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Kommunalfinanzbericht

Full text: Jahresbericht (Rights reserved) Ausgabe 2014,1 Kommunalfinanzbericht (Rights reserved)

Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern Jahresbericht 2014 - Teil 1 Kommunalfinanzbericht 2014 Vorwort des Präsidenten des Landesrechnungshofes Den Kommunalfinanzbericht 2014 legen wir als ersten Teil unseres Jahresberichts in einer finanzwirtschaftlichen positiven Zeit mit stark gestiegenen Einnahmen vor. Dies zeigt die Auswertung der kommunalen Finanzlage Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zum Vorjahr. Die Kommunen im Land wiesen 2013 mit 9 Mio. Euro wieder einen – wenn auch kleinen – Finanzierungsüberschuss aus, nachdem 2012 mit -41 Mio. Euro ein Finanzierungsdefizit zu verzeichnen war. Damit ist der kommunalen Ebene insgesamt eine freundliche Haushaltslage zu attestieren. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die kommunale Ebene vor großen Herausforderungen steht. Der Landesrechnungshof hat sich in dem hier vorliegenden Bericht zum Beispiel nochmals intensiv und weitergehend auf Basis statistischer Analysen mit den kommunalen Sozialausgaben befasst. Ein Teil der hohen Ausgaben erklärt sich durch eine vergleichsweise hohe Falldichte. Die nicht erklärten Kostenunterschiede belassen jedoch insgesamt einen deutlichen Legitimationsdruck bei den Trägern der Sozial- und Jugendhilfe. Denn auch der Sozialbereich ist nicht von Wirtschaftlichkeitsfragen freigestellt. Die schleichende Verdrängung anderer kommunaler – gleichwertiger – Aufgaben durch überproportional steigende Sozialausgaben erfordert eine Rechtfertigung. Den geprüften Kommunen darf ich an dieser Stelle die inhaltliche Auseinandersetzung mit unseren Feststellungen und Empfehlungen nachdrücklich ans Herz legen. Damit könnten künftige Fehlentscheidungen vermieden und finanzielle Schieflagen zumindest teilweise vermieden werden. Alle Kommunen unseres Landes müssen sich bewusst sein, dass das hohe Gut der kommunalen Selbstverwaltung auch die grundsätzliche Finanzautonomie und die Eigenverantwortung der Kommunen einschließt. Wir geben aber auch dem Land Hinweise, wo aus unserer Sicht Handlungsbedarf besteht. So regen wir u. a. an, gemeinsam mit der kommunalen Seite ein Projekt aufzusetzen, durch welches die Validität der kommunalen Zulieferung zur amtlichen Statistik und Fachstatistik durchgreifend erhöht wird. Belastbare Daten sind essenziell. I An dieser Stelle möchte ich mich bei den Mitgliedern des Landtags und der Landesregierung, den Landräten, Oberbürgermeistern und Bürgermeistern sowie allen Mitarbeitern des Landes und der Kommunen für die sehr gute Zusammenarbeit bedanken. Zudem gilt mein Dank allen Mitarbeitern des Landesrechnungshofes, die diesen Bericht erst ermöglicht haben. Schwerin, im Januar 2015 Dr. Tilmann Schweisfurth II Inhaltsverzeichnis I. II. Einleitung.........................................................................................................................1 1 Rechtliche Rahmenbedingungen der Kommunalprüfung..........................................1 2 Vorbemerkungen......................................................................................................3 Allgemeiner Teil...............................................................................................................7 1 Strukturelle Rahmenbedingungen.............................................................................7 2 Lage der kommunalen Finanzwirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns...................11 3 Die kommunale Finanzwirtschaft im Vergleich......................................................22 4 Kommunale Verschuldung.....................................................................................36 III. Aktuelle Themen............................................................................................................43 1 Analyse der kommunalen Sozialausgaben in Mecklenburg-Vorpommern und im Ländervergleich.................................................................................................43 IV. 2 Umsetzung der Kreisgebietsreform in ausgewählten Landkreisen..........................73 3 Stärkung der überörtlichen Kommunalprüfung......................................................75 Ergebnisse der überörtlichen Prüfungen und der Querschnittsprüfungen.............81 1 Integrität und Stabilität von IT-Systemen bei Kommunen - System- und Programmprüfung...................................................................................................81 2 Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte (Überörtliche Prüfung gem. §§ 4, 5 und 7 Abs. 1 KPG M-V)..............94 3 Haushaltsaufstellungsverfahren und Prozessanalyse der kommunalen Haushaltsplanung..................................................................................................138 4 Wasserentnahmeentgelt für die Benutzung der Gewässer II. Ordnung und des Grundwassers.......................................................................................................148 V. 5 Prüfung der Jugendhilfeplanung in Mecklenburg-Vorpommern...........................157 6 Querschnittsprüfung der Personalwirtschaft in ausgewählten Ämtern.................163 Prüfung kommunaler Beteiligungen..........................................................................173 1 Kommunale Mikrogesellschaften..........................................................................173 2 Geschäftliche Beziehungen zwischen kommunalen Wirtschaftsbetrieben und Mitgliedern von Überwachungs- und Kontrollorganen........................................177 III Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen im Ländervergleich, 2013, in Euro je Einwohner...........................................................................................8 Abbildung 2: Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen in den kreisfreien Städten und Landkreisen in Mecklenburg-Vorpommern, 2012, in Euro je Einwohner...........9 Abbildung 3: SGB II-Quote im Flächenländervergleich, 2013, in Prozent.............................10 Abbildung 4: Bedarfsgemeinschaften je 1.000 Privathaushalte im Flächenländervergleich, 2013, Jahresdurchschnitt...................................................................................11 Abbildung 5: Bereinigte Einnahmen und Ausgaben sowie Finanzierungssaldo der Gemeinden/Gv. in Mecklenburg-Vorpommern, 2005-2013, in Mio. Euro.......12 Abbildung 6: Veränderungen wesentlicher Einnahmepositionen im Vergleich 2013 zum Vorjahr, in Mio. Euro........................................................................................14 Abbildung 7: Veränderungen wesentlicher Ausgabepositionen im Vergleich 2013 zum Vorjahr, in Mio. Euro........................................................................................15 Abbildung 8: Finanzierungssalden der kommunalen Gebietskörperschaften in Mecklenburg-Vorpommern, 2009-2013, in Euro je Einwohner.......................16 Abbildung 9: Entwicklung der Sachinvestitionsquoten bei einzelnen Gebietskörperschaftsebenen in Mecklenburg-Vorpommern, 1995-2013, in Prozent..........................................................................................................20 Abbildung 10: Entwicklung der kommunalen Sozialausgaben und Sachinvestition in Mecklenburg-Vorpommern, 1995-2013, in Mio. Euro.....................................21 Abbildung 11: Finanzierungssalden der Körperschaften des öffentlichen Gesamthaushaltes, 2010-2013, in Mrd. Euro..................................................................................23 Abbildung 12: Finanzierungssalden der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 2000-2013, in Euro je Einwohner.........................................................................................24 Abbildung 13: Einnahmeentwicklung von Land und Kommunen auf Basis der regionalisierten Steuerschätzung November 2013, 2014-2018, in Prozent.......27 V Abbildung 14: Kommunale Einnahmen aus KFA, Gemeindesteuern und Sonderhilfen, 2013-2018, in Mio. Euro...................................................................................28 Abbildung 15: Streuung der gewogenen Hebesätze der Gewerbesteuer im Ländervergleich, 2013, in v. H......................................................................................................31 Abbildung 16: Rechnerischer Ausgabenüberhang im Sozialbereich MecklenburgVorpommerns gegenüber FO und FFW, 2006-2013, in Mio. Euro..................34 Abbildung 17: Aktives Personal im Kernhaushalt der Gemeinden/Gv. und des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 2004-2013, in VZÄ.............................................35 Abbildung 18: Kassenkredite beim nicht-öffentlichen und öffentlichen Bereich der Gemeinden/Gv. Mecklenburg-Vorpommerns, in Mio. Euro.............................38 Abbildung 19: Schuldenstand der Kern- und Extrahaushalte der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte, 31.12.2013, in Euro je Einwohner............................40 Abbildung 20: Schuldenstand der Extrahaushalte der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte, 31.12.2013, in Euro je Einwohner............................41 Abbildung 21: Schuldenstand der höchst verschuldeten Gemeinden MecklenburgVorpommerns, 31.12.2013, in Euro je Einwohner............................................42 Abbildung 22: Brutto-Sozialausgaben in Mecklenburg-Vorpommern und im Länderdurchschnitt, Kernhaushalte, 1991-2012, in Euro je Einwohner............48 Abbildung 23: Netto-Sozialausgaben in Mecklenburg-Vorpommern und im Länderdurchschnitt, Kernhaushalte, 1991-2012, in Euro je Einwohner............49 Abbildung 24: Netto-Sozialausgaben nach Kassenstatistik in Mecklenburg-Vorpommern und im Ländervergleich, 2012, in Euro je Einwohner.......................................50 Abbildung 25: Bruttoausgaben und Zuschussbedarfe der Sozial- und Jugendhilfe in Mecklenburg-Vorpommern, ostdeutscher Ländervergleich, Gesamthaushalt, 2011, in Euro je Einwohner...............................................................................52 Abbildung 26: Anteile ausgewählter Sozial- und Jugendhilfearten in MecklenburgVorpommern am Sozialbereich Gesamthaushalt (brutto), 2011, in Prozent.....53 VI Abbildung 27: Anteile ausgewählter Sozial- und Jugendhilfearten in MecklenburgVorpommern am Sozialbereich Gesamthaushalt (netto, Zuschussbedarfe), 2011, in Prozent................................................................................................54 Abbildung 28: Bruttoausgaben und Zuschussbedarfe der Sozial- und Jugendhilfe in Mecklenburg-Vorpommern, Gesamthaushalt, Ostdeutschland=100, 2011, in Prozent..........................................................................................................55 Abbildung 29: Anteile der Zuschussbedarfe „Soziales“ (PG 31 + 36) an den kommunalen Gesamtzuschussbedarfen, ostdeutsche Flächenländer, 2009-2011, in Prozent. 55 Abbildung 30: Kosten der Unterkunft - monatliche Nettoausgaben in Euro je EW und in Euro je Bedarfsgemeinschaft, Falldichte je 1.000 EW und Zuschussbedarf in Euro je EW, 2011..........................................................................................57 Abbildung 31: Eingliederungshilfe für Behinderte - Nettoausgaben in Euro je EW und in Euro je Fall sowie Falldichte, 2011...............................................................58 Abbildung 32: Eingliederungshilfe für Behinderte, Falldichte und Kostenintensität bei den Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt für örtliche und überörtliche Träger, 2011..................................................................................59 Abbildung 33: Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - Nettoausgaben in Euro je EW und in Euro je Fall sowie Falldichte, 2011.................................62 Abbildung 34: Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung außerhalb von Einrichtungen der örtlichen Sozialhilfeträger - Falldichte und Kostenintensität bei den Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt, 2011................63 Abbildung 35: Hilfe zur Pflege - Nettoausgaben in Euro je EW und in Euro je Fall sowie Falldichte, 2011.................................................................................................64 Abbildung 36: Hilfe zur Pflege bei den örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträgern in Mecklenburg-Vorpommern - Falldichte und Kostenintensität, 2011................65 Abbildung 37: Brutto-Auszahlungen für Hilfen zur Erziehung, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, Hilfe für junge Volljährige und vorläufige Schutzmaßnahmen in den ostdeutschen Ländern, 2011, in Euro je Einwohner unter 18 Jahren...............................................................67 VII Abbildung 38: Falldichte der Hilfen zur Erziehung nach § 27 bis 35a SGB VIII in den ostdeutschen Ländern, 2011, in Fälle je 1.000 Einwohner unter 18 Jahren......67 Abbildung 39: Bisherige durchschnittliche Dauer der Hilfen zur Erziehung nach § 27 bis 35a SGB VII in den ostdeutschen Ländern, 2011, in Monaten...................68 Abbildung 40: Falldichte der Erziehungs- und Familienhilfe nach § 27 bis 35a SGB VIII in Mecklenburg-Vorpommern, 2011.................................................................69 Abbildung 41: Übersicht der untersuchten Teilprozesse.........................................................139 VIII Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Veränderung des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts in MecklenburgVorpommern und den FO sowie FFW, 2009-2013, in Prozent...............................7 Tabelle 2: Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden/Gv. in Mecklenburg-Vorpommern, 2009-2013, in Mio. Euro.......................................................................................13 Tabelle 3: Salden der laufenden Rechnung der kommunalen Gebietskörperschaftsebenen Mecklenburg-Vorpommerns, 2009-2013, in Euro je Einwohner...........................18 Tabelle 4: Ausgaben der Kapitalrechnung der kommunalen Gebietskörperschaftsebenen Mecklenburg-Vorpommerns, 2009-2013, in Euro je Einwohner...........................19 Tabelle 5: Einnahmen der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 2013, in Euro je Einwohner 25 Tabelle 6: Einnahmen aus der Grundsteuer A und B im Vergleich der Flächenländer, 2011-2013, in Euro je Einwohner..........................................................................28 Tabelle 7: Gewogene durchschnittliche Hebesätze der Grundsteuer A und B im Vergleich der Flächenländer, 2013, in v. H............................................................................29 Tabelle 8: Einnahmen aus der Grundsteuer A im Vergleich der Flächenländer, 2012, in Euro je genutzter Landwirtschaftsfläche (km²)..................................................29 Tabelle 9: Einnahmen aus der Gewerbesteuer im Vergleich der Flächenländer, 2011-2013, in Euro je Einwohner.............................................................................................30 Tabelle 10: Ausgaben der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 2013, in Euro je Einwohner..33 Tabelle 11: Schuldenstand der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 31.12.2013, in Euro je Einwohner..........................................................................................................37 Tabelle 12: Übersicht über die Stellenanzahl und die Stellenbesetzung im Bereich der Rechnungs- und Gemeindeprüfung (in VZÄ)........................................................76 Tabelle 13: Übersicht über die Stellenbedarfe und die Stellen lt. Stellenplan...........................79 Tabelle 14: Übersicht über Stellenbedarfe und Ist-Besetzung (in VZÄ)...................................79 Tabelle 15: Allgemeine Rahmenbedingungen der geprüften Kommunen..................................84 Tabelle 16: Auszug aus der Selbsteinschätzung zur IT-Governance........................................85 Tabelle 17: Offene Posten per 30.09.2013 (Fälligkeit bis 25.09.2013) – Kleinbeträge..........112 IX Tabelle 18: Anzahl nicht angenommener Anrufe der IRLS (je Monat)..................................126 Tabelle 19: Fahrzeugbestand der Regionalstandorte (per 31.08.2013)..................................131 Tabelle 20: Auslastungsgrade der Fahrzeuge (per 31.08.2013)..............................................132 Tabelle 21: Vergleich Einnahmen aus dem Wasserentnahmeentgelt für die Benutzung der Gewässer II. Ordnung und des Grundwassers, 2012 und 2013, in Euro.............150 Tabelle 22: Ausgaben der Kinder- und Jugendhilfe in Mecklenburg-Vorpommern................157 X Abkürzungsverzeichnis a. F. alte Fassung Abs. Absatz AGG Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz AmtBl. M-V Amtsblatt Mecklenburg-Vorpommmern BEM Betriebliches Eingliederungsmanagement BIP Bruttoinlandsprodukt BrSchG M-V Brand- und Hilfeleistungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern BSI Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik COBIT Rahmenwerk zur IT-Governance DA Dienstanweisung Drs. Drucksache DSG M-V Landesdatenschutzgesetz Mecklenburg-Vorpommern eGO-M-V Zweckverband „Elektronische Verwaltung Mecklenburg-Vorpommern” EStG Einkommensteuergesetz EW Einwohner FEU Öffentliche Fonds, Einrichtungen und Unternehmen GEBIT Münster Gesellschaft für Beratung sozialer Innovationen und Informationstechnologie mbH & Co. KG GemHVO-Doppik Gemeindehaushaltsverordnung - Doppik GemKVO-Doppik Gemeindekassenverordnung - Doppik GFK Vierteljährliche Kassenstatistik der Gemeinden und Gemeindeverbände des Statistischen Bundesamtes (Gemeinde Finanzen Kasse) GoBS Grundsätze ordnungsgemäßer DV-gestützter Buchführungssysteme Gv. Gemeindeverbände GVOBl. M-V Gesetz- und Verordnungsblatt Mecklenburg-Vorpommern HGB Handelsgesetzbuch HKR-Verfahren Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen i. V. m. in Verbindung mit k.A. keine Angabe KdU Kosten der Unterkunft und Heizung KPG M-V Kommunalprüfungsgesetz Mecklemburg-Vorpommern KSM Kommunalservice Mecklenburg LHO Landeshaushaltsordnung Mecklenburg-Vorpommern LKatSG M-V Landeskatastrophenschutzgesetz Mecklenburg-Vorpommern LNOG M-V Landkreisneuordnungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern LWaG Wassergesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern n. F. neue Fassiung XI NKHR M-V Neues Kommunales Haushhalts und Rechnungswesen Mecklenburg-Vorpommern RDG M-V Rettungsdienstgesetz Mecklenburg-Vorpommern Risk-IT Rahmenwerk zum Risikomanagement in der IT SGB II Zweites Buch Sozialgesetzbuch SGB VIII Achtes Buch Sozialgesetzbuch SGB XII Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch SoBEZ Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen StPlV Stellenplanverordnung Tz./Tzn. Textziffer(n) UVG Unterhaltsvorschussgesetz Verf. M-V Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern VGR Volkwirtschaftliche Gesamtrechnungen VgV Vergabeverordnung VOB/A Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A VOL/A Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen Teil A VV Verwaltungsvorschrift VwVfG M-V Landesverwaltungsverfahrensgesetz Mecklenburg-Vorpommern VZÄ Vollzeitäquivalent WHG Wasserhaushaltsgesetz ZDL Zentrale Datenstelle der Landesfinanzminister XII Länderbezeichnungen BB Brandenburg BW Baden-Württemberg BY Bayern HE Hessen MV Mecklenburg-Vorpommern NI Niedersachsen NW Nordrhein-Westfalen RP Rheinland-Pfalz SH Schleswig-Holstein SL Saarland SN Sachsen ST Sachsen-Anhalt TH Thüringen FO Durchschnitt der Flächenländer Ost ohne MV (BB, SN, ST und TH) FFW Durchschnitt der finanzschwachen Flächenländer West (NI, RP, SL und SH) D Deutschland Bezeichnungen der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte sowie der Altlandkreise HGW Universitäts- und Hansestadt Greifswald NB Neubrandenburg HRO Hansestadt Rostock LH SN Landeshauptstadt Schwerin HST Hansestadt Stralsund HWI Hansestadt Wismar DBR Landkreis Bad Doberan DM Landkreis Demmin GÜ Landkreis Güstrow LWL Landkreis Ludwigslust MST Landkreis Mecklenburg-Strelitz MÜR Landkreis Müritz NVP Landkreis Nordvorpommern NWM Landkreis Nordwestmecklenburg OVP Landkreis Ostvorpommern PCH Landkreis Parchim RÜG Landkreis Rügen UER Landkreis Uecker-Randow XIII Bezeichnungen der Landkreise NWM Landkreis Nordwestmecklenburg LP Landkreis Ludwigslust-Parchim LRO Landkreis Rostock VR Landkreis Vorpommern-Rügen MSP Landkreis Mecklenburgische Seenplatte VG Landkreis Vorpommern-Greifswald XIV I. Einleitung 1 Rechtliche Rahmenbedingungen der Kommunalprüfung (1) Nach Art. 68 Abs. 3 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Verf. M-V) überwacht der Landesrechnungshof die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes. Er untersucht hierbei die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Verwaltung. Ferner ist der Landesrechnungshof auch zuständig, soweit Stellen außerhalb der Landesverwaltung und Private Landesmittel erhalten oder Landesvermögen oder Landesmittel verwalten. Der Landesrechnungshof überwacht nach Art. 68 Abs. 4 Verf. M-V auch die Haushalts- und Wirtschaftsführung der kommunalen Körperschaften und der übrigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes unterstehen. (2) Demgegenüber ist nach §§ 4 ff. Kommunalprüfungsgesetz (KPG M-V) der Landes- rechnungshof für die überörtliche Prüfung der kommunalen Körperschaften verantwortlich, die der unmittelbaren Rechtsaufsicht des Landes unterliegen (kreisfreie und große kreisangehörige Städte sowie Landkreise). Im Übrigen ist der Landrat gemäß § 6 KPG M-V für die überörtliche Prüfung der kommunalen Körperschaften zuständig, für deren Rechtsaufsicht er verantwortlich ist. Der Landesrechnungshof kann darüber hinaus Querschnittsprüfungen im Benehmen mit dem Ministerium für Inneres und Sport 1 durchführen. (3) Bei der überörtlichen Prüfung wird insbesondere festgestellt, ob • die Haushalts- und Wirtschaftsführung sowie die sonstige Verwaltungstätigkeit der kommunalen Körperschaft und ihrer Sondervermögen den Rechtsvorschriften und den Weisungen der Aufsichtsbehörden entsprechen (Ordnungsprüfung), • die Kassengeschäfte ordnungsgemäß geführt werden (Kassenprüfung) und • die Verwaltung der kommunalen Körperschaft oder ihre Sondervermögen sachgerecht und wirtschaftlich geführt wird (Organisations- und Wirtschaftlichkeitsprüfung). 1 Im Folgenden stets Innenministerium genannt. 1 (4) Der Umgang mit den Prüfungsergebnissen obliegt letztlich den kommunalen Körper- schaften, sie können zudem als Grundlage für Entscheidungen der Kommunalaufsicht dienen. Auf der Basis der Prüfungsergebnisse sollen Korrekturnotwendigkeiten der bisherigen Verwaltungspraxis und Erfolg versprechende Gestaltungsmöglichkeiten für die künftige Haushaltsund Wirtschaftsführung aufgezeigt werden. (5) Aufgrund des Umfanges der Aufgaben und seiner begrenzten Personalressourcen setzt der Landesrechnungshof bei der Auswahl seiner Prüfungsvorhaben Prioritäten. Bei der Entscheidung über die Prüfungsplanung stützt sich der Landesrechnungshof auf alle ihm zugänglichen Informationen. Dabei bezieht er im Kommunalbereich auch die allgemeine Haushaltslage der Kommunen in seine Überlegungen ein. (6) Der jährliche Kommunalfinanzbericht, der ein Teil des Jahresberichts an den Landtag ist (§ 97 Landeshaushaltsordnung Mecklenburg-Vorpommern [LHO]), wird deshalb mit einer Darstellung des aktuellen Standes der kommunalen Finanzwirtschaft und deren Entwicklung sowie der Auswertung wesentlicher Änderungen eingeleitet (Abschnitt II). Darüber hinaus nimmt der Landesrechnungshof zu aktuellen Themen Stellung (Abschnitt III). (7) Neben dem zuvor skizzierten allgemeinen Teil des Kommunalfinanzberichts werden die Ergebnisse zu den überörtlichen Prüfungen sowie die sich daraus ergebenden Empfehlungen in Abschnitt IV vorgestellt. Außerdem enthält der Kommunalfinanzbericht Ergebnisberichte bezüglich der Prüfungen kommunaler Beteiligungen (Abschnitt V). In diesen Abschnitten nimmt der Landesrechnungshof die Fälle auf, die für die Entlastung der Landesregierung durch den Landtag bedeutsam sein könnten (Art. 67 Abs. 3 Verf. M-V).2 (8) Sowohl das Innenministerium als oberste Rechtsaufsicht als auch das Finanzministeri- um, das Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales3 und das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz4 und kommunale Körperschaften, soweit betroffen, sind zum Entwurf des Kommunalfinanzberichts angehört worden. 2 3 4 2 Für weitere Informationen bezüglich des verfassungsrechtlichen Auftrages und der rechtlichen Stellung sowie der Organisation, der Aufgaben sowie der Arbeitsweise des Landesrechnungshofes Mecklenburg-Vorpommern siehe Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Grundlagen der Finanzkontrolle und der öffentlichen Haushaltswirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern. Im Folgenden Sozialministerium genannt. Im Folgenden Landwirtschaftsministerium genannt. Gleichzeitig haben die Geschäftsstellen der kommunalen Landesverbände den Entwurf des Berichtes zur Kenntnis erhalten. Ihre Hinweise wurden im vorliegenden Bericht bzw. werden bei der Erstellung künftiger Kommunalfinanzberichte berücksichtigt. 2 Vorbemerkungen (9) Die Basis des hier vorliegenden Kommunalfinanzberichtes bildet wie in den Vorjahren die (amtliche) vierteljährliche Kassenstatistik des Statistischen Bundesamtes (GFK) und Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern (Kassenstatistik), die die finanzwirtschaftlichen Zahlungsströme erfassen. Es werden demnach die Ein- und Auszahlungen dargestellt. Bereinigungen, um zum Beispiel Netto-Sozialausgaben darzustellen, werden in Abschnitt III.1 vorgenommen. Zudem werden auch sonstige Finanz-, Personal- oder Schuldenstatistiken dieser beiden Institutionen und der Zentralen Datenstelle der Landesfinanzminister (ZDL) verwendet. Es wird zusätzlich auch auf Datenmaterial zurückgegriffen, welches auf Anfrage des Landesrechnungshofes zur Verfügung gestellt wurde (Sonderauswertungen). Die Zahlenangaben sind grundsätzlich gerundet, um eine übersichtliche Darstellung zu gewährleisten.5 Das Statistische Bundesamt weist in seinen Publikationen darauf hin, dass der Vorjahresvergleich durch die Doppikumstellung im Jahr 2012 in Mecklenburg-Vorpommern nur eingeschränkt möglich sei. Zusätzlich ist die Datenqualität tendenziell noch durch die Landkreisneuordnung beeinflusst. Das Innenministerium regt an, „für Auswertungen auf Landesebene grundsätzlich die Kassenstatistik des Statistischen Landesamtes M-V“ zu verwenden. Der Landesrechnungshof verweist an dieser Stelle darauf, dass die Statistik gerade nicht mehr bei einem Landesamt, sondern als Amt im Landesamt für Innere Verwaltung angesiedelt ist. Schon im Kommunalfinanzbericht 2013 hatte der Landesrechnungshof diese organisatorische Anbindung im Hinblick auf die Qualität der amtlichen Statistik hinterfragt. Grundsätzliche Intention des allgemeinen Teils ist die Durchführung eines Benchmarkings. Dazu werden länderübergreifende Daten benötigt. Diese stellt nur das Statistische Bundesamt zur Verfügung. Zudem wertet der Landesrechnungshof schon jetzt grundsätzlich die Daten vom Statistischen Amt MecklenburgVorpommern aus, sofern es der jeweilige Berichtskreis erfordert. 5 In den nachstehenden Berechnungen und Beträgen können dementsprechend Differenzen entstehen. Diese sind dann in erster Linie den Rundungen geschuldet. 3 Ferner hält das Innenministerium für bedenklich, dass der Landesrechnungshof die Jahresrechnungsstatistik der Jahre 2011 und 2012 nicht in seine Betrachtung einbezieht. Ein solcher Wechsel der statistischen Basis für die Vergangenheit in einem rollierenden Verfahren würde zu einem Systembruch führen, da die Konsistenz der Daten dann nicht mehr ohne Weiteres gegeben wäre. (10) Für den interkommunalen Vergleich werden vor allem auf die Einwohnerzahl bezogene Kennzahlen, aber auch themenbezogene Vergleichsmaßstäbe, herangezogen, die es ermöglichen, größenbedingte Unterschiede zu berücksichtigen und Vergleichbarkeit herzustellen. Für den zeitlichen Vergleich wird u. a. auf Veränderungsraten zurückgegriffen, die es erlauben, Aussagen über die Entwicklung bestimmter Kennziffern zu tätigen. Als Basis dienen grundsätzlich die Bevölkerungszahlen des Statistischen Bundesamtes bzw. die Auswertungen dieser von der ZDL jeweils zum 30. Juni des betreffenden Jahres. Ab dem Jahr 2011 wird auf die bereinigten Bevölkerungszahlen des Zensus zurückgegriffen. Infolgedessen weichen die ausgewiesenen Werte und die darauf beruhenden Auswertungen teilweise von denen in vergangenen Kommunalfinanzberichten dargestellten ab. (11) Die hiesigen einwohnerbezogenen Daten werden ferner mit Durchschnittswerten vergli- chen, die entweder für die Kommunen der vier finanzschwachen Westflächenländer (FFW Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein) oder für die Kommunen der übrigen ostdeutschen Flächenländer (FO - Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) gebildet werden.6 (12) Die Kommunen der finanzschwachen Ostländer werden als Referenz herangezogen, weil diese, wie auch die kommunale Ebene Mecklenburg-Vorpommerns, an umfangreichen fiskalischen Leistungen infolge des teilungsbedingten Aufbauprozesses partizipieren und über ähnliche sozioökonomische Rahmenbedingungen verfügen. Außerdem werden die Kommunen der finanzschwachen Westflächenländer als Benchmark verwendet, da die hiesigen Kommunen mit dem schrittweisen Rückgang der Solidarpaktmittel bis zum Jahr 2020 perspektivisch über ein ähnliches einwohnerbezogenes Einnahmeniveau verfügen werden. Zusätzlich sind die Anpassungsfortschritte des Landes Mecklenburg-Vorpommerns und seiner Kommunen an die 6 4 Für eine detaillierte Begründung der Wahl der Vergleichsmaßstäbe siehe u. a. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2008): Jahresbericht 2008 (Teil 1) – Landesfinanzbericht 2008, S. 35. FFW der Maßstab für die Bewertung des Mitteleinsatzes der Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen (SoBEZ)7. Das Sozialministerium führt in seiner Stellungnahme an, dass in einem Vergleich mit den ostdeutschen Flächenländern auch Mecklenburg-Vorpommern einbezogen werden solle, da dies für Bewertungen der aussagekräftigere Ansatz sei. Eine Einbeziehung der Werte Mecklenburg-Vorpommerns in den als Benchmark herangezogenen Durchschnitt würde diesen in Richtung Mecklenburg-Vorpommerns verfälschen. Dies soll bei einem Benchmarking gerade vermieden werden. (13) Die Bildung von diesen Durchschnittswerten birgt den Vorteil, dass die strukturellen Unterschiede ausgeglichen und die ausgewerteten Daten aussagekräftiger werden. Ferner werden die mit diesem Ansatz ermittelten Unterschiede in Form von Mehr- bzw. Minderausgaben auf die Einwohnerzahl Mecklenburg-Vorpommerns hochgerechnet. Ziel dieses sogenannten Benchmark-Ansatzes ist es, strukturell bedingte statistische Unterschiede hervorzuheben sowie die daraus gewonnenen Erkenntnisse zu nutzen, um Effizienzpotenziale bzw. Handlungsbedarfe für Konsolidierungsmaßnahmen kenntlich zu machen. Aus diesen Potenzialen werden gegebenenfalls Empfehlungen anschließend abgeleitet. 7 Die SoBEZ dienen gemäß § 11 Abs. 3 Finanzausgleichsgesetz (FAG) zur Deckung von teilungsbedingten Sonderlasten aus dem bestehenden infrastrukturellen Nachholbedarf und zum Ausgleich unterproportionaler kommunaler Finanzkraft. Mecklenburg-Vorpommern hat 2013 rd. 690 Mio. Euro im Rahmen der SoBEZ erhalten. Die Kommunen partizipieren von dieser Zuweisungssumme im Rahmen des kommunalen Fi nanzausgleichs gemäß § 7 FAG M-V. 5 II. Allgemeiner Teil 1 Strukturelle Rahmenbedingungen (14) Im folgenden Abschnitt werden die strukturellen Rahmenbedingungen des Landes und der Kommunen aufgezeigt, die einen wesentlichen Erklärungsbeitrag für die kommunale Finanzsituation in Mecklenburg-Vorpommern zu leisten vermögen. Die Faktoren, die die strukturellen Rahmenbedingungen beschreiben, sind insbesondere die Wirtschaftsentwicklung und Wirtschaftskraft, die demografische Entwicklung sowie die Situation auf dem Arbeitsmarkt und im Sozialbereich. (15) Die Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern ist im Jahr 2013 nominal gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in jeweiligen Preisen als Indikator für die volkswirtschaftliche Gesamtleistung hat sich um +1,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr verändert. Mit Berücksichtigung der Inflation ergibt sich allerdings ein anderes Bild. Demnach hat sich das preisbereinigte BIP um -1,1 Prozent negativ gegenüber dem Vorjahr entwickelt. Damit ist das reale BIP erstmalig seit 2009 wieder geschrumpft. Die preisbereinigte Wachstumsrate von Sachsen-Anhalt ging mit -1,2 Prozent ebenfalls zurück. Brandenburg, Thüringen und Sachsen konnten hingegen positive Wachstumsraten verzeichnen (vgl. Tabelle 1). Tabelle 1: Veränderung des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts in Mecklenburg-Vorpommern und den FO sowie FFW, 2009-2013, in Prozent8 BB MV SN ST TH NI RP 2009 -2,7 -1,6 -4,2 -5,1 -5,3 -4,3 -4,2 2010 3,4 0,7 2,9 3,9 4,9 4,9 2011 0,4 1,5 2,5 -1,5 3,6 2012 0,7 0,7 -0,6 0,7 2013 0,7 -1,1 0,3 -1,2 SL SH FO FFW -10,7 -3,3 -4,3 -4,5 4,4 5,2 0,5 3,6 4,0 4,2 3,2 4,2 2,1 1,4 3,6 -0,6 0,4 1,0 -0,2 0,9 0,0 0,6 0,5 0,0 0,2 -1,3 -0,1 0,1 0,0 Quelle: Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder, eigene Berechnungen. (16) Abbildung 1 zeigt, dass die Wirtschaftskraft in den westdeutschen Flächenländern hö- her ausfällt als in den ostdeutschen Flächenländern. Mecklenburg-Vorpommern weist mit 22.817 Euro je Einwohner die geringste Wirtschaftskraft aller Länder auf, gefolgt von Thüringen (23.168 Euro je Einwohner) und Sachsen-Anhalt (23.196 Euro je Einwohner). 8 Abweichende Angaben gegenüber des Landes- und Kommunalfinanzberichten der Vorjahre sind auf die Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zurückzuführen. 7 Abbildung 1: Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen im Ländervergleich, 2013, in Euro je Einwohner 53.611 55.000 50.000 45.000 43.085 in Euro je EW 40.000 37.472 38.429 38.490 33.621 35.000 30.000 25.000 30.420 30.149 31.834 30.642 27.684 23.751 22.817 24.226 23.196 23.168 20.000 15.000 10.000 5.000 0 BB MV SN ST TH BW BY HE NI NW RP SL SH B HB HH Quelle: Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder. (17) Der Abstand zu Sachsen – mit 24.226 Euro je Einwohner das wirtschaftsstärkste der ostdeutschen Flächenländer – ist jedoch relativ gering, sodass diese Länder insgesamt über ähnliche strukturelle und ökonomische Rahmenbedingungen verfügen. (18) Auf der kommunalen Ebene in Mecklenburg-Vorpommern existieren deutliche Unter- schiede in der Wirtschaftskraft zwischen den kreisfreien Städten und den Landkreisen (vgl. Abbildung 2). Die Landeshauptstadt Schwerin hatte 20129 mit 31.432 Euro je Einwohner das höchste BIP. Im Durchschnitt der sechs Landkreise belief sich die Wirtschaftskraft auf 20.559 Euro je Einwohner, wobei der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte am wirtschaftsstärksten war (22.208 Euro je Einwohner). 9 8 Bei der Erstellung des vorliegenden Kommunalfinanzberichtes lagen die statistischen Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung auf Kreisebene in Mecklenburg-Vorpommern am aktuellen Rand nur bis zum Jahr 2012 vor. Abbildung 2: Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen in den kreisfreien Städten und Landkreisen in Mecklenburg-Vorpommern, 2012, in Euro je Einwohner 35.000 32.500 30.000 30.496 31.432 30.827 27.500 25.000 in Euro je EW 22.500 20.000 21.567 20.112 19.617 NWM LP 20.677 22.477 22.208 19.086 20.599 17.500 15.000 12.500 10.000 7.500 5.000 2.500 0 HRO LHSN KFS LRO VR MSP VG LK MV Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern; eigene Berechnungen. (19) Der demografische Wandel ist in Mecklenburg-Vorpommern bereits deutlich spürbar. Es ist als das einwohnerschwächste ostdeutsche Land von einem sukzessiven Bevölkerungsrückgang betroffen. So verringerte sich die Bevölkerung im Vergleich zum Vorjahr um 6.055 Einwohner auf nunmehr 1.596.899 (Stand: 30. Juni 2013). Damit ist der Bevölkerungsstand erstmals unter den Wert von 1,6 Millionen Einwohner gesunken. Der Anteil Mecklenburg-Vorpommerns an der Gesamtbevölkerung Deutschlands beträgt damit nur noch 1,98 Prozent. Im Jahr 1995 waren es noch 2,24 Prozent. Die 4. aktualisierte Landesprognose zur Bevölkerungsentwicklung (Basisjahr 2010) erwartet für das Jahr 2030 einen Bevölkerungsstand von nur noch rd. 1,48 Millionen Einwohnern. (20) Die SGB II-Quote, die die Relation der Summe von Beziehern von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzgebung (SGB II) und der Bevölkerung unter 65 Jahren darstellt, ist ein erster Indikator für den Arbeitsmarkt und der räumlichen sowie soziodemografischen Verteilung von Hilfebedürftigen (vgl. Abbildung 3). 9 Abbildung 3: SGB II-Quote im Flächenländervergleich, 2013, in Prozent 22 20 18 in Prozent 14 16,5 15,4 16 13,0 12,9 12 11,4 11,0 10 8,6 9,4 8 9,9 10,0 SL SH 7,0 6 5,0 4 4,2 2 0 BB MV SN ST TH BW BY HE NI NW RP Quelle: ZDL; eigene Berechnungen. Mit einer SGB II-Quote von 15,4 Prozent hatte Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2013 nach Sachsen-Anhalt (16,5 Prozent) den zweithöchsten Wert der Flächenländer. Im Vergleich zum Vorjahr, in dem die SGB II-Quote 15,7 Prozent betrug, hat sich der Wert trotz des wirtschaftlichen Rückgangs in 2013 erneut geringfügig verbessert. (21) Somit ist die wirtschaftliche Situation Mecklenburg-Vorpommerns weiterhin durch eine hohe Arbeitslosigkeit und schwierige sozioökonomische Bedingungen charakterisiert. Das Ungleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt, das hohe Transferleistungen bewirkt, ist ein unmittelbarer Kostenfaktor für die kommunalen Haushalte und kann tendenziell ein Indiz für weitere kommunale Haushaltsbelastungen, wie beispielsweise für die Ausgaben nach SGB VIII (Jugendhilfe) oder für Ausgaben nach SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung)10 sein. So werden die Haushalte der Kommunen zum Beispiel durch die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) belastet, die u. a. von der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften im Rechtskreis nach dem SGB II abhängen. (22) In Abbildung 4 ist die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften je 1.000 Privathaushalte im Ländervergleich dargestellt. Im Jahr 2013 wurden 135 von 1.000 Haushalten in MecklenburgVorpommern zu den Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II gezählt. Damit muss das Land nach Sachsen-Anhalt den zweithöchsten Wert aller Flächenländer verzeichnen. Unter den ost- 10 10 Die finanziellen Leistungen der Grundsicherung im Alter werden seit dem Jahr 2014 vollständig vom Bund übernommen. deutschen Ländern hat Thüringen mit 95 Bedarfsgemeinschaften je 1.000 Einwohner die niedrigste Quote. Abbildung 4: Bedarfsgemeinschaften je 1.000 Privathaushalte im Flächenländervergleich, 2013, Jahresdurchschnitt 160 BG je 1.000 Privathaushalte 120 142 135 140 119 109 98 95 100 80 71 80 86 85 SL SH 61 60 46 38 40 20 0 BB MV SN ST TH BW BY HE NI NW RP Quelle: Destatis; eigene Berechnungen. Während sich die Quote in allen ostdeutschen Ländern im Vergleich zum Vorjahr geringfügig verbessert hat, ist sie in Mecklenburg-Vorpommern unverändert geblieben.11 Dies unterstreicht die Problematik der hohen Soziallasten im Land. 2 Lage der kommunalen Finanzwirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns (23) Die Abbildung 5 gibt auf Grundlage des Finanzierungssaldos, der aus dem Saldo der bereinigten Einnahmen und Ausgaben gebildet wird, einen ersten Überblick über die finanzielle Situation der Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns, wenngleich dieser Sondereffekte, wie zum Beispiel Auslagerungen aus den Kernhaushalten, Veräußerungserlöse, Auszahlung von Umschuldungsmittel etc., nicht berücksichtigt. 11 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2013 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2013, S. 14. 11 700 4.000 600 3.900 500 3.800 400 3.700 300 3.600 224 3.500 200 82 79 100 -28 0 -100 -29 39 20 -41 9 -300 3.300 3.200 Finanzierungssaldo Bereinigte Einnahmen Bereinigte Ausgaben -200 3.400 in Mio. Euro in Mio. Euro Abbildung 5: Bereinigte Einnahmen und Ausgaben sowie Finanzierungssaldo der Gemeinden/Gv. in Mecklenburg-Vorpommern, 2005-2013, in Mio. Euro 3.100 3.000 2.900 -400 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen. (24) Die Kommunen im Land wiesen 2013 mit 9 Mio. Euro wieder einen – wenn auch klei- nen - Finanzierungsüberschuss aus, nachdem 2012 mit -41 Mio. Euro ein Finanzierungsdefizit zu verzeichnen war. Damit ist zunächst eine in der Gesamtsicht erfreuliche Entwicklung der Haushaltslage festzustellen. Das Innenministerium weist an dieser Stelle daraufhin, dass die Kassenstatistik mit 9.000 Euro erheblich vom Finanzierungssaldo der GFK abweicht, da u. a. der Saldo der SGB II unberücksichtigt bleibe. Der Landesrechnungshof würde es begrüßen, wenn sich das Innenministerium für eine Harmonisierung der Kassenstatistik mit der bundeseinheitlichen GFK einsetzen würde. Wenn jedoch die nachstehende Tabelle 2 betrachtet wird, die die Entwicklung und die maßgeblichen Eckdaten der kommunalen Einnahmen und Ausgaben Mecklenburg-Vorpommerns der Jahre 2009 bis 2013 darstellt, wird deutlich, dass trotz der sehr guten Einnahmeentwicklung ein höherer Überschuss denkbar gewesen wäre. Dazu allerdings hätte die Ausgabendynamik gebremst ohne die eigenen Einnahmen erhöht werden müssen. (25) Im Jahr 2013 beliefen sich die bereinigten Einnahmen auf rd. 3.952 Mio. Euro (+5,7 Prozent, +214 Mio. Euro) und lagen damit weit über denen von 2012 in Höhe von rd. 3.738 Mio. Euro. 12 Tabelle 2: Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden/Gv. in Mecklenburg-Vorpommern, 2009-2013, in Mio. Euro 2009 2010 2011 2012 2013 2009-2013 in Mio. Euro 1. Einnahmen laufende Rechnung 2012-2013 Veränderung in % 3.375 3.280 3.419 3.395 3.617 7,2% 6,5% 716 757 830 862 946 32,1% 9,7% 153 274 159 262 165 287 167 311 175 364 14,4% 32,9% 4,9% 17,1% 245 1.922 236 1.783 244 1.815 295 1.768 333 1.888 36,0% -1,8% 13,0% 6,8% 44 283 43 283 48 283 60 252 86 252 95,2% -10,8% 43,3% 0,1% 2. Einnahmen der Kapitalrechnung 458 555 506 343 335 -26,9% -2,4% darunter: Zuweisungen und Zuschüsse für Investitionen vom Land Erlöse aus Vermögensveräußerungen 301 331 295 230 220 -27,0% -4,3% 57 65 66 43 33 -41,4% -22,9% 3.833 3.835 3.924 3.738 3.952 3,1% 5,7% 3.182 3.207 3.332 3.366 3.638 14,3% 8,1% 903 702 889 724 902 800 943 801 972 995 7,7% 41,7% 3,1% 24,2% Lfd. Zuweisungen und Zuschüsse Zinsausgaben Sozialausgaben* 788 92 1.084 821 82 1.091 835 78 1.113 908 67 1.138 931 63 1.186 18,2% -31,7% 9,4% 2,5% -6,9% 4,2% 5. Ausgaben der Kapitalrechnung darunter: Sachinvestitionen Baumaßnahmen Zuweisungen und Zuschüsse für Investitionen 569 589 573 412 305 -46,4% -26,0% 417 361 432 379 437 375 344 158 236 187 -43,5% -48,3% -31,5% 17,8% 113 132 107 20 29 -74,4% 44,8% 3.751 3.796 3.905 3.778 3.942 5,1% 4,3% 193 73 87 29 -21 -110,9% -173,6% 191 155 148 85 187 -2,1% 120,0% 256 214 196 173 232 -9,4% 33,9% 2.051 1.968 1.906 1.733 1.762 -14,1% 1,7% 485 499 524 406 643 32,6% 58,2% 82 39 20 -41 9 -88,8% X darunter: Steuern u. steuerähnliche Einnahmen Grundsteuer A + B Gewerbesteuer (netto) Gemeindeanteil Einkommensteuer Zuweisungen vom Land Zuweisungen vom Bund Gebühren, sonstige Entgelte 3. Bereinigte Einnahmen (1. + 2.) 4. Ausgaben laufende Rechnung darunter: Personalausgaben Laufender Sachaufwand 6. Bereinigte Ausgaben (4. + 5.) Saldo der laufenden Rechnung Einnahmen aus Krediten und inneren Darlehen Schuldentilgung Schulden am 31.12. Kassenverstärkungskredite am 31.12.** 7. Finanzierungssaldo (3. ./. 6.) Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kassenstatistik; eigene Berechnungen. * Ohne die Aufwendungen der Optionskommune(n) für Grundsicherung für Arbeitssuchende, die der Bund trägt. ** Der hier ausgewiesene Stand der Kassenverstärkungskredite basiert auf einer Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes auf Grundlage der GFK. x Ergebnis ohne Aussage. 