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Full text: DV aktuell (Rights reserved) Ausgabe 2023,2 (Rights reserved)

aktuell 2/2023 Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e. V. Generationendialog entscheidend für die Transformation unserer Städte Der Wandel, der unseren Städten und Gemeinden bedingt durch Themen wie Dekarbonisierung, Umgestaltung der Innenstädte oder bedarfsgerechtes Wohnen bevorsteht, kann nur als Gemeinschaftsaufgabe der Generationen bewältigt werden. Darin waren sich die Teilnehmenden der Jahrestagung des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e. V. (DV) einig, die unter dem Motto „Generationendialoge zur städtischen Transformation“ am 22. Juni 2023 in der ufaFabrik in Berlin stattfand. Dafür müssen Jüngeren der Generationen Y und Z und die bald aus dem Berufsleben ausscheidenden „Babyboomer“ und Entscheidungsträger:innen noch mehr miteinander ins Gespräch kommen und zusammenwirken. Die Jahrestagung bildete den Auftakt für einen solchen Generationendialog, den der Verband künftig in regelmäßigen Sitzungen führen möchte. Taktgeber:innen sollen dabei junge engagierte Mitglieder und Partner:innen des DV sein. Ullrich Sierau und Julia Klink auf dem Podium der Jahrestagung © Kathrin Heller, offenblende Generationendialog unverzichtbarer Teil des gesellschaftlichen Austauschs In dieser Ausgabe EU-Förderung für die Dekarbonisierung im Quartier: 76. Tagung des Deutsch-Österreichischen URBAN-Netzwerks in Wien Seite 4 Erste Forschungsergebnisse aus dem Bundesprogramm „Zukunftsfähige Städte und Zentren“ Seite 5 Sicherung von Daseinsvorsorge und Lebensqualität im ländlichen Raum: Abschlusskonferenz einer Pilotaktion zur Umsetzung der Territorialen Agenda 2030 Seite 6 Neue Formate und Netzwerke für Kulturorte in der Stadtentwicklung: „Gemeinsam für das Quartier“ organisiert Impulslabor in Regensburg Seite 7 „Am Lebensalter kann man heutzutage die Quadratmeterzahl des Wohnraums ablesen. Da hapert es derzeit mit der Generationengerechtigkeit. Auch mit Blick auf die Innenstadt gilt es, die ideelle Rendite, die unter anderem durch Kunst, Kultur und junge Stadtmacher:innen mobilisiert wird, mehr wertzuschätzen. Da brauchen wir neue Allianzen und müssen in ein Gespräch der Generationen kommen“, sagte Michael Groschek, Staatsminister a. D. und Präsident des DV. Annett Jura, Abteilungsleiterin im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, machte deutlich: „Unsere ganze Gesellschaft ist ein Mehrgenerationenhaus. Wir brauchen ein tragfähiges Maß an gemeinsamen Zielen und Werten, gleich- Leitartikel: Generationendialog A Autor Christian Huttenloher ist der Generalsekretär des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung. zeitig müssen wir kontroverse Debatten zulassen.“ Um dies voranzubringen fördere ihr Haus unter anderem die Urbane Liga, ein Netzwerk junger Stadtmacher:innen, und beziehe deren Positionen in Entscheidungsfindungsprozesse ein. Soziale Dimension beachten und Recht auf Fehler zugestehen Was kann Beteiligung für Stadtentwicklungsprozesse bewirken und gibt es Unterschiede, wie die Generationen an solche Prozesse herangehen? Ullrich Sierau, Ex-Oberbürgermeister von Dortmund, hob den erfolgreichen Stadtumbau von Dortmund im Zuge des Strukturwandels hervor, für den ein langer Atem notwendig gewesen war, und sagte: „Wenn ich die soziale Dimension in Transformationsprozessen nicht berücksichtige, kriege ich eine gespaltene Gesellschaft.