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Kommunalfinanzbericht

Full text: Jahresbericht (Rights reserved) Ausgabe 2016,1 Kommunalfinanzbericht (Rights reserved)

Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern Jahresbericht 2016 Teil 1 - Kommunalfinanzbericht 2016 Vorwort der Präsidentin des Landesrechnungshofes Der Landesrechnungshof legt seinen Kommunalfinanzbericht 2016 in Zeiten einer guten konjunkturellen Lage vor. Diese spiegelt sich auch in den finanzwirtschaftlichen Zahlen der Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern und deren Entwicklung wider. Das Jahr 2015 schloss die kommunale Ebene insgesamt mit einem Überschuss ab. Dieser Überschuss verteilt sich jedoch nicht gleichmäßig auf die Kommunen des Landes. Vielmehr gibt es große Unterschiede zwischen den Kommunen, von denen ein Teil auch erhebliche Defizite aufweist. Um die vorhandenen Verteilungsprobleme in den Griff zu bekommen, soll die Mittelverteilung innerhalb der kommunalen Ebene in Mecklenburg-Vorpommern neu gestaltet werden. Es ist geplant, die Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs bis zum 01.01.2018 abzuschließen. Bereits jetzt ist klar, dass dies nur durch ein weitgehend einvernehmliches Gesetzgebungsverfahren gelingen kann. Grundlage für die Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs sollten ursprünglich auch doppische Haushaltsdaten sein. Diese konnten – anders als geplant – jedoch nicht zugrunde gelegt werden, weil sie im Land noch immer nicht flächendeckend vorliegen. Auch fast fünf Jahre nach Einführung der Doppik gibt es weiterhin erhebliche Schwierigkeiten mit deren Umsetzung. Hier müssen Land und Kommunen Hand in Hand agieren und entsprechende Maßnahmen ergreifen, um die Rückstände bei den festgestellten Eröffnungsbilanzen und Jahresabschlüssen so schnell wie möglich abzubauen, weil eine solide Haushaltspolitik nur auf der Basis belastbarer Zahlen möglich ist. Um die finanzielle Situation der Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern künftig positiv zu beeinflussen, müssen die Akteure der kommunalen Ebene und des Landes an einem Strang ziehen. Das Land ist gefordert, ein Gesamtkonzept für die Kommunen zu entwickeln. Dazu gehört beispielsweise, einen Rahmen für funktionsfähige Kommunalstrukturen zu erarbeiten, die Aufgabenverteilung zwischen Land und kommunaler Ebene zu überprüfen sowie die Fachund Rechtsaufsicht konsequent wahrzunehmen. Kommunale Daueraufgabe bleibt es demgegenüber, das Verwaltungshandeln effizienter zu gestalten und Steuerungsdefizite abzubauen. Wenn es Land und Kommunen nicht gelingt die strukturellen Probleme in Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam und nachhaltig zu lösen, werden viele der bereits eingeleiteten Maßnahmen und auch ein neugestalteter kommunaler Finanzausgleich die intendierten Wirkungen nur eingeschränkt erzielen. I Der Kommunalfinanzbericht wäre ohne die zugrundeliegenden Prüfungen, die sorgfältige Erarbeitung der Analysen und der Jahresberichtsbeiträge sowie das Zusammenwirken mit den geprüften Stellen und dem Parlament so nicht zustande gekommen. Ich möchte mich deshalb bei allen Mitwirkenden im Land, bei Kommunen und Verbänden herzlich für die Unterstützung bedanken. Mein besonderer Dank gilt aber vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landesrechnungshofes für ihren engagierten und sorgfältigen Einsatz in einem weiteren Arbeitsjahr. Schwerin, Februar 2017 Dr. Martina Johannsen II Inhaltsverzeichnis I. II. Einleitung.........................................................................................................................1 1 Rechtliche Rahmenbedingungen der Kommunalprüfung........................................1 2 Vorbemerkungen......................................................................................................3 Allgemeiner Teil...............................................................................................................7 1 Strukturelle Rahmenbedingungen in Mecklenburg-Vorpommern...........................7 2 Lage der kommunalen Finanzwirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns..................14 3 Die kommunale Finanzwirtschaft im Vergleich.....................................................26 4 Kommunale Verschuldung.....................................................................................42 III. Aktuelle Themen............................................................................................................47 IV. 1 Schuldenmanagement im kommunalen Bereich....................................................47 2 Kommunale Abwasserwirtschaft............................................................................56 3 Fonds und Sonderhilfen des Landes für Kommunen.............................................75 4 Umsetzung des NKHR M-V und aktuelle Entwicklungen....................................92 Überörtliche Prüfungen..............................................................................................103 1 Planung und Umsetzung der Erhaltung kommunaler Ingenieurbauwerke (Landkreis Vorpommern-Greifswald)..................................................................103 2 Nachschauprüfung der Organisation der überörtlichen Kommunalprüfung im kreisangehörigen Raum........................................................................................115 3 V. Kommunale Pflegeplanung..................................................................................134 Prüfung kommunaler Beteiligungen..........................................................................139 1 Geschäftliche Beziehungen zwischen kommunalen Wirtschaftsbetrieben und kommunalen Amts- und Mandatsträgern.............................................................139 2 Geschäftliche Beziehungen zwischen kommunalen Wirtschaftsbetrieben und Mitgliedern von Überwachungs- und Kontrollorganen.......................................143 3 Gliederung von kommunalen Eigenbetrieben in Bereiche...................................152 4 Verpflichtung zur Durchführung der Jahresabschlussprüfung nach den Vorschriften des Kommunalprüfungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern.........155 VI. Ergebnisberichte zur Umsetzung von Landtagsentschließungen durch die entsprechenden Ressorts.............................................................................................161 1 Entschließungen zum Kommunalfinanzbericht 2014..........................................161 2 Entschließungen zum Kommunalfinanzbericht 2015..........................................166 III Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen im Ländervergleich, 2015, in Euro je Erwerbstätigen....................................................................................8 Abbildung 2: Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen im Ländervergleich, 2015, in Euro je Einwohner..........................................................................................8 Abbildung 3: Bevölkerung in den kreisfreien Städten und Landkreisen in MecklenburgVorpommern, 2014, 2015 und 2030 (Prognose), in Einwohner..........................9 Abbildung 4: Bevölkerungsentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern, 1991-2030, in Mio. Einwohner............................................................................................10 Abbildung 5: Arbeitslosenquote im Flächenländervergleich, 2010 und 2015, in %...............11 Abbildung 6: SGB II-Quote im Flächenländervergleich, 2010 und 2015, in %.....................12 Abbildung 7: Bedarfsgemeinschaften je 1.000 Privathaushalte im Flächenländervergleich, 2010 und 2015, Jahresdurchschnitt...................................................................13 Abbildung 8: Bereinigte Einnahmen und Ausgaben sowie Finanzierungssaldo der Gemeinden/Gemeindeverbände, in Mecklenburg-Vorpommern, 2005-2015, in Mio. Euro......................................................................................................14 Abbildung 9: Veränderungen wesentlicher Einnahmepositionen im Vergleich 2015 zum Vorjahr, in Mio. Euro........................................................................................18 Abbildung 10: Veränderungen wesentlicher Ausgabepositionen im Vergleich 2015 zum Vorjahr, in Mio. Euro........................................................................................19 Abbildung 11: Entwicklung des durchschnittlichen Dreimonats-Euribor, Januar 1999November 2016, in % p.a..................................................................................20 Abbildung 12: Zinsausgaben der Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns, 1999-2015, in Mio. Euro......................................................................................................21 Abbildung 13: Finanzierungssaldo der kreisangehörigen Städte und Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern nach Größenklassen, 2015, in Euro je Einwohner.........................................................................................................22 Abbildung 14: Finanzierungssaldo der kommunalen Gebietskörperschaften in Mecklenburg-Vorpommern, 2012-2015, in Euro je Einwohner........................23 V Abbildung 15: Finanzierungssalden der Körperschaften des öffentlichen Gesamthaushaltes, 2014-2015, in Mrd. Euro....................................................27 Abbildung 16: Finanzierungssalden der Gemeinden/Gemeindeverbände im Ländervergleich, 2000-2015, in Euro je Einwohner.........................................28 Abbildung 17: Zuweisungen und Zuwendungen des Landes Mecklenburg-Vorpommern insgesamt an die Kommunen, 2008-2015, in Mio. Euro..................................31 Abbildung 18: Gewogene Realsteuer-Durchschnittshebesätze der Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns, 2000-2015, in v. H..............................................35 Abbildung 19: Streuung der gewogenen Hebesätze der Gewerbesteuer im Ländervergleich, 2015, in v. H..........................................................................36 Abbildung 20: Struktur der konsolidierten Ausgaben für Soziale Sicherung im Ländervergleich, 2011, in Euro je Einwohner...................................................38 Abbildung 21: Kassenkredite beim nicht-öffentlichen und öffentlichen Bereich der Gemeinden/Gemeindeverbände Mecklenburg-Vorpommerns, 2010-2015, in Mio. Euro......................................................................................................45 Abbildung 22: Kommunen mit den höchsten Kassenkreditschulden in MecklenburgVorpommern, 31.12.2015, in Mio. Euro...........................................................46 Abbildung 23: Schuldenstand der Kern- und Eigenbetriebe der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte sowie der Landkreise insgesamt, 31.12.2015, in Euro je Einwohner........................................................................................47 Abbildung 24: Ablaufdiagramm der systematischen Straßenunterhaltung (Bauwerksmanagementsystem).......................................................................107 Abbildung 25: Vergleich der bundesweit ermittelten Kosten und der von den beauftragten Ingenieurbüros beim Landkreis Vorpommern-Greifswald abgerechneten Kosten für Hautprüfungen der Jahre 2012 bis 2014.......................................112 Abbildung 26: Brücke bei Pritzwald: Geschwindigkeitsbegrenzung und Fahrbahneinengung anstatt bereits seit 1994 wiederholt als notwendig erachteter Achslastbeschränkung....................................................................115 VI Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Veränderung des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts im Ländervergleich, 2011-2015, in %.......................................................................................................7 Tabelle 2: Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden/Gemeindeverbände in MecklenburgVorpommern, 2011-2015, in Mio. Euro.................................................................16 Tabelle 3: Finanzierungssalden der Landkreise (Kreisverwaltungen) und kreisfreien Städte, 2015, in Euro je Einwohner.......................................................................23 Tabelle 4: Salden der laufenden Rechnung der kommunalen Gebietskörperschaftsebenen Mecklenburg-Vorpommerns, 2011-2015, in Euro je Einwohner...........................24 Tabelle 5: Ausgaben der Kapitalrechnung der kommunalen Gebietskörperschaftsebenen Mecklenburg-Vorpommerns, 2011-2015, in Euro je Einwohner...........................25 Tabelle 6: Einnahmen der Gemeinden/Gemeindeverbände im Ländervergleich, 2015, in Euro je Einwohner.............................................................................................29 Tabelle 7: Gewogene Durchschnitte der Hebesätze der kommunalen Realsteuern im Vergleich der Flächenländer, 2015.........................................................................33 Tabelle 8: Ausgaben der Gemeinden/Gemeindeverbände im Ländervergleich, 2015, in Euro je Einwohner.............................................................................................37 Tabelle 9: Schuldenstand der Gemeinden/Gemeindeverbände im Ländervergleich, 31.12.2015, in Euro je Einwohner.........................................................................43 Tabelle 10: Bevölkerungsprognose in Mecklenburg-Vorpommern (Landkreise).....................60 Tabelle 11: Kennzahlen ausgewählter Unternehmen mit prognostizierter schwieriger wirtschaftlicher Lage.............................................................................................71 Tabelle 12: Kennzahlen ausgewählter Unternehmen mit möglichen zukünftigen Schwierigkeiten.....................................................................................................72 Tabelle 13: Bearbeitungsstand der Eröffnungsbilanzen im kreisangehörigen Raum................95 Tabelle 14: Festgestellte Jahresabschlüsse in den Landkreisen, kreisfreien Städten und großen kreisangehörigen Städten...........................................................................96 Tabelle 15: Gegenüberstellung des vom Landesrechnungshof ermittelten Finanzbedarfs und der vom Landkreis Vorpommern-Greifswald geplanten Haushaltsmittel zur Erhaltung der Bauwerke, in Euro...................................................................110 VII Tabelle 16: Beispiele unzureichender bzw. unterlassener Bauwerksunterhaltung..................114 Tabelle 17: Erreichen des Prüfturnus (2016)...........................................................................119 Tabelle 18: Personalbedarfe für die überörtliche Prüfung 2009, 2014 und 2016, in VZÄ.....124 Tabelle 19: Personalbedarf, Stellen und Ist-Besetzung für die überörtliche Prüfung 2009, 2014 und 2016, in VZÄ................................................................................................124 Tabelle 20: Ausgewählte wahrgenommene Aufgaben der RPÄ..............................................127 Tabelle 21: Verwendung der Mittel 2013 und 2014, Mittelanforderungen 2015, in Euro......137 Tabelle 22: Auftragsvolumen für die Mandatsträger der Stadt, 2010-Juni 2015, in Euro.......143 VIII Abkürzungsverzeichnis a. F. alte Fassung AG-SGB II M-V Landesausführungsgesetz SGB II Mecklenburg-Vorpommern AG-SGB XII M-V Landesausführungsgesetz SGB XII Mecklenburg-Vorpommern AK VGR Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder AmtBl. M-V Amtsblatt Mecklenburg-Vorpommern ASB-ING Anweisung Straßeninformationsbank für Ingenieurbauten AsylbLG Asylbewerberleistungsgesetz BA Bundesagentur für Arbeit BGBl. Bundesgesetzblatt BHO Bundeshaushaltsordnung DA Dienstanweisung Drs. Drucksache EigVOVV M-V Eigenbetriebsverordnung Mecklenburg-Vorpommern EPSAS European Public Sector Accounting Standard ESVG Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen EURIBOR Euro Interbank Offered Rate EW Einwohner FAG M-V Finanzausgleichsgesetz Mecklenburg-Vorpommern FEU Öffentliche Fonds, Einrichtungen und Unternehmen FISA Fachinformationssystem für Straßenausstattung FöRi Förderrichtlinie GEinkStVO M-V Landesverordnung über die Aufteilung und Auszahlung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer und die Abführung der Gewerbesteuerumlage GemHVO-Doppik M-V Gemeindehaushaltsverordnung – Doppik Mecklenburg-Vorpommern GFK Vierteljährliche Kassenstatistik der Gemeinden und Gemeindeverbände des Statistischen Bundesamtes (Gemeinde Finanzen Kassen) GoBD Grundsätze zur ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff GPA, GPÄ Gemeindeprüfungsamt, Gemeindeprüfungsämter GVOBl. M-V Gesetz- und Verordnungsblatt Mecklenburg-Vorpommern HGr Hauptgruppe HGrG Haushaltsgrundsätzegesetz HKR Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen IFRS International Financial Reporting Standards IPSAS International Public Sector Accounting Standards KabwVO M-V Kommunalabwasserverordnung Mecklenburg-Vorpommern KAFG M-V Kommunales Ausgleichsfondsgesetz Mecklenburg-Vorpommern KAG M-V Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern KdU Kosten der Unterkunft und Heizung KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau KGSt Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement IX KHKFondsVO M-V Kommunale Haushaltskonsolidierungsfondsverordnung KLR Kosten- und Leistungsrechnung KomDoppikEG M-V Kommunal-Doppik-Einführungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern KPG M-V Kommunalprüfungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern KV M-V Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern LEP M-V Landesraumentwicklungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern LHO Landeshaushaltsordnung Mecklenburg-Vorpommern lit. lat. littera (= Buchstabe) LNOG M-V Landkreisneuordnungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern Max. Maximum Min. Minimum LPflegeG M-V Landespflegegesetz Mecklenburg-Vorpommern NKHR M-V Neues Kommunales Haushalts und Rechnungswesen Mecklenburg-Vorpommern OGr Obergruppe ÖÖP Öffentlich-öffentliche Partnerschaft ÖPP Öffentlich-private Partnerschaft RI-EBW-PRÜF Richtlinie zur einheitlichen Erfassung, Bewertung, Auszeichnung und Auswertung von Ergebnissen der Bauwerksprüfung nach DIN 1076 RI-ERH-ING Richtlinien für die Erhaltung von Ingenieurbauwerken RPA, RPÄ Rechnungsprüfungsamt, Rechnungsprüfungsämter SGB II Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende SGB III Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung SGB VIII Sozialgesetzbuch Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe SGB XII Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe SoBEZ Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen StrWG-MV Straßen- und Wegegesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern Tz./Tzn. Textziffer(n) Verf. M-V Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern VgG M-V Vergabegesetz Mecklenburg-Vorpommern VgV Vergabeverordnung VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen VOL/A Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen Teil A VOL/B Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen Teil B VOL/C Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen Teil C VV Verwaltungsvorschrift VwVfG M-V Landesverwaltungsverfahrensgesetz Mecklenburg-Vorpommern VZÄ Vollzeitäquivalent WoGG Wohngeldgesetz ZDL Zentrale Datenstelle der Landesfinanzminister X Länderbezeichnungen BB Brandenburg BW Baden-Württemberg BY Bayern HE Hessen MV Mecklenburg-Vorpommern NI Niedersachsen NW Nordrhein-Westfalen RP Rheinland-Pfalz SH Schleswig-Holstein SL Saarland SN Sachsen ST Sachsen-Anhalt TH Thüringen FO Durchschnitt der Flächenländer Ost ohne MV (BB, SN, ST und TH) FFW Durchschnitt der finanzschwachen Flächenländer West (NI, RP, SL und SH) D Deutschland Bezeichnungen der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte sowie der Altlandkreise HGW Universitäts- und Hansestadt Greifswald NB Neubrandenburg HRO Hansestadt Rostock LH SN Landeshauptstadt Schwerin HST Hansestadt Stralsund HWI Hansestadt Wismar DBR Landkreis Bad Doberan DM Landkreis Demmin GÜ Landkreis Güstrow LWL Landkreis Ludwigslust MST Landkreis Mecklenburg-Strelitz MÜR Landkreis Müritz NVP Landkreis Nordvorpommern NWM Landkreis Nordwestmecklenburg OVP Landkreis Ostvorpommern PCH Landkreis Parchim RÜG Landkreis Rügen UER Landkreis Uecker-Randow XI Bezeichnungen der Landkreise NWM Landkreis Nordwestmecklenburg LUP Landkreis Ludwigslust-Parchim LRO Landkreis Rostock VR Landkreis Vorpommern-Rügen MSE Landkreis Mecklenburgische Seenplatte VG Landkreis Vorpommern-Greifswald XII I. Einleitung 1 Rechtliche Rahmenbedingungen der Kommunalprüfung (1) Nach Art. 68 Abs. 3 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Verf. M-V) überwacht der Landesrechnungshof die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes. Er untersucht hierbei die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Verwaltung. Er ist auch zuständig, soweit Stellen außerhalb der Landesverwaltung und Private Landesmittel erhalten oder Landesvermögen verwalten. (2) Der Landesrechnungshof überwacht nach Art. 68 Abs. 4 Verf. M-V zudem die Haus- halts- und Wirtschaftsführung der kommunalen Körperschaften und der übrigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes unterstehen. Nach §§ 4 ff. Kommunalprüfungsgesetz (KPG M-V) ist der Landesrechnungshof für die überörtliche Prüfung der kommunalen Körperschaften verantwortlich, die der unmittelbaren Rechtsaufsicht des Landes unterliegen. Dies sind die kreisfreien und großen kreisangehörige Städte sowie die Landkreise in Mecklenburg-Vorpommern. Bei der überörtlichen Prüfung wird insbesondere festgestellt, ob • die Haushalts- und Wirtschaftsführung sowie die sonstige Verwaltungstätigkeit der kommunalen Körperschaft und ihrer Sondervermögen den Rechtsvorschriften und den Weisungen der Aufsichtsbehörden entsprechen (Ordnungsprüfung), • die Kassengeschäfte ordnungsgemäß geführt werden (Kassenprüfung), • die Verwaltung der kommunalen Körperschaft oder ihre Sondervermögen sachgerecht und wirtschaftlich geführt wird (Organisations- und Wirtschaftlichkeitsprüfung). Im Übrigen ist der Landrat gemäß § 6 KPG M-V für die überörtliche Prüfung der kommunalen Körperschaften zuständig, für deren Rechtsaufsicht er verantwortlich ist. (3) Der Landesrechnungshof kann darüber hinaus Querschnittsprüfungen im Benehmen mit dem Ministerium für Inneres und Europa1 auch bei anderen kommunalen Körperschaften durchführen. Bei der Querschnittsprüfung werden vergleichende Prüfungen mehrerer kommunaler Körperschaften zu einem Aufgabenbereich oder sachlichen Schwerpunkten vorgenommen. 1 Im Folgenden Innenministerium genannt. 1 (4) Der Umgang mit den Prüfungsergebnissen obliegt letztlich den kommunalen Körper- schaften. Sie können zudem als Grundlage für Entscheidungen der Kommunalaufsicht dienen. Auf der Basis der Prüfungsergebnisse sollen Korrekturnotwendigkeiten der bisherigen Verwaltungspraxis und Erfolg versprechende Gestaltungsmöglichkeiten für die künftige Haushaltsund Wirtschaftsführung aufgezeigt werden. (5) Aufgrund seiner breit gefächerten Aufgaben und begrenzten Personalressourcen muss der Landesrechnungshof bei der Auswahl seiner Prüfungsvorhaben Prioritäten setzen. Bei der Entscheidung über die Prüfungsplanung stützt sich der Landesrechnungshof auf alle ihm zugänglichen Informationen. Er bezieht im Kommunalbereich auch die allgemeine Haushaltslage der Kommunen in seine Überlegungen ein. Dazu wird die amtliche Statistik ausgewertet. (6) Der jährliche Kommunalfinanzbericht, der ein Teil des Jahresberichts an den Landtag ist (§ 97 Landeshaushaltsordnung Mecklenburg-Vorpommern [LHO]), wird deshalb mit einer Darstellung des aktuellen Standes der kommunalen Finanzwirtschaft und deren Entwicklung sowie der Auswertung wesentlicher Änderungen eingeleitet (Abschnitt II). Darüber hinaus nimmt der Landesrechnungshof zu aktuellen Themen Stellung (Abschnitt III). (7) Neben dem zuvor skizzierten allgemeinen Teil des Kommunalfinanzberichts werden im Besonderen die Ergebnisse der überörtlichen Prüfungen vorgestellt (Abschnitt IV). Außerdem enthält der Kommunalfinanzbericht Berichte bezüglich der Prüfungen kommunaler Beteiligungen (Abschnitt V) und Ergebnisberichte zur Umsetzung von Landtagsentschließungen durch die entsprechenden Ressorts (Abschnitt VI). (8) Das Innenministerium als oberste Rechtsaufsicht, das Finanzministerium, das Ministe- rium für Soziales, Integration und Gleichstellung2 und die kommunalen Körperschaften – soweit betroffen – sind zum Entwurf des Kommunalfinanzberichts angehört worden. Gleichzeitig haben die Geschäftsstellen der kommunalen Landesverbände den Entwurf des Berichts zur Kenntnis erhalten. Ihre Hinweise wurden im vorliegenden Bericht bzw. werden bei der Erstellung künftiger Kommunalfinanzberichte berücksichtigt. 2 2 Im Folgenden Sozialministerium genannt. 2 Vorbemerkungen (9) Der nachfolgende Abschnitt II beruht in erster Linie auf der amtlichen vierteljährlichen Kassenstatistik. Der Landesrechnungshof verwendet wie in den Vorjahren sowohl die Kassenstatistik des Statistischen Bundesamtes „Vierteljährliche Kassenergebnisse des Öffentlichen Gesamthaushalts – Fachserie 14 Reihe 2 – 1.-4. Vierteljahr 2015“ (GFK) als auch die Veröffentlichung „Gemeindefinanzen (Vierteljahresstatistik) in Mecklenburg-Vorpommern 1.1.31.12.2015“ (Kassenstatistik) des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern.3 (10) Die Auswertung beider Statistiken ist notwendig, um die Analyse auf zwei Vergleichs- kreise ausdehnen zu können. Für die Auswertung der Kassenstatistik spricht, dass sie die einzige Finanzstatistik ist, die mit hinreichender Aktualität verfügbar ist. Durch ihre vollständige Gliederung nach (ökonomischen) Einnahme- und Ausgabearten gibt sie zudem einen präzisen Überblick über die Finanzsituation der Gemeinden/Gemeindeverbände.4 Mit Hilfe der Kassenstatistik können somit Auffälligkeiten aufgedeckt und fiskalische Belastungsvergleiche angestellt werden, was für die Finanzkontrolle von besonderer Bedeutung ist.5 (11) Das Innenministerium führt in seiner Stellungnahme aus, dass es sich bei der Kassen- statistik um unmittelbar zum jeweiligen Stichtag erhobene Daten der Finanzhaushalte der Kommunen handele, die in einer Art „Schnellmeldung“ erhoben werden. „Die Qualität dieser Daten liefert keinen ‚präzisen‛ Überblick über die Finanzsituation der Kommunen. Nur eine rollierende Fortschreibung der Daten für Vorjahre, bei der die Kassenergebnisse jeweils durch verfügbare Jahresrechnungsergebnisse ersetzt werden, liefert ein belastbares Bild zur kommunalen Haushaltslage.“ (12) Das Finanzministerium regt in seiner Stellungnahme eine Nutzung der Jahresrech- nungsergebnisse an, da diese eine perioden- und aufgabengerechte Zuordnung gewährleisten. 3 4 5 Bei dem Vergleich beider Statistiken ist zu beachten, dass die GFK die Daten in der kameralen Haushalts systematik aufbereitet, während die Ergebnisse der Kassenstatistik doppischen Gesichtspunkten folgen. In erster Linie unterscheiden sich dadurch Begrifflichkeiten. So stellt die Kassenstatistik die Auszahlungen und Einzahlungen der kommunalen Haushalte auf der Grundlage bundeseinheitlicher Konten dar, die GFK zeigt Ausgaben und Einnahmen. In einigen Bereichen weicht jedoch der Zuordnungsschlüssel der doppischen Auswertung für den Tabellenteil inhaltlich von dem der kameralen Auswertung ab. Dadurch kann es auf niedriger Aggregationsebene zu Abweichungen kommen. Gemeinden/Gemeindeverbände werden nachfolgend auch als Kommunen bezeichnet. Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2015): Jahresbericht 2014 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2014, S. 46 f. 3 (13) Der Landesrechnungshof merkt an, dass eine Auswertung der ebenfalls für solche Zwecke geeigneten Jahresrechnungsstatistik, die eine periodengerechte Zuordnung der Einnahmen und Ausgaben gewährleistet, nicht in Betracht kommt, da diese momentan erst für das Berichtsjahr 2014 vorliegt. Eine rollierende Auswertung mit Daten der Jahresrechnungsstatistik bis 2014 und der Kassenstatistik mit Daten ab 2015 wird als nicht zielführend angesehen, weil dies zu einem Systembruch führen würde. Die Konsistenz der Daten wäre dann nicht mehr ohne Weiteres gegeben. Zudem werden auch sonstige Finanz-, Personal- oder Schuldenstatistiken vom Statistischen Bundesamt und Statistischen Amt Mecklenburg-Vorpommern sowie der Zentralen Datenstelle der Landesfinanzminister (ZDL) verwendet. Dabei wird zusätzlich auch auf Datenmaterial zurückgegriffen, welches auf Anfrage des Landesrechnungshofes zur Verfügung gestellt wurde (Sonderauswertungen). (14) Die Zahlenangaben sind grundsätzlich gerundet, um eine übersichtliche Darstellung zu gewährleisten. In den nachstehenden Berechnungen und Beträgen können dementsprechend Differenzen entstehen. Wenn nichts anderes angegeben, beziehen sich die Ausführungen auf die kommunalen Kernhaushalte und stellen gemäß der amtlichen Systematik Bruttotransferausgaben dar. (15) Für den interkommunalen Vergleich werden vor allem auf die Einwohnerzahl bezoge- ne Kennzahlen, aber auch themenbezogene Vergleichsmaßstäbe herangezogen, die es ermöglichen, größenbedingte Unterschiede zu berücksichtigen und Vergleichbarkeit herzustellen. Für den zeitlichen Vergleich wird u. a. auf Veränderungsraten zurückgegriffen, die es erlauben, Aussagen über die Entwicklung bestimmter Kennzahlen zu tätigen. Als Basis dienen grundsätzlich die Bevölkerungszahlen des Statistischen Bundesamtes bzw. die entsprechenden Auswertungen der ZDL jeweils zum 30. Juni des betreffenden Jahres. Ab dem Jahr 2011 wird auf die bereinigten Bevölkerungszahlen des Zensus zurückgegriffen. Auf Grund dessen können die ausgewiesenen Werte und die darauf beruhenden Auswertungen teilweise von den in vergangenen Kommunalfinanzberichten dargestellten Daten abweichen. (16) Der Landkreistag führt in seiner Stellungnahme aus, dass „einwohnerbezogene Kenn- zahlen insbesondere im Bereich der Landkreise nur bedingt aussagekräftig sind.“ Einige Aufgaben der Landkreise, z. B. die Wasserwirtschaft, der ÖPNV oder die Gewerbeaufsicht, würden verdeutlichen, dass der Einwohnerbezug nicht der richtige Maßstab sei. Zwischen den Kosten für die Aufgaben und der Einwohnerzahl bestünde vielfach keinerlei Zusammenhang. 4 (17) Der Landesrechnungshof weist darauf hin, dass für die Analyse der föderalen Finanz- beziehungen in Deutschland der Einwohnerbezug üblich und bewährt sei. Insofern hält er ein Abweichen nur in vereinzelten Teilbereichen für angezeigt, in denen die Bezugsgröße aus sachlichen Erwägungen anders gewählt werden sollte. Dies ist z. B. im Bereich der Grundsicherung der Fall, in dem auf Bedarfsgemeinschaften abgestellt wird. (18) Die hiesigen einwohnerbezogenen Daten werden mit Durchschnittswerten verglichen, die entweder für die Kommunen der vier finanzschwachen Westflächenländer (FFW - Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein) oder für die Kommunen der übrigen ostdeutschen Flächenländer (FO - Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) gebildet werden. Mecklenburg-Vorpommern ist in der Vergleichsgruppe selbst nicht enthalten, damit es den Durchschnitt dieser Vergleichsgruppe nicht beeinflusst. Mit dem gewählten Ansatz werden zudem Unterschiede in Form von Mehr- bzw. Minderausgaben auf die Einwohnerzahl Mecklenburg-Vorpommerns hochgerechnet. Ziel des sog. Benchmark-Ansatzes ist es, strukturell bedingte statistische Unterschiede hervorzuheben sowie die daraus gewonnenen Erkenntnisse zu nutzen, um Effizienzpotenziale bzw. Handlungsbedarfe für Konsolidierungsmaßnahmen identifizieren zu können. Aus diesen Potenzialen können dann ggf. Empfehlungen abgeleitet werden. (19) Das Sozialministerium merkt in seiner Stellungnahme an, dass in amtlichen Statisti- ken, soweit eine Bezugnahme auf „Ost“ erfolge, immer auch die Werte für Mecklenburg-Vorpommern und damit der Durchschnitt aller ostdeutschen Länder enthalten seien. Dies gelte z. B. für die Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) nach § 53 SGB II. Bei einem Vergleich der statistischen Daten unter Einbeziehung der amtlichen BA-Statistik sei dies zu beachten. (20) Der Landesrechnungshof teilt die Sichtweise des Sozialministeriums und merkt an, dass bei seinen Analysen alle Vergleichsgruppen immer identisch gefasst sind. (21) Der Landkreistag führt in seiner Stellungnahme aus, „dass sich sowohl die FO als auch die FFW in wesentlichen Kriterien von Mecklenburg-Vorpommern unterscheiden. Dies bezieht sich etwa auf die Einwohnerdichte, die Sozialstruktur, die Arbeitslosenzahlen, die Kommunalisierungsgrade bei der Aufgabenerfüllung oder das Bruttoinlandsprodukt und die Kaufkraft. Auch die Verwaltungsstruktur ist regelmäßig unterschiedlich. Soweit dann noch die demografische Entwicklung einbezogen wird, ist mehr als deutlich, dass die unterschiedlichen Rahmenbedingungen bei jeder vergleichenden Analyse unbedingt einbezogen werden müssen.“ 5 (22) Der Landesrechnungshof verweist darauf, dass durch die Bildung von Durchschnitts- werten strukturelle Unterschiede zumindest teilweise ausgeglichen werden und einen Vergleich der Daten ermöglicht. Für nicht zielführend hält er Verweise auf Abweichungen zwischen den Ländern, die einen Vergleichbarkeit dieser untereinander generell zu verhindern suchen. 6 II. Allgemeiner Teil 1 Strukturelle Rahmenbedingungen in Mecklenburg-Vorpommern (23) Wie in den vergangenen Jahren werden im folgenden Abschnitt zunächst die struktu- rellen Rahmenbedingungen des Landes und der Kommunen dargestellt. Der Landesrechnungshof zeigt dafür die Wirtschaftsentwicklung, Wirtschaftsleistung und Wirtschaftskraft, die demografische Entwicklung sowie die Situation auf dem Arbeitsmarkt und im Sozialbereich auf. Diese Faktoren sind für eine Bewertung der kommunalen Finanzsituation maßgeblich. (24) In der nachfolgenden Tabelle 1 ist die Veränderungsrate des preisbereinigten Bruttoin- landsprodukts dargestellt. Diese Größe zeigt das reale Wirtschaftswachstum der Länder. Die Wirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns ist im Jahr 2015 im Zuge der guten konjunkturellen Lage gegenüber dem Vorjahr preisbereinigt um 1,9 % gewachsen. Die Wachstumsrate lag damit über derjenigen der übrigen Ostflächenländer (1,4 %) und auch über derjenigen der finanzschwachen Westflächenländer (1,8 %). Mecklenburg-Vorpommern hat damit im Vergleich zu diesen beiden Gruppen relativ an Wirtschaftskraft gewonnen. Tabelle 1: Veränderung des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts im Ländervergleich, 2011-2015, in %6 BB MV SN ST TH NI RP SL SH FO FFW D in % 2011 0,8 1,9 3,3 -0,9 4,3 4,4 3,3 4,6 2,5 2,1 3,8 3,7 2012 0,5 -0,8 0,9 1,8 -0,3 0,2 0,6 -0,8 2,7 0,6 0,7 0,4 2013 0,9 0,5 0,4 -0,3 1,4 -1,1 0,1 -1,7 -0,8 1,3 -0,8 0,3 2014 1,6 1,0 2,1 -0,4 1,3 1,0 0,8 1,3 1,2 1,4 1,0 1,6 2015 2,7 1,9 1,5 0,1 1,1 2,1 1,4 2,4 1,4 1,4 1,8 1,7 Quelle: AK VGR; eigene Berechnungen. (25) Abbildung 1 zeigt das nominale BIP je Erwerbstätigen. Ausgewiesen ist die Wirt- schaftsleistung in jeweiligen Preisen, also ohne Inflationsbereinigung. Es ist ersichtlich, dass die Wirtschaftsleistung in den westdeutschen Flächenländern noch immer höher ausfällt als in den ostdeutschen Flächenländern. Mecklenburg-Vorpommern weist mit 53.888 Euro je Erwerbstätigen die geringste Wirtschaftsleistung aller Länder auf. 6 Im Vergleich zu den Landes- und Kommunalfinanzberichten der Vorjahre kann es Abweichungen geben. Diese sind der Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung geschuldet. 7 Abbildung 1: Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen im Ländervergleich, 2015, in Euro je Erwerbstätigen 90.905 90.000 80.000 75.872 75.522 78.790 75.237 70.314 in Euro je EW 70.000 60.000 65.233 66.509 67.323 60.434 53.888 67.249 63.453 55.891 56.206 54.515 50.000 40.000 30.000 20.000 10.000 0 BB MV SN ST TH BW BY HE NI NW RP SL SH B HB HH Quelle: AK VGR; eigene Berechnungen. Abbildung 2 stellt das nominale BIP je Einwohner dar und zeigt die Wirtschaftskraft des jeweiligen Landes im Vergleich mit den anderen Ländern. Abbildung 2: Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen im Ländervergleich, 2015, in Euro je Einwohner7 65.000 61.729 60.000 55.000 50.000 47.603 42.745 43.092 43.073 in Euro je EW 45.000 40.000 36.509 35.000 30.000 32.890 26.493 25.000 30.143 27.776 25.198 24.909 35.627 35.409 32.814 26.364 20.000 15.000 10.000 5.000 0 BB MV SN ST TH BW BY HE NI NW RP SL SH B HB HH Quelle: AK VGR; eigene Berechnungen. 7 8 Die in diesem Bericht veröffentlichten Daten basieren auf den Revisionsergebnissen zum Berechnungsstand August 2015/Februar 2016 des Arbeitskreises Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder (AK VGR). Die Angaben sind daher revisionsbedingt gegenüber den Landes- und Kommunalfinanzberichten der Vorjahre nicht vergleichbar. Die Wirtschaftskraft fällt in den meisten westdeutschen Flächenländern deutlich höher aus als in den ostdeutschen Flächenländern. Mecklenburg-Vorpommern weist hier mit 24.909 Euro je Einwohner die geringste Wirtschaftskraft aller Länder auf, gefolgt von Sachsen-Anhalt (25.198 Euro je Einwohner) und Thüringen (26.364 Euro je Einwohner). (26) Die Bevölkerungsentwicklung ist ein Faktor des demografischen Wandels. Am 30.06.2015 wies Mecklenburg-Vorpommern 1.600.599 Einwohner aus. Damit stieg die Bevölkerungszahl durch Wanderungsgewinne gegenüber dem Vorjahr um 3.278 Personen leicht an. Abbildung 3: Bevölkerung in den kreisfreien Städten und Landkreisen in Mecklenburg-Vorpommern, 2014, 2015 und 2030 (Prognose), in Einwohner VG 223.871 237.400 MSE 237.642 213.406 261.354 VR 262.181 195.484 223.737 LRO 212.243 LUP 213.262 NWM 92.627 HRO 30.000 60.000 195.226 212.304 155.301 92.431 91.941 204.492 0 211.171 147.517 155.484 SN 223.360 185.311 90.000 223.255 2014 2015 2030 203.421 120.000 150.000 180.000 210.000 240.000 270.000 300.000 in EW Quelle: Statistisches Bundesamt und Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung; eigene Berechnungen. Wie Abbildung 3 zu entnehmen ist, war sowohl in den beiden kreisfreien Städten als auch in den Landkreisen Nordwestmecklenburg, Ludwigslust-Parchim, Vorpommern-Rügen und Rostock im Jahr 2015 ein Bevölkerungsanstieg gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen. (27) Dennoch muss zukünftig von einem Bevölkerungsrückgang in allen Landkreisen und kreisfreien Städten ausgegangen werden. Die dargestellten Prognosezahlen basieren auf der 4. aktualisierten Landesprognose aus dem Juni 2013 des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern. Die Auswirkungen des Zensus sowie die derzeit noch nicht absehbaren demografischen Effekte der Migrationswelle sind in ihr noch nicht berücksichtigt. 8 Für 2030 zeigt die Prognose, dass die Einwohnerzahlen der Hansestadt Rostock und der Landeshauptstadt Schwerin nur ge- 8 Die schon für das Jahr 2015 angekündigte 5. Landesprognose wurde bis Redaktionsschluss noch nicht veröffentlicht. Nach Angaben des Finanzministeriums sei eine Veröffentlichung (mit Zensusberücksichtigung) erst für das Frühjahr 2017 geplant. 9 ringfügig sinken werden. Für die Landkreise hingegen werden zum Teil erhebliche Einwohnerverluste prognostiziert. Im Jahr 2030 werden für den Landkreis Mecklenburgische Seenplatte beispielsweise nur noch 213.406 Einwohner erwartet. Dies entspricht gegenüber 2015 einem Bevölkerungsrückgang von rd. 18 %. (28) Für Mecklenburg-Vorpommern wird für das Jahr 2030 ein Bevölkerungsstand von nur noch rd. 1,48 Mio. Einwohnern prognostiziert (vgl. Abbildung 4). Abbildung 4: Bevölkerungsentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern, 1991-2030, in Mio. Einwohner 2,00 1,95 4. aktualisierte Prognose Juni 2013 1,90 1,85 in Mio. EW 1,80 Ist bis 30.06.2015 1,75 Prognose 1,70 1,65 1,60 1,55 1,50 1,45 1,40 1991 2000 1995 2010 2005 2020 2015 2030 2025 Quelle: ZDL und Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern; eigene Darstellung. (29) Auffällig ist, dass die Prognose für Mecklenburg-Vorpommern vom Bundestrend er- heblich abweicht. Für Mecklenburg-Vorpommern wird eine wesentlich stärkere Bevölkerungsabnahme vorausgesagt, als für das gesamte Bundesgebiet. Dies zeigt z. B. auch die 13. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes. Danach wird für Mecklenburg-Vorpommern zwischen 2013 und 2030 eine Bevölkerungsabnahme von 8,15 % berechnet, für den Bund hingegen von nur 0,52 %.9 (30) Der Effekt spiegelt sich auch im Anteil Mecklenburg-Vorpommerns an der Gesamtbe- völkerung Deutschlands wider. Mit Stand 30.06.2015 beträgt dieser Anteil noch 1,96 %. 2030 wird er voraussichtlich nur noch 1,81 % betragen. (31) Nachfolgend wird die Situation auf dem Arbeitsmarkt dargestellt. Mecklenburg-Vor- pommern weist bundesweit die höchste prozentuale Arbeitslosigkeit auf (vgl. Abbildung 5). Am 31.12.2015 waren insgesamt 10,4 % der zivilen Erwerbspersonen in Mecklenburg-Vor9 10 Basis ist die Berechnungsvariante 2 (stärkere Zuwanderung). Dies entspricht folgenden Annahmen für Deutschland: Geburtenrate 1,4 Kinder je Frau, Lebenserwartung bei Geburt 2060 für Jungen 84,8/Mädchen 88,8 Jahre, langfristiger Außenwanderungssaldo 200.000. pommern arbeitslos. Eine ähnlich hohe Arbeitslosenquote weist nur noch Sachsen-Anhalt mit 10,2 % auf. 2015 Mittelwert (2015) 4 7,5 6,5 5,7 5,2 7,5 7,2 7,5 6,1 4,5 3,6 3,8 4,9 6 5,4 6,4 8 8,7 8,0 10,2 12,2 11,9 10,4 11,1 2010 7,4 in Prozent 10 8,7 12 12,7 14 12,5 Arbeitslosenquote im Flächenländervergleich, 2010 und 2015, in % 8,2 Abbildung 5: 2 0 BB MV SN ST TH BW BY HE NI NW RP SL SH Quelle: ZDL; eigene Berechnungen. (32) Das Sozialministerium weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass unter dem Be- griff „Arbeitslose“ neben den Arbeitslosen nach dem SGB II auch die Arbeitslosen nach dem SGB III erfasst seien. Für die Arbeitslosen nach dem SGB III entstünden den Kommunen keine Ausgabenbelastung. Diese werde nur durch Arbeitslose im Rechtskreis des SGB II hervorgerufen. (33) Der Landesrechnungshof stimmt dem zu und bemerkt, dass im Jahr 2015 nur 27,7 % der Arbeitslosen in Mecklenburg-Vorpommern dem Rechtskreis des SGB III zuzuordnen waren. Mehr als zwei Drittel der Arbeitslosen in Mecklenburg-Vorpommern gehören zum Rechtskreis SGB II. (34) Die SGB II-Quote stellt die Relation setzt Summe von Beziehern von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ins Verhältnis zur Bevölkerung unter 65 Jahren. 11 Abbildung 6: SGB II-Quote im Flächenländervergleich, 2010 und 2015, in % Mittelwert (2015) 9,8 10,2 10,1 9,9 SL SH 7,2 6,9 8,8 8,6 10 9,7 9,2 11,2 11,6 12,2 10,0 12 2015 15,2 14,4 13,9 14,3 2010 11,7 in Prozent 14 12,3 16 16,2 18 17,4 20 6 4 4,6 4,1 5,4 5,0 8 2 0 BB MV SN ST TH BW BY HE NI NW RP Quelle: ZDL; eigene Berechnungen. Mit einer SGB II-Quote von 13,9 % hatte Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2015 nach Sachsen-Anhalt (15,2 %) den zweithöchsten Wert aller bundesdeutschen Flächenländer. Im Vergleich zu 2010, die SGB II-Quote betrug noch 16,2 %, hat sie sich – wie in allen Ländern bis auf Nordrhein-Westfalen und Saarland – positiv entwickelt. (35) Der Landkreistag merkt in seiner Stellungnahme an, dass geringe Wirtschaftskraft und SGB II-Quote weiter erheblich auf die Sozialausgaben der Landkreise durchschlagen würden, insbesondere trügen die Landkreise mit ca. 75 % die Hauptlast an den Kosten der Unterkunft für SGB II-Leistungsbezieher. (36) Auch wenn sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt im Zeitablauf verbessert hat, ist dieser noch immer im Ungleichgewicht. Dies löst hohe Transferleistungen aus und stellt damit unmittelbar einen Kostenfaktor für die kommunalen Haushalte dar. So werden diese durch die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) belastet, die u. a. von der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften im Rechtskreis nach dem SGB II abhängig sind. (37) Das Sozialministerium weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass die SGB II- Quote (neben dem Einkommensniveau und der Familienstruktur) auch von den Änderungen des Wohngeldgesetzes (WoGG) abhängig sei, da sich beide Leistungen ausschließen und durch Erhöhungen im WoGG ein Wechsel im Leistungsbezug erfolgen könne. Dieser Zusammenhang gelte unmittelbar auch für die KdU-Belastung der Kommunen, da Wohngeld je zur Hälfte von Bund und Land getragen werde. 12 (38) Abbildung 7 stellt die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften je 1.000 Privathaushalte im Ländervergleich für 2010 und 2015 dargestellt. Im Jahr 2015 wurden 123 von 1.000 Haushalten in Mecklenburg-Vorpommern zu den Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II gezählt. Damit muss das Land nach Sachsen-Anhalt (131 Bedarfsgemeinschaften je 1.000 Privathaushalte) den zweithöchsten Wert aller Flächenländer verzeichnen. Unter den ostdeutschen Ländern schneidet Thüringen 2014 mit 88 Bedarfsgemeinschaften je 1.000 Einwohner am besten ab. 131 92 90 98 98 51 45 60 40 65 61 44 37 74 71 80 78 86 88 100 88 83 116 126 123 134 2010 2015 Mittelwert (2015) 99 120 110 BG je 1.000 Privathaushalte 160 140 154 Bedarfsgemeinschaften je 1.000 Privathaushalte im Flächenländervergleich, 2010 und 2015, Jahresdurchschnitt 151 Abbildung 7: 20 0 BB MV SN ST TH BW BY HE NI NW RP SL SH Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen. (39) Im Vergleich zu 2010 ist die Zahl der Bedarfsgemeinschaften je 1.000 Einwohner 2015 in allen ostdeutschen Ländern gesunken. Dennoch ist ein deutliches Ost-West-Gefälle ersichtlich. Der Blick auf den in Abbildung 7 ebenfalls dargestellten Mittelwert unterstreicht die Problematik der hohen Soziallasten in Mecklenburg-Vorpommern. 13 2 Lage der kommunalen Finanzwirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns (40) Der in Abbildung 8 dargestellte Finanzierungssaldo gibt einen ersten Überblick über die finanzielle Situation der Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns. Dazu wird der Saldo aus bereinigten Einnahmen und Ausgaben herangezogen. Ein Finanzierungsdefizit ergibt sich, sofern die Ausgaben größer als die Einnahmen sind. Umgekehrt kommt es zu einem Finanzierungsüberschuss, wenn die Einnahmen größer sind als die Ausgaben. Bereinigte Einnahmen und Ausgaben sowie Finanzierungssaldo der Gemeinden/Gemeindeverbände, in Mecklenburg-Vorpommern, 2005-2015, in Mio. Euro 1.000 4.300 900 4.200 800 4.100 700 4.000 600 3.900 500 3.800 400 3.700 300 3.600 224 200 110 82 79 100 39 20 -100 -28 3.400 9 0 -29 3.300 -7 -41 3.200 Finanzierungssaldo Bereinigte Einnahmen Bereinigte Ausgaben -200 -300 3.500 in Mio. Euro in Mio. Euro Abbildung 8: 3.100 3.000 2.900 -400 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen. (41) Die kommunale Haushaltslage hat sich 2015 sehr positiv entwickelt. So schlossen die kommunalen Haushalte das Jahr 2015 mit einem deutlichen Überschuss von rd. 110 Mio. Euro ab. Dies ist in der dargestellten Zeitschiene der zweithöchste positive Finanzierungssaldo nach 2008. Ein Blick auf die Finanzierungssalden macht zudem deutlich, dass die kommunale Ebene in Gänze seit Jahren überwiegend Überschüsse erzielt hat. Dies deutet darauf hin, dass die Finanzmittel der Kommunen insgesamt mindestens ausreichend waren. (42) Das Innenministerium führt in seiner Stellungnahme aus, dass der Finanzierungssaldo den Rechtsrahmen für den Haushaltsausgleich nach der Kommunalverfassung nicht abbilden würde und sich deshalb die Bewertung der kommunalen Haushaltslage auf der Grundlage des Haushaltsrechts weniger positiv darstelle. Insbesondere die (in den Kassenstatistiken nicht erfasste und beim Finanzierungssaldo nicht berücksichtigte) planmäßige Tilgung von Investitionskrediten sei für den Haushaltsausgleich 14 in der Finanzrechnung maßgeblich, da im laufenden Bereich ein Überschuss zu erwirtschaften sei, der ausreichen müsse, um die planmäßige Tilgung zu decken. Der Investitionssaldo als Bestandteil des Finanzierungssaldos sei hingegen für den Haushaltsausgleich nicht relevant. Zu diesem Sachverhalt zeigt das Innenministerium in seiner Stellungnahme Zahlen auf. Ein Vergleich (ohne Ämter) der vorläufigen Finanzrechnungen 2015 mit der Kassenstatistik des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern 2015 zeige, dass der Ausgleich der Finanzrechnungen – über alle Kommunen – im Jahr 2015 zu einem um rd. 61 Mio. Euro geringeren Überschuss führe. In der Ebenenbetrachtung führe der Abgleich dazu, dass die Landkreise statt eines positiven Finanzierungssaldos von rd. 19,6 Mio. Euro haushaltsrechtlich einen jahresbezogenen negativen Saldo der laufenden Ein- und Auszahlungen von rd. 1,66 Mio. Euro ausweisen würden. Im kreisangehörigen Bereich bliebe es zwar in der Gesamtheit bei einem jahresbezogenen positiven Saldo der laufenden Ein- und Auszahlungen. Er reduziere sich jedoch deutlich. Die kreisfreien Städte würden hingegen aufgrund des guten Jahresergebnisses der Hansestadt Rostock in den vorläufigen Finanzrechnungen 2015 insgesamt einen höheren Überschuss ausweisen (+5,2 Mio. Euro statt +0,4 Mio. Euro). Dieser Überschuss sei haushaltsrechtlich aber auch zwingend erforderlich, um aufgelaufene negative Vorträge aus Vorjahren abzubauen und schnellstmöglich den vollständigen Ausgleich des Finanzhaushaltes wiederzuerlangen. (43) Der Landesrechnungshof begrüßt, dass das Innenministerium eigene Berechnungen an- gestellt hat. Angesichts des derzeitigen Rückstandes bei der Feststellung von Jahresabschlüssen hat der Landesrechnungshof jedoch erhebliche Zweifel, ob die angeführten Daten die Haushalts- und Wirtschaftslage der kommunalen Ebene in Gänze abbilden. Auch aus einem Gutachtenentwurf zur FAG-Novellierung geht hervor, dass gerade die Daten zur planmäßigen Tilgung nicht flächendeckend vorlagen und insoweit wegen der fehlenden Belastbarkeit nicht einbezogen werden konnten. Für den allgemeinen Teil des Jahresberichts wird deshalb weiterhin die amtliche Statistik herangezogen. Nur diese stellt sicher, dass die Daten nach einem einheitlichen Verfahren erhoben und transparent aufbereitet sowie für alle Nutzer frei abrufbar sind. (44) In der nachfolgenden Tabelle 2 sind die Eckzahlen der kommunalen Einnahmen und Ausgaben Mecklenburg-Vorpommerns der Jahre 2011 bis 2015 dargestellt. Die bereinigten Einnahmen betrugen 2015 rd. 4.214 Mio. Euro (+3,3 %, +135 Mio. Euro). Die bereinigten Ausgaben betrugen 4.104 Mio. Euro (+0,4 %, +18 Mio. Euro) und sind gegenüber dem Vorjahr nur leicht angestiegen. 