13 Die bereinigten Ausgaben stiegen auf rd. 3.942 Mio. Euro (+4,3 Prozent, +164 Mio. Euro), was ungefähr dem Ausgabenniveau von 2011 in Höhe von 3.905 Mio. Euro entspricht. (26) Die Einnahmen der laufenden Rechnung betrugen im Berichtszeitraum 3.617 Mio. Euro (+6,5 Prozent, +222 Mio. Euro), womit ein kräftiger Anstieg zu konstatieren ist. Dieser ist in erster Linie auf den deutlichen Anstieg der Steuereinnahmen zurückzuführen. Einen weiteren Teil dürften die Sonderhilfen des Landes beigetragen haben. Die Einnahmen der Kapitalrechnung in den Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns lagen mit 335 Mio. Euro (-2,4 Prozent, -8 Mio. Euro) auf einem erneut niedrigen Niveau. (vgl. Abbildung 6). Abbildung 6: Veränderungen wesentlicher Einnahmepositionen im Vergleich 2013 zum Vorjahr, in Mio. Euro Einnahmen laufenden Rechnung 222 darunter: Steuern und steuerähnliche Einnahmen 83 Zuw eisungen vom Land 120 Zuw eisungen vom Bund 26 Gebühren, sonstige Entgelte 0 Einnahmen Kapitalrechnung -8 darunter: Zuw eisungen und Zuschüsse für Investitionen vom Land -10 Erlöse aus Vermögensveräußerungen -10 Bereinigte Einnahmen 214 -50 0 50 100 in Mio. Euro 150 200 250 Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen. (27) Wesentliche Veränderungen betreffen auf der Einnahmeseite: • die Steuern und steuerähnliche Einnahmen (+9,7 Prozent, +83 Mio. Euro), darunter insbesondere die Gewerbesteuer (+17,1 Prozent, +53 Mio. Euro), • die Zuweisungen vom Land (+6,8 Prozent, +120 Mio. Euro) und • die Zuweisungen und Zuschüsse für Investitionen vom Land (-4,3 Prozent, -10 Mio. Euro). (28) Die Ausgaben der laufenden Rechnung betrugen im Berichtszeitraum rd. 3.638 Mio. Euro (+8,1 Prozent, +271 Mio. Euro). Damit wird der Ausgabenanstieg der vergangenen Jahre auf einem hohen Niveau fortgesetzt. Etwaige ausgabenseitige Konsolidierungsmaßnahmen 14 konnten somit auch im Jahr 2013 in der Gesamtsicht nicht festgestellt werden. Die Ausgaben der Kapitalrechnung beliefen sich 2013 in Mecklenburg-Vorpommern auf rd. 305 Mio. Euro (26 Prozent, -107 Mio. Euro). Diese sind wie die Einnahmen der Kapitalrechnung auf einen seit 1995 noch nicht erreichten Tiefstand gesunken. Abbildung 7: Veränderungen wesentlicher Ausgabepositionen im Vergleich 2013 zum Vorjahr, in Mio. Euro Ausgaben laufende Rechnung 271 darunter: Personalausgaben 29 Laufender Sachaufw and Laufende Zuw eisungen und Zuschüsse Zinsausgaben 194 23 -5 Sozialausgaben Ausgaben Kapitalrechnung darunter: Zuw eisungen und Zuschüsse für Investitionen Sachinvestitionen 48 -107 9 -108 Bereinigte Ausgaben -145 164 -95 -45 5 55 105 in Mio. Euro 155 205 255 Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen. (29) (30) Auf der Ausgabeseite veränderten sich vor allem • der laufende Sachaufwand (+24,2 Prozent, +194 Mio. Euro) 12, • die Sozialausgaben (+4,2 Prozent, +48 Mio. Euro), • die Zinsausgaben (-6,9 Prozent, -5 Mio. Euro) und • die Sachinvestitionsausgaben (-31,5 Prozent, -108,2 Mio. Euro). Der kommunale Finanzierungsüberschuss Mecklenburg-Vorpommerns ist damit auf die kräftig gestiegenen Einnahmen zurückzuführen, welche wiederum durch die gewährten Sonderhilfen des Landes an die Kommunen getrieben wurden. Ausgabeseitige Konsoliderungsschritte sind in Anbetracht der stark angewachsenen konsumtiven Ausgaben nicht festzustellen. Auch der Anstieg der Sozialausgaben ist auffällig. (31) Nachfolgend werden die einzelnen Gebietskörperschaftsebenen in der alten Kreisgliede- rung dargestellt, um die finanzwirtschaftliche Entwicklung über einen längeren Zeitraum zu 12 Durch die Doppik-Einführung hat sich der Investitionsbegriff geändert. Nunmehr wird ein Teil der Investi tionen als laufender Sachaufwand verbucht, was ein Erklärungsgrund für den starken Anstieg sein kann. 15 analysieren. Dazu wurden die ehemaligen kreisfreien Städte der Säule der kreisfreien Städte hinzugerechnet.13 Unterschiede in der Haushaltsentwicklung sind für die kommunalen Gebietskörperschaftsebenen Mecklenburg-Vorpommerns auch im Jahr 2013 zu konstatieren. Wie Abbildung 8 zeigt, konnten die kreisfreien Städte (inklusive der großen kreisangehörigen Städte) sowie die Ämter und Gemeinden einen Pro-Kopf-Überschuss erzielen. Die Landkreise hingegen wiesen erneut ein Defizit auf. Dies deutet auf ein interkommunales fiskalisches Verteilungsproblem hin. Abbildung 8: Finanzierungssalden der kommunalen Gebietskörperschaften in Mecklenburg-Vorpommern, 2009-2013, in Euro je Einwohner14 100 80 in Euro je EW 60 58 52 38 2010 2011 2012 2013 56 48 40 20 2009 79 36 34 25 17 8 0 11 3 0 2 -5 -20 -13 -16 7 -22 -25 -40 -51 -60 Kommunaler Gesamthaushalt Kreisfreie Städte* -44 Kreisangehöriger Raum insgesamt, -49 -50 ... davon Landkreise ... davon Ämter und Gemeinden Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kassenstatistik; eigene Berechnungen. * Im Jahr 2011, 2012 und 2013 auch die großen kreisangehörigen Städte. (32) Im Vorjahresvergleich sind die kreisfreien Städte auffällig. Der Finanzierungssaldo stei- gerte sich von -51 Euro je Einwohner in 2012 auf +79 Euro je Einwohner im Jahr 2013. Ansatzweise kann dies auf die gestiegenen Einnahmen zurückgeführt werden. Die Finanzlage des kreisangehörigen Raumes hat sich 2013 mit einem einwohnerbezogenen Defizit in Höhe von 44 Euro in erheblichem Maße verschlechtert, was überwiegend auf die er- 13 14 16 In diesem Abschnitt wird grundsätzlich die Kassenstatistik ausgewertet, weil die Daten nun landesintern ausgewertet werden. Vorher dargestellte Daten können nachfolgend abweichen. Dies ist dann der Datenquelle geschuldet. Der kommunale Gesamthaushalt setzt sich aus den kreisfreien Städten und den Landkreisen bzw. dem kreisangehörigen Raum (darunter Kreisverwaltungen [hier: Landkreise], kreisangehörige Städte und Gemeinden sowie Amtsverwaltungen) zusammen. Zu beachten ist, dass sich die einwohnerbezogenen Finanzierungssalden der kreisfreien Städte und des kreisangehörigen Raumes nicht zum Finanzierungssaldo des kommunalen Gesamthaushaltes addieren lassen, da nicht die gleiche Basis verwandt wird. neut deutlich negative Entwicklung der Landkreisfinanzen zurückzuführen war. Das Niveau des einwohnerbezogenen Defizits der Landkreise hat sich auf 50 Euro nahezu verstetigt. Das Innenministerium verweist in seiner Stellungnahme darauf, dass die Kassenstatistik an dieser Stelle den Finanzierungssaldo zu positiv darstellt. Kreditaufnahme und -tilgungen würden nur für den öffentlichen Bereich bei der Investitionstätigkeit abgebildet. Dadurch wirke sich zum Beispiel die Kreditaufnahme Schwerins beim Kommunalen Aufbaufonds von rd. 15 Mio. Euro bei gleichzeitiger Tilgung von nur 1,3 Mio. Euro deutlich verzerrend auf den positiven Finanzierungssaldo der Kassenstatistik aus. Ähnliche Geschäfte mit Kreditinstituten würden in der Statistik anders behandelt. Der Landesrechnungshof bittet das Innenministerium zu prüfen, wie die Kassenstatistik zukünftig um derartige Sondereffekte bereinigt werden kann. Zudem ist dafür Sorge zu tragen, dass das Statistische Amt Mecklenburg-Vorpommern derartige Informationen auch dem Statistischen Bundesamt zur Verfügung stellt. (33) Mit Ausnahme des Landkreises Rostock, der einen Finanzierungsüberschuss von 21,9 Mio. Euro aufwies, war 2013 bei den Landkreisen ein Finanzierungsdefizit zu verzeichnen: der Landkreis Mecklenburgische-Seeplatte 18,5 Mio. Euro, der Landkreis VorpommernGreifswald 15,7 Mio. Euro, der Landkreis Nordwestmecklenburg 2,6 Mio. Euro, der Landkreis Vorpommern-Rügen 10,1 Mio. Euro und der Landkreis Ludwigslust-Parchim 11 Mio. Euro. Die Finanzlage der Ämter und kreisangehörigen Gemeinden hat sich 2013 etwas eingetrübt. Sie konnten zwar noch einen positiven Finanzierungssaldo von 7 Euro je Einwohner vorweisen, jedoch fällt dieser im Vergleich zum Vorjahr um 29 Euro je Einwohner niedriger aus.15 Es bleibt abzuwarten, ob das 2014 in Auftrag gegebene Gutachten zur Novellierung des kommunalen Finanzausgleichs Ansätze zur Lösung der interkommunalen Verteilungsprobleme liefern kann. (34) Aus dem Saldo der laufenden Rechnung wird die divergierende finanzwirtschaftliche Entwicklung der kommunalen Gebietskörperschaften offensichtlich (vgl. Tabelle 3). Die Differenz der laufenden Einnahmen und laufenden Ausgaben der Kommunen ist eine maßgebliche 15 Deutlich positive Ergebnisse erzielten zum Beispiel die kreisangehörigen Gemeinden des Landkreises Rostock. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass sich die finanzielle Lage einzelner Kommunen auf dieser Ge bietskörperschaftsebene negativ darstellt. 17 Kennziffer zur Bewertung der strukturellen Lage des laufenden Haushaltes. Darüber hinaus verdeutlicht sie, ob und inwieweit die Kommunen Investitionen aus selbst erwirtschafteten Mitteln tätigen können. (35) Im Jahr 2013 erzielten die kommunalen Haushalte Mecklenburg-Vorpommerns insge- samt einen positiven Saldo der laufenden Rechnung in Höhe von 63 Euro je Einwohner. Im Vergleich zum Vorjahr ist er um 45 Euro je Einwohner angestiegen. Die kreisfreien Städte und großen kreisangehörigen Städte konnten 2013 nach einem Defizit 2012 im vorangegangenen Jahr einen positiven Saldo vorweisen (58 Euro je Einwohner). Dies ist das beste Ergebnis der vergangenen fünf Jahre. Der kreisangehörige Raum konnte im Berichtsjahr mit 66 Euro je Einwohner erneut Überschüsse erzielen. Dies entspricht einer Steigerung um 13 Euro je Einwohner. Im beobachteten Zeitraum seit 2009 konnte der kreisangehörige Raum durchweg positive Salden ausweisen, wobei die Entwicklung innerhalb der Ebene deutlich heterogen ausfallen dürfte. Tabelle 3: Salden der laufenden Rechnung der kommunalen Gebietskörperschaftsebenen Mecklenburg-Vorpommerns, 2009-2013, in Euro je Einwohner 2009 2010 2011 2012 2013 in Euro je Einwohner 2009-2013 2012-2013 Veränderung in % Kommunaler Gesamthaushalt Einnahmen 2.083 2.038 2.119 2.162 2.341 12,3 % 8,3 % Ausgaben 1.965 2.001 2.071 2.144 2.278 15,9 % 6,3 % 117 38 48 18 63 -46,2 % 250 % Saldo der laufenden Rechnung Kreisfreie Städte* Einnahmen 2.190 2.186 2.295 1.893 2.083 -4,9 % 10,0 % Ausgaben 2.199 2.175 2.273 1.951 2.026 -7,9 % 3,8 % 11 22 -57 58 x x Saldo der laufenden Rechnung -10 Kreisangehöriger Raum Einnahmen 2.034 1.971 2.037 2.288 2.463 21,1 % 7,6 % Ausgaben 1.859 1.921 1.977 2.235 2.397 28,9 % 7,2 % 175 50 60 53 66 -62,3 % 24,5 % Saldo der laufenden Rechnung Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kassenstatistik; eigene Berechnungen. * In den Jahren 2011, 2012 und 2013 auch die großen kreisangehörigen Städte. (36) Im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung sind wachstumsfördernde Ausgaben der Kapitalrechnung, wie die Sachinvestitionsausgaben, besonders bedeutsam. Auf der kommunalen Ebene prägen diese neben dem Erhalt und Ausbau der kommunalen Infrastruktur auch die zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklungen. 18 In nachfolgender Tabelle 4 sind die Investitionsausgaben der kommunalen Gebietskörperschaftsebenen Mecklenburg-Vorpommerns dargestellt. Tabelle 4: Ausgaben der Kapitalrechnung der kommunalen Gebietskörperschaftsebenen Mecklenburg-Vorpommerns, 2009-2013, in Euro je Einwohner 2009 2010 2011 2012 2013 in Euro je Einwohner 2009-2013 Summe Kommunaler Gesamthaushalt Ausgaben der Kapitalrechnung 343 358 349 253 278 1.581 252 263 267 211 234 1.227 darunter: Sachinvestitionen Kreisfreie Städte* Ausgaben der Kapitalrechnung 298 373 315 220 215 1.421 157 196 176 193 176 898 darunter: Sachinvestitionen Kreisangehöriger Raum Ausgaben der Kapitalrechnung 362 351 366 269 307 1.655 295 293 309 219 262 1.378 darunter: Sachinvestitionen Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern; Kassenstatistik, eigene Berechnungen. * In den Jahren 2011, 2012 und 2013 auch die großen kreisangehörigen Städte. (37) Der kommunale Gesamthaushalt Mecklenburg-Vorpommerns hat im Jahr 2013 Ausga- ben der Kapitalrechnung von insgesamt 278 Euro je Einwohner getätigt. Damit sind die Ausgaben im Vergleich zum Vorjahr um 25 Euro je Einwohner angestiegen. Dieses Wachstum ist vor allem auf den kreisangehöigen Raum (hier: ohne die großen kreisangehörigen Städte) zurückzuführen. Sie steigerten ihre Ausgaben um 38 Euro je Einwohner auf nunmehr 307 Euro je Einwohner. Bei den kreisfreien Städte sind die Ausgaben der Kapitalrechnung erneut gesunken. Im Gegensatz zum Vorjahr fiel der Rückgang mit rd. 2,3 Prozent allerdings relativ gering aus. Es bestehen ferner weiterhin deutliche Unterschiede bei den aufsummierten Sachinvestitionen. Während die Gemeinden des kreisangehörigen Raumes im Zeitraum 2009 bis 2013 je Einwohner 1.378 Euro investierten, gaben die kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte lediglich 898 Euro je Einwohner aus. Einschränkend ist darauf hinzuweisen, dass die aus der Kassenstatistik entnommenen Ausgaben für Sachinvestitionen nicht diejenigen Investitionen enthalten, die von Eigenbetrieben und kommunalen Unternehmen sowie Städtebaulichen Sondervermögen vorgenommen wurden. Insbesondere in den kreisfreien und großen kreisangehörigen Städten können die Investitionen da- 19 durch unterzeichnet sein. Hinzu kommt, dass durch die Einführung der kommunalen Doppik Investitionen zum Teil unter laufenden Sachaufwand verbucht werden, was aus einer geänderten Anwendung des Investitionsbegriffs resultiert. Das Finanzministerium regt an, zukünftig stärker Daten des kommunalen Rechnungswesens in den Fokus zu rücken, um Eigenkapitalveränderungen nachvollziehen und auswerten zu können. Der Landesrechnungshof wertet im allgemeinen Teil seines Kommunalfinanzberichtes nur statistische Daten der amtlichen Statistik aus. Dennoch wird er zukünftig in Erwägung ziehen, auch sich aus Eröffnungsbilanzen ergebenden Daten auszuwerten. (38) Die insgesamt rückläufige Tendenz der Investitionstätigkeit, die ein Indiz für die ange- spannte finanzielle Lage der Kommunen ist, war für alle Gebietskörperschaftsebenen in Mecklenburg-Vorpommern festzustellen. Dies wird aus Abbildung 9 ersichtlich. Sie bildet die Investitionsquote als Anteil der Sachinvestitionsausgaben an den bereinigten Ausgaben für den Zeitraum von 1995 bis 2013 ab. Abbildung 9: Entwicklung der Sachinvestitionsquoten bei einzelnen Gebietskörperschaftsebenen in Mecklenburg-Vorpommern, 1995-2013, in Prozent 40% 35% Kreisf reie und große kreisangehörige Städte Landkreise Kreisangehörige Gemeinden 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kassenstatistik; eigene Berechnungen. Im Jahr 2013 ist die Sachinvestitionsquote der kreisfreien und der großen kreisangehörigen Städte im Vergleich zum Vorjahr auf 8 Prozent gesunken.Während die kreisangehörigen Gemeinden ihre Quote verstetigten, konnten die Landkreise mit 4 Prozent eine um zwei Prozentpunkte höhere Investitionsquote vorweisen. 