“ Den jungen Menschen müsse man das Recht zugestehen, eigene Fehler zu machen und darauf, ernst genommen zu werden. Im anschließenden Gespräch zur Einbindung der jungen Generation in Stadtentwicklungsprozesse zwischen Sierau, dem jungen Bürgermeister der Stadt Bad Soden-Salmünster, Dominik Brasch, Julia Klink vom Alumni-Netzwerk der Urbanen Liga und Dietmar Horn, Abteilungsleiter im Bundesbauministerium, stellte sich heraus: Viele jüngere Menschen setzen verstärkt auf Netzwerke und räumen der Mitgestaltung bzw. Koproduktion im Sinne der Neuen Leipzig-Charta einen höheren Stellenwert ein. Julia Klink machte aber gleichzeitig deutlich, dass die Einbindung junger Menschen, gerade wenn sie selbständig sind, stets auch entsprechend wertgeschätzt und vergütet werden müsse. Die Wohnungsfrage – ein Generationenkonflikt? Während ältere Menschen im Schnitt auf großer Wohnfläche leben, fehlt heute vielen jüngeren Menschen und Familien geeigneter bzw. ausreichender Wohnraum. In der öffentlichen Debatte wird die Wohnraumfrage deshalb oft auf einen Verteilungskonflikt zwischen den Generationen heruntergebrochen. Das greift zu kurz, liegt doch die ungleiche Wohnflächeninanspruchnahme auch in gewissen Rahmenbedingungen begründet, die beispielsweise für Senioren-Mieter, die auf großer Fläche leben, den Umzug in eine kleinere Wohnung finanziell unattraktiv machen, da sie dafür mehr zahlen müssten. Folglich verschleiert der Fokus auf einen vermeintlichen Generationskonflikt andere Herausforderungen, allen voran die Schaffung von neuem Wohnraum und den nachhaltigen Umbau des Bestands. Wie dies in der Praxis sozial, ökologisch und wirtschaftlich gelingen kann, diskutierten Gregor Steiger vom Kompetenzcenter Nachhaltigkeitsmanagement der Nassauischen Heimstätte, Julian Zwicker von der „Häuser Bewegen GIMA Berlin-Brandenburg eG“ sowie Dr. Robert Winterhager von der „Montag Stiftung Urbane Räume“. Neben den Herausforderungen einer am Gemeinwohl orientierten Wohnraumversorgung offenbarte der Austausch auch die Chancen eines Miteinanders der Generationen im Rahmen solidarischer Strukturen, in denen sich strittige Fragen gemeinsam lösen lassen. Im Abschlusspodium diskutierten Abgeordnete der verschiedenen Bundestagsfraktionen Mitwirkungsmöglichkeiten junger Politiker:innen und innerparteiliche Generationenkonflikte. (Innen-)Stadt braucht Freiräume DV als Plattform des Generationendialogs Michael Groschek, Staatsminister a. D. und Präsident des DV, verwies auf der Jahrestagung auf die historische Rolle von Städten als Orte der Begegnung. Für den Erhalt der „ideellen Rendite“ jenseits von Konsummöglichkeiten brauche es neue Allianzen und die Möglichkeit, Menschen mit frischen Ideen mitmachen zu lassen. Die praktische Umsetzung dieses Anspruchs in den Innenstädten diskutierten Doreen Mohaupt, Fachbereichsleiterin Stadtentwicklung der Stadt Cottbus, und Sunim Kim vom Meffis e. V. in Aachen. Der Austausch verdeutlichte, wie sehr das lokale Umfeld profitiert, wenn jungen Menschen im Rahmen gegenseitiger Wertschätzung und einer unterstützenden Verwaltung die notwendigen Freiräume und die Möglichkeit der Mitgestaltung gewährt werden. 2 Die Jahrestagung des DV zeigte, dass wir alle Generationen brauchen, um die Transformationsaufgaben in unseren Städten zu bewältigen und gab Impulse, wie dies gelingen kann. Hierbei sollten Dialog und Beteiligung keine einmaligen Ereignisse sein, sondern fortlaufende Prozesse. Folgerichtig wird der DV mit dem Start des neuen Formats „Generationendialog“ jungen Stadtmacher:innen und etablierten Wissensträger:innen eine Plattform bieten, um die Fragen rund um die Transformationsaufgaben in unseren Städten gemeinsam und mit ganzheitlichem Blick weiter zu erörtern. A Ansprechpartner