15 Tabelle 2: Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden/Gemeindeverbände in Mecklenburg-Vorpommern, 2011-2015, in Mio. Euro 2011 2012 2013 2014 2015 in M io. Euro 1. Einnahm e n laufe nde Re chnung 2011-2015 2014-2015 Ve rände rung in % 3.419 3.395 3.617 3.707 3.871 13,2% 4,4% 830 862 946 983 1.065 28,3% 8,3% Grundsteuer A + B 165 167 175 178 182 10,5% 2,7% Gew erbesteuer (netto) 287 311 364 369 401 39,8% 8,7% Gemeindeanteil Einkommensteuer 244 295 333 361 394 61,6% 9,2% Zuw eisungen vom Land 1.815 1.768 1.888 1.931 2.053 13,1% 6,3% Zuw eisungen vom Bund 48 60 86 77 40 -16,7% -48,2% 283 252 252 255 257 -9,2% 0,8% 2. Einnahm e n de r Kapitalrechnung 506 343 335 372 344 -32,0% -7,6% darunter: Zuw eisungen und Zuschüsse f ür Investitionen vom Land Erlöse aus Vermögensveräußerungen 295 230 220 264 248 -15,9% -6,0% 66 43 33 50 49 -25,8% -2,6% 3. Bereinigte Einnahmen (1. + 2.) 3.924 3.738 3.952 4.079 4.214 7,4% 3,3% 4. Aus gaben laufe nde Rechnung 3.332 3.366 3.638 3.699 3.807 14,3% 2,9% darunter: Steuern u. steuerähnliche Einnahmen Gebühren, sonstige Entgelte darunter: Personalausgaben 902 943 972 1.000 997 10,5% -0,3% Laufender Sachauf w and 800 801 995 1.018 1.054 31,8% 3,5% Lfd. Zuw eisungen und Zuschüsse 835 908 931 959 999 19,6% 4,2% 78 67 63 55 45 -42,3% -18,8% 1.113 1.138 1.186 1.214 1.284 15,4% 5,7% 573 412 305 387 298 -48,0% -23,0% Zinsausgaben Sozialausgaben* 5. Aus gaben der Kapitalre chnung darunter: Sachinvestitionen 437 344 236 310 270 -38,2% -12,8% Baumaßnahmen Zuw eisungen und Zuschüsse f ür Investitionen 375 158 187 259 210 -44,0% -19,0% 107 20 29 26 21 -80,4% -19,8% 3.905 3.778 3.942 4.086 4.104 5,1% 0,4% 87 29 -21 8 65 -25,3% 753,6% 6. Bereinigte Ausgaben (4. + 5.) Saldo der lauf enden Rechnung Einnahmen aus Krediten und inneren Darlehen Schuldentilgung Schulden am 31.12. Kassenverstärkungskredite am 31.12.** 7. Finanzierungssaldo (3. ./. 6.) 148 85 187 115 154,7 4,5% 34,5% 196 173 232 208 206 5,1% -1,0% 1.906 1.733 1.762 1.676 1.607 -15,7% -4,1% 524 406 643 732 701 33,8% -4,2% 20 -41 9 -7 110 461,2% x Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kassenstatistik; eigene Berechnungen. * Ohne die Aufwendungen der Optionskommune(n) für Grundsicherung für Arbeitssuchende, die der Bund trägt. ** Der hier ausgewiesene Stand der Kassenverstärkungskredite basiert auf einer Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes auf Grundlage der GFK. x Ergebnis ohne Aussage. 16 (45) Das Innenministerium weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass die Ergebnisse der Kassenstatistik und der Jahresrechnungsstatistik erheblich voneinander abweichen würden. So sei im Jahr 2012 beim Finanzierungssaldo eine Abweichung um 12 Mio. Euro festzustellen. Im Jahr 2013 hätten die Kommunen nach der Jahresrechnungsstatistik ein um rd. 20 Mio. Euro besseres Ergebnis erzielt. Im Jahr 2014 habe der Finanzierungssaldo laut Kassenstatistik des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern ein Defizit von 10,9 Mio. Euro ausgewiesen, hingegen die Jahresrechnungsstatistik einen positiven Saldo von 59 Mio. Euro. Das Innenministerium merkt an, dass eine derartige Differenz von rd. 70 Mio. Euro nicht vernachlässigbar sei. (46) Der Landesrechnungshof verweist auf Tz. 9 ff., in denen er die Wahl seiner Daten- grundlage erläutert hat. Die vom Innenministerium aufgezeigten Differenzen sind erheblich und sollten analysiert werden. Möglicherweise deuten sie darauf hin, dass die vierteljährlich von den Kommunen gemeldeten Daten nicht die erforderliche Qualität aufgewiesen haben, wenn derartige Korrekturen vorgenommen werden müssen. Auswirkungen auf die Ausführungen des Landesrechnungshofes ergeben sich aus ihnen jedoch nicht. (47) Die Einnahmen der laufenden Rechnung beliefen sich im Berichtszeitraum auf 3.871 Mio. Euro (+4,4 %, +164 Mio. Euro), wodurch die positive Entwicklung der Vorjahre weiter fortgeführt werden konnte. Die Einnahmen der Kapitalrechnung hingegen sind gegenüber dem Vorjahr gesunken. Sie beliefen sich 2015 nur noch auf rd. 344 Mio. Euro (-7,7 %, -29 Mio. Euro). Mitursächlich waren die verminderten Zuweisungen und Zuschüsse für Investitionen vom Land (-6,0 %, -16 Mio. Euro). 17 Abbildung 9: Veränderungen wesentlicher Einnahmepositionen im Vergleich 2015 zum Vorjahr, in Mio. Euro Steuern und steuerähnliche Einnahmen 82 Zuw eisungen vom Land 122 Zuw eisungen vom Bund -37 Gebühren, sonstige Entgelte 2 Einnahmen Kapitalrechnung -29 Zuw eisungen und Zuschüsse für Investitionen vom Land -16 Erlöse aus Vermögensveräußerungen -1 -40 -20 0 20 40 60 in Mio. Euro 80 100 120 140 Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen. (48) • Wesentliche Veränderungen betreffen auf der Einnahmeseite: die Steuern und steuerähnlichen Einnahmen (+8,3 %, +82 Mio. Euro), darunter insbesondere der Gemeindeanteil an Gemeinschaftsteuern (+9,7 %, +41 Mio. Euro) und die Netto-Gewerbesteuer (+8,7 %, + 32 Mio. Euro), sowie • (49) die Zuweisungen vom Land (+6,3 %, +122 Mio. Euro). Die Ausgaben der laufenden Rechnung betrugen im Berichtszeitraum rd. 3.807 Mio. Euro (+2,9 %, +107 Mio. Euro). Damit wird der Ausgabenanstieg der vergangenen Jahre erneut auf einem eher niedrigen Niveau fortgesetzt. Die Ausgaben der Kapitalrechnung beliefen sich 2015 in Mecklenburg-Vorpommern auf rd. 298 Mio. Euro (-23 %, -90 Mio. Euro). Mitursächlich sind die gesunkenen Sachinvestitionen (-12,9 %, -40 Mio. Euro). (50) Abbildung 10 zeigt die Veränderungen wesentlicher Ausgabepositionen im Vergleich 2015 zum Vorjahr. Es veränderten sich vor allem • die Sozialausgaben (+5,7 %, +70 Mio. Euro), darunter insbesondere die Ausgaben für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (+99,4 %, + 30,7 Mio. Euro), 18 • die Zinsausgaben (-19,0 %, -11 Mio. Euro), • der laufende Sachaufwand (+3,5 %, +36 Mio. Euro) und • die Sachinvestitionsausgaben (-12,9 %, -40 Mio. Euro). Abbildung 10: Veränderungen wesentlicher Ausgabepositionen im Vergleich 2015 zum Vorjahr, in Mio. Euro Personalausgaben -4 Laufender Sachaufw and 36 Laufende Zuw eisungen und Zuschüsse 41 Zinsausgaben -11 Sozialausgaben 70 Ausgaben Kapitalrechnung -90 Zuw eisungen und Zuschüsse für Investitionen -5 Sachinvestitionen -100 -40 -80 -60 -40 -20 0 20 in Mio. Euro 40 60 80 Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen. (51) Der Landkreistag weist darauf hin, dass mehr als zwei Drittel der Ausgaben der Land- kreise auf den Sozialbereich entfielen. Dies seien überwiegend Leistungen, auf die ein Anspruch bestehe und somit wären die damit verbundenen Ausgaben kaum beeinflussbar. (52) Der Landesrechnungshof merkt an, dass diese Aufgaben den Landkreisen zugewiesen wurden und die Finanzierung entsprechend ausgerichtet ist. Zur Beeinflussbarkeit der damit verbundenen Aufgaben verweist er zudem auf seinen Sonderbericht „Kommunale Sozialausgaben“.10 (53) Der Kassenkreditbestand (Kredite zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit) zum 31.12.2015 betrug nach Angaben der Kassenstatistik rd. 701 Mio. Euro (-4,2 %, -31 Mio. Euro). Die eigentlich nur zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen vorgesehenen Kredite haben aufgrund des aufgebauten sehr hohen Niveaus in Mecklenburg-Vorpommern an Bedeutung gewonnen. Allerdings ist die überjährige Aufnahme dieser kurzfristigen Kredite nicht zulässig und kann ein Zeichen für Haushaltsungleichgewichte sein (vgl. auch Tz. 123 ff.). Die Kassenkredite bergen ein hohes finanzielles Risiko, da diese zumeist mit kurzen Zinslaufzeiten ausgestattet sind. Steigende Zinsen verursachen so unmittelbar steigende Zinsausgaben, die die Haushalte zusätzlich belasten. (54) In Abbildung 11 ist der Dreimonats-Euribor dargestellt, der ein Indikator für den Preis kurzfristiger Kassenverstärkungskredite ist. 10 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2016): Sonderbericht „Kommunale Sozialausgaben“, Drs. 7/128. 19 Abbildung 11: Entwicklung des durchschnittlichen Dreimonats-Euribor, Januar 1999-November 2016, in % p.a. 5,5 5,0 4,5 Dreimonats-Euribor 4,0 3,5 in Prozent 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 -0,5 -1,0 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 Quelle: Deutsche Bundesbank, eigene Darstellung. Der Dreimonats-Geldmarktzins Euribor ist seit Mai 2015 negativ. Die Referenzzinssätze anderer Währungsräume sind ebenso historisch niedrig. Im aktuellen Marktumfeld sind daher kurzfristige Kassenkredite und auch Investitionskredite sehr günstig. Dabei profitiert der öffentliche Bereich zudem von seiner guten Bonität bei den Geschäftsbanken. (55) In Abbildung 12 sind die von den Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns am Kredit- markt insgesamt geleisteten Zinsausgaben im Zeitverlauf dargestellt. Deutlich erkennbar ist, dass die Zinsausgaben von rd. 113 Mio. Euro im Jahr 1999 auf rd. 45 Mio. Euro gesunken sind. Mit Blick auf die beiden vorstehenden Abbildungen wird deutlich, dass ein Zusammenhang zwischen sinkenden Zinsen und den sinkenden Zinsausgaben besteht. Dies deutet tendenziell darauf hin, dass die Reduzierung der Zinsausgaben nicht ausschließlich auf Konsolidierungsmaßnahmen der Kommunen zurückzuführen ist. 20 Abbildung 12: Zinsausgaben der Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns, 1999-2015, in Mio. Euro 120 110 100 in Mio. Euro 90 80 70 60 Zinsausgaben am Kreditmarkt 50 40 30 20 1999 2001 2000 2003 2002 2005 2004 2007 2006 2009 2008 2011 2010 2013 2012 2015 2014 Quelle: ZDL, eigene Darstellung. (56) Auch wenn die Marktkonditionen für Kassenkredite derzeit noch sehr günstig sind, so sind diese risikobehaftet. Um zusätzliche Haushaltsbelastungen und Einschränkungen der finanziellen Handlungsfähigkeit durch steigende Zinsausgaben zu vermeiden, muss nach wie vor eine Reduzierung des Kassenkreditbestandes Ziel der Kommunen sein. Auch die Kommunalaufsicht sollte weiterhin entsprechende rechtsaufsichtliche Maßnahmen ergreifen. (57) Im nachfolgenden Abschnitt gibt der Landesrechnungshof eine Übersicht über die Fi- nanzlage der Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns, unterteilt nach Gemeindegrößenklassen und nach Gebietskörperschaftsebenen. Abbildung 13 zeigt, dass nur die Gemeindegrößenklasse mit 10.000 bis unter 20.000 Einwohner im Jahr 2015 mit -22 Euro je Einwohner ein Defizit aufwies. Alle anderen Größenklassen konnten das Jahr 2015 mit einem Überschuss abschließen. Dies fiel in der Größenklasse mit 5.000 bis unter 10.000 Einwohnern kräftig aus. Die Finanzlage in den verschiedenen Größenklassen stellt sich im Einzelnen wie folgt dar: 21 Abbildung 13: Finanzierungssaldo der kreisangehörigen Städte und Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern nach Größenklassen, 2015, in Euro je Einwohner 160 137 140 in Euro je EW 120 100 85 73 80 63 60 40 17 20 0 -20 -22 -40 unter 500 500-1.000 1.000-5.000 5.000-10.000 10.000-20.000 20.000 und mehr Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kassenstatistik; eigene Berechnungen. (58) In der Größenklasse bis unter 500 Einwohner liegen 275 Gemeinden, davon weisen 110 Gemeinden ein Defizit auf. Das Pro-Kopf-Ergebnis bemisst sich in dieser Klasse in einer Spannweite von -1.171 Euro bis 7.281 Euro. 243 Gemeinden liegen in der Größenklasse von 500 bis unter 1.000 Einwohner. Bei 81 Gemeinden war 2015 ein Defizit zu verzeichnen. Das höchste einwohnerbezogene Defizit lag bei -7.983 Euro. Der höchste Überschuss belief sich auf 3.125 Euro. Die Größenklasse von 1.000 bis unter 5.000 Einwohner enthält 186 Gemeinden, davon 67 mit einem Defizit. Die Pro-Kopf-Ergebnisse liegen in einem Band von -1.121 Euro bis 1.043 Euro. In der Größenklasse von 5.000 bis unter 10.000 Einwohner sind 30 Gemeinden verortet. Bei 6 Gemeinden war ein Defizit festzustellen. Das Pro-Kopf-Ergebnis bewegt sich in dieser Klasse in einer Spannweite von -212 Euro bis 808 Euro. In der Größenklasse von 10.000 bis unter 20.000 Einwohner liegen 12 Gemeinden. Bei 7 Gemeinden war ein Defizit zu verzeichnen. Das größte Defizit belief sich auf -539 Euro je Einwohner aus. Der höchste Überschuss lag bei 170 Euro je Einwohner. In der Größenklasse von 20.000 und mehr Einwohner wiesen zwei Städte ein Finanzierungsdefizit aus. Das höchste Defizit in dieser Klasse betrug -32 Euro je Einwohner. Die übrigen fünf Städte konnten einen Überschuss erzielen. Der Spitzenwert lag bei 94 Euro je Einwohner. 22 (59) Die kreisfreien Städte wiesen zwar 2015 zusammen einen leichten Überschuss aus, aber nur für die Hansestadt Rostock konnte mit 49 Euro ein positives Pro-Kopf-Ergebnis festgestellt werden. Die Landeshauptstadt Schwerin hingegen wies mit -105 Euro ein Pro-KopfMinus auf (vgl. Tabelle 3). Tabelle 3: Finanzierungssalden der Landkreise (Kreisverwaltungen) und kreisfreien Städte, 2015, in Euro je Einwohner HRO LH SN NWM LUP LRO VR MSE VG in Euro je Einwohner 49 Finanzierungssaldo -105 11 41 16 34 -16 10 Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kassenstatistik; eigene Berechnungen. Bei den Landkreisen (hier: Kreisverwaltungen) wies nur die Mecklenburgische Seenplatte ein negatives Ergebnis auf (-16 Euro je Einwohner). (60) Die festgestellte positive Entwicklung des Finanzierungssaldos geht auch aus Abbil- dung 14 hervor, die die finanzielle Situation der einzelnen Gebietskörperschaftsebenen enthält. Abbildung 14: Finanzierungssaldo der kommunalen Gebietskörperschaften in Mecklenburg-Vorpommern, 2012-2015, in Euro je Einwohner11 100 92 2012 2013 2014 2015 79 80 74 67 in Euro je EW 60 37 40 20 18 14 5 0 0 -6 -20 -25 -30 -51 Kommunaler Gesamthaushalt 13 2 -12 -40 -60 3 Kreisfreie und große kreisangehörige Städte -38 -49 -50 Kreisangehöriger davon Landkreise davon Ämter und Raum insgesamt, (Kreisverw altun- Gemeinden gen) Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kassenstatistik; eigene Berechnungen. Dies gilt für alle Ebenen. Der kreisangehörige Raum hat 2015 einwohnerbezogen einen kräftigen Überschuss erzielt, der in seiner absoluten Höhe von den Ämtern und Gemeinden getragen war. Auch die Landkreise (Kreisverwaltungen) waren 2015 leicht im Plus. Besonders auf11 Der kommunale Gesamthaushalt setzt sich aus den kreisfreien und großen kreisangehörigen Städten sowie den Landkreisen bzw. dem kreisangehörigen Raum insgesamt (darunter Kreisverwaltungen, kreisangehörige Städte und Gemeinden sowie Amtsverwaltungen) zusammen. Zu beachten ist, dass sich die einwohnerbezogenen Finanzierungssalden der kreisfreien Städte und des kreisangehörigen Raumes nicht zum Finanzierungssaldo des kommunalen Gesamthaushaltes addieren lassen, da nicht die gleiche Basis verwendet wird. 23 fällig ist die Entwicklung der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte gegenüber dem Vorjahr. Diesen gelang es im Berichtszeitraum, das Pro-Kopf-Defizit des Jahres 2014 von 30 Euro in einen Überschuss von 14 Euro zu verbessern. (61) Der Landkreistag führt in seiner Stellungnahme aus, dass „die Landkreise […] ihre Ausgaben – anders als der sonstige kommunale Raum – weiter reduziert und in den Jahren 2012 bis 2015 durchschnittlich rund 20 % ihrer Planstellen abgebaut“ hätten. Die Landkreise seien effizient aufgestellt und hätten die Grenze der Konsolidierung erreicht. (62) In der nachfolgenden Tabelle 4 werden die Salden der laufenden Rechnung der kom- munalen Gebietskörperschaftsebenen Mecklenburg-Vorpommerns dargestellt. Anhand dieser kann ansatzweise die strukturelle Lage des laufenden Haushaltes bewertet werden. Ferner geben die Salden Auskunft über die Möglichkeit der Kommunen, Investitionen aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Tabelle 4: Salden der laufenden Rechnung der kommunalen Gebietskörperschaftsebenen Mecklenburg-Vorpommerns, 2011-2015, in Euro je Einwohner 2011 2012 2013 2014 2015 in Euro je Einwohner 2011-2015 2014-2015 Veränderung in % Kommunaler Gesamthaushalt Einnahmen 2.119 2.162 2.341 2.386 2.482 Ausgaben 2.071 2.144 2.278 2.319 2.385 15,2% 2,8% 48 18 63 67 97 102,1% 45,5% Saldo der laufenden Rechnung 17,1% 4,0% Kreisfreie Städte und große kreisangehörige Städte Einnahmen 2.295 1.893 2.083 2.119 2.219 -3,3% 4,7% Ausgaben 2.273 1.951 2.026 2.115 2.179 -4,1% 3,0% -57 58 4 39 77,3% 954,7% Saldo der laufenden Rechnung 22 Kreisangehöriger Raum Einnahmen 2.037 2.288 2.463 2.513 2.608 28,0% 3,8% Ausgaben 1.977 2.235 2.397 2.416 2.483 25,6% 2,8% 60 53 66 97 125 108,3% 29,0% Saldo der laufenden Rechnung Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kassenstatistik; eigene Berechnungen. (63) Die gesamte kommunale Ebene Mecklenburg-Vorpommerns erzielte im Jahr 2015 einen positiven Saldo der laufenden Rechnung. Der Überschuss betrug 97 Euro je Einwohner. Im Vergleich zum Vorjahr ist er damit um 30 Euro je Einwohner gestiegen. Damit setzt sich der positive Trend seit 2013 fort. Auch die kreisfreien und die großen kreisangehörigen Städte konnten 2015 mit 39 Euro je Einwohner einen positiven Saldo vorweisen. Im Zeitverlauf ist erkennbar, dass nur im Jahr 2012 bei diesen Städten ein Defizit entstanden war. 24 Der kreisangehörige Raum konnte im Berichtsjahr mit 125 Euro je Einwohner einen kräftigen Überschuss erzielen. Dies entspricht einer Steigerung um 28 Euro je Einwohner. Im Zeitraum von 2011 bis 2015 konnte der kreisangehörige Raum durchweg positive Salden ausweisen, wobei die Entwicklung innerhalb dieser Ebene durchaus unterschiedlich ausfällt (vgl. Tz. 60). (64) Das Finanzministerium führt dazu aus, dass der Saldo der laufenden Rechnung, wie die Tabelle 4 belege, zwar seit 2011 bis auf eine Ausnahme positiv ausfalle. Allerdings würden die Überschüsse, wie Abbildung 14 zeige, nicht bei allen Gebietskörperschaftsgruppen zur Finanzierung von Investitionen ausreichen. Hier sei der laufende Überschuss zu gering, um zusammen mit den investiven Einnahmen den Gesamthaushalt der Gruppe auszugleichen. (65) Der Landesrechnungshof zeigt in der nachstehenden Tabelle 5 die Investitionsaus- gaben der kommunalen Gebietskörperschaftsebenen Mecklenburg-Vorpommerns. Für eine positive wirtschaftliche Entwicklung sind insbesondere wachstumsfördernde Ausgaben der Kapitalrechnung wie die Sachinvestitionsausgaben (Baumaßnahmen und Erwerb von Anlagevermögen) erforderlich. Auf der kommunalen Ebene kommt diesen eine besondere Bedeutung zu, da sie für den Erhalt und den Ausbau der kommunalen Infrastruktur maßgeblich sind. Tabelle 5: Ausgaben der Kapitalrechnung der kommunalen Gebietskörperschaftsebenen Mecklenburg-Vorpommerns, 2011-2015, in Euro je Einwohner 2011 2012 2013 2014 2015 in Euro je Einwohner 2011-2015 Summe Kommunaler Gesamthaushalt Ausgaben der Kapitalrechnung 349 253 278 308 248 1.436 267 211 234 259 230 1.201 darunter: Sachinvestitionen Kreisfreie und große kreisangehörige Städte Ausgaben der Kapitalrechnung 315 220 215 245 228 1.223 193 176 194 194 933 darunter: Sachinvestitionen 176 Kreisangehöriger Raum Ausgaben der Kapitalrechnung 366 269 307 338 257 1.537 309 219 262 290 248 1.328 darunter: Sachinvestitionen Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern; Kassenstatistik, eigene Berechnungen. (66) Die gesamte kommunale Ebene in Mecklenburg-Vorpommern hat im Jahr 2015 Ausga- ben der Kapitalrechnung von insgesamt 248 Euro je Einwohner getätigt. In Relation zum Vorjahr sind die Ausgaben damit um 60 Euro je Einwohner gesunken. Bei den kreisfreien Städten und den großen kreisangehörigen Städten sind sie auf 228 Euro je Einwohner gesunken. Auch der kreisangehörige Raum hat im Gegensatz zum Vorjahr weniger investiert. 2015 wurden 25 257 Euro je Einwohner investiv eingesetzt. Der Rückgang fiel mit 81 Euro je Einwohner besonders stark aus. (67) Die in den vergangenen Kommunalfinanzberichten aufgezeigten Ungleichgewichte bei den aufsummierten Sachinvestitionen bestehen weiterhin. Während die Gemeinden des kreisangehörigen Raumes im Zeitraum 2011 bis 2015 je Einwohner 1.328 Euro investierten, gaben die kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte nur 933 Euro je Einwohner aus. (68) Die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns müssen spätestens seit dem 01.01.2012 ihren Haushalt nach den Regeln der kommunalen Doppik führen. Die Einführung des neuen Haushalts- und Rechnungswesen hat auch dazu geführt, dass Ausgaben, die in der Kameralistik zu den Investitionen gezählt wurden, nun als Sachaufwand verbucht werden. Dies ist Folge einer geänderten Anwendung des Investitionsbegriffs. Zu beachten ist außerdem, dass die hier aus der Kassenstatistik entnommenen Ausgaben für Sachinvestitionen nicht jene Investitionen enthalten, die von Eigenbetrieben und kommunalen Unternehmen sowie Städtebaulichen Sondervermögen getätigt wurden. Infolgedessen können insbesondere die durch die kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte vorgenommen Investitionen unterzeichnet sein, da Investitionen, die in so genannten Extrahaushalten getätigt werden, an dieser Stelle nicht erfasst sind. 3 Die kommunale Finanzwirtschaft im Vergleich (69) Mit dem folgenden Abschnitt wird zunächst ein kurzer Überblick über den Stand des öffentlichen Gesamthaushalts gegeben, um einen Einblick in die finanzielle Situation aller Gebietskörperschaftsebenen Deutschlands zu gewinnen.12 Anschließend wird mit einem Benchmarking gezeigt, in welchen Einnahme- und Ausgabebereichen Unterschiede und welche Verbesserungsmöglichkeiten bestehen. 12 26 Die Entwicklung des öffentlichen Finanzierungssaldos wird an dieser Stelle anhand der Veröffentlichung „Vierteljährliche Kassenergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts“ (Fachserie 14, Reihe 2) des Statistischen Bundesamtes analysiert. Abbildung 15: Finanzierungssalden der Körperschaften des öffentlichen Gesamthaushaltes, 20142015, in Mrd. Euro 22 20 Bund Länder Gemeinden/Gemeindev erbände 21,0 18 in Mrd. Euro 16 14 12 10 8 6 4 2 4,2 3,6 3,2 1,7 0 -0,6 -2 -4 2014 2015 Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14, Reihe 2; eigene Berechnungen. (70) Aus dem Vergleich der Jahre 2014 und 2015 wird deutlich, dass sich die Haushaltslage des Bundes weiter entspannt hat. Obwohl der Bund bereits im Jahr 2014 einen Finanzierungsüberschuss von rd. 3,6 Mrd. Euro erzielte, konnte er diesen 2015 deutlich auf rd. 21 Mrd. Euro steigern. Auch die Länder insgesamt erreichten 2014 mit 1,7 Mrd. Euro und 2015 mit 4,2 Mrd. Euro einen Überschuss. Eine andere Situation ergibt sich für die Gemeinden/Gemeindeverbände. Sie verzeichneten 2014 noch ein Defizit in Höhe von 0,6 Milliarden Euro. Das Jahr 2015 konnten hingegen auch sie mit einem Überschuss (rd. 3,2 Mrd. Euro) abschließen. (71) Dass sich die Finanzlage der kommunalen Ebene insgesamt verbessert hat, zeigt auch Abbildung 16. Insbesondere im Sog der guten konjunkturellen Lage, der robusten Inlandsnachfrage und der hohen Beschäftigung konnten auch die beiden Vergleichsgruppen (FO und FFW) 2015 einen Finanzierungsüberschuss erreichen. 27 Abbildung 16: Finanzierungssalden der Gemeinden/Gemeindeverbände im Ländervergleich, 20002015, in Euro je Einwohner 200 MV FO FFW 150 in Euro je EW 100 50 0 -50 -100 -150 -200 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen. (72) Während sich die Finanzierungssalden der Kommunen in den finanzschwachen West- flächenländern im Zeitraum von 2010 bis 2012 kontinuierlich verbesserten und 2013 mit 3 Euro je Einwohner einen leicht positiven Wert erreicht hatten, musste für den Berichtszeitraum 2014 mit -34 Euro je Einwohner wieder ein Defizit festgestellt werden. 2015 erreichten die FFW mit 31 Euro je Einwohner wieder einen positiven Wert. Die Kommunen der FO weisen seit 2005 kontinuierlich Pro-Kopf-Überschüsse auf. Im Vergleich zum Vorjahr ist dieser von 49 Euro je Einwohner auf 57 Euro je Einwohner in 2015 leicht gestiegen. (73) In Tabelle 6 werden die Einnahmen im Benchmarkvergleich dargestellt. Die Daten werden jeweils als Pro-Kopf-Werte ausgewiesen, um die einzelnen Positionen länderübergreifend vergleichen zu können. Zur Verdeutlichung von potenziellen oder realisierbaren Einsparungen werden für die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns ferner Einnahmen- und Ausgabendifferenziale errechnet. Dabei zeigt eine positive Differenz Mehreinnahmen bzw. -ausgaben und eine negative Differenz Mindereinnahmen bzw. -ausgaben an. 28 Tabelle 6: Einnahmen der Gemeinden/Gemeindeverbände im Ländervergleich, 2015, in Euro je Einwohner Bevölkerung am 30.06.2015 MV FFW FO 1.600.599 15.712.018 10.906.277 Einnahmeart Mehr-(+)/Mindereinnahmen(-) in Euro je Einwohner Einnahmen der laufenden Rechnung FFW FO in Mio. Euro 2.418 2.467 2.298 -77 192 Steuereinnahmen 665 998 714 -532 -77 Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit 176 130 131 74 72 1.282 988 1.127 471 249 Verwaltungs- und Benutzungsgebühren sowie zweckgebundene Abgaben 161 170 184 -15 -37 Einnahmen der Kapitalrechnung 215 144 269 112 -87 31 54 33 -38 -4 155 41 178 181 -37 29 43 22 -21 11 Bereinigte Einnahmen 2.633 2.611 2.567 35 105 nachrichtlich: Zahlungen vom Land 1.437 1.030 1.305 652 212 darunter: Laufende Zuweisungen und Zuschüsse vom Land darunter: Vermögensveräußerungen Vermögensübertragungen vom Land 13 Vermögensübertragungen von anderen Bereichen Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen. (74) Die bereinigten Pro-Kopf-Einnahmen der Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns lagen 2015 mit 2.633 Euro nur knapp über denen der finanzschwachen Westflächenländer bzw. rd. 2,5 % höher als in den übrigen ostdeutschen Flächenländern. Aus der Hochrechnung auf die Einwohnerzahl Mecklenburg-Vorpommerns ergeben sich für 2015 für beide Vergleichsgruppen Mehreinnahmen von 35 Mio. bzw. 105 Mio. Euro. (75) Auffällig sind insbesondere die Zahlungen des Landes Mecklenburg-Vorpommern, wo- nach die kommunale Ebene im Jahr 2015 rd. 1.437 Euro je Einwohner erhalten hat. Im Vergleich mit den finanzschwachen Westflächenländern wird deutlich, dass Mecklenburg-Vorpommern hier rechnerische Mehrausgaben in Höhe von rd. 652 Mio. Euro bzw. in Relation zu den übrigen ostdeutschen Ländern von 212 Mio. Euro leistet. Damit reicht das Land wie in den Vorjahren die höchsten Zahlungen an die Kommunen aus und kompensiert die zum Teil nicht genutzten Spielräume der Kommunen bei den Realsteuern und Entgelteinnahmen auf der Einnahmeseite durch erhöhte Zuweisungen und Zuschüsse. Dies wird besonders gegenüber den übrigen ostdeutschen Ländern deutlich, wenn die hiesigen Steuermindereinnahmen (-77 Mio. Euro) den Mehreinnahmen aus laufenden Zuweisungen und Zuschüssen (+249 Mio. Euro) gegenübergestellt werden. 13 Darunter sind auch investive Zuweisungen und Zuschüsse zu verstehen. 29 (76) Die Finanzbeziehungen zwischen Ländern und Kommunen sind komplex. Dies liegt auch daran, dass Art. 106 Abs. 7 GG nur festlegt, dass die Länder die Kommunen am eigenen Steueraufkommen zu beteiligen haben. In welcher Höhe die Kommunen allerdings an den Landeseinnahmen zu beteiligen sind, ist offen. Diese Regelung bleibt den Ländern überlassen. Die Umsetzung dieser Norm wird hierzulande durch das Finanzausgleichsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (FAG M-V) realisiert. (77) Der Landesrechnungshof hat sich in der Vergangenheit intensiv und kritisch mit dem FAG M-V auseinandergesetzt, Verbesserungsvorschläge unterbreitet und sich stets für eine Reform ausgesprochen. Dass eine solche Reform erforderlich ist, zeigt die finanzwirtschaftliche Entwicklung der unterschiedlichen kommunalen Gebietskörperschaftsebenen. Insgesamt weisen die Kommunen in den letzten Jahren regelmäßig Überschüsse aus (vgl. Tz. 41 ff.). Innerhalb der Ebene stellt sich die Finanzlage jedoch teils sehr unterschiedlich dar. Dies deutet auf ein Verteilungsproblem innerhalb der kommunalen Familie hin. Daneben ist das FAG M-V nur punktuell an die mit Wirkung vom 04.09.2011 in Kraft getretene Kreisgebietsreform angepasst worden. Das FAG M-V sollte dringend und entsprechend des selbst gesteckten Zeitplans mit dem Ziel reformiert werden, die bestehenden finanziellen Ungleichgewichte so gut wie möglich auszugleichen. Dafür sollten nach Auffassung des Landesrechnungshofes die Vorwegabzüge reduziert, die Schlüsselmasse erhöht und damit die Ausgleichsfunktion gestärkt werden.14 Eine Erhöhung der Schlüsselmasse würde bei gleichzeitiger Reduzierung der Förderquoten die Eigenverantwortung der Kommunen bei Investitionen stärken. Eine höhere Beteiligung der Kommunen an den Kosten der Investitionen, die aufgrund der erhöhten Schlüsselmasse möglich wäre, sollte eine stärkere Bedarfsorientierung und Berücksichtigung der Folgekosten mit sich bringen. (78) Bei der Neuregelung des kommunalen Finanzausgleichs sollten auch die Zuweisungen und Zuwendungen, die außerhalb des FAG M-V ausgereicht werden, in den Blick genommen und, sofern nicht sachliche Argumente dagegen sprechen, in die Schlüsselmasse überführt werden. (79) Eine zwingende Notwendigkeit zu einer Erhöhung des vertikalen Finanzausgleichs ergibt sich nach Ansicht des Landesrechnungshofes nicht unmittelbar, weil die kommunale Familie über Jahre überwiegend Überschüsse erwirtschaftet. Sofern also einzelne Kommunen 14 30 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht 2013 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2013, S. 48 ff. Finanzierungsdefizite aufweisen, sollte zunächst die horizontale Finanzmittelverteilung in den Blick genommen werden. (80) Der Landkreistag kritisiert in seiner Stellungnahme diese Ausführungen als „objektiv nicht haltbar und mit Blick auf die Neutralität des Landesrechnungshofs und dessen Kontrollfunktion über den Landeshaushalt fragwürdig“. (81) Der Landesrechnungshof weist darauf hin, dass er gerade aufgrund seiner Kontrollfunktion die Auffassung vertritt, dass die Höhe der Zuweisungen an die kommunalen Gebietskörperschaften einer regelmäßigen und ergebnisoffenen Überprüfung bedarf. Er verweist ferner auf die turnusmäßige Überprüfung der Beteiligungsquote nach § 7 Abs. 3 FAG M-V. Diese hat angesichts der gegenwärtigen Aufgaben- und Ausgabenverteilung zwischen dem Land und den Kommunen keinen Anlass zur Korrektur ergeben. (82) Derzeit wird im Auftrag des Landes ein finanzwissenschaftliches Gutachten zur No- vellierung des vertikalen und horizontalen kommunalen Finanzausgleichssystems erstellt.15 (83) Die Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen sind mit dem FAG M-V jedoch nicht abschließend abgebildet. In Mecklenburg-Vorpommern hat sich ein komplexes Zuweisungssystem mit Zuweisungen innerhalb und außerhalb des FAG M-V ausgebildet.16 Abbildung 17: Zuweisungen und Zuwendungen des Landes Mecklenburg-Vorpommern insgesamt an die Kommunen, 2008-2015, in Mio. Euro 3.000 2.750 2.500 außerhalb des FAG innerhalb des FAG 2.373 2.319 1.035 998 in Mio. Euro 2.250 2.000 1.750 2.248 2.266 1.128 1.183 1.120 1.071 2010 2011 2.334 1.119 2.284 2.378 2.486 1.335 1.068 1.254 1.265 1.216 1.124 1.151 2012 2013 2014 2015 1.500 1.250 1.000 750 1.338 1.321 500 250 0 2008 2009 Quelle: Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern; eigene Berechnungen (Ist-Daten). 15 16 Der Gutachter ist Prof. Dr. Thomas Lenk (Universität Leipzig). Daneben gibt es noch Zuweisungen, die zwar im FAG geregelt sind, jedoch über gesonderte Ansätze im Haushaltsplan des Landes ausgereicht werden und damit nicht Teil der Finanzausgleichsmasse sind. 31 (84) Abbildung 17 zeigt, dass die kommunale Ebene im Jahr 2015 vom Land insgesamt rd. 2,5 Mrd. Euro Zuweisungen und Zuwendungen basierend auf Landes-, Bundes- und Europarecht erhalten hat. Dabei wurden rd. 1,3 Mrd. Euro außerhalb des FAG M-V an die Kommunen ausgereicht. Mehr als die Hälfte der Zahlungen hat die kommunale Ebene damit außerhalb des FAG M-V erhalten. Dieser Umstand ist bei Diskussionen rund um die föderalen Finanzbeziehungen in Mecklenburg-Vorpommern und die Finanzausstattung der Kommunen nicht zu vernachlässigen. (85) Soweit die Finanzausstattung der kommunalen Ebene diskutiert wird, sollte die Ge- samtheit der Finanzströme in den Blick genommen werden und nicht nur der Teil, der innerhalb des FAG M-V ausgereicht wird. (86) Das Sozialministerium stimmt diesen Aussagen ausdrücklich zu. (87) Wie in den Vorjahren schon dargestellt, erzielen die Kommunen Mecklenburg- Vorpommerns einen vergleichsweise geringen Anteil der laufenden Einnahmen aus Steuermitteln. Nur 27,5 % der laufenden Einnahmen stammen aus Steuern, bei den übrigen ostdeutschen Kommunen betrug dieses Verhältnis rd. 31,1 %. Noch wesentlich deutlicher wird die Eigenfinanzierungsschwäche in Bezug auf die Kommunen der finanzschwachen Westflächenländer. Hier beträgt die Quote rd. 40,4 % (vgl. Tabelle 6). (88) In der Tabelle 7 wird durch eine Hochrechnung gezeigt, welche Mehreinnahmen die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns erreicht hätten, wenn die Durchschnittshebesätze an das Niveau der anderen Länder angepasst werden würden. Es wird deutlich, dass durch das Hebesatzrecht die Gemeinden die Möglichkeit besitzen, ihr Steueraufkommen maßgeblich zu beeinflussen. 2015 hatten die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns Realsteuereinnahmen in Höhe von 584 Mio. Euro. 32 Tabelle 7: Gewogene Durchschnitte17 der Hebesätze der kommunalen Realsteuern im Vergleich der Flächenländer, 2015 Grundste uer A Land Hebesatz Rang Grunds teuer B Mehreinnahmen in Mio. Euro bei Hebesatz Hebesatz wie... Rang Gew e rbe s te uer Mehreinnahmen in Mio. Euro bei Hebesatz Hebesatz wie... Rang Sum m e Mehreinnahmen in Mio. Euro bei Hebesatz wie... Mehreinnahmen in Mio. Euro bei Hebesatz wie... -7,3 BW 355 3 3,2 388 10 -9,5 365 11 -1,1 BY 344 4 2,7 386 11 -10,3 375 8 11,9 4,3 BB 298 9 0,2 396 8 -6,2 320 13 -54,9 -60,9 HE 369 2 4,0 444 3 13,3 405 4 48,0 65,2 MV 294 10 412 6 365 10 NI 373 1 4,2 418 5 2,4 397 5 38,5 45,2 NW 265 13 -1,5 538 1 51,2 449 1 101,0 150,7 RP 317 5 1,2 394 9 -7,2 384 7 22,2 16,2 SL 274 12 -1,1 380 12 -12,9 422 2 68,8 54,9 SN 310 8 0,9 490 2 32,0 418 3 63,2 96,1 ST 315 6 1,1 404 7 -2,9 363 12 -3,1 -4,9 SH 314 7 1,1 376 13 -14,6 368 9 3,0 -10,6 TH 291 11 -0,1 421 4 4,0 396 6 36,5 40,3 Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14, Reihe 10.1; eigene Berechnungen. (89) Der Ländervergleich für das Jahr 2015 zeigt, dass bei den Kommunen in Mecklenburg- Vorpommern weiterhin ein unterdurchschnittliches Hebesatzniveau festzustellen ist. So wird bei der Grundsteuer A mit Platz 10 ein hinterer Rang belegt. Ein Mittelfeldplatz (Rang 6) wird hingegen mit dem gewogenen Hebesatz der Grundsteuer B eingenommen. Bei dem Hebesatz für die Gewerbesteuer wird Mecklenburg-Vorpommern mit Platz 10 wieder im hinteren Bereich verortet. Beim Vergleich der Hebesätze der Grundsteuer B zwischen den westdeutschen und ostdeutschen Kommunen ist zu bedenken, dass unterschiedliche Bewertungsvorschriften zwischen Ost- und Westdeutschland dazu führen, dass die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer B in Ostdeutschland grundsätzlich niedriger ausfällt. Sofern identische Pro-Kopf-Einnahmen erreicht werden sollen, müssten die Hebesätze in Ostdeutschland regelmäßig höher sein. (90) Eine Angleichung der Realsteuerhebesätze an das niedersächsische Niveau würde bei- spielsweise rechnerische Mehreinnahmen von 45,2 Mio. Euro jährlich mit sich bringen, sächsische Durchschnittshebesätze sogar 96,1 Mio. Euro jährlich. Auch der Vergleich mit den Kommunen in Thüringen – die ähnliche strukturelle und ökonomische Rahmenbedingungen aufweisen – verdeutlicht, dass die Hebesätze für die Grundsteuer 17 Summe der Istaufkommen ∗100 Gewogene Durchschnittshebesätze werden nach der Formel ermittelt. Da die HebeSumme der Grundbeträge sätze der einzelnen Gebietskörperschaften erheblich differieren, lässt das Realsteuer-Istaufkommen keine Rückschlüsse auf die Steuerkraft einer Gemeinde zu. Um eine vergleichbare Größe zu erhalten, wird für jede Istaufkommen ∗100 Gemeinde und Realsteuerart ein Grundbetrag nach der Formel festgestellt. Hebesatz 33 A und B sowie für die Gewerbesteuer in Mecklenburg-Vorpommern relativ gering sind. Eine Angleichung an das Realsteuerniveau Thüringens würde rechnerische Mehreinnahmen von rd. 40,3 Mio. Euro jährlich generieren. (91) Das Innenministerium stimmt den Ausführungen des Landesrechnungshofes grund- sätzlich zu, dass die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern im Ländervergleich ein unterdurchschnittliches Hebesatzniveau haben und gehalten seien, ihre Hebesätze anzupassen. (92) Das Innenministerium und das Finanzministerium merken an, dass bei der Berechnung eines möglichen Mehreinnahmepotentials durch Anhebung der Hebesätze auch die kleinteilige Gemeindestruktur im Land zu berücksichtigen sei. Derartige Modellrechnungen würden niedrigere Mehreinnahmepotenziale und ein differenzierteres Bild zeigen. (93) Der Landesrechnungshof verkennt nicht, dass die Gemeindestruktur in Mecklenburg- Vorpommern durch Kleinteiligkeit geprägt ist. Gleichwohl erschließt sich nicht, warum kleinere Verwaltungseinheiten je Besteuerungseinheit niedrigere Hebesätze festlegen sollten als größere. Zudem erscheint der Vergleich z. B. mit Thüringen durchaus sachgerecht, da dort eine ebenso große Vielzahl und eine nahezu identische Aufteilung der Gemeinden innerhalb der jeweiligen Größenklassen vorzufinden ist. (94) Abbildung 18 lässt erkennen, dass die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns ihre Realsteuerhebesätze in der Zeit von 2000 bis 2015 zwar insgesamt angehoben haben, die Hebesätze der einzelnen Steuerarten jedoch in unterschiedlichem Maße. Abbildung 18: Gewogene Realsteuer-Durchschnittshebesätze der Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns, 2000-2015, in v. H. 440 420 400 Grundsteuer A Grundsteuer B Gewerbesteuer 380 360 v. H. 340 320 300 280 260 240 220 200 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14, Reihe 10.1; eigene Berechnungen. 34 Seit 2010 wurde der Hebesatz der Grundsteuer A um 26 % angehoben, der Hebesatz der Grundsteuer B um 20,1 % und der Hebesatz der Gewerbesteuer um 8,6 %. Insbesondere bei der aufkommensbedeutsamen Gewerbesteuer ist im Zeitverlauf nur eine moderate Erhöhung ersichtlich. (95) Das Innenministerium verweist in seiner Stellungnahme darauf, dass die Kommunen in den letzten Jahren ihre Hebesätze erheblich angepasst hätten. Die erheblichen Steigerungen der Gewerbesteuereinnahmen seien überwiegend auf Hebesatzanpassungen zurückzuführen. Es führt weiter aus, dass im ersten Halbjahr 2016 die Gemeinden die Hebesätze zur Grundsteuer A in 199 Fällen (Durchschnitt: 303 v. H.) und zur Grundsteuer B in 211 Fällen (Durchschnitt: 368,4 v. H.) angepasst hätten. Die Hebesätze zur Gewerbesteuer seien bis Ende September 2016 in 193 Fällen (Durchschnitt: 330,3 v. H.) angehoben worden. (96) Der Landesrechnungshof begrüßt die Hebesatzanpassungen dieser Gemeinden. Gleich- wohl verweist er darauf, dass in der Gesamtsicht weiterer Anpassungsbedarf besteht. (97) Das Finanzministerium merkt an, dass der gewogene Hebesatz der Grundsteuer A im Land mit 294 v. H. immer noch weit hinter dem der Grundsteuer B mit 412 v. H. zurückliege. Dies komme einer Besserstellung der Zahler von Grundsteuer A, insbesondere der Landwirtschaft, zulasten derer von Grundsteuer B gleich. Mit dem Hebesatz von Grundsteuer B für beide Steuerarten hätten die Gemeinden bei Grundsteuer A in 2015 ein Mehraufkommen von rd. 6 Mio. Euro erzielen können. (98) In Abbildung 19 ist im Ländervergleich dargestellt, in welchen Hebesatzbereichen die Gemeinden ihre Gewerbesteuer-Hebesätze festgelegt haben. Im Bereich von bis zu 350 v. H. häufen sich die Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns. In diesem Bereich liegen 81,1 % der Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns. Eine solche Ballung ist insbesondere für die Gemeinden Thüringens (9,2 %) und Sachsens (1,9 %) nicht festzustellen. Hebesatzerhöhungen bei der Gewerbesteuer sind möglich, weil Standortnachteile für die hiesigen Unternehmen und Unternehmensabwanderungen nicht zu befürchten sind. (99) Zudem ist eine mögliche Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer zu beachten. Die Gemeinden müssen bei der Hebesatzfestlegung bedenken, dass durch die Anhebung des Anrechnungsfaktors auf 3,8 in § 35 Einkommensteuergesetz (EStG) seit dem Veranlagungszeitraum 2008 für Einzelunternehmen und Personengesellschaften bei einem Hebesatz bis zu 400 v. H. im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung in der Regel eine vollständige Anrechnung der Gewerbesteuer erreicht werden kann. 35 Es sollte Ziel aller Ebenen und der Kommunalaufsicht sein, dass Gewerbesteuerhebesätze in Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr unter 400 v. H. festgelegt werden. Abbildung 19: Streuung der gewogenen Hebesätze der Gewerbesteuer im Ländervergleich, 2015, in v. H. 80% Anteil der Gemeinden je Hebesatzgruppe 70% BB MV SN ST TH 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 1–250 251–275 276–300 301–325 326–350 351–375 376–400 401–500 über 500 gewogene Gewerbesteuerhebesätze in v . H. Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14, Reihe 10.1; eigene Berechnungen. (100) Tabelle 8 zeigt die Ausgaben der Kommunen im Benchmarkvergleich. Deutlich er- sichtlich ist, dass die hiesigen bereinigten Pro-Kopf-Ausgaben mit 2.564 Euro rd. 2,1 % über denen der finanzschwachen Westflächenländer, aber rd. 0,6 % unter denen der übrigen ostdeutschen Flächenländern lagen. Hochgerechnet auf die Einwohnerzahl des Landes ergibt sich hieraus für 2014 gegenüber den Kommunen der ostdeutschen Flächenländer ein Ausgabenüberhang von rd. 85 Mio. Euro. Minderausgaben ergeben sich jedoch gegenüber den Kommunen der westdeutschen Vergleichsländer (-25 Mio. Euro). 36 Tabelle 8: Ausgaben der Gemeinden/Gemeindeverbände im Ländervergleich, 2015, in Euro je Einwohner Bevölkerung am 30.06.2015 MV FFW FO 1.600.599 15.712.018 10.906.277 Ausgabenart Ausgaben der laufenden Rechnung Mehr-(+)/Minderausgaben(-) FFW in Euro je Einwohner FO in Mio. Euro 2.378 2.276 2.184 163 311 Personalausgaben 623 672 721 -78 -158 Laufender Sachaufwand 658 518 528 225 209 davon Verwaltungs- und Betriebsaufwand 486 421 425 104 98 davon Erstattungen an andere Bereiche, Zuschüsse an übrige Bereiche, weitere Finanzausgaben 172 96 103 121 111 28 51 22 -36 9 Allgemeine Zuweisungen und Zuschüsse 376 486 327 -175 80 Sonstige Zuweisungen und Zuschüsse für laufende Zwecke 252 299 386 -75 -214 Sozialausgaben 802 754 570 77 372 Ausgaben der Kapitalrechnung 186 304 327 -188 -225 168 248 237 -128 -109 13 32 31 -30 -28 1 16 37 -23 -57 darunter: Zinsausgaben darunter: Sachinvestitionen Zuweisungen und Zuschüsse für Investitionen Gewährung von Darlehen Erwerb von Beteiligungen, Kapitaleinlagen Bereinigte Ausgaben 5 12 26 -11 -33 2.564 2.580 2.511 -25 85 Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen. (101) Beachtenswert sind die vergleichsweise höheren konsumtiven Ausgaben. Während die hiesigen Kommunen insgesamt 2.378 Euro je Einwohner für laufende Aufwendungen ausgaben, war der Wert für die Kommunen der anderen ostdeutschen Länder mit 2.184 Euro je Einwohner deutlich geringer. Auch die Kommunen der finanzschwachen Westflächenländer gaben mit 2.276 Euro pro Kopf weniger aus. Dies hatte rechnerische Mehrausgaben zwischen 163 Mio. Euro (FFW) und 311 Mio. Euro (FO) zur Folge. (102) Auffällig sind auch die Sozialausgaben. Gegenüber den Kommunen der übrigen ostdeutschen Länder betrugen die rechnerischen Mehrausgaben 372 Mio. Euro. Eine konsolidierte Betrachtung für das Jahr 2011 zeigt, dass die Sozialausgaben MecklenburgVorpommerns erhöht sind (vgl. Abbildung 20). Bei dieser Darstellung sind die jeweiligen sozialen Ausgaben eines Landes und seiner Kommunen zusammengefasst. Eine unterschiedliche Aufgaben- und Ausgabenverteilung spielt insoweit keine Rolle. 37 Abbildung 20: Struktur der konsolidierten Ausgaben für Soziale Sicherung im Ländervergleich, 2011, in Euro je Einwohner18 1.600 1.400 in Euro je EW 1.200 1.409 1.345 1.393 1.286 334 1.263 1.317 357 335 382 332 359 326 307 289 198 195 195 196 65 72 64 55 SN ST TH FO 453 378 326 365 314 242 1.000 800 410 410 600 400 200 362 194 195 0 67 MV BB Sonstige soziale Angelegenheiten Förderung der Vermögensbildung Jugendhilf e einschl. Einrichtungen Arbeitsmarktpolitik und Arbeitsschutz Soziale Leistungen f ür Folgen v on Krieg und politischen Ereignissen Familien- und Sozialhilf e, Förderung der Wohlf ahrtspf lege u.ä. Sozialv ersicherung einschl. Arbeitslosenv ersicherung Quelle: ZDL; eigene Berechnungen. (103) Die zusammengefassten Daten zeigen die Abweichungen zwischen den ostdeutschen Ländern auf. Das Land und die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns haben im Jahr 2011 zusammen für den Bereich der Sozialen Sicherung die höchsten Pro-Kopf-Ausgaben geleistet haben. Dabei sind die einwohnerbezogenen Ausgaben Mecklenburg-Vorpommerns zwischen rd. 15 und 146 Euro höher als die der Vergleichsländer. Hochgerechnet auf die Einwohnerzahl Mecklenburg-Vorpommerns im Jahr 2011 ergeben sich daraus Mehrausgaben in Höhe von rd. 25 Mio. Euro respektive 233 Mio. Euro. Es bleibt festzuhalten, dass sowohl die kommunalen Sozialausgaben als auch die konsolidierten Sozialausgaben vergleichsweise erhöht sind. Der Landesrechnungshof hat sich auch deshalb in seinem Sonderbericht nach § 88 Abs. 5 LHO „Kommunale Sozialausgaben“ mit diesen intensiv befasst. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen.19 (104) Sowohl die Sachinvestitionen als auch die Personalausgaben sind in Relation zu den Kommunen der FO und auch der FFW unterdurchschnittlich. Bei den Personalausgaben weist 18 19 38 Bei Berichtslegung lagen die für diese Darstellung erforderlichen Daten bis einschließlich 2011 vor. Bei Fa milien- und Sozialhilfe, Förderung der Wohlfahrtspflege u. ä. sind Ausgaben für Wohngeld/Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, für Sozialhilfe (einschl. Leistungen an Asylbewerber) und soziale Einrichtungen und für Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz enthalten. Die Ausgaben für Grundsicherung für Arbeitssuchende sind unter Arbeitsmarktpolitik und Arbeitsschutz subsumiert. Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2016): Sonderbericht „Kommunale Sozialausgaben“, Drs. 7/128. die kommunale Ebene Mecklenburg-Vorpommerns gegenüber den FO Minderausgaben von 98 Euro je Einwohner bzw. hochgerechnet auf die Bevölkerung des Landes von 158 Mio. Euro auf. Im Vergleich zu den FFW betragen die Personalminderausgaben je Einwohner 49 Euro oder hochgerechnet 78 Mio. Euro. Ob und inwieweit die Minderausgaben auch auf vergleichsweise vermehrte Ausgliederungen aus dem kommunalen Kernhaushalt und zunehmende Übertragung von öffentlichen Aufgaben auf Fonds, Einrichtungen und Unternehmen mit eigenem Rechnungswesen (FEU) zurückzuführen sind, lässt sich der amtlichen Statistik nicht entnehmen, kann jedoch auch ein Erklärungsfaktor sein. (105) Das Finanzministerium merkt in seiner Stellungnahme an, dass die Investitionsschwäche der Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns kritisch zu hinterfragen sei. Daneben führt es in seiner Stellungnahme aus, dass bei der Bewertung der Ausgaben für kommunale Leistungen auf der Grundlage der Statistik Unterschiede im Kommunalisierungsgrad und in der Organisationsstruktur der einzelnen Länder zu beachten seien. Beispielsweise würden in Sachsen-Anhalt Leistungen der Sozialhilfe an Personen in Einrichtungen aus dem Landeshaushalt gezahlt. Vor diesem Hintergrund erscheine die Vergleichbarkeit der Länder in Tabelle 8 nicht gegeben. „Rechnerische Mehrausgaben ohne Untersuchungen der verschiedenen Organisationsstrukturen haben eine eingeschränkte Aussagekraft.“ (106) Der Landesrechnungshof ist sich bewusst, dass sich die Aufgabenwahrnehmung in den einzelnen Ländern unterscheidet. Gleichwohl sieht er in diesem Instrument ein wichtiges Element seiner Betrachtung, um erste Auffälligkeiten und Erkenntnisse zu gewinnen. Eine Bereinigung an dieser Stelle wäre auch nur mit rechnerischen Kommunalisierungsgraden zu bewerkstelligen. Dies wäre methodisch angreifbar. (107) Der Argumentation der unterschiedlichen Aufgabenwahrnehmung in einzelnen Ländern, exemplarisch dargestellt am Beispiel der Sozialhilfe an Personen in Einrichtungen, wird schon durch die konsolidierte Betrachtung begegnet (vgl. Abbildung 20). Hierbei spielt es keine Rolle, welche Ebene die Sozialausgaben in den jeweiligen Ländern zu leisten hat. Der Landesrechnungshof regt an, dass sich die Landesregierung im Rahmen ihrer Möglichkeiten für eine bessere Vergleichbarkeit der Länderdaten untereinander einsetzt. (108) Der Pro-Kopf-Vergleich mit den Kommunen der anderen ostdeutschen Flächenländer sowie mit den finanzschwachen Ländern West zeigt, dass die hiesigen Kommunen ihre Einnahmen noch verbessern und möglicherweise auch Ausgaben senken können. 