20 Das Innenministerium verweist an dieser Stelle einschränkend darauf, dass zum Beispiel Rostock und Neubrandenburg in erheblichem Maße Sachinvestitionen in Immobilien durch ihre Eigenbetriebe durchgeführt haben. Der Landesrechnungshof wertet in dem vorliegenden Kommunalfinanzbericht in erster Linie die Kernhaushalte der Kommunen aus, um lange Zeitreihen untersuchen zu können. Sobald diese auch für Extrahaushalte vorliegen, wird die Betrachtung umgestellt. (39) Diese kritisch zu bewertende Entwicklung ist insbesondere auf die kontinuierliche Stei- gerung der konsumtiven Ausgaben zurückzuführen. Deutlich wird dies, wenn den kommunalen Sozialausgaben die Sachinvestitionen gegenübergestellt werden. Auch hier ist der zuvor beschriebene Trend mit sinkenden Investitionen zu beobachten. Besorgniserregend ist jedoch zudem, dass die kommunalen Sozialausgaben spiegelbildlich ansteigen. Die gegenläufige Entwicklung zwischen kommunalen Sozialausgaben und Sachinvestitionen kann ein Indiz für die strukturelle Schieflage der Kommunen sein. Die niedrigen Sachinvestitionen deuten zusätzlich auf einen substanziellen Nachholbedarf bei Investitionen im Infrastrukturbereich hin. Abbildung 10: Entwicklung der kommunalen Sozialausgaben und Sachinvestition in Mecklenburg-Vorpommern, 1995-2013, in Mio. Euro 1.400 1.300 1.200 Sozialausgaben Sachinv estitionen 1.100 in Mio. Euro 1.000 900 800 700 600 500 400 300 200 100 0 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kassenstatistik; eigene Berechnungen. Die gegenwärtig nicht vorgenommenen Investitionen, insbesondere in die kommunale Infrastruktur, sind als „Betrieb auf Verschleiß“ nicht dauerhaft hinnehmbar und werden erhebliche 21 Folgeprobleme mit sich bringen. Es sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Entwicklung umzukehren. Das Sozialministerium weist darauf hin, dass Sozialausgaben im Gegensatz zu Sachinvestitionen in weiten Teilen gesetzliche Leistungen sind, bei denen nur in der Ausgestaltung eingeschränkte Handlungsspielräume bestünden. Der Landesrechnungshof will mit dieser Darstellung keinen kausalen Zusammenhang implizieren, sondern lediglich auf die veränderte Ausgabenstruktur aufmerksam machen. 3 Die kommunale Finanzwirtschaft im Vergleich (40) Den im folgenden Abschnitt dargestellten Analysen zur relativen Entwicklung der kom- munalen Finanzwirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns wird zunächst ein kurzer Überblick über den Stand des öffentlichen Gesamthaushaltes vorangestellt. Ziel ist es, einen Überblick über die finanzielle Situation aller Gebietskörperschaftsebenen Deutschlands zu gewinnen.16 (41) Die Abbildung 11 verdeutlicht, dass die Haushaltslage des Bundes und der Länder weiterhin angespannt ist. Das kassenmäßige Finanzierungsdefizit der Kern- und Extrahaushalte des öffentlichen Haushaltes betrug 2013 (Bund, Länder, Gemeinden/Gv. und Sozialversicherungen) in Abgrenzung der Finanzstatistik rd. 9,4 Mrd. Euro. Das Defizit hat sich allerdings im Vergleich zum Vorjahr um 1,6 Mrd. Euro verringert, zeigt jedoch, dass die fiskalischen Handlungsspielräume trotz der bundesweiten guten Konjunktursituation noch immer begrenzt sind. Für eine Umverteilung von Finanzmitteln zwischen Bund, Ländern und Kommunen dürfte jedoch kaum ein Spielraum bestehen. (42) Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Haushaltslage des Bundes verbessert. Das kassenmäßige Defizit sank gegenüber 2012 um rd. 7,5 Mrd. Euro auf 14,5 Mrd. Euro. 16 22 Die Entwicklung des öffentlichen Finanzierungssaldos wird an dieser Stelle anhand der Veröffentlichung „Vierteljährliche Kassenergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts“ (Fachserie 14, Reihe 2) des Statistischen Bundesamtes analysiert. Die Belastbarkeit der Daten ist durch die Einführung der kommunalen Dop pik in einigen Länder eingeschränkt (vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2013 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2013, S. 3 ff.). Abbildung 11: Finanzierungssalden der Körperschaften des öffentlichen Gesamthaushaltes, 20102013, in Mrd. Euro 20 in Mrd. Euro 0 -51,6 -23,1 -8,8 -12,4 -10,8 -2,9 -22,0 -5,8 0,9 -14,5 -0,6 1,1 -20 -40 -60 Bund Länder Gemeinden/Gv . -80 -100 2010 2011 2012 2013 Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14, Reihe 2; eigene Berechnungen. (43) Der Finanzierungssaldo der Länder hat sich von rd. -5,8 Mrd. Euro im Jahr 2012 auf -0,6 Mrd. Euro stark verbessert. Alle ostdeutschen Flächenländer erzielten 2013 einen Finanzierungsüberschuss. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat mit seinen Kern- und Extrahaushalten einen positiven Finanzierungssaldo in Höhe von rd. 419 Mio. Euro erreicht. Dieser ist im Vergleich zum Vorjahr um rd. 200 Mio. Euro angestiegen. (44) Die kommunalen Kern- und Extrahaushalte Deutschlands haben sich im Vergleich zu den Vorjahren nochmals positiv entwickelt. Schon im Jahr 2012 war mit 0,9 Mrd. Euro ein Überschuss festzustellen, das Jahr 2013 wurde nunmehr sogar mit einem Überschuss in Höhe von rd. 1,1 Mrd. Euro abgerechnet. Die Extrahaushalte verzeichneten mit rd. -0,6 Mrd. Euro hingegen erneut ein Finanzierungsdefizit. Mit Ausnahme der Kommunen in Hessen (-1,1 Mrd. Euro), Rheinland-Pfalz (-260 Mio. Euro), Saarland (-319 Mio. Euro), Nordrhein-Westfalen (-86 Mio. Euro) und Schleswig-Holstein (107 Mio. Euro) wies die kommunale Ebene Deutschlands einen Überschuss auf. Die Kommunen von fünf der 13 Flächenländer wirtschafteten damit in der Gesamtsicht negativ. (45) Vom Finanzierungsüberschuss Niedersachsens beeinflusst erzielten auch die Kommu- nen der finanzschwachen Westflächenländer erneut einen positiven Finanzierungssaldo. Mit einem einwohnerbezogenen Überschuss von rd. 13 Euro hat sich 2013 die Finanzlage damit gegenüber 2012 deutlich verbessert. Die kommunalen Haushalte der übrigen ostdeutschen Flä- 23 chenländer schlossen das Jahr 2013 mit einem Überschuss von rd. 55 Euro je Einwohner ab (vgl. Abbildung 12). Abbildung 12: Finanzierungssalden der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 2000-2013, in Euro je Einwohner 200 MV FO FFW 150 in Euro je EW 100 50 0 -50 -100 -150 -200 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen. (46) In Tabelle 5 werden die Einnahmen im Benchmarkvergleich dargestellt. Die Daten in diesen Darstellungen werden jeweils als Pro-Kopf-Werte ausgewiesen, um die einzelnen Positionen länderübergreifend vergleichen zu können. Zur Verdeutlichung von potenziellen oder realisierbaren Einsparungen werden für die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns ferner Einnahmen- und Ausgabendifferenziale errechnet. Dabei zeigt eine positive Differenz Mehreinnahmen bzw. -ausgaben und eine negative Differenz Mindereinnahmen bzw. -ausgaben an. 24 Tabelle 5: Einnahmen der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 2013, in Euro je Einwohner Bevölkerung am 30. Juni 2013 MV FFW FO 1.596.899 15.577.609 10.901.744 Einnahmeart Einnahmen der laufenden Rechnung Mehr-(+)/Mindereinnahmen(-) in Euro je Einwohner FFW FO in Mio. Euro 2.265 2.260 2.177 7 140 Steuereinnahmen 592 924 653 -530 -97 Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit 166 133 133 53 53 1.182 848 1.082 533 160 Verwaltungs- und Benutzungsgebühren sowie zweckgebundene Abgaben 158 158 172 -1 -22 Einnahmen der Kapitalrechnung 210 142 217 109 -12 21 50 22 -47 -2 Vermögensübertragungen vom Land17 138 46 165 147 -44 Vermögensübertragungen von anderen Bereichen 31 40 27 -15 7 Bereinigte Einnahmen 2.474 2.402 2.394 116 128 nachrichtlich: Zahlungen vom Land 1.320 984 1.247 679 116 darunter: Laufende Zuweisungen und Zuschüsse vom Land darunter: Vermögensveräußerungen Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen. (47) Die bereinigten Pro-Kopf-Einnahmen der hiesigen Kommunen lagen 2013 mit 2.474 Euro circa 2,9 Prozent über denen der finanzschwachen Westflächenländer bzw. rund 3,3 Prozent höher als in den übrigen ostdeutschen Flächenländer (vgl. Tabelle 5). Aus der Hochrechnung auf die Einwohnerzahl Mecklenburg-Vorpommerns ergeben sich für 2013 für beide Vergleichsgruppen Mehreinnahmen von 116 Mio. bzw. 128 Mio. Euro. (48) Dies korrespondiert mit den Zahlungen vom Land Mecklenburg-Vorpommern, wonach die kommunale Ebene im Jahr 2013 rd. 1.182 Euro je Einwohner erhalten hat. Im Vergleich zu den finanzschwachen Westflächenländern tätigte das Land damit rechnerische Mehrausgaben in Höhe von rd. 533 Mio. Euro bzw. in Relation zu den übrigen ostdeutschen Ländern von 160 Mio. Euro. Damit hat das Land wie im Vorjahr vergleichsweise die höchsten Zahlungen an die Kommunen geleistet. Somit gleicht es die ungenutzten Spielräume der Kommunen bei den Realsteuern und Entgelteinnahmen auf der Einnahmeseite durch erhöhte Zuweisungen und Zuschüsse aus. Dies wird besonders gegenüber den übrigen ostdeutschen Ländern deutlich, wenn die hiesigen Steuermindereinnahmen (-97 Mio. Euro) den Mehreinnahmen aus laufenden Zuweisungen und Zuschüssen (+160 Mio. Euro) gegenübergestellt werden. 17 Darunter sind auch investive Zuweisungen und Zuschüsse zu verstehen. 25 (49) Dies steht im Einklang damit, dass die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns nur einen geringen Teil der laufenden Einnahmen mit ihrem Steueraufkommen bestreiten. Lediglich 26,1 Prozent der laufenden Einnahmen finanzierten sie durch Steuern, bei den übrigen ostdeutschen Kommunen betrug diese Relation schon 30,0 Prozent. Noch wesentlich deutlicher wird die Eigenfinanzierungsschwäche in Bezug auf die Kommunen der finanzschwachen Westflächenländer. Dort beträgt die Quote 40,9 Prozent. (50) Mecklenburg-Vorpommern hat in der jüngsten Vergangenheit trotz vergleichsweise höchster Kommunalzuweisungen je Einwohner eine Reihe weiterer Finanzierungsinstrumente für die Kommunen geschaffen. Seit dem Jahr 2012 wurden • der Kommunale Haushaltskonsolidierungsfonds Mecklenburg-Vorpommern (100 Mio. Euro), • das Kommunale Kofinanzierungsprogramm (50 Mio. Euro), • Sonderhilfe für 2014-2016 aufgrund des Kommunalgipfels 2013 (100 Mio. Euro) sowie • Unterstützungshilfe für 2014-2017 aufgrund des Kommunalgipfels 2014 (160 Mio. Euro) implementiert. Diese Hilfen summieren sich mittlerweile bis 2017 auf 410 Mio. Euro, wobei die Verteilung der Mittel größtenteils nicht an sach- und zielgerechte Kriterien anknüpft. So erfolgt beispielsweise die Aufteilung der 100 Mio. Euro aus dem Kommunalgipfel 2013 auf Grundlage der Einwohnerzahlen. Danach erhalten die Landkreise und die kreisangehörigen Gemeinden jeweils 50 Prozent des einwohnerbezogenen Zuweisungsbetrages. Die kreisfreien Städte erhalten hingegen den vollen Betrag. Die Mittel selbst können für nachhaltige Investitionen vorrangig im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge, für Modernisierungen, zur Schuldentilgung sowie für finanzielle Aufwendungen aus Anlass der Kreisgebietsreform verwendet werden. Eine zielgenaue Bindung der Mittel erfolgt dabei nicht, zumal die genannten Ziele nicht ausreichend spezifiziert sind. (51) Die vielfältigen Sonderhilfen für die kommunale Ebene können somit keinen wirksamen Beitrag zur Lösung der Haushaltsprobleme leisten. Eine Priorisierung einzelner Maßnahmen oder Politikbereiche durch das Land ist durch derartige Programme nicht erkennbar. Diese sind mit Blick auf die zukünftige Einnahmeentwicklung nicht zu vereinbaren. Die durch die Pro26 gramme gebundenen Mittel fehlen zur Erfüllung originärer Landesaufgaben bzw. zum Schuldenabbau (Nettotilgung). Auf der kommunalen Ebene verzögern die Sonderhilfen den notwendigen haushaltspolitischen Anpassungsprozess im Hinblick auf 2020. (52) Aus dem Vergleich der prognostizierten Einnahmeentwicklung von Land und Kommu- nen wird deutlich, dass sogenannte Sonderhilfen und Unterstützungszahlungen für die kommunale Ebene Mecklenburg-Vorpommerns nicht erforderlich wären, wenn man rechtzeitig die notwendigen Strukturreformen auf der kommunalen Ebene durchgeführt hätte (vgl. Abbildung 13). Während die Einnahmen des Landes aus dem Länderfinanzausgleich und Steuern zwischen 2014 und 2018 voraussichtlich um 2,6 Prozent steigen werden, erhöhen sich dagegen die Einnahmen der Kommunen aus dem kommunalen Finanzausgleich und den eigenen Steuern sogar um 6,2 Prozent. Abbildung 13: Einnahmeentwicklung von Land und Kommunen auf Basis der regionalisierten Steuerschätzung November 2013, 2014-2018, in Prozent 108% Kommunen (KFA+Steuern) Land 106% 104% 102% 100% 98% 2014 2015 2016 2017 2018 Quelle: Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern; eigene Berechnungen. (53) Zu dieser ohnehin schon positiven prognostizierten Entwicklung für die kommunale Ebene kommen noch die Sonderhilfen, für die es aus Sicht des Landesrechnungshofes keine nachvollziehbaren Gründe gibt (vgl. Abbildung 14). 27 Abbildung 14: Kommunale Einnahmen aus KFA, Gemeindesteuern und Sonderhilfen, 2013-2018, in Mio. Euro 1.200 1.000 in Mio. Euro 800 KFA Gem eindes teuern 100 Mio-Paket Hilfe 160 Mio. 600 400 200 0 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Quelle: Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern; eigene Berechnungen. Schon der anteilige Rückgang der Solidarpaktmittel (-150 Mio. Euro) wird für die Kommunen durch den aktuellen kommunalen Finanzausgleich fast vollständig kompensiert. Hinzu kommen die kommunalen Steuermehreinnahmen. Diese übersteigen 2018 erstmals die zugewiesenen Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich. Während das Land so gut wie keine Steuerautonomie besitzt, können die Kommunen insbesondere durch die Festlegung der Realsteuerhebesätze ihre eigenen Einnahmen signifikant beeinflussen. Tabelle 6: Einnahmen aus der Grundsteuer A und B im Vergleich der Flächenländer, 2011-2013, in Euro je Einwohner BB MV SN ST TH NI RP SL SH FO FFW in Euro je Einwohner 2011 101 102 116 101 94 155 121 114 137 105 140 2012 102 104 118 103 98 161 127 116 140 107 146 2013 104 110 118 107 102 165 130 119 142 109 149 Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen. (54) Dass dies möglich ist, zeigt die Einnahmeentwicklung aus der Grundsteuer A und B. Deutlich ersichtlich ist noch immer die relative Steuerschwäche der Kommunen der ostdeutschen Länder (vgl. Tabelle 6). Während sie aus den Grundsteuern A und B ein Pro-Kopf-Aufkommen von 109 Euro vereinnahmen konnten, lag der Wert der finanzschwachen Westflächenländer bei 149 Euro. Die westdeutschen Vergleichskommunen nahmen somit 39 Euro je Kopf 28 mehr ein als die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Abstand jedoch um drei Euro verringert. Durch die unterschiedlichen Bewertungsvorschriften in Ost- und Westdeutschland ist die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer B in Ostdeutschland grundsätzlich niedriger. Sollen gleiche Pro-Kopf-Einnahmen erreicht werden, müssen die Hebesätze in Ostdeutschland zwangsläufig regelmäßig höher sein. Daher sind die Hebesätze aus der Grundsteuer B noch weiter deutlich zu erhöhen (vgl. Tabelle 7).18 Tabelle 7: Gewogene durchschnittliche Hebesätze der Grundsteuer A und B im Vergleich der Flächenländer, 2013, in v. H. BW BY BB HE MV NI NW RP SL SN ST SH TH Hebesatz in v. H. Grundsteuer A 352 342 284 310 276 363 250 305 256 307 308 301 286 Grundsteuer B 386 385 389 381 400 409 496 373 359 484 399 363 407 Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14, Reihe 10.1; eigene Berechnungen. Des Weiteren sollte das Land sich um eine Weiterentwicklung der für die Kommunen wichtigen Besteuerung der Einwohner (Grundsteuer B) bemühen, um den Kommunen zum einen Einnahmepotenziale zu eröffnen und zum anderen das Recht zu geben, eine beständige und zukunftsfeste Steuer zu erheben.19 In der nachstehenden Tabelle 8 sind die Einnahmen der Kommunen aus der Grundsteuer A in Euro je Landwirtschaftsfläche (km²) dargestellt, um die Einnahmepotenziale der Grundsteuer A weiter zu verdeutlichen. Die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns bilden im Ländervergleich mit den Kommunen von Brandenburg gemeinsam die Schlusslichter. Tabelle 8: Einnahmen aus der Grundsteuer A im Vergleich der Flächenländer, 2012, in Euro je genutzter Landwirtschaftsfläche (km²) 20 BB MV SN ST TH NI RP SL SH FO FFW 2.270 1.194 1.894 1.334 2.230 in Euro je km² 2012 932 985 1.406 1.791 1.258 2.388 Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK und Fachserie 3, Reihe 5.1; eigene Berechnungen. 