Christian Huttenloher | c.huttenloher@deutscher-verband.org aktuell 2/2023 DV übernimmt Projektassistenz für „Meine Stadt der Zukunft“ Instrumente der Innenentwicklung im Querschnitt Ausgewählte Brandenburger Kommunen erhalten im Rahmen der Landesinitiative „Meine Stadt der Zukunft“ vom Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung des Landes Brandenburg (MIL) eine finanzielle Zuwendung für Modellvorhaben zu Zukunftsthemen einer nachhaltigen Stadtentwicklung im Kontext Klimawandel, Digitalisierung und Gemeinwohl. Nach Abschluss des ersten Umsetzungszeitraums wird die Landesinitiative nun bis 2025 fortgesetzt. Seit Juli 2023 unterstützt der DV das MIL u. a. bei der Durchführung des Wettbewerbs und wird die Kommunen mit Fachveranstaltungen und Austauschformaten begleiten. Im Auftrag von Bundesbauministerium und BBSR geht der DV im Rahmen eines ExWoSt-Forschungsprojektes gemeinsam mit empirica und Difu der Frage nach, inwieweit es einer Nachjustierung bestehender Instrumente des Baugesetzbuchs zur Innenentwicklung bedarf. Im Fokus steht die Aktivierung von mehreren Grundstücken in einem Handlungsraum im Rahmen der Innenentwicklung. Dafür prüft der DV den Bedarf der Einführung einer Innenentwicklungsmaßnahme. Ein kreatives Ökosystem für Offenbach am Main Vom Kaufhaus zur kulturell-kreativen Mixed-Use-Immobilie Wie kann im Zentrum der Stadt Offenbach ein kreatives Ökosystem entstehen, bei dem lokale Initiativen und vorhandene Räume gut ineinandergreifen und sich ergänzen? Darum ging es am 17. und 18. Juli 2023 bei der ersten Sitzung des Stadtlabors Offenbach am Main, mit dem der DV und Prof. Reiner Schmidt die Stadt und ihre Agentur Mitte im Rahmen der Vernetzungsinitiative „Gemeinsam für das Quartier“ auf ihrem Weg unterstützen. Im Rahmen der Vernetzungsinitiative „Gemeinsam für das Quartier“ beschäftigt sich der DV zusammen mit Prof. Reiner Schmidt u.a. mit der Nachnutzung von ehemaligen Handelsimmobilien in den deutschen Innenstädten. Im Fokus stehen dabei gemeinwesenorientierte Nutzungsmischungen mit starken soziokulturellen und kreativwirtschaftlichen Elementen und einer neuen Identität. Wie laufen Prozesse bei einer Umnutzung erfolgversprechend ab? Diese und weitere Fragen wurden bei einem Expert:innenworkshop am 13. Juni 2023 in Wolfsburg am Beispiel der „Digitalen Markthalle“ diskutiert. Eine weitere Fachveranstaltung folgt am 23. November 2023 im CORE Oldenburg. M https://www.netzwerk-quartier.de/ M https://www.netzwerk-quartier.de/ aktuell 2/2023 3 Urban-Netzwerk Wien: EU-Förderung für die Dekarbonisierung im Quartier 76. Netzwerktagung des Deutsch-Österreichischen URBAN-Netzwerkes in Wien Mit Blick auf eine erfolgreiche Energiewende etabliert sich die klimafreundliche Energieversorgung derzeit als Kernaufgabe von Kommunen und Ländern. Dies spiegelt sich auch in der Schwerpunktsetzung der aktuellen Förderperiode 20212027 der EU-Strukturfonds wider. Vor diesem Hintergrund stand die Dekarbonisierung des Quartiers im Zentrum der 76. Tagung des Deutsch-Österreichischen URBAN-Netzwerkes am 29. und 30. Juni 2023 in Wien. Neben Vertreter:innen deutscher und österreichischer Kommunen und der Länder waren auch Vertreter:innen der Bundesebene und der Europäischen Kommission dabei, um sich auszutauschen. Großwärmepumpe Simmering und Supergrätzel: Gute Beispiele aus Wien Ein Einblick in die Förderlandschaft des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) in Österreich 2021–2027 zeigte, dass die aktuelle Förderperiode wieder mehr Stadtentwicklungsvorhaben im Land unterstützt. Unterlegt wurde dies mit EFRE-geförderten Beispielen