39 (109) Mit der Kreisgebietsreform 2011 wurde die Zahl der Landkreise von 12 auf 6, die der kreisfreien Städte von 6 auf 2 reduziert. Damit hat Mecklenburg-Vorpommern einen erfolgversprechenden Schritt eingeleitet, um Effizienzpotenziale, Synergien und Größenvorteile zu heben und damit Verwaltungsausgaben zu senken. Bisher wurden die Synergien, die sich aus möglichen Anpassungen durch die Fusionen der Körperschaften ergeben, nicht vollumfänglich realisiert. Die der Kreisgebietsreform zugrunde liegenden Idee, wonach weniger Standorte bei gleichzeitig leistungsfähigerer Verwaltung mit insgesamt weniger Personal Kosten sparen sollten, sollte weiter mit Nachdruck verfolgt werden. Die Kommunen müssen ihre Anstrengungen intensivieren. Das Land sollte mit geeigneten Maßnahmen den Anpassungsprozess beschleunigen. (110) Zum 31.12.2015 gab es laut Statistischem Amt Mecklenburg-Vorpommern 755 Gemeinden. Davon waren 40 Gemeinden amtsfrei und 715 Gemeinden wurden durch Verordnung des Innenministeriums von insgesamt 76 Ämtern verwaltet. Der überwiegende Anteil der Gemeinden verteilt sich auf die Größenklassen 200 bis unter 500 Einwohner (235 Gemeinden), 500 bis unter 1000 Einwohner (245) und 1.000 bis unter 5.000 Einwohner (186). Nur 22 der 755 Gemeinden, also nicht einmal 3 %, wiesen mindestens 10.000 Einwohner auf. Damit wird das selbst gegebene gesetzliche Leitbild der Kommunalverfassung (KV M-V) von Gemeinden mit mindestens 500 Einwohnern nicht eingehalten, da rund 36 % der Gemeinden des Landes weniger als 500 Einwohnern haben (§ 1 Abs. 3 KV M-V). (111) Ämter sind Körperschaften öffentlichen Rechts, welche aus Gemeinden desselben Landkreises bestehen. Sie dienen der Stärkung der gemeindlichen Selbstverwaltung im ländlichen Raum. Die Ämter treten als Träger von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung an die Stelle der amtsangehörigen Gemeinden, soweit die KV M-V es bestimmt oder zulässt. Die KV M-V schreibt vor, dass die Fläche und Einwohnerzahl eines Amtes so zu bemessen sind, dass sie eine leistungsfähige, sparsame und wirtschaftliche Verwaltung unter ehrenamtlicher Leitung ermöglichen. Die örtlichen Verhältnisse sind bei der Ausgestaltung angemessen zu berücksichtigen. Der KV M-V folgend sollen Ämter 8.000 Einwohner oder mehr haben, mindestens jedoch 6.000 Einwohner. Ihnen sollen in der Regel nicht mehr als zehn Gemeinden angehören. (112) Somit enthält die KV M-V klare Sollvorschriften hinsichtlich der Einwohnerzahl, die für eine effiziente Verwaltung mindestens vorhanden sein muss. Von den 76 Ämtern haben 19 40 Ämter jedoch weniger als 8.000 Einwohner. Zwei Ämter haben weniger als 6.000 Einwohner. Somit liegen 19 Ämter unter der empfohlenen einwohnerbezogenen Amtsgröße, zwei Ämter unterschreiten die Mindesteinwohnergröße. (113) Eine Reform der Gemeindestrukturen und/oder eine Funktionalreform, die die Kleinteiligkeit auflöst und gleichzeitig den Besonderheiten der dünnen Besiedlung Rechnung trägt, ist aus Sicht des Landesrechnungshofes erforderlich, um eine auskömmliche Finanzierung der Gemeinden mittel- bis langfristig sicherzustellen. Nach der Kreisgebietsreform 2011 ist es nun Aufgabe des Landes, die Gemeindegebietsstrukturen entsprechend zu ordnen, um deren Funktionsfähigkeit zu sichern. Hierzu sind ein Gesamtkonzept und Vorgaben des Landes notwendig, die über das Gemeinde-Leitbildgesetz20 mit der Förderung freiwilliger Gemeindezusammenschlüsse hinausgehen. (114) Mit Blick auf das Auslaufen des Solidarpaktes II und des Maßstäbegesetzes mit dem Jahr 2019 haben sich Bund und Länder am 14.10.2016 grundsätzlich auf eine Neuordnung ihrer Finanzbeziehungen ab 2020 geeinigt. Dabei wurde der Länderfinanzausgleich in seiner jetzigen Form abgeschafft. Der Bund hat zusätzliche Finanzmittel in Höhe von 9,524 Mrd. Euro zugesagt.21 Im Gegenzug hat er den Ländern eine Reihe von Zugeständnissen – deren Umfang und Auswirkungen noch unklar sind – abverhandelt. Das finanzielle Ergebnis für Mecklenburg-Vorpommern stellt im Vergleich mit der vorausberechneten Situation im Jahr 2019 eine Besserstellung gegenüber dem alten Bund-LänderSystem dar. So wird Mecklenburg-Vorpommern aus Bundessicht und auf Basis der Steuerschätzung im Mai 2016 im Jahr 2020 gegenüber 2019 voraussichtliche Mehreinnahmen in Höhe von 229 Euro je Einwohner (rd. 367 Mio. Euro) verzeichnen. Gleichwohl fallen die Mehreinnahmen von Mecklenburg-Vorpommern im Ländervergleich unterdurchschnittlich aus. 20 21 Vgl. Gesetz zur Einführung eines Leitbildes „Gemeinde der Zukunft“ (Gemeinde-Leitbildgesetz). Den Berechnungen auf Basis der Steuerschätzung Mai 2016 für 2019 liegen folgende Parameter zugrunde: Bund gibt 4,02 Mrd. Euro USt. an die Länder: 1,420 Mrd. Euro dynamisch; 2,60 Mrd. Euro statisch; Umsatzsteuervorwegausgleich entfällt; Einbeziehung der Gemeindefinanzkraft zu 75 %; linearer Ausgleichstarif 63 %, Ausgleichsquote bei den allgemeinen BEZ 80 % der Fehlbeträge an 99,75 % der Ausgleichsmesszahl, Gemeindefinanzkraftzuweisungen, Ausgleich der Fehlbeträge an 80 % zu 53,5 %, SoBEZ-für die Forschungsförderung (181 Mio. Euro), Ausgleich der Fehlbeträge an 95 % zu 35 %; Umwandlung der Entflechtungsmittel in USt.-Anteile; Fortsetzung des GVFG (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz)-Bundesprogramm wird mit einem Volumen von 330 Mio. Euro fortgesetzt; Schuldenhilfen für das Saarland und Bremen mit je 400 Mio. Euro p.a.; Einbeziehung der Förderabgabe zu 33 % (vgl. Bundesfinanzministerium (2016): Beschluss der Bundesregierung – Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystem ab 2020). 41 (115) Unter Beibehaltung des aktuellen FAG M-V würden die Kommunen den größten Nutzen aus den Mehreinnahmen des Landes ziehen, da diese durch den im FAG M-V verankerten Gleichmäßgkeitsgrundsatz bei der aktuellen Beteiligungsquote zu 33,99 % (entspricht rd. 125 Mio. Euro) von den Mehreinnahmen profitieren würden. (116) Das Finanzministerium weist darauf hin, dass die Meinungsbildung innerhalb der Landesregierung zum Ergebnis der neu geregelten Bund-Länder-Finanzbeziehungen, insbesondere zum neuen FAG M-V, noch nicht abgeschlossen sei. Auch die Endfassung des FAG-Gutachtens, das Prof. Lenk derzeit im Auftrag des Landes erstelle, läge noch nicht vor. 4 Kommunale Verschuldung (117) Im nachfolgenden Abschnitt ist die interkommunale Verschuldungssituation Mecklenburg-Vorpommerns und im Ländervergleich dargestellt. Die Schulden werden in Schulden beim öffentlichen und nicht-öffentlichen Bereich sowie in Kassenkreditschulden unterteilt 22. Unter erstere Position fallen Kreditmarktschulden, kreditähnliche Rechtsgeschäfte und Schulden beim öffentlichen Bereich. Diese Kredite werden grundsätzlich für investive Zwecke aufgenommen und sind an die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen geknüpft. Letztere Position – die Kassenkredite – können die Kommunen zur Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe heranziehen. (118) Die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns verzeichneten am 31.12.2015 mit 1.605 Euro je Einwohner gemessen als Summe der Schulden beim nicht-öffentlichen und öffentlichen Bereich den höchsten Schuldenstand unter den ostdeutschen Ländern. Die geringsten Pro-Kopf-Schulden haben die Gemeinden Brandenburgs (879 Euro je Einwohner). Bei den Kassenkrediten im nicht-öffentlichen Bereich hat Mecklenburg-Vorpommern (421 Euro je Einwohner) nach Sachsen-Anhalt (570 Euro je Einwohner) im ostdeutschen Vergleich den zweithöchsten Bestand. (119) Diese Werte stellen den Schuldenstand des kommunalen Gesamthaushalts dar. Es werden dementsprechend neben den Schulden des Kernhaushalts auch die Schulden der kommunalen Extrahaushalte, also der Ausgliederungen mit eigenem Rechnungswesen (öffentliche Fonds, Einrichtungen und Unternehmen) berücksichtigt. Auch wenn diese nicht dem Kern22 42 Das Statistische Bundesamt hat die Schuldenstatistik seit dem Berichtsjahr 2010 geändert. Bei den aufgenommenen Krediten wird nunmehr zwischen „Krediten beim nicht-öffentlichen Bereich“ und „Krediten beim öffentlichen Bereich“ unterschieden. „Der Begriff Kreditmarktschulden wird ab dem Berichtsjahr 2010 nicht mehr verwendet und ist mit dem neuen Begriff ‚Kredite beim nicht-öffentlichen Bereich‘ nur eingeschränkt vergleichbar. Die ‚Schulden beim nicht-öffentlichen Bereich‘ umfassen dabei neben allen Wertpapierschulden die Kredite beim nicht-öffentlichen Bereich sowie die Kassenkredite beim nicht-öffentlichen Bereich.“ (vgl. Statistisches Bundesamt (2014): Fachserie 14, Reihe 5). haushalt zugeschlagen werden, sind diese Verbindlichkeiten den Extrahaushalten der Kommunen zugeordnet. Die Verschuldung des öffentlichen Gesamthaushalts zeichnet somit ein nicht verzerrtes, ganzheitliches Bild der kommunalen Verbindlichkeiten.23 Tabelle 9: Schuldenstand der Gemeinden/Gemeindeverbände im Ländervergleich, 31.12.2015, in Euro je Einwohner Schulden be im öffe ntliche n und nicht-öffe ntlichen Be re ich Stand 31.12.2015, in Euro je EW Rang durchschnittliche Veränderung 2012-2015, p.a. Kas se nk re dite be im nicht-öffe ntlichen Be re ich Stand 31.12.2015, in Euro je EW Rang durchschnittliche Veränderung 2012-2015, p.a. Flächenländer Ost MV 1.605 5 +1,3% 421 4 +2,3% FO 1.456 - +1,2% 271 - +3,3% BB 879 1 -1,6% 304 3 -1,1% SN 1.203 2 -0,1% 25 1 +1,8% ST 1.475 4 -0,7% 570 5 +8,0% TH 1.379 3 +9,2% 76 2 -0,7% Finanzschw ache Flächenländer West FFW 2.331 - +3,3% 734 - -4,7% NI 1.807 2 +1,4% 355 2 -14,6% RP 3.560 4 +6,0% 1.480 3 -0,5% SL 3.477 3 +2,8% 2.126 4 +4,2% SH 1.639 1 +1,9% 241 1 -9,6% Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen. (120) Im Vergleich zu 2012 konnte die kommunale Ebene Mecklenburg-Vorpommerns die Pro-Kopf-Verschuldung nicht verringern. So stieg sie seitdem im jährlichen Durchschnitt um 1,3 %. Die Kommunen Sachsen-Anhalts (-0,7 %) und Brandenburgs (-1,6 %) konnten hingegen Konsolidierungserfolge verzeichnen, indem sie die Pro-Kopf-Verschuldung reduzieren konnten. Die kommunale Ebene Thüringens mit 9,2 % verzeichnet im beobachteten Zeitraum einen nicht unerheblichen Verschuldungsanstieg. (121) Die Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder haben in ihrer Konferenz vom 5. bis 7. Oktober 2015 ihre Empfehlungen für den Einsatz derivativer Finanzinstrumente bei Ländern und Kommunen erweitert. Die modifizierten Empfehlungen enthalten nunmehr auch Hinweise für Fremdwährungskredite der Kommunen.24 23 24 Die erweiterte Darstellung der „Schulden des öffentlichen Gesamthaushaltes“ ist in fortschreitenden Ausgliederungen aus den Kernhaushalten und zunehmender Übertragung von öffentlichen Aufgaben nebst der Schulden auf ihre FEU begründet. Dabei wird keine Unterscheidung hinsichtlich der „Rentierlichkeit“ den auf ihre FEU begründet. Dabei wird keine Unterscheidung hinsichtlich der „Rentierlichkeit“ der aufgenommenen Verbindlichkeiten vorgenommen, z. B. ob die Kreditaufnahme durch profitabel wirtschaftende kommunale Unternehmen oder den Kernhaushalt erfolgt. Das Statistische Amt Mecklenburg-Vorpommern weist zudem darauf hin, dass die .fortschreitenden Ausgliederungen aus den Kernhaushalten und zunehmenden Übertragungen von öffentlichen Aufgaben nebst ihrer Schulden auf Fonds, Einrichtungen und Unternehmen mit eigenem Rechnungswesen (FEU) den Vergleich der Schulden der öffentlichen Haushalte, insbesondere der Länderhaushalte untereinander, zunehmend beeinträchtigt. Der Beschluss der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder Empfehlungen für den Einsatz derivativer Finanzinstrumente bei Ländern und Kommunen sowie für Fremdwährungskredite der Kommunen kann unter www.lrh-mv.de abgerufen werden. 43 Fremdwährungskredite sind nur für die Absicherung eines Wechselkursrisikos sinnvoll, um bei noch ausstehenden Forderungen in einer Fremdwährung den Kredit mit Eingang dieser Forderung zu tilgen und damit das Kursrisiko zu eliminieren. Da die wirtschaftlichen Aktivitäten deutscher Gebietskörperschaften in fremden Währungsräumen gegen Null tendieren dürften, handelt es sich bei den Fremdwährungskrediten ausschließlich um spekulative Geschäfte. (122) Aus Sicht des Landesrechnungshofes sollte die Zulässigkeit von Fremdwährungskrediten vom Gesetz- und Verordnungsgeber grundsätzlich hinterfragt werden. In der Konsequenz sollte dieser den Einsatz generell in geeigneter Form höchstvorsorglich untersagen. (123) Kassenkredite dürfen nur zur vorübergehenden Überbrückung von Liquiditätsengpässen verwendet werden. Eine dauerhafte Nutzung zur Finanzierung von laufenden Ausgaben ist nicht gestattet. Seit der Umstellung der Schuldenstatistik im Jahr 2010 werden auch Kassenkredite zum offiziellen Schuldenstand des öffentlichen Haushalts gezählt. Zuvor wurden sie nur nachrichtlich ausgewiesen. Die Entwicklung der Kassenkredite der Gemeinden und Gemeindeverbände in Mecklenburg-Vorpommern ist weiterhin ansteigend. In Abbildung 21 ist die Entwicklung der Kassenkredite der Gemeinden25 beim nicht-öffentlichen und öffentlichen Bereich seit 2010 dargestellt26. Abbildung 21: Kassenkredite beim nicht-öffentlichen und öffentlichen Bereich der Gemeinden/Gemeindeverbände Mecklenburg-Vorpommerns, 2010-2015, in Mio. Euro 900 800 beim öffentlichen Bereich beim nicht-öffentlichen Bereich 700 732,1 640,3 600 670,8 751,0 42,1 77,0 690,0 674,0 2014 2015 32,4 558,0 in Mio. Euro 509,4 500 400 300 503,8 630,1 638,4 2012 2013 549,2 200 100 0 2010 2011 Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14, Reihe 5; eigene Berechnungen. 25 26 44 Daten umfassen die Kassenkredite der Kern- und Extrahaushalte. Aufgrund der Umstellung der Schuldenstatistik ist in der Zeitreihe ab 2010 ein struktureller Bruch vorhanden, weshalb die Werte der Jahre ab 2010 nicht mit denen der Vorjahre verglichen werden können. Der gesamte Kassenkreditbestand zum Jahresende 2015 betrug rd. 751 Mio. Euro (2014: 732 Mio. Euro). 2015 entfielen davon 674 Mio. Euro auf den nicht-öffentlichen Bereich. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein Rückgang von 16,0 Mio. Euro bzw. 2,3 %. Die Kassenkredite beim öffentlichen Bereich machen mit rd. 77 Mio. Euro nach wie vor einen sehr geringen Anteil am Gesamtbestand aus, steigen aber kontinuierlich. (124) Bezogen auf die absolute Summe der Kassenkredite von rd. 674 Mio. Euro vereinigen in Mecklenburg-Vorpommern 5 Kommunen rd. 83 % dieser Schuldenart auf sich (vgl. Abbildung 22). Abbildung 22: Kommunen mit den höchsten Kassenkreditschulden in Mecklenburg-Vorpommern, 31.12.2015, in Mio. Euro 160 154,3 Kassenkredite 145,5 135,0 140 in Mio. Euro 120 100 76,8 80 60 44,6 40 20 0 VG LH SN HRO NB MSE Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern; eigene Berechnungen. Insbesondere die Landeshauptstadt Schwerin (145,5 Mio. Euro), die Hansestadt Rostock (135 Mio. Euro) und die Stadt Neubrandenburg (76,8 Mio. Euro) verzeichneten zum 31.12.2015 einen hohen Schuldenstand. Die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern sind insoweit nicht flächendeckend mit Kassenkrediten belastet. (125) In Abbildung 23 ist der Schuldenstand unterteilt in die Schulden des Kernhaushalts und die der Eigenbetriebe bei kreisfreien und großen kreisangehörigen Städten sowie Landkreisen (Kreisverwaltung) abgebildet. Diese Schulden haben die Kommunen grundsätzlich für Investitionen aufgenommen. Aussagen über die Rentierlichkeit dieser Investitionen können an 45 dieser Stelle nicht getroffen werden. Hierfür bedarf es einer weitergehenden Analyse, als dies mit Daten der Statistik möglich ist. Es ist erkennbar, dass ein deutlicher Niveauunterschied zwischen den Städten und den Landkreisen existiert. In der Gruppe der kreisfreien und kreisangehörigen Städte ist die Hansestadt Wismar mit 3.598 Euro je Einwohner am höchsten verschuldet, während in der Hansestadt Greifswald die Pro-Kopf-Verschuldung lediglich bei 1.395 Euro je Einwohner liegt. Abbildung 23: Schuldenstand der Kern- und Eigenbetriebe der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte sowie der Landkreise insgesamt, 31.12.2015, in Euro je Einwohner 4.000 3.598 Schulden Eigenbetriebe EUR je Einwohner Schulden Kernhaushalt EUR je Einwohner 3.005 639 2.952 350 976 90 NWM 1.063 VR 655 1.498 1.685 670 1.023 47 1.153 82 446 1.321 217 1.715 1.239 500 1.396 950 1.315 1.000 2.035 1.957 1.954 1.500 2.366 1.859 1.791 2.000 544 1.161 2.500 2.540 in Euro je EW 3.000 1.058 3.500 LUP LRO 0 HWI NB LH SN HRO HST HGW VG MSE Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern; eigene Berechnungen. Auf der Kreisebene hat der Landkreis Vorpommern-Greifswald mit 977 Euro je Einwohner die höchsten Verbindlichkeiten. Der Landkreis Nordwestmecklenburg hingegen ist nur mit 255 Euro je Einwohner verschuldet. 46 III. Aktuelle Themen 1 Schuldenmanagement im kommunalen Bereich Der Landesrechnungshof hat in einer Querschnittsprüfung bei 66 Kommunen Maßnahmen des kommunalen Schuldenmanagements geprüft. Insbesondere das aktuelle Zinsumfeld bietet gute Voraussetzungen für die nachhaltige Senkung der mit den Schulden verbundenen Zinslast. Dazu sind die Möglichkeiten eines aktiven Schuldenmanagements zu nutzen. Dieses wird durch die Kommunen jedoch weitgehend nicht umgesetzt. Die Kommunen sind aufgefordert, ihre Praxis zu überprüfen und sich verstärkt der Instrumente eines aktiven Schuldenmanagements zu bedienen. 1 Vorbemerkungen (126) Prüfungsgegenstand war das kommunale Schuldenmanagement. Dies umfasst Maßnahmen, die die nachhaltige Reduzierung der aus der bestehenden Verschuldung und der geplanten Neuverschuldung resultierenden finanziellen Belastungen (insbesondere Zinslast) zum Ziel haben. Weiterhin sollen mit diesen Maßnahmen finanzielle Risiken begrenzt und die notwendige Liquidität gewährleistet werden. (127) Kommunales Schuldenmanagement kann in passiver oder aktiver Form erfolgen. Beim passiven Schuldenmanagement werden Maßnahmen zur Reduzierung der finanziellen Belastung und Risiken lediglich im Rahmen der Deckung eines aktuellen (Finanz-)Bedarfs und damit situations- bzw. anlassbezogen durchgeführt. Das aktive Schuldenmanagement umfasst darüber hinaus eine umfassende fortlaufende Analyse der bestehenden Belastungen (z. B. Zinslast) und Risiken (z. B. Zinsänderungsrisiken, Risiken im Rahmen der Anschlussfinanzierungen) des gesamten Schuldenportfolios.27 Auf Grundlage dieser Analysen sind Handlungsansätze zur Senkung der Belastungen, zur Gestaltung der Zins- und Tilgungsstruktur sowie zur Begrenzung von Risiken zu definieren. Begleitet wird dies durch laufende Erfolgskontrollen (Entwicklung von Kennzahlen und Benchmarking). Im Ergebnis sind die definierten Ziele und das Schuldenportfolio fortlaufend an die Entwicklung 27 Eine Zusammenfassung zum Schuldenmanagement in dieser Form bietet die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (2014): Management und Risikosteuerung kommunaler Schulden, KGSt-Bericht Nr. 7/2014. 47 der Zinsen, des Kreditangebotes, der Kreditbedingungen und der identifizierten Risiken anzupassen. (128) In der derzeitigen Niedrigzinsphase28 mag das Interesse an Maßnahmen des Schuldenmanagements begrenzt sein. Allerdings bietet das aktuelle Zinsumfeld gute Voraussetzungen zur nachhaltigen Senkung der mit den Schulden verbundenen Zinslast. Deshalb stellt sich in diesem Umfeld die Frage nach einem aktiven Schuldenmanagement in besonderer Weise. Die Kommunen sollten sich zudem auch im Hinblick auf ein steigendes Zinsniveau mit möglichen Maßnahmen des Schuldenmanagements auseinandersetzen. Dies ermöglicht es, schnell und umfassend auf kurzfristige Änderungen am Finanzmarkt zu reagieren und die damit verbundenen Risiken zu begrenzen. (129) Für die Prüfung wurde eine Stichprobe von insgesamt 66 Kommunen29 betrachtet. Die Stichprobe umfasst Kommunen sämtlicher Größenklassen.30 Kriterien zur Bildung der Stichprobe waren insbesondere die statistischen Daten zur Verschuldungssituation und der Einsatz von Finanzderivaten. 2 Höhe der Verschuldung (130) Innerhalb der mit der Stichprobe gebildeten Auswahl von überwiegend hochverschuldeten Kommunen wiesen insbesondere die Kommunen unter 10.000 Einwohner eine vergleichsweise hohe Pro-Kopf-Verschuldung aus Investitionskrediten und Krediten zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit auf. Selbst unter Berücksichtigung spezifischer Gegebenheiten sieht der Landesrechnungshof darin ein Indiz für deren fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit und strukturelle Probleme (kleinteilige Gemeindestruktur). Diese Kommunen sind damit im besonderen Maße auf ein Schuldenmanagement angewiesen, um ihre Verschuldungslasten zu minimieren. 3 Zinshöhe der bestehenden Kreditverträge (131) Die Kommunen sind nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gehalten, Einsparpotenziale bei der Zinsbelastung zu nutzen. Dazu gehören z. B. die Prüfung und die Nutzung wirtschaftlich auszugestaltender Umschuldungen (unter Einrechnung einer 28 29 30 48 Das niedrige Zinsniveau wird durch den niedrigen Stand der Referenzzinssätze zum Prüfzeitpunkt, z. B. des Dreimonats-EURIBOR (Stand 14.11.2016: -0,312 %), verdeutlicht. Die Stichprobe beinhaltete amtsfreie und amtsangehörige Gemeinden, Amtsverwaltungen, große kreisangehörige Städte, Landkreise und kreisfreie Städte. Folgende Größenklassen wurden gebildet: bis 999 Einwohner, 1.000-4.999 Einwohner, 5.000-9.999 Einwohner, 10.000-19.999 Einwohner, 20.000 und mehr Einwohner. Vorfälligkeitsentschädigung und sonstiger Kosten) bei Investitionskrediten im Hinblick auf die aktuelle Zinsentwicklung. (132) Die Zinssätze der Kreditverträge wiesen eine erhebliche Spannweite auf.31 Die Zinsspannen deuten darauf hin, dass zwischenzeitlich ggf. bestehende Einsparpotenziale bei den Zinsaufwendungen nicht durchgehend geprüft und genutzt werden. Entsprechend gab die Mehrzahl der Kommunen im Rahmen der örtlichen Erhebungen an, bislang keine vorfristigen Umschuldungen bei Investitionskrediten unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten geprüft zu haben. (133) Einsparpotenziale bei den Zinsaufwendungen sind von den Kommunen zu prüfen und zu nutzen. 4 Anzahl und Verhältnis von Kreditanfragen/-angeboten (134) Mit der Anzahl und der zunehmenden Reichweite der Abfragen von Angeboten für die erforderlichen Kredite steigen die potentielle Angebotsbreite und die Chancen auf einen günstigen Vertragsabschluss (Zinsen und Nebenkosten). Aus dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ergibt sich daher im Regelfall die Notwendigkeit, mehrere Angebote einzuholen. (135) Aus den Angaben der Kommunen zum Verhältnis der Anzahl der Anfragen zu den daraufhin eingegangenen Angeboten bei den Investitionskrediten wurde deutlich, dass die Kommunen der kleinsten Größenklasse, trotz einer ohnehin geringen Zahl von Angebotsanfragen, die wenigsten Angebote erhalten. Sie weisen das ungünstigste Angebots-Anfragen-Verhältnis auf. Einige Kommunen beschränkten Anfragen von vorneherein auf diejenigen Banken, die erfahrungsgemäß Angebote abgeben. (136) Gerade Kommunen, die Schwierigkeiten haben, mehrere Angebote auf dem Finanzmarkt zu erhalten, sind auf eine besonders intensive Markterkundung angewiesen. Andernfalls besteht die Gefahr, nachteilige Kreditkonditionen akzeptieren zu müssen. Eine grundsätzliche Beschränkung des Kreises angefragter Banken widerspricht diesem Erfordernis. Die Beschränkung führt zudem dazu, dass Veränderungen der Geschäftspolitik von Banken (z. B. die Wiederaufnahme von Kommunalkrediten in das Produktportfolio, Angebote auch für ver31 Erfragt wurden die Zinssätze zum Stichtag 31.12.2014. Diese hängen von dem Zeitpunkt der Kreditaufnahme und der Kreditsumme ab. Der niedrigste Zinssatz bei den Investitionskrediten beträgt 0,281 %, der höchste Zinssatz 10,8 %. Der höchste Zinssatz beläuft sich damit auf mehr als das 38-fache des niedrigsten Zinssatzes. Die Spannweite bei den Krediten zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit reicht von 0,06 % bis 3 %. Der höchste Zinssatz für diese Kredite beläuft sich damit auf das 50-fache des niedrigsten Zinssatzes. 49 gleichsweise niedrige Kreditsummen) und der allgemeinen Marktlage nicht wahrgenommen werden. (137) Der Landesrechnungshof empfiehlt daher den Kommunen, die den Anbieterkreis beschränkt haben, den Kreis der angefragten Anbieter zu erweitern. Im Übrigen ist durch einen regelmäßigen Wechsel angefragter Banken eine Markterkundung zu gewährleisten. (138) Bei den Krediten zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit zeigen Kommunen mit einer hohen Zahl von Abfragen, dass sich der mit der Angebotsabfrage verbundene Aufwand durch die Erlangung vorteilhafter Konditionen wirtschaftlich lohnt. Die eventuelle Notwendigkeit einer kurzfristigen Mittelbereitstellung steht einer umfassenden Angebotsabfrage nicht entgegen. Dies wurde im Rahmen der örtlichen Erhebungen bestätigt. Die Kommunen wiesen außerdem darauf hin, dass die Banken z. T. auf entsprechende Angebotsabfragen mitteilen würden, einen Kredit zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit nur bis zu einer bestimmten Höchstgrenze vergeben zu wollen. (139) Der Landesrechnungshof empfiehlt vor diesem Hintergrund, die Kredite zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit hinsichtlich ihrer Höhe, Laufzeit und Anzahl so zu strukturieren, dass Risiken im Rahmen der Anschlussfinanzierung32 begrenzt werden. 5 Beobachtung der Zinsentwicklung (140) Zinsänderungen am Finanzmarkt können z. B. durch auslaufende Zinsbindungsfristen, variable Zinssätze, bevorstehende Kreditaufnahmen und Umschuldungen unmittelbare Auswirkungen auf die mit den Kreditverträgen verbundene Zinslast haben. Die Beobachtung der Zinsentwicklung und der Abgleich mit den bestehenden Zinskonditionen dient u. a. dazu, die Möglichkeiten der Anpassung des Kreditportfolios prüfen und dessen Entwicklung planen zu können. (141) Bei der deutlichen Mehrheit der Kommunen mit Investitionskrediten findet ein Abgleich der Zinsentwicklung mit bestehenden Verträgen nur anlassbezogen (z. B. im Rahmen einer anstehenden Umschuldung oder am Ende der Zinsbindung) statt. Dies spricht für ein lediglich passives Schuldenmanagement. Mit Blick auf die möglichen Auswirkungen auf die Zinslast ist dieses Ergebnis bedenklich. (142) Kredite zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit bergen auf Grund ihrer kurz- und mittelfristigen Laufzeiten regelmäßig ein hohes Zinsänderungsrisiko. Deshalb kommt der fortlau32 50 Das Risiko betrifft die Frage, ob und in welcher Höhe Angebote erfolgen und ob diese ausreichen, den Bedarf zu decken. Ein weiteres Risiko betrifft die Konditionen dieser Angebote. fenden Beobachtung der aktuellen Zinsentwicklung eine besondere Bedeutung zu. Bei der Mehrheit der Kommunen erfolgt ein Abgleich der Zinsentwicklung regelmäßig, bei einem erheblichen Anteil (38,7 %) jedoch nur anlassbezogen. (143) Die Kommunen sollten die Zinsentwicklung bei allen bestehenden Verträgen beobachten und abgleichen. Je nach Umfang und Struktur des Schuldenportfolios sowie den aktuellen Entwicklungen auf den Finanzmärkten sollte ein regelmäßiges Intervall der Überprüfungen gewählt werden. 6 Bewertung der Risiken von Zinsänderungen (144) Ein aktives Schuldenmanagement beinhaltet die Analyse und Bewertung vorhandener und zukünftiger Risiken. Die Bewertung der Zinsänderungsrisiken erstreckt sich auf das gesamte Schuldenportfolio (Investitionskredite und Kredite zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit) sowie anstehende Finanzierungen und Umschuldungen. Soweit angesichts des Umfangs des Schuldenportfolios notwendig, sollte der Einsatz von Software-Lösungen zur Vereinfachung und Sicherung der Analyse- und Bewertungsqualität geprüft werden. (145) 85 % der Kommunen gaben an, keine regelmäßige Bewertung der Zinsänderungsrisiken vorzunehmen. (146) Die fehlende Regelmäßigkeit und der Verzicht auf eine bewusste Bewertung der Risiken von Zinsänderungen birgt die Gefahr, dass diese nicht umfassend identifiziert und keine rechtzeitigen Maßnahmen zur Risikominimierung getroffen werden. Dies kann zu einer höheren Zinslast führen. (147) Den Kommunen wird eine regelmäßige Analyse und Bewertung des Schuldenportfolios hinsichtlich bestehender und zukünftiger Risiken empfohlen. Den identifizierten Zinsänderungsrisiken ist durch eine entsprechende Gestaltung des Schuldenportfolios entgegenzuwirken (z. B. Minimierung von Klumpenrisiken). Art, Umfang und Inhalt der geeigneten Maßnahmen hängen dabei wesentlich von den konkreten Rahmenbedingungen der jeweiligen Kommune ab. Der Einsatz einer entsprechenden Software ist im Einzelfall zu prüfen. 51 7 Strategische Ausrichtung des Schuldenportfolios (148) Im Rahmen eines aktiven Schuldenmanagements sollte das gesamte Portfolio mit Zielvorgaben versehen und strategisch gesteuert33 werden. (149) Überwiegend wurde von den Kommunen angegeben, dass eine strategische Ausrichtung und Steuerung des Schuldenportfolios nicht erfolgt. Dabei wird zum Teil auf ein vergleichsweise kleines Schuldenportfolio, die aktuelle Marktlage oder die geübte Praxis (z. B. Aufnahme von Krediten vorrangig bei der öffentlichen Hand, Aufnahme ausschließlich von Festzinskrediten mit langer Laufzeit etc.) verwiesen. Nur in einer Kommune lag ein Strategiepapier vor. (150) Der Landesrechnungshof empfiehlt den Kommunen, die Einführung von individuellen Regelungen und Zielvorgaben für das Schuldenportfolio unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten zu prüfen. Deren Einhaltung ist zu überwachen. Diese Prüfung bietet gleichzeitig Anlass, die geübte Verwaltungspraxis kritisch zu hinterfragen und zu optimieren. 8 Dienstanweisungen zum Kreditmanagement (151) Für die Aufnahme von Krediten sollte nach Bedarf und örtlichen Gegebenheiten eine Dienstanweisung34 erlassen werden. Diese regelt Einzelheiten zum Verfahren (Zuständigkeit, Ablauf, Dokumentation, Beachtung einer strategischen Ausrichtung) der Kreditaufnahmen. (152) In keiner der geprüften Kommunen liegt eine entsprechende Dienstanweisung vor. Einige der geprüften Kommunen erklärten bereits im Rahmen der örtlichen Erhebungen, die Anregung des Landesrechnungshofes aufnehmen zu wollen. 9 Aktenführung (153) Jede Kreditaufnahme sollte in einer separaten Kreditakte dokumentiert werden. Diese muss zur Einhaltung der Aktenmäßigkeit35 chronologisch nachfolgende Punkte umfassen: 33 34 35 52 Eine strategische Steuerung beinhaltet die individuelle Festlegung von Zielen zur effizienten Ausrichtung der Struktur des Schuldenportfolios und zur Optimierung des Verhältnisses von Zinsaufwand und Risiko. Zur Umsetzung und Kontrolle der Ziele sind entsprechende Limits und Kennzahlen einzusetzen. Vgl. dazu auch Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (2014): Management und Risikosteuerung kommunaler Schulden, KGSt-Bericht Nr. 7/2014, S. 24 ff. Entsprechende Musterdienstanweisungen des Deutschen Städtetages, welche an die spezifischen Anforderungen anzupassen sind, können unter http://www.staedtetag.de/fachinformationen/finanzen/074633/index.html abgerufen werden. Der Grundsatz besagt, dass Stand und Entwicklung eines Vorganges bzw. einer Angelegenheit stets aus den Akten hervorgehen muss. Er gewährleistet u. a. die Kontrolle des Verwaltungshandelns. • Entscheidungsfindung über den Geschäftsabschluss (Feststellung des Kreditbedarfs und Festlegung der Bedingungen, zu denen Angebote eingeholt werden [z. B. Festzins und Zeitraum der Zinsbindung]) • Angebotseinholung, Angebotsauswertung und Vergabe • Vertragsunterlagen, Schriftverkehr, Zahlungs- und Saldenmitteilungen der Bank • Buchungs- und sonstige Unterlagen. Soweit Umschuldungen vorgenommen werden, ist bei Neuanlage einer Kreditakte sicherzustellen, dass sowohl in die abgeschlossene als auch in die neu angelegte Kreditakte gegenseitige Verweise aufgenommen werden. Um lückenhafte Dokumentationen zu vermeiden und eine einheitliche, vollständige, transparente und chronologische Darstellung zu gewährleisten, sollten Formblätter verwendet werden. (154) Im Rahmen der örtlichen Erhebungen wurde vereinzelt festgestellt, dass die vorgenannten Grundsätze nicht durchweg eingehalten werden. So wurde z. B. in einer Kommune eine Akte bis zum Beschluss über den Vertragsabschluss und eine weitere Akte für die Vertragslaufzeit angelegt. Dokumentationen der Entscheidungsfindung über den Geschäftsabschluss waren in den vorgelegten Akten regelmäßig nicht enthalten. (155) Zur Gewährleistung einer geordneten Aktenführung und einer einheitlichen Handhabung von Kreditakten empfiehlt der Landesrechnungshof den Erlass entsprechender Regelungen. Dies kann auch im Rahmen der oben genannten Dienstanweisung zum Kreditmanagement (vgl. Tz. 151) erfolgen. Die Verwendung einheitlicher Formblätter wird angeregt. 10 Einbeziehung der Schulden außerhalb des Kernhaushalts in das Schuldenmanagement (156) Kredite werden auch durch kommunale Ausgliederungen wie z. B. Eigenbetriebe und Eigengesellschaften aufgenommen. Erst eine Gesamtbetrachtung der Schulden des Kernhaushalts und dieser Ausgliederungen ermöglicht es, Risiken für den Haushalt der Kommune umfassend zu erkennen und abgestimmte Maßnahmen zur Risikominimierung einzuleiten. Darüber hinaus können die Chancen eines gebündelten Kreditmanagements geprüft und auf diese Weise Synergieeffekte (z. B. beim Personaleinsatz und durch bessere Kreditkonditionen) identifiziert und realisiert werden. 53 (157) Auf Nachfrage gab die Mehrzahl der Kommunen mit Eigenbetrieben und Eigengesellschaften an, dass die für das Schuldenmanagement zuständige Stelle ausschließlich das Schuldenportfolio des Kernhaushaltes betrachtet. (158) Der Landesrechnungshof empfiehlt den Kommunen, eine Zentralisierung des Schuldenmanagements zu prüfen. 11 Liquiditätsmanagement (159) Innerhalb des sog. Konzerns Kommune36 sollten Möglichkeiten der Inanspruchnahme von konzerneigenen Mitteln zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen geprüft werden. Die Vorteile dieses Vorgehens liegen in einer damit verbundenen Zinsoptimierung. (160) Teilweise wird die Inanspruchnahme interner Mittel insbesondere im Verhältnis von Kernhaushalt zu Eigenbetrieb geprüft und durchgeführt. Sofern davon abgesehen wird, wurde dies mit der gegenwärtigen Marktlage begründet. (161) Der Landesrechnungshof empfiehlt den Kommunen, die Möglichkeiten der Inanspruchnahme interner Mittel zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen eingehend und umfassend zu prüfen und die entsprechenden rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen. Durch diese Maßnahmen wird die Abhängigkeit vom Finanzmarkt reduziert und damit etwaigen Schwierigkeiten bei der Beschaffung liquider Mittel vorgebeugt. (162) Einen Sonderfall bildet die gegenseitige Inanspruchnahme liquider Mittel von amtsangehörigen Gemeinden innerhalb eines Amtes. Hier bestehen – auch nach Einschätzung und Auskunft der Ämter selbst – Unsicherheiten und Anleitungsbedarf. Der Wunsch nach Klärung der Rahmenbedingungen durch das Innenministerium wurde geäußert. (163) Das Innenministerium wird gebeten, eine Aktualisierung und Ergänzung des einschlä- gigen Erlasses zur Kassenführung der Ämter, amtsangehörigen Gemeinden und Einrichtungen37, auch unter Berücksichtigung des Zeitablaufs und der Einführung des NKHR M-V, zu prüfen. 36 37 54 Sind ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst, so bilden sie einen Konzern. Der Begriff „Konzern Kommune“ bezeichnet in Anlehnung an dieses Begriffsverständnis die z. T. durch die Ausgliederungen kommunaler Aufgabenbereiche entstandenen konzernähnlichen Strukturen. Die Kernverwaltung stellt hierbei das herrschende Unternehmen dar. Die Ausgliederungen (d. h. kommunale Unternehmen und Einrichtungen) sind mit den abhängigen Unternehmen vergleichbar. Erlass des Innenministeriums vom 19. Januar 2007 zur Kassenführung der Ämter, amtsangehörigen Gemeinden und Einrichtungen, Az.: II 320-174.4.1. 12 Interkommunale Zusammenarbeit (164) Wie die Ergebnisse zeigen, ist ein aktives Schuldenmanagement (vgl. Tz. 127) aufgrund seiner Komplexität für kleine Kommunen nur unter Schwierigkeiten umsetzbar. Dies ist auf deren mangelnde Verwaltungskraft38 zurückzuführen. Durch eine interkommunale Zusammenarbeit könnten Synergieeffekte und Leistungsverbesserungen erzielt werden. (165) Nur eine Kommune gab eine anlassbezogene Zusammenarbeit an. Damit bleiben Möglichkeiten der Kooperation im Bereich des Schuldenmanagements ungenutzt. (166) Der Landesrechnungshof regt eine interkommunale Zusammenarbeit im Bereich des (aktiven) Schuldenmanagements an, um dessen breiteren Einsatz und eine weitergehende Professionalisierung zu ermöglichen. 13 Erlasslage zur Kreditwirtschaft (167) Im Hinblick auf die Kreditwirtschaft der Kommunen ist ein einschlägiger Erlass des Innenministeriums zuletzt im Jahr 1992 ergangen.39 (168) Dieser Erlass ist an die aktuelle Rechtslage anzupassen. (169) Das Innenministerium teilte mit, dass diese Anregung in die Arbeitsplanung 2017 aufgenommen werde. (170) Der Landesrechnungshof begrüßt dies und regt mit Blick auf seine Prüfungsergebnisse zudem nachdrücklich an, das Erfordernis eines (aktiven) Schuldenmanagements in den Erlass aufzunehmen. Die Kommunen sollten dazu angehalten werden, beim Kreditabschluss und während der Kreditlaufzeit fortlaufend auf die Zinsentwicklung und auf eine ausgewogene Strukturierung des Schuldenportfolios zu achten. Damit kann auf Zinsänderungsrisiken bzw. -chancen unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkten reagiert werden. (171) Angesichts der hohen Risiken und des spekulativen Charakters von Fremdwährungskrediten sollte deren Aufnahme präventiv ausdrücklich untersagt werden.40 (172) Das Prüfungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. 38 39 40 Eine ausreichende Verwaltungskraft bedarf leistungsfähiger Verwaltungsstrukturen. Die Verwaltungskraft zeigt sich daher u. a. in ausreichenden personellen und sächlichen Voraussetzungen für die Aufgabenerledigung, d. h. auch in einer hinreichend spezialisierten Verwaltung. Erlass vom 27. April 1992 zur Kreditwirtschaft der Gemeinden, AmtsBl. M-V 1992, S. 426. Vgl. Beschluss der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder in ihrer Konferenz vom 05. bis 07.10.2015 („Empfehlungen für den Einsatz derivativer Finanzinstrumente bei Ländern und Kommunen sowie für Fremdwährungskredite der Kommunen“). Dieser Beschluss ist im Internet unter www.lrh-mv.de/Veröffentlichungen/Gemeinsame-Dokumente-der-Rechnungshöfe/ abrufbar. 55 2 Kommunale Abwasserwirtschaft Die wirtschaftliche Lage der Abwasserentsorgungsunternehmen in Mecklenburg-Vorpommern ist unterschiedlich. Insgesamt ist die Lage der Unternehmen von „gut“ bis „besorgniserregend“ einzuschätzen. Der Landesrechnungshof hat für 46 von insgesamt 55 prüfungspflichtigen kommunalen Abwasserwirtschaftsunternehmen des Landes auf Grundlage betriebswirtschaftlicher Kennzahlen für die Geschäftsjahre 2013 und 2014 eine Prognose zur wirtschaftlichen Entwicklung getroffen. Danach ist bei fünf Unternehmen wahrscheinlich, dass sich die wirtschaftliche Lage signifikant verschlechtern wird. Angesichts niedriger Eigenkapitalquoten, sehr hoher Investitionsquoten, hoher Aufwandsquoten oder geringer Auslastungsgrade wird eine wirtschaftliche Gesundung dieser Unternehmen nicht bzw. nicht zu auf Akzeptanz stoßenden Gebühren möglich sein. Zehn Unternehmen der kommunalen Abwasserwirtschaft müssen nach Ausweis ihrer betriebswirtschaftlichen Kennzahlen geeignete Maßnahmen ergreifen, um eine signifikante Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage zu vermeiden. Sie werden vor allem zukünftig kostendeckende Gebühren unter Ausnutzung der durch das Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern eröffneten Spielräume erheben müssen. 1 Ziele und Methoden der Prüfung 1.1 Ziele der Prüfung (173) Ziel der Prüfung war, eine hinreichend konkrete Aussage zur zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung der Abwasserunternehmen zu treffen. Ausgehend von der derzeitigen wirtschaftlichen Situation sollte die Frage beantwortet werden, ob die betrachteten Unternehmen mittel- und langfristig ohne Zuwendungen der Einrichtungsträger und mit „vertretbaren“ Gebührenerhöhungen wirtschaften können. Im engeren Fokus waren dabei die Unternehmen, bei denen die Auswertung der Jahresabschlussprüfungsberichte schon aktuell eine „schwierige“ wirtschaftliche Lage ergab oder die Prognosen in den Lageberichten zukünftige wirtschaftliche Probleme erwarten lassen. Aus der heutigen Kosten- und Vermögensstruktur sollten Erkenntnisse abgeleitet werden, ob es durch die demografische Entwicklung oder die Änderung der technischen oder rechtlichen Rahmenbedingungen zu einem Anstieg der Kosten kommt und wie sich dadurch die Gebühren tendenziell entwickeln. Es sollte in der Prüfung auch festgestellt werden, welchen Einfluss be- 56 stimmte Kosten auf die Gebührenhöhe haben und ob die Abwasserunternehmen gezielt auf die Kostenhöhe Einfluss nehmen können. 1.2 Prüfungsmethodik (174) Der Landesrechnungshof griff für die Erkenntnisse auf seine Prüfungstätigkeit im Rahmen der Begleitung von Jahresabschlussprüfungen nach Abschnitt III Kommunalprüfungsgesetz, einzelne eigene Prüfungen sowie auf einschlägige Kennzahlen zurück. (175) In den Prüfungsberichten zur Jahresabschlussprüfung wurden ab dem Wirtschafts-/Geschäftsjahr 2011 folgende Kennzahlen erhoben: • Personalaufwandsquoten (Anteil Personalaufwand an den Umsatzerlösen), • Materialaufwandsquoten (Anteil Materialaufwand an den Umsatzerlösen), • Verwaltungskostenquoten (Anteil Verwaltungskosten an den Umsatzerlösen), • Abschreibungsquoten (Anteil Abschreibungen an den Umsatzerlösen), • Investitionsquoten (Investitionen je Einleiter), • Auslastungsgrade (eingeleitete Abwassermenge/Kapazität der Anlagen) und • Finanzierungskennziffern (Eigenkapitalquote, langfristige Finanzierung von langfristigem Vermögen). (176) Geprüft wurden Eigenbetriebe, Zweckverbände und Kapitalgesellschaften. Von den 55 prüfungspflichtigen Unternehmen der Abwasserwirtschaft wurden für 46 Unternehmen die Kennzahlen untersucht. Nicht in die Prüfung einbezogen wurden die Abwasserwirtschaftsunternehmen der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte. Diese sind in weitaus geringerem Maße von der zu erwartenden demografischen Entwicklung betroffen als die Unternehmen im ländlichen Raum. (177) Die Abschreibungsquoten stehen im engen Zusammenhang mit den Investitionsquoten je Einleiter und den Auslastungsgraden. Mit den Abschreibungen werden die Gesamtkosten der Investition über die Laufzeit der Anlagen auf die einzelnen Einleiter verteilt. Bei den Investitionsquoten wurden sowohl die gesamten Investitionskosten der Abwasserreinigungsanlagen je Einleiter als auch die Restbuchwerte der Abwasserreinigungsanlagen je Einleiter betrachtet. Die Restbuchwerte ergeben sich als Differenz aus den ursprünglichen Herstellungs-/Anschaffungskosten abzüglich der bisher vorgenommenen Abschreibungen. 57 Aus den Restbuchwerten je Einleiter können deshalb Rückschlüsse auf die Restnutzungsdauer (Altersgrad) der Anlagen und den Zeitpunkt möglicher Erneuerungsinvestitionen gezogen werden. 2 Ausgangslage 2.1 Demografische Entwicklung (178) Bei der prognostischen Beurteilung der wirtschaftlichen Entwicklung der Wasser- und Abwasserunternehmen werden die Erkenntnisse über die demografische Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern bis 2030 verwendet. Die 4. Landesprognose zur Bevölkerungsentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern bis zum Jahr 2020 geht von einem Rückgang der Einwohnerzahlen von 1,72 Mio. in 2011 auf 1,51 Mio. aus. Die Wanderungsverluste wirken sich nur zu 27 % aus; mit 73 % weit stärker wirkt der Sterbeüberschuss. Im Jahr 2030 werden 25 % der Einwohner 65 Jahre und älter sein.41 (179) Der Bevölkerungsrückgang liegt in den einzelnen Landkreisen bis zum Jahr 2020 zwischen rd. 4 und 8 %, bis zum Jahr 2030 zwischen rd. 9 und 20 %. Der höchste Bevölkerungsrückgang wird für den Landkreis Mecklenburgische Seenplatte mit rd. 20 % prognostiziert; gefolgt von den Landkreisen Rostock und Vorpommern-Rügen mit jeweils rd. 13 %. Tabelle 10: Bevölkerungsprognose in Mecklenburg-Vorpommern (Landkreise) Landkreis Zensus 2011 Prognose 2020 EW Prognose 2030 in % EW in % Mecklenburgische Seenplatte 266.593 245.089 -8,07 213.406 -19,95 Rostock 211.863 203.696 -3,85 185.311 -12,53 Vorpommern-Rügen 224.751 215.304 -4,20 195.481 -13,02 Nordwestmecklenburg 156.004 154.042 -1,26 147.517 -5,44 Vorpommern-Greifswald 240.971 234.246 -2,79 223.871 -7,10 Ludwigslust-Parchim 213.577 205.872 -3,61 195.226 -8,59 Quelle: Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung, aktualisierte 4. Landesprognose zur Bevölkerungsentwicklung in MecklenburgVorpommern; eigene Berechnungen. (180) Insbesondere im ländlichen Raum ist mit weniger Einwohnern und rückläufigen Wasser- und Abwassermengen zu rechnen. Neben der negativen demografischen Entwicklung existiert eine seit Jahren anhaltende Wanderungsbewegung vom ländlichen in den urbanen Raum. Sollte eine Anpassung der Entsorgungskapazitäten nicht möglich sein, könnte dies zwangsläufig zu einem Anstieg der Kosten führen. Der Landesrechnungshof hat in seinen Prü- 41 58 Aktualisierte 4. Landesprognose zur Bevölkerungsentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern bis 2030 vom 03.12.2012; Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung. fungen im Bereich der Abwasserentsorgung festgestellt, dass auch bei einer aus betriebswirtschaftlicher Sicht sinnvollen Zusammenlegung (altersbedingtes Ausscheiden von Mitarbeitern, günstigere Organisationsstruktur) und bei Vorliegen aller notwendigen Voraussetzungen (Planungsrechnungen, Entwürfe von Satzungen, Kalkulation der Gebühren) eine Fusion am fehlenden politischen Willen der Mitglieds- und Trägerkommunen gescheitert ist (z. B. die geplante Fusion zwischen dem Zweckverband „Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung – Festland Wolgast“ und dem Zweckverband „Wasser/Abwasser Boddenküste“).42 Bei einer weiter anhaltenden negativen demografischen Entwicklung bedürfen die Organisations- und Planungsstrukturen jedoch einer genauen Überprüfung. 2.2 Wirtschaftliche Lage der Unternehmen (181) Die wirtschaftliche Lage der Wasser- und Abwasserunternehmen in Mecklenburg-Vorpommern ist unterschiedlich. Es existieren neben kleinen Eigenbetrieben große Zweckverbände. Zum Teil wurden die technischen und/oder kaufmännischen Aufgaben auf externe Dienstleister übertragen. Die Bedingungen zwischen dem ländlichen und dem urbanen Raum sowie zwischen den Fremdenverkehrsgebieten und Gebieten ohne Tourismus unterscheiden sich erheblich. Auch die Anfang bis Mitte der 90er Jahre getätigten Investitionen waren sehr unterschiedlich, je nach vorhandenem Anschlussgrad und dem Zustand der Abwasseranlagen. In einigen Gegenden erwiesen sich die ursprünglichen Planungen wegen der negativen demografischen Entwicklung und dem Wegbrechen von Großabnehmern/-einleitern als überdimensioniert. 2.3 Entwicklung der Schmutzwassermengen und Gebühren (182) Die eingeleiteten Schmutzwassermengen sind seit einigen Jahren nicht mehr rückläufig. Bezogen auf eine durchschnittliche Einleitung von 90 m³ je Jahr 43 betragen die durchschnittlichen Schmutzwassergebühren (Grund- und Verbrauchsgebühr) ca. 360 Euro im Jahr. Die Streuung der Gebührenhöhe ist sehr hoch. Sie reicht von ca. 290 Euro/Jahr bis zu über 500 Euro/Jahr. Die aktuelle Höhe der Gebühren wird auch durch die Höhe der erhobenen Anschlussbeiträge beeinflusst. (183) Die Einrichtungen der Abwasserentsorgung in Fremdenverkehrsgebieten zeichnen sich durch eine hohe Auslastung bis an die Kapazitätsgrenze in den Sommermonaten und sehr geringe Auslastung in den Wintermonaten aus. Nach den in der Prüfung gewonnenen Erkennt42 43 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht 2013 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2013, S. 133 ff. Durchschnittliche Menge eines Haushaltes pro Jahr in Mecklenburg-Vorpommern. 59 nissen sind diese Schwankungen technisch „beherrschbar“. Insgesamt ist die wirtschaftliche Lage dieser Unternehmen durch die hohe Auslastung als gut zu bezeichnen. 2.4 Fördermittel (184) Die wirtschaftliche Lage der Wasser- und Abwasserunternehmen ist durch die im enormen Umfang ausgereichten Fördermittel verzerrt. Da in einem großen Umfang zentrale Abwasserentsorgungskonzepte umgesetzt wurden, sind erhebliche Mittel im Leitungsnetz „gebunden“. Für einige Wasser- und Abwasseranlagen sind kurz- oder mittelfristig Investitionen notwendig, da die Technik veraltet ist oder die übliche Nutzungsdauer erreicht hat. Bei diesen Investitionen spielen sowohl die zukünftigen Konzepte (zentral oder dezentral) als auch die Finanzierung dieser Investitionen eine entscheidende Rolle. 2.5 Kostendeckungsprinzip (185) Bei der Gebührenerhebung ist das Kostendeckungsprinzip zu berücksichtigen. Dies folgt u. a. auch aus § 6 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V). Das Prinzip der Kostendeckung umfasst sowohl ein Kostendeckungsgebot als auch ein Kostenüberschreitungsverbot. Nach dem Kostendeckungsgebot soll das kalkulierte Gebührenaufkommen die kalkulierten Kosten der öffentlichen Einrichtung decken. Das Kostenüberschreitungsverbot besagt, dass die kalkulierten Gebühren die Kosten der öffentlichen Einrichtung nicht überschreiten sollen. Gebührenüberdeckungen müssen in den Folgekalkulationen ausgeglichen werden. Gemäß § 6 Abs. 2 b KAG M-V gehört zu den in der Gebührenkalkulation ansatzfähigen Kosten auch eine angemessene Verzinsung des aufgewandten Kapitals. Bei Unternehmen mit besonders niedrigen Eigenkapitalquoten können wegen dieser Systematik keine Rücklagen bzw. Liquiditätsreserven aufgebaut werden. (186) Nach § 9 Abs. 1 KAG M-V können zur Deckung des Aufwandes für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebundenen Abwasserentsorgung Anschlussbeiträge erhoben werden. 2.6 Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit (187) Sowohl der Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit (§ 44 Abs. 2 Nr. 1) nach der Kommunalverfassung und auch nach § 6 Abs. 1 Satz 1 des KAG M-V wie auch das Kostendeckungsprinzip nach § 6 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V gehen davon aus, dass Unternehmen der Abwasserwirtschaft nachhaltig ohne Zuwendungen oder Zuschüsse Dritter, insbesondere der 60 kommunalen Körperschaften und des Landes, wirtschaften können. Fördermittel sollten die Ausnahme bei gebührenfinanzierten Einrichtungen sein. 2.7 Zentrale und dezentrale Abwasserentsorgung (188) Die Verordnung über die Behandlung von kommunalem Abwasser (Kommunalabwasserverordnung – KabwVO M-V) schreibt vor, dass Gemeinden mit 2.000 bis 10.000 Einwohnern bis zum 31.12.2005 zentral anzuschließen waren. Für Gemeinden mit weniger als 2.000 Einwohnern ist sicherzustellen, dass die aufnehmenden Gewässer den maßgeblichen Qualitätszielen sowie den Bestimmungen der Richtlinie 91/271/EWG entsprechen. 3 Auswertung einschlägiger betriebswirtschaftlicher Kennzahlen 3.1 Eigenkapitalquote (189) Die Eigenkapitalquote gibt den Anteil des Eigenkapitals an der Bilanzsumme eines Unternehmens an. Auf die Auswertung der „wirtschaftlichen“ Eigenkapitalquote (unter Einbeziehung von Fördermitteln und Beiträgen) wurde verzichtet, da eine Vielzahl von Abwasserentsorgern von dem im KAG M-V vorgesehenen Wahlrecht Gebrauch macht, die Abschreibungen nicht in voller Höhe in die Gebührenkalkulation einzubeziehen. Sowohl die Höhe der passivierten Investitionszuschüsse als auch die Höhe der erhobenen Beiträge (passivierte Ertragszuschüsse) haben einen erheblichen Einfluss auf die Vermögenslage der untersuchten Unternehmen. Eine Auswertung ist daher nur unter Berücksichtigung der Finanz- und Ertragslage sinnvoll. In der Prüfung wurden die bilanziellen Eigenkapitalquoten betrachtet. In der Abwasserwirtschaft wird allgemein eine Eigenkapitalquote von mindestens 30 % als ausreichend angesehen44. Die Spanne der Eigenkapitalquoten ist sehr weit und reicht von 0,2 % bis 95,7 %. Keines der untersuchten Unternehmen ist bilanziell überschuldet. 17 der 46 betrachteten Unternehmen verfügen über eine bilanzielle Eigenkapitalquote von unter 20 %. Die geringe Eigenkapitalausstattung ist auch auf zu geringe Gebühren in der Vergangenheit zurückzuführen. Nach der Konzeption des KAG M-V sollen in den Nachkalkulationen festgestellte Gebührenunterdeckungen nicht mehr in den folgenden Kalkulationsperioden „nachgeholt“ werden (§ 6 Abs. 2 d KAG M-V), was zu einer Kumulierung dieser Unterdeckungen geführt hat. 44 Vgl. Hinweise zur Umsetzung der Eigenbetriebsverordnung (EigVOVV M-V) vom 3. August 2010 zu § 9 – „Vermögen des Eigenbetriebes“. 