18 19 20 Tendenziell korreliert die Höhe der Hebesätze mit der Größe der Gemeinden. Es ist daher möglich, dass größere Städte unter Umständen wegen ihres überdurchschnittlichen Finanzbedarfs ungleich höhere ProKopf-Einnahmen generieren müssen, als die in der Tabelle 6 angegebenen Werte. Siehe dazu auch Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2011 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2011, S. 32. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Kommunalfinanzberichtes 2014 lagen noch keine Daten für die genutzte Landwirtschaftsfläche für das Jahr 2013 vor. 29 Damit lässt sich die Aussage zusätzlich stützen, dass das Einnahmepotenzial der Grundsteuer A durch die Gemeinden Mecklenburg-Vorpommern nicht ausgeschöpft wird. Die Gemeinden Schleswig-Holsteins haben pro 100 ha annähernd doppelt so hohe Einnahmen. Die geringen Einnahmen stehen im Widerspruch zu der hohen Produktivität der Landwirtschaft hierzulande. Der Landesrechnungshof sieht hier weiterhin Handlungsbedarf in Form einer deutlichen Hebesatzsteigerung der Grundsteuer A. (55) Tabelle 9 stellt die Pro-Kopf-Einnahmen aus der Gewerbesteuer im Vergleich der Flä- chenländer dar. Der Abstand der Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns zu denen der finanzschwachen westdeutschen Länder hat sich im Jahr 2013 erneut vergrößert und lag bei rd. 206 Euro je Einwohner. Somit hat er sich im Vergleich zum Vorjahr nochmals um 29 Euro je Einwohner erhöht. Bemerkenswert ist dabei auch, dass die ostdeutschen Vergleichskommunen signifikant höhere Einnahmen aus der Gewerbesteuer verzeichnen können, obwohl sie tendenziell gleiche ökonomische Rahmenbedingungen aufweisen. Tabelle 9: Einnahmen aus der Gewerbesteuer im Vergleich der Flächenländer, 2011-2013, in Euro je Einwohner BB MV SN ST TH NI RP SL SH FO FFW in Euro je Einwohner 2011 243 214 310 277 256 450 413 456 377 277 428 2012 270 230 320 291 281 513 463 378 374 295 466 2013 296 253 325 291 297 485 460 393 408 306 459 Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen. (56) Ein maßgeblicher Grund für diese Einnahmedisparitäten ist das unzureichend ausge- schöpfte Einnahmepotential bei der Gewerbesteuer. Dies wird beim Blick auf die Streuung innerhalb der Gemeinden der ostdeutschen Länder deutlich (vgl. Abbildung 15). 30 Abbildung 15: Streuung der gewogenen Hebesätze der Gewerbesteuer im Ländervergleich, 2013, in v. H. Anteil der Gemeinden je Hebesatzgruppe 80% BB 70% MV SN ST TH 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 1–250 251–275 276–300 301–325 326–350 351–375 376–400 401–500 Über 500 gew ogene Gew erbesteuerhebesätze in v.H. Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14, Reihe 10.1; eigene Berechnungen. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Gewerbesteuersätze in Mecklenburg-Vorpommern gestiegen. Während 2012 rund 71 Prozent der Kommunen einen Hebesatz von lediglich bis zu 300 v. H. hatten, waren es im Jahr 2013 nur noch rund 50 Prozent. Im Ländervergleich weist das Land aber dennoch die größte Ballung von Kommunen in diesem Hebesatzbereich auf. Die Kommunen in Brandenburg (rd. 34 Prozent), Sachsen-Anhalt (rd. 22 Prozent), Thüringen (rd. 7 Prozent) und Sachsen (rd. 0,5 Prozent) setzten derartige Hebesätze seltener fest. Somit ist weiterhin zu erkennen, dass die Häufung der Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns im Hebesatzbereich von bis zu 300 v. H. problematisch ist. Bei dieser Thematik wäre eine Untersuchung eines möglichen kausalen Zusammenhangs zwischen der Kleingliedrigkeit und der Festsetzung niedriger Realsteuer-Hebesätze von Interesse. Das Innenministerium verweist darauf, dass die der Gewerbesteuererhebung zugrundeliegenden Steuermessbeträge je Einwohner betrachtet werden müssten. Diese lägen bei rd. 50 Prozent des Durchschnitts aller Flächenländer. Selbst im Ostländervergleich haben die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns die niedrigsten Werte. Der Landesrechnungshof verkennt diesen Sachverhalt nicht, der u. a. auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Landes zurückzuführen ist. Die Streuung der gewogenen Hebesätze der Gewerbesteuer in Abbildung 15 zeigt jedoch, dass auch die Festlegung der Hebesätze am unteren Ende der Skala erfolgt. In Kombination mit den niedrigen Steuermessbeträgen sind so 31 verbesserte Einnahmen bzw. ein Annähern an das Niveau der Kommunen der ost- und westdeutschen Vergleichsländer nicht zu erreichen. (57) Dies zeigt, dass in Mecklenburg-Vorpommern noch weitere Potenziale für Hebesatzer- höhungen existieren, ohne einen Standortnachteil für die hiesigen Unternehmen befürchten zu müssen. Aufgrund der möglichen Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer ist dabei mindestens ein Hebesatz von 400 v. H. festzusetzen. Die hebesatzberechtigten Gemeinden müssen bei der Hebesatzfestlegung berücksichtigen, dass durch die Anhebung des Anrechnungsfaktors auf 3,8 in § 35 Einkommensteuergesetz (EStG) seit dem Veranlagungszeitraum 2008 für Einzelunternehmen und Personengesellschaften bei einem Hebesatz bis zu 400 v. H. im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung in der Regel eine vollständige Entlastung von der Gewerbesteuer erreicht werden kann. (58) Die Tabelle 10 zeigt die Ausgaben der Kommunen im Benchmarkvergleich. Deutlich ersichtlich ist, dass die hiesigen bereinigten Pro-Kopf-Ausgaben mit 2.278 Euro rd. 2,9 Prozent über denen der finanzschwachen Westflächenländer bzw. rd. 5,5 Prozent höher als in den übrigen ostdeutschen Flächenländern lagen. Hochgerechnet auf die Einwohnerzahl des Landes ergeben sich hieraus für 2013 gegenüber den beiden Benchmarks Ausgabenüberhänge von rd. 111 Mio. bzw. 207 Mio. Euro. 32 Tabelle 10: Ausgaben der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 2013, in Euro je Einwohner Bevölkerung am 30. Juni 2013 MV FFW FO 1.596.899 15.577.609 10.901.744 Ausgabenart Ausgaben der laufenden Rechnung Mehr-(+)/Minderausgaben(-) in Euro je Einwohner FFW FO in Mio. Euro 2.278 2.094 2.045 293 372 Personalausgaben 609 621 680 -19 -114 Laufender Sachaufwand 623 486 502 219 193 davon Verwaltungs- und Betriebsaufwand 483 398 401 136 131 davon Erstattungen an andere Bereiche, Zuschüsse an übrige Bereiche, weitere Finanzausgaben 140 88 101 83 62 39 57 29 -28 16 Allgemeine Zuweisungen und Zuschüsse 358 465 308 -171 79 Sonstige Zuweisungen und Zuschüsse für laufende Zwecke 232 265 354 -53 -195 Sozialausgaben 743 670 519 116 358 Ausgaben der Kapitalrechnung 191 305 294 -182 -165 147 241 254 -149 -170 18 37 33 -30 24 Gewährung von Darlehen 1 13 4 -19 -5 Erwerb von Beteiligungen, Kapitaleinlagen 2 17 8 -24 -10 2.469 2.399 2.339 111 207 darunter: Zinsausgaben darunter: Sachinvestitionen Zuweisungen und Zuschüsse für Investitionen Bereinigte Ausgaben Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen. (59) Dies korrespondiert mit den vergleichsweise höheren konsumtiven Ausgaben. Während die hiesigen Kommunen insgesamt 2.278 Euro je Einwohner für laufende Aufwendungen ausgaben, war der Wert für die Kommunen der anderen ostdeutschen Länder mit 2.045 Euro je Einwohner deutlich geringer. Auch die Kommunen der finanzschwachen Westflächenländer gaben mit 2.094 Euro pro Kopf weniger aus. Dies hatte rechnerische Mehrausgaben zwischen 293 Mio. Euro (FFW) und 372 Mio. Euro (FO) zur Folge. (60) Vor allem zu den Kommunen der FO fallen höhere Ausgaben beim laufenden Sachauf- wand (+193 Mio. Euro) und die hochgerechneten Mehrausgaben im Sozialbereich (+358 Mio. Euro) ins Gewicht. Bemerkenswert ist dabei, dass sich der Ausgabenüberhang im Sozialbereich im Vergleich zum Vorjahr nochmals deutlich erhöht hat. In Abbildung 16 ist die Entwicklung der auf die kommunale Ebene Mecklenburg-Vorpommerns hochgerechneten Mehrausgaben im Bereich Sozialleistungen gegenüber den FO und FFW im Zeitverlauf abgebildet. Während 2006 noch ein Ausgabenüberhang zu den Kommunen der ostdeutschen Länder von rd. 276 Mio. Euro zu verzeichnen war, stieg dieser 2010 um rd. 33 44 Mio. Euro auf 320 Mio. Euro. Dieser Entwicklung folgend erhöhten sich die Mehrausgaben in 2013 auf rd. 358 Mio. Euro. Dies entspricht einem Anstieg von rd. 30 Prozent. Im Gegensatz dazu haben sich die rechnerischen Mehrausgaben im Vergleich zu den Kommunen der FFW seit 2006 nahezu halbiert. Abbildung 16: Rechnerischer Ausgabenüberhang im Sozialbereich Mecklenburg-Vorpommerns gegenüber FO und FFW, 2006-2013, in Mio. Euro 400 350 in Mio. Euro 300 250 Rechn. Mehrausgaben ggü. FO Rechn. Mehrausgaben ggü. FFW 320 325 320 291 280 276 358 345 214 200 179 154 150 134 119 133 135 117 100 50 0 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen. (61) Losgelöst von der Frage, ob die Ausgabenunterschiede Folge der sozioökonomischen Rahmenbedingungen, auf vermeidbare Steuerungs- und Kontrolldefizite oder auf Ineffizienzen bei der Leistungsgewährung zurückzuführen sind oder auf Unterschiede in der Aufgabenverteilung und Finanzierungsträgerschaft zwischen den einzelnen Ländern und deren Kommunen beruhen, kann die Entwicklung als Indiz gewertet werden, dass es Effizienzreserven im kommunalen Sozialbereich Mecklenburg-Vorpommerns gibt. Der Landesrechnungshof hat infolgedessen bei Prof. Dr. Martin Junkernheinrich (TU Kaiserslautern) ein Kurzgutachten beauftragt, um die Mehrausgaben bei den kommunalen Sozial- und Jugendhilfeausgaben in Mecklenburg-Vorpommern und im Ländervergleich weitergehend zu analysieren (vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt III.1). (62) Neben den geringeren Sachinvestitionen (-170 Mio. Euro) sind insbesondere die Perso- nalausgaben (-114 Mio. Euro) im Vergleich zu den FO auffällig. Während die geringe Investitionstätigkeit kritisch zu bewerten ist, müssen die Personalminderausgaben differenziert betrachtet werden. Die im Ländervergleich unterdurchschnittlichen Ausgaben sind auf den ersten Blick 34 positiv zu beurteilen. Allerdings können diese auch auf vermehrte Ausgliederungen aus dem kommunalen Kernhaushalt und zunehmender Übertragung von öffentlichen Aufgaben auf Fonds, Einrichtungen und Unternehmen mit eigenen Rechnungswesen (FEU) zurückzuführen sein. (63) Hinzu kommt, dass die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns den mit Blick auf den durchschnittlichen Stellenbestand der westlichen Flächenländer erforderlichen Personalabbau nicht in gleicher Intensität vorgenommen haben wie das Land Mecklenburg-Vorpommern (vgl. Abbildung 17). Abbildung 17: Aktives Personal im Kernhaushalt der Gemeinden/Gv. und des Landes MecklenburgVorpommern, 2004-2013, in VZÄ Land 45.000 Gemeinden/Gv . 40.000 35.000 in VzÄ 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Quelle: ZDL; eigene Berechnungen. Seit dem Personalkonzept 2004 baute das Land rd. 30 Prozent der Stellen (VZÄ) ab, die Kommunen jedoch nur knapp 13 Prozent (ohne Auslagerungen). Das Finanzministerium verweist in seiner Stellungnahme auf die Auslagerungen aus den Kernhaushalten von Land und Kommunen, was die Aussagen zur dargestellten Entwicklung beeinflussen könnte. So seien mit der Auslagerung des Hochschulbereichs aus dem Kernhaushalt eine Verlagerung von 3.000 VZÄ in die Extrahaushalte verbunden gewesen. Die Daten für Kern- und Extrahaushalte werden allerdings von der ZDL nur für die Jahre 2011-2013 zur Verfügung gestellt. Eine Analyse der Daten für diesen Zeitraum ergibt jedoch, dass die Anzahl der VZÄ in Kern- und Extrahaushalten der Kommunen um 3,0 Prozent an- 35 steigt, die des Landes um 4,3 Prozent sinkt. Eine etwaige Betrachtung von weiter zurückliegenden Sondereffekten ist anhand der vorliegenden Daten nicht möglich. Das Land und die Kommunen sind im Hinblick auf das Jahr 2020 gehalten, an einem Strang zu ziehen, um die bestehenden Handlungsbedarfe zu bewältigen. (64) Schon im Vorjahresbericht wurde auf den sehr geringen Eigenbeitrag der Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern zur Finanzierung von Sachinvestitionen hingewiesen, der aus der Gegenüberstellung von Sachinvestitionen und Vermögensübertragungen vom Land ersichtlich wird (vgl. dazu nochmals Tabelle 5). Für die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns ergibt sich ein Saldo von 9 Euro je Einwohner, für die Kommunen der finanzschwachen Westflächenländer ein Saldo von 195 Euro je Einwohner. Dies weist auf eine verfehlte Förderpolitik des Landes hin, da es Investitionsprojekte in der Regel mit so hohen Förderquoten fördert, dass Kommunen kaum einen Eigenanteil zu leisten haben. Die ersparten Eigenanteile stehen den Kommunen daher für konsumtive Zwecke zur Verfügung. (65) Die Ausgabenüberhänge im konsumtiven Bereich, die Eigenfinanzierungsschwäche und auch die geringe Investitionstätigkeit im Vergleich zu den Kommunen der finanzschwachen Westflächenländer und den übrigen ostdeutschen Ländern zeigen den signifikanten Konsolidierungsbedarf der hiesigen Kommunen. (66) Die kommunale Ebene Mecklenburg-Vorpommerns weist trotz deutlich überdurch- schnittlicher Pro-Kopf-Einnahmen erhebliche strukturelle Defizite auf. Mitursächlich dafür sind die vergleichsweise sehr hohen laufenden Ausgaben. Diese sind jedoch vor allem im Bereich der kommunalen Sozialausgaben teilweise sozioökonomisch und bundesgesetzlich determiniert. Infolgedessen ist es wichtig, alle Effizienzreserven bei den beeinflussbaren Ausgaben auszuschöpfen. Ziel sollte sein, zum Teil unvermeidbare Mehrausgaben gegenüber den Referenzländern durch Minderausgaben an anderer Stelle weitestmöglich zu kompensieren. Möglich ist dies insbesondere beim laufenden Sachaufwand. 