und Maßnahmen aus der gastgebenden Stadt Wien: So wurde in Simmering eine Großwärmepumpe etabliert. Mit den sogenannten Supergrätzel, dem Wiener Pendant zu den Superblocks in Barcelona, wird versucht, den Autoverkehr in Wohngebieten zu reduzieren, zugunsten des Fuß- und Radverkehrs. Bei einer Fachexkursion in das Wiener Stadtentwicklungsgebiet Sonnwendviertel erfuhren die Tagungsteilnehmenden, wie soziale und ökologische Aspekte der energetischen Sanierung baulich miteinander verbunden werden können. Die realen Chancen von kommunaler Wärmeplanung und integrierten Quartiersansätzen als zentrale Instrumente der Stadtentwicklung vertieften Fachimpulse der teilnehmenden Städte Bielefeld, Plauen und Berlin. Ferner stellte das Projektbeispiel der Klima-Pionierstadt Graz zusätzliche Anknüpfungspunkte zu lokalen und nationalen Bemühungen zur Erreichung der Klimaneutralität in Österreich im Jahr 2030 her. Erste Überlegungen zur EU-Förderperiode ab 2028 Beim Austausch zur EU-Förderperiode ab 2028 mit Leo Maier, Referatsleiter bei der GD REGIO in der EU-Kommission, ging es darum, wie sich Kohäsionspolitik und Transformationsprozesse in der Stadtentwicklung künftig besser verbinden lassen. Es stellte sich heraus: Herausfordernd ist die defizitäre Personalsituation in vielen Kommunen, die EU-Kohäsionspolitik sollte deshalb generell auf eine langfristige Krisenfestigkeit der Kommunen hinwirken. Zudem wurde hervorgehoben, dass das Ausfransen der EFREFörderlandschaft durch immer neue Ad-hoc-Programme in Deutschland wenig Resonanz findet. Maier sagte, dass die amtierenden EU-Kommissarin Ferreira auch nach 2028 die Förderung für alle Gebiete fortführen möchte. In diesem Kontext lud er das Deutsch-Österreichische URBAN-Netzwerk dazu ein, in einem Positionspapier die wichtigsten Anliegen zusammenzufassen, damit diese von der EU-Kommission mitberücksichtigt werden können. A Ansprechpartner:innen Linn Sophie Tramm | l.tramm@deutscher-verband.org Jonas Scholze | j.scholze@deutscher-verband.org Exkursion in das Wiener Stadtentwicklungsgebiet Sonnwendviertel | © Kübra Türkyilmaz, Stadt Wien 4 aktuell 2/2023 Bundesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ Erste Forschungsergebnisse aus dem Bundesprogramm „Zukunftsfähige Städte und Zentren“ Gemeinsam mit empirica, der BTU Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg und der DSK Deutsche Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft begleitet der DV im Auftrag des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen und des BBSR das Bundesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren”. Es fördert Städte und Gemeinden bei der (Weiter-)Entwicklung von Konzepten und Handlungsstrategien sowie der Entwicklung und Umsetzung von Einzelmaßnahmen. Das Programm möchte positive Veränderungen sichtbar machen und legt seinen Fokus deshalb auf die Umsetzung von Maßnahmen. Gleichzeitig besteht ein Forschungsinteresse an den innovativen Herangehensweisen und den Kooperationsmodellen der Kommunen. Die Begleitagentur unterstützt die Städte bei der Umsetzung und übernimmt die Begleitforschung. Erste Ergebnisse konnte die Begleitagentur bei Netzwerktreffen in Cottbus und Bremen im Frühling und Frühsommer 2023 vorstellen. Großteil der Programmkommunen sind Mittelstädte Ziel des Bundesprogramms ist es, Kommunen bei der Bewältigung akuter und struktureller Problemlagen in den Innenstädten, Stadt- und Ortsteilzentren zu unterstützen, indem diese als Identifikationsorte zu multifunktionalen, resilienten und kooperativen Orten (weiter)entwickelt werden. Insgesamt stehen 250 Millionen Euro für