensivieren
Eine zukunftsgerechte Stadtentwicklung ist auf externe
Ideen und auf den Bürger angewiesen. Das Zusammenspiel zwischen Planungsträger und Bürgern muss
neben den formellen insbesondere auch die seit langem
bestehenden informellen und den Bürger aktivierenden
Beteiligungsverfahren verstärkt und frühzeitig einbeziehen
(Mediationsverfahren,
Planungswerkstätten,
Workshops, Präsentation von Modellen, Diskussionsforen im Internet etc.). Trotz zusätzlichen Zeitaufwands
Instanzenzugs auch beschleunigte Gerichtsverfahren
für Großprojekte mit gesonderten Spruchkammern zum
Zwecke der Investitionsbeschleunigung im allgemeinen öffentlichen Interesse geschaffen werden. Diese
könnten nach dem Vorbild der Vergabekammern (Entscheidungsfrist zur Nachprüfung: grundsätzlich fünf
Wochen) in vorgegebenen Höchstfristen entscheiden.
5.4 Nationales Recht nicht mit über das EURecht hinausgehenden Regeln befrachten
steigt damit die Akzeptanz des gesamten Prozesses.
Nach wie vor enthält speziell das deutsche Umweltrecht
Der mündige Bürger hat aber gegenüber der Gemeinde
im Vergleich zu den EU-rechtlichen Vorgaben (FFH,
nicht nur eine Hol-, sondern auch eine Bringschuld: Die
EU-Umweltprüfungen etc.) zusätzliche Regelungen.
Suche nach der besten Lösung für „seine Stadt“.
Dies betrifft unter anderem die naturschutzrechtliche
Eingriffsregelung, wonach Eingriffe in Natur und Land-
5.2 Großprojekte besser managen
Insbesondere Großprojekte (Bahn, Flughäfen, Energietrassen, etc.) erfordern ein besseres Management in
einer zentralen Kompetenzstelle. Städte und Gemeinden sind engstens einzubinden. Stete Transparenz und
Offenheit der Kosten und Planung sind ganz wesent-
schaft grundsätzlich an anderer Stelle zu ersetzen sind.
Zu fordern ist ein genereller Verzicht auf die über das
EU-Recht hinausgehenden nationalen Regelungen.
5.5 Vorrang und schnellere Verfahren für
allgemein bedeutsame Investitionen
lich. Dies bedingt schlanke und verständliche Entschei-
Im Bauplanungsrecht können heute „Bebauungspläne
dungsgrundlagen für Politik und Bürger statt hunderte
der Innenentwicklung“ (Schutz des Außenbereichs)
Seiten unverständlicher Gutachten.
schneller und einfacher aufgestellt werden. Weiter
sollten Vorhaben von beson-
5.3 Kammern für beschleunigte
Entscheidungen schaffen
Häufig
werden
nungen
und
abgeschlossene
nochmals
zeitaufwendige
über
Pla-
gerichtliche
Verwaltungspro-
zesse in drei Instanzen angegriffen. Hier
könnten neben einer Reduzierung des
1-2/2011
Bilanz 2010 und Ausblick 2011
derer Bedeutung für die Allgemeinheit
(Infrastruktur)
– wie nach der Wiedervereinigung in den neuen Ländern –
das Privileg erleichterter und
kürzerer Planungsverfahren
haben.
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17
6 forsa-Umfrage zum Jahreswechsel 2010/2011
im Auftrag des DStGB
Datenbasis:
1 004 Befragte
Erhebungszeitraum:
6. und 7. Dezember 2010
Statistische Fehlertoleranz:
+/- 3 Prozentpunkte
Auftraggeber:
Deutscher Städte- und Gemeindebund
6.1 Vertrauen in die einzelnen
politischen Ebenen
Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland in die kommunale
Politikebene ist – trotz des stetigen Rückgangs der Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen – deutlich größer als das Vertrauen zur Bundes- oder zur jeweiligen
Landesregierung: Zu ihrer Gemeindeoder Stadtverwaltung mit dem jeweiligen Bürger- oder Oberbürgermeister
haben 49 Prozent, zur Bundesregierung
13 Prozent und zur jeweiligen Landesregierung 16 Prozent das größte Vertrauen.
22 Prozent haben derzeit zu keiner Politik-Ebene Vertrauen (Abbildung 11).
Das Vertrauen zur kommunalen
Ebene ist überdurchschnittlich groß im
Süden (Baden- Württemberg und Bayern)
und in den kleineren Gemeinden.
Das Vertrauen in die kommunale
Ebene ist in Nordrhein-Westfalen und in
Abbildung 11
den neuen Bundesländern nicht so groß
wie im Durchschnitt der Republik.
Anhänger der Union und der FDP
haben zur gegenwärtigen Bundesregierung deutlich größeres Vertrauen als
Anhänger der SPD, der Grünen oder der
Linke.