4 Kommunale Verschuldung (67) Am 31.12.2013 verzeichneten die Gemeinden und Gemeindeverbände in Mecklenburg- Vorpommern mit 1.532 Euro je Einwohner den höchsten Schuldenstand 21 unter den ostdeut21 36 Gemessen als Summe der Schulden beim nicht-öffentlichen und öffentlichen Bereich. schen Ländern. Die geringsten Pro-Kopf-Schulden liegen in den Gemeinden in Brandenburg (907 Euro je Einwohner) vor. Bei den Kassenkrediten im nichtöffentlichen Bereich hat Mecklenburg-Vorpommern (398 Euro je Einwohner) nach Sachsen-Anhalt (463 Euro je Einwohner) im ostdeutschen Vergleich den zweithöchsten Bestand. (68) Diese Werte stellen den Schuldenstand des kommunalen Gesamthaushalts dar. Es wer- den dementsprechend neben den Schulden des Kernhaushalts ebenfalls die Schulden der kommunalen Extrahaushalte, also der Ausgliederungen mit eigenem Rechnungswesen (öffentliche Fonds, Einrichtungen und Unternehmen) berücksichtigt. Auch wenn diese nicht dem Kernhaushalt zugeschlagen werden, sind diese Verbindlichkeiten den Extrahaushalten der Kommunen zugeordnet. Die Verschuldung des öffentlichen Gesamthaushalts zeichnet somit ein nicht verzerrtes, ganzheitliches Bild der kommunalen Verbindlichkeiten.22 Tabelle 11: Schuldenstand der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 31.12.2013, in Euro je Einwohner23 Schulde n be im öffe ntliche n und nicht-öffe ntliche n Be re ich Stand 31.12.2013, in Euro je EW Rang Kas s e nk re dite be im nicht-öffe ntliche n Be re ich durchschnittliche Stand 31.12.2013, Veränderung 2010in Euro je EW 2013, p.a. Rang durchschnittliche Veränderung 2010-2013, p.a. MV 1.532 5 Flächenländer Ost -0,2% 398 4 +9,2% FO 1.463 - +3,5% 255 - +5,6% BB 907 1 -1,2% 321 3 +4,3% SN 1.209 2 +10,4% 26 1 +31,7% ST 1.428 3 -3,6% 463 5 +2,6% TH 1.468 4 +10,0% 93 2 +7,8% +0,5% finanzschw ache Flächenländer West FFW 2.152 - +2,6% 794 - NI 1.654 2 -1,7% 474 2 -8,1% RP 3.239 3 +5,3% 1.496 3 +4,7% SL 3.318 4 +6,5% 1.949 4 +6,6% SH 1.574 1 +6,3% 271 1 +6,2% Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen. 22 23 Die erweiterte Darstellung der „Schulden des öffentlichen Gesamthaushaltes“ ist in fortschreitenden Aus gliederungen aus den Kernhaushalten und zunehmender Übertragung von öffentlichen Aufgaben nebst ihrer Schulden auf Fonds, Einrichtungen und Unternehmen mit eigenem Rechnungswesen (FEU) begründet. Dabei wird keine Unterscheidung hinsichtlich der „Rentierlichkeit“, zum Beispiel ob die Kreditaufnahme durch profitabel wirtschaftende kommunale Unternehmen oder den Kernhaushalt erfolgt, der aufgenomme nen Verbindlichkeiten vorgenommen. Das Statistische Bundesamt hat die Schuldenstatistik seit dem Berichtsjahr 2010 geändert. Bei den aufgenommenen Krediten wird nunmehr zwischen „Krediten beim nicht-öffentlichen Bereich“ und „Krediten beim öffentlichen Bereich“ unterschieden. „Der Begriff Kreditmarktschulden wird ab dem Berichtsjahr 2010 nicht mehr verwendet und ist mit dem neuen Begriff ‚Kredite beim nicht-öffentlichen Bereich‘ nur eingeschränkt vergleichbar. Die ‚Schulden beim nicht- öffentlichen Bereich‘ umfassen dabei neben allen Wertpapierschulden die Kredite beim nicht-öffentlichen Bereich sowie die Kassenkredite beim nicht-öffent lichen Bereich.“ (vgl. Statistisches Bundesamt (2014): Fachserie 14 Reihe 5). 37 (69) Die kommunale Ebene in Mecklenburg-Vorpommern konnte seit der Änderung der Schuldenstatistik im Jahr 2010 die Pro-Kopf-Verschuldung im jährlichen Durchschnitt um 0,2 Prozent nur geringfügig senken. Sachsen-Anhalt (-3,6 Prozent) und Brandenburg (-1,2 Prozent) können größere Konsolidierungserfolge verzeichnen. In Sachsen und Thüringen ist der Schuldenstand jedoch im beobachteten Zeitraum hingegen durchschnittlich um 10,4 bzw. 10,0 Prozent im Jahr angestiegen. (70) Die Entwicklung der Kassenkredite der Gemeinden und Gemeindeverbände in Meck- lenburg-Vorpommern ist weiterhin ansteigend. Kassenkredite dürfen nur zur vorübergehenden Überbrückung von Liquiditätsengpässen verwendet werden. Eine dauerhafte Nutzung zur Finanzierung von laufenden Ausgaben ist nicht gestattet. Seit der Umstellung der Schuldenstatistik im Jahr 2010 werden auch Kassenkredite zum offiziellen Schuldenstand des öffentlichen Haushalts gezählt. Zuvor wurden sie nur nachrichtlich nachgewiesen. In Abbildung 18 ist die Entwicklung der Kassenkredite der hiesigen Gemeinden24 beim nicht-öffentlichen und öffentlichen Bereich seit 2010 dargestellt25. Abbildung 18: Kassenkredite beim nicht-öffentlichen und öffentlichen Bereich der Gemeinden/Gv. Mecklenburg-Vorpommerns, in Mio. Euro 800 700 beim nicht-öffentlichen Bereich beim öffentlichen Bereich 600 in Mio. Euro 500 638,4 630,1 549,2 503,8 400 300 200 100 8,8 5,6 0 2010 2011 10,2 2012 32,4 2013 Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14 Reihe 5; eigene Berechnungen. Der gesamte Kassenkreditbestand zum Jahresende 2013 betrug rd. 670 Mio. Euro. Davon entfielen 638,4 Mio. Euro auf den nicht-öffentlichen Bereich. Im Vergleich zum Vorjahr ist dieser 24 25 38 Daten umfassen die Kassenkredite der Kern- und Extrahaushalte. Aufgrund der Umstellung der Schuldenstatistik ist in der Zeitreihe ab 2010 ein struktureller Bruch vorhan den, weshalb die Werte der Jahre ab 2010 nicht mit denen der Vorjahre verglichen werden können. um 8,3 Mio. Euro bzw. 13,2 Prozent angestiegen. Die Kassenkredite beim öffentlichen Bereich machen mit 32,4 Mio. Euro nur einen sehr geringen Anteil am Gesamtbestand aus. Im Vorjahresvergleich fällt der Anstieg mit 218 Prozent jedoch sehr stark aus. Das Innenministerium legt in seiner Stellungnahme dar, dass der Zuwachs der Kassenkredite beim öffentlichen Bereich im kreisangehörigen Raum der „der zunehmend korrekten Abbildung der Finanzbeziehungen...bei den Ämtern geschuldet“ sei. Der Landesrechnungshof sieht mit Sorge, dass die Ämter in der Vergangenheit ihre Finanzsituation nicht korrekt dargelegt haben und diese sogar in der Gegenwart nicht vollständig korrekt abbilden. Er erwartet, dass umgehend dafür Sorge getragen wird, ein zutreffendes Bild der Finanzsituation der Ämter zu gewährleisten. (71) Innerhalb der kommunalen Ebene teilt sich der Kassenkreditbestand vor allem auf die kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte auf. Insbesondere die Hansestadt Rostock (158,2 Mio. Euro), die Landeshauptstadt Schwerin (125,9 Mio. Euro) und die Stadt Neubrandenburg (87,4 Mio. Euro) häuften immense Kassenkredite zum 31.12.2013 an. Aber auch auf der Kreisebene sind zum Teil hohe Volumina entstanden, insbesondere beim Landkreis Vorpommern-Greifswald (144,3 Mio. Euro). (72) Die aufgezeigte Entwicklung unterstreicht, dass Kassenkredite von den Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern nicht nur zur Überbrückung von kurzfristigen Liquiditätsbedarfen, sondern auch zur rechtlich unzulässigen Finanzierung von Haushaltsfehlbeträgen genutzt werden. Die Rechtsaufsbehörden sind weiterhin gefordert, ihre aufsichtsrechtlichen Maßnahmen diesbezüglich zu intensivieren. (73) In Abbildung 19 ist der Schuldenstand der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte sowie der Landkreise unterteilt in die Schulden des Kernhaushalts und der Extrahaushalte abgebildet. 39 Abbildung 19: Schuldenstand der Kern- und Extrahaushalte der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte, 31.12.2013, in Euro je Einwohner Hansestadt Wismar Neubrandenburg Landeshauptstadt Schw erin städtischer Durchschnitt Hansestadt Stralsund Hansestadt Rostock Hansestadt Greifsw ald Vorpommern-Greifsw ald Mecklenburgische Seenplatte Vorpommern-Rügen Landkreisdurchschnitt Schulden Eigenbetriebe Schulden Kernhaushalt Nordw estmecklenburg Ludw igslust-Parchim Rostock 0 500 1.000 1.500 in Euro je EW 2.000 2.500 3.000 3.500 4.000 Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern; eigene Berechnungen. Es ist erkennbar, dass ein deutlicher Niveauunterschied zwischen den Städten und den Landkreisen existiert. In der Gruppe der kreisfreien und kreisangehörigen Städte ist die Hansestadt Wismar mit 3.760 Euro je Einwohner am höchsten verschuldet, während in der Hansestadt Greifswald die Pro-Kopf-Verschuldung lediglich bei 1.171 Euro je Einwohner liegt. Auf der Kreisebene hat der Landkreis Vorpommern-Greifswald mit 2.304 Euro je Einwohner die höchsten Verbindlichkeiten. Der Landkreis Rostock hingegen ist nur mit 1.176 Euro je Einwohner verschuldet. (74) Mit der Einführung des NKHR-MV sind die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns verpflichtet, die Schulden der ausgelagerten kommunalen Betriebe und Unternehmen im Rahmen des kommunalen Gesamtabschlusses abzubilden. Die einwohnerbezogene Verschuldung der Extrahaushalte der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte in Mecklenburg-Vorpommern ist in Abbildung 20 veranschaulicht. 40 Abbildung 20: Schuldenstand der Extrahaushalte der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte, 31.12.2013, in Euro je Einwohner Neubrandenburg 1.539 Hansestadt Wismar 1.082 Landeshauptstadt Schw erin 583 Hansestadt Rostock 462 Hansestadt Greifsw ald 371 Hansestadt Stralsund 4 0 200 400 600 800 1.000 1.200 in Euro je EW 1.400 1.600 1.800 Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern. Zwischen den einzelnen Städten wird eine große Divergenz ersichtlich. Teilweise haben die Schuldenstände ein bedrohliches Niveau angenommen. So weisen Neubrandenburg mit 1.539 Euro je Einwohner und die Hansestadt Wismar mit 1.082 Euro je Einwohner zum 31.12.2013 die mit Abstand höchste Verschuldung außerhalb des Kernhaushalts auf. Die Hansestadt Stralsund mit ihren ausgelagerten Einheiten ist mit 4 Euro je Einwohner nahezu schuldenfrei. (75) Die höchst verschuldeten Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns sind in Abbildung 21 dargestellt. In der Gemeinde Lübesse ist jeder Einwohner statistisch mit 14.854 Euro verschuldet. Eine ebenfalls sehr hohe Pro-Kopf-Verschuldung haben die Kommunen Eggesin (12.955 Euro je EW), Lohme (11.048 Euro je EW) und Putgarten (10.912 Euro je EW). Diese hohen Schuldenstände sind insgesamt als sehr bedenklich einzustufen. 41 Abbildung 21: Schuldenstand der höchst verschuldeten Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns, 31.12.2013, in Euro je Einwohner Lübesse 14.854 Eggesin, Stadt 12.955 Lohme 11.048 Putgarten 10.912 Hohen Wangelin 9.330 Wiek 8.861 Neu Gaarz 7.612 Krien 5.699 Beggerow 5.496 Burow 5.144 0 2.000 4.000 6.000 8.000 in Euro je EW 10.000 12.000 14.000 16.000 Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern. Der Landesrechnungshof wird in seinen zukünftigen Kommunalfinanzberichten die Erhebungen des Statistischen Bundesamtes zur integrierten Verschuldung berücksichtigen, die zusätzlich das Vermögen bzw. die Finanzierbarkeit des Kapitaldienstes darstellen. Diese wurden erstmals im August 2014 veröffentlicht. 42 III. Aktuelle Themen 1 Analyse der kommunalen Sozialausgaben in Mecklenburg-Vorpommern und im Ländervergleich (76) Der Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern hat sich in der Vergangenheit wiederholt, intensiv und kritisch mit den kommunalen Sozialausgaben auseinandergesetzt. 26 Regelmäßig wurden für die Kommunen des Landes im Vergleich zu anderen Ländern deutlich höhere Sozialausgaben festgestellt. Auch eine konsolidierte Betrachtung der Sozialausgaben Mecklenburg-Vorpommerns für das Jahr 2007, bei der die jeweiligen sozialen Ausgaben eines Landes und dessen Kommunen zusammengefasst wurden und daher eine unterschiedliche Aufgaben- und Ausgabenverteilung keine Rolle spielte, ergab eine überdurchschnittliche Höhe der Sozialausgaben. Das Land und die kommunalen Landesverbände haben sich 2013 zu einer Arbeitsgruppe Jugend- und Soziallasten (AG Soziallasten) vereinbart, um festgestellte Auffälligkeiten im Sozialbereich weitergehend zu analysieren und auf mögliche Einsparungen bzw. Ausgabenreduzierungen in diesem Bereich hinzuwirken. Der Landesrechnungshof hat zugesagt, die Arbeit der AG, soweit möglich und gewünscht, zu unterstützen. Vor diesem Hintergrund hat der Landesrechnungshof bei Professor Dr. Martin Junkernheinrich (TU Kaiserslautern) ein Kurzgutachten für eine weitergehende Analyse in Auftrag gegeben, um die Struktur und Entwicklung der kommunalen Sozialausgaben aufzuzeigen und die Mehrausgaben im Sozialbereich zu untersuchen. Dieses ist Basis des nachfolgenden Abschnitts.27 Sowohl die angehörten Ministerien als auch die kommunalen Landesverbände begrüßen die Analyse der kommunalen Sozialaufgaben durch den Gutachter ausdrücklich. Sie erwarten von dessen Ergebnissen wichtige Erkenntnisse für die Arbeit der AG Soziallasten. Erste Ergebnisse des Kurzgutachtens wurden am 18.12.2014 bei der Sitzung der AG präsentiert. 26 27 Vgl. zum Beispiel Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2006): Jahresbericht des Landesrechnungshofes – Teil 1 – Kommunalbericht 2006, S. 26 ff. und Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpom mern (2011): Jahresbericht des Landesrechnungshofes – Teil 1 – Kommunalfinanzbericht 2011, S. 42 ff. Vgl. Junkernheinrich et al. (2014): Analyse der kommunalen Sozialausgaben in Mecklenburg-Vorpommern und im Ländervergleich. Finanzwissenschaftliches Kurzgutachten im Auftrag des Landesrechnungshofes Mecklenburg-Vorpommern. 43 (77) Um den Bereich der Sozialausgaben weitergehend zu analysieren, bieten sich verschie- dene statistische Zugänge bzw. Typen von Fiskalvergleichen an. • Vierteljährliche Kassenstatistik (GFK, Kassenstatistik): Über diesen Zugang werden auf Basis der kommunalen Finanzstatistik die wichtigsten Transferleistungen an die Leistungsberechtigten im Sozialbereich erfasst (Zugang 1). • Jahresrechnungsstatistik: In Erweiterung des ersten Zugangs wird der gesamte Produktbereich der Sozial- und Jugendhilfe über die Finanzrechnungsstatistik in den Blick genommen. Damit werden zusätzlich Aufwendungen für die Verwaltung des Sozialbereichs (zum Beispiel für Personal, Sachmittel etc.) sowie diejenigen Zahlungen erfasst, die nicht als Transfers an Leistungsberechtigte ausgezahlt werden, sondern als Zuweisungen bzw. Erstattungen an Einrichtungen des Sozial- und Jugendhilfebereichs fließen. Hierzu gehören auch Kosten der Förderung und Betreuung in Kindertagesstätten (Zugang 2). • Fachstatistik der Sozial- und Jugendhilfe: Mit Hilfe der Fachstatistiken der Sozial- und Jugendhilfe können neben den Aufwendungen auch die Leistungsberechtigten – die Zahl der Fälle – erfasst werden (Zugang 3). Mit den Zugängen 1 und 2 können Belastungsvergleiche durchgeführt werden. Der Zugang 3 hingegen ermöglicht einen Wirtschaftlichkeitsvergleich, indem „Fälle“ und „Kosten“ in Beziehung gesetzt werden. Die unterschiedlichen Zugänge und Vergleichstypen werden in diesem Abschnitt dargestellt. 