die Programmbegleitung und die Vorhaben von rund 230 Kommunen bis 2025 zur Verfügung. Die meisten geförderten Kommunen liegen in Baden-Württemberg, in Nordrhein-Westfalen und in Sachsen. Fast die Hälfte sind hierbei Mittelstädte. Die Auswertung der Programmziele zeigte zudem, dass Frequenz- und Attraktivitätssteigerung die wichtigsten Ziele der Programmkommunen sind. Auch das Themenspektrum ist vielfältig. Es reicht von Arbeiten, Wohnen, Bildung, Freizeit und Soziales über Städtebau, Freiraum und Grün bis hin zu Digitalisierung. Zudem beschäftigen sich viele Kommunen mit Strategieentwicklung, Beteiligungsformaten und Kooperationen. Weit verbreitet: Innenstadtmarketing und Öffentlichkeitsarbeit In insgesamt acht Fördergegenständen können Maßnahmen finanziert werden. Besonders häufig werden Maßnahmen umgesetzt, die auf die Erarbeitung von innovativen Konzepten und Handlungsstrategien sowie von Machbarkeitsstudien und Gutachten abzielen. Weit verbreitet sind zudem Aktivitäten im Bereich des Innenstadtmarketings und der Öffentlichkeitsarbeit sowie Maßnahmen, die die unterschiedlichen Anforderungen und Potenziale relevanter Akteure zur Entwicklung der Innenstädte zusammenzuführen und moderieren sollen. Das Bundesprogramm ist primär als konzeptionelles Programm konzipiert. Um auch sichtbare Ergebnisse zu produzieren, planen viele Kommunen die Umsetzung geringfügiger baulich-investiver Maßnahmen. A Ansprechpartnerinnen Marie Preuß | m.preuss@deutscher-verband.org Kathrin Senner | k.senner@deutscher-verband.org Austausch der Kommunen in der Region Nord bei der Regionalveranstaltung im Juni 2023 in Bremen | © Offenblende, Franz Bischof aktuell 2/2023 5 Territoriale Agenda 2030 Sicherung von Daseinsvorsorge im ländlichen Raum Abschlusskonferenz der von Deutschland geleiteten Pilotaktion zur Umsetzung der Territorialen Agenda 2030 Wie gelingt es, Daseinsvorsorge und Lebensqualität in ländlichen und abgelegenen Regionen der EU zu sichern? Das stand im Mittelpunkt der Online-Konferenz „Zukunftsperspektiven für strukturschwache Räume“ (englisch: A Future for Lagging Regions) am 6. Juni 2023, die der DV im Auftrag des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) und des Bundesinstituts für Bau-, Stadt-, und Raumforschung (BBSR) organisiert hat. Die Veranstaltung markierte den Abschluss einer gleichnamigen, von Deutschland geleiteten Pilotaktion der Territorialen Agenda 2030 (TA2030). Es nahmen über 200 Personen aus Regierungsinstitutionen, Wissenschaft, Verwaltung und Politik aus verschiedenen europäischen Mitgliedstaaten teil. Die 2020 unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft verabschiedete TA 2030 formuliert unter dem Titel „Eine Zukunft für alle Orte“ Leitlinien für eine gleichwertige Raumordnungspolitik in der EU. Zur Umsetzung des Dokuments wurden sechs thematische Pilotaktionen ins Leben gerufen, um einzelne Aspekte der TA2030 in der Praxis umzusetzen und deren Sichtbarkeit auf lokaler Ebene zu erhöhen. Erfolgsmodell lokale Verantwortungsgemeinschaften Im Rahmen der von Deutschland geleiteten Pilotaktion „Zukunftsperspektiven für strukturschwache Räume“, die der DV für das Bundesbauministerium koordinierte, entwickelten sechs Modellregionen in Deutschland, Frankreich, Portugal und Österreich innovative Lösungen zur Sicherung der Daseinsvorsorge, unter anderem in den Bereichen Mobilität, Digitalisierung und Gesundheit. Es zeigte sich bei der Veranstaltung, dass informelle Maßnahmen zur Bildung gut vernetzter lokaler Verantwortungsgemeinschaften besonders erfolgversprechend sind, da diese häufig innovative Strategien zur Daseinsversorge entwickeln. Gerade im Bereich der Digitalisierung besteht hier großer Nachholbedarf. Ohne kluge Konzepte kann die Anwendung digitaler Werkzeuge für die ländliche Entwicklung schnell ins Leere laufen. Auch die Raumordnung braucht dringen digitale Leitbilder, um kleinteilige Insellösungen zu vermeiden. Ebenso müssen Planungsinstrumente an die digitale Realität angepasst werden, etwa wenn es darum geht, zentrale Dienste in der Gesundheitsversorgung ortsunabhängig anzubieten. 