61 (190) Die Unternehmen mit Eigenkapitalquoten von unter 10 % (aktuell vier von 46 in die Untersuchung einbezogenen Unternehmen) befinden sich aktuell in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation. Eine Eigenkapitalverzinsung ist nach den Grundsätzen des Kommunalabgabengesetzes (§ 6 Abs. 2 b KAG M-V) in diesen Fällen nicht oder nur in geringem Maße möglich und zulässig (die Verzinsung des eingesetzten Kapitals entspricht den tatsächlich aufgewendeten Darlehenszinsen). „Nicht gebührenfähige“ Kosten können deshalb im Regelfall nicht durch Einnahmen gedeckt werden, was zu einer weiteren Verschlechterung der Ertragsund Finanzlage führt. Nach Aussagen in Prüfungsberichten zu den Jahresabschlussprüfungen befinden sich diese Unternehmen in nicht geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen. Zukünftig könnten erhebliche Stützungsmaßnahmen der Trägerkommunen notwendig werden, um Liquiditätsunterdeckungen auszugleichen. (191) Die Kommunen, die als Träger dieser Einrichtungen (Eigenbetriebe und Zweckverbände) fungieren, sind wegen der angespannten Haushaltslage der meisten Städte und Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern vielfach nicht in der Lage, die durch die Eigenbetriebsverordnung geforderten Maßnahmen zur Stärkung bzw. Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durchzuführen (§ 10 Eigenbetriebsverordnung Mecklenburg-Vorpommern (EigVO M-V)). Eine solche Verstärkung des Eigenkapitals kreditfinanziert durch die Kommunen durchzuführen, dürfte schon am fehlenden Investitionscharakter scheitern. Da die ausgabewirksamen Verluste nicht in der nach der EigVO vorgeschriebenen Weise durch die Trägerkommunen ausgeglichen wurden, weisen einige Abwasserunternehmen erhebliche Liquiditätsprobleme auf. (192) Bei Einrichtungen in großen oder mittelgroßen Städten werden zum Teil „Ausschüttungen“ an die Träger/Gesellschafter vorgenommen. Da diese regelmäßig und „geplant“ (feste Beträge in den Haushaltsplänen) erfolgen, geht der Landesrechnungshof davon aus, dass die Träger/Gesellschafter/Eigentümer hierbei nicht in allen Fällen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit - insbesondere unter dem Aspekt von mittelfristig durchzuführenden Reinvestitionen – umfassend prüfen und hinreichend berücksichtigen (193) Bei neun der betrachteten Abwasserunternehmen liegt die bilanzielle Eigenkapitalquote über 40 %. Hier werden sich mittelfristig wahrscheinlich keine Finanzierungsprobleme ergeben. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Zinsen für Fremdkapital nicht dauerhaft auf dem jetzigen niedrigen Stand bleiben. Mittelfristig steigende Zinsen sollten in die Finanzplanung aufgenommen werden. 62 3.2 Anlagendeckung (194) Die Anlagendeckung oder „goldene Bilanzregel“ ist eine Kennzahl über den Einsatz des vorhandenen Kapitals. Der Wert des Eigenkapitals und des langfristigen Fremdkapitals sollen danach dem Wert des Anlagevermögens entsprechen. Die Auswertung deutet darauf hin, dass acht Unternehmen in nennenswertem Umfang kurzfristiges Vermögen langfristig finanziert haben könnten. Bei neun Unternehmen gibt es ein Indiz dafür, dass langfristiges Vermögen kurzfristig finanziert wurde. Da die Nutzungsdauer der Vermögensgegenstände nicht immer den Laufzeiten der Darlehen entspricht, kann mit zunehmender Nutzungsdauer die Aussagekraft dieser Kennziffer eingeschränkt werden. (195) Die Kennziffer bietet allerdings Anhaltspunkte dafür, dass bei Werten, die erheblich unter 100 % liegen (90 % und kleiner), die wirtschaftliche Nutzungsdauer der Vermögensgegenstände beendet ist, ohne dass die zur Finanzierung aufgenommenen Darlehen vollständig getilgt sein könnten. Sollten in diesen Fällen Erneuerungs- oder Erweiterungsinvestitionen mit Fremdkapital finanziert werden – wovon regelmäßig auszugehen sein wird –, könnte dies zu Gebührensteigerungen führen. Von einer derartigen Abweichung waren neun Unternehmen betroffen. (196) Die Möglichkeit zur Umschuldung von Darlehen, um von den derzeit niedrigeren Zinsen zu profitieren, wird nicht von allen Unternehmen vollumfänglich in Anspruch genommen. Einige Unternehmen verfügen über erhebliche Liquiditätsreserven, die jedoch nicht vorrangig zur Ablösung von Darlehen mit hohen Zinsen verwendet werden. 3.3 Auslastungsgrad (197) Der Auslastungsgrad bestimmt die durchschnittliche Auslastung der Abwasserreinigungsanlagen im Verhältnis zu ihrer Kapazität. Hier wurde nur die hydraulische Belastung als Durchschnittswert über die Anlagen des jeweiligen Zweckverbands betrachtet. Etwaige Frachtkonzentrationen, die eine andere durchschnittliche Auslastung bedingen, wurden nicht berücksichtigt. Bei Neubauten von Abwasserreinigungsanlagen Anfang/Mitte der 90er Jahre konnte weder die demografische Entwicklung noch das „Wegbrechen“ diverser gewerblicher Großeinleiter in den Planungen berücksichtigt werden. Der Wasserverbrauch der privaten Haushalte und damit zusammenhängend das Schmutzwasseraufkommen hat sich erst seit 2005 stabilisiert, vorher war es ständig gesunken. Da für die Feststellung einer Überdimensionierung der Zeitpunkt der Projektierung der Anlage entscheidend ist, kann ein Schluss auf eine Fehlplanung nicht allein 63 aus dem Umstand gezogen werden, dass sich der durchschnittliche jährliche Verbrauch pro Kopf oder die Anzahl der Einleiter in der Zwischenzeit gegenüber früheren Annahmen tatsächlich verringert hat. (198) Generell lässt sich feststellen, dass die Auslastung der Kläranlagen nur in größeren Städten und in Fremdenverkehrsgebieten (saisonal) den ursprünglich geplanten Werten entspricht. Eine Auslastung von über 75 % im Zusammenhang mit einer relativ hohen Einleiterzahl führt im Ergebnis zu niedrigeren Gebühren und geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen. Tatsächlich liegt die Auslastung der Kläranlagen bei mindestens 17 Unternehmen unter diesem Wert (sechs Unternehmen machten keine Angaben über die Auslastung). (199) Da die Schmutzwassergebühren sehr hohe Fixkostenanteile beinhalten, führten die geringen Auslastungen zu einem teilweise erheblichen Anstieg der Gebühren. Die sinkenden Schmutzwassermengen führen weiterhin zu „technischen“ Problemen in den Abwasserreinigungs- und Abwassersammlungsanlagen, die weitere Investitionen notwendig machen (Pumpwerke, Belüftungen, Rückbau). Diese haben steigende Gebühren zur Folge. (200) Eine Besonderheit ergibt sich bei der Abwasserentsorgung in Fremdenverkehrsgebieten. In Extremfällen schwankt die Auslastung der Kläranlagen zwischen 50 % in den Wintermonaten bis zu über 100 % in den Sommermonaten. Schlussfolgerungen in Hinblick auf zukünftige Erneuerungsinvestitionen auf der Basis der durchschnittlichen Auslastung müssen die vorzuhaltenden Kapazitäten für die Spitzenauslastung berücksichtigen. 3.4 Herstellungskosten und Restbuchwerte je Einleiter, Abschreibungs- und Investitionsquote (201) Die Herstellungskosten je Einleiter beschreiben die Gesamtsumme der getätigten Investition je Einleiter. Bei der Betrachtung der Anschaffungs- und Herstellungskosten (gesamtes Vermögen) ergeben sich große Unterschiede zwischen den einzelnen Unternehmen der Abwasserentsorgung. Die Spanne reicht von ca. 250 Euro je Einleiter bis ca. 18.500 Euro je Einleiter. Bei den sechs Einrichtungen, bei denen die Herstellungskosten über 15.000 Euro je Einleiter betragen, ist davon auszugehen, dass kostendeckende Gebühren so weit erhöht werden müssten, dass sich nach den Erfahrungen des Landesrechnungshofes erhebliche Akzeptanzprobleme einstellen werden. Soweit die technische Nutzungsdauer der Abschreibungsdauer entspricht, geben die Restbuchwerte je Einleiter darüber Auskunft, welcher Anteil der Investitionskosten schon als Kostenbestandteil (Abschreibungen) über die Schmutzwassergebühren refinanziert wurde, bzw. noch refinanziert werden muss. 64 (202) Generell lässt sich feststellen, dass in Gebieten mit negativer demografischer Entwicklung und bei kleineren Einrichtungen im ländlichen Raum die Investitionsquoten je Einleiter gegenüber den urbanen Gebieten und Zweckverbänden mit einem großen Verbandsgebiet und einer Vielzahl von Einleitern überproportional hoch sind. (203) Da sich der Altersgrad des Vermögens (insbesondere durch die hohen Investitionen in die Abwassersammlungsanlagen und deren langer Nutzungsdauer) zwischen den Unternehmen nicht wesentlich unterscheidet, bieten die Restbuchwerte je Einleiter keine grundlegend anderen Erkenntnisse. (204) Die Abschreibungsquote stellt hier den Anteil der Abschreibungen an den Umsatzerlösen dar. Die Fördermittel (Bilanzposition „Sonderposten für Investitionszuschüsse“) und Beiträge (Bilanzposition „Empfangene Ertragszuschüsse“) sind in der Bilanz als Passivposten ausgewiesen. Diese werden jährlich abschreibungsadäquat aufgelöst und als Erträge in der Gewinn- und Verlustrechnung in den Umsatzerlösen bzw. den sonstigen betrieblichen Erträgen dargestellt. Eine direkte Verrechnung mit den Abschreibungen ist wegen des Verrechnungsverbotes gemäß § 246 Abs. 2 HGB nicht möglich. In der Gebührenkalkulation werden Fördermittel und Beiträge direkt von den Investitionen abgezogen (soweit nicht das Wahlrecht gemäß § 6 Abs. 2 a KAG M-V in Anspruch genommen wird) und die (kalkulatorischen) Abschreibungen auf diesen geringeren Betrag berechnet. Beides führt zu annähernd gleichen Ergebnissen. Die Abschreibungsquote beträgt durchschnittlich 37 %. Bei 28 Unternehmen beträgt die Abschreibungsquote zwischen 30 % und 50 %. (205) Höhere Investitionsquoten je Einleiter führen zu höheren Abschreibungsquoten. Eine geringe Auslastung der Kläranlagen verbunden mit hohen Investitionskosten je Einleiter führt dazu, dass der Anteil der Abschreibungen an den Umsatzerlösen und somit an den Gebühren steigt. Dies verdeutlicht, dass bei notwendigen Erneuerungsinvestitionen in größerem Umfang die Gebühren einerseits durch den erhöhten Zinsaufwand und andererseits durch die erhöhten Abschreibungen sprunghaft steigen könnten. Dieser Effekt wird verstärkt, wenn die tatsächliche technische Restnutzungsdauer geringer als die Restnutzungsdauer in der Gebührenkalkulation ist. 3.5 Altersgrad des Anlagevermögens (206) Der Landesrechnungshof hat als Indiz für den Zeitraum eventuell notwendiger Erneuerungsinvestitionen erhoben, wie weit die technische Nutzungsdauer der Anlagen fortgeschritten ist. Da der Großteil der Investitionen in das Kanalnetz erfolgte und die technische Nut- 65 zungsdauer der Sammlungsanlagen (40 bis 80 Jahre) die der Reinigungsanlagen (maximal 25 Jahre) erheblich übersteigt, wurde als Ergänzung die Restnutzungsdauer der Abwasserreinigungsanlagen geprüft. (207) Der Altersgrad des Anlagevermögens beträgt im Durchschnitt ca. 60 % und schwankt bei den untersuchten Unternehmen zwischen 39,2 % und 88,5 %. Dies hat auch zur Folge, dass ein erheblicher Teil des Eigenkapitals „im Leitungsnetz langfristig gebunden“ ist. Insbesondere für Zweckverbände im ländlichen Raum können sich daraus mittelfristig Finanzierungsprobleme ergeben. 3.6 Altersgrad der Abwasserreinigungsanlagen (208) Der Altersgrad der Abwasserreinigungsanlagen beschreibt die durchschnittliche betriebswirtschaftliche Restnutzungsdauer der betrachteten Vermögensgegenstände und ist ein Indiz für den Zeitpunkt möglicher Reinvestitionen. Einige Abwasserunternehmen haben in den letzten Jahren in neue Kläranlagen investiert oder Erneuerungsinvestitionen in vorhandene Kläranlagen durchgeführt. Dies betrifft vor allem Einrichtungen, die sog. Altanlagen (Herstellung vor 1990) übernommen haben. Der Landesrechnungshof hat festgestellt, dass beim Neubau von Kläranlagen keine einrichtungsübergreifenden Konzepte vorliegen. Bei der Entscheidung über Fördermittelanträge wird auch nicht geprüft, ob es freie Kapazitäten in unmittelbarer Nähe zum Neubau gibt. (209) Viele der in den 90er Jahren errichteten Kläranlagen haben eine Restnutzungsdauer von 20 bis 40 % der ursprünglich vorgesehenen Nutzung. Dies bedeutet, dass kurz- oder mittelfristig Reinvestitionen in erheblichem Umfang durchgeführt werden müssen. Nur bei 14 der geprüften Unternehmen beträgt der Altersgrad der Abwasserreinigungsanlagen über 50 %. Hier wurden entweder erst kurzfristig größere Investitionen vorgenommen oder die Restnutzungsdauer beträgt noch über zehn Jahre. (210) Der Landesrechnungshof geht davon aus, dass Fördermittel für Reinvestitionen nicht oder nur in geringem Umfang, jedenfalls nicht in dem Umfang wie in den 90er Jahren, zur Verfügung stehen werden. 3.7 Aufwandsquoten (211) In der Prüfung wurde die Materialaufwandsquote (Anteil Materialaufwand an den Umsatzerlösen), die Personalaufwandsquote (Anteil Personalaufwand an den Umsatzerlösen) und die Verwaltungskostenquote (Anteil der Verwaltungskosten an den Umsatzerlösen) betrachtet. 66 Zwölf der Abwasserunternehmen verfügen über kein eigenes Personal und haben die technische und kaufmännische Betriebsführung an externe Dienstleister vergeben. Dadurch kommt es zu einer „Verschiebung“ vom Personalaufwand zu anderen Aufwandsarten. Ein Vergleich aller Unternehmen mit einer bestimmten Aufwandsquote ist deshalb nur eingeschränkt möglich. Der Landesrechnungshof hat die drei Aufwandsquoten im Rahmen der Prüfung zu einer „Gesamtquote“ zusammengefasst, um einen Vergleich zu ermöglichen. Es wird darauf hingewiesen, dass dadurch eine Mehrfacherfassung von Aufwendungen möglich sein könnte. Eine allgemein gültige Aussage, ob die Vergabe von technischen oder kaufmännischen Dienstleistungen an externe Unternehmen zu sinkenden Kosten führt, kann im Rahmen dieser Prüfung nicht getroffen werden, da sich die Anzahl der Einleiter, die Größe des Entsorgungsgebietes und die geographische Lage zu sehr unterscheiden. (212) Bei vier Zweckverbänden/Eigenbetrieben beträgt die Personalaufwandsquote mehr als 30 %. Auch wenn hier keine Dienstleistungen extern vergeben wurden, empfiehlt der Landesrechnungshof im Einzelfall zu prüfen, ob die externe Vergabe von Dienstleistungen sich positiv auf die Gebührenhöhe auswirken würde. (213) Die Materialaufwandsquote ist bei zwölf Unternehmen über dem Durchschnitt von 37,5 %. In diesen Fällen wurden Betriebsführungsleistungen im Materialaufwand erfasst. Auch die Erfassung der Abwasserabgaben erfolgt nicht einheitlich, diese wird zum Teil separat ausgewiesen. Dies führt zu einer Spanne der Quote von 4,4 % bis 85,1 %. (214) Die Erfassung der Verwaltungskostenquote in den Prüfungsberichten der Jahresabschlussprüfungen erfolgte uneinheitlich. Eine Auswertung ist deshalb nicht sinnvoll. (215) Die Zusammenfassung der Quoten in der „Gesamtquote“ verdeutlicht den Einfluss dieser Aufwendungen auf die Gebührenhöhe. Sie beträgt im günstigsten Fall 30,9 %, bei vier Unternehmen beträgt der Anteil dieser Aufwandsarten an den Umsatzerlösen jedoch über 80 % (maximal 97 %). Da die Unternehmen auf andere Gebührenbestandteile wie Abschreibungen oder Zinsaufwendungen nur bedingt Einfluss haben, sind die Personal-, Material- und Verwaltungskosten die wesentlichen Einflussgrößen für eine effizientere Betreibung der Abwasserentsorgung. Angesichts der negativen demografischen Entwicklung ist die einrichtungsübergreifende Zusammenfassung von technischen oder kaufmännischen Leistungen zu überprüfen. (216) In Mecklenburg-Vorpommern existieren seit Jahren Modelle, in denen die Vergabe von Leistungen durch mehrere Abwasserunternehmen an einen Dienstleister erfolgte. Nach Aus- 67 wertung der Prüfberichte zu den Jahresabschlussprüfungen und der erfassten Kennzahlen geht der Landesrechnungshof davon aus, dass sich diese Organisationsform bewährt hat. Auch die Umsetzung von überregionalen Planungen und Konzepten wird durch eine solche Organisation erleichtert. Die Gründung einer Dienstleistungsgesellschaft, welche nur von einer oder zwei Unternehmen beauftragt wird, hat sich nach den vom Landesrechnungshof gewonnenen Erkenntnissen nicht bewährt. 3.8 Zusammenfassende Auswertung der Kennzahlen (217) Hohe Investitionskosten je Einleiter, niedrige Auslastungsgrade der Abwasserreinigungsanlagen, niedrige Eigenkapitalquoten sowie hohe Abschreibungsquoten sind Indikatoren für eine angespannte wirtschaftliche Lage der Abwasserunternehmen. Eine Kombination einzelner Kennziffern verdeutlicht die wirtschaftliche Lage der Abwasserunternehmen und lässt Rückschlüsse auf die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung zu. (218) Durchschnittliche Auslastungsgrade der Abwasserreinigungsanlagen unter 75 % führen zu höheren variablen Kosten. Dies wird durch den Vergleich der Abschreibungs-, Verwaltungskosten- und Materialaufwandsquoten bestätigt. Befinden sich die Abwasserunternehmen mit diesen Merkmalen in Regionen mit negativer demografischer Entwicklung, wird sich der Anteil der variablen Kosten zukünftig weiter erhöhen und zu Gebührenerhöhungen führen. Die teilweise saisonal stark schwankende Auslastung der Abwasserentsorgungsanlagen in Fremdenverkehrsgebieten führt nur in wenigen Fällen zu technischen Problemen und damit zu höheren Unterhaltungsaufwendungen. Insgesamt ist die durchschnittliche Auslastung so hoch, dass bei zukünftig ähnlich hohem Tourismusaufkommen keine wirtschaftlichen Nachteile zu erwarten sind. (219) Besonderen Einfluss auf die wirtschaftliche Lage haben die Herstellungskosten je Einleiter. Bei 17 der untersuchten Unternehmen betragen diese über 10.000 Euro je Einleiter, bei sechs Abwasserunternehmen über 15.000 Euro je Einleiter. Soweit sich diese Unternehmen im urbanen Raum mit einer Vielzahl von Einleitern befinden, führt dies heute noch nicht zwangsläufig zu Problemen. Einrichtungen mit hohen Investitionskosten, die sich im ländlichen Raum mit rückläufigen Einleitungen oder mit nur wenigen Einwohnern befinden, haben jedoch heute schon mit hohen Gebühren und Liquiditätsproblemen zu kämpfen. Eine generelle Aussage über den Einfluss zukünftiger Investitionen auf die Gebühren und die wirtschaftliche Lage kann nicht getroffen werden. Die Restnutzungsdauer des Rohrnetzes beträgt regelmäßig noch mehr als zwanzig Jahre, so dass mittel- oder langfristig nicht erneuert 68 werden müsste. Bei Investitionen in Abwasserreinigungsanlagen besteht die Möglichkeit, die Kapazitäten entsprechend dem gesunkenen Abwasseranfall zu reduzieren. Insbesondere bei den Unternehmen, die heute über eine sehr niedrige Eigenkapitalquote verfügen und hohe Investitionen je Einleiter getätigt haben, ist es fraglich, ob diese ohne Zuschüsse der Einrichtungsträger und ohne Fördermittel in ihrer heutigen Organisationsform auch zukünftig existieren werden. Hohe variable Kosten und eine niedrige Auslastung könnten ebenfalls zu einer zukünftig schwierigen Lage führen. In der folgenden Zusammenfassung erfolgt eine Darstellung der Unternehmen, die aller Wahrscheinlichkeit nach in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage sein werden: 3.8.1 Unternehmen mit prognostizierter schwieriger wirtschaftlicher Lage Tabelle 11: Kennzahlen ausgewählter Unternehmen mit prognostizierter schwieriger wirtschaftlicher Lage Unternehmen Eigenkapitalquote Investitionsquote in % in Euro je EL Auslastungsgrad Gesamtaufwandsquote Abschreibungsquoten in % Eigenbetrieb A 7,2 13.290 59 58,0 58,0 Eigenbetrieb B 2,6 3.895 60 97,6 42,1 Zweckverband A 0,2 10.059 k.A. 68,2 53,1 Zweckverband B 20,6 17.143 71 33,2 92,5 Zweckverband C 37,9 16.612 44 43,3 45,5 Quelle: Eigene Erhebungen. (220) Bei diesen fünf Unternehmen ist auf Basis der heutigen Kennzahlen wahrscheinlich, dass sich die wirtschaftliche Lage dramatisch verschlechtern wird. Ihnen ist gemeinsam, dass sie weder in einem Fremdenverkehrsgebiet noch in einem Gebiet mit positiver demografischer Entwicklung liegen. Angesichts der niedrigen Eigenkapitalquoten (Ausnahme Zweckverband C), der sehr hohen Investitionen je Einleiter (außer Eigenbetrieb B), des geringen Auslastungs grades sowie der sehr hohen Aufwandsquoten geht der Landesrechnungshof davon aus, dass eine „Gesundung“ aus eigener Kraft mit vertretbaren Gebühren nicht möglich ist. 3.8.2 Unternehmen mit prognostizierter voraussichtlich schwieriger wirtschaftlicher Lage (221) Neben den in Abschnitt 3.8.1 genannten Unternehmen müssen eine Reihe weiterer Unternehmen Maßnahmen einleiten, um nicht künftig in bereits prognostizierte wirtschaftliche Schwierigkeiten zu kommen. 69 Tabelle 12: Kennzahlen ausgewählter Unternehmen mit möglichen zukünftigen Schwierigkeiten Unternehmen Eigenkapitalquote Investitionsquote in % in Euro je EL Auslastungsgrad Gesamtaufwandsquote Abschreibungsquoten in % Eigenbetrieb 1 14,3 5.173 56 63,4 44,8 Eigenbetrieb 2 30,5 15.464 90 85,1 78,6 Eigenbetrieb 3 47,6 19.334 k.A. 45,5 29,9 Eigenbetrieb 4 32,6 18.528 73 86,6 36,0 Zweckverband 1 23,7 13.711 50 76,0 32,0 Zweckverband 2 20,2 15.193 93 70,5 34,9 Zweckverband 3 32,6 4.500 50 33,7 45,2 Zweckverband 4 51,0 1.513 54 64,5 36,1 Zweckverband 5 31,5 1.948 45 67,0 32,9 Zweckverband 6 34,9 2.076 53 69,2 43,0 Quelle: Eigene Erhebungen. (222) Die Kennzahlen dieser zehn Unternehmen deuten einzeln oder in Kombination darauf hin, dass geeignete Maßnahmen ergriffen werden müssen, um eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage zu vermeiden. Dazu gehört aus Sicht des Landesrechnungshofes insbesondere auch die Erhebung von kostendeckenden Gebühren und die Ausnutzung der im KAG M-V vorgesehenen Spielräume. Die Prüfung hat ergeben, dass dies nicht in allen Fällen erfolgt. 4 Empfehlungen für die Abwasserwirtschaft (223) Der Landesrechnungshof hat festgestellt, dass bestehende oder zukünftige wirtschaftliche Probleme der kommunalen Wasser- und Abwasserunternehmen nicht durchweg auf dieselben Ursachen zurückgeführt werden kann. Ungünstige demografische Entwicklungen, eine geringe Auslastung der Abwasserreinigungsanlagen und hohe Investitionsquoten je Einleiter werden im Einzelfall nicht durch die Abwasserunternehmen bewältigt werden können, wenn diese heute schon über eine geringe Eigenkapitalausstattung verfügen oder in Liquiditätsschwierigkeiten sind. Der durchschnittliche Altersgrad der Entsorgungsanlagen deutet auf kurz- oder mittelfristig notwendig werdende Erneuerungsinvestitionen hin, die aus Sicht des Landesrechnungshofes zwingend einrichtungsübergreifende Betrachtungen und Planungsräume erfordern. Fördermittel werden für zukünftige Investitionen nicht oder nur in geringem Umfang zur Verfügung stehen. Die Ausreichung von Fördermitteln sollte von größeren Planungsräumen abhängig und unter Beachtung aller zur Verfügung stehenden Kapazitäten erfolgen. 70 4.1 Langfristige Unternehmensplanungen (224) Im Hinblick auf die Zukunftsrisiken für die kommunale Wasser- und Abwasserwirtschaft sollten alle Unternehmen über eine mindestens 10-jährige Planung verfügen. Diese sollte auf der Globalkalkulation aufsetzen und eine überschlägige Gebührenentwicklung unter Berücksichtigung des Abwasserbeseitigungskonzeptes enthalten. Die Unternehmen sollten im Lagebericht ihre Langfristplanungen und den Stand der Umsetzung darstellen, soweit bisher nicht geschehen. Nach den Erfahrungen des Landesrechnungshofes stoßen sprunghafte Gebührenerhöhungen auf erhebliche Akzeptanzprobleme. Daher sollte die Langfristplanung auf einer stetigen, aber mäßigen Gebührenanpassung beruhen. 4.2 Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit (225) Bestandteil des Unternehmenskonzeptes sollten eine oder mehrere der nachfolgenden Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit bzw. Liquidität sein. 4.2.1 Erhöhung des Abschreibungsvolumens in der Gebührenkalkulation (226) Es ist nach § 6 Abs. 2 a KAG M-V zulässig, Fördermittel gebührensenkend einzusetzen. Hierzu werden die kalkulatorischen Abschreibungen in der Gebührenkalkulation um die auf den zuwendungsfinanzierten Teil der Investitionen der Abschreibungen entfallenden Teil gekürzt. Hiervon haben Unternehmen der Abwasserwirtschaft vielfach Gebrauch gemacht. In diesen Fällen wird die Abwasseranlage in Höhe des zuwendungsfinanzierten Teils nicht refinanziert. Sollten, wie von Unternehmen der Abwasserwirtschaft vorgetragen, Nebenbestimmungen in Zuwendungsbescheiden den Einsatz der Fördermittel zur Gebührensenkung vorschreiben, sollte eine Änderung der entsprechenden Nebenbestimmungen beantragt und genehmigt werden. Insbesondere bei einer niedrigen Eigenkapitalquote (unter 10 %) sollte darauf gedrängt werden. (227) Aus besonderen wirtschaftlichen Gründen darf gemäß § 6 Abs. 2 a Satz 5 KAG M-V den Abschreibungen in der Gebührenkalkulation der Wiederbeschaffungszeitwert zu Grunde gelegt werden. Der Landesrechnungshof empfiehlt, diese Option zu prüfen, wenn die Erneuerungsinvestitionen voraussichtlich sehr viel höher als die ursprünglichen Herstellungskosten sein werden. 71 4.2.2 Einstellung einer Eigenkapitalverzinsung (228) Gemäß § 6 Abs. 2 KAG M-V gehört zu den in der Gebührenkalkulation ansatzfähigen Kosten auch eine angemessene Verzinsung des aufgewandten Kapitals (Grundsätze siehe § 6 Abs. 2 b KAG M-V). Bei Unternehmen mit besonders niedrigen Eigenkapitalquoten können wegen dieser Systematik allerdings keine Rücklagen bzw. Liquiditätsreserven aufgebaut werden. 4.2.3 Rückbau/Verkleinerung und zukünftige dezentrale Lösungen (229) Wenn die Auslastung der Einrichtungen aus demografischen Gründen im Durchschnitt unter 50 % gesunken ist, muss eine Verkleinerung oder der Rückbau in Betracht gezogen werden. Auch sollte die Umstellung von einer zentralen auf eine dezentrale Entsorgung in Gebieten mit erheblicher negativer demografischer Entwicklung erwogen werden. (230) Die Umstellung von einer zentralen zur einer dezentralen Entsorgung spielt in der Praxis eine untergeordnete Rolle, sollte aber ggf. geprüft werden. 5 Empfehlungen des Landesrechnungshofes für die Landesregierung (231) Die Landesregierung sollte die Abwasserunternehmen in Hinblick auf die künftige Entwicklung der Abwasserbeseitigungsgebühren durch folgende Maßnahmen unterstützen und lenken: 5.1 Ausreichung von Fördermitteln (232) Soweit die Ausreichung von Fördermitteln bei notleidenden Unternehmen unumgänglich ist, um die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens nicht zu gefährden, sollte sie davon abhängig gemacht werden, • dass ausreichend große Planungsräume für die Abwasserbeseitigungsplanung geschaffen worden sind und • zur betriebswirtschaftlichen Optimierung die im Einzelfall zweckmäßigen Maßnahmen getroffen worden sind (vgl. Tzn. 225 bis 231). 5.2 Änderung von Zuwendungsbescheiden (233) Bei sehr geringen Eigenkapitalquoten (unter 10 %) sollte eine Änderung der Zuwendungsbescheide geprüft werden, wenn und soweit die Verwendung der Fördermittel zur Gebührensenkung vorgeschrieben worden sein sollte. 72 5.3 Begleitung durch die Rechtsaufsichtsbehörden (234) Die Rechtsaufsicht sollte die Entwicklung der kommunalen Wasser- und Abwasserwirtschaftsunternehmen in Hinblick auf die Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Gebührenanpassung und zu eigenkapitalstärkenden Maßnahmen sorgfältig beobachten und ggf. mit Aufsichtsmaßnahmen flankieren. 6 Stellungnahme des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz (235) Das Ministerium verweist darauf, dass nach den Feststellungen des Landesrechnungshofes zwei Drittel der Abwasserbetriebe (31 von 46) eine gute wirtschaftliche Lage prognostiziert werden könne. Der Landesrechnungshof merkt hierzu an, dass das Ministerium verständlicherweise das Positive hervorheben möchte. Es darf jedoch nicht daran vorbeigegangen werden, dass bei einem Drittel der kommunalen Abwasserwirtschaft Handlungsbedarf besteht (vgl. Tzn. 230, 232). (236) Das Ministerium widerspricht den Feststellungen des Landesrechnungshofes, die Zuwendungsempfänger seien teilweise durch Fördermittelbescheide verpflichtet worden, die Zuwendungen gebührensenkend einzusetzen. Das Ministerium verweist auf die seinerzeit anzuwendende Förderrichtlinie (FöRi-AW), die unter bestimmten Voraussetzungen den Verzicht auf die Abschreibung der Zuwendungen zugelassen, aber nicht vorgeschrieben habe. Diese Regelungen aus der Richtlinie seien in die Nebenbestimmungen zum Zuwendungsbescheid aufgenommen worden. Nicht alle Zuwendungsempfänger hätten von diesem Wahlrecht, auf die Abschreibung von Zuschüssen zu verzichten, Gebrauch gemacht. Eine Änderung der Zuwendungsbescheide sei nach alledem nicht erforderlich, um den Unternehmen der Abwasserwirtschaft die Bildung von Abschreibungen auf den zuwendungsfinanzierten Teil des Anlagevermögens und deren Berücksichtigung in der Gebührenkalkulation zu ermöglichen. Der Landesrechnungshof bemerkt hierzu, dass jedenfalls unstreitig ist, dass zahlreiche Unternehmen auf eine Refinanzierung des zuwendungsfinanzierten Teils durch Abschreibungen verzichtet haben. Er nimmt zur Kenntnis, dass in diesen Fällen nach Auffassung des Ministeriums weder das KAG M-V noch die Bestimmungen der Zuwendungsbescheide der Bildung von Abschreibungen entgegenstehen. Der Landesrechnungshof geht davon aus, dass die Unternehmen die hierdurch eröffneten Spielräume zur Finanzierung von Ersatzinvestitionen soweit erforderlich nutzen. 73 (237) Das Ministerium verweist ferner darauf, dass für etwa 10 % der Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern die Abwasserbeseitigung auch langfristig dezentral erfolgen werde. Auch in der Vergangenheit sei im Rahmen eines Variantenvergleichs grundsätzlich darauf geachtet worden, dass dezentrale Lösungen geprüft wurden. Soweit ökologisch, wirtschaftlich und technisch vorteilhaft, seien sie mit Fördermitteln des Landes unterstützt worden. Zu berücksichtigen sei, so das Ministerium, hierbei auch, dass bisher zentral angeschlossene Einleiter überwiegend Anschlussbeiträge für die Errichtung der zentralen Anlagen entrichtet und über die Abwassergebühren zumindest teilweise auch die Abschreibungen auf diese Anlagen refinanziert hätten. Bei einer Umstellung auf eine dezentrale Abwasserbeseitigung hätten diese Einleiter erneut Investitionskosten zu tragen. Die Empfehlung des Landesrechnungshofes, bei einer Auslastung von durchschnittlich weniger als 50 % eine Verkleinerung bzw. einen Rückbau oder dezentrale Lösungen in Erwägung zu ziehen, könne so pauschal nicht mitgetragen werden. Zur Belastung mit den Investitionskosten für dezentrale Lösungen weist der Landesrechnungshof darauf hin, dass die Einleiter auch die Kosten für eine Erneuerung der zentralen Anlage zu tragen hätten. Dies wäre bei einem Variantenvergleich zentral/dezentral zu berücksichtigen. 7 Stellungnahme des Innenministeriums (238) Das Ministerium erhebt keine rechtlichen Bedenken. (239) Das Prüfungsverfahren ist abgeschlossen. 74 3 Fonds und Sonderhilfen des Landes für Kommunen Fonds und Sonderhilfen für Kommunen konkurrieren hinsichtlich ihrer Ziele, setzen Fehlanreize und erschweren in erheblichem Maße die Transparenz in der Finanzierung der Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern. Das Land ist in der Pflicht, die aufgezeigten Probleme durch eine umfassende und zielgerichtete Novellierung des Kommunalen Finanzausgleichs zu beseitigen. Fonds und Sonderhilfen wären bei dessen sachgerechter Ausgestaltung grundsätzlich verzichtbar. (240) Neben den Finanzzuweisungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs erhalten die Kommunen des Landes erhebliche Zuweisungen außerhalb dieses Systems. Dazu gehören u. a. Zuweisungen aus • dem Kommunalen Aufbaufonds Mecklenburg-Vorpommern (Aufbaufonds), • dem Kommunalen Fonds zum Ausgleich konjunkturbedingter Mindereinnahmen Mecklenburg-Vorpommern (Kommunaler Ausgleichsfonds), • dem Kommunalen Haushaltskonsolidierungsfonds Mecklenburg-Vorpommern, • dem Kommunalen Kofinanzierungsprogramm, • der Sonderhilfe für 2014–2016 aufgrund des Kommunalgipfels 2013 (100 Mio. Euro) und • der Unterstützungshilfe für 2014–2017 aufgrund des Kommunalgipfels 2014 (160 Mio. Euro). (241) Bereits in der Vergangenheit hat der Landesrechnungshof die Tendenz, die Kommunen auch außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs zu finanzieren, kritisiert. Diese Kritik bezog sich auf die zunehmende Intransparenz des Systems der kommunalen Finanzausstattung und die fehlende Anreizwirkung für notwendige Konsolidierungsprozesse.45 (242) Zu ausgewählten Fonds und Sonderhilfen hat der Landesrechnungshof beim Innenministerium jeweils aktuelle Daten abgefragt und Erhebungen durchgeführt. 45 Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht 2013 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2013, S. 61 ff. und Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2015): Jahresbericht 2014 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2014, S. 26. 75 1 Aufbaufonds (243) Aus dem Aufbaufonds sollten Zuwendungen zur Unterstützung der kommunalen Körperschaften geleistet werden. Gegenstand der Zuwendungen waren vorrangig Aufgaben des eigenen Wirkungskreises. Die Zuwendungen sollten der Erneuerung, Verbesserung oder Erhaltung der kommunalen Infrastruktur dienen bzw. zu einer Konsolidierung der Haushalte beitragen. Zuwendungszweck und Zuwendungsverfahren sind in einer Verwaltungsvorschrift geregelt.46 Bewilligungsbehörde ist das Landesförderinstitut Mecklenburg-Vorpommern, dem die verwaltungstechnische Abwicklung und Überwachung der Verwendung obliegt. Über die Anträge entscheidet das Innenministerium nach Anhörung des Beirates für den Kommunalen Aufbaufonds.47 (244) Die Summe der Zuweisungen nach § 10 Abs. 1 f FAG M-V an den Kommunalen Aufbaufonds beträgt rd. 257,5 Mio. Euro (Stand: 30.09.2016). Seit dem Jahr 1994 wurden daraus Zuwendungen von insgesamt rd. 1,1 Mrd. Euro (Stand: 15.07.2016) in Form von Zinshilfen und Darlehen bewilligt. Zuschüsse nach § 21 Abs. 4 Satz 3 FAG M-V48 erfolgten bis zum 30.09.2016 in einem Umfang von 52,8 Mio. Euro. Mit Ablauf des Jahres 2013 wurde das Darlehensneugeschäft eingestellt. 1.1 Neuausrichtung (245) Die bestehenden finanziellen Spielräume des Kommunalen Aufbaufonds werden nunmehr umfangreich für andere Zwecke wie die Förderung von Gemeindezusammenschlüssen und den Breitbandausbau verwendet. (246) Im Rahmen der Förderung freiwilliger Zusammenschlüsse von Gemeinden wird der Kommunale Aufbaufonds im Umfang von etwa 40 Mio. Euro in Anspruch genommen.49 Geplant sind folgende Auszahlungen: 46 47 48 49 76 Richtlinie zum Kommunalen Aufbaufonds Mecklenburg-Vorpommern (§ 21 FAG M-V) vom 6. August 2010. Die Mitglieder des Beirates werden von den kommunalen Landesverbänden vorgeschlagen und durch das In nenministerium berufen. Die Regelung lautet: „Ein Landkreis, der nach § 12 Abs. 1 des Landkreisneuordnungsgesetzes im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung einen Wertausgleich an die eingekreiste Stadt zu leisten hat, kann als Ausgleich für diese Belastung aus dem Aufbaufonds einen Zuschuss erhalten.“ Vgl. Gesetz zur Einführung eines Leitbildes „Gemeinde der Zukunft“ und zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes, GVOBl. 6/16 vom 29.06.2016, S. 461–467. Die Inanspruchnahme des Aufbaufonds für diesen Zweck wurde im § 5 Abs. 2 Satz 1 dieses Gesetzes geregelt: Die Finanzierung der Zuweisungen nach §§ 1 und 3 der Fusionsverordnung erfolgen, sofern keine anderweitigen Haushaltsmittel des Landes zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt werden, aus Mitteln des Kommunalen Aufbaufonds. Es wird dabei von Zuweisungen in Höhe von maximal 40 Mio. Euro im Zeitraum von 2016 bis 2022 ausgegangen (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Leitbildes „Gemeinde der Zukunft“ und zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes, Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Drs. 6/4846, S. 2). • 2017: 7 Mio. Euro, • 2018 und 2019: jeweils 9 Mio. Euro und • 2020, 2022 sowie 2023: jeweils 5 Mio. Euro. Der Landesrechnungshof hatte bereits im Rahmen der Anhörung zu den einschlägigen Entwürfen der entsprechenden Regelungen kritisch angemerkt, dass die freiwilligen Zusammenschlüsse durch die Finanzierung über den Kommunalen Aufbaufonds nicht allein durch das Land gefördert werden, sondern auf kommunale Mittel zurückgegriffen wird. (247) Im neu eingefügten Abs. 5 des § 21 FAG M-V ist vorgesehen, dem Aufbaufonds ab 2018 jährlich bis zu 20 Mio. Euro zu entnehmen, um die durch das Land beabsichtigte Vorfinanzierung des Eigenanteils der Kommunen zur Umsetzung der Breitbandförderung zu refinanzieren.50 Die in der Begründung zu den Gesetzentwürfen51 genannte Gesamtsumme der Entnahmen i. H. v. 150 Mio. Euro fand im Gesetzestext (im Sinne einer Obergrenze für diese Entnahmen) keine Berücksichtigung. (248) In seiner Stellungnahme verwies das Innenministerium auf die zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung bestehenden engen zeitlichen Rahmenbedingungen. Weiterhin hätten die Gesamtsummen der Bundes- und Landesförderungen und somit auch die Höhe der Entnahmen aus dem Aufbaufonds zur Finanzierung des kommunalen Eigenanteils nicht abschließend definiert werden können. Daher sei auf die Festlegung eines Höchstbetrages der ermittelten möglichen Entnahme i. H. v. Insgesamt 150 Mio. Euro verzichtet worden. (249) Die höchstmögliche Summe der Entnahmen aus dem Aufbaufonds war ausweislich der Stellungnahme und Begründung zu den Gesetzesentwürfen bekannt. Diese war weder von den zeitlichen Rahmenbedingungen noch von der Gesamtsumme der Bundes- und Landesförderungen abhängig, sondern allein vom ermittelten finanziellen Spielraum des Aufbaufonds. Die Gesamtsumme von 150 Mio. Euro hätte damit im Gesetzestext berücksichtigt werden sollen. 50 51 Vgl. Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushalt für die Haushaltsjahre 2016 und 2017 (Nachtragshaushaltsgesetz 2016 und 2017), GVOBl. 6/14 vom 20.07.2016, S. 526 und Haushaltsbegleitgesetz zum Nachtragshaushaltsgesetz 2016 und 2017, GVOBl. 6/14 vom 20.07.2016, S. 527. Vgl. die Begründungen zu den Gesetzentwürfen der Landesregierung zum Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushalt für die Haushaltsjahre 2016 und 2017 (Nachtragshaushaltsgesetz 2016 und 2017), Drs. 6/5506 und zum Haushaltsbegleitgesetz zum Nachtragshaushaltsgesetz 2016 und 2017, Drs. 6/5505. 77 1.2 Auswirkungen (250) Hinsichtlich der Erweiterung der Zwecke des Aufbaufonds ist grundsätzlich kritisch anzumerken, dass die Folgen für dessen finanzielle Lage im Rahmen der entsprechenden Gesetzgebungsverfahren unklar blieben. Den Entscheidungsgrundlagen (insbesondere Begründungen zu den Gesetzentwürfen) mangelte es an übersichtlichen und nachvollziehbaren Folgebetrachtungen, z. B. in Form entsprechender Modellrechnungen/Projektionen. (251) Der Landesrechnungshof hat vom Innenministerium Modellrechnungen/Projektionen zu den Auswirkungen der Inanspruchnahme des Fonds für diese Zwecke abgefordert. Die Darstellung sollte auch die Annahmen beinhalten, welche der erwarteten Entwicklung zu Grunde gelegt wurden. (252) Dem daraufhin vorgelegten Parameterblatt (Stand: 19.05.2016) sind mangels detaillierter Aufschlüsselung nur Eckdaten der erwarteten Entwicklung des Fondsvermögens zu entnehmen. Aus den Daten war nicht herzuleiten, welche Annahmen (z. B. Entwicklung einzelner Zahlungsströme) den Berechnungen zu Grunde gelegt wurden. Unklar bleibt insbesondere, ob unterschiedliche Szenarien (z. B. zur Zinsentwicklung) betrachtet wurden, zumal das Innenministerium in der Antwort auf die Abfrage selbst auf mögliche Planabweichungen (z. B. durch „erforderliche Zinssenkungen ab 2019 für das Halten der kommunalen Kundschaft im Fonds.“) hinweist. Auch wird die Vermögensentwicklung bis 2033 nur unvollständig abgebildet (keine bzw. lückenhafte Angaben für den Zeitraum 2023 bis 2033). (253) Das Innenministerium verweist in seiner Stellungnahme darauf, dass diese vorgelegten Unterlagen die Grundlage für die Umsetzung der vorgesehenen Zahlungen/Entnahmen aus dem Fonds bildeten und führt aus: „Mit der regelmäßig aufzustellenden Wirtschaftsplanung werden aktuelle finanzwirtschaftliche Entwicklungen für erforderliche Refinanzierungen am Kapitalmarkt und Zinsfestsetzungen für KAF-Bestandsdarlehen mit dem Ziel berücksichtigt, den Fonds kontrolliert abzuwickeln. Insofern kann nur durch eine regelmäßige Aktualisierung der Planungsparameter im Rahmen der Fondssteuerung eine realistische Entwicklung der Fonds dargestellt werden.“ (254) Die Stellungnahme des Innenministeriums lässt erkennen, dass auf finanzwirtschaftliche Entwicklungen lediglich durch eine Anpassung der Wirtschaftspläne reagiert wird. Die erforderliche Steuerung setzt jedoch proaktives Handeln voraus. Dazu sind mögliche Handlungsalternativen und Szenarien zu prüfen und abzuwägen. Die Stellungnahme des Innenministeriums verfestigt den bereits aus den eingereichten Unterlagen (vgl. Tz. 252) gewonnenen Eindruck, dass eine Fondssteuerung im vorstehenden Sinne nicht erfolgt. 78 (255) Im Übrigen hatte das Innenministerium bereits in der Vergangenheit die Absicht einer kontrollierten Abwicklung des Aufbaufonds geäußert.52 Die aktuellen Planungen, durch die das Ende der Abwicklung hinausgeschoben wird, lassen eine konsequente zielgerichtete Umsetzung dieser Absicht vermissen. (256) Die vom Innenministerium vorgelegten Daten lassen allerdings zumindest erkennen, dass eine „Refinanzierung“ nur durch weitere Prolongationen bzw. Umschuldungen bis einschließlich 2027 erreicht werden kann. Im Ergebnis wird damit die durch den Landesrechnungshof bereits seit Jahren kritisierte Kreditermächtigung des Aufbaufonds (§ 21 Abs. 3 FAG M-V) verlängert und verstetigt. Dadurch fallen zusätzliche Zinskosten an, welche zudem einem Änderungsrisiko unterliegen. Die entstehenden Kosten mindern das Fondsvermögen entsprechend. (257) Durch die beabsichtigte Vorgehensweise wird die Kreditermächtigung des Aufbaufonds bis weit über das Inkrafttreten der schuldenbegrenzenden Regelungen in der Landesverfassung genutzt.53 Dies kann die Transparenz bei der Prüfung der Einhaltung dieser Regelungen erheblich erschweren. Die Kreditermächtigung des Aufbaufonds darf jedoch nicht zu einer Gefährdung der Einhaltung oder zur Umgehung der Schuldenbremse führen. (258) Das Innenministerium führt in seiner Stellungnahme dazu aus, dass die „Nutzung der Kreditermächtigung des Aufbaufonds bis weit über das Inkrafttreten der schuldenbegrenzenden Regelungen in der Landesverfassung […] vom Gesetzgeber gewollt [sei]. Bei entsprechender Fondssteuerung steht sie dieser grundsätzlich nicht entgegen.“ (259) Der Landesrechnungshof weist mit Nachdruck darauf hin, dass auch eine Kreditaufnahme außerhalb des Kernhaushalts eine Verschuldung des Landes darstellt, die den schuldenbegrenzenden Regelungen der Landesverfassung zuwiderläuft. (260) Angesichts dieser Tatsache erschließt sich nicht, warum durchaus denkbare Alternativen bzgl. der Vorfinanzierung des kommunalen Eigenanteils im Rahmen der Breitbandförderung durch einen pauschalen Hinweis auf eine möglichst „unbürokratische“ Umsetzung ausgeschlossen wurden. Fraglich bleibt mangels Prüfung/Analyse damit unter anderem, ob die ohnehin vorhandene Anreizwirkung der bestehenden Förderung nicht ausgereicht hätte, die kreisangehörigen Kommunen zur Erbringung eines der jeweiligen Leistungsfähigkeit ange52 53 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht 2013 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2013, S. 72 f. Vgl. Artikel 65 Abs. 2 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern in der ab 01.01.2020 geltenden Fassung, welcher durch den Artikel 79a der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern bereits aktuell Auswirkungen auf die Haushaltsaufstellung hat (Umsetzung der sog. „Schuldenbremse“). 79 messenen Eigenanteils zu motivieren. Damit hätte, auch vor dem Hintergrund einer insgesamt positiven Haushaltslage der Kommunen, eine Inanspruchnahme des Fondsvermögens ggf. vermieden oder vermindert werden können. (261) Unter dem Gesichtspunkt der Risikovermeidung sollte zudem geprüft werden, ob „das Halten der kommunalen Kundschaft im Fonds“ als Ziel tatsächlich sinnvoll erscheint. Im Hinblick auf die aktuelle Marktlage erscheint eine Unterstützung der Kommunen durch Darlehen und Zinshilfen nicht notwendig, soweit diese auf dem Kapitalmarkt ebenfalls attraktive Konditionen erzielen können. Im Übrigen implizieren derartige Hilfen eine weitergehende Intransparenz der Kommunalfinanzierung. 2 Kommunaler Ausgleichsfonds (262) Mit dem Gesetz über die Errichtung eines Sondervermögens des Landes „Kommunaler Fonds zum Ausgleich konjunkturbedingter Mindereinnahmen Mecklenburg-Vorpommern“ (Kommunales Ausgleichsfondsgesetz Mecklenburg-Vorpommern - KAFG M-V) vom 5. Februar 2010 wurde der kommunale Ausgleichsfonds als rechtlich unselbstständiges Sondervermögen gegründet. Mit ihm wird das Ziel verfolgt, die konjunkturell schwankenden Einnahmen der Kommunen zu stabilisieren und zu verstetigen. Der Fonds finanziert sich nach § 3 Abs. 1 a) KAFG M-V grundsätzlich aus positiven Abrechnungsbeträgen des Kommunalen Finanzausgleichs aus den Vorjahren. Führen die Ist-Ergebnisse des Ausgleichsjahres zu Nachzahlungen, die höher als veranschlagt sind, werden diese Mittel bzw. Teile davon dem Fonds zugeführt. Falls diese Zuführungen nicht ausreichend sind, darf der Fonds seine Ausgaben auch aus Krediten oder Finanzausgleichsleistungen finanzieren. Diese Kreditaufnahmen sind nach § 3 Abs. 1 b) KAFG M-V auf insgesamt 150 Mio. Euro begrenzt und gemäß § 3 Abs. 3 KAFG M-V zu Lasten der Finanzausgleichsleistungen innerhalb von fünf Jahren zu tilgen. (263) Der Fonds wurde in einem Jahr mit gravierenden Steuereinbrüchen errichtet. Um der beabsichtigten Ausgleichsfunktion nachkommen zu können, mussten Kredite in Höhe von insgesamt 67,1 Mio. Euro (2010) und 70,2 Mio. Euro (2011) aufgenommen werden.54 Aufgrund von Tilgungen in den Jahren 2013 (34 Mio. Euro), 2014 (33,1 Mio. Euro) und 2015 (35,1 Mio. Euro) beträgt der aktuelle Stand der Kredite 35,1 Mio. Euro (Stand: 20.10.2016). Mit Ablauf des 31.12.2016 sollen die Kredite vollständig getilgt sein. 54 80 Für diese Jahre besteht mit § 3 Abs. 4 KAFG M-V eine besondere Regelung zur Kreditaufnahme und zur Tragung der Zinslasten durch das Land. Außerhalb der Geltung dieser Sonderregelung sind die Zinslasten durch den Fonds zu tragen. (264) Gleichzeitig wurden in den zurückliegenden Jahren mit guter konjunktureller Entwicklung und hohen Steuereinnahmen die gebotenen Zuführungen zum Aufbau eines Fondsvermögens nicht geleistet. Dazu teilte das Innenministerium mit, dass grundsätzlich nur im Jahr 2013 die Möglichkeit bestanden habe, dem Ausgleichsfonds zusätzliche Beträge aus den Abrechnungsbeträgen 2011 und 2012 (73,8 Mio. Euro) zuzuführen. Die Einschätzung der Haushaltslage der Kommunen habe eine solche Verwendung der Überschüsse zum damaligen Zeitpunkt jedoch nicht geboten. (265) Mittel zur Sicherstellung der Ausgleichsfunktion stehen damit nicht zur Verfügung. Somit besteht die Gefahr, dass der Fonds dauerhaft über Kredite finanziert werden muss. Erst für das Jahr 2016 wurde (neben der Kredittilgung) eine Zuführung in Höhe von 10 Mio. Euro zum Aufbau eines Fondsvermögens vorgesehen. Diese Zuführung wird aus der Ist-Abrechnung des Jahresergebnisses 2014 des Kommunalen Finanzausgleichs finanziert (positiver Abrechnungsbetrag von 49,7 Mio. Euro). (266) Die Ausschöpfung der für die Zuführung der Kredite zur Verfügung stehenden Frist von fünf Jahren (§ 3 Abs. 3 KAFG M-V) und der mangelnde Vermögensaufbau bestätigt die ursprüngliche Kritik des Landesrechnungshofes. Der mit dem Jahr 2016 begonnene Aufbau eines Fondsvermögens wird begrüßt, wenngleich die Zuführungen zu diesem Zweck jedoch zukünftig deutlich erhöht werden sollten. (267) Die Möglichkeiten der Zuführung zusätzlicher Beträge zum Ausgleichsfonds zur Tilgung und zum Vermögensaufbau wurden bislang nicht genutzt. Der Landesrechnungshof sieht dies als Zeichen dafür, dass für die kommunalen Akteure keine Anreize bestehen, die Kredite zeitnah abzubauen, um die daraus entstehenden Zinslasten – die bis 2016 durch das Land getragen werden55 – zu minimieren. Insoweit besteht eine Schwäche in der Konstruktion des Fonds durch die Fehlanreize, auf welche der Landesrechnungshof bereits in der Vergangenheit hingewiesen hat.56 55 56 Vgl. § 3 Abs. 4 Satz 2 KAFG M-V. Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013), S. 64. 81 3 Kommunaler Haushaltskonsolidierungsfonds (268) Das Ende 2012 gebildete Sondervermögen „Kommunaler Haushaltskonsolidierungsfonds“ findet seine rechtlichen Grundlagen im § 22 FAG M-V und in der Kommunalen Haushaltskonsolidierungsfondsverordnung (KHKFondsVO M-V)57. Die Mittel des Sondervermögens (100 Mio. Euro) sind als „Hilfe zur Selbsthilfe“ für hochdefizitäre Kommunen zu verwenden, für die ein Haushaltsausgleich aus eigener Kraft im Finanzplanungszeitraum als aussichtslos erscheint (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KHKFondsVO M-V). Als Voraussetzung für eine Zuweisung ist sicherzustellen, dass die Kommune selbst alle Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung ergreift (§ 1 Abs. 2 Satz 3 KHKFondsVO M-V). (269) Bislang wurde lediglich mit der Landeshauptstadt Schwerin am 27.07.2015 eine Konsolidierungsvereinbarung abgeschlossen. Nach Mitteilung des Innenministeriums sei der Abschluss von Konsolidierungsvereinbarungen mit der Stadt Neubrandenburg, der Hansestadt Rostock und dem Landkreis Vorpommern-Greifswald beabsichtigt (Stand: 20.10.2016). (270) Die Gesamtsumme der bereits ausgezahlten Mittel beläuft sich auf rd. 3,7 Mio. Euro. Von diesen Mitteln entfielen rd. 3,2 Mio. Euro auf eine Abschlagszahlung für das Erreichen des Teilziels 2015 im Rahmen der Konsolidierungsvereinbarung mit der Landeshauptstadt Schwerin, der Restbetrag i. H. v. rd. 0,5 Mio. Euro auf Beratungsleistungen.58 Weitere Mittel i. H. v. rd. 16,9 Mio. Euro sind primär durch die Konsolidierungsvereinbarung mit der Landeshauptstadt Schwerin gebunden.59 Gegenwärtig (Stand: 20.10.2016) stehen aus dem Fonds nach Abzug der bereits abgeflossenen und vertraglich gebundenen Mittel damit noch rd. 79,4 Mio. Euro (einschließlich zwischenzeitlich vereinnahmter Zinsen) zur Verfügung. (271) Der Inhalt abgeschlossener und künftiger Konsolidierungsvereinbarungen ist insbesondere anhand der Vorgaben der KHKFondsVO M-V und deren effektiver Umsetzung im Rahmen der konkreten vertraglichen Regelung zu bewerten. Nach Auswertung der Konsolidierungsvereinbarung mit der Landeshauptstadt Schwerin gibt der Landesrechnungshof die nachfolgenden Hinweise für künftige Vereinbarungen: 57 58 59 82 Verordnung zum Kommunalen Haushaltskonsolidierungsfonds Mecklenburg-Vorpommern vom 17. Dezember 2012, GVOBl. M-V 2012, 580. Von den Auszahlungen für Beratungsleistungen entfallen jeweils insgesamt 232.823,51 Euro auf die Landeshauptstadt Schwerin, 178.500,00 Euro auf den Landkreis Vorpommern-Greifswald und 137.082,65 Euro auf die Stadt Neubrandenburg. Auf die Konsolidierungsvereinbarung (Gesamtumfang: 20 Mio. Euro) mit der Landeshauptstadt Schwerin entfallen nach erfolgter Abschlagszahlung (3,2 Mio. Euro) dabei noch 16,8 Mio. Euro. Für Beratungsleistungen sind nach einer Vereinbarung für die Stadt Neubrandenburg noch (bis zu) 91.388,42 Euro gebunden. 