18
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Bilanz 2010 und Ausblick 2011
1-2/2011
Foto: Pixelio/Horst Schröder
Rathaus von Pritzwalk
zu ihrer
Gemeinde- bzw.
Stadtverwaltung
zur
Bundesregierung
zur
Landesregierung
zu keiner
politischen Ebene
Prozent
Prozent
Prozent
Prozent
insgesamt
49
13
16
22
Nord*
47
20
12
21
Nordrhein-Westfalen
43
16
21
20
Mitte*
49
13
15
23
Süd*
58
9
13
20
Ost*
44
13
16
27
Das größte Vertrauen haben
derzeit
Ortsgröße (Einwohner) unter 5 000
56
13
13
18
5 000 bis 20 000
62
10
13
15
20 000 bis 100 000
52
12
14
22
100 000 bis 500 000
32
10
25
33
über 500 000
35
23
16
26
18- bis 29-Jährige
57
10
13
20
30- bis 44-Jährige
51
11
17
21
45-bis 59 Jährige
49
12
16
23
* Nord =
Mitte =
Süd =
Ost =
1-2/2011
60 Jahre und älter
42
16
16
26
Anhänger der: CDU/CSU
47
27
15
21
FDP
49
22
19
10
SPD
53
10
21
16
Grünen
46
7
22
25
Linke
46
4
22
28
Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Bremen
Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland
Baden-Württemberg, Bayern
neue Länder
Bilanz 2010 und Ausblick 2011
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19
6.2 Meinungen zur Verwendung
von Steuer-Mehreinnahmen
Die große Mehrheit der Bundesbürger
(77 Prozent) ist der Meinung, dass die
zu erwartenden Steuermehreinnahmen
zur Verbesserung der Finanzsituation
der Städte und Gemeinden verwendet
werden sollte. Dass die Steuermehreinnahmen zur Senkung von Steuern
genutzt werden sollten, das möchte nur
eine Minderheit von 18 Prozent (Abbildung 12).
Die Meinungen unterscheiden sich
in den einzelnen Regionen und Bevölkerungsgruppen nur wenig. Selbst von den
FDP-Anhängern plädiert nur eine Minderheit von 20 Prozent dafür, die Steuer
mehreinnahmen für Steuersenkungen
zu verwenden.
Abbildung 12
Meinungen zur Verwendung von Steuer-Mehreinnahmen
Die zu erwartenden
Steuermehreinnahmen sollten
verwendet werden, um
insgesamt
20
die Steuern zu senken
die Finanzsituation der
Städte und Gemeinden zu
verbessern
weiß nicht
Prozent
Prozent
Prozent
19
77
4
Nord
18
77
5
Nordrhein-Westfalen
18
79
3
Mitte
16
79
5
Süd
27
70
3
Ost
13
83
4
18- bis 29-Jährige
25
72
3
30- bis 44-Jährige
21
76
3
45- bis 59-Jährige
21
73
6
60 Jahre und älter
10
85
5
Anhänger der: CDU/CSU
15
84
1
FDP
20
76
4
SPD
15
82
3
Grünen
13
84
3
Linke
16
80
4
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Bilanz 2010 und Ausblick 2011
1-2/2011
6.3 Einstellungen zum Bau neuer
Überlandleitungen
Wenn in der Nähe ihres Wohnortes neue
Überland-Stromleitungen gebaut würden,
um Strom aus erneuerbaren Energien zu
transportieren, würden das nach eigenen
Angaben 61 Prozent der Bundesbürger
akzeptieren. 33 Prozent wären dagegen
(Abbildung 13). Überdurchschnittlich oft
würden die Norddeutschen Bedenken
gegen den Bau von neuen Überlandleitungen haben. Bedenken hätte auch ein
Viertel der Anhänger der Grünen.
Abbildung 13
Den Bau neuer Überlandleitungen
zum Transport von Strom aus
erneuerbaren Energien in der Nähe
ihres Wohnortes fänden in Ordnung
1-2/2011
ja
nein, wären dagegen
weiß nicht
Prozent
Prozent
Prozent
insgesamt
61
33
6
Nord
51
44
5
Nordrhein-Westfalen
63
34
3
Mitte
64
29
7
Süd
63
30
7
Ost
63
30
7
18- bis 29-Jährige
73
22
5
30- bis 44-Jährige
57
37
6
45- bis 59-Jährige
59
35
6
60 Jahre und älter
60
34
6
Anhänger der: CDU/CSU
57
39
4
FDP
64
34
2
SPD
62
35
3
Grünen
70
26
4
Linke
66
30
4
Bilanz 2010 und Ausblick 2011
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Bilanz 2010 und Ausblick 2011
1-2/2011
Bisher in dieser Reihe erschienen
No. 99 Mehr Breitband für Deutschland
Ein Praxisleitfaden für Kommunen im ländlichen Raum
11/2010
No. 98 Bundesweiter Städtewettbewerb Mission Olympic
Gesucht: Deutschlands aktivste Stadt!