6 Ländlicher Raum | © Cocoparisienne, pixabay.com Starkes Bekenntnis zur Raumentwicklung notwendig Die Konferenz gab auch einen Überblick über die Ergebnisse der anderen europäischen Pilotaktionen unter der Leitung von Luxemburg, Polen, Portugal, Norwegen und der Schweiz. Diese griffen weitere Aspekte der Territorialen Agenda auf, etwa räumliche Folgenabschätzung, grenzüberschreitende Leitbildentwicklung oder die Bedeutung von kleineren Orten und Gemeinden für die Regionalentwicklung. Es wurde deutlich, dass die Pilotaktionen ein erfolgreicher erster Schritt zur praktischen Umsetzung der TA2030 waren. Durch die Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren konnten praktische Ansätze erprobt werden. Für eine langfristige Wirkung ist allerdings ist ein starkes Bekenntnis zur Raumentwicklung von EU-Kommission und Mitgliedstaaten notwendig. Zudem sollten die Potenziale der TA2030 künftig breiter kommuniziert werden, um ihre Reichweite und Wirkung zu erhöhen. Deutschland plant bereits die Aufstellung einer neuen Pilotkation zur Stärkung der regionalen Kreislaufwirtschaft. A Ansprechpartner:innen Caro Antonia Wulf | c.wulf@deutscher-verband.org Jonas Scholze | j.scholze@deutscher-verband.org i Information Aktuelle Informationen zur Pilotaktion und den bisher erschienenen Online-Publikationen: M https://territorialagenda.eu/pilot-actions/a-future-forlagging-regions/ aktuell 2/2023 Gemeinsam für das Quartier Kulturorte in der Stadtentwicklung: Neue Formate und Netzwerke Impulslabor Regensburg im Rahmen von „Gemeinsam für das Quartier“ Neue Kulturorte können zu Ausgangspunkten für aktivierende Stadtentwicklung werden: für lebendige Orts- und Stadtmitten, für Wohnquartiere sowie für Stadterweiterungen im Rahmen von Neubau, Nachverdichtung und Konversion. Deswegen beschäftigte sich die Vernetzungsinitiative „Gemeinsam für das Quartier“ in einem Impulslabor in Regensburg mit dieser Thematik am 26. April 2023. Eingeladen hatten Stephanie Reiterer von bauwärts und dem Bayerischen Landesverband Kultur- und Kreativwirtschaft (BLVKK) und Maria Lang vom Kulturamt Regensburg. Deutlich wurde: Solche neuen Kulturorte lassen sich nicht einfach „installieren“. Sie können von lokalen Akteuren ins Leben gerufen werden oder im Zusammenspiel von Top-down- und Bottom-up-Prozessen entstehen. Diese kreativen Orte und Netzwerke müssen dann in eigendynamischen Prozessen weiter wachsen können. Was macht „neue Kulturorte“ aus, wie können die Prozesse auf dem Weg zu solchen Orten und Netzwerken gemeinwesenorientiert gestaltet werden? Das wurde im Impulslabor gemeinsam mit weiteren Initiativen aus ganz Deutschland diskutiert. M26: Ein Kulturort für alle Als Impuls für die Veranstaltung diente das M26, ein neuer Kulturort in einer einstigen Apotheke in einer ehemaligen Regensburger Prachtstraße, die das Einfallstor vom Bahnhof in die Stadt bildet. Die Räume sind im Besitz des Kulturamtes, das sie den örtlichen Kulturschaffenden für ein Jahr zur Verfügung stellt. Seit Januar 2023 bespielt ein Netzwerk aus der Regensburger Kunst- und Kulturszene sowie der Soziokultur das M26 in einer