1 Vorbemerkungen 1.1 Qualität der Daten (78) Das Statistische Bundesamt und die Statistischen Ämter der Länder weisen jedoch seit geraumer Zeit daraufhin, dass die Belastbarkeit sowohl der Kassen- als auch der Jahresrechnungs- und der Fachstatistik eingeschränkt sei.28 Im Besonderen gilt dies für einzelgemeindliche Daten. So beeinträchtigt die Umstellung des kommunalen Rechnungswesens in mehreren Bundesländern die Validität der Daten, da sich Änderungen am Erhebungsgegenstand, den Abgrenzungen sowie der Erhebungsmethode ergeben haben. In Mecklenburg-Vorpommern wer28 44 Vgl. Statistisches Bundesamt (2014): Vierteljährliche Kassenergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts Fachserie 14, Reihe 2, S. 10 und Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern (2013): Gemeindefinanzen (Vierteljahresstatistik) in Mecklenburg-Vorpommern 1.1 bis 31.12.2012, S. 3. den die Daten zusätzlich durch die Kreisgebietsreform und den damit verbundenen Zuordnungsproblemen beeinflusst. Die Kommunen hatten und haben offenbar Schwierigkeiten, die Daten für die neuen Gebietskörperschaften korrekt zu erheben und auszuweisen. Zudem wurden die einzelnen Statistiken nicht zeitgleich angepasst, was die Vergleichbarkeit und Kombinationsfähigkeit der einzelnen statistischen Quellen einschränkt. (79) Der Landesrechnungshof hat bereits in seinem Kommunalfinanzbericht 2013 ausführlich dargestellt, dass beispielsweise die GFK von Problemen betroffen ist. So wies die erstmalige Veröffentlichung der Zahlen für Mecklenburg-Vorpommern durch das Statistische Bundesamt im März 2013 einen negativen Finanzierungssaldo von 315 Mio. Euro aus. Nach der Korrektur der Daten durch das Statistische Amt Mecklenburg-Vorpommern im Juni 2013 wurde ein negativer Finanzierungssaldo von nur noch 41 Mio. Euro dargestellt. Beide Meldungen im März und im Juni basieren auf ein und denselben Datenmeldungen der Kommunen. Der Finanzierungssaldo hätte demnach nicht abweichen dürfen. Es ist offensichtlich, dass die Kommunen zunächst nicht korrekte Daten geliefert haben. Ob und inwieweit die Kommunen inzwischen ihren gesetzlichen Pflichten nachkommen und nunmehr korrekte Daten liefern, muss offen bleiben. (80) Auch die Fachstatistiken sind von nicht korrekten Datenmeldungen der Kommunen be- troffen. Der Landesrechnungshof hat bei seiner Prüfung der Hilfen zur Erziehung bei der Hansestadt Rostock29 festgestellt, dass die Belastbarkeit der Kinder- und Jugendhilfestatistik nicht durchgehend sichergestellt ist. Im Vergleich zur Landeshauptstadt Schwerin konnte zudem in Bezug auf Erziehungsberatungsstellen eine voneinander abweichende Datenmeldung nicht ausgeschlossen werden. Zugleich wurde gefordert, dass für interkommunale Vergleiche eine einheitliche Datenbasis unumgänglich ist.30 Bei der Prüfung der kommunalen Sozialausgaben des ehemaligen Landkreises Ostvorpommern gelangt der Landesrechnungshof zu der Erkenntnis, dass Daten bei der Bundesagentur für Arbeit und der Sozialagentur voneinander abwichen.31 Daher wurde die Forderung an die Landesregierung gerichtet, die Kommunen u. a. durch die Schaffung einer belastbaren Datengrundlage für interkommunale Vergleiche zu unterstützen.32 29 30 31 32 Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht des Landesrechnungshofes – Teil 1 – Kommunalfinanzbericht 2013, Tz. 217. Vgl. auch ebd., Tz. 240, Prüfung der Landeshauptstadt Schwerin – Hilfen zur Erziehung. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Jahresbericht des Landesrechnungshofes – Teil 1 – Kommunalfinanzbericht 2012, Tz. 301. ebd., Tz. 306. 45 Zusätzliche Probleme ergeben sich daraus, dass die Jugendhilfestatistik im Jahr 2007 neu konzeptioniert wurde. Verlässliche und vergleichbare Daten sind daher erst ab dem Jahr 2007 zu erwarten. Ferner wurden Unstimmigkeiten bei den Fallzahlen festgestellt. Teilweise ergaben die Summen von Fallzahlen von örtlichen und überörtlichen Trägern sowie differenziert nach Hilfen in und außerhalb von Einrichtungen nicht den Landeswert von Mecklenburg-Vorpommern. Tradiert unterschieden sich örtliche und überörtliche Träger im Wesentlichen danach, wer ambulante Hilfe und wer stationäre Hilfe leistet. Die Aufgabenverteilung lässt sich den Ausführungsgesetzen entnehmen.33 Bemerkenswert ist zudem, dass das Sozialministerium zum Beispiel im Bereich KdU eigene Erhebungen bei den Kommunen durchführt. Es ist davon auszugehen, dass auch das Ministerium die Datenqualität der amtlichen (Fach-)Statistik gegenwärtig für nicht ausreichend ansieht. (81) Trotz aller Einschränkungen ist dennoch davon auszugehen, dass die Daten der amtli- chen Statistik grundsätzlich ein zutreffendes Bild der finanziellen Lage vermitteln. Zumindest validere Daten liegen in Deutschland gegenwärtig nicht vor. Die Aussagekraft der dargestellten Daten steht jedoch bei einzelnen Aspekten unter Vorbehalt. Es ist denkbar, dass sich das hier aufgezeigte Bild anders darstellt, wenn die Validität der Daten erhöht wird. (82) Die Landesregierung sollte prüfen, gemeinsam mit der kommunalen Seite ein Projekt aufzusetzen, durch welches die Validität der kommunalen Zulieferung zur amtlichen Statistik und Fachstatistik durchgreifend erhöht wird. 1.2 Analysemethoden (83) Der Landesrechnungshof hat für seine Analyse und für sein Benchmarking in den vor- herigen Kommunalfinanzberichten überwiegend die vierteljährliche Kassenstatistik verwendet. Die Kassenstatistik ist die einzige Finanzstatistik, die mit hinreichender Aktualität verfügbar ist. Sie gibt bereits im März/April Auskunft über das jeweils vorangegangene Jahr. Darüber hinaus gibt sie einen präzisen Überblick über die Finanzsituation der betrachteten Gebietskörperschaftsebene. Für die Finanzkontrolle ist in erster Linie relevant, wie sich die Höhe der Ausgaben auf allen staatlichen Ebenen darstellt bzw. erklären lässt. Hierfür ist die Kassenstatistik (bzw. die GFK) das geeignete Instrument. Welche Mittel von welcher staatlichen Ebene zur 33 46 Vgl. Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII-AG M-V), Landesjugendhil feorganisationsgesetz (KJHG-Org M-V) und Gesetz zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II-AG M-V). Deckung dieser Ausgaben bereitgestellt werden, ist zunächst nachrangig. Die Ausgabengliederung der vierteljährlichen Kassenstatistik und auch der jährlichen Finanzrechnungsstatistik erlaubt die für die gesetzliche Aufgabe des Landesrechnungshofs notwendigen belastungsorientierten Fiskalvergleiche. Mithilfe vom Benchmarking lassen sich zusätzlich Auffälligkeiten aufdecken. Diese zeigen ansatzweise, in welchen Bereichen Potenzial für Effektivitäts- und Effizienzverbesserung vorhanden ist. Diese Statistik ist für den Landesrechnungshof ein wichtiges Instrument, um seine gesetzlich verankerte Kontrollfunktion ausüben zu können. Der Landesrechnungshof richtet auch seine Prüfungsplanung an derartigen Auffälligkeiten aus. Entsprechend der Aufbereitung der Kassenstatistik hat der Landesrechnungshof zumeist sogenannte Bruttoauszahlungen für soziale Transferleistungen analysiert. Auch in dem hier vorliegenden Bericht wurden in den vorangegangenen Abschnitten die Bruttoauszahlungen dargestellt (vgl. zum Beispiel Abschnitt II.3). (84) Als Besonderheit des länderübergreifenden Vergleichs von Sozialhilfedaten muss neben Unterschiedlichkeiten bei den Standards der Aufgabenerfüllung die unterschiedliche Arbeitsteilung innerhalb der Länder beachtet werden. Dort, wo die Länder die Aufgabe des überörtlichen Trägers wahrnehmen, muss dies beim Kommunalvergleich beachtet werden. Im Folgenden werden die Ergebnisse der o. g. statistischen Zugänge 1-3 dargestellt, die für den Sozialbereich in Mecklenburg-Vorpommern von Relevanz sind. 2 Zugang 1: Transferausgaben auf der Grundlage der Kassenstatistik (85) Der erste Zugang stellt einen Belastungsvergleich anhand der Ein- und Auszahlungs- konten der kommunalen Finanzstatistik dar. Diesen methodischen Ansatz hat der Landesrechnungshof in der Vergangenheit regelmäßig angewandt, um Auffälligkeiten von größeren Belastungsunterschieden aufzudecken. Gemessen an den Bruttoausgaben für soziale Leistungen zeigen sich seit 1991 in MecklenburgVorpommern Pro-Kopf-Werte, die immer über dem Durchschnitt der ostdeutschen Länder insgesamt liegen (vgl. Abbildung 22). 47 Abbildung 22: Brutto-Sozialausgaben in Mecklenburg-Vorpommern und im Länderdurchschnitt, Kernhaushalte, 1991-2012, in Euro je Einwohner 800 700 Mecklenburg-Vorpommern Westdt. Flächenländer Ostdt. Flächenländer 600 in Euro je EW 500 400 300 200 100 0 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung. Diese Abweichung ist im Zeitverlauf sogar noch deutlich angestiegen. Der überproportionale Anstieg hat zudem dazu geführt, dass Mecklenburg-Vorpommern ab 2005 sogar das Ausgabenniveau der westdeutschen Länder überschreitet. Das Sozialministerium weist darauf hin, dass der Aufgabenbereich der ehemaligen überörtlichen Sozialhilfe im Land seit 1992 fast vollständig und seit 2002 vollständig von den Kommunen durchgeführt werde. Zuweisungen hierfür nach dem Konnexitätsprinzip würden nichts an der Kommunalisierung der Aufgaben ändern. SGB II und SGB XII seien für den Ausgabenanstieg zum 01.01.2005 ursächlich, zudem sei „die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung aus dem Wohngeldgesetz in das SGB XII übernommen worden“. Der Landesrechnungshof merkt hierzu an, dass dies keine landesspezifische Besonderheit und die Durchführungskompetenz nur ein Aspekt der Aufgabenzuordnung ist. Mindestens genauso wichtig ist die Frage der Finanzierungskompetenz. Hierzu ist festzustellen, dass zum Beispiel der Freistaat Sachsen seine ehemaligen Landeshaushaltsmittel zur überörtlichen Sozialhilfe vollständig und zuzüglich eines Finanzpuffers in den kommunalen Finanzausgleich als allgemeine Deckungsmittel der Landkreise und kreisfreien Städte integriert hat. Diese finanzieren den ungedeckten Finanzbedarf des überörtlichen Trägers mit Umlagen und tragen daher die volle Finanzierung der Aufgabenwahrnehmung des überörtlichen Trägers. Chancen und Risiken aus der Aufgabenwahrnehmung gehen damit vollständig zugunsten bzw. zulasten kommunaler Kassen. Dies unterscheidet sich fundamental von der Ausgestaltung der Finanzierung in Meck48 lenburg-Vorpommern. Eine Kostenbeteiligung des Landes entlang der tatsächlichen Ausgabenentwicklung kann mit erheblichen Finanzierungsrisiken einhergehen, die im sächsischen Modell vermieden werden. Es sollte geprüft werden, ob die Anwendung eines solchen Modells in Mecklenburg-Vorpommern Vorteile bringen könnte. (86) Werden zu den Bruttoausgaben der Kassenstatistik die korrespondierenden Einnahmen hinzugerechnet, mindert sich tendenziell die kommunale Belastungssituation. 34 Dies gilt auch für Mecklenburg-Vorpommern. Netto betrachtet verläuft die Ausgabenentwicklung seit 2004 ähnlich dem Niveau der westdeutschen Länder, nicht mehr darüber (vgl. Abbildung 23). Dennoch ist weiterhin ein im Vergleich zu den übrigen ostdeutschen Kommunen überdurchschnittliches Ausgabenniveau deutlich erkennbar. Auch die kontinuierliche Abkoppelung vom ostdeutschen Niveau ist ersichtlich. Die Effekte der Teilkommunalisierung der überörtlichen Sozialhilfe werden offensichtlich neutralisiert. Auffällig sind an der Entwicklung der Nettobelastung durch Sozialausgaben aber zwei Aspekte. Zum einen begann die Abkoppelung Mecklenburg-Vorpommerns von den anderen ostdeutschen Ländern – gemessen an den Nettoausgaben – nicht erst 1996/97, sondern schon früher. Abbildung 23: Netto-Sozialausgaben in Mecklenburg-Vorpommern und im Länderdurchschnitt, Kernhaushalte, 1991-2012, in Euro je Einwohner 600 500 Mecklenburg-Vorpommern Westdt. Flächenländer Ostdt. Flächenländer in Euro je EW 400 300 200 100 0 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung. 34 Erstattungen durch Träger anderer sozialer Sicherungssysteme und durch Angehörige; keine staatlichen Ausgleichsleistungen. 49 Zum anderen ist die Entlastungswirkung, die im Zusammenhang mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe im Jahr 2005 in Ostdeutschland insgesamt sichtbar ist, in Mecklenburg-Vorpommern nicht eingetreten, was die Disparität nochmals verstärkt hat. (87) Im Jahr 2012 betrugen die kommunalen Netto-Sozialausgaben in Mecklenburg-Vor- pommern 506 Euro je Einwohner (vgl. Abbildung 24). Abbildung 24: Netto-Sozialausgaben nach Kassenstatistik in Mecklenburg-Vorpommern und im Ländervergleich, 2012, in Euro je Einwohner 612 Nordrhein-Westfalen Hessen Schlesw ig-Holstein Niedersachsen Mecklenburg-Vorpommern Rheinland-Pfalz Brandenburg Bayern Baden-Württemberg Saarland Sachsen Thüringen Sachsen-Anhalt Flächenländer insges. Westdt. Flächenländer Ostdt. Flächenländer 570 546 541 506 482 393 382 353 349 321 321 225 468 493 342 0 100 200 300 Euro je Einw ohner 400 500 600 700 Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung. Damit lagen die Netto-Sozialausgaben deutlich über dem Vergleichswert des Durchschnitts der ostdeutschen Flächenländer (OFL) von 342 Euro je Einwohner. Die Spanne der Netto-Sozialausgaben zwischen den Flächenländern ist nochmals deutlich größer. Am geringsten fällt die Sozialausgabenbelastung in Sachsen-Anhalt aus (225 Euro je Einwohner). Am höchsten ist sie in Nordrhein-Westfalen (612 Euro je Einwohner). Diese Spannweite wird maßgeblich durch die Aufgabenteilung zwischen Kommunen und Land bei den überörtlichen Trägern beeinflusst. Da die Aufgaben des überörtlichen Trägers in MecklenburgVorpommern teilkommunalisiert sind, können die Ausgaben der Kommunen höher ausfallen als in Sachsen-Anhalt, wo das Land diese Ausgaben im Rahmen der Sozialhilfefinanzierung direkt trägt. Es bedarf also einer Bereinigung um diesen Kommunalisierungsfaktor, um die Sozialausgaben – brutto wie netto – zwischen den Ländern vergleichen zu können. Ausgleichszahlungen, die zwischen Land und Kommunen fließen, sind bei den hier betrachteten Einzahlungen (Erstattungen für Transferleistungen) nicht gebucht. Daher ist eine Vertiefung des Belastungsvergleichs über die Analyse der Produktbereiche (Zugang 2) notwendig. 50 Die hier getroffenen Ausführungen zu den Unterschieden zwischen den einzelnen Ländern sowie die Folgerung nach notwendigen tiefergehenden Analysen werden auch vom Sozialministerium geteilt. Das Sozialministerium merkt ferner an, dass hier, aber auch in den weiteren Ausführungen, gerade wenn es um die Finanzierung geht, die Begriffe örtliche Träger und überörtlicher Träger missverständlich verwendet würden. In Mecklenburg-Vorpommern seien die Landkreise und kreisfreien Städte die örtlichen Träger der Sozialhilfe und der Kommunale Sozialverband der überörtliche Träger. Dass das Land über das Sozialhilfefinanzierungsgesetz für die ehemalige überörtliche Sozialhilfe Zuweisungen ausreiche, ändere daran nichts. Der Landesrechnungshof verweist hierzu auf seine Bemerkungen zu Tz. 85. 3 Zugang 2: Bruttoausgaben und Zuschussbedarfe der Finanzrechnungsstatistik (88) Wenngleich der Zugang zu den Sozialausgaben über die Auszahlungskonten auch eine fachspezifische Differenzierung erlaubt (zum Beispiel Kosten der Unterkunft, Sozialleistungen nach SGB VIII und SGB XII), so bietet der folgende Zugang über die Produktgruppen der kommunalen Finanzrechnungsstatistik eine tiefere Gliederung sowie die Erfassung aller Zahlungsströme neben den reinen Transferleistungen.35 Auch dieser Zugang kann wieder über Brutto- oder Nettoausgaben, hier als Zuschussbedarfe bezeichnet, gewählt werden. Die Zuschussbedarfe sind definiert als Auszahlungen (Ausgaben) abzgl. Einzahlungen (Einnahmen) und werden so genannt, weil sie durch allgemeine Deckungsmittel bezuschusst, d. h. finanziert