(Bestellungen von Print-Exemplaren ausschließlich beim Organisationsbüro Mission Olympic, E-Mail: info@mission-olympic.de)
6/2010
No. 97 Auslaufende Konzessionsverträge –
Ein Leitfaden für die kommunale Praxis
6/2010
No. 96 Wachstum nur mit starken Städten und Gemeinden – Bilanz 2009
und Ausblick 2010 der deutschen Städte und Gemeinden
1-2/2010
No. 95 Archivierung von digitalen Ressourcen im kommunalen Bereich
11/2009
No. 94 Repowering von Windenergieanlagen – Kommunale Handlungsmöglichkeiten – Ersetzen von Altanlagen durch moderne
Windenergieanlagen als Chance für die gemeindliche Entwicklung
10/2009
No. 93 Kleine Kommunen groß im Klimaschutz
Gute Beispiele aus dem Wettbewerb „Klimaschutzkommune 2009“
9/2009
No. 92 Öffentliche Beleuchtung – Analyse, Potenziale und Beschaffung
7-8/2009
No. 91 Alkoholprävention in den Städten und Gemeinden
7-8/2009
No. 90 Vergaberecht 2009
Novellierung, aktuelle Entwicklungen und Verfahrensablauf
4/2009
No. 89 Gemeindliche Sozialpolitik
4/2009
No. 88 Leitfaden „Stärkung der kommunale Infrastruktur durch Kooperationen
von Bürgerinnen und Bürgern, Verwaltung und Unternehmen“
3/2009
No. 87 Krise als Chance nutzen – Bilanz 2008 und Ausblick 2009
der deutschen Städte und Gemeinden
1-2/2009
No. 86 Naturschutz und Lebensqualität in Städten und Gemeinden –
Gute Beispiele aus dem Wettbewerb
1-2/2009
No. 85 Spicken erlaubt – nicht verzetteln bei der Bildungsreform.
Sonderdruck des DStGB-Innovators Club
12/2008
No. 84 Aufgaben, Organisation und Schwerpunkte der kommunalen
Wirtschaftsförderung – Umfrage zur Wirtschaftsförderung in
kreisangehörigen Städten und Gemeinden unter 50 000 Einwohnern
11/2008
No. 83 Kommunales Flächenmanagement – Flächen sparen und intelligent
nutzen – Themen und Projekte des Förderschwerpunkts REFINA
9/2008
No. 82 Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben – 2. Auflage
Hinweise für die kommunale Praxis nach der Energierechtsreform 2005
9/2008
No. 81 Grundsicherung für Arbeitsuchende unter einem Dach
Zur Strukturierung der SGB II-Verwaltung ohne Grundgesetzänderung
(nur online verfügbar)
6/2008
No. 80 Breitbandanbindung von Kommunen – 2. Auflage
Durch innovative Lösungen Versorgungslücken schließen
5/2008
No. 79 Kommunale Immobiliengeschäfte und Ausschreibungspflicht
Rechtsprechung, Praxishinweise und aktuelle Gesetzesvorhaben
4/2008
No. 78 Doppik in den kommunalen Haushalten – Auswirkungen
auf die Kreisumlage
4/2008
No. 77 Politik für die Ländlichen Räume (nur online verfügbar)
3/2008
No. 76 Städte und Gemeinden aktiv für den Naturschutz
Gute Beispiele aus dem Wettbewerb „Bundeshauptstadt im Naturschutz“
3/2008
No. 75 Reformen fortsetzen – Deutschland braucht starke Städte und Gemeinden
Bilanz 2007 und Ausblick 2008 der deutschen Städte und Gemeinden
1-2/2008
No. 74 Interkommunale Kooperation im Tourismus
12/2007
No. 73 5 Thesen kommunaler Tourismuspolitik – Erfolgreiche Tourismuspolitik
für Städte und Gemeinden (nur online verfügbar)
10/2007
No. 72 Standortzufriedenheit und Abwanderungsbereitschaft von Unternehmen
Studiensteckbrief und Hauptergebnisse des GEWERBEMonitors
11/2007
No 71 Chance Solarenergie – Kommunale Handlungsmöglichkeiten für eine
nachhaltige Entwicklung
10/2007
No 70 Privatisierung kommunaler Wohnungen – Hintergründe, Risiken
und Möglichkeiten
7-8/2007
No 69 Städte und Gemeinden aktiv für den Klimaschutz
Gute Beispiele aus dem Wettbewerb „Bundeshauptstadtim Klimaschutz“
6/2007
No 68 Starke Städte und Gemeinden gestalten Zukunft
Bilanz 2006 und Ausblick 2007 der deutschen Städte und Gemeinden
3/2007
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