Zwischennutzung. In der Aktivierungsphase gestaltete das Kulturamt die Nutzungen eher „von oben“. Danach wurde die Koordination des Raums zu einem „Kulturort für alle“ ausgeschrieben. Das Büro bauwärts überzeugte dabei durch die angedachte Mischung und ganztägige Nutzung. So veranstalten nun Kulturschaffende und Künstler:innen Ausstellungen, Lesungen, Führungen, Theater- oder Siebdruck-Workshops. Außerdem werden kostenfreie Atelierplätze vergeben, für die man sich im Gegenzug für den Ort engagieren soll. Das Programm ist offen – Ziel ist eine schrittweise, erprobende Entwicklung des Profils vom M26 im Zusammenwirken mit Vertreter:innen unterschiedlicher Zielgruppen. Wie sind neue Kulturorte erfolgreich? Bei dem Austausch zogen die Moderator:innen von „Gemeinsam für das Quartier“ verschiedene Schlussfolgerungen: Zum einen wurde deutlich, dass es offener Räume verbunden mit einem aktivierenden Community-Management bedarf, um kreative und kulturelle Potenziale zur Entfaltung zu bringen. Zum anderen zeigte sich, dass Kultur und Kreativwirtschaft, Entfaltung und Empowerment, Engagementund Gründerförderung im besten Fall zusammengedacht werden sollten. Denn kulturelle Orte und kreativwirtschaftliche Orte ergänzen sich. Daneben sind neue Kulturorte immer auch Motor aktivierender Stadt- und Quartiersentwicklung. Schnittstellen zum Quartiers- und Zentrenmanagement sollten gewinnbringend entwickelt werden. Wenn es um die Entwicklung neuer Kulturorte und Netzwerke geht, waren sich die Teilnehmenden einig, dass diese am besten explorativ erfolgt. Eine Kuratierung kann dabei Reflexionsprozesse für geeignete Wege zu einer eigendynamischen, gemeinwesenorientierten Quartiersentwicklung befördern. Verwaltungsseitig arbeiten die Bereiche „Kultur“, „Kreativwirtschaft“ und „Stadtentwicklung“ im Idealfall zusammen. Kulturelle Orte und Netzwerke sind konstituierende Instrumente dieser Strategien sowie Partner in lokalen Verantwortungsgemeinschaften. A Ansprechpartnerinnen Lilian Krischer | l.krischer@deutscher-verband.org Heike Mages | h.mages@deutscher-verband.org Kulturkiosk Regensburg | © Florian Hammerich, bauwärts aktuell 2/2023 7 In eigener Sache Annett Jura in DV-Vorstand gewählt | Zwei neue Verbandsräte Der Verbandsrat des DV hat in seiner Sitzung am 21. Juni 2023 in Berlin Annett Jura zum Vorstandsmitglied gewählt. Sie ist Leiterin der Abteilung Wohnungswesen und Immobilienwirtschaft beim Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Bevor sie 2022 ins Ministerium wechselte, war Jura seit sieben Jahre lang Bürgermeisterin der brandenburgischen Stadt Perleberg. Bei der Mitgliederversammlung des DV, die einen Tag später im Rahmen der Jahrestagung am 22. Juni 2023 stattfand, wurden zudem im Rahmen einer Ergänzungswahl zwei neue Verbandsräte für vier Jahre ins Amt gewählt: Andreas Koschowski, Fachbereichsleiter Wohnen bei der Deutschen Kreditbank DKB AG und Dr. Christian Jaeger, Mitglied des Vorstandes der Gewoba AG. Wir begrüßen Frau Jura, Herrn Koschwoski und Herrn Dr. Jaeger in unseren Gremien und freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit! Neue Mitglieder Paul Vieweg SGH Städtische gemeinnützige Heimstätten-Gesellschaft, vertreten durch Prof. Dr. Alcay Kamis (Geschäftsführer) Wir heißen unsere neuen Mitglieder herzlich willkommen und wünschen eine gute Zusammenarbeit! 8 IMPRESSUM: Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e. V. | Littenstraße 10 | 10179 Berlin Tel. +49 (0)30 20613250 | Fax +49 (0)30 20613251 | info@deutscher-verband.org | www.deutscher-verband.org
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