1. Ziel der Vereinbarung muss der vollständige Haushaltsausgleich sein (§ 1 Abs. 2 Satz 2 KHKFondsVO M-V). 2. Teilziele sind präzise zu formulieren. Dabei ist zu beachten, dass die Zahlung von Teilbeträgen u. a. an die Umsetzung von in der Konsolidierungsvereinbarung enthaltenen Maßnahmen zu binden ist (§ 7 Abs. 3 KHKFondsVO M-V). 3. Für die Fälle der Nichterreichung der (Teil-)Ziele und/oder der mangelnden Umsetzung vereinbarter Maßnahmen sind entsprechende vertragliche Sanktionen vorzusehen (z. B. Zurückhalten und/oder Kürzung der Konsolidierungshilfe, Kündigungsrecht). 4. Der Konsolidierungsvereinbarung sind insbesondere bei der Vereinbarung von Zielen verlässliche Haushaltsdaten zu Grunde zu legen. Soweit noch keine Eröffnungsbilanzen/Jahresabschlüsse vorliegen, sollte der Abschluss der Konsolidierungsvereinbarung genutzt werden, die Erfüllung der entsprechenden Rechtsverpflichtung(en) zu forcieren. 5. Zusätzliche Einzahlungen im Vertragszeitraum sind mittels Anpassung des jeweiligen (Teil-)Zieles zur Konsolidierung einzusetzen. 6. Die konkret zu vereinbarenden Maßnahmen zur Zielerreichung sind dem gesetzmäßigen Haushaltssicherungskonzept zu entnehmen und in einen Zeitplan zur Umsetzung einzubinden (§ 5 Abs. 2 Satz 2 und 3 KHKFondsVO M-V). Darüber hinaus sind insbesondere weitere Maßnahmen zur schnellstmöglichen Wiedererreichung des Haushaltsausgleichs in die Vereinbarung aufzunehmen (§ 5 Abs. 2 Satz 4 KHKFondsVO M-V). (272) Werden die Vorgaben der KHKFondsVO M-V nicht konsequent umgesetzt, besteht hingegen die Gefahr, dass Fehlanreize im Sinne einer Aufrechterhaltung des bisherigen Ausgabeverhaltens gesetzt werden. Das Innenministerium ist daher im besonderen Maße dazu gehalten, den Vorgaben der KHKFondsVO M-V bei allen Konsolidierungsvereinbarungen konsequent Rechnung zu tragen. Soweit sich die Konsolidierungshilfe in einem Beitrag zur Entschuldung erschöpft, können daraus weitergehende Fehlanreize erwachsen. Kommunen könnten geneigt sein, in Erwartung von Finanzhilfen des Landes nicht die erforderliche Haushaltsdisziplin aufzubringen. Die Errichtung eines Sondervermögens führt zu einer steigenden Komplexität und damit Intransparenz der Finanzierung der Kommunen. Dies gilt im besonderen Maße, wenn der Zweck des Sondervermögens und dessen Abgrenzung von anderen Finanzierungsquellen mit gleicher 83 Zielrichtung unklar bleiben. Allenfalls eine konsequente Umsetzung der Vorgaben der KHKFondsVO M-V und ein damit erzielter Mehrwert vermögen die Errichtung eines Sondervermögens zu rechtfertigen. Ein solcher Mehrwert wäre das Erreichen des Haushaltsausgleichs für hochdefizitäre Kommunen durch eine „Hilfe zur Selbsthilfe“. 4 Kommunales Kofinanzierungsprogramm (273) Das Land hat im Jahr 2012 einmalig eine Zuweisung an den Aufbaufonds in Höhe von 50 Mio. Euro geleistet. Diese Mittel sollen gemäß § 21 Abs. 6 FAG M-V bis Ende 2016 der anteiligen Förderung von Eigenanteilen zur Kofinanzierung kommunaler Investitionen dienen. Einzelheiten zum Verfahren und zu den Förderzielen wurden in einer entsprechenden Richtlinie geregelt.60 Die Kofinanzierungshilfe wurde durch das Innenministerium in Umsetzung des bindenden Votums des Vergaberates bewilligt (Nr. 7.2 der Richtlinie). Der Vergaberat 61 hat im März 2016 zum letzten Mal Fördermittel im Rahmen des Kofinanzierungsprogramms bestätigt.62 Von kommunaler Seite werden bereits Forderungen nach einer Wiederauflage des Kofinanzierungsprogramms erhoben.63 (274) Nr. 5.2 der Richtlinie sah eine Förderung von 50 % des verbleibenden kommunalen Anteils als Regelfall vor. Höhere Förderquoten sollten Ausnahmefällen vorbehalten bleiben. Demgegenüber hat der Landesrechnungshof den veröffentlichten Listen über die Finanzhilfen aus dem Kofinanzierungsprogramm64 deutlich höhere Förderquoten entnommen. Die Kofinanzierungshilfe wurde in insgesamt 171 (52 %) der dort aufgelisteten 326 Fälle mit einer Förderquote von mindestens 75 % des kommunal verbleibenden Anteils gewährt. In 85 (26 %) Fällen belief sich diese Förderquote sogar auf mindestens 85 %. Damit wurde in der Förderpraxis von dem in der Richtlinie vorgesehenen Regelfall in erheblichem Umfang abgewichen. (275) Die hohen Förderquoten und die Vielzahl an Förderprogrammen, in deren Zusammenhang Kofinanzierungshilfen bewilligt werden konnten (Nr. 2 der Richtlinie), bergen erfah60 61 62 63 64 84 Richtlinie für die Gewährung von Finanzhilfen aus dem Kofinanzierungsprogramm vom 29. Juni 2012 (AmtsBl. M-V 2012, S. 563, Änderungen veröffentlicht im AmtsBl. M-V 2013, S. 554). Mitglieder des Vergaberates waren Vertreter des Innenministeriums, des Sozialministeriums, des Finanzministeriums, der Staatskanzlei, des Ministeriums für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung, des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz und des Ministeriums für Wirtschaft, Bau und Tourismus. Vgl. Pressemitteilung Nr. 49 des Innenministeriums vom 21.03.2016. Vgl. Artikel „Gemeinden bleiben kritisch“ der Schweriner Volkszeitung (Lokalteil Parchimer Zeitung) vom 26.10.2016. http://www.regierung-mv.de/Landesregierung/im/Kommunales/Kommunale-Investitionsförderung, abgerufen am 09.11.2016. rungsgemäß die Gefahr von Fehlanreizen und begünstigen auch die Durchführung von Projekten, die zur Erfüllung kommunaler Aufgaben nicht notwendig sind und anderenfalls nicht realisiert worden wären. (276) Zu den Förderzielen gemäß Nr. 1.2 der Richtlinie zählte, insbesondere finanzschwachen Kommunen die Teilnahme an Investitionsprogrammen zu ermöglichen. Das Programm sollte dabei nachhaltige Investitionen unterstützen und mittels dieser langfristig bestandsfähigen und wirtschaftlichen Investitionen im Ergebnis zu einer Entlastung der kommunalen Haushalte führen (Nr. 1.2 Satz 2 der Richtlinie). Angesichts des Empfängerkreises und der vorgenannten Zielsetzung wäre den Folgekosten der Investition (d. h. den Schätzungen der nach Beendigung der Maßnahme entstehenden jährlichen Haushaltsbelastungen durch Schuldendienst, Abschreibungen, Betrieb und Unterhaltung etc.) bei der Entscheidung besondere Bedeutung beizumessen gewesen. (277) Der Landesrechnungshof hat aus den Listen der durch den Vergaberat bestätigten Vorhaben eine Stichprobe von acht Fällen gezogen und die zugehörigen Aktenvorgänge gesichtet. Gegenstand dieser Stichprobe waren z. B. der Bau eines Wasserwanderrastplatzes, der Anbau eines Gemeindesaales, der Umbau eines Gebäudes zum Kultur- und Generationenmarktplatz, die Sanierung eines Gemeindehauses oder der Neubau eines Dorfgemeinschaftshauses. (278) Den Entscheidungen zur Förderung lagen teilweise unzureichende Informationen zu den Auswirkungen der Investitionen auf zukünftige Haushalte zu Grunde. Eine Ursache dafür war, dass sowohl die Anträge als auch die Stellungnahmen der Rechtsaufsichtsbehörden zumeist nur unzureichend auf dieses wesentliche Kriterium eingingen. Soweit Folgekosten beziffert wurden, handelte es sich häufig um Behauptungen, für die keine plausiblen Begründungen oder Wirtschaftlichkeitsberechnungen vorgelegt wurden. Damit hatte der Vergaberat bei seiner Förderentscheidung keine ausreichende Basis zur Berücksichtigung der Auswirkungen der Investitionen auf künftige Haushalte . Bei Förderentscheidungen ohne hinreichende Informationen besteht die Gefahr, dass das Ziel, den Haushalt zu entlasten, bei diesem und ähnlichen Programmen nicht erreicht werden kann. Darüber hinaus wurden so unter Umständen Fehlanreize zur Durchführung von Investitionen gesetzt, deren Auswirkungen auf den Haushalt finanzschwacher Kommunen der Intention des Richtliniengebers zuwiderlaufen. (279) Das Innenministerium bestätigte, dass die Stellungnahmen der Rechtsaufsichtsbehörden qualitativ verbesserungswürdig seien. Durch einen entsprechenden Hinweis an die 85 Rechtsaufsichtsbehörden sei bereits reagiert worden.65 Es verwies darüber hinaus auf die Änderung der VV zu § 44 LHO im Jahr 2016. (280) Angesichts der Zusammensetzung des Vergaberats waren bei der Entscheidung über die Kofinanzierungshilfen zudem eine vorrangige Berücksichtigung von Ressortinteressen (Beteiligung der Förderressorts) und Interessenkonflikte nicht auszuschließen. Diese können sich auch im Abstimmungsverhalten niederschlagen. (281) Der Landesrechnungshof hatte bereits bei der Auflegung des Programms auf die Möglichkeit hingewiesen, dass das Land einige Förderprojekte zu annähernd 100 % finanziert und die Förderpolitik des Landes damit substituierende Wirkung entfaltet.66 Zudem ließ das Kofinanzierungsprogramm das klare Ziel, den notwendigen Kurs der Haushaltskonsolidierung auf kommunaler Ebene zu unterstützen, vermissen.67 Das Antragsverfahren ist bei vergleichbaren Programmen daher zukünftig so zu gestalten, dass zu den Voraussetzungen der Förderung zwingend und durch konkret untersetzte Angaben Stellung genommen werden muss. Dies betrifft die Antragstellung selbst sowie die erforderlichen Stellungnahmen durch andere Behörden (z. B. Rechtsaufsichtsbehörde). (282) Der Landesrechnungshof empfiehlt, bei vergleichbaren Programmen künftig die Auswirkungen der geförderten Maßnahme auf die aktuelle und zukünftige Haushaltslage als entscheidungsrelevantes Förderkriterium zu berücksichtigen. Darüber hinaus sollte schon bei der Auswahl der Fördergegenstände die Notwendigkeit der zu fördernden Projekte und Belastungen zukünftiger Haushalte berücksichtigt werden. Zur Umsetzung sollte die Einführung eines elektronischen Verfahrens geprüft werden. Bei entsprechender Gestaltung (z. B. Eingabefelder mit Erläuterungen und aufrufbaren Querverweisen, Pflichtfelder) könnte dies zur Verwaltungsvereinfachung beitragen und gleichzeitig eine hinreichende und aussagekräftige Datenbasis sicherstellen, welche allen beteiligten Förderressorts zur Verfügung steht. Dies kann auch zur Vermeidung überhöhter Förderquoten beitragen (vgl. Tz. 275). (283) Das Innenministerium teilte mit, dass die Hinweise des Landesrechnungshofes berücksichtigt würden. Es sei außerdem in Gespräche mit dem Finanzministerium und dem Ministe65 66 67 86 Hinweise zur Wahrnehmung der Finanzaufsicht durch das Innenministerium mit E-Mail vom 06.08.2015 an die Rechtsaufsichtsbehörden. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Jahresbericht 2012 (Teil 1) Kommunalfinanzbericht 2012, S. 49. Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht 2013 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2013, S. 65 f. und Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2015): Jahresbericht 2015 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2015, S. 27. rium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung (Energieministeriums) getreten, um die künftigen Möglichkeiten von durchgehend IT- gestützten Antragstellungen und -bearbeitungen zu erörtern. (284) Der Landesrechnungshof begrüßt die Bestrebungen des Innenministeriums. 5 Sonderhilfe 2014–2016 (285) Im Rahmen des Kommunalgipfels am 07.03.2013 haben sich das Land MecklenburgVorpommern und die kommunalen Landesverbände darauf verständigt, dass das Land den Kommunen in den Jahren 2014 bis 2016 außerhalb des Finanzausgleichsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern insgesamt 100 Mio. Euro zweckgebunden für nachhaltige Investitionen vorrangig im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge, für Modernisierungen, zur Schuldentilgung sowie finanzielle Aufwendungen aus Anlass der Kreisgebietsreform zur Verfügung stellt.68 Nähere Regelungen zur Verwendung enthält die Vereinbarung nicht. (286) Den Kommunen wurde erstmals mit Schreiben des Innenministeriums vom 30.09.2013 zum kommunalen Finanzausgleich 2013 (sog. Auszahlungserlass) aufgegeben, nicht nur die jahresbezogene Höhe des Zuweisungsbetrags, sondern auch die maßnahmebezogene Verwendung der Sonderhilfe im Vorbericht darzustellen, um einen landesweiten Überblick über die konkrete Verwendung der Sonderhilfe zu erhalten. Diese Vorgabe war in den entsprechenden Erlassen der Folgejahre ebenfalls enthalten.69 (287) Der Landesrechnungshof hat das Innenministerium bereits im Jahr 2015 um die Übersendung dieses landesweiten Überblicks über die konkrete Verwendung der Sonderhilfe gebeten. Das Innenministerium konnte lediglich eine Übersicht zur Verwendung der Sonderhilfe bei den Landkreisen, großen kreisangehörigen Städten und kreisfreien Städten vorlegen. Der Mitteilung des Innenministeriums und der übersandten Übersicht war zu entnehmen, dass bei Kommunen, „die zur Finanzierung des laufenden Bereichs auf Kredite zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit angewiesen sind, über die Sonderhilfe finanzierte nicht zusätzliche Maßnahmen ‚automatisch‘ zu einer Schuldentilgung (Senkung der Verbindlichkeiten aus Krediten zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit) führen“ und dies unter „Schuldentilgung“ im Sinne der zur Sonderhilfe abgeschlossenen Vereinbarung zu subsumieren sei. 68 69 Vgl. § 1 der Vereinbarung zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern und dem Städte- und Gemeindetag Mecklenburg-Vorpommern e. V. sowie dem Landkreistag Mecklenburg-Vorpommern über finanzielle Hilfen des Landes für Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern. Zuletzt im Erlass vom 08.09.2015 betreffend die Orientierungsdaten für die Haushaltsplanung und den Kommunalen Finanzausgleich 2016. 87 (288) Der Landesrechnungshof teilt diese Auffassung nicht, da Kredite zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit nur zur Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe aufgenommen werden dürfen. Der Einsatz dieser Kredite zur dauerhaften Finanzierung der laufenden Auszahlungen ist rechtswidrig. (289) In seiner Stellungnahme stimmt das Innenministerium den Ausführungen des Landesrechnungshofes hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen zur Aufnahme von Krediten zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit zu. Es führt ergänzend aus, dass „in der Vergangenheit insbesondere kamerale Altfehlbeträge durch Kredite zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit überbrückt worden [seien]. Die Deckung dieser negativen Vorträge des laufenden Bereichs durch den Einsatz der Sonderhilfen 2014-2016 wird finanzaufsichtlich befürwortet.“ (290) Die Ausführungen bestätigen, dass die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben für die Aufnahme von Krediten zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit der verstärkten Aufmerksamkeit durch die Rechtsaufsicht bedarf. (291) Darüber hinaus musste der Landesrechnungshof zur Kenntnis nehmen, dass beim Innenministerium keine maßnahmebezogenen Angaben zur Verwendung der Sonderhilfen für die kreisangehörigen Kommunen vorlagen. Damit fehlt es im Ergebnis an dem in den Auszahlungserlassen erwähnten landesweiten Überblick über die Verwendung der Sonderhilfe. Eine entsprechende Nachfrage bei einigen Landkreisen ergab zudem, dass dort zwar auf die Darstellung der maßnahmebezogenen Verwendung der Sonderhilfe im Vorbericht geachtet werde, diese Informationen jedoch nicht zusammengefasst und abrufbereit vorliegen. Das Innenministerium teilte dazu mit, dass bisher „weder rechtsaufsichtlich noch landespolitisch ein Anlass für ein entsprechendes Informationsbedürfnis erkennbar geworden“ sei. Diese Aussage steht im Widerspruch zu den Vorgaben in den sog. Auszahlungserlassen. Auch der Hinweis auf das mangelnde Informationsbedürfnis aufgrund der Tatsache, dass die zulässigen Verwendungszwecke nach der Vereinbarung zu dieser Sonderhilfe sehr weit gefasst seien, vermag nicht zu überzeugen. Gerade in einem solchen Fall ist die Kenntnis der konkreten Verwendung notwendig, um den Erfolg der Sonderhilfe im Sinne einer möglichen strukturellen Verbesserung der Haushalte bemessen zu können. (292) Auf erneute Nachfrage im Jahr 2016 teilte das Innenministerium mit, dass gegenüber dem Sachstand 2015 keine Änderung eingetreten sei (Stand: 20.10.2016). 88 (293) Der Landesrechnungshof hatte sich zu dieser Sonderhilfe kritisch geäußert, weil mit den weit gefassten Verwendungszwecken keine zielgenaue Bindung der Mittel zum Abbau von strukturellen Haushaltsdefiziten erfolgt sei.70 Die getätigten Feststellungen bestätigen diese Bedenken des Landesrechnungshofes. Selbst die vom Innenministerium eingeführte Informationspflicht zur Verwendung der Sonderhilfe wird nicht kontrolliert und im Sinne einer Erfolgskontrolle ausgewertet. Die Tatsache, dass die Sonderhilfen teilweise zur Finanzierung des „laufenden Bereichs“ verwendet wurden, zeigt das Problem der fehlenden zielgenauen Bindung und Spezifizierung der Hilfen. Insoweit wurde mit der Sonderhilfe kein wirksamer Beitrag zur dauerhaften Lösung der strukturellen Haushaltsprobleme der Kommunen geleistet. 6 Unterstützungshilfe 2014–2017 (294) In einer Vereinbarung vom 19.02.2014 haben sich die Landesregierung und die kommunalen Landesverbände darauf geeinigt, dass die Kommunen außerhalb des Finanzausgleichs in den Jahren 2014 bis einschließlich 2017 jährlich einen Betrag von 40 Mio. Euro erhalten. Diese Mittel sollen die Kommunen bei der Haushaltskonsolidierung und beim Abbau der Verschuldung unterstützen. Nähere Regelungen zur Verwendung enthält die Vereinbarung nicht. In der Vereinbarung sind auch umfangreiche Verpflichtungen der kommunalen Landesverbände, über deren Umsetzung diese jährlich zu berichten haben, aufgenommen worden (§ 3). (295) Der Landesrechnungshof hat beim Innenministerium bereits im Jahr 2015 die Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen durch die kommunalen Landesverbände erfragt. Es wurde mitgeteilt, dass ein entsprechender Bericht zur Einhaltung der Verpflichtungen noch nicht vorgelegt worden sei. Ein solcher solle bis zum nächsten und noch nicht terminierten Zusammentreffen vorgelegt werden. (296) Auf erneute Nachfrage im Jahr 2016 wurde mitgeteilt, dass zum Sachstand 2015 keine Änderungen eingetreten seien (Stand 20.10.2016). (297) Die kommunalen Landesverbände sind ihrer Berichtspflicht nach Auskunft des Innenministeriums nicht nachgekommen. 70 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht 2013 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2013, S. 33 f. und Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2015): Jahresbericht 2015 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2015, S. 26. 89 7 Gesamtwürdigung (298) Die vorstehenden Ausführungen bestätigen in ihrer Gesamtheit die Auffassung des Landesrechnungshofes, dass auch die Fonds und Sonderhilfen für Kommunen hinsichtlich ihrer Ziele miteinander konkurrieren, Fehlanreize setzen und in erheblichem Maße zu einer Intransparenz der Finanzierung der Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern beitragen. Die derzeitige Ausgestaltung der Kommunalfinanzierung kann dazu führen, dass eine Kommune eine Investitionsmaßnahme durchführt, die • nicht bedarfsgerecht ist und • durch das Land mit einer hohen Quote gefördert wird. Diese Investitionsmaßnahme führt wegen vorab unberücksichtigter Folgekosten zu • erheblichen Haushaltsbelastungen und • strukturellen Haushaltsproblemen, welche sodann mit • hohem Verwaltungsaufwand im Rahmen der Rechtsaufsicht und • dem Einsatz von beträchtlichen Finanzhilfen beseitigt werden müssen. (299) Festzuhalten bleibt, dass die Hilfe bei der Lösung struktureller Haushaltsprobleme (zumindest ein) Ziel der Mehrzahl der Fonds und Sonderhilfen des Landes für die Kommunen ist. Es existieren insoweit mehrere Programme mit (teilweise bzw. nahezu) identischer Zielsetzung. Die Erreichung dieses Ziels wird nicht innerhalb eines abgestimmten und einheitlich gesteuerten Systems verfolgt. Das System der Fonds und Sonderhilfen führt vielmehr zu einer unnötigen Komplexität und zu zunehmender Intransparenz bei der Finanzierung der Kommunen. Diese Art der Finanzierung birgt außerdem die Gefahr von Fehlanreizen für den Aufbau und die Aufrechterhaltung nicht bedarfsgerechter Strukturen. (300) All dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es bereits innerhalb der bestehenden Fonds und Sonderhilfen an einer Steuerung sowie dauerhaften und begleitenden (Erfolgs-)Kontrolle zur Erreichung der beabsichtigten Ziele mangelt. Eine übergeordnete Steuerung und Kontrolle zur Zielerreichung ist damit ausgeschlossen. Besonders deutlich wird dies bei der Sonderhilfe 2014–2016 und der Unterstützungshilfe 2014–2017. Diese Hilfen können vielmehr sogar geeignet sein, zu einer Verzögerung der not90 wendigen haushaltspolitischen Anpassungsprozesse auf der kommunalen Ebene beizutragen. Erschwerend wirkt hier, dass durch das Land überwiegend bewusst darauf verzichtet wurde, im Rahmen dieser Hilfen auf die finanzpolitischen Maßnahmen des Hilfeempfängers konkret Einfluss zu nehmen. (301) Die fehlende (übergeordnete) Steuerung und Erfolgskontrolle der Fonds und Sonderhilfen erweckt den Eindruck, der Fokus des Landes läge bei diesen Programmen teilweise auf einer bloßen Mittelausreichung. (302) Das Land ist in der Pflicht, die aufgezeigten Probleme der gegenwärtigen Kommunalfinanzierung zu beseitigen. Dies kann durch eine umfassende und zielgerichtete Novellierung des Kommunalen Finanzausgleichs gelingen. Bei dessen sachgerechter Ausgestaltung sind Fonds und Sonderhilfen aus Sicht des Landesrechnungshofes grundsätzlich verzichtbar. 91 4 Umsetzung des NKHR M-V und aktuelle Entwicklungen Die Kommunen des Landes befinden sich bei der Aufstellung sowie der Feststellung der Jahresabschlüsse in einem erheblichen und rechtswidrigen Zeitverzug. Insoweit können weiterhin keine verlässlichen Aussagen zur Haushalts- und Finanzlage der Kommunen getroffen werden. Zudem führen viele Kommunen keine Kosten- und Leistungsrechnung durch. Eingesetzte IT-Verfahren werden überwiegend nicht entsprechend den rechtlichen Maßgaben geprüft und freigegeben. Alle Kommunen sind zu einem frühzeitigen Beginn der Vorbereitungsarbeiten für den Gesamtabschluss angehalten. Die geplante EPSAS-Einführung wird aufgrund von Unwägbarkeiten und Unklarheiten in wesentlichen Fragestellungen weiterhin als problematisch erachtet. (303) Der Landesrechnungshof hat bei allen Landkreisen, kreisfreien Städten und großen kreisangehörigen Städten erneut den Umsetzungsstand des NKHR M-V erhoben (Stand: 10.10.2016).71 Für den kreisangehörigen Raum hat der Landesrechnungshof beim Innenministerium den Stand der Eröffnungsbilanzen und bei den unteren Rechtsaufsichtsbehörden die fristgemäße Feststellung der Jahresabschlüsse 2014 abgefragt. (304) Weiterhin hat sich der Landesrechnungshof mit dem aktuellen Diskussionsstand zur Einführung europäischer Rechnungslegungsstandards für den öffentlichen Sektor (EPSAS) auseinandergesetzt. 1 Abfrage zum Umsetzungsstand des NKHR M-V 1.1 Eröffnungsbilanz (305) Nach § 2 KomDoppikEG M-V ist die Eröffnungsbilanz zu Beginn des ersten Haushaltsjahres nach doppischer Buchführung aufzustellen. Die Gemeindevertretung hat diese nach § 11 Abs. 1 KomDoppikEG M-V bis zum 30.11. desselben Jahres festzustellen. (306) Bei allen Landkreisen, kreisfreien Städten und großen kreisangehörigen Städten wurden zwischenzeitlich die Eröffnungsbilanzen von den Vertretungskörperschaften festgestellt. Dies war 2015 lediglich bei 42 % dieser Kommunen der Fall. Im Rahmen der Eröff71 92 Zwischenzeitlich mitgeteilte Änderungen zu Feststellungsentscheidungen können aus systematischen Gründen erst im nächsten Kommunalfinanzbericht berücksichtigt werden. nungsbilanzprüfung nahmen zwei Kommunen die Dienste eines sachverständigen Dritten in Anspruch. (307) Für den kreisangehörigen Raum ergeben sich folgende Bearbeitungsstände: Tabelle 13: Bearbeitungsstand der Eröffnungsbilanzen im kreisangehörigen Raum Bearbeitungsstand72 31.07.2015 17.03.2016 in Bearbeitung 9% 2% aufgestellt 19 % 10 % festgestellt 72 % 88 % Quelle: Angaben des Innenministeriums, eigene Darstellung. (308) Insoweit hat sich der Bearbeitungsstand der Eröffnungsbilanzen im kreisangehörigen Raum gegenüber dem letzten Jahr zwar verbessert, nicht auf- bzw. festgestellte Eröffnungsbilanzen sind jedoch im fünften Jahr nach der verpflichtenden NKHR-Einführung nicht akzeptabel. (309) Der zeitliche Verzug bei der Festellung der Eröffnungsbilanzen ist rechtswidrig. Auch eine rechtmäßige Haushalts- und Wirtschaftsführung ist ohne festgestellte Eröffnungsbilanzen nicht gewährleistet. Es mangelt damit insbesondere an der notwendigen Transparenz und an verlässlichen Entscheidungsgrundlagen für das Verwaltungshandeln. Aufgrund der verspäteten Feststellung der Eröffnungsbilanzen ergeben sich zeitliche Verzögerungen bei den Jahresabschlüssen. (310) Darüber hinaus ist die Prüfung der Eröffnungsbilanzen, soweit diese ohne Rückgriff auf ein Rechnungsprüfungsamt erfolgte, teilweise mit erheblichen formellen und qualitativen Problemen behaftet. Vor diesem Hintergrund müssen die Durchführung und Qualität der örtlichen Prüfung im kreisangehörigen Raum verstärkt in den Fokus überörtlicher Prüfungen genommen werden. 1.2 Jahresabschluss (311) Nach § 60 Abs. 1 KV M-V ist die Aufstellung eines Jahresabschlusses für den Schluss eines jeden Haushaltsjahres vorgesehen und hat innerhalb von vier Monaten nach Abschluss des Haushaltsjahres zu erfolgen (§ 60 Abs. 4 KV M-V). Nach dessen Prüfung ist die Feststellung des Jahresabschlusses bis spätestens zum 31.12. des auf das Haushaltsjahr folgenden Jahres durch die Vertretungskörperschaft vorzunehmen (§ 60 Abs. 5 KV M-V). 72 Im Rahmen dieser Auswertung ist zu beachten, dass nach Angaben des Statistischen Amtes mehr als ein Viertel aller Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern Doppik-Frühstarter waren. 93 Tabelle 14: Festgestellte Jahresabschlüsse in den Landkreisen, kreisfreien Städten und großen kreisangehörigen Städten Kommune 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Nein Nein Nein 11.02.16 08.09.16 Nein Hansestadt Rostock Nein Nein Nein Landeshauptstadt Schwerin Nein Nein Nein Nein Nein Nein Nein Nein Nein Nein Nein Nein 10.10.16 Nein Nein 10.12.15 Nein Nein Landkreis Rostock Nein Nein Nein Landkreis VorpommernGreifswald Nein Nein Nein Landkreis VorpommernRügen 11.06.16 Nein Nein Hansestadt Greifswald Neubrandenburg 21.06.12 26.09.13 30.10.14 Hansestadt Stralsund 02.07.15 Nein Hansestadt Wismar Landkreis LudwigslustParchim73 LWL: 14.07.16 LWL: Nein PCH: 14.07.16 PCH: 06.10.16 Landkreis Mecklenburgische Seenplatte Landkreis Nordwestmecklenburg 18.12.14 05.11.15 Quelle: Angaben der Kommunen, eigene Darstellung.74 Die Stadt Neubrandenburg, die Landkreise Mecklenburgische Seenplatte, Nordwestmecklenburg und Vorpommern-Rügen sowie die Altkreise Ludwigslust und Parchim sind bisher die einzigen Kommunen, für welche die Jahresabschlüsse unter der Anwendung des NKHR M-V festgestellt wurden. (312) Für das Haushaltsjahr 2013, für das eine Feststellung bis zum 31.12.2014 hätte erfolgen müssen, wurde der Jahresabschluss bisher nur von der Stadt Neubrandenburg festgestellt, von den Landkreisen Nordwestmecklenburg und Vorpommern-Rügen wurde der Jahresabschluss zumindest aufgestellt. (313) Dem Gesetz folgend hätte zum 31.12.2015 der Jahresabschluss des Haushaltsjahres 2014 zwingend von allen Kommunen festgestellt worden sein müssen. Dies war jedoch bei keiner der zwölf Kommunen der Fall. Aufgestellt wurden diese Abschlüsse bisher nur von der Stadt Neubrandenburg und dem Landkreis Nordwestmecklenburg. (314) Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich alle Kommunen hinsichtlich der Aufstellung sowie der Feststellung der Jahresabschlüsse in einem erheblichen und rechtswidrigen Zeitverzug befinden. Die deutlichen Verzögerungen und die in der Gesamtsicht gegenüber 73 74 94 Für die Jahre 2010 und 2011 hat bzw. hatte der Landkreis Ludwigslust-Parchim die Jahresabschlüsse der Altkreise Ludwigslust (LWL) und Parchim (PCH) auf- bzw. festzustellen. Für die dunkelgrau hinterlegten Jahre war in den jeweiligen Kommunen noch ein kameraler Jahresabschluss aufzustellen. dem Vorjahr nur geringen Fortschritte sind umso kritischer zu bewerten, als das Gesetz zur Einführung der Doppik im kommunalen Haushalts- und Rechnungswesen (KomDoppikEG M-V) dahingehend geändert wurde, dass der Gesamtabschluss nunmehr erst verpflichtend für das Haushaltsjahr 2019 zu erstellen ist. Die dadurch frei werdenden Ressourcen sollten von den Kommunen für die Nachholung von Jahresabschlüssen genutzt werden.75 Dies ist bei der überwiegenden Mehrzahl der Kommunen bislang nicht geschehen. (315) Darüber hinaus weist der Landesrechnungshof auf die Möglichkeit zur Erstellung eines Doppelhaushalts76 hin. Dadurch freiwerdende Kapazitäten im Finanzbereich könnten ebenfalls für eine schnellere Aufstellung noch offener Jahresabschlüssen eingesetzt werden. (316) Der Landesrechnungshof hat die unteren Rechtsaufsichtsbehörden u. a. nach der fristgerechten und gesetzmäßigen Feststellung von Jahresabschlüssen im kreisangehörigen Raum befragt. Danach wurden für das Haushaltsjahr 2014 zum 31.12.2015 lediglich 24 von insgesamt 82577 Jahresabschlüssen festgestellt. Dies entspricht einer fristgerechten Feststellungsquote von weniger als 3 %. Auch für den kreisangehörigen Raum sind erhebliche Defizite bei der Umsetzung der Rechtslage festzustellen. (317) Der Landesrechnungshof betrachtet die Entwicklung mit Blick auf die nicht fristgerechte und damit rechtswidrige Aufstellung und Feststellung der Jahresabschlüsse im gesamten kommunalen Raum mit großer Sorge. Nicht fristgerecht festgestellte Jahresabschlüsse verlagern auch die Entlastungsentscheidung der Vertretungskörperschaft (§ 60 Abs. 5 Satz 2 KV M-V) entsprechend weit in die Zukunft. Unzulänglichkeiten oder Rechtsverstöße sind damit nicht zeitnah zu verfolgen bzw. möglicherweise verjährt. Die überwiegend fehlenden Jahresabschlüsse führen dazu, dass gegenwärtig keine verlässlichen Aussagen zur Haushalts- und Finanzlage der betreffenden Kommunen möglich sind. 1.3 Gesamtabschluss (318) Die Gemeinde hat für den Schluss eines jeden Haushaltsjahres einen Gesamtabschluss zu erstellen, wenn zum Ende eines Haushaltsjahres und zum Ende des vorausgegangenen 75 76 77 Vgl. Schreiben des Innenministeriums an den Landesrechnungshof vom 23.11.2015, Gz.: II 330-176-751002015/009-003, S. 2. Vgl. § 45 Abs. 2 KV M-V und § 6 GemHVO-Doppik. Amtsfreie Gemeinden, Amtsverwaltungen und amtsangehörige Gemeinden. 95 Haushaltsjahres mindestens eine Tochterorganisation der Gemeinde unter dem beherrschenden oder maßgeblichen Einfluss der Gemeinde steht (§ 61 Abs. 1 KV M-V). Ursprünglich war der erstmalige Gesamtabschluss spätestens für das dritte Haushaltsjahr nach Doppik-Einführung zu erstellen. Die Aufstellung sollte so rechtzeitig erfolgen, dass der Gesamtabschluss spätestens bis zum Ablauf des folgenden Haushaltsjahres der Gemeindevertretung zur Kenntnis hätte vorgelegt werden können (§ 13 KomDoppikEG M-V a. F.). § 13 Abs. 1 KomDoppikEG M-V wurde Ende 2015 dahingehend geändert, dass der erstmalige Gesamtabschluss nunmehr spätestens für das Haushaltsjahr 2019 zu erstellen ist. Eine Unterscheidung nach Frühstartern oder Regelkommunen erfolgt nicht mehr. (319) Ein Gesamtabschluss nach § 61 KV M-V wurde bisher nur von der Stadt Neubrandenburg für das Haushaltsjahr 2010 der Vertretungskörperschaft zur Kenntnis vorgelegt. Die Aufstellung des Gesamtabschlusses für das Haushaltsjahr 2011 ist in Vorbereitung. (320) Somit gibt es hinsichtlich der Aufstellung bzw. der Kenntnisnahme des Gesamtabschlusses durch die Vertretungskörperschaften keine Veränderungen zum Vorjahr. Vielmehr brachen Kommunen die Erstellung ihres (ersten) Gesamtabschlusses nach Änderung der Rechtslage ab. (321) Der Landesrechnungshof sieht dies kritisch und gibt allen Kommunen die Zeitintensität und -dauer für die Erstellung der Gesamtabschlüsse (Gesamtergebnis- und -finanzrechnung, Gesamtbilanz, Gesamtanhang) sowie deren Anlagen (Gesamtrechenschaftsbericht, Gesamtanlagenübersicht, Gesamtforderungsübersicht, Gesamtverbindlichkeitenübersicht, Eigenkapitalspiegel) zu bedenken. Erfahrungsgemäß sind für die erstmalige Erstellung des Gesamtabschlusses bis zu zwei Jahre vorzusehen. In diesem Zeitraum sind u. a. folgende Arbeiten zu erledigen: • inhaltliche Abstimmungen mit den Tochterorganisationen (Informationsgenerierung/ -aufbereitung/-übermittlung/-korrektur), 96 • Festlegungen von Ausweis-/Ansatz- und Bewertungsmethoden, • Festlegungen zu Konsolidierungsmethoden und wesentlichen Berichtsinstrumenten, • Erarbeitung von Handlungsanweisungen und -leitfäden, • Schaffung der IT-mäßigen Voraussetzungen sowie • erforderliche Mitarbeiterschulungen. Sofern für diese Arbeiten keine ausreichenden Personalkapazitäten zur Verfügung stehen, wird sich die erstmalige Erstellung des Gesamtabschlusses noch weiter verzögern. (322) Ausgehend von den Erfahrungen bei der verzögerten Aufstellung der kommunalen Eröffnungsbilanzen und dem Erfordernis einer strukturierten und planvollen Vorgehensweise (einschließlich Projektorganisation) sind insbesondere die Kommunen mit zahlreichen Tochterorganisationen und/oder umfangreichen Aufgabenauslagerungen zu einem frühzeitigen Beginn der Vorbereitungsarbeiten angehalten. Nur so ist ein gesetzmäßiger Gesamtabschluss für das Haushaltsjahr 2019 zu erstellen. (323) Das Innenministerium wird gebeten zu prüfen, in welcher Form den Kommunen für die Erstellung der Gesamtabschlüsse aktuelle Leitfäden und Praxishilfen zur Verfügung gestellt werden können. (324) Das Innenministerium teilte hierzu mit, dass es „zu gegebener Zeit Praxishilfen o. ä.“ erarbeiten werde. (325) Der Landesrechnungshof begrüßt die Zusage des Innenministeriums. Vor dem Hintergrund der zeitintensiven Vorbereitungen zur Erstellung der Gesamtabschlüsse ist es unerlässlich, diese Praxishilfen o. ä. zeitnah zur Verfügung zu stellen. 1.4 Kosten- und Leistungsrechnung (326) Ursprünglich war das Führen einer Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) für alle Bereiche der Verwaltung verpflichtend vorgeschrieben (§ 27 Abs. 1 GemHVO-Doppik a. F.). § 27 Abs. 1 GemHVO-Doppik wurde zwischenzeitlich dahingehend novelliert, dass eine KLR zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit der Verwaltung sowie als Grundlage der Verwaltungssteuerung geführt werden soll. Eine Dienstanweisung regelt deren Art und Umfang (§ 27 Abs. 3 GemHVO-Doppik). Der Landesrechnungshof weist darauf hin, dass auch nach der Änderung des § 27 Abs. 1 GemHVO-Doppik die Einführung der KLR der gesetzlich vorgeschriebene Regelfall ist. Soweit von diesem Regelfall abgewichen werden soll, ist hierzu eine besondere Begründung notwendig, welche einer aufsichtsrechtlichen Prüfung bedarf. Die gesetzlich benannte Möglichkeit einer Ausnahme (§ 27 Abs. 1 Satz 2 GemHVO-Doppik) scheidet für die Haushalte der Landkreise, kreisfreien Städte und großen kreisangehörigen Städte aufgrund deren Komplexität aus. 97 (327) Insgesamt gaben sechs der zwölf Kommunen an, die KLR zumindest in Teilen eingeführt zu haben.78 Dieses Ergebnis überrascht insofern, als im Vorjahr sieben Kommunen eine KLR-Einführung angegeben hatten. Dienstanweisungen über Art und Umfang der KLR lagen in nur vier Verwaltungen vor und wurden z. T. seit ihrer Einführung überarbeitet. Drei weitere Kommunen gaben an, dass die Dienstanweisungen in Be-/Erarbeitung seien bzw. Anfang 2017 in Kraft treten.79 (328) Es ist unverständlich, dass einige Kommunen im fünften Jahr nach der DoppikEinführung noch keine KLR eingeführt haben. Die gesetzlichen Regelungen werden insoweit nicht eingehalten. (329) Ohne eine KLR fehlen den Kommunen grundlegende Daten zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und damit zur Steuerung eines effektiven und effizienten Ressourceneinsatzes der Verwaltung. Damit ist es nicht möglich, korrekte Kostenberechnungen beispielsweise hinsichtlich der Flüchtlingsunterbringung oder der flüchtlingsbedingten Mehrbelastungen vorzulegen und diese Bereiche planvoll zu steuern. (330) In der Gesamtsicht können die mit der Einführung des NKHR M-V verfolgten Ziele wie die Erhöhung der Transparenz oder der verbesserten Information von Entscheidungsträgern in Folge dessen weiterhin nicht vollumfänglich erreicht werden. 1.5 Freigabe von IT-Verfahren (331) Nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 GemKVO-Doppik müssen automatisierte Verfahren, wenn sie für die Ermittlung von Ansprüchen und Zahlungsverpflichtungen, die Buchführung, die Abwicklung des Zahlungsverkehrs und die Aufbewahrung von Büchern und Belegen eingesetzt werden, vom Anwender fachlich geprüft und vom Bürgermeister bzw. Landrat freigegeben werden.80 Hierfür sollte ein Prüf- und Freigabekonzept entwickelt werden. Aufzunehmen sind darin auch Regelungen zur Prüfung und Freigabe von Vorverfahren, neuen Programmversionen/Updates etc. sowie von Schnittstellen. Grundlage der gesetzlich vorgeschriebenen Anwenderprüfung kann beispielsweise der EDVPrüfkatalog des Gemeinschaftsprojekts NKHR M-V sein. Entgegen der Sichtweise einiger 78 79 80 98 Eine der Kommunen hat lediglich die Primärkostenrechnung eingeführt. Eine dieser Kommunen plant die KLR-Einführung für Anfang 2017. Damit bedürfen beispielsweise die automatisierte Bescheiderstellung sowie Programme, die der Ermittlung der Bescheidhöhe dienen, der Prüfung und Freigabe. Kommunen entbindet eine allgemeine Programmzertifizierung, z. B. mit dem TÜV-Zeichen „Geprüftes Fachprogramm“, die Kommunen nicht von der erforderlichen Anwenderprüfung. Diese Prüfung ist auf der Grundlage des tatsächlichen Verfahrenseinsatzes durchzuführen. Das Prüf- und Freigabekonzept ist verwaltungseinheitlich anzuwenden. Die Prüfungshandlungen sind nachzuweisen. Dies schließt insbesondere die Verfahrensdokumentation der Prüfung, die Protokolle der Testdurchläufe und die Ergebnisdarstellungen ein.81 Alle vorstehenden Anforderungen sind mit der Freigabeerklärung gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 GemKVO-Doppik zu bestätigen. (332) Der Landesrechnungshof erfragte bei den zwölf Kommunen, ob sie Verfahren, die den Maßgaben des § 12 Abs. 1 GemKVO-Doppik unterliegen, einsetzen. Eine große kreisangehörige Stadt verneinte diese Frage. Wie diese Antwort im Zusammenhang mit der Verwendung eines HKR-Verfahrens gegeben werden kann, erschließt sich dem Landesrechnungshof nicht. (333) In einem nächsten Schritt waren diese einschlägigen Verfahren aufzulisten und dazu nähere Angaben (Hersteller, aktuell verwendete Version und deren Freigabedatum) zu machen. (334) Die Anzahl der angegebenen Verfahren unterschied sich zum Teil erheblich. Während einige Kommunen bis zu neun Verfahren benannten, gab ein Großteil der Kommunen nur ihr HKR-Verfahren an. (335) Aus diesen Antworten ist zu schließen, dass den Kommunen z. T. nicht bewusst ist, welche Verfahren unter die Maßgaben des § 12 Abs. 1 Nr. 1 GemKVO-Doppik fallen. Angesichts der Vielzahl eingesetzter Fachverfahren sind die Angaben der Kommunen zweifelhaft und teils deutlich unterzeichnet. (336) In einigen Fällen liegen nach Aussage der Kommunen Freigaben neueren Datums zumindest für das HKR-Verfahren vor, welche sich auf jeweils aktuelle Programmversionen beziehen dürften. In anderen Fällen ist aus den Datumsangaben der Freigabeerklärungen zu schließen, dass sich diese nicht auf die aktuelle Version beziehen.82 81 82 Vgl. dazu auch „Mindestanforderungen der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder zum Einsatz der Informationstechnik – Leitlinien und gemeinsame Maßstäbe für IT-Prüfungen – (IuK-Mindestanforderungen 2016)“, Stand: Juni 2016. Diese sind im Internet unter www.lrh-mv.de/Veröffentlichungen/GemeinsameDokumente-der-Rechnungshöfe/ abrufbar. Zum Teil sind die Freigabeerklärungen über vier Jahre alt. 99 Abgesehen von den HKR-Verfahren waren einige der benannten Verfahren noch nicht freigegeben. 1.6 Fazit (337) Trotz der verpflichtenden Umstellung auf das NKHR M-V zum 01.01.2012 sind nach nunmehr fünf Jahren kaum Jahresabschlüsse der Landkreise, kreisfreien Städte und großen kreisangehörigen Städte festgestellt worden. Damit besteht hier weit überwiegend ein rechtswidriger und inakzeptabler zeitlicher Verzug. Die vom Gesetzgeber eingeräumten Erleichterungen hinsichtlich des Gesamtabschlusses durch die Änderung des KomDoppikEG M-V bzgl. der Verwendung der freiwerdenden Ressourcen für die Jahresabschlüsse verfehlten bislang ihre Wirkung. Durch die z. T. nicht eingeführte KLR fehlen den Kommunen die dringend benötigten Grundlagen für die Verwaltungssteuerung. Das gilt beispielsweise für eine höhere Transparenz, eine bessere Information von Entscheidungsträgern oder die Abbildung der Generationengerechtigkeit. Insoweit erschweren bzw. verhindern die aussstehenden Jahresabschlüsse sowie die nicht umgesetzte KLR-Einführung aussagekräftige Bewertungen der kommunalen Haushalts- und Wirtschaftslage. (338) Die kommunalen Entscheidungsträger sind dringend angehalten, die rechtswidrigen Zustände schnellstmöglich zu beseitigen. Einführung europäischer Rechnungslegungsstandards 83 2 (339) Die Europäische Kommission ist weiterhin bestrebt, für den öffentlichen Sektor der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union einheitliche und verbindliche europäische Rechnungslegungsgrundsätze (European Public Sector Accounting Standards – EPSAS) einzuführen. Im Ergebnis sollen damit eine höhere Transparenz und Vergleichbarkeit der (finanzstatistischen) Daten aller Mitgliedsstaaten gewährleistet und die Haushaltsüberwachung verbessert werden.84 (340) Wenngleich diese Ziele nachvollziehbar und erstrebenswert erscheinen, hatte sich die Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder 83 84 Vgl. dazu auch Abschnitt VI2.2 im vorliegenden Bericht. Zu den grundlegenden Ausführungen hinsichtlich der EPSAS siehe Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern: Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2015 – Teil 1 – Kommunalfinanzbericht 2015, S. 65. Die Aussagen zum Umsetzungsaufwand der EPSAS-Einführung werden auch von kommunaler Seite geteilt. 100 (Präsidentenkonferenz) bereits 2014 kritisch zu dem Vorhaben der Europäischen Kommission geäußert. Die grundsätzlichen Bedenken und Kritikpunkte hatte der Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern geteilt.85 (341) Mit dem aktuellen Ansatz und Zeitplan forciert die Europäische Kommission die EPSAS-Einführung und sieht eine einheitliche und verbindliche Anwendung der EPSAS auf Basis einer doppischen Rechnungslegung in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zum Ende des Jahres 2025 vor. Dazu strebt die Europäische Kommission ein zweistufiges Verfahren an: In den ersten fünf Jahren sollen die Mitgliedsstaaten von der Europäischen Kommission bei der freiwilligen Umstellung auf ein doppisches Rechnungslegungssystem basierend auf den IPSAS (International Public Sector Accounting Standards) unterstützt werden. Zeitgleich sollen die EPSAS entwickelt werden. Die Umstellung auf EPSAS als Rechnungslegungsstandard in den Mitgliedstaaten soll dann in einer zweiten Phase innerhalb von weiteren fünf Jahren erfolgen. In Deutschland wären davon alle rd. 19.000 öffentlichen Haushalte (Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie Sozialversicherungen) betroffen. (342) Allerdings sind wesentliche Fragen des „Ob“ der EPSAS-Einführung 86 und des „Wie“ weiterhin offen. Letztere betreffen insbesondere die Eignung der IPSAS als Grundlage der EPSAS-Einführung, absehbare Ermessensspielräume und Wahlrechte sowie die Transparenz und Rechtssicherheit des Normsetzungsverfahrens. Ferner sind der aktuelle Umsetzungsstand des NKHR M-V in den Kommunen und vergleichbare Probleme in den Kommunen anderer Länder ein Beleg für die erheblichen Schwierigkeiten öffentlicher Körperschaften bei der Einführung und zielgerichteten Nutzung eines doppischen Haushalts- und Rechnungswesens. Analoge Probleme sind auch auf Landesebene festzustellen, sofern das Haushalts- und Rechnungswesen der Länder auf doppischen Grundlagen beruht. Vor diesem Hintergrund bezweifelt der Landesrechnungshof, dass die flächendeckende Einführung der EPSAS im vorgesehenen Zeitrahmen gelingen kann und in absehbarer Zeit zu vergleichbaren (Haushalts-)Daten und höherer Transparenz führt. 85 86 Vgl. Positionspapier zur Einführung von europäischen Rechnungslegungsstandards der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder vom 14.05.2014 sowie Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2015): Jahresbericht 2015 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2015, S. 65 f. Diese Problembereiche betreffen (weiterhin) die Notwendigkeit, die grundsätzliche Eignung einheitlicher Standards für die Vermeidung von Staatsschuldenkrisen bei unterschiedlichen Verwaltungs- und Kontrollstrukturen in den Mitgliedsstaaten, die Rechtsgrundlagen (unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips) und ausstehende Kosten-Nutzen-Abwägungen. 101 (343) Aufgrund der Unwägbarkeiten und Unklarheiten in diesen wesentlichen Fragestellungen hat sich die Präsidentenkonferenz erneut mit der EPSAS-Einführung befasst. In dem dazu gefassten Beschluss87 wurden insbesondere die Klärung offener Fragen zum „Ob“ einer EPSAS-Einführung angemahnt und die fehlende Eignung der IPSAS als Grundlage einer öffentlichen Rechnungslegung hervorgehoben. Auf dieser Grundlage wurden wesentliche formelle und inhaltliche Anforderungen an die EPSAS und deren Entstehungsprozess definiert sowie verschiedene Koordinationsansätze und -gremien unter Beteiligung der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder empfohlen. (344) Unter Bezugnahme auf diesen Beschluss empfiehlt der Landesrechnungshof dem Landtag, die Landesregierung aufzufordern, • im Vorfeld eines förmlichen legislativen Verfahrens eine Mitteilung der Europäischen Kommission anzumahnen, in der die offenen Fragen des EPSAS-Prozesses zur Diskussion gestellt werden,88 • eine abgestimmte gesamtstaatliche Position gegenüber der Europäischen Kommission einzubringen und dabei auch die aufgrund der föderalen Verfassung spezifischen nationalen Fragestellungen zu thematisieren, • die deutschen Interessen bei der Ausgestaltung einzelner Standards in die Arbeits- und Expertengruppen der Europäischen Kommission einzubringen und • darauf hinzuwirken, dass nicht durch eine freiwillige Anwendung nicht angepasster und auf europäischer Ebene demokratisch nicht legitimierter IPSAS in einer Mehrzahl der Mitgliedsstaaten nicht mehr korrigierbare Fakten geschaffen werden, welche die spätere EPSAS-Gesetzgebung inhaltlich dominieren. (345) Die Landesregierung sollte darauf hinwirken, dass sich die Vertreter der Bundesrepublik im Sinne der aktuellen Empfehlungen der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder nachdrücklich in die aktuellen Prozesse auf europäischer Ebene einbringen, um die hiesigen Interessen zu wahren. 87 88 Beschluss „Einführung einheitlicher europäischer Rechnungslegungsstandards – EPSAS“ der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder (Stand: 15.07.2016). Diese Fragen betreffen insbesondere das „Ob“ und das „Wie“ der EPSAS-Einführung. 102 IV. Überörtliche Prüfungen 1 Planung und Umsetzung der Erhaltung kommunaler Ingenieurbauwerke (Landkreis Vorpommern-Greifswald) Wesentliche Unterlagen für die Prüfung und Überwachung der Ingenieurbauwerke, die auch eine grundlegende Voraussetzung zur Ermittlung des Erhaltungs- und Finanzbedarfes sind, fehlten gänzlich, waren unvollständig oder nicht aktualisiert. Der Landkreis hat den für die Erhaltung seiner Ingenieurbauwerke erforderlichen Finanzbedarf nicht ermittelt. Er verfügt auch nicht über eine Prioritätenliste, die auf der Basis nachvollziehbarer Beurteilungskriterien erarbeitet wurde. Der Landesrechnungshof hat für den Prüfungszeitraum (2012 bis 2014) einen Erhaltungsstau von mindestens rd. 900.000 Euro errechnet. Die teilweise seit bis zu zwei Jahrzehnten bestehenden Ingenieurverträge zur Bauwerksprüfung und -überwachung waren zum Teil unbestimmt bzw. in sich widersprüchlich. (346) Das kommunale Straßennetz einschließlich der Ingenieurbauwerke unterliegt ständigen Beanspruchungen durch Verkehr und Witterung, die zu einem Verschleiß der Bausubstanz führen. Dabei sind insbesondere die steigenden Verkehrslasten in Verbindung mit dem zunehmenden Bauwerksalter häufig Ursachen für notwendige, umfangreiche Baumaßnahmen an Ingenieurbauwerken. Um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten und die angestrebte Nutzungsdauer zu erreichen, sind daher zeit- und bedarfsgerechte Erhaltungsmaßnahmen erforderlich. (347) Der Landesrechnungshof prüfte beim Landkreis Vorpommern-Greifswald die Planung und Umsetzung der Erhaltung kommunaler Ingenieurbauwerke für die Haushaltsjahre 2012 bis 2014. Dabei ging er insbesondere den Fragen nach, welche Voraussetzungen für ein Bauwerksmanagement beim Landkreis vorliegen, welchen Erhaltungsbedarf der Landkreis ermittelt hat und ob die bereitgestellten Haushaltsmittel auskömmlich sind. Weiterhin prüfte der Landesrechnungshof die Beauftragung, Durchführung und Abrechnung der Bauwerksprüfungen und -überwachungen sowie die Umsetzung der Erhaltungsmaßnahmen. 103 (348) Ingenieurbauwerke sind gemäß DIN 107689 insbesondere Brücken, Verkehrszeichenbrücken, Tunnel sowie Trog-, Stütz- und Lärmschutzbauwerke.90 Sie gehören zum Straßenkörper und sind Bestandteil der öffentlichen Straße.91 Die Bauwerkserhaltung umfasst gemäß ASB-ING92 „die Maßnahmen zur Wiederherstellung bzw. Sicherstellung der Standsicherheit, Verkehrssicherheit bzw. der Dauerhaftigkeit eines Teilbauwerkes bzw. einzelner Bauwerksteile. Sie umfasst Maßnahmen der Erneuerung, Instandsetzung und Unterhaltung eines Ingenieurbauwerkes.“ Die Maßnahmen der Erhaltung sind von Baumaßnahmen investiven Charakters abzugrenzen. Hierzu gehören die Erweiterung (Um- und Ausbau)93 und der Neubau von Bauwerken. (349) Der Landkreis Vorpommern-Greifswald war im Prüfungszeitraum von 2012 bis 2014 für rd. 822 km Kreisstraßen mit 35 bzw. 34 Ingenieurbauwerken (einschließlich Moor- und Flutbrücken)94 Straßenbaulastträger95. Für die Erhaltung seiner Ingenieurbauwerke hatte der Landkreis in diesen drei Jahren insgesamt rd. 1,6 Mio. Euro veranschlagt. 1 Voraussetzungen eines Bauwerksmanagementsystems und Dokumentation der Bauwerksdaten (350) Die Baulastträger sind auch bei geringer werdenden Haushaltsmitteln gezwungen, für die Standsicherheit, die Verkehrssicherheit und die Dauerhaftigkeit ihrer Ingenieurbauwerke zu sorgen. Dies erfordert ein Bauwerksmanagement, das die systematische und wirtschaftliche Planung und Durchführung von Bauwerkserhaltungsmaßnahmen bis zum Nutzungsende abbildet. 89 90 91 92 93 94 95 DIN 1076 – Ingenieurbauwerke im Zuge von Straßen und Wegen, Überwachung und Prüfung (Ausgabe 1999). Andere Bauwerke, wie insbesondere Durchlässe (lichte Weite < 2 m), einfache Rohr- und Peitschenmasten, Entwässerungsanlagen, Stützbauwerke (sichtbare Höhe < 1,5 m), Steilwälle, Lärmschutzbauwerke (Sichthöhe < 2 m), Erdbauwerke und Drahtgitterkörbe mit Steinfüllung, sind keine Ingenieurbauwerke im Sinne der DIN 1076. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Straßen- und Wegegesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern (StrWG-MV) vom 13. Januar 1993 (GVOBl. M-V, S. 42), geändert durch Gesetz vom 9. November 2015 (GVOBl. M-V S. 436). ASB-ING – Anweisung Straßeninformationsbank für Ingenieurbauten, Teilsystem Bauwerksdaten. In Abgrenzung zur Erhaltung zielt die Erweiterung (Umbau/Ausbau) auf eine kapazitive Erweiterung ab, also eine signifikante Erhöhung der Leistungsfähigkeit eines Teilbauwerkes. Im Jahr 2013 wurde ein Brückenbauwerk komplett zurückgebaut. § 12 Abs. 1, lit. b) StrWG-MV. 104 Abbildung 24: Ablaufdiagramm der systematischen Straßenunterhaltung (Bauwerksmanagementsystem) Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bundesanstalt für Straßenwesen (2003): Entwicklung eines Bauwerks-ManagementSystems für das deutsche Fernstraßennetz – Stufen 1 und 2, Brücken- und Ingenieurbau, Heft B 43, S. 14. (351) Der Landesrechnungshof hat festgestellt, dass dem Landkreis Vorpommern-Greifswald grundlegende Voraussetzungen für ein effizientes Bauwerksmanagement fehlen. 1.1 Bauwerksverzeichnis als Bestandteil des Straßenverzeichnisses (352) Die Landkreise haben in ihr Straßenverzeichnis, das bis zum 01.01.1999 anzulegen war96, „alle für die Verkehrssicherheit wichtigen Bauwerke im Zuge einer Straße [...] im Bauwerksverzeichnis nach DIN 1076 aufzunehmen.“97 Das Bauwerksverzeichnis, als Bestandteil des Straßenverzeichnisses, soll mindestens Angaben wie Bauwerksnummer, Baulastträger, Stationsangaben, nächstgelegener Ort, Lage oben/unten, Bauwerksart, Hauptabmessungen, Unterhaltungspflicht und Tragfähigkeit enthalten.98 (353) Der Landkreis Vorpommern-Greifswald führt kein Bauwerksverzeichnis. Auch die Daten zu den einzelnen Bauwerken, die der Landkreis für den Landesrechnungshof anhand der Auszüge aus dem elektronischen Programm „FISA – Fachinformationssystem für Straßenausstattung“99 generierte, können kein Bauwerksverzeichnis darstellen. Gemäß DIN 1076 erforderliche Mindestangaben fehlten bzw. waren fehlerhaft. Das Computerprogramm „FISA“ ent- 96 97 98 99 § 8 Verordnung über die Straßenverzeichnisse für die öffentlichen Straßen nach dem Straßen- und Wegegesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Straßenverzeichnis-Verordnung) vom 21. Juni 1995 (GVOBl. M-V, S. 339). § 4 Abs. 1 StrWG-MV i. V. m. §§ 1 Abs. 2 und 4 Abs. 2 Straßenverzeichnis-Verordnung. DIN 1076 Nr. 4.2. Das „FISA“ wird seit 2004 für die Straßenbauämter des Landes zur digitalen Verwaltung der Elemente der Straßenausstattung entwickelt. 105 spricht zudem nicht den Anforderungen einer Straßendatenbank im Sinne der Straßenverzeichnis-Verordnung. Es dient vielmehr der Unterstützung des Straßenmeisters bei seiner täglichen Arbeit. (354) Der Landesrechnungshof hat den Landkreis Vorpommern-Greifswald aufgefordert, zeitnah ein Bauwerksverzeichnis mit den gemäß DIN 1076 geforderten Mindestangaben als Bestandteil des Straßenverzeichnisses zu erstellen. (355) Laut seiner Stellungnahme wird der Landkreis Vorpommern-Greifswald das geforderte Bauwerksverzeichnis erstellen. 1.2 Bauwerksbücher und Bauwerksakte (356) Neben dem Bauwerksverzeichnis sind gemäß DIN 1076 das Bauwerksbuch und die Bauwerksakte weitere wesentliche Unterlagen für die Prüfung und Überwachung von Ingenieurbauwerken. Die Qualität, Vollständigkeit und Aussagekraft dieser Unterlagen haben entscheidende Auswirkungen auf die Durchführung der Bauwerksprüfung und -überwachung. Das Bauwerksbuch gibt eine Übersicht über die wichtigsten Daten des Ingenieurbauwerkes und dient zur Eintragung vorgenommener Bauwerksprüfungen. In den Bauwerksbüchern sind zudem die zur Behebung von Mängeln oder Schäden durchgeführten Maßnahmen sowie der Zeitpunkt der Ausführung einzutragen. Die Bauwerksakte soll alle für die Erhaltung und laufende Bearbeitung erforderlichen Unterlagen enthalten, wie beispielsweise mit Genehmigungsvermerk versehene Zeichnungen, mit Prüfvermerk versehene Standsicherheitsnachweise, Gutachten, allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen, Eignungsprüfungen, Abnahmezeugnisse, Bautagebuch sowie Unterlagen über die späteren Änderungen und Umbauten. (357) Die vom Landesrechnungshof eingesehenen Bauwerksbücher enthielten vielfach nicht die erforderlichen Mindestangaben. Bauwerksbücher wurden seit ihrer Erstellung nicht aktualisiert. Ein Großteil weist als letztmaligen Bearbeitungsstand die Jahre 1994 bis 2002 aus. Berichte zu durchgeführten Bauwerksprüfungen waren nicht bzw. nicht vollständig enthalten. Einen Verweis über die Ablage ggf. digital vorliegender Prüfberichte gab es nicht. Zudem stimmten einige Angaben nicht mit der Örtlichkeit überein. Die vom Landesrechnungshof stichprobenweise eingesehene Bauwerksakte enthielt nicht die nach DIN 1076 geforderten Unterlagen, sondern lediglich Teile des Bauwerksbuches. 106 (358) Der Landkreis Vorpommern-Greifswald wird die Bauwerksbücher und Bauwerksakten zeitnah auf Richtigkeit überprüfen sowie vervollständigen und fortlaufend aktualisieren müssen. (359) In seiner Stellungnahme weist der Landkreis Vorpommern-Greifswald darauf hin, dass „im Untersuchungszeitraum 2012 bis 2014 [...] der Schwerpunkt [...] darin [lag], die Unterlagen zu den Ingenieurbauwerken zusammenzuführen, die Zuständigkeit für die Brückenprüfung innerhalb der Neuorganisation der Straßenbauverwaltung zu klären und zu einem kreisweit geordneten Prüfsystem zu kommen.“ Der Landkreis Vorpommern-Greifswald bittet um Verständnis, „dass nach der Kreisgebietsreform nicht alle Arbeiten gleichzeitig und sofort durchgeführt werden konnten. Die Kritik des Landesrechnungshofs zu Umfang und Aktualität vieler Bauwerksbücher und Bauwerksakten ist daher berechtigt. Diese Mängel werden abgestellt.“ 2 Finanzbedarfsermittlung und Mittelbereitstellung (360) Die Ergebnisse der nach DIN 1076 in einem regelmäßigen Zyklus durchzuführenden Bauwerksprüfungen sind wesentliche Grundlage der Finanzbedarfsermittlung. Im Rahmen dieser Prüfungen werden Schadensanalysen und -prognosen vorgenommen sowie Empfehlungen von Maßnahmen zur Schadensbeseitigung einschließlich Kostenschätzungen ausgesprochen. Entsprechend den Ergebnissen dieser Bauwerksprüfungen hat der Landkreis im Rahmen eines Bauwerksmanagements optimierte Erhaltungsstrategien zu entwickeln, die Rangfolge der Maßnahmen nach Dringlichkeit festzulegen und den Finanzbedarf zu ermitteln (vgl. Abbildung 24). (361) Der Landkreis Vorpommern-Greifswald hat für die Erhaltung seiner Ingenieurbauwerke weder den jährlich erforderlichen Finanzbedarf ermittelt noch eine Prioritätenliste mit nachvollziehbaren Beurteilungskriterien erstellt. Eine bedarfsgerechte Planung von Haushaltsmitteln war damit nicht gegeben. (362) Der Landesrechnungshof hat deshalb anhand der vorliegenden Berichte der Bauwerksprüfungen die Höhe des notwendigen Finanzbedarfs zur Erhaltung aller kreiseigenen Ingenieurbauwerke für die Jahre 2012 bis 2014 ermittelt. Diesen Bedarf hat der Landesrechnungshof den geplanten Haushaltsmitteln gegenüber gestellt. 107 Tabelle 15: Gegenüberstellung des vom Landesrechnungshof ermittelten Finanzbedarfs und der vom Landkreis Vorpommern-Greifswald geplanten Haushaltsmittel zur Erhaltung der Bauwerke, in Euro 2012 2013 2014 in Euro Vom Landesrechnungshof ermittelter Finanzbedarf 1.321.813,16 517.082,37 532.314,74 732.700,00 480.000,00 405.000,00 -40.000,00 -40.000,00 -65.000,00 Differenz 629.113,16 77.082,37 192.314,74 Erhaltungsstau 629.113,16 706.195,53 898.510,27 100 Geplante Haushaltsmittel101 abzgl. geplanter Ingenieurleistungen 102 Quelle: Prüfberichte und Bauwerksbücher, Investitionsprogramme bzw. -pläne 2012 bis 2014, eigene Angaben des Landkreises Vorpommern-Greifswald. In den Haushaltsjahren 2012 bis 2014 ist der so ermittelte Finanzbedarf wesentlich höher als die vom Landkreis für die Erhaltung seiner Ingenieurbauwerke geplanten Haushaltsmittel. Allein im Betrachtungszeitraum von nur drei Jahren ist der Erhaltungsstau auf rd. 900.000 Euro angewachsen. Dieser Erhaltungsstau ist als noch weitaus größer anzunehmen, da der Landesrechnungshof bei seinen Berechnungen vorliegenden Nachholbedarf aus den Vorjahren nicht berücksichtigen konnte. (363) Der Landesrechnungshof gibt zu bedenken, dass die angestrebte Nutzungsdauer von Ingenieurbauwerken nur dann erreicht werden kann, wenn die erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen entsprechend den empfohlenen Prioritäten (Dringlichkeit) durchgeführt werden. Müssen wegen fehlender Finanzmittel notwendige Maßnahmen aufgeschoben werden, wird sich der Zustand der Ingenieurbauwerke beschleunigt verschlechtern. In Folge der nicht zeit- und bedarfsgerechten Erhaltung der Ingenieurbauwerke werden die Erhaltungsmaßnahmen i. d. R. aufwändiger und kostenintensiver. Zusätzlich wirkt sich der Erhaltungsstau auf den Finanzbedarf der künftigen Haushaltsjahre aus. Der Landkreis Vorpommern-Greifswald hat daher • Maßnahmeempfehlungen zur Schadensbeseitigung, einschließlich Kostenschätzungen, vollständig für alle Ingenieurbauwerke zu erstellen, 100 101 102 Aufgrund fehlender Kostenschätzungen bzw. fehlender Prüfberichte rechnete der Landesrechnungshof den Finanzbedarf für 16 Bauwerke auf Basis des Finanzbedarfs der anderen 19 Bauwerke hoch. Hierbei hat er den kurzfristigen und einmaligen Finanzbedarf von 800.000 Euro für eine Brückenerneuerung in 2012 ausgeklammert sowie den Rückbau eines Bauwerkes in 2013 berücksichtigt. Erfasst sind die Mittel für die „bauliche Unterhaltung und Instandsetzung“ an Ingenieurbauwerken lt. Angaben des Landkreises Vorpommern-Greifswald sowie die im Produkt „Kreisstraßen“ enthaltenen Mittel zur Erhaltung der Ingenieurbauwerke. Die Mittel für die betriebliche Unterhaltung (Leistungen der Straßenmeistereien) bleiben unberücksichtigt. Nicht zu berücksichtigen sind die jährlich eingeplanten Ausgaben für Ingenieurleistungen für die Bauwerksprüfung und -überwachung. 108 • optimierte Erhaltungsstrategien zu ermitteln und dabei die Prioritäten der Maßnahmen nach Dringlichkeit festzulegen, • eine Erhaltungsstrategie zu erarbeiten, um den entstandenen Erhaltungsstau abzubauen, • den erforderlichen Finanzbedarf zu ermitteln sowie • diesen bei der Haushaltsplanung zu berücksichtigen. (364) Der Landkreis Vorpommern-Greifswald bestätigte in seiner Stellungnahme erneut, „dass die zur Erhaltung der Bausubstanz verfügbaren Mittel nicht ausreichen [...] Unter den Bedingungen einer gedeckelten Mittelbereitstellung und einer nahezu permanenten Situation der vorläufigen Haushaltsführung103 macht die Erarbeitung einer Erhaltungsstrategie wenig Sinn. Der Landkreis wird eine Erhaltungsstrategie erarbeiten, wenn die Rahmenbedingungen dafür gegeben sind.“ (365) Der Landesrechnungshof teilt die Auffassung des Landkreises Vorpommern-Greifswald nicht und sieht gerade wegen der bestehenden Haushaltszwänge ein Erfordernis, im Rahmen eines Bauwerksmanagements Strategien zur Erhaltung der Bausubstanz, im Speziellen der Ingenieurbauwerke, zu erarbeiten. Hierin sind die erforderlichen Erhaltungs- und Finanzierungsbedarfe prioritär auszuweisen. Nur auf dieser Grundlage können den politischen Gremien und der Rechtsaufsichtsbehörde, insbesondere bei der Aufstellung und Genehmigung der kommunalen Haushalte, die Defizite und deren Folgen aufgezeigt werden. 3 Bauwerksprüfung und -überwachung (366) Wesentliche Bestandteile der Bauwerkserhaltung sind die nach DIN 1076 in einem regelmäßigen Zyklus durchzuführenden Prüfungen und Überwachungen der Ingenieurbauwerke. Der Baulastträger kann sich so ständig einen Überblick über den Zustand des Bauwerksbestandes verschaffen und rechtzeitig Maßnahmen zur Erhaltung im Hinblick auf Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit einleiten. (367) Die vom Landkreis mit drei Ingenieurbüros abgeschlossenen Verträge zur Durchführung der Prüfung und Überwachung der Ingenieurbauwerke bestehen seit nahezu 19 bzw. zwölf Jahren. Teilweise gab es umfängliche Vertragsergänzungen. Diese Leistungen entzieht der Landkreis seit etlichen Jahren dem Wettbewerb. 103 Nach Angaben des Landkreises Vorpommern-Greifswald verfügte dieser „in den 36 Monaten des Untersuchungszeitraumes lediglich in 4 Monaten über einen rechtswirksamen Haushalt (jeweils ab 21.12.2012, 23.08.2013 und 18.12.2014)“. 109 Einen Nachweis, dass der Landkreis die Leistungen und deren Vergütung unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit vereinbart hatte, konnte er nicht erbringen. Darüber hinaus waren die vertraglichen Regelungen zum Teil unbestimmt bzw. in sich widersprüchlich. (368) Hinsichtlich der Durchführung und Dokumentation der Bauwerksprüfungen und -überwachungen hat der Landesrechnungshof zahlreiche wesentliche Mängel aufgezeigt, die der Landkreis im Rahmen seiner Kontroll- und Aufsichtspflicht als Auftraggeber und Baulastträger nicht beanstandet hat. So fehlten beispielsweise Prüfberichte, obwohl nach den Prüfzyklen Bauwerksprüfungen fällig gewesen wären. Die vorgegebenen Zyklen wurden bei durchgeführten Bauwerksprüfungen und -überwachungen teilweise nicht eingehalten. In den Prüfberichten eines Ingenieurbüros fehlten insbesondere die anzugebenden Kostenschätzungen. (369) Die Vergütungen der von den Ingenieurbüros beim Landkreis Vorpommern-Greifswald abgerechneten Prüfleistungen sind im bundesweiten Vergleich104 überhöht. Abbildung 25: Vergleich der bundesweit ermittelten Kosten und der von den beauftragten Ingenieurbüros beim Landkreis Vorpommern-Greifswald abgerechneten Kosten für Hautprüfungen der Jahre 2012 bis 2014 50 Maximalwerte bundesweit Durchschnittswerte bundesweit Minimalwerte bundesweit beim Landkreis V-G abgerechnete Kosten 45 40 Kosten in Euro/m² 35 30 25 20 15 10 5 0 0 50 100 150 200 250 Brückenfläche in m² 300 350 400 450 Quelle: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung „Bauwerksprüfung nach DIN 1076 Bedeutung, Organisation, Kosten Dokumentation 2013“ S. 66, Abrechnungsunterlagen und Bauwerksbücher des Landkreises Vorpommern-Greifswald; eigene Berechnungen. Zudem differieren die Ausgaben für Überwachungsleistungen je nach beauftragtem Ingenieurbüro erheblich. Aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen belaufen sich die Ausgaben für ein Ingenieurbüro – bezogen auf die Anzahl der zu überwachenden Bauwerke – im Vergleich zu 104 Für den bundesweiten Vergleich wurden die Prüfkosten von ca. 2.500 Brückenbauwerken der unterschiedlichsten Größe und Konstruktion aus acht Bundesländern und fünf Kommunen detailliert ausgewertet. 110 den anderen fast auf das Zehnfache. Zudem sind die Rechnungslegungen zum Teil fehlerhaft. Der Landkreis Vorpommern-Greifswald vergütete Prüf- und Überwachungsleistungen von mindestens 17.000 Euro ohne Nachweis einer vertraglichen Grundlage bzw. der Leistung. (370) Der Landesrechnungshof empfiehlt dem Landkreis Vorpommern-Greifswald, die bestehenden Verträge mit den Ingenieurbüros zur Durchführung der Prüfung und Überwachung der Ingenieurbauwerke zu kündigen. Vor einer neuen Vergabe dieser Leistungen sollte der Landkreis im Interesse sparsamen und wirtschaftlichen Verwaltungshandelns sowie einer klaren Aufgabenabgrenzung prüfen, ob insbesondere die Überwachung der Ingenieurbauwerke (Besichtigung und laufende Beobachtung) von der Straßenmeisterei des Landkreises bzw. – soweit eine Verwaltungsvereinbarung besteht – von den Straßenmeistereien des Landes ausgeführt werden kann. Der Landkreis sollte die Durchführung und Dokumentation der Prüfungen und Überwachungen der Ingenieurbauwerke eingehender und umfänglicher als bisher regeln, steuern und kontrollieren. Ziel sollte sein, dass Art und Umfang der Bauwerksprüfung und -überwachung eine zyklische Zustandserfassung und -bewertung ermöglichen. Die Durchführung und Dokumentation sollte sich zwingend an den Vorgaben der DIN 1076 und der RI-EBW-PRÜF105 orientieren. Der Landesrechnungshof hat den Landkreis Vorpommern-Greifswald gebeten, Rückforderungsansprüche gegenüber den beauftragten Ingenieurbüros zu prüfen. (371) In seiner Stellungnahme weist der Landkreis Vorpommern-Greifswald den Vorwurf zurück, die Leistungen der Brückenprüfung seien dem Wettbewerb entzogen und die Aufträge seien ohne Beachtung der Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit erbracht worden. Der Landkreis Vorpommern-Greifswald stehe jedoch „einer neuen Ausschreibung der Brückenprüfung [...] aufgeschlossen gegenüber.“ Der Landkreis Vorpommern-Greifswald könne „den Vorwurf [...] nicht annehmen“, er „hätte Prüf- und Überwachungsleistungen von mindestens 17.000,00 Euro ohne vertragliche Grundlage bzw. ohne Leistungsnachweis vergütet“. Er geht davon aus, dass Leistungen, auch wenn sie im Ingenieurvertrag nicht explizit erwähnt wurden, dennoch „im Rahmen der beauftragten Bauwerksüberwachung im gegenseitigen Einvernehmen erbracht, abgerechnet und zu den Konditionen des Vertrages vergütet“ wurden. Die fehlenden Protokolle seien zu Recht zu be- 105 Richtlinie zur einheitlichen Erfassung, Bewertung, Aufzeichnung und Auswertung von Ergebnissen der Bauwerksprüfungen nach DIN 1076, Bestandteil der Richtlinien für die Erhaltung von Ingenieurbauten (RI-ERHING), Ausgabe 2013. 111 anstanden. „Die Unterlagen mögen beim Wechsel von Zuständigkeiten nach der Kreisgebietsreform verloren gegangen sein oder bei Besichtigungen gab es schlicht keinen zu protokollierenden Befund.“ Gleichwohl gehe er davon aus, „dass die Leistung erbracht wurde und dies zum Zeitpunkt der Zahlungsanweisung dem Bearbeiter bekannt war.“ (372) Der Landesrechnungshof hält es weiterhin für geboten, die zum Teil schon seit bis zu zwei Jahrzehnten bestehenden Ingenieurverträge einschließlich der umfangreichen, dem Wettbewerb entzogenen Vertragsergänzungen zu kündigen und die Bauwerksprüfungen neu auszuschreiben. Künftig hat der Landkreis dafür Sorge zu tragen, dass die Bauwerksprüfungen und -überwachungen entsprechend den rechtlichen Vorgaben protokolliert werden. Leistungen sind gemäß einer ordnungsgemäßen Rechnungslegung künftig nur mit dem Nachweis der vertraglichen Grundlage und der Leistungserbringung zu vergüten. 4 Beispiele für Erhaltungsmaßnahmen (373) Gemäß § 11 Abs. 1 StrWG-MV ist der Landkreis als Baulastträger der Kreisstraßen u. a. verpflichtet, die Straßen in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu unterhalten. Er hat zudem für einen verkehrssicheren Zustand zu sorgen. (374) Der Landkreis hat über mehrere Jahre (drei bis sechs Jahre) die betriebliche und bauliche Unterhaltung seiner Brückenbauwerke in einem nicht ausreichenden Umfang durchgeführt und teilweise sogar vollständig unterlassen. Tabelle 16: Beispiele unzureichender bzw. unterlassener Bauwerksunterhaltung Bauwerk Schäden / Mängel Brücke bei Kamp • Reinigung von Belägen, starker Bewuchs (Holunderbaum) (Prüfbericht 2013, örtliche Begehung Landesrechnungshof 2015) Brücke bei Broock 2145500 • Bewuchs auf der Brücke, Gehwegplatten stellenweise gerissen, leichte Verwerfungen (Prüfberichte 2005 und 2012, örtliche Begehung Landesrechnungshof 2015) Bildaufnahmen • Korrosionsschäden am Geländer, fehlende Bauwerkstafel (örtliche Begehung Landesrechnungshof 2015) Brücke bei Rieth • Bewuchs und Moosbildung an den Gesimsen der Brücke, Entlüftungsöffnungen des Geländerrohrpfostens nicht vollständig verschlossen (Prüfberichte 2009 und 2012, örtliche Begehung Landesrechnungshof 2015) Quelle: Prüfberichte und Überwachungsprotokolle des Landkreises Vorpommern-Greifswald, Fotodokumentation des Landesrechnungshofes. 112 Zudem hat der Landkreis Verkehrssicherungsmaßnahmen nicht umgesetzt, die durch beauftragte Ingenieurbüros im Rahmen von Bauwerksprüfungen und -überwachungen wiederholt empfohlen wurden. Abbildung 26: Brücke bei Pritzwald: Geschwindigkeitsbegrenzung und Fahrbahneinengung anstatt bereits seit 1994 wiederholt als notwendig erachteter Achslastbeschränkung Quelle: Fotodokumentation des Landesrechnungshofes, August 2015. (375) Der Landkreis nutzte mehr als ein Drittel der für die bauliche Unterhaltung geplanten Haushaltsmittel nicht, obwohl dringend erforderliche Erhaltungsmaßnahmen anstanden. Eine strategische, wirtschaftliche und sparsame Umsetzung von Erhaltungsmaßnahmen an Ingenieurbauwerken ist auf Grund des fehlenden Erhaltungsprogramms sowie der fehlenden nachvollziehbaren Prioritätenliste nicht erkennbar. Der Landkreis hat vorrangig Bauwerke mit nachweislich guten bis befriedigenden Bauwerkszuständen instandgesetzt. Erhaltungsmaßnahmen an Bauwerken mit schlechteren Zustandsnoten wurden, teilweise auch trotz der Empfehlung einer kurzfristigen Instandsetzung nicht wesentlich bzw. verspätet durchgeführt. Die Sanierung einer Brücke setzte der Landkreis nicht vollständig und zudem offensichtlich mangelhaft um. (376) Entsprechend der gesetzlich vorgegebenen Unterhaltungspflicht des Baulastträgers sind alle Bauwerke ungeachtet der jeweiligen Zustandsnote laufend betrieblich und baulich zu unterhalten. Auf Dauer wird die weitestgehend vernachlässigte bzw. unterlassene Unterhaltung der Bauwerke zu erheblichen Schäden führen, die sich auf die Verkehrssicherheit sowie auf die Bausubstanz der Brücken auswirken. Dem Landkreis wird dringend empfohlen, umgehend ein nachvollziehbares Erhaltungsprogramm zu erstellen und umzusetzen. 113 (377) In seiner Stellungnahme führt der Landkreis Vorpommern-Greifswald aus, dass „die kritisierte ungenügende betriebliche und bauliche Unterhaltung [...] grundsätzlich auf die nur begrenzt verfügbaren finanziellen (Finanzierung der Leistungen der Meistereien des Landes) bzw. personell/materiellen (Kreisstraßenmeisterei) Möglichkeiten des Landkreises zurückzuführen [ist] [...] Einige angesprochene Mängel sind aber [...] zu vermeiden und werden abgestellt.“ Der Landkreis hält es für „nicht sinnvoll, an Brücken, die ohnehin abgerissen oder grundhaft erneuert werden sollen, Unterhaltungsarbeiten durchzuführen“. (378) Der Landesrechnungshof verweist in diesem Zusammenhang nochmal auf die gesetzlich vorgeschriebene Unterhaltungspflicht des Landkreises als Baulastträger seiner Brückenbauwerke. Insoweit ist der Landkreis im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht verpflichtet, die erforderlichen betrieblichen und baulichen Unterhaltungsmaßnahmen unabhängig vom Zustand der Ingenieurbauwerke zu erbringen. Seiner Unterhaltungspflicht kann der Landkreis nur hinreichend nachkommen, wenn die finanziellen und personellen Rahmenbedingungen bedarfsgerecht sicher gestellt werden. Auf die Ausführungen unter Tz. 365 wird verwiesen. (379) Das Innenministerium hat sich im Rahmen der Anhörung zum Jahresbericht zu den Prüfungsfeststellungen nicht geäußert. Gemäß § 9 Abs. 3 KPG M-V106 liegt die Zuständigkeit für den Abschluss des Prüfungsverfahrens beim Innenministerium. 106 Vom 6. April 1993 (GVOBl. MV S. 250), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 17. Dezember 2009 (GVOBl. MV S. 687, 720). 114 2 Nachschauprüfung der Organisation der überörtlichen Kommunalprüfung im kreisangehörigen Raum Nach seiner Prüfung im Jahr 2010 hat der Landesrechnungshof im Jahr 2016 eine Nachschauprüfung der Organisation der überörtlichen Kommunalprüfung im kreisangehörigen Raum durchgeführt. Unter weiterhin schwierigen Rahmenbedingungen erfüllen die Rechnungsprüfungsämter ihre Aufgaben nach dem Kommunalprüfungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern noch nicht vollumfänglich. Die Anzahl der Prüfobjekte, die nicht im grundsätzlich vorgesehenen vierjährigen Turnus geprüft werden konnten, hat sich im Vergleich zu den Vorjahren weiter verringert. Gleichwohl sieht der Landesrechnungshof hier noch Handlungsbedarf. IT-Prüfungen außerhalb des Kassenwesens sollten künftig stärker in den Fokus der Prüftätigkeit rücken. Die Landkreise waren bestrebt, die Stellenausstattung für die überörtliche Kommunalprüfung zu verbessern. Dennoch sieht der Landesrechnungshof weiteren Handlungsbedarf bei der Besetzung von Stellen. Hier sind die Landkreise aufgefordert, die nunmehr verfügbaren Stellen dauerhaft für die überörtliche Prüfung einzusetzen. Eine Freisetzung weiterer Personalkapazitäten für die überörtliche Prüfung könnte erreicht werden, wenn die RPÄ von nicht-gesetzlichen Aufgaben entlastet werden. (380) Der Landesrechnungshof prüfte 2010 die Tätigkeit der RPÄ107 im Rahmen der überörtlichen Prüfung im kreisangehörigen Raum108. Er stellte fest, dass in keinem Landkreis die Vorgaben des KPG M-V zur überörtlichen Kommunalprüfung eingehalten wurden. Es bestanden Prüfrückstände bei den turnusgemäß alle vier Jahre durchzuführenden Prüfungen. Der Landesrechnungshof sah erhebliche Effizienzpotenziale, die durch stärkere Standardisierungen und Konzeptionierung der Prüfungshandlungen sowie unterstützenden Einsatz von Informationstechnik (IT) gehoben werden sollten. 107 108 Gemäß § 6 Abs. 2 KPG M-V bedient sich der Landrat bei der überörtlichen Prüfung des Rechnungsprüfungsamtes des Landkreises als Gemeindeprüfungsamt. Im Folgenden wird die Bezeichnung Rechnungsprüfungsamt (RPA) bzw. Rechnungsprüfungsämter (RPÄ) verwendet. Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht 2011 (Teil 2) – Landesfinanzbericht 2011, S. 240 ff. 115 (381) Das Innenministerium erhob die Rückstände in der überörtlichen Prüfung für das Jahr 2013, der Landesrechnungshof diejenigen für das Jahr 2014109. Trotz abgebauter Rückstände schätzte der Landesrechnungshof die Aufgabenwahrnehmung weiterhin als problematisch ein und stellte fest, dass die Stellenausstattung in fünf der sechs Landkreise unter dem jeweils errechneten Stellenbedarf lag. (382) Im Rahmen der aktuellen Nachschauprüfung erhob der Landesrechnungshof bei den RPÄ aller Landkreise, in welchem Umfang weiterhin Rückstände im Rahmen der überörtlichen Prüfung bestehen und inwieweit seine Forderungen und Empfehlungen aus der Prüfung des Jahres 2010 umgesetzt wurden. Dabei stellte er fest, dass dies bereits in Teilen geschehen ist. Im Folgenden macht er Ausführungen zu den Aspekten, bei denen weiterhin Handlungsbedarf gesehen wird. 1 Wahrnehmung der Aufgaben in der überörtlichen Prüfung 1.1 Prüfturnus (383) Kommunale Körperschaften ohne eigenes RPA sollen gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 KPG M-V innerhalb eines Zeitraumes von vier Jahren überörtlich geprüft werden. Der Landesrechnungshof stellte bei seiner Prüfung für das Jahr 2010 fest, dass 56 % aller Prüfobjekte110 nicht im vierjährigen Turnus geprüft wurden. In die Zählung der Prüfobjekte rechnete der Landesrechnungshof auch diejenigen kommunalen Körperschaften ein, die von einem RPA örtlich geprüft wurden. In 2013 betrugen die Rückstände nach derselben Berechnungsmethode rd. 44 % und in 2014 rd. 43 %111. Im Rahmen seiner Nachschauprüfung hat der Landesrechnungshof gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 KPG M-V diejenigen Prüfobjekte herausgerechnet, die durch ein RPA örtlich geprüft werden und daher nicht dem vierjährigen Turnus unterliegen. Dabei stellte er fest, dass 2016 im Durchschnitt 31,1 % aller Prüfobjekte außerhalb des vierjährigen Prüfturnus lagen. Die Quoten der einzelnen RPÄ lagen zwischen 4,2 und 55,0 %. Die Quoten konnten insgesamt weiter reduziert werden. Diese Reduzierung ergibt sich auch unter Berücksichtigung der bis 2014 gewählten Berechnungsmethode112. Gleichwohl sieht der Landesrechnungshof noch Handlungs109 110 111 112 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2015): Jahresbericht 2014 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2014, S. 75 ff. Prüfobjekte sind kreisangehörige Städte und Gemeinden einschließlich ihrer Sondervermögen, die Verwaltungen der Ämter sowie Zweckverbände, soweit sie unter Rechtsaufsicht des Landrates stehen. Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2015): Jahresbericht 2014 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2014, S. 77 ff. Nach dieser Berechnungsmethode lag die landesweite Quote bei 32,2 %. Die Quoten der einzelnen RPÄ lagen zwischen 6,3 und 55,3 %. 116 bedarf, um dem Ziel des Gesetzes besser gerecht zu werden. Den RPÄ bleibt es überlassen, auch die Prüfobjekte mit örtlicher Prüfung durch ein RPA im vierjährigen Turnus überörtlich zu prüfen. Die Personalbedarfsbemessung im Abschnitt 2 geht davon aus, dass alle Prüfobjekte im vierjährigen Turnus geprüft werden könnten. Tabelle 17: Erreichen des Prüfturnus (2016) Landkreis Anzahl der Prüfobjekte nicht innerhalb der letzten vier Jahre ge- Anteil der nicht im prüft bzw. Prüfung vierjährigen Turnus für dieses Jahr nicht geprüften Prüfobjekte geplant113 Nordwestmecklenburg (NWM) 102 17 16,7 Ludwigslust-Parchim (LUP) 174 64 36,8 Rostock (LRO) 131 72 55,0 Mecklenburgische Seenplatte (MSE) 118 5 4,2 Vorpommern-Rügen (VR) 127 47 37,0 Vorpommern-Greifswald (VG) 112 32 28,6 landesweit 763 237 31,1 Quelle: Rechnungsprüfungsämter, eigene Berechnungen. 1.2 Umfang und Inhalt der Prüfungen (384) Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 KPG M-V sind im Rahmen der Ordnungsprüfung auch die Haushalts- und Wirtschaftsführung sowie die Verwaltungstätigkeit der Sondervermögen der zu prüfenden Körperschaft dahingehend zu beurteilen, ob die Rechtsvorschriften und Weisungen der Aufsichtsbehörde beachtet worden sind. Zu den Sondervermögen gehören gemäß § 64 KV M-V u. a. auch die Eigenbetriebe. Gemäß § 11 Abs. 3 KPG M-V bleiben die Vorschriften zur örtlichen und überörtlichen Prüfung durch die Jahresabschlussprüfung nach Abschnitt III unberührt. Im abgefragten Zeitraum 2012 bis 2016 wurden – bis auf eine Ausnahme114 – keine Eigenbetriebe geprüft. Die RPÄ führten aber aus, dass sie im Rahmen der überörtlichen Prüfung der Kommunen die Berichte über die Jahresabschlussprüfung anfordern und auswerten. Die Jahresabschlussprüfung der Eigenbetriebe nach Abschnitt III KPG M-V umfasst nach § 13 Abs. 3 KPG M-V auch die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung und der wirtschaftlichen Verhältnisse. Wenn Doppelprüfungen vermieden werden sollen, ist für eine überörtliche Prüfung der Eigenbetriebe durch die RPÄ begrenzt Raum. 113 114 Die Angaben beruhen auf der Frage, wie viele Prüfungsobjekte nicht innerhalb der letzten vier Jahre geprüft wurden und deren Prüfung nicht in 2016 geplant ist. Die errechneten Quoten gelten vorbehaltlich der Einhaltung der Prüfungsplanung 2016. Das RPA NWM hat im Jahr 2013 eine überörtliche Prüfung in der amtsfreien Gemeinde Insel Poel sowie in deren Eigenbetrieb Kurverwaltung durchgeführt. 117 Daher sollte bei eigenen Prüfungen der RPÄ gemäß § 7 Abs. 3 KPG M-V eine Information der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde erfolgen und das Benehmen mit dem Landesrechnungshof und dem Innenministerium hergestellt werden. Der Landesrechnungshof empfiehlt den RPÄ, insbesondere die Prüfberichte über die Jahresabschlussprüfung sowie die Freigabeschreiben des Landesrechnungshofes auf Ansätze für die eigenen überörtlichen Prüfungen auszuwerten. (385) Gemäß § 4 Abs. 1 i. V. m. § 6 Abs. 1 KPG M-V unterliegen Zweckverbände unter Rechtsaufsicht des Landrats der überörtlichen Prüfung durch die RPÄ. Zweckverbände mit Wirtschaftsführung nach Eigenbetriebsverordnung unterliegen auch der Jahresabschlussprüfung gemäß Abschnitt III KPG M-V. Gemäß § 11 Abs. 3 KPG M-V bleiben die Vorschriften zur örtlichen und überörtlichen Prüfung durch die Jahresabschlussprüfung unberührt. Im Betrachtungszeitraum haben die RPÄ mit Ausnahme von Kassenprüfungen keine Zweckverbände im Sinne des § 7 Abs. 1 KPG M-V geprüft115. Die RPÄ führten aus, dass die Prüfung von Zweckverbänden wegen fehlender Kapazitäten unterblieb. Der Landesrechnungshof empfiehlt den RPÄ, regelmäßig auch Prüfungen der Zweckverbände vorzunehmen. Die Ausführungen des Landesrechnungshofes zur überörtlichen Prüfung von Eigenbetrieben in Tz. 384 gelten sinngemäß auch für die Prüfung von Zweckverbänden mit Wirtschaftsführung nach Eigenbetriebsverordnung. (386) Zu den Prüfungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 KPG M-V gehört nach Auffassung des Landesrechnungshofes auch die Prüfung der Ordnungs- und Rechtmäßigkeit und/oder der Wirtschaftlichkeit des Einsatzes von IT. Hierzu zählen z. B. die Prüfung der Beschaffung von Hard- und Software, Bedarfsanalysen und Wirtschaftlichkeitsberechnungen zum und die Organisation beim Einsatz von IT, Prüfungen zum Informationssicherheitsmanagement oder des Umsetzungsgrads von E-Governmentprojekten. Im Rahmen der Prüfung „Integrität und Stabilität von IT-Systemen bei Kommunen“ prüfte der Landesrechnungshof vier Fachverfahren u. a. auch im kreisangehörigen Raum116. Er stellte erhebliche Defizite, insbesondere bei der Erstellung und Einhaltung interner Regelungen zum IT-Einsatz und bei der IT-Organisation fest. Angesichts der zunehmenden und umfassenden IT-Unterstützung der Verwaltungsprozesse hält der Landesrechnungshof – möglichst vertiefte 115 116 Das RPA NWM prüfte Zweckverbände im Rahmen der Querschnittsprüfung zur Wirksamkeit der örtlichen Prüfung. Das RPA VG prüfte anlassbezogen einen Zweckverband wegen dessen Auflösung. Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2015): Jahresbericht 2014 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2014, S. 81 ff. 118 – IT-Prüfungen für dringend notwendig. Bund, Länder und Kommunen arbeiten bereits verstärkt ebenenübergreifend zusammen. Mit der Verlagerung von Aufgaben an die Kommunen sind diese für deren Umsetzung in Fachverfahren verantwortlich. Das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltungstätigkeit in Mecklenburg-Vorpommern (E-Government-Gesetz M-V) vom 14. Mai 2016 zeigt die gestiegenen Anforderungen insbesondere auch für die Gemeinden, Ämter und Landkreise. Der Landesrechnungshof erhob daher bei den RPÄ, ob Prüfungen in diesem Sinne durchgeführt wurden. Mit Ausnahme von Prüfungen des HKR-Verfahrens im Rahmen der Kassenprüfung haben die RPÄ vor dem Jahr 2016 keine IT-Prüfungen durchgeführt. Das RPA LUP hat mit einer IT-Querschnittsprüfung über alle Ämter begonnen. Das RPA MSE begann 2016 mit der IT-Prüfung in den Kommunen. Dafür wurden einheitliche Prüfungsschwerpunkte und Checklisten erarbeitet. Auch die RPÄ LRO und VG planen künftig IT-Prüfungen. Alle RPÄ führten aus, dass ihnen bisher das notwendige qualifizierte Personal fehle. Im RPA LRO werde künftig ein Prüfer für das Thema spezialisiert. Das RPA LUP hat eine Stelle für eine ITPrüferin ausgewiesen und diese fachlich qualifiziert besetzt. Der Landesrechnungshof begrüßt die Bestrebungen der RPÄ in diesem Bereich und empfiehlt nachdrücklich, die Prüfung der kommunalen IT in den Fokus zu nehmen. Er verfügt zwar ebenfalls über Prüfungsrechte im Rahmen von Querschnittsprüfungen, worauf die RPÄ zu Recht hingewiesen haben. Damit kann er aber die überörtlichen Prüfungen durch die RPÄ nicht ersetzen. (387) Der Landesrechnungshof stellte in seiner Prüfung 2011117 fest, dass Prüfungen der Organisation und Wirtschaftlichkeit nur punktuell im Rahmen von Ordnungsprüfungen sowie vergleichende Prüfungen überhaupt nicht durchgeführt wurden. Im Rahmen der Interviews zu dieser Nachschauprüfung führten die RPÄ aus, dass im Rahmen der turnusmäßigen Prüfungen auch ausgewählte Aspekte der Organisation und Wirtschaftlichkeit geprüft werden. Das RPA NWM führte eine Querschnittsprüfung zur Wirtschaftlichkeit von Kindertagesstätten und das RPA MSE zur Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der kommunalen Wohnungswirtschaft durch. Der Landesrechnungshof verweist darauf, dass Organisations- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen, insbesondere auch vergleichender Art im Rahmen von Querschnittsprüfungen, herausgehobene Bedeutung haben. Angesichts der finanziellen, demografischen und strukturellen Her117 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht 2011 (Teil 2) – Landesfinanzbericht 2011, S. 240-247. 119 ausforderungen für die kommunalen Gebietskörperschaften im kreisangehörigen Raum erfüllt die überörtliche Prüfung aufgrund ihrer externen und übergeordneten Sichtweise eine wichtige Kontrollfunktion. Eine vergleichende Sichtweise im Rahmen von Querschnittsprüfungen kann auch dazu dienen, Best-Practice-Modelle für bestimmte Aufgabenbereiche zu entwickeln. Damit könnten die RPÄ verstärkt auch eine beratende Funktion wahrnehmen. Der Landesrechnungshof empfiehlt künftig verstärkt Organisations- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen, möglichst als vergleichende Querschnittsprüfung, durchzuführen. (388) Die Kassen unterliegen gemäß § 29 Gemeindekassenverordnung-Doppik Mecklenburg-Vorpommern (GemKVO-Doppik M-V) der Kassenaufsicht, die die in § 29 Abs. 2 GemKVO-Doppik M-V aufgeführten Überwachungs- und Überprüfungsaufgaben wahrnimmt. Zudem sind bei den Kassen im Rahmen der örtlichen Prüfung mindestens einmal im Jahr eine unvermutete Kassenprüfung und eine unvermutete Kassenbestandsaufnahme vorzunehmen (§ 30 GemKVO-Doppik M-V). Kassenprüfungen wurden turnusgemäß durchgeführt. Die Vorgehensweise der RPÄ unterscheidet sich hinsichtlich Prüfungstiefe und Prüfungsumfang. Der Landesrechnungshof verweist auf Ziffer 2.4.1 b) der Erläuterungen zum Kommunalprüfungsgesetz, wonach inhaltliche Dopplungen mit der örtlichen Prüfung zu vermeiden sind. 2 Personal und Stellen (389) Im Folgenden wird die Entwicklung der Personalbedarfe, des Stellenplans und der IstBesetzung für den Bereich der überörtlichen Prüfung dargestellt. Hier knüpft die Nachschau an die vorliegenden Zahlen aus 2009118 und 2014119 an und zeigt die weitere Entwicklung für 2016 auf. Bei der betrachteten Entwicklung ist zu berücksichtigen, dass die tatsächliche Aufgabenwahrnehmung in den Bereichen der überörtlichen und der örtlichen Prüfung in den meisten Landkreisen variabel ist. D. h., das Personal wird zwischen den beiden Aufgabenbereichen flexibel eingesetzt. In fünf von sechs Landkreisen existiert keine feste Aufteilung nach Aufgabenbereichen. Das RPA MSE hat die Sachgebiete „Örtliche Rechnungsprüfung“ und „Überörtliche Prüfung“ eingerichtet und die Stellen jeweils getrennt organisatorisch zugewiesen. 118 119 Die Zahlen für 2009 wurden im Rahmen der Prüfung „Organisation der überörtlichen Kommunalprüfung im kreisangehörigen Raum“ des Landesrechnungshofes Mecklenburg-Vorpommern erhoben. Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht 2011 (Teil 2) – Landesfinanzbericht 2011, S. 240 ff. Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2015): Jahresbericht 2014 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2014, S. 75 ff. 120 Im Rahmen der vom Landesrechnungshof durchgeführten Online-Erhebung waren die anderen RPÄ gehalten, die Zuordnung der Stellen (Soll) und der Ist-Besetzung zur örtlichen und überörtlichen Prüfung zu schätzen. Die von den RPÄ für 2016 übermittelten Daten beziehen sich dabei auf den Stichtag 30.06.2016. 2.1 Personalbedarfe für die überörtliche Prüfung (390) Zur Ermittlung der Personalbedarfe für die Aufgaben der überörtlichen Prüfung wurde 2014 das System der sog. summarisch-kennzahlenorientierten Stellenbemessung angewandt120. Die aktuelle Nachschauprüfung knüpft daran für das Jahr 2016 an. Grundlagen dieser Berechnung sind die Anzahl der überörtlich zu prüfenden Objekte unter Berücksichtigung eines vierjährigen Prüfungsturnus und die Anzahl der Prüfungen je Prüfer (in VZÄ). Dabei wird auch für 2016 von einer Bemessungsgröße von fünf Prüfobjekten je VZÄ und Jahr ausgegangen121. Der Landesrechnungshof leitete diese Bemessungsgröße in seiner Prüfung 2011 auf Basis der Werte der drei besten Rechnungsprüfungsämter ab (Benchmarking). Unter Berücksichtigung eines vierjährigen Prüfturnus entspricht dies einem Betreuungsschlüssel von 20 Prüfobjekten je VZÄ122. Die aktuelle Anzahl der Prüfobjekte wurde von den RPÄ mitgeteilt. Es errechnen sich die in Tabelle 18 dargestellten Personalbedarfe. (391) Die ermittelten Personalbedarfe für die überörtliche Prüfung sind von 47,60 VZÄ (2009) über 45,60 VZÄ (2014) auf 43,65 VZÄ (2016) zurückgegangen. Damit werden rechnerisch insgesamt rd. 4 VZÄ weniger benötigt als im Jahr 2009. Ursächlich für diese Entwicklung ist der Rückgang der Anzahl der Prüfobjekte von 938 um 65 auf nunmehr 873 (u. a. durch Zusammenschlüsse und Eingemeindungen). 120 121 122 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2015): Jahresbericht 2014 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2014, Tz. 134. Der Begriff des Personalbedarfs wird mit dem Begriff Stellenbedarf gleichgesetzt. Diese Bemessungsgröße muss künftig unter Berücksichtigung aktueller Entwicklungen, insbesondere der möglichen Veränderung der gegenwärtigen Gemeindestruktur, überprüft werden. Änderungen der Gemeindestruktur können unterschiedliche Auswirkungen haben. Die KGSt geht von einem Betreuungsschlüssel von 15 Kommunen je VZÄ aus, wobei der Mehrbedarf für Zweckverbände pauschal berücksichtigt wurde. Dies entspricht einer Bemessungsgröße von 3,75 geprüften Kommunen je VZÄ im Jahr. Allerdings legt die KGSt nicht offen, auf welcher Basis die Referenzwerte abgeleitet wurden. 121 Tabelle 18: Personalbedarfe für die überörtliche Prüfung 2009, 2014 und 2016, in VZÄ Landkreis123 2009 2014 Anzahl der Personal- Anzahl der Prüfobjekte bedarf Prüfobjekte 2016 Personal- Anzahl der Personalbedarf Prüfobjekte bedarf Nordwestmecklenburg (NWM) 108 5,40 101 5,05 102 5,10 Ludwigslust-Parchim (LUP) 197 9,90 203 10,15 174 8,70 Rostock (LRO) 137 6,90 138 6,95 132 6,60 Mecklenburgische Seenplatte (MSE) 193 9,70 177 8,85 175 8,75 Vorpommern-Rügen (VR) 123 6,70 122 6,10 127 6,35 Vorpommern-Greifswald (VG) 180 9,00 169 8,50 163 8,15 Summe 938 47,60 910 45,60 873 43,65 Quelle: Rechnungsprüfungsämter, eigene Berechnungen. 2.2 Stellenausstattung und Ist-Besetzung für die überörtliche Prüfung (392) Die Stellenausstattung der RPÄ für die überörtliche Prüfung ist mit 41,97 VZÄ (2009), 41,22 VZÄ (2014) und 40,53 VZÄ (2016) relativ konstant. Sie ist im Vergleich zum Personalbedarf und im Vergleich zur Ist-Besetzung in Tabelle 19 dargestellt. Tabelle 19: Personalbedarf, Stellen und Ist-Besetzung für die überörtliche Prüfung 2009, 2014 und 2016, in VZÄ124 2009 Landkreis 2014 PerIstsonal- Stellen Besetbedarf zung 2016 PerIstPersonal- Stellen Beset- sonal- Stellen bedarf zung bedarf Differenz IstBesetzung Unbesetzte Stellen NWM 5,40 3,35 3,20 5,05 4,37 4,15 5,10 4,28 -0,82 3,25 -1,03 LUP 9,90 8,90 8,20 10,15 8,82 8,22 8,70 10,20 1,50 10,08 -0,12 6,90 6,69 5,50 6,95 5,50 5,43 6,60 5,60 -1,00 5,00 -0,60 MSE 9,70 8,81 7,30 8,85 7,75 7,75 8,75 9,00 0,25 9,00 0,00 VR 6,70 7,03 6,70 6,10 7,35 5,03 6,35 5,03 -1,32 4,96 -0,07 VG 9,00 7,19 7,70 8,50 7,43 5,40 8,15 6,42 -1,73 5,50 -0,92 Summe 47,60 41,97 38,60 45,60 41,22 35,98 43,65 40,53 -3,12 37,79 -2,74 LRO 125 Quelle: Rechnungsprüfungsämter, eigene Berechnungen. (393) Die Stellenausstattung für die überörtliche Prüfung im Vergleich zum ermittelten Personalbedarf für 2016 zeigt insgesamt eine Differenz von 3,12 VZÄ. Eine zu geringe Stellen123 124 125 Die Zahlen aus 2009 beziehen sich in allen Tabellen auf die entsprechenden Landkreise vor der 2. Kreisge bietsreform: Nordwestmecklenburg; Ludwigslust, Parchim (neu Ludwigslust-Parchim); Bad Doberan, Güstrow (neu: Rostock); Mecklenburg-Strelitz, Müritz, Demmin ohne die Ämter Jarmen-Tutow, Loitz-Peenetal (neu: Mecklenburgische Seenplatte); Nordvorpommern, Rügen (neu: Vorpommern-Rügen); Ostvorpommern, Uecker-Randow, Ämter Jarmen-Tutow, Loitz-Peenetal (neu: Vorpommern-Greifswald). Die Zahlen für 2009 wurden im Rahmen der Prüfung „Organisation der überörtlichen Kommunalprüfung im kreisangehörigen Raum“ erhoben (Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht 2011 (Teil 2) – Landesfinanzbericht 2011). Die Zahlen für 2014 entsprechen den Angaben im Kommunalfinanzbericht 2014 (Drs. 6/3676). Diese wurden um die aktuell erhobenen Zahlen für 2016 ergänzt. Mittlerweile wurden mit dem Nachtragshaushalt 2016 zwei neue Stellen geschaffen, für die derzeit das Be werbungsverfahren läuft. 122 ausstattung liegt in den RPÄ NWM, LRO, VR und VG vor. Die Stellenausstattung ist in diesen RPÄ nicht ausreichend, um die jeweilige Anzahl der überörtlichen Prüfungsobjekte nach dem gesetzlichen Turnus zu prüfen. Im RPA LUP liegt die Stellenausstattung über dem errechneten Bedarf. (394) Der Vergleich der Ist-Besetzung mit der Stellenausstattung für die überörtliche Prüfung zeigt im Jahr 2016 insgesamt unbesetzte Stellen in einer Größenordnung von 2,74 VZÄ auf. In den RPÄ LUP und MSE wurden ausgebrachte Stellen besetzt. Unbesetzte Prüferstellen finden sich in den RPÄ NWM, LRO und VG. 2.3 Schlussfolgerung für die überörtliche Prüfung (395) Unter Berücksichtigung der oben aufgezeigten Differenz der Stellenausstattung zum ermittelten Personalbedarf in Höhe von 3,12 VZÄ und der nicht besetzten Stellen im Umfang von 2,74 VZÄ ist zum Stand 30.06.2016 festzustellen, dass die RPÄ weitere Stellenbesetzungen von insgesamt 5,86 VZÄ benötigen, um die Aufgaben der überörtlichen Kommunalprüfung adäquat wahrnehmen zu können. (396) Aktuelle Entwicklungen, die in den von den RPÄ für 2016 gemeldeten Zahlen noch nicht enthalten waren, weisen in die richtige Richtung: Im RPA LUP erhöhte sich die Zahl der Stellen und die Ist-Besetzung zum 15.08.2016 um 0,6 VZÄ. Im RPA LRO sind mit dem genehmigten Nachtragshaushalt zum 15.09.2016 zwei neue Stellen ausgewiesen worden, die zeitnah besetzt werden sollen. Im RPA NWM erfolgte zum 04.10.2016 die Besetzung von 1,0 VZÄ. Im RPA VG sollen in absehbarer Zeit Stellenbesetzungen realisiert werden. (397) Bis auf die RPÄ VR und VG sind durch die aktuellen Entwicklungen die notwendigen Stellen geschaffen worden. Handlungsbedarf besteht weiterhin bei der Besetzung von Stellen. Die Landkreise sind angehalten, die nunmehr verfügbaren Stellen dauerhaft für die gesetzlichen Aufgaben der überörtlichen Prüfung einzusetzen. Das Innenministerium sollte dies konsequent begleiten. (398) Bei den RPÄ entstand bzw. entsteht für die Aufgaben der örtlichen Prüfung eine temporäre Mehrbelastung aufgrund der Prüfung der Eröffnungsbilanz und der ersten doppischen Jahresabschlüsse, die zu Lasten der überörtlichen Prüfung geht. So hat das Innenministerium mit Schreiben vom 30.01.2015 ausgeführt, dass die RPÄ der örtlichen Prüfung der Jahresabschlüsse und Eröffnungsbilanzen absoluten Vorrang einräumen sollen. Im Normalfall wäre bei einer Personalbedarfsbemessung für die örtliche Prüfung davon auszugehen, dass pro Jahr ein Jahresabschluss des Landkreises zu prüfen ist. Gegenwärtig werden den RPÄ aber mehrere 123 Jahresabschlüsse gleichzeitig zur Prüfung vorgelegt. Im RPA LUP waren dies z. B. vier Jahresabschlüsse, was dazu führte, dass bereits geplante und eröffnete überörtliche Prüfungen verschoben werden mussten. Hierbei handelt es sich um eine temporäre Mehrbelastung, die sich künftig nicht mehr zu Lasten der überörtlichen Prüfung auswirken wird. Eine höhere Stellenausstattung, wie derzeit im RPA LUP, erscheint für die Dauer dieser Mehrbelastung vertretbar. Anschließend ist der Stellenbedarf neu zu ermitteln. 3 Organisation (399) Organisatorische Rahmenbedingungen beeinflussen unmittelbar die Aufgabenwahrnehmung und damit die Produktivität der RPÄ. Im Rahmen der Prüfung wurden der Prozess der überörtlichen Kommunalprüfung sowie aufbauorganisatorische Aspekte betrachtet. Nach Vollzug der 2. Kreisgebietsreform wurden alle RPÄ in den neu gebildeten Landkreisen an jeweils einem Standort zentralisiert. (400) Das RPA ist so in die Aufbauorganisation der Landkreisverwaltung einzubinden, dass der Landrat als untere staatliche Verwaltungsbehörde gemäß § 6 KPG M-V den direkten Zugriff auf das RPA für Aufgaben der überörtlichen Prüfung hat. Die RPÄ LUP und MSE sind nicht unmittelbar dem Landrat, sondern einem Beigeordneten bzw. Dezernenten zugeordnet. Der Landesrechnungshof empfiehlt grundsätzlich die Angliederung des RPA beim Landrat. (401) Wie bereits in Tz. 389 ausgeführt, werden die Beschäftigten des RPA sowohl in der örtlichen als auch in der überörtlichen Prüfung eingesetzt. Der Landesrechnungshof stellt fest, dass es in den RPÄ zu einer Verdrängung der überörtlichen Prüfung durch die örtliche Prüfung kommt. Die RPÄ geben an, dass dies keine Einzelfälle sind. Nach Ansicht des Landesrechnungshofes ist eine Trennung der Aufgabenbereiche der örtlichen von der überörtlichen Prüfung das geeignete organisatorische Instrument, um einer Verdrängung bei der Aufgabenerledigung zu begegnen. 4 Rahmenbedingungen 4.1 Weitere Aufgaben der RPÄ (402) Neben der örtlichen Prüfung gemäß Abschnitt I KPG M-V 126 und der überörtlichen Prüfung gemäß Abschnitt II KPG M-V als gesetzliche Kernaufgaben nehmen die RPÄ eine 126 Einschließlich damit zusammenhängender Aufgaben wie Beratungen und Zusammenarbeit mit dem Rechnungsprüfungsausschuss sowie ggf. den Ersatzprüfungen gemäß § 12 KPG M-V. 124 Reihe weiterer Aufgaben wahr. Die wichtigsten dieser von den RPÄ genannten Aufgaben sind in Tabelle 20 wiedergegeben. Daneben existieren noch weitere Aufgaben, z. B. die alternierende Rechnungsprüfung bei Mitgliedschaften in Vereinen oder Verbänden und die Prüfung von Maßnahmen der Städtebausanierung für die jeweilige Gemeinde gegen Kostenerstattung. Tabelle 20: Ausgewählte wahrgenommene Aufgaben der RPÄ Aufgabe Grundlage Verwendungsnachweisprüfung Anlage 3 zu § 44 LHO (VVK), Anlage 3a zu VV zu § 44 LHO, Zuwendungsbescheide Bestätigung des Nachweises der Ausgaben für Bildungs- und Teilhabeleistungen (§ 28 SGB II) § 11a Abs. 3a AG SGB II M-V Runderlass des Sozialministeriums Bestätigung des Nachweises der Ausgaben für § 12 Abs. 2 AG-SGB XII M-V Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Prüfung der Korrektur des Ist-Aufkommens und der Hebesätze für die Gewerbesteuer und die Grundsteuer A und B VV zur Durchführung des Gemeindefinanzreformgesetzes geschätzter Personaleinsatz in VZÄ Summe Median Min.-Max. 11,5 1,5 0,8-4,7 4,3 0,4 0,1-2,5 0,4 0,1 0,01-0,2 Quelle: Rechnungsprüfungsämter, eigene Berechnungen. 4.1.1 Verwendungsnachweisprüfung (403) Bis zur Änderung der Verwaltungsvorschriften zur Landeshaushaltsordnung (VV zur LHO) am 30.06.2016 prüften die RPÄ gemäß Nr. 11.3 der Anlage 3 zu VV zu § 44 LHO und Nr. 7.2 der Anlage 3a zu VV zu § 44 LHO bei den Verwendungsnachweisen, ob diese den im Zuwendungsbescheid festgelegten Anforderungen entsprechen und ob die Zuwendungen zweckentsprechend verwendet worden sind. Mit der Änderung der VV zur LHO wurden diese Vorschriften so gefasst, dass der Zuwendungsgeber bei Zuwendungen ab 250.000 Euro verlangen kann, dass Verwendungsnachweise durch einen Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten vorgeprüft werden. Stattdessen kann der Zuwendungsempfänger sich auch einer eigenen Prüfungseinrichtung bedienen, soweit die Wahrnehmung der eigenen pflichtigen Aufgaben der Prüfungseinrichtung nicht gefährdet ist. Vor diesem Hintergrund kommt es künftig nicht mehr in Betracht, die Vorprüfung von Verwendungsnachweisen den RPÄ zu übertragen, solange die bestehenden Prüfungsrückstände nicht abgearbeitet sind. 125 Bisher wurden dafür im Jahr insgesamt etwa 11,5 VZÄ eingesetzt. Der geschätzte Personaleinsatz lag in den RPÄ zwischen 0,8 und 4,7 VZÄ. Die Hälfte der RPÄ setzte weniger als 1,5 VZÄ (Median) ein. (404) Der Landesrechnungshof hält die Vorprüfung von Verwendungsnachweisen für entbehrlich. Verantwortlich für deren Prüfung ist die Bewilligungsbehörde. Sie kann sich dieser Verantwortung auch nicht dadurch entledigen, dass sie eine Vorprüfung verlangt. Vorprüfungen führen daher zu unnötigen Doppelarbeiten. Eine abschließende Entscheidung über die zweckentsprechende Mittelverwendung kann, insbesondere bei strittigen Ausgabepositionen, nur die Bewilligungsbehörde treffen. (405) Soweit an der Regelung festgehalten wird, sollte das Innenministerium im Rahmen seiner Fachaufsicht Umfang und Inhalt der Vorprüfung regeln. (406) Das Innenministerium führte hierzu aus, dass die Bewilligungsbehörde für die Regelung des Umfangs und des Inhalts der Vorprüfung zuständig sei. Es könne allenfalls Hinweise geben mit dem Ziel, entsprechende Prüfungshandlungen auf ein Minimum zurückzuführen. Angesichts der festgestellten Unsicherheit seitens der RPÄ bei der Anwendung der Neuregelung hält der Landesrechnungshof eine Klarstellung für erforderlich. Diese könnte ggf. im Benehmen mit dem Finanzministerium und den jeweils zuständigen Fachministerien erfolgen. (407) Bereits mit Schreiben vom 02.04.2015 hat der Landesrechnungshof in der Ressortanhörung zur Zehnten Änderung der VV zur LHO ausgeführt, dass sich die Landesverwaltung mit der bisherigen Praxis im erheblichen Maße kommunaler Eigenressourcen bedient. Im Ergebnis ändert sich daran auch durch die Änderung der VV zu § 44 LHO nichts. Während bisher personelle Ressourcen des RPA in Anspruch genommen wurden, muss nun der Landkreis finanzielle Ressourcen für die Vorprüfung aufwenden. Der Landesrechnungshof ist der Auffassung, dass nach dem Verursacherprinzip der Zuwendungsgeber, welcher die Vorprüfung durch Dritte verlangt, die Kosten dafür tragen sollte. (408) Der Landesrechnungshof verweist darauf, dass bei einer aufgabengerechten Personalbemessung keine Freiräume verbleiben, eine zusätzliche Aufgabe ohne weitere personelle Ressourcen dauerhaft wahrnehmen zu können. Soweit die Vorprüfung den RPÄ als Daueraufgabe zugewiesen werden soll, ist dies in der Personalbedarfsbemessung zu berücksichtigen. 126 4.1.2 Bestätigung des Nachweises der Ausgaben für Bildungs- und Teilhabeleistungen (§ 28 SGB II) sowie für Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§ 46a SGB XII) (409) Gemäß § 11a Abs. 3 Landesausführungsgesetz SGB II Mecklenburg-Vorpommern (AG-SGB II M-V) ist zu bestätigen, dass die Mittel zweckentsprechend und nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verwendet wurden. Nach der Begründung der Landesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets in Mecklenburg-Vorpommern (Drs. 5/4308) erfolgt die Bestätigung durch das RPA. Mit jährlichem Runderlass (zuletzt vom 23.11.2015) verlangt das Sozialministerium diese Bestätigung durch die RPÄ. Gemäß § 12 Abs. 2 Landesausführungsgesetz SGB XII Mecklenburg-Vorpommern (AG-SGB XII M-V) sind die Landkreise verpflichtet, die Bruttoauszahlungen für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie die Einzahlungen nachzuweisen. Dies haben die RPÄ zu bestätigen. Insgesamt wurden für diese Aufgaben geschätzt 4,3 VZÄ eingesetzt, wobei die Spannbreite zwischen 0,1 und 2,5 VZÄ lag. Die Hälfte der RPÄ setzte weniger als 0,4 VZÄ ein (Median). Die Spannbreite deutet darauf hin, dass die RPÄ die Aufgabe unterschiedlich intensiv wahrnehmen. Das RPA MSE hat hierzu ausgeführt, dass es für diese Aufgabe nur den personellen Aufwand für die reine Bestätigung angegeben hat. Die stichprobenweise Prüfung erfolgt im Rahmen der örtlichen Prüfung. Der Landesrechnungshof hält es für erforderlich, dass das Innenministerium im Einvernehmen mit dem Sozialministerium auslegend klarstellt, in welchen Umfang die RPÄ tätig werden müssen, um die Nachweise zu bestätigen. Dessen ungeachtet liegt es im Ermessen der RPÄ, im Rahmen einer eigenen risikoorientierten Schwerpunktsetzung und unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen in unregelmäßigen Abständen auch die Ordnungsmäßigkeit, Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Zahlungen nach § 28 SGB II bzw. § 46a SGB XII sowie die Abrechnungsverfahren mit dem Land zu prüfen. 4.1.3 Prüfung der Korrektur des Ist-Aufkommens und der Hebesätze für die Gewerbesteuer und die Grundsteuer A und B (410) Die RPÄ vergleichen die Meldungen der Gemeinden zur Gewerbesteuerumlage und den Realsteuern (Grundsteuer A und B) an das Statistische Amt mit den entsprechenden Positionen in der Finanzrechnung der Gemeinde. Hierzu übersendet das Statistische Amt eine Liste mit den gemeldeten Daten. Seit diesem Jahr werden die Daten erstmals elektronisch bereit127 gestellt. Das RPA fordert einen Auszug der Finanzrechnung von der Gemeinde an. Bei Abweichungen klärt das RPA deren Ursache i. d. R. telefonisch oder ausnahmsweise durch Erhebungen vor Ort. Grundlage ist die Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Gemeindefinanzreformgesetzes vom 8. Juli 2009, die u. a. Bezug nimmt auf § 9 der Landesverordnung über die Aufteilung und Auszahlung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer und die Abführung der Gewerbesteuerumlage Mecklenburg-Vorpommern (GEinkStVO M-V). Die GEinkStVO M-V sieht eine Prüfung durch die RPÄ allerdings nicht vor. Die Berichtigung von Fehlern ist gemäß § 7 GEinkStVO M-V dem Statistischen Landesamt 127 zu melden. Die Prüfung der Angaben zu den Realsteuern (Grundsteuer A und B) steht in keinem Zusammenhang mit der Prüfung der Gewerbesteuerumlage im Rahmen des Gemeindefinanzreformgesetzes und hat keinerlei Bezug zu den beiden Landesverordnungen, auf deren Grundlage die Verwaltungsvorschrift erlassen wurde. Eine Übertragung von Aufgaben auf die Landkreise kann nach § 89 Abs. 4 bzw. § 90 Abs. 1 KV M-V nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen. Die Wahrnehmung der Aufgabe bindet aufgrund der elektronischen Datenübermittlung und des Verzichts auf örtliche Erhebungen nur noch geringe Personalressourcen. Dennoch ist festzustellen, dass die RPÄ eine Aufgabe wahrnehmen, für die sie nicht zuständig sind. Das Innenministerium sollte sicherstellen, dass die Aufgabe durch das zuständige Statistische Amt erfüllt wird. (411) Das Innenministerium teilte mit, dass es angesichts der möglichen Auswirkungen auf den Bund-Länder-Finanzausgleich eine stichprobenartige Prüfung durch die RPÄ weiterhin für erforderlich halte. Es werde die Aufnahme des entsprechenden Datenabgleichs als gesetzliche Pflichtaufgabe prüfen. Mit der Regelung als gesetzliche Pflichtaufgabe würde eine klare Rechtsgrundlage für die Aufgabenerfüllung geschaffen. 4.1.4 Entlastung von Aufgaben (412) Die vorgenannten zusätzlichen Aufgaben sind nicht in der Personalbemessung für die RPÄ berücksichtigt. Sie werden derzeit zu Lasten der gesetzlichen Aufgaben nach dem KPG M-V wahrgenommen. 127 Jetzt Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern im Landesamt für innere Verwaltung. 128 Der Landesrechnungshof weist darauf hin, dass die Übertragung zusätzlicher Aufgaben nicht dazu führen darf, dass die gesetzlichen Kernaufgaben nach dem KPG M-V nur eingeschränkt wahrgenommen werden können. Die für diese Aufgaben eingesetzten Personalkapazitäten fehlen in der örtlichen und überörtlichen Prüfung und sind neben anderen Faktoren mitursächlich für Lücken in der überörtlichen Prüfung. Der Landesrechnungshof empfiehlt dem Innenministerium, soweit erforderlich im Einvernehmen mit dem jeweils fachlich zuständigen Ministerium, zu prüfen, inwieweit die RPÄ dadurch entlastet werden können, dass die Aufgaben verlagert oder ihrem Umfang nach auf das absolut notwendige Minimum reduziert werden. Doppelprüfungen durch das RPA und die jeweils zuständige Stelle in der Landesverwaltung sind zu vermeiden. Die Landräte als untere staatliche Verwaltungsbehörden sind in der Pflicht, die ihnen obliegenden gesetzlichen Aufgaben wahrzunehmen. Dazu haben sie die erforderlichen organisatorischen und personalwirtschaftlichen Maßnahmen zu treffen. 4.2 Einführung des Neuen Kommunalen Haushaltsrechts (NKHR M-V) (413) Gemäß § 7 Abs. 1 KPG M-V ist im Rahmen der überörtlichen Prüfung insbesondere festzustellen, ob die Haushalts- und Wirtschaftsführung sowie die sonstige Verwaltungstätigkeit den Rechtsvorschriften und den Weisungen der Aufsichtsbehörden entspricht (Ordnungsprüfungen) und ob die Verwaltung der kommunalen Körperschaft sachgerecht und wirtschaftlich geführt wird (Organisations- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen). Seitens der RPÄ wurde ausgeführt, dass im kreisangehörigen Raum teilweise Eröffnungsbilanzen und im großen Umfang festgestellte doppische Jahresabschlüsse noch nicht vorliegen. Die RPÄ gehen damit unterschiedlich um. Einige RPÄ prüfen nur Prüfungsobjekte mit vorliegender Eröffnungsbilanz und festgestellten Jahresabschlüssen. Hierbei nutzen sie die Auswahlmöglichkeit aufgrund der bestehenden Rückstände beim Prüfturnus. Andere RPÄ prüfen, auch wenn ein Jahresabschluss für das betreffende Haushaltsjahr noch nicht aufgestellt bzw. ein aufgestellter Jahresabschluss noch nicht festgestellt wurde. Sie weisen in den Berichten darauf hin, dass nur vorläufige Zahlen vorlagen. Der Landesrechnungshof teilt die Auffassung, dass durch das Fehlen eines (festgestellten) Jahresabschlusses die überörtliche Prüfung beeinträchtigt wird. Die überörtliche Ordnungsprüfung trifft Feststellungen auch auf der Grundlage der Prüfberichte des örtlichen Prüforgans (vgl. Nr. 2.4.1 der Erläuterungen zum KPG M-V). Dies setzt einen aufgestellten und örtlich geprüften Jahresabschluss voraus. Soweit dieser noch nicht vorliegt, fehlt eine wichtige Quelle für die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung der zu 129 prüfenden Körperschaft, insbesondere das Ergebnis der Prüfung des Jahresabschlusses durch die örtliche Prüfung gemäß § 3a KPG M-V. Da die überörtliche Prüfung nicht darauf ausgerichtet ist, den Jahresabschluss lückenlos und allumfassend zu prüfen, kann sie diese Lücke auch nicht schließen. Gleichwohl hält es der Landesrechnungshof für vertretbar und notwendig, turnusgemäße Ordnungsprüfungen auch dann durchzuführen, wenn der Jahresabschluss noch nicht aufgestellt, dessen örtliche Prüfung noch nicht abgeschlossen oder der Jahresabschluss noch nicht festgestellt ist. Auf diese Weise wird vermieden, dass nicht fristgerechtes Handeln der kommunalen Gebietskörperschaft eine Aufschiebung der Prüfung bewirkt und daraus prüfungsfreie Zeiträume entstehen. Bestandteil der überörtlichen Prüfung ist es auch, festzustellen, ob die Vorschriften des § 60 Abs. 4 und 5 KV M-V zu den Fristen für die Auf- und Feststellung des Jahresabschlusses eingehalten wurden (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 KPG M-V). Unabhängig davon sind auch Organisations- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen Bestandteil von überörtlichen Prüfungen. Diese setzen aber nicht zwingend einen aufgestellten Jahresabschluss voraus. 4.3 Einsatz einer Prüfsoftware (414) Alle RPÄ setzen eine Prüfsoftware der Firma HFP ein. Nach Aussage der RPÄ wird in den zu prüfenden kommunalen Körperschaften eine Vielzahl an HKR-Verfahren eingesetzt. Einige verfügen nicht über eine Schnittstelle zur automatisierten Übernahme in die eingesetzte Prüfungssoftware. Die RPÄ führten aus, dass kommunale Körperschaften sich in Einzelfällen weigern, auf eigene Kosten eine solche Schnittstelle bereitzustellen. Gemäß § 8 Abs. 1 KPG M-V hat die kommunale Körperschaft die Prüfungsbehörde bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Nach Auffassung des Landesrechnungshofes sollte es ermöglicht werden, dass vorhandene elektronisch gespeicherte Daten der Prüfbehörde medienbruchfrei zur Verfügung gestellt werden. Hierfür sind Schnittstellen für den Datenexport bereitzuhalten. Der Landesrechnungshof hat mit Schreiben vom 22.04.2016 zu den Änderungen der Gemeindehaushaltsverordnung-Doppik angeregt, im Hinblick auf die für Prüfzwecke erforderlichen Datenzugriffe die Anwendung der Grundsätze zur ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) festzuschreiben. Diese Empfehlung wurde nicht umgesetzt. 130 (415) Die RPÄ führten aus, dass beim Einsatz der HFP-Prüfsoftware in der überörtlichen Prüfung Probleme mit dem Modul „Prüfkonzept Jahresabschluss Doppik“ bestehen: • Es enthält zu viele Fragen und ist unübersichtlich für den Praxisgebrauch, • die Fragen sind auf die vollständige Jahresabschlussprüfung zugeschnitten128, • es erzeugt für jeden Jahresabschluss einen eigenen Bericht129 und • der durch das Prüfkonzept generierte Bericht muss aufwendig nachbearbeitet werden. Die RPA-Leiterinnen haben einen HFP-Beirat gegründet, um diese Probleme zu beseitigen. Die Abstimmungen sind aufgrund unterschiedlicher Vorgehensweisen schwierig. Das Innenministerium sollte die RPÄ bei der Abstimmung über die Vorgehensweise der überörtlichen Prüfung unterstützen und ggf. hierzu Vorgaben machen. 4.4 Überwiegend örtliche Prüfung ohne Unterstützung durch RPÄ (416) Die örtliche Prüfung erfolgt gemäß § 1 Abs. 4 KPG M-V durch die ehrenamtlichen Mitglieder der Rechnungsprüfungsausschüsse. Dabei bedienen sie sich der örtlichen Rechnungsprüfungsämter, soweit solche eingerichtet sind. Dies ist nur bei wenigen kreisangehörigen Kommunen der Fall, sodass der überwiegende Teil der Rechnungsprüfungsausschüsse nicht auf RPÄ zurückgreifen kann. In den Interviews wurde ausgeführt, dass sich dadurch Probleme in der Qualität der Aufgabenwahrnehmung bei der örtlichen Prüfung im kreisangehörigen Raum ergeben. Das RPA MSE stellte im Rahmen einer Querschnittsprüfung fest, dass die örtliche Prüfung durch die Rechnungsprüfungsausschüsse der geprüften Gebietskörperschaften im betrachteten Zeitraum nicht wirksam war. Notwendige Prüfungshandlungen wurden nicht durchgeführt. Kommunale und haushaltsrechtliche Kenntnisse waren nicht immer im notwendigen Umfang vorhanden. Auch das RPA NWM führte eine Querschnittsprüfung durch und kam zu dem Ergebnis, dass die örtliche Prüfung in den geprüften kommunalen Körperschaften noch nicht gemäß den gesetzlichen Vorschriften durchgeführt wurde. Für die ehrenamtlichen Mitglieder der Rechnungsprüfungsausschüsse ist es schwer, den Ansprüchen einer ordnungsgemäßen örtlichen Prüfung zeitlich und fachlich zu entsprechen. 128 129 Die Prüfung des Jahresabschlusses ist Teil der örtlichen Prüfung. In der überörtlichen Prüfung werden nur Schwerpunkte geprüft. In der überörtlichen Prüfung werden vier Jahre zusammen betrachtet. 131 Das RPA LUP hat festgestellt, dass Eröffnungsbilanzen und Jahresabschlüsse durch die Rechnungsprüfungsausschüsse nicht ausreichend geprüft wurden. Dies führte im Rahmen der überörtlichen Prüfung zu höheren Stichprobenkontrollen. Die überörtliche Prüfung soll auf der Grundlage der Prüfberichte des örtlichen Prüforgans und eigener Prüfungshandlungen feststellen, ob die Haushalts- und Wirtschaftsführung sowie die Verwaltungstätigkeit den Rechtsvorschriften und den Weisungen der Aufsichtsbehörde entsprechen (vgl. Ziffer 2.4.1 Erläuterungen zum KPG M-V). Fehlen im Prüfbericht des örtlichen Prüforgans Aussagen zu Bereichen der örtlichen Prüfung, z. B. aufgrund nicht vorgenommener Prüfungshandlungen, fällt dieser insoweit als Quelle für Feststellungen der überörtlichen Prüfung aus. Dies muss ggf. durch eigene Prüfungshandlungen in der überörtlichen Prüfung ausgeglichen werden, jedoch kann und soll die überörtliche Prüfung Defizite in der örtlichen Prüfung nicht vollständig durch eigene Prüfungshandlungen beseitigen. Nach Auffassung des Landesrechnungshofes sollten die RPÄ festgestellte Einschränkungen im Rahmen einer risikoorientierten Schwerpunktsetzung bei ihren eigenen Prüfungshandlungen berücksichtigen (z. B. durch die Auswahl nicht geprüfter Bereiche oder einen höheren Stichprobenumfang). Der Landesrechnungshof empfiehlt dem Innenministerium, die Erkenntnisse zur Qualität der örtlichen Prüfung im Land auszuwerten. Soweit daraus Handlungsbedarfe abgeleitet werden können, sollte es prüfen, ob und inwieweit Inhalt und Umfang der überörtlichen Prüfung erweitert werden müssen. Falls die Notwendigkeit eines erweiterten Prüfungsumfangs gesehen wird, sollte dies in der Personalbemessung der RPÄ berücksichtigt werden. Alternativ können auch andere Möglichkeiten der Organisation der örtlichen Prüfung im kreisangehörigen Raum geprüft werden. 5 Fachaufsicht durch das Innenministerium (417) Gemäß Ziffer 2.3.3 der Erläuterungen zum KPG M-V führt das Innenministerium im Rahmen der fachaufsichtlichen Aufgabenwahrnehmung zur Prüfung der Einhaltung des vorgeschriebenen Prüfturnus und der Abarbeitung bestehender Prüfungsrückstände entsprechende Übersichten. Entgegen der Erläuterungen zum KPG M-V sowie der Empfehlungen des Landesrechnungshofes führt das Innenministerium keine Übersichten zu bestehenden Prüfrückständen in der überörtlichen Prüfung. 132 Die RPÄ gaben an, vom Innenministerium keine Rückmeldungen hinsichtlich der regelmäßig übersandten Berichte und Übersichten erhalten zu haben. Das Innenministerium sollte die vorgelegten Berichte systematisch auswerten. Diese können dem Innenministerium wichtige Hinweise auf erforderliche fachaufsichtliche Maßnahmen liefern. Es sollte die bestehenden Berichtspflichten der RPÄ vor diesem Hintergrund evaluieren und am tatsächlichen Bedarf sowie seinen personellen Möglichkeiten ausrichten. Das Innenministerium sollte die Übersichten zu bestehenden Prüfungsrückständen in der überörtlichen Prüfung nunmehr führen. Die Erläuterungen zum KPG M-V sollten unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Nachschauprüfung aktualisiert werden. (418) Das Innenministerium führte aus, dass die personellen Ressourcen für die Auswertung sämtlicher Prüfberichte fehlten. Der Landesrechnungshof empfiehlt dem Innenministerium, auf der Basis einer Personalbedarfsberechnung die erforderlichen personellen Ressourcen bereitzustellen, um den Anforderungen als Fachaufsicht vollumfänglich gerecht zu werden. 133 3 Kommunale Pflegeplanung Die Pflegeplanungen der Landkreise und kreisfreien Städte weisen deutliche qualitative wie quantitative Unterschiede auf. Diese beruhen teilweise auf unterschiedlichen Datenlagen und Begriffsdefinitionen. Eine Angleichung ist erforderlich, um dem zuständigen Sozialministerium die Erarbeitung aussagekräftiger landesplanerischer Empfehlungen zu ermöglichen. Als Fernziel sollte die integrierte Pflegesozialplanung in eine integrierte Sozial- und Finanzplanung eingebunden werden. (419) Am 31.12.2009 trat eine Änderung des Landespflegegesetzes (§ 5 Abs. 3 LPflegeG M-V130) in Kraft. In Umkehrung des bisherigen Verfahrens soll das Land einen Landesplan mit Empfehlungen zur Weiterentwicklung der pflegerischen Versorgungsstruktur auf Grundlage der kommunalen Planungen erstellen. Vor diesem Hintergrund hat der Landesrechnungshof eine Querschnittsprüfung der kommunalen Pflegeplanungen bei allen Landkreisen und kreisfreien Städten in Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt. Er hat untersucht, ob bzw. inwieweit die Kommunen die ihnen obliegenden Planungsaufgaben erfüllen und zur Weiterentwicklung der pflegerischen Versorgungsstruktur beitragen. (420) Bei der Umsetzung des Paradigmenwechsels traten Probleme auf. So waren die zum 30.09.2011 von den Landkreisen und kreisfreien Städten vorzulegenden Planungen qualitativ sehr unterschiedlich und daher nicht vergleichbar. Als Folge gestaltete sich die Erarbeitung des vom Sozialministerium (nachfolgend Ministerium) nach § 5 Abs. 3 LPflegeG M-V aufzustellenden Landesplanes mit Empfehlungen für die Weiterentwicklung der pflegerischen Versorgungsstruktur schwierig, da dieser auf der Grundlage der kommunalen Planungen erstellt werden sollte. 1 Fördermaßnahmen durch das Ministerium (421) Zur Behebung der Probleme hat das Ministerium ab 2013 • • • die Erstellung integrierter Pflegesozialplanungen, Modellprojekte zur Weiterentwicklung häuslicher, ambulanter und teilstationärer Angebote sowie Fortbildungen gefördert. 130 Landespflegegesetz (LPflegeG M-V) vom 16. Dezember 2003, in der Fassung von Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Kriegsopferfürsorge und zur Änderung anderer Gesetze vom 17. Dezember 2009 ( GVOBl. M-V, S. 726). 134 Der Landesrechnungshof hat festgestellt, dass das Ministerium die Fördergegenstände nicht detailliert genug definiert hat. Dies führte beispielsweise dazu, dass die Kommunen den Begriff der integrierten Pflegesozialplanung unterschiedlich verstanden haben. Schon daraus ergaben sich Unterschiede bei den kommunalen Planungen. Bei den Modellprojekten überlässt das Ministerium die Förderfähigkeitsprüfung der kommunale Ebene zunächst selbst. Es prüft erst im Nachgang, ob die Kommunen die Mittel ordnungsgemäß eingesetzt haben. Gleiches gilt für Fortbildungen. (422) Die in den Jahren 2013 bis 2015 verwendeten bzw. angeforderten sowie bereitgestellten Mittel stellen sich insgesamt wie folgt dar: Tabelle 21: Verwendung der Mittel 2013 und 2014, Mittelanforderungen 2015, in Euro Pflegesozialplanung / Konzepte Projekte Weiterbildung Gesamt Bereitgestellte Mittel in Euro Abrufquote in % 2013 289.977,13 0,00 16.734,85 306.711,98 1.500.000,00 20,45 2014 546.177,81 316.367,36 6.075,84 868.621,01 1.500.000,00 57,91 2015 431.873,19 628.498,88 17.676,19 1.078.048,26 1.500.000,00 71,87 1.268.028,13 944.866,24 40.486,88 2.253.381,25 4.500.000,00 50,10 Summe Quelle: Übersicht des Sozialministeriums vom 26.10.2015, Verwendungsnachweise 2013 und 2014, Profiskal. Bezogen auf die einzelnen Kommunen ergibt sich für die drei Jahre eine Spannbreite von rd. 46.000 Euro bis 587.000 Euro für die Pflegesozialplanung, wobei nach den Feststellungen des Landesrechnungshofes die Höhe der eingesetzten Mittel nicht ausschlaggebend war für die Qualität der Planungen. (423) Neben der finanziellen Förderung beabsichtigte das Ministerium, die Kommunen auch fachlich zu unterstützen. Um die Vergleichbarkeit der Pflegesozialplanungen auf kommunaler Ebene zu erreichen, sollte die Hochschule Neubrandenburg ein Konzept zur Pflegesozialplanung der Landkreise und kreisfreien Städte in Mecklenburg-Vorpommern entwickeln und wissenschaftlich begleiten. Im Jahr 2015 hat die Hochschule dem Ministerium einen Kompass für die integrierte Pflegesozialplanung vorgelegt. Nach dem Verständnis des Landesrechnungshofes hat das Ministerium damit seine Erwartungen an kommunale integrierte Pflegesozialplanungen definiert. Einige Kommunen äußerten zum Kompass, dass er zu spät käme. Sie hätten jetzt bereits eine integrierte Pflegesozialplanung und teilweise die sich daraus ergebenden Handlungsbedarfe umgesetzt bzw. mit der Umsetzung begonnen. Ein Teil der Kommunen bezweifelte auch die Erforderlichkeit vergleichbarer Planungen. Der Kompass wird für zu umfangreich gehalten. 135 Schließlich vermissen die Kommunen eindeutige Begriffsdefinitionen und Absprachen zur methodischen Herangehensweise bei der Planungserstellung. Der Landesrechnungshof teilt die Auffassung der Kommunen hinsichtlich des Zeitpunktes der Erstellung des Kompasses sowie seines Umfangs. Vergleichbare Planungen sind jedoch erforderlich, damit das Land nach § 5 Abs. 3 LPflegeG M-V seiner Verantwortung für die Weiterentwicklung der Pflegeinfrastruktur gerecht werden kann. Im Hinblick auf die dafür erforderlichen vergleichbaren Planungen müssen maßgebliche Begriffe und Methoden einheitlich verstanden werden. Er erwartet, dass dies in einem partizipativen Prozess geklärt wird. In ihren Stellungnahmen wiesen zwei Kommunen darauf hin, dass die Hochschule Neubrandenburg nach ihrer Auffassung bei der Erstellung des Kompasses auch Planungsprozesse vor Ort in den Kommunen hätte begleiten und hinterfragen müssen. Dieses sei nicht der Fall gewesen. Der Landesrechnungshof hält diesen Hinweis für zweckmäßig. 2 Umsetzung der Fördermaßnahmen (424) Der Landesrechnungshof hat die Umsetzung der Fördermaßnahmen des Ministeriums auf der örtlichen Ebene untersucht. Hinsichtlich der kommunalen Pflegesozialplanungen hat er deutliche sowohl quantitative als auch qualitative Unterschiede festgestellt. Die geförderten Modellprojekte wurden nach den Feststellungen des Landesrechnungshofes von der örtlichen Ebene nicht regelmäßig begleitet. Das hatte zur Folge, dass nicht alle auf der Grundlage der jeweils vorgelegten Konzeption bewilligten Leistungen durchgeführt wurden. (425) Der Landesrechnungshof hat weiter untersucht, wie die kommunale Ebene beabsichtigt, die Prozesse fortzuführen. Die Fortschreibung der integrierten Pflegesozialplanungen auf kommunaler Ebene in eigener Regie bei einem Auslaufen der Förderung hängt nach den Feststellungen des Landesrechnungshofes von der Personal- und IT-Ausstattung sowie davon ab, welche Datensätze die externen Leistungserbringer überlassen haben. Als schwierig erwies sich bei einigen der geprüften Stellen auch die Umsetzung der in den Pflegesozialplanungen dargestellten Handlungsempfehlungen. Einige Kommunen haben darauf hingewiesen, dass sie keine direkte Umsetzungskompetenz für in ihrer Planung festgestellte Handlungsbedarfe besitzen und daher eine gezielte Steuerung 136 nicht in ihrem Einflussbereich liege. Der integrierten Pflegesozialplanung kommt jedoch gleichwohl eine wesentliche steuerungsunterstützende Funktion zur Ausgestaltung der pflegerischen Infrastruktur zu. Die Steuerung muss allerdings in enger Abstimmung mit den Leistungsträgern und sonstigen im Bereich der Pflege Beteiligten erfolgen. Zudem hängen insbesondere Planung und Controlling eng zusammen. Das Fachcontrolling verfolgt auf der Fachplanungsebene die Entwicklung, bewertet die Ergebnisse und bringt erforderliche Änderungsprozesse in Gang. Als Fernziel sollte die integrierte Pflegesozialplanung in eine integrierte Sozial- und Finanzplanung eingebunden werden. (426) Zur weiteren Optimierung der Prozesse auf kommunaler Ebene ist eine Vereinheitlichung der Datenlage erforderlich. Hierzu sollten sich die Hochschule Neubrandenburg und die kommunale Ebene in einem partizipativen Prozess zunächst darauf verständigen, welche Daten als Mindestmaß zugrunde gelegt werden sollen. Das Ministerium könnte die einheitliche Bereitstellung dieser Daten koordinieren. Weiter ist es erforderlich, den politisch Verantwortlichen auf örtlicher Ebene die Wichtigkeit der Sozialplanung zu vermitteln. Auf Arbeitsebene wäre die Einrichtung eines Arbeitskreises Sozialplanung unter dem Dach des Ministeriums ein geeignetes Instrument, den örtlichen Planungsprozess zu begleiten. Zudem ist eine Stärkung der Pflegestützpunkte notwendig, da ihnen auf örtlicher Ebene eine zentrale Position zukommt. So sollte bei ihnen die Netzwerkarbeit angesiedelt sein und um die Bereiche Wohnraumberatung und Mobilität erweitert werden. (427) Das Prüfungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. 137 V. Prüfung kommunaler Beteiligungen 1 Geschäftliche Beziehungen zwischen kommunalen Wirtschaftsbetrieben und kommunalen Amts- und Mandatsträgern Bei der Abschlussprüfung kommunaler Wirtschaftsbetriebe hat der Landesrechnungshof wiederholt auch Auftragsvergaben an kommunale Amts- und Mandatsträger (Gemeinde- und Stadtvertreter sowie Bürgermeister) festgestellt. Wenn ein kommunales Unternehmen Aufträge an Mandatsträger erteilt, können Interessenkonflikte entstehen. Bei Entscheidungen der Gemeinde, die sich auf die wirtschaftliche Lage des kommunalen Unternehmens auswirken, können die Mandatsträger vor der Frage stehen, ob sie ihrem eigenen wirtschaftlichen Vorteil oder dem Interesse des Unternehmens den Vorrang geben. Um auch nur den Anschein eines Interessenkonflikts zu vermeiden, müssen bei Auftragsvergaben die vergaberechtlichen Vorschriften unbedingt eingehalten werden. Auch bei Auftragswerten unterhalb der Schwellenwerte sind Aufträge im Wettbewerb zu vergeben. Der Landesrechnungshof empfiehlt den kommunalen Unternehmen, unterhalb der Schwellenwerte eine öffentliche Ausschreibung durchzuführen, sofern der hiermit verbundene Aufwand im angemessenen Verhältnis zum Auftragswert steht. (428) Bürgermeister und Mitglieder der Gemeinde- oder Stadtvertretungen können gerade auf strategische Entscheidungen kommunaler Gesellschaften Einfluss nehmen. Der Bürgermeister vertritt gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 der KV M-V die Gemeinde in der Gesellschafterversammlung. Die Gemeinde- beziehungsweise Stadtvertretung ist gemäß § 22 Abs. 1 KV M-V das oberste Willensbildungs- und Beschlussorgan der Gemeinde. Nach § 22 Abs. 2 KV M-V ist sie deshalb für alle wichtigen Angelegenheiten der Gemeinde zuständig. Hierzu gehören auch die wesentliche Änderung der Aufgaben, wesentliche Erweiterung oder Einschränkung, Änderung der Organisationsform und Auflösung kommunaler Unternehmen und Einrichtungen (§ 22 Abs. 3 Nr. 10 KV M-V). 1 Feststellungen des Landesrechnungshofes (429) In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass kommunale Unternehmen unrentierliche oder risikobehaftete Investitionsvorhaben planen, finanzieren und umsetzen. Dies ist in der Regel der schlechten finanziellen Lage der Gesellschafterkommune geschuldet. Die Rechtsaufsichtsbehörde würde deshalb eine Kreditaufnahme zur Finanzierung des Projekts im Hoheitshaushalt nicht genehmigen. In dieser Situation nehmen Gemeinden Einfluss auf ihr 139 Unternehmen, damit das unter städtebaulichen, wirtschaftlichen oder sozialen Aspekten dringend erwünschte Projekt realisiert werden kann. (430) Ein Beispiel hierfür ist ein Projekt für ein Mehrgenerationenhaus in der Stadt B. Dieses Bauvorhaben ist seit 2011 von der Wohnungsgesellschaft A der Stadt geplant worden. Sowohl der Bürgermeister als auch mehrheitlich die Stadtvertretung hatten bereits in der Planungsphase ihr Interesse an der Umsetzung des Projekts erkennen lassen. (431) Der seinerzeitige Geschäftsführer der Wohnungsgesellschaft hat das Vorhaben am 07.08.2012 in der Stadtvertretung vorgestellt. Die Kosten des Projekts hat der Geschäftsführer in der Sitzung mit 750.000 Euro beziffert. Zu diesem Zeitpunkt hat dem Geschäftsführer eine Baukostenschätzung des Ingenieurbüros C von Januar 2012 vorgelegen, wonach sich die Kosten auf 828.000 Euro belaufen würden. Das Ingenieurbüro hatte diesen Betrag noch vor der Sitzung der Stadtvertretung am 07.08.2012 nach Vorlage weiterer Detailplanungen auf 880.000 Euro korrigiert. Die Inhaberin des Ingenieurbüros Frau C war zu diesem Zeitpunkt auch Mitglied der Stadtvertretung. Dennoch hat sie die Geschäftsführung in der Stadtvertretersitzung mit Ausführungen unter anderem zur Schallschutzprüfung, Lüftungsanlage und Fenstereinbauten unterstützt und Fragen der Stadtvertreter zum Projekt beantwortet. (432) Die seinerzeitige Geschäftsführung hat in der Folgezeit das Projekt weiter vorangetrieben und unter anderem zur Finanzierung am 31.01.2013 einen Bankkredit in Höhe von 780.000 Euro aufgenommen. Zuvor hatten andere Bankinstitute eine Finanzierung mit der Begründung abgelehnt, dass der Kreditbetrag durch den Beleihungswert des Mehrgenerationenhauses nicht gedeckt sei. Die finanzierende Bank war zu derselben Einschätzung gekommen. Sie hatte sich aber wegen des städtischen Interesses an dem Vorhaben und gegen Bestellung von Grundpfandrechten an fünf weiteren Immobilien der Wohnungsgesellschaft zum Abschluss des Kreditvertrags bereit gefunden. Das Mehrgenerationenhaus wurde im Jahr 2013 mit Kosten in Höhe von 882.000 Euro fertiggestellt. (433) Noch im Jahresabschluss 2013 ist eine außerplanmäßige Abschreibung der Immobilie wegen dauerhafter Wertminderung um 544.000 Euro vorgenommen worden. Grund dafür war der deutlich unter dem Investitionsvolumen liegende Beleihungswert, der von der finanzierenden Bank nur noch mit 325.000 Euro angegeben wurde. Die Wohnungsgesellschaft hat im Geschäftsjahr 2013 einen Fehlbetrag von 520.000 Euro erwirtschaftet. Seit Fertigstellung übersteigt der Aufwand für das Mehrgenerationenhaus die Erträge aus dem Objekt. Im Jahr 2016 hat die Gesellschaft mit dem Mehrgenerationenhaus einen Verlust in Höhe von rd. 7.000 Euro erwirtschaftet.Die Gesellschaft plant 2017 für das Mehrgenerationenhaus die Anhebung der 140 Mieten. Erst nach einer für 2020 geplanten weiteren Mieterhöhung soll das Objekt in die Gewinnzone kommen. (434) Im Zuge der Jahresabschlussprüfung 2014 hat der Landesrechnungshof erhoben, in welchem Umfang im Zeitraum 2010 bis 30.06.2015 Mandatsträger (Bürgermeister und Stadtvertreter) der Stadt von der Wohnungsgesellschaft A und ihrer Tochtergesellschaft D Aufträge erhalten haben. Danach beträgt das Auftragsvolumen für die Mandatsträger der Stadt in dieser Zeit insgesamt ca. 668.000 Euro. Tabelle 22: Auftragsvolumen für die Mandatsträger der Stadt, 2010-Juni 2015, in Euro Name Funktion Tochtergesellschaft WoGes131 Gesamt in Euro Herr E Bürgermeister Frau C Stadtvertreterin 77.791,50 0,00 77.791,50 Herr F Stadtvertreter 117.199,72 1.254,08 118.453,80 Herr G Stadtvertreter 411.392,14 46.257,72 457.649,86 606.983,36 61.092,14 668.075,50 Gesamt mind. 600,00 132 13.580,34133 mind. 14.180,34 Quelle: erweiterter Prüfungsbericht über die Jahresabschlussprüfungen 2013 und 2014, eigene Berechnungen. Nach den dem Abschlussprüfer vorgelegten Unterlagen sind vor Auftragserteilung fast ausnahmslos weder förmliche Vergabeverfahren durchgeführt noch Konkurrenzangebote eingeholt worden. (435) Anlässlich der Freigabe des Jahresabschlussprüfungsberichts 2014 hat der Landesrechnungshof die Wohnungsgesellschaft A aufgefordert, zukünftig grundsätzlich Mandatsträgern ihrer Gesellschafterin keine Aufträge mehr zu erteilen. 2 Folgerungen und Empfehlungen (436) Mandatsträger einer Kommune sollten in einer wichtigen, ein kommunales Unternehmen betreffenden oder berührenden Angelegenheit ihre Entscheidung möglichst unbeeinflusst von eigenen wirtschaftlichen Interessen treffen können. Erhalten die Mandatsträger Aufträge eines kommunalen Unternehmens, können Interessenkonflikte entstehen. Dann stehen Mandatsträger bei Entscheidungen, die sich negativ auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens auswirken können, vor der Frage, ob sie ihrem eigenen wirtschaftlichen Vorteil oder dem In131 132 133 Den aufgeführten Geschäftsvorfällen konnte nicht zweifelsfrei entnommen werden, ob es sich dabei um Brutto- oder Nettobeträge handelt. Dem Prüfungsbericht konnten die Höhe der getätigten Geschäfte für das Jahr 2015 nicht zweifelsfrei entnommen werden. Darüber hinaus lagen im Prüfungszeitpunkt für zwei weitere Aufträge im Gesamtwert von mindestens 2.820 Euro (brutto) Aufsichtsratsbeschlüsse zur Beauftragung des Bürgermeisters vor. Die Aufträge waren jedoch noch nicht erteilt. Vergleichsangebote wurden nicht eingeholt. 141 teresse des Unternehmens den Vorrang einräumen wollen. Unter Corporate-GovernanceGesichtspunkten sollte aber von vornherein jeder Anschein einer Kollision oder Verflechtung privater und Unternehmensinteressen vermieden werden. (437) Deshalb empfiehlt der Landesrechnungshof den kommunalen Unternehmen, grundsätzlich auch unterhalb der jeweiligen Schwellenwerte Aufträge öffentlich auszuschreiben und die Zuschlagserteilung so transparent wie möglich zu gestalten. Direktvergaben an Bürgermeister und Gemeindevertreter wie im hier dargestellten Fall des kommunalen Wohnungswirtschaftsunternehmens verstoßen nicht nur regelmäßig gegen das Vergaberecht. Sie erwecken zwangsläufig den Eindruck, der Amts- oder Mandatsträger hätte seinen privaten Interessen Vorrang vor den von ihm wahrzunehmenden kommunalen Interessen gegeben. 3 Stellungnahme des Innenministeriums (438) Das Innenministerium begrüßt die auf Sicherung der Integrität kommunaler Entscheidungsträger gerichteten Bestrebungen des Landesrechnungshofes. Es verweist auf sein Rundschreiben vom 15.01.2014. Darin war im Hinblick auf die Auftragsvergabe an Aufsichtsratsmitglieder kommunaler Gesellschaften empfohlen worden, auch unterhalb der Schwellenwerte eine öffentliche Ausschreibung durchzuführen und die Zuschlagserteilung unter größtmöglicher Transparenz vorzunehmen. 142 2 Geschäftliche Beziehungen zwischen kommunalen Wirtschaftsbetrieben und Mitgliedern von Überwachungs- und Kontrollorganen Bei der laufenden Auswertung der Jahresabschlussprüfungsberichte hat der Landesrechnungshof festgestellt, dass nach wie vor Geschäftsbeziehungen zwischen kommunalen Unternehmen und Mitgliedern ihrer Aufsichtsorgane existieren. Erfreulicherweise gab es zuletzt deutlich weniger Verflechtungen. Auch bei der Neubesetzung von Aufsichtsorganen haben die Kommunen Interessenkollisionen weitgehend vermieden. Die Kritik des Landesrechnungshofes an geschäftlichen Beziehungen zwischen Mitgliedern von Aufsichtsorganen und kommunalen Unternehmen hat insoweit Wirkung gezeigt. (439) Seit 2008 sind die Geschäfte kommunaler Unternehmen mit Aufsichtsratsmitgliedern, Mitgliedern der Kommunalvertretung und sonstigen der Gesellschaft nahestehenden Personen sowie die Einhaltung vergaberechtlicher Bestimmungen ein Schwerpunkt der Jahresabschlussprüfung. In Fällen, in denen Mitglieder von Aufsichtsgremien geschäftliche Beziehungen zu dem prüfungspflichtigen Unternehmen unterhalten, kann man grundsätzlich nicht mehr davon ausgehen, dass sie ihre Überwachungs- und Beratungspflichten unabhängig und pflichtgemäß wahrnehmen können. Das gilt nicht für den Bezug von Leistungen der Daseinsvorsorge zu Konditionen, wie sie auch Dritten angeboten werden. Diese Interessenkollisionen können etwa auftreten, wenn das Unternehmen mit einem Mitglied des Aufsichtsrats Verträge über Ein- oder Verkauf von Leistungen oder Gütern schließt. Um mögliche Verflechtungen aufzuzeigen, erwartet der Landesrechnungshof, dass die Geschäftsführung von den Mitgliedern der Aufsichtsorgane jährlich zum 01.01. die Abgabe einer Erklärung zu den geschäftlichen Beziehungen einholt. (440) Diese Erklärungen sind ein wirksames Mittel zur Aufdeckung von Überschneidungen persönlicher und kommunaler Unternehmensinteressen. Vermeidung und Beendigung derartiger Verflechtungen liegen in der Verantwortung der jeweiligen Aufsichtsrats- oder Betriebsausschussmitglieder, der Geschäftsführungen und der kommunalen Gesellschafter. 1 Feststellungen des Landesrechnungshofes (441) Bei der Auswertung der Erklärungen von Mitgliedern der Aufsichtsgremien kommunaler Unternehmen für die Geschäftsjahre 2014 und 2015 hat der Landesrechnungshof wiederum wirtschaftliche Verflechtungen zwischen Mandatsträgern und Unternehmen festgestellt, wenn auch im Vergleich zu den Vorjahren deutlich seltener. Ein aktuelles Beispiel ist in Tz. 444 dargestellt. 143 (442) Trotz – zum Teil wiederholter – Darstellung des Interessenkonflikts im Kommunalfinanzbericht werden Geschäftsbeziehungen mit Aufsichtsrats- oder Betriebsausschussmitgliedern über viele Jahre hinweg fortgesetzt. Über den Fortgang von Fällen, die bereits Gegenstand früherer Kommunalfinanzberichte waren, berichtet der Landesrechnungshof im Einzelnen in den nachfolgenden Tzn. 445 bis 464. (443) In fünf Fällen, die im Kommunalfinanzbericht 2015 134 beispielhaft genannt waren, und bei denen die erforderlichen Konsequenzen bereits teilweise gezogen wurden oder zumindest erkennbar waren, ist der Interessenkonflikt inzwischen gelöst, wenn auch erst nach Jahren. 2 Aktuelles Beispiel aus der laufenden Auswertung der Jahresabschlussprüfungsberichte (444) Ein Betriebsausschussmitglied eines Eigenbetriebs führte im Geschäftsjahr 2014 mit seinem Betrieb für Raumgestaltung und Malerarbeiten Umsätze in Höhe von rd. 17.000 Euro für das kommunale Unternehmen aus. Nach Beanstandung des Landesrechnungshofes ließ der Mandatsträger am 01.07.2016 vom Eigenbetrieb mitteilen, dass er seit dem in seiner Erklärung zu den Geschäftsbeziehungen genannten Zeitpunkt (04.08.2014) keinen Auftrag vom Eigenbetrieb erhalten beziehungsweise keine geschäftlichen Beziehungen zum Eigenbetrieb unterhalten habe. Er werde während der Zeit seines Mandats im Betriebsausschuss auch weiterhin keine geschäftlichen Beziehungen zum Eigenbetrieb unterhalten. Er werde sich insbesondere nicht an Ausschreibungen beteiligen. 3 Weitere Entwicklung von Fällen aus früheren Kommunalfinanzberichten 3.1 Kur- und Tourismusbetrieb (445) Über die geschäftlichen Beziehungen eines Eigenbetriebs für Kur und Tourismus mit Mitgliedern seines beschließenden Betriebsausschusses hatte der Landesrechnungshof bereits in seinem Kommunalfinanzbericht 2012 berichtet 135. Die weitere Entwicklung konnte erst im Kommunalfinanzbericht 2015 beschrieben werden136, weil ihm die Jahresabschlussprüfungsberichte seit dem Geschäftsjahr 2011 mit deutlicher Verspätung zugegangen sind. (446) Seit 2009 führt der Betriebsausschussvorsitzende, der zugleich bis zur Kommunalwahl 2014 Bürgermeister der Gemeinde war, mit seinem Bau- und Serviceunternehmen verschiede134 135 136 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2015): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2015 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2015, S. 170-176. Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2012 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2012, S. 119-120. Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2015): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2015 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2015, S. 172-174. 144 ne Bauarbeiten (u. a. Radweg, Seebrücke, Schaukasten, Parkplatz, Hauptübergang) für den Eigenbetrieb aus. Das Auftragsvolumen betrug nach den Angaben in seinen Erklärungen zu den Geschäftsbeziehungen rd. 44.000 Euro im Geschäftsjahr 2009 und rd. 73.700 Euro im Geschäftsjahr 2010. In der Erklärung zu den geschäftlichen Beziehungen für das Geschäftsjahr 2011 gab der Betriebsausschussvorsitzende „diverse Kleinaufträge“ von rd. 4.400 Euro an. In der Erklärung für das Geschäftsjahr 2012 gab er als Vertragsgegenstand „Diverse“ an, allerdings ohne Nennung der Gegenleistung. Im Geschäftsjahr 2013 belief sich das Auftragsvolumen des Betriebsausschussvorsitzenden auf insgesamt 15.000 Euro. Die Zahlungen des Eigenbetriebs an den Betriebsausschussvorsitzenden im Geschäftsjahr 2014 betrugen 357 Euro. (447) Ein weiteres Mitglied der Gemeindevertretung und des Betriebsausschusses hat als Inhaber einer Sicherheitsagentur im Geschäftsjahr 2013 Sicherheitsdienstleistungen teilweise über 500 Euro ausgeführt. (448) In beiden Fällen hat der Eigenbetrieb die Aufträge direkt ohne Vergabeverfahren erteilt. Er begründete dies mit langjährigen Geschäftsbeziehungen. (449) Auf Anfrage des Landesrechnungshofes hat das zuständige Amt am 02.07.2015 mitgeteilt, dass mit dem Bau- und Serviceunternehmen des Betriebsausschussvorsitzenden ein über das Jahr 2013 hinaus laufender Bauvertrag existiere, dieser sich aber in der Schlussabrechnung und Mängelbeseitigung befinde und damit auslaufe. Weitere Verträge mit den Unternehmen des Betriebsausschussvorsitzenden bestünden nicht. (450) Mit der Sicherheitsagentur, so das Amt, bestünden sieben Verträge. Zwei davon liefen bis 2015 und würden dann neu ausgeschrieben, drei Verträge würden 2016 neu ausgeschrieben. Ein Vertrag werde mit sofortiger Wirkung im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben. Es verbliebe ein im Jahr 2015 geschlossener Vertrag über Plakatierung und Anbringen von Werbebannern. Eine sofortige Kündigung der Verträge werde wegen eventueller Schadensersatzansprüche seitens der Sicherheitsagentur und wegen möglicherweise fehlender Sicherheitsleistungen bis zur Neuvergabe nicht vorgenommen. (451) Auf Empfehlung des Landesrechnungshofes hat der Landrat das zuständige Gemeindeprüfungsamt mit der Prüfung der Vergabepraxis für Bau- und Dienstleistungen beauftragt. In seinem Bericht vom 30.07.2015 (Prüfungszeitraum 2010 bis 2014) hat das Prüfungsamt erhebliche Mängel in der Buchführung, bei der körperlichen Bestandsaufnahme und bei der Vermögenszuordnung festgestellt. Auch bei der Vergabe von Bau- und Dienstleistungen, deren Vertragsgestaltung und bei der Abrechnung hat das Prüfungsamt gravierende Defizite aufgedeckt. So betrug im Geschäftsjahr 2014 das mit der Sicherheitsagentur abgerechnete Leis145 tungsvolumen brutto 121.000 Euro, laut einer Einzelaufstellung über Leistungen auf vertraglicher Grundlage brutto nur 63.774,03 Euro. Darüber hinaus enthält der Bericht die Aussage, dass hinsichtlich der mit der Sicherheitsagentur geschlossenen Verträge zum Teil andere als vereinbarte Leistungsvergütungen erfolgten, ohne dass diese höheren Zahlungen nachvollziehbar waren. Der Eigenbetrieb habe sogar ohne vertragliche Grundlage Zahlungen geleistet. Im Ergebnis erfolgten nach den Feststellungen des Gemeindeprüfungsamts Zahlungen von bis zu rd. 57.200 Euro ohne vertragliche Grundlage oder Verpflichtung an die Sicherheitsagentur. (452) Inzwischen liegt der Jahresabschlussprüfungsbericht 2014 vor. Die Erklärungen der Betriebsausschussmitglieder zu den geschäftlichen Beziehungen mit dem Eigenbetrieb mussten nachgefordert werden und sind am 16.08.2016 eingegangen. Die vom Inhaber der Sicherheitsagentur erklärten Zahlungen des Eigenbetriebs für Leistungen (insgesamt brutto 77.537,75 Euro) entsprechen nicht dem vom Gemeindeprüfungsamt mit Bericht vom 30.07.2015 ermittelten Leistungsvolumen von rd. 121.000 Euro. Das Betriebsausschussmitglied hat offenbar ein deutlich zu niedriges Leistungs- und Zahlungsvolumen deklariert. (453) Der Landesrechnungshof hat den Bericht über die Jahresabschlussprüfung 2014 unter Zurückstellung von erheblichen Bedenken nach § 14 Abs. 4 KPG M-V freigegeben. Er erwarte, dass nach Laufzeitende keine weiteren Verträge mehr mit Betriebsausschussmitgliedern über Ein- oder Verkauf von Leistungen oder Gütern abgeschlossen werden. Zahlungen ohne vertragliche Grundlage sind im Regelfall ein Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Geschäftsführung. (454) Das zuständige Amt hat daraufhin am 04.10.2016 mitgeteilt, es könne die im Bericht des Gemeindeprüfungsamtes genannte Summe des abgerechneten Leistungsvolumen mit der Sicherheitsagentur in Höhe von 121.000 Euro brutto nicht nachvollziehen, da hierzu keine genaue Aufschlüsselung vorläge. Der Kurbetrieb habe (nach einer Aufstellung der in 2014 tatsächlich gezahlten Beträge, unterteilt nach Rechnungsnummer und Monat, sowie nach Art der erbrachten Leistung) in 2014 Gesamtleistungen in Höhe von 66.694,35 Euro netto (79.366,28 Euro brutto) beglichen. Dieser Betrag decke sich annähernd mit den vom Inhaber der Sicherheitsagentur erklärten Zahlungen von 77.537,75 Euro brutto, die Abweichung werde als marginal betrachtet. Das Amt habe die Mitarbeiter des Kurbetriebs und auch den Inhaber der Sicherheitsagentur angehalten, in dieser Angelegenheit besondere Sorgfalt walten zu lassen. Ein Teil der früher an die Sicherheitsagentur vergebenen Aufträge werde inzwischen durch die im Kurbetrieb neu eingestellten technischen Mitarbeiter erledigt. 146 (455) Inzwischen liegt der Prüfungsbericht für das Geschäftsjahr 2015 vor. In der Erklärung zu den Geschäftsbeziehungen gab der Betriebsausschussvorsitzende an, keinerlei geschäftliche Beziehungen zu dem Eigenbetrieb unterhalten zu haben. Der Inhaber der Sicherheitsagentur (Gemeindevertreter und Betriebsausschussmitglied) hat einen Gesamtbetrag von 59.940,12 Euro als Gegenleistung für verschiedene Dienstleistungen erklärt. Ob die Differenz zu der vom Gemeindeprüfungsamt genannten Summe von brutto 121.000 Euro ggf. durch Zahlungsverschiebungen in den Geschäftsjahren 2014 und 2015 entstanden ist, ist den vorliegenden Unterlagen nicht zu entnehmen. 3.2 Energieversorgungsunternehmen (456) Eine kommunale Versorgungsgesellschaft137 pflegt seit Jahren Geschäftsbeziehungen mit der Elektrofirma des Vaters des Aufsichtsratsvorsitzenden. Gleichzeitig ist der Aufsichtsratsvorsitzende dort als Arbeitnehmer beschäftigt. Hier bewegten sich die jährlichen Aufträge im vierstelligen bis unteren fünfstelligen Bereich (2006 bis 2013 insgesamt: rd. 71.500 Euro). Im Geschäftsjahr 2014 betrug das Auftragsvolumen mit der Elektrofirma rd. 5.700 Euro. Nach den Ausführungen des Abschlussprüfers zur Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung hätten sich daraus keine Interessenkonflikte ergeben, weil der Aufsichtsrat keinen Einfluss auf die Vergabe genommen habe. Der Landesrechnungshof hat im Rahmen der Freigabe des Jahresabschlussprüfungsberichts 2014 die Gesellschaft erneut aufgefordert, die Interessenkollision nunmehr zu beenden. Inzwischen liegt der Bericht über die Jahresabschlussprüfung 2015 vor. Da der Geschäftsführer der Gesellschaft den Prüfungsauftrag entgegen den Bestimmungen des Abschnitts III KPG M-V selbst erteilt hat, ist eine Freigabe durch den Landesrechnungshof ausgeschlossen. Nach dem Inhalt der Erklärung des Aufsichtsratsmitglieds zu den geschäftlichen Beziehungen betrug das Auftragsvolumen im Geschäftsjahr 2015 rd. 4.100 Euro. Eine Absicht der Gesellschaft, die Geschäftsbeziehungen zu beenden, ist damit nicht erkennbar. 3.3 Wohnungswirtschaft (457) Ein Aufsichtsratsmitglied einer Wohnungsbaugesellschaft138 war zugleich Bürgermeisterin der kommunalen Gesellschafterin. Das Aufsichtsratsmitglied hatte für das Geschäfts- 137 138 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Jahresbericht 2012 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2012, S. 109-110, Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht 2013 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2013, S. 128-129, Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2015): Jahresbericht 2014 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2014, S. 180, Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2015): Jahresbericht 2015 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2015, S. 174-175. Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2015): Jahresbericht 2014 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2014, S. 181, Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2015): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2015 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2015, S. 175. 147 jahr 2012 geschäftliche Beziehungen ihres Ehemanns (Inhaber und Geschäftsführer einer Elektrofirma) zum kommunalen Unternehmen in Höhe von 70.804,74 Euro erklärt. Der Landesrechnungshof hatte die Gesellschaft aufgefordert, die Geschäftsbeziehungen mit dem Elektrounternehmen des Ehemanns zu beenden oder dafür Sorge zu tragen, dass das Aufsichtsratsmitglied sein Mandat niederlegt. Spätestens im Jahresabschluss 2013 sollten die eingeleiteten Maßnahmen zur Beseitigung des Interessenkonflikts dargestellt werden. Es wurden jedoch keine Konsequenzen gezogen. Nach dem Inhalt der vom Landesrechnungshof nachgeforderten Erklärung zu den geschäftlichen Beziehungen betrug der Leistungsumfang mit der Elektrofirma des Ehemanns im Geschäftsjahr 2013 insgesamt 97.782,11 Euro. (458) Der Anhang zum Jahresabschluss 2014 enthielt keine Angaben zu Aufträgen des kommunalen Unternehmens an Aufsichtsratsmitglieder, ebenso wenig der Prüfungsbericht. Die Erklärungen der Aufsichtsratsmitglieder zu den geschäftlichen Beziehungen fehlten und mussten wie im Jahr zuvor nachgefordert werden. (459) Danach betrug das Auftragsvolumen für den Ehemann des Aufsichtsratsmitglieds im Geschäftsjahr 2014 89.559,02 Euro. In seinem Freigabeschreiben zum Jahresabschlussprüfungsbericht 2014 kritisierte der Landesrechnungshof, dass trotz seiner wiederholten Beanstandungen weder eine Niederlegung des Aufsichtsratsmandats noch eine Einstellung der Auftragsvergaben an das Unternehmen des Ehemannes erfolgt sei. (460) Der Bericht über die Jahresabschlussprüfung 2015 liegt inzwischen vor. Wieder mussten die Erklärungen der Aufsichtsratsmitglieder zu den geschäftlichen Beziehungen nachgefordert werden. Danach betrug das Auftragsvolumen mit der Elektrofirma des Ehemanns des Aufsichtsratsmitglieds im Geschäftsjahr 2015 122.614,86 Euro. Am 10.08.2016 teilte der Geschäftsführer telefonisch mit, dass das Aufsichtsratsmitglied zum 31.12.2015 aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden sei. Zwischenzeitlich hatte auch ein Wechsel im Amt des Bürgermeisters stattgefunden. Damit ist der über mindestens vier Jahre hinweg bestehende Interessenkonflikt aufgelöst. 3.4 Wohnungsbaugesellschaft (461) Die Aufsichtsratsvorsitzende einer kommunalen Baugesellschaft139 hat erklärt, dass ihr Ehemann und ihr Stiefsohn an einer Biogasanlage beteiligt seien. Die Genannten sind nicht nur Minderheitsgesellschafter mit insgesamt 40 % der Geschäftsanteile, sondern auch Ge139 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2015): Jahresbericht 2014 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2014, S. 181-182, Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2015): Jahresbericht 2015 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2015, S. 176. 148 schäftsführer der Biogasanlage. Das Unternehmen hat mit dem kommunalen Unternehmen einen Wärmelieferungsvertrag abgeschlossen. Der Landesrechnungshof hat anlässlich der Freigaben der Jahresabschlussprüfungsberichte 2012 und 2013 die Auffassung vertreten, dass die Niederlegung des Aufsichtsratsmandats oder die Beendigung des Wärmebezugsvertrags angezeigt sei. Er erwarte wegen der unwiderlegbaren Vermutung einer Interessenkollision die Auflösung des Konflikts. Am 27.07.2015 hat der Aufsichtsrat mitgeteilt, wegen der wirtschaftlichen Vorteile für das kommunale Unternehmen könne eine Aufhebung des Wärmeliefervertrags keine Handlungsoption sein. Es gebe auch keinen Grund, auf die fachlich fundierte und sehr engagierte Arbeit der Aufsichtsratsvorsitzenden zu verzichten. Die Geschäftsbeziehung sei den Gesellschaftern, der Geschäftsführung und sämtlichen Aufsichtsratsmitgliedern bekannt. Nach Ansicht aller Aufsichtsratsmitglieder einschließlich der Aufsichtsratsvorsitzenden selbst bestehe keine Besorgnis der Befangenheit der Vorsitzenden bei der Ausübung ihrer Aufsichtsratspflichten. (462) Der Landesrechnungshof merkt hierzu an, dass Aufsichtsratsmitglieder, bei denen eine Interessenkollision festgestellt wird, regelmäßig der Auffassung sind, sie würden die Interessen der Gesellschaft nicht gegenüber ihren eigenen wirtschaftlichen Interessen zurückstellen. Eine gezielte und gewollte Vernachlässigung der Interessen der Gesellschaft durch das betreffende Aufsichtsratsmitglied ist in diesen Fällen oft nicht das Problem. Vielmehr ist es dem Aufsichtsratsmitglied nicht möglich, seine Aufgaben mit der gebotenen Objektivität und Unbefangenheit wahrzunehmen, wenn seine eigenen wirtschaftlichen Interessen mit denen der Gesellschaft nicht deckungsgleich sind. Wenn der Wärmeliefervertrag nach Auffassung der Gesellschaft vorteilhaft ist, muss der Konflikt durch Niederlegung des Aufsichtsratsmandats aufgelöst werden. (463) Nach dem Jahresabschlussprüfungsbericht 2014 bestand die Interessenkollision fort. Der Landesrechnungshof hat mit seinem Freigabeschreiben seine Auffassung bekräftigt, dass die Interessenkollision der Auflösung bedürfe. Inzwischen liegt auch der Prüfungsbericht 2015 vor. Darin wird Bezug genommen auf die oben genannte Stellungnahme des Aufsichtsrats vom 27.07.2015. Die Geschäftsbeziehung mit den nahestehenden Personen der Aufsichtsratsvorsitzenden und das Aufsichtsratsmandat wurden unverändert fortgeführt. 149 3.5 Kultur und Bildungsunternehmen (464) Ein kommunales Unternehmen für Bildung und Kultur 140 hat einen Mitarbeiter eines langjährigen Auftragnehmers, einem Unternehmen aus der Sicherheitsbranche, in den Aufsichtsrat berufen. Das Sicherheitsunternehmen ist gleichzeitig Minderheitsgesellschafter des kommunalen Unternehmens. Das Auftragsvolumen für Sicherheits-, Bewachungs- und Pförtnerdienste und andere Leistungen belief sich im Geschäftsjahr 2014 auf rd. 604.000 Euro. Daneben berief das kommunale Unternehmen zwei Rechtsanwälte in das Aufsichtsorgan, deren Sozietät in 2014 Beratungsleistungen im Umfang von rd. 4.700 Euro erbrachte. Die Aufsichtsratstätigkeit eines Rechtsanwalts endete am 31.07.2014. Der Landesrechnungshof hat im Rahmen der Freigabe des Jahresabschlussprüfungsberichts 2014 gefordert, von Geschäften mit Aufsichtsratsmitgliedern künftig Abstand zu nehmen oder das Mandat solle niedergelegt werden. Der Jahresabschlussprüfungsbericht 2015 liegt inzwischen vor. Ausführungen zum Interessenkonflikt finden sich nicht im Lagebericht. Vielmehr ist dem Anhang zu entnehmen, dass sich das Auftragsvolumen für Sicherheits-, Bewachungs- und Pförtnerdienste u. a. im Geschäftsjahr 2015 auf 645.000 Euro erhöht hat. Der Leistungsumfang mit der Sozietät für Rechts- und Steuerberatung ist in 2015 auf 10.700 Euro angestiegen. Eine Auflösung des Interessenkonflikts ist demzufolge nicht zu verzeichnen. 3.6 Wohnungsgesellschaft (465) Eine Wohnungsgesellschaft141 unterhielt nachhaltig geschäftliche Beziehungen zu ihrem stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden, einem selbständigen Handwerker. Die Umsätze betrugen 2011 rd. 3.500 Euro, 2012 rd. 12.000 Euro, 2013 rd. 3.000 Euro. Mit der Neubesetzung des Aufsichtsrats, dem der selbständige Handwerker nicht mehr angehört, hat die Gesellschaft den Interessenkonflikt am 12.05.2015 gelöst. 4 Stellungnahme des Innenministeriums (466) Die auf Sicherung der Integrität kommunaler Aufsichtsratsmitglieder gerichteten Bestreben des Landesrechnungshofes werden durch das Innenministerium grundsätzlich begrüßt und unterstützt. Es verweist auf sein Rundschreiben vom 15.01.2014. Darin hat das Innenministerium u. a. darauf hingewiesen, dass die Bestimmungen des öffentlichen Auftragswesens nach § 75 Abs. 1 Satz 2 KV M-V auch für kommunale Unternehmen und Einrichtungen 140 141 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2015): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2015 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2015, S. 171. Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2015): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2015 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2015, S. 171. 150 gelten. Um den Anschein einer infolge eines Interessenkonflikts zustande gekommenen vertraglichen Beziehung zu vermeiden, sollte auch unterhalb der jeweils geltenden Schwellenwerte eine öffentliche Ausschreibung durchgeführt und die Zuschlagserteilung unter größtmöglicher Transparenz vorgenommen werden. 5 Folgerungen und Empfehlungen (467) Die Beispiele zeigen, dass das Problem der Interessenkollision noch immer in vielen kommunalen Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern anzutreffen ist. Erfreulich ist, dass die konsequenten Beanstandungen des Landesrechnungshofes – wenn auch oft erst nach vielen Jahren – verschiedene Aufsichtsratsmitglieder dazu bewegt haben, ihr Mandat zurückzugeben oder die Geschäftsbeziehung zu beenden. Der Landesrechnungshof wird Geschäftsbeziehungen kommunaler Unternehmen mit Mitgliedern von Aufsichtsorganen auch weiterhin entschieden nachgehen. Der Landesrechnungshof bittet den Landtag weiterhin um Unterstützung bei der Beseitigung von Interessenkonflikten, die durch wirtschaftliche Verflechtungen in kommunalen Betrieben erzeugt werden. 151 3 Gliederung von kommunalen Eigenbetrieben in Bereiche Gemeinden sind nach der Eigenbetriebsverordnung unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, ihre Eigenbetriebe in Geschäftsbereiche zu gliedern. Für alle Bereiche sind Bereichsbilanzen, Bereichs-Gewinn- und Verlustrechnungen, -finanzrechnungen sowie Bereichswirtschaftspläne zu erstellen. Diese Bereichsrechnungen sollen insbesondere den Gemeindevertretern und den Mitgliedern des Betriebsausschusses Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Eigenbetriebs geben. Vor allem bei Kur- und Tourismusverwaltungen haben viele Gemeinden die Verpflichtung zur Gliederung ihres Eigenbetriebs in Geschäftsbereiche nicht oder nicht in ausreichendem Maße erfüllt. Der Landesrechnungshof hat diese Gemeinden aufgefordert, ihrer Rechtspflicht nachzukommen. Er wird zur Herstellung und Erhöhung der Transparenz bei den Eigenbetrieben mit Nachdruck an dieser Forderung festhalten. (468) Nach § 68 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 der KV M-V i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Eigenbetriebsverordnung (EigVO M-V) können wirtschaftliche Unternehmen und Einrichtungen sowie Hilfsbetriebe von der Gemeinde außerhalb ihrer Verwaltung als rechtlich unselbständige Eigenbetriebe geführt werden. Die Eigenbetriebe müssen nach Maßgabe des § 64 Abs. 1 KV M-V i. V. m. §§ 1 Abs. 2, 18 Abs. 1 EigVO eine Sonderrechnung auf Grundlage eines kaufmännischen Rechnungswesens führen. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 KPG M-V unterliegen Eigenbetriebe der Jahresabschlussprüfung kommunaler Wirtschaftsbetriebe. (469) Nach § 1 Abs. 3 EigVO können mehrere Unternehmen, Einrichtungen und Hilfsbetriebe von der Gemeinde zu einem Eigenbetrieb zusammengefasst werden. Bei gleicher Aufgabenstellung sollen die Eigenbetriebe zusammengefasst werden. Besteht ein Eigenbetrieb danach aus mehreren Unternehmen, Einrichtungen oder Hilfsbetrieben, so ist er in (Geschäfts)bereiche (Betriebszweige des Eigenbetriebs) zu gliedern (§ 1 Abs. 4 Satz 1 EigVO). Für die Bereiche sind jeweils eigene Wirtschaftspläne einschließlich Erfolgs- und Finanzpläne aufzustellen (§ 17 EigVO) und Bereichsrechnungen (Bereichsbilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen und Finanzrechnungen) aufzustellen (§ 24 Satz 1 EigVO). Bei der Gliederung ist insbesondere den inhaltlichen, organisatorischen, finanziellen und personellen Verflechtungen der einzelnen Teilbereiche Rechnung zu tragen (§ 1 Abs. 4 Satz 2 EigVO). Unwesentliche Teilaufgaben müssen nicht als eigener Bereich geführt werden. (470) Mit der Vorschrift des § 1 Abs. 4 Satz 1 EigVO, wonach Eigenbetriebe in Bereiche aufzugliedern sind, wenn die Eigenbetriebe aus mehreren Unternehmen, Einrichtungen oder 152 Hilfsbetrieben bestehen, wird das Ziel verfolgt, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Eigenbetriebs transparent zu machen. So ist beispielsweise aus den Bereichs-Gewinn- und Verlustrechnungen abzulesen, ob der Eigenbetrieb mit einer bestimmten Dienstleistung (bzw. einem bestimmten Bereich) Überschüsse oder Fehlbeträge erwirtschaftet. Interne Leistungsbeziehungen zwischen den Bereichen werden ebenso erkennbar (vgl. § 17 Satz 3 EigVO) wie die Quersubventionierung eines Geschäftsbereichs durch einen anderen. (471) Insbesondere Mitglieder der Gemeindevertretung und des Betriebsausschusses benötigen zur sachgerechten Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Zuständigkeiten beim Eigenbetrieb bestmöglichen Einblick in dessen wirtschaftlichen Verhältnisse. So entscheidet die Gemeindevertretung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EigVO u. a. über die Feststellung des Jahresabschlusses, die Verwendung des Jahresüberschusses oder die Behandlung des Jahresfehlbetrags. Dasselbe gilt für die Bestellung, Abberufung und Entlastung der Betriebsleitung. Der Betriebsausschuss des Eigenbetriebs hat in vielen Fällen nach der Haupt- oder Betriebssatzung die Aufgabe der Überwachung der Betriebsleitung. Die mit der Gliederung des Eigenbetriebs in Bereiche gewährleistete Transparenz kommt gerade diesen Organen der Gemeinde bzw. des Eigenbetriebs zugute. 1 Kommunale Kurverwaltungen in der Rechtsform eines Eigenbetriebs (472) Landesweit werden derzeit insgesamt 29 kommunale Kur- und Tourismusverwaltungen als Eigenbetriebe geführt. Diese Eigenbetriebe nehmen teilweise ein sehr breites Spektrum kommunaler Aufgaben wahr. So bewirtschaften Kurverwaltungen beispielsweise Parkplätze, Kur- und Tourismuseinrichtungen, Hafenanlagen, Bauhöfe, Museen und Campingplätze. Sie ziehen vielfach im Auftrag ihrer Gemeinde auch die Kur- und Fremdenverkehrsabgaben ein. In insgesamt 28 dieser Kurverwaltungen sind mehrere Unternehmen, Einrichtungen oder Hilfsbetriebe zusammengefasst. Nur fünf Gemeinden sind bisher ihrer Verpflichtung aus § 1 Abs. 4 Satz 1 EigVO nachgekommen, ihren Eigenbetrieb in Bereiche zu gliedern. In einem weiteren Fall trägt die Gliederung in Bereiche nicht ausreichend den inhaltlichen, organisatorischen, finanziellen und personellen Verflechtungen der Teilaufgaben Rechnung (§ 1 Abs. 4 Satz 2 EigVO). (473) Nach gegenwärtigem Stand haben 22 Gemeinden ihre Verpflichtung zur Gliederung ihrer Kurverwaltung in Bereiche nicht erfüllt. Der Landesrechnungshof hat diese Gemeinden aus Anlass der Freigabe der aktuellen Jahresabschlüsse der Eigenbetriebe aufgefordert, ihrer Verpflichtung aus § 1 Abs. 4 Satz 1 EigVO nachzukommen. Bislang hat ein Eigenbetrieb zugesichert, zukünftig eine Gliederung in Bereiche vorzunehmen. 153 2 Stellungnahme des Innenministeriums (474) Das Innenministerium begrüßt und unterstützt grundsätzlich die Absicht, die Wirtschaftlichkeit der Geschäftsfelder aller Eigenbetriebe, insbesondere der Kurverwaltungen, im betrieblichen Rechnungswesen transparent zu machen. Den Kommunen müsse bei der Gliederung ihrer Eigenbetriebe in Bereiche ein bestimmter Entscheidungsspielraum verbleiben. Von ihrem wirtschaftlichen Umfang her unwesentliche Teilaufgaben sollten nicht als eigener Bereich geführt werden müssen. Es sei beabsichtigt, bei der anstehenden Novellierung der EigVO hier für mehr Klarheit zu sorgen. 3 Schlussfolgerungen und Empfehlungen (475) Die Transparenz der wirtschaftlichen Verhältnisse kommunaler Eigenbetriebe ist notwendige Voraussetzung dafür, dass Gemeindevertretungen und Betriebsausschüsse ihre Aufgaben angemessen erfüllen können. Diese Transparenz kann nur durch eine sachgerechte Gliederung der kommunalen Eigenbetriebe in Geschäftsbereiche sichergestellt werden. Der Landesrechnungshof begrüßt das Vorhaben des Innenministeriums, bei Novellierung der EigVO die Vorschriften zur Bildung von Bereichen präziser zu fassen. Er wird bei Kur- und Tourismusverwaltungen im Hinblick auf die in jüngster Zeit aufgetretenen Unregelmäßigkeiten bei Auftragsvergaben, Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bürgermeistern und Betriebsausschüssen und personellen Verflechtungen zwischen Betriebsleitung und Organen der Gemeinde weiterhin mit Nachdruck auf die Gliederung in Geschäftsbereiche hinwirken. 154 4 Verpflichtung zur Durchführung der Jahresabschlussprüfung nach den Vorschriften des Kommunalprüfungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern Die Stadt Barth kommt seit über 20 Jahren ihrer gesetzlichen Verpflichtung, bei ihrer Beteiligung Stadtwerke Barth GmbH eine Abschlussprüfung nach den Vorschriften der §§ 11 ff. des Kommunalprüfungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern im Gesellschaftsvertrag festzuschreiben, nicht nach. Die Stadtwerke Barth haben gleichwohl lange Zeit bei der Abschlussprüfung diese Vorschriften eingehalten. Seit dem Jahr 2015 erteilen sie den Auftrag zur Abschlussprüfung in eigener Regie. Nach § 13 Abs. 2 Kommunalprüfungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern ist dies Aufgabe des Landesrechnungshofes. Zur Verankerung der Abschlussprüfung nach den Vorschriften des Kommunalprüfungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern im Gesellschaftsvertrag der Stadtwerke Barth GmbH sollten notfalls rechtsaufsichtliche Schritte in Betracht gezogen werden. Der Landesrechnungshof bittet den Landtag bei der Durchsetzung seiner Prüfrechte um Unterstützung. (476) Die Stadt Barth ist an der Stadtwerke Barth GmbH seit Gründung der Gesellschaft im Jahr 1992 beteiligt. Seit Veräußerung von 49 % der Geschäftsanteile an ein Energiewirtschaftsunternehmen im Jahr 2001 hält die Stadt nur noch eine Mehrheitsbeteiligung von 51 %. Spätestens mit Inkrafttreten der KV M-V im Jahr 1994 war die Stadt verpflichtet, für eine Verankerung der Jahresabschlussprüfung nach den Vorschriften der §§ 11 ff. (Abschnitt III) des KPG M-V im Gesellschaftsvertrag der Stadtwerke Barth Sorge zu tragen. Diese gesetzliche Verpflichtung besteht nach wie vor. Denn die Stadt hat als Mehrheitsgesellschafterin auch nach Verkauf von 49 % der Geschäftsanteile noch maßgeblichen Einfluss auf die Stadtwerke (§ 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KV M-V). Abschnitt III KPG M-V enthält Regelungen, die im Interesse des kommunalen Eigentümers den Informationsgehalt der Berichte der Abschlussprüfer erhöhen sollen. Dazu gehört, dass der Landesrechnungshof für das kommunale Unternehmen den Auftrag zur Jahresabschlussprüfung erteilt (§ 13 Abs. 2 Satz 1 KPG M-V). Ferner ist der Abschlussprüfer gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 KPG M-V auch dem Landesrechnungshof gegenüber zur gewissenhaften und unparteiischen Erfüllung seines Prüfungsauftrags (vgl. § 323 Abs. 1 HGB) verpflichtet. Das bedeutet, dass der Landesrechnungshof besondere Prüfungsschwerpunkte setzen und, falls erforderlich, sogar den Prüfungsauftrag erweitern kann. Darüber hinaus kann der Landesrechnungshof kontrollieren, ob der Abschlussprüfer in vollem Umfang seine Prüfungs- und 155 Berichtspflichten erfüllt hat. Nach § 14 Abs. 4 Satz 3 KPG M-V darf der Landesrechnungshof, wenn notwendig, auch selbst im Rahmen der Abschlussprüfung tätig werden und zum Prüfungsbericht sowie zum Bestätigungsvermerk eigene Feststellungen treffen. Als „faktischer Auftraggeber“ der Jahresabschlussprüfung kann der Landesrechnungshof auch einen fünfjährigen Prüfungsturnus durchsetzen. Hat eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bei der Ausschreibung des Prüfungsauftrags den Zuschlag erhalten, so erteilt der Landesrechnungshof den Auftrag zur Abschlussprüfung auch in den folgenden vier Jahren dieser Gesellschaft. Damit wird die Unabhängigkeit der Abschlussprüfung gestärkt. Denn ein Abschlussprüfer, der bei Prüfung des Jahresabschlusses eines kommunalen Unternehmens zu Ergebnissen gekommen ist, die dem Unternehmen oder dessen kommunalen Gesellschafter nicht zusagen, kann von diesen nicht einfach bei Prüfung des nachfolgenden Abschlusses gegen einen anderen Abschlussprüfer ausgewechselt werden. 1 Verletzung der sogenannten Hinwirkungspflicht (477) Die Stadt Barth über 20 Jahre ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Verankerung der Jahresabschlussprüfung nach den Vorschriften des Abschnitts III KPG M-V im Gesellschaftsvertrag nicht nachgekommen. Hierfür hätte sie spätestens anlässlich des Verkaufs von 49 % der Geschäftsanteile an ein privatwirtschaftliches Unternehmen der Energiebranche im Jahr 2001 Sorge tragen müssen. Seitdem kann der Minderheitsgesellschafter die Verankerung der Jahresabschlussprüfung nach Abschnitt III KPG M-V im Gesellschaftsvertrag blockieren. Nach § 53 Abs. 2 GmbHG bedarf eine Änderung des Gesellschaftsvertrags einer Mehrheit von 75 % der Stimmen bzw. Geschäftsanteile. (478) Die Abschlüsse der Stadtwerke wurden auch nach 2001 zunächst weiterhin nach den Bestimmungen des KPG M-V geprüft. Aus Anlass der Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.2008 hat die Geschäftsführung einen ersten Versuch unternommen, sich der offenbar als lästig empfundenen Aufsicht durch den Landesrechnungshof zu entziehen, und den Prüfungsauftrag in eigener Regie vergeben. Sowohl das Innenministerium als oberste Rechtsaufsicht als auch der Landesrechnungshof haben darauf hingewiesen, dass die Stadtwerke an ihre langjährige Praxis, bei der Jahresabschlussprüfung nach Abschnitt III KPG M-V mitzuwirken, gebunden seien. Beide haben ferner die Stadt Barth aufgefordert, eine entsprechende Änderung des Gesellschaftsvertragsvertrags der Stadtwerke durchzusetzen. Die Prüfung der darauffolgenden Jahresabschlüsse konnte daraufhin wieder vom Landesrechnungshof in Auftrag gegeben werden. Der Aufforderung, die Verankerung der Abschlussprüfung nach Abschnitt III 156 KPG M-V im Gesellschaftsvertrag zu initiieren, ist die Stadt Barth jedoch nicht nachgekommen. (479) Mit der Leistung des Abschlussprüfers für den Jahresabschluss 2014 waren die Stadtwerke nicht zufrieden. Dabei hatte der Landesrechnungshof mit Beauftragung dieser Prüfungsgesellschaft seit 2013 dem Auswahlvorschlag der Stadtwerke Rechnung getragen. Mit Schreiben vom 27.07.2015 haben die Stadtwerke den Landesrechnungshof über einen Beschluss ihres Aufsichtsrats vom 17.07.2015 informiert, mit der Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.2015 – also nach nur zwei Jahren – eine andere Prüfungsgesellschaft zu beauftragen. Der Landesrechnungshof hat daraufhin mehrfach schriftlich und fernmündlich darauf hingewiesen, dass er nach seiner ständigen Praxis einer vorzeitigen Beendigung des fünfjährigen Prüfungsturnus nur ausnahmsweise zustimmen könne. Entweder müsse hierfür das Einvernehmen des turnusmäßigen Abschlussprüfers eingeholt oder ein wichtiger Grund, etwa die dauerhafte Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses wegen schwerwiegenden Pflichtverletzungen bei Durchführung der Abschlussprüfung, glaubhaft gemacht werden. Der Landesrechnungshof hat den Stadtwerken wiederholt Gelegenheit gegeben, ihr Anliegen zu begründen. Zugleich hat er den Stadtwerken mehrfach angeboten, ein Gespräch mit dem Abschlussprüfer zu moderieren, in dem auch die Chancen für eine gütliche Einigung bis hin zu einer einvernehmlichen vorzeitigen Beendigung des Prüfungsturnus hätten ausgelotet werden können. Die Stadtwerke haben in der Folge ihren Wunsch nach einem vorzeitigen Prüferwechsel nicht nachvollziehbar begründet. Insbesondere haben sie ihre Behauptung, es bestünden Zweifel an der fachlichen und organisatorischen Eignung des turnusmäßigen Abschlussprüfers, nicht untersetzen können. Die Gesprächsangebote des Landesrechnungshofes wurden zurückgewiesen. Statt dessen haben die Stadtwerke den Auftrag zur Prüfung des Jahresabschlusses 2015 am 21.10.2015 unter Umgehung des Landesrechnungshofes selbst an die von ihr favorisierte Prüfungsgesellschaft vergeben. (480) Die Stadtwerke waren in der Folgezeit nicht bereit, den eigenmächtig abgeschlossenen Vertrag über die Prüfung des Jahresabschlusses 2015 wieder aufzuheben. Mit Schreiben vom 08.03.2016 haben die Stadtwerke ankündigt, auch den Auftrag zur Prüfung des Jahresabschlusses 2016 selbst zu vergeben. Der Landesrechnungshof hat die Stadt Barth als kommunale Gesellschafterin erneut aufgefordert, ihrer Verpflichtung aus § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KV M-V nachzukommen und auf eine 157 Durchführung der Abschlussprüfung der Stadtwerke nach den Vorschriften des Abschnitts III KPG M-V hinzuwirken. Die Stadt Barth hat in der Gesellschafterversammlung der Stadtwerke am 20.06.2016 eine entsprechende Beschlussvorlage eingebracht. Die erforderliche Mehrheit von 75 % der Stimmen für die Verankerung der Abschlussprüfung nach den Bestimmungen des KPG M-V im Gesellschaftsvertrag ist nicht erreicht worden. Erwartungsgemäß hat der private Minderheitsgesellschafter gegen die Beschlussvorlage votiert. Am 22.09.2016 hat die Stadtvertretung Barth erneut einen Beschluss zur Festschreibung der Abschlussprüfung nach Abschnitt III KPG M-V gefasst. 2 Stellungnahme des Innenministeriums (481) Das Innenministerium begrüßt und unterstützt die Bemühungen des Landesrechnungshofes, die Abschlussprüfung nach den Vorschriften des KPG M-V möglichst bei allen kommunalen Unternehmen durchzuführen. Um Fällen wie dem der Stadtwerke Barth vorzubeugen, hätten die Rechtsaufsichtsbehörden die Kommunen beispielsweise im Nachgang zur letzten Novellierung der Kommunalverfassung über Änderungen bei den erforderlichen Informationsund Prüfungsrechten informiert. Die Kommunen würden von den Rechtsaufsichtsbehörden zu einer vollumfänglichen Umsetzung dieser Rechte in den Gesellschaftsverträgen bestehender Beteiligungen angehalten. 3 Stellungnahme der Stadt Barth (482) Die Stadt Barth erklärt, sie habe zuletzt alles in ihrer Macht Stehende getan, um eine Verankerung der Abschlussprüfung nach Abschnitt III KPG M-V im Gesellschaftsvertrag der Stadtwerke herbeizuführen. 4 Folgerungen und Empfehlungen (483) Die Stadt Barth ist auch nach dem Scheitern ihres ersten Versuchs in der Gesellschafterversammlung am 20.06.2016 weiterhin verpflichtet, auf die Festschreibung und Durchführung der Abschlussprüfung nach Abschnitt III KPG M-V hinzuwirken. Wenn auch ihr erneuter Vorstoß vom 22.09.2016 fehlschlägt – wovon auszugehen ist –, sollten rechtsaufsichtliche Schritte zur Verankerung der Abschlussprüfung nach dem KPG M-V im Gesellschaftsvertrag in Betracht gezogen werden. Der Landesrechnungshof bittet den Landtag bei der Durchsetzung seiner Prüfungsrechte um Unterstützung. (484) Der Erwerb und die Veräußerung von kommunalen Beteiligungen ist im Regelfall anzeigepflichtig (§ 77 KV M-V). Die Rechtsaufsichtsbehörden müssen bei Anzeige dieser 158 Rechtsgeschäfte auch prüfen, ob die Gemeinde ihrer Verpflichtung aus § 73 Abs. 1 Satz Nr. 2 KV M-V nachgekommen ist. Wenn die Rechtsaufsichtsbehörde diese Frage nicht oder nicht mit der gebotenen Sorgfalt prüft, müssen bei dem Versuch, nachträglich gesetzeskonforme Zustände herzustellen, erhebliche Hindernisse überwunden werden. Dies zeigt der Fall der Stadtwerke Barth sehr deutlich. Die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde hatte den Gesellschaftsvertrag aus Anlass der Veräußerung der Geschäftsanteile im Jahr 2001 nicht beanstandet. Der Versuch der Stadt Barth, im Jahr 2016 die versäumte Verankerung der Jahresabschlussprüfung nach den Vorschriften des KPG M-V nachzuholen, ist zunächst am Widerstand des Minderheitsgesellschafters gescheitert (Tz. 480). In der Vergangenheit hat es weitere vergleichbare Versäumnisse der Rechtsaufsichtsbehörden gegeben. Der Landesrechnungshof erwartet, dass bei der Prüfung künftiger Anteilserwerbe und -veräußerungen die Verankerung der Abschlussprüfung nach Abschnitt III KPG M-V sichergestellt wird. 159 VI. Ergebnisberichte zur Umsetzung von Landtagsentschließungen durch die entsprechenden Ressorts (485) In diesem neuen Abschnitt berichtet der Landesrechnungshof über die Ergebnisse sog. Nachfrageverfahren gemäß seiner seit dem 01.01.2017 gültigen Prüfungsordnung. Mit deren Hilfe wird nachgehalten, ob und inwieweit die geprüften Stellen Beanstandungen abgestellt haben und den Empfehlungen des Landesrechnungshofes nachgekommen sind. Entschließungen des Landtages werden grundsätzlich Gegenstand dieser Nachfrageverfahren sein. (486) Mit Blick auf die Kommunalfinanzberichte 2014 und 2015 hat der Landesrechnungshof das Innenministerium, das Finanzministerium, das Sozialministerium und die Staatskanzlei gebeten, Auskunft über den Umsetzungsstand der nachfolgenden Entschließungen des Landtages142 zu geben. 1 Entschließungen zum Kommunalfinanzbericht 2014 1.1 Analyse der kommunalen Sozialausgaben in Mecklenburg-Vorpommern und im Ländervergleich (Tzn. 76-117) Adressaten IM, SM Die Landesregierung wird gebeten, in Bezug auf die kommunalen Sozialausgaben dafür Sorge zu tragen, dass die Datenerfassung in den Kommunen einheitlich er• folgt, zu prüfen, in welcher Weise die Landkreise bei Verhandlungen mit den Sozialträ• gern unterstützt werden können, auch um Kennzahlen zur Messung der Zielerreichung festzulegen und zu evaluieren, zu prüfen, inwieweit die Transparenz bei den Leistungsanbietern im Sozialbereich • auf kommunaler Ebene verbessert werden kann. (487) Das Innenministerium teilt in seiner Stellungnahme mit, dass sich die Bitten und Aufträge innerhalb der Landesregierung an das Sozialministerium richten würden, weil die Kommunen für entsprechenden Bereich seit dem 01.01.2016 der Fachaufsicht des Sozialministeriums unterstünden. (488) Das Sozialministerium führt aus, dass nicht das Land, sondern die Landkreise und kreisfreien Städte als Sozialhilfeträger im Bereich des SGB XII seien Aufgabenträger. Diese nähmen ihre Aufgaben selbstständig wahr, so auch die Datenerfassung. (489) Seit dem 01.01.2016 würden die Landkreise und kreisfreien Städte als Sozialhilfeträger alle Aufgaben nach dem SGB XII im übertragenen Wirkungskreis wahrnehmen. Die damit verbundene kooperative Fachaufsicht über die Sozialhilfeträger und ihre zentrale Stelle sei durch das Sozialministerium aufgebaut worden und werde intensiv wahrgenommen. 142 Drs. 6/4551 und 6/5596. 161 (490) Da auch die einheitliche Datenerfassung ein Ziel des Sozialministeriums und der Sozialhilfeträger sei, habe man eine AG Daten eingerichtet. In dieser Arbeitsgruppe arbeiteten Vertreter der Kommunen, des Statistischen Amtes und des Sozialministeriums eng zusammen. Sie hätten u. a. das Ziel, einheitliche Standards der Datenerfassung zu erarbeiten. (491) Das Sozialministerium teilt ferner mit, dass seit der Übernahme der kooperativen Fachaufsicht in der Sozialhilfe regelmäßige Fachaufsichtsgespräche mit den Sozialhilfeträgern zu allen gewünschten Themen stattfinden würden. (492) Es würden dabei auch solche Fragen erörtert, die die Sozialhilfeträger bei Verhandlungen unterstützen. Dies schließe u. a. die Beantwortung von rechtlichen Fragen einschließlich der Auswertung von Rechtsprechung zu notwendigen Plausibilisierungen von Daten in Verhandlungen ein. Diese Arbeit werde fortgeführt. (493) Das Sozialministerium trägt vor, dass die Fachaufsichtsbehörde und die Sozialhilfeträger auch Überlegungen angestellt hätten, wie die Transparenz bei den Leistungsanbietern im Sozialbereich auf kommunaler Ebene verbessert werden könne. Eine Möglichkeit bestünde darin, die Schiedsstelle anzurufen, um rechtliche Fragen auch in Zusammenhang mit der Transparenz der Leistungsanbieter zu lösen. Dies gelte u. a. für möglicherweise fehlende Plausibilisierungen und Darstellungen im Rahmen der Verhandlungen zu Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen. (494) Parallel führe das zuständige Fachreferat des Sozialministeriums regelmäßige Gespräche mit den Leistungsanbietern (insbesondere mit der LIGA), in denen Fragen und Probleme aller Beteiligten umfassend erörtert werden. Dies umfasse auch den Bereich der Transparenz der Leistungsanbieter. (495) Das Sozialministerium führt weiter aus, dass voraussichtlich spätestens zum 01.01.2020 das Bundesteilhabegesetz geändert werde. Dadurch seien auch die Landesrahmenverträge anzupassen. Letztlich sei es Sache der Vertragspartner, auch Regelungen zur Transparenz in die neuen Verträge aufzunehmen. Das Land sei entsprechend den gesetzlichen Regelungen zwar selbst nicht Vertragspartner der Landesrahmenverträge, werde den Prozess aber begleiten und die Betroffenen intensiv unterstützen. 162 1.2 Die kommunale Finanzwirtschaft im Vergleich (Tzn. 54-57) Adressat IM Das Ministerium für Inneres und Sport wird im Rahmen seiner Rechtsaufsicht gebeten, die Kommunen dazu anzuhalten, ihre Einnahmepotenziale bei der Gewerbesteuer und der Grundsteuer zu nutzen. (496) Das Innenministerium teilt in seiner Stellungnahme mit, dass rechtsaufsichtlich die Kommunen ständig auf die Erhebung mindestens durchschnittlicher Hebesätze für die Realsteuern hingewiesen werden. Defizitäre Kommunen würden darauf verwiesen, den Durchschnitt der ostdeutschen Flächenländer als Maßstab zu nehmen. (497) Da sich viele Kommunen im Rahmen von kommunalpolitischen Diskussionen um notwendige Hebesatzanpassungen an den auf Vergangenheitswerten berechneten Hebesätzen zum Finanzausgleich orientiert hätten, sei erstmals ab dem Jahr 2014 für die Haushaltsplanung 2015 auch zu den erwarteten Entwicklungen der Realsteuerhebesätze eine Prognose abgegeben worden. Damit habe das für den kommunalen Finanzausgleich zuständige Fachreferat im Innenministerium den Kämmerern und Rechtsaufsichtbehörden durch die Ausführungen in den Orientierungsdatenerlassen zusätzliche Informationen und Hinweise zu den Realsteuerhebesätzen gegeben. (498) In Einzelgesprächen mit Kämmerern sei zudem auf die Erforderlichkeit der Anpassung von Realsteuerhebesätzen und die mit Niedrighebesätzen bei der Gewerbesteuer verbundenen Risiken hingewiesen worden. Nicht korrekte Pressemeldungen der Kommunen über die angeblich „nachteilige Wirkung von Hebesatzanpassungen auf die Höhe von Schlüsselzuweisungen“ seien hierfür zum Anlass genommen worden, aktiv mit den jeweils zuständigen Kämmerern ins Gespräch zu kommen. Hierdurch habe erreicht werden können, dass von 391 Gemeinden, die im Jahr 2013 noch einen Hebesatz von bis 300 v. H. bei der Gewerbesteuer festgesetzt haben, im Jahr 2016 per 30.06.2016 nur noch 156 Gemeinden verblieben seien. Bis auf die Gemeinde Lohmen (Landkreis Rostock) würden insbesondere Gemeinden mit mittleren und hohen Gewerbesteuereinnahmen nunmehr ihre Steuerquellen deutlich stärker ausnutzen. Vergleichbare Anpassungen mit Spitzenhebesätzen von bis zu 900 v. H. habe es auch bei den Grundsteuern gegeben. (499) Das Innenministerium führt weiter aus, dass dieses Ergebnis auch darauf zurückzuführen sein dürfte, dass die Landesregierung mit der Kommunalvereinbarung vom 19.02.2014 unter § 3 die Stärkung der Einnahmesituation insbesondere durch die Anpassung der Realsteu- 163 erhebesätze mit dem Ziel, in Mecklenburg-Vorpommern mindestens die Durchschnittssätze der Flächenländer Ost zu erreichen, vereinbart habe. 1.3 Integrität und Stabilität von IT-Systemen bei Kommunen – System und Programmprüfung (Tzn. 143-159) Adressat IM In Bezug auf die Prüfungen zur Integrität und Stabilität von IT-Systemen bei Kommunen (System- und Programmprüfung) unterstützt der Landtag die Handlungsempfehlungen des Landesrechnungshofes. Entsprechend werden die Kommunen, der Zweckverband „Elektronische Verwaltung in Mecklenburg-Vorpommern“ sowie das Ministerium für Inneres und Sport gebeten, die Handlungsempfehlungen zeitnah umzusetzen. (500) Das Innenministerium führt aus, dass die Verbandsversammlung des Zweckverbandes eGo-MV im Rahmen seiner durch die Verbandssatzung übertragenen kommunalen Aufgaben eine Vorstudie zum Thema „Möglichkeiten der Konsolidierung der kommunalen IT unter Berücksichtigung der Nutzung zentraler Infrastrukturen und der Gewährleistung der Sicherheit“ beauftragt habe. Damit haben die Mitglieder des Zweckverbandes auf die in den Kommunalfinanzberichten 2014 und 2015 vorgeschlagenen Handlungsempfehlungen des Landesrechnungshofes und auf eigene Notstände der IT-Leistungsfähigkeiten reagiert. (501) Das Ergebnis der kurzen Studie wurde mit Stand vom 31.08.2015 der Verbandsversammlung des Zweckverbandes unterbreitet und untersuchte • die möglichen Leistungsangebote, • die möglichen Organisationsmodelle und • Wirtschaftlichkeitsaspekte (WiBe 4.1). In einem zweiten Schritt habe die Verbandsversammlung des Zweckverbandes am 27.04.2016 extern die Erstellung eines „Umsetzungskonzeptes zur Zentralisierung der kommunalen IT in M-V“ beauftragt. Diese Studie sei finanziell durch das Innenministerium unterstützt worden, um eine ergebnisoffene Herangehensweise zu garantieren, die alle potentiellen IT-Ressourcen im Land auf ihre Leistungsfähigkeit für interdisziplinäre und interregionale IT-Leistungen analysiere. Bereits in der ersten Studie sei definiert worden, dass es unwirtschaftlich wäre, eine neue ITInstanz „auf der grünen Wiese“ zu platzieren. (502) Unter dieser Maßgabe habe ein Kernteam die zweite ausführlichere Studie mit externer Unterstützung erarbeitet und am 23.06.2016 der Verbandsversammlung vorgelegt. Ergebnis sei die Schaffung einer Dachorganisation, die die vorhandenen IT-Kompetenzen kombinierbar, koordinierbar und gemeinsam finanzierbar gestalten soll. 164 (503) Auf Grund der Komplexität der Bewertung unter Beachtung aller Potenziale und bisherigen Zuständigkeiten in Mecklenburg-Vorpommern seien u. a. noch die Rahmenbedingungen, wie die Rechtsform als gemeinsamer IT-Dienstleister, steuer- und vergaberechtliche Betrachtungen und der Aufgabenzuschnitt zu klären. Das scheine – dem durchwachsenen Beschlussergebnis der Verbandsversammlung entsprechend – keine einfache Vermittlungsaufgabe zu sein. (504) Eine frühzeitige direkte Mitwirkung der Landkreise bereits in der Entwurfsphase der ersten Studie habe nicht stattgefunden, sondern sei nur auf den nachträglichen Wissensaustausch beschränkt. Bei der zweiten Studie sei dies durch die Untersuchung der Leistungsfähigkeiten von Dienstleistern, die zugleich für Kommunal- und für Landkreisaufgaben zuständig seien, automatisch gegeben. (505) Auf der Seite der Landkreise werde eine Konsolidierung der IT-Strukturen durch die IuK-Arbeitsgruppe vorgenommen. Über diese regelmäßig tagende Arbeitsgruppe würden gemeinsam Umsetzungsentscheidungen zur gemeinsamen Beschaffung und zur Interoperabilität von noch nicht zentral betriebenen Verfahren oder technischen Infrastrukturen getroffen. Eine verbindliche Gesamtstrategie der Landkreise werde über die Protokolllage dieses Gremiums und über die Landrätekonferenz hergestellt. (506) Um eine übergreifende Konsolidierung der IT-Infrastrukturen und -Aufgaben zu forcieren, werde auf dieser operativen Ebene der Zweckverband eGo-MV temporär und das Büro Kooperatives E-Government als ständiger Gast zu den IuK-Arbeitsgruppensitzungen eingeladen. „Zudem wird auf der höheren strategischen Ebene [...] mindestens halbjährlich im E-Government-Lenkungsausschuss die Konsolidierung vorangetrieben. Dieser ist seit dem 20.04.2016 durch den § 17 des E-Government-Gesetzes M-V als Entscheidungsgremium für das kooperative E-Government des Landes und der Kommunen maßgeblich. Er kann über gemeinsame – wenn auch stark gedeckelte und zumeist bereits fachlich gebundene – Haushaltsmittel eine Steuerung der Konsolidierung vornehmen.“ (507) Seit dem Sommer 2016 seien unter seiner Federführung gemeinsam mit den Kommunen Handlungsempfehlungen zur Umsetzung des E-Government-Gesetzes entwickelt und den kommunalen Entscheidungsebenen bekannt gegeben worden. Diese können damit die kurzund mittelfristig anstehenden pflichtigen und freiwilligen Aufgaben in ihren Verwaltungen priorisieren. 165 Eine gemeinsame Digitalisierungsstrategie werde erst nach dem Übergang der E-GovernmentZuständigkeit vom Innenministerium zum Energieministerium erstellt werden können. 2 Entschließungen zum Kommunalfinanzbericht 2015 2.1 Kommunaler Schuldenstand (Tzn. 100-107) Adressat IM Das Ministerium für Inneres und Sport wird gebeten, im Rahmen seiner Möglichkeiten auf eine personelle und instrumentelle Stärkung der Kommunalaufsicht hinzuwirken, um etwaige Haftungsrisiken des Landes, die möglicherweise aus Aufsichtsmängeln herzuleiten wären, zu reduzieren. (508) Das Innenministerium teilt mit, dass die Entschließung ein Kernanliegen aller Referate der Kommunalabteilung sei. Die Personalausstattung reiche für eine ordnungsgemäße Wahrnehmung der Aufsichtsverantwortung nicht aus. Das betreffe alle Referate der Kommunalabteilung. (509) Instrumentelle Verschärfungen der Kommunalverfassung zur Stärkung der Rechtsaufsicht wären im Rahmen einer KV-Novelle umsetzbar und seien bei vergangenen Novellierungen schon mehrfach regierungsseitig angeregt worden, scheiterten dann aber teilweise im parlamentarischen Verfahren, nicht zuletzt auch auf Drängen der kommunalen Landesverbände, die in rechtsaufsichtlichen Instrumenten stets auch eine Beeinträchtigung der kommunalen Selbstverwaltung sähen. (510) Aus finanzaufsichtlicher Sicht sei das zur Verfügung stehende rechtsaufsichtliche Instrumentarium (Genehmigungs- und Anzeigepflichten, Anordnung, Beanstandung) durchaus ausreichend. Hinsichtlich der unteren Rechtsaufsichtsbehörden könne eine personelle Stärkung entweder durch Kreispersonal oder durch abgeordnetes Landespersonal (§ 119 Abs. 5 Satz 2 KV M-V) erfolgen. Diese Maßnahmen würden zu einer Erhöhung der Kreisumlage führen oder über die Schaffung entsprechender Stellen im Landeshaushalt zu realisieren sein. Beides müsse letztlich auch hinsichtlich dieser Konsequenzen politisch gewollt sein. Haftungsrisiken für das Land wegen Aufsichtsmängeln der unteren Rechtsaufsichtsbehörde dürften ungeachtet dessen aufgrund der Rechtslage nicht bestehen. 166 2.2 Haushalts- und Rechnungswesen – Umsetzung des NKHR M-V und aktuelle Entwicklungen (Tzn. 153-159) Adressaten StK, FM Der Landtag bekräftigt seinen Beschluss zum Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2014 (Teil 2) – Landesfinanzbericht 2014 (Drucksache 6/4551), die Einführung von europäisch harmonisierten Rechnungslegungsstandards (EPSAS) als nicht zielführend zu erachten. Insbesondere vor dem Hintergrund eines hohen finanziellen Aufwands und eines nicht zweifelsfrei belegbaren Effizienzgewinns erscheint eine Einführung von EPSAS nach wie vor nicht sinnvoll. (511) Das Finanzministerium hat mitgeteilt, dass das Bundesfinanzministerium und die Landesfinanzministerien im Mai 2015 ein Grundsatzpapier zur gemeinsamen inhaltlichen Positionierung Deutschlands zu dem Anliegen, auf europäischer Ebene einheitliche Rechnungslegungsstandards für den öffentlichen Bereich festzulegen, erarbeitet haben. Darin werde u. a. auf das Budgetrecht der Landtage verwiesen und ausgeführt, dass die in Deutschland bewährte Entscheidungsfreiheit bezüglich der kameralistischen und doppischen Systeme der Haushaltsplanung, -führung und Rechnungslegung bestehen bleiben müsse. Doppische und periodengerechte Buchführung sollen auch bei einer möglichen Entwicklung solcher Standards allenfalls auf freiwilliger Basis eingeführt werden. (512) Die EU-Kommission habe entgegen ihren ursprünglichen Ankündigungen bislang keine Mitteilung darüber vorgelegt, ob bzw. wann und in welcher Form EPSAS eingeführt werden sollen. Dennoch liefen unter Federführung von Eurostat derzeit auf europäischer Ebene Maßnahmen zur Entwicklung der EPSAS. Hierin eingebunden sei u. a. die EPSAS Working Group, der auch Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten angehören. Deutschland sei in der EPSAS Working Group durch das Bundesfinanzministerium und durch Vertreter der Länderfinanzministerien (Bayern und Hamburg) beteiligt. (513) Die im Rahmen der EPSAS Working Group behandelten Themen würden u. a. in einem Bund-Länder-Arbeitskreis der Finanzministerien erörtert. Das Bundesfinanzministerium und die Länderfinanzministerien hätten sich trotz eigener Vorbehalte und der Vorbehalte in Bundestag und Bundesrat entschieden, an der EPSAS Working Group teilzunehmen. So solle – unabhängig von der Fragestellung nach einer obligatorischen Einführung von EPSAS – sichergestellt werden, dass etwaige EPSAS mit den in Deutschland angewandten kameralen und doppischen Rechnungssystemen möglichst kompatibel sein werden.143 143 Vgl. die Ausführungen zu EPSAS in Abschnitt III.4 (Tzn. 339-345). 167 2.3 Kommunales Forderungsmanagement (Tzn. 160-220) Adressat IM Das Ministerium für Inneres und Sport wird gebeten, im Rahmen seiner Rechtsaufsicht darauf hinzuwirken, dass das Forderungsmanagement in den Kommunalbehörden optimiert wird und entsprechende Kennzahlen zur Steuerung definiert werden. Dabei ist sicherzustellen, dass alle rechtlichen und technischen Notwendigkeiten umgesetzt werden und ein funktionierendes Beschwerde- und Informationsmanagement eingerichtet wird. (514) Das Innenministerium teilt mit, dass im Rahmen einer Dienstberatung am 17.03.2016 die unteren Rechtsaufsichtsbehörden auf den Kommunalfinanzbericht 2015 und die darin enthaltenen Prüfungsfeststellungen zum kommunalen Forderungsmanagement hingewiesen worden seien. Sie wurden gebeten, bei den ihrer Aufsicht unterstehenden Körperschaften darauf hinzuwirken, dass den Erfordernissen eines effizienten Forderungsmanagements in allen vier Phasen • Rechnung/Bescheid • Buchhaltung • Mahnprozess • Vollstreckungsprozess Rechnung getragen werde. (515) Darüber hinausgehende rechtsaufsichtliche Einwirkungen auf kommunale Körperschaften seien mit dem vorhandenen Personalbestand nicht möglich. Dies betreffe insbesondere die Vorgaben in Satz 2 des Beschlusses zum Kommunalfinanzbericht 2015, wonach „sicherzustellen ist“, dass alle rechtlichen und technischen Notwendigkeiten umgesetzt werden und ein funktionierendes Beschwerde- und Informationsmanagement eingerichtet wird. (516) Die rechtlichen Voraussetzungen für ein funktionierendes Beschwerdemanagement lägen schon jetzt grundsätzlich vor. Hauptsächlich mangele es derzeit an internen Vorgaben für eine konstruktive Abstimmung zwischen Kreiskasse und Fachbereichen. (517) Die Landkreise würden insbesondere im Zusammenhang mit den vorläufigen Jahresergebnissen darauf hingewiesen, ungeklärte Zahlungseingänge unverzüglich aufzuklären. Im Rahmen der Evaluierung des untergesetzlichen Regelwerks zur kommunalen Doppik seien auch der Leitfaden zur Erstellung von Dienstanweisungen zur Organisation des Rechnungswesens aktualisiert und als Anlage 4 zur VV zur GemHVO-Doppik bekanntgegeben worden. In dieser seien auch Hinweise zum Anordnungswesen nebst mehrerer Muster für Arbeitsanwei- 168 sungen enthalten. Damit würden die Kommunen über eine Handreichung zur ordnungsgemäßen Erledigung der mit dem Anordnungswesen zusammenhängenden Aufgaben verfügen. (518) Ergänzend merkt das Innenministerium an, dass mit Blick auf die bundesseitig vorgesehene Änderung zum Unterhaltsvorschuss zu befürchten sei, dass bei den Landkreisen und den kreisfreien Städten der Umfang der offenen Forderungen ab 2017 eher noch zunehmen werde. In Mecklenburg-Vorpommern obliege die Ausführung des Unterhaltsvorschussgesetzes den Landkreisen und den kreisfreien Städten. Sie seien damit auch (treuhänderisch für das Land) für Rückforderungen und damit zusammenhängend für das Beitreibungsverfahren zuständig. 2.4 Vergabewesen im kreisangehörigen Raum (Tzn. 221-292) Adressat IM Das Ministerium für Inneres und Sport sowie die unteren Rechtsaufsichtsbehörden werden gebeten, im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Einhaltung von vergaberechtliche Bestimmungen sicherzustellen. Dabei sollen Optimierungspotenziale, insbesondere durch verwaltungsinterne Zentralisierung und die Einhaltung formeller Grundlagen, gehoben werden. (519) Das Innenministerium teilt mit, dass die Ergebnisse der Querschnittsprüfung des Landesrechnungshofs zum Vergabewesen im kreisangehörigen Raum im Rahmen der Dienstbesprechung der Rechtsaufsichtsbehörden am 21.04.2016 im Innenministerium vorgestellt worden seien. Es habe darauf hingewiesen, dass die Kommunen eine vollständige und nachvollziehbare Vergabedokumentation erstellen müssen. Des Weiteren wurde mitgeteilt, dass das Innenministerium die Empfehlung des Landesrechnungshofs, eine verwaltungsinterne Zentralisierung des gesamten Vergabewesens vorzunehmen bzw. die Möglichkeiten der interkommunalen Zusammenarbeit im Bereich des Vergabewesens zu nutzen, unterstütze. (520) Zudem habe das Innenministerium auf dem Regierungsportal diverse vergaberechtliche Merkblätter und Checklisten als Hilfestellung veröffentlicht. Damit würden die Vergabestellen, unteren Rechtsaufsichtsbehörden und Rechnungsprüfungsämter nunmehr über Handreichungen zur ordnungsgemäßen Anwendung der vergaberechtlichen Vorschriften und deren Prüfung verfügen. 169 Adressat IM Der Landtag sieht in der interkommunalen Zusammenarbeit ein wichtiges Instrument, um die Effizienz in den Verwaltungen steigern und die Kosten für die Kommunen senken zu können. Die Landesregierung wird gebeten, die Kommunen bei der Anbahnung interkommunaler Zusammenarbeit zu beraten. (521) Das Innenministerium teilt mit, dass nach § 149 Abs. 1 KV M-V Gemeinden, Ämter und Landkreise zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, die über einzelne kommunale Körperschaften hinauswirken oder auf diese Weise wirtschaftlicher wahrgenommen werden können, zusammenarbeiten sollen. (522) Das Innenministerium unterstütze Kommunen auf deren Wunsch beratend im Zusammenhang mit der Begründung kommunaler Zusammenarbeit und im Rahmen der Genehmigungsverfahren, soweit das Ministerium zuständige Rechtsaufsichtsbehörde sei. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es eine originäre kommunale Angelegenheit darstelle, ob und in welcher Form kommunale Zusammenarbeit erfolgt. (523) Kommunale Zusammenarbeit sei eine sinnvolle Ergänzung zur eigenständigen Aufgabenwahrnehmung durch Gemeinden, Ämter und Landkreise. Diese sei jedoch nicht als Ersatz für eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung zu verstehen. Der Grundsatz der gemeindlichen Allzuständigkeit im Grundgesetz und in der Landesverfassung sowie die Organisationsprinzipien der Einräumigkeit und Einheit der Verwaltung dürfen durch kommunale Zusammenarbeit nicht zu einer leeren Hülle werden. Ungeachtet dessen sähe die Kommunalverfassung vielfältige und bei den letzten Novellen der KV bereits erweiterte Formen kommunaler Zusammenarbeit vor. Über deren tatsächliche Nutzung entscheiden die Kommunen im Rahmen ihrer Kooperationshoheit eigenverantwortlich. ___________________________________________________________________ Vom Senat des Landesrechnungshofes beschlossen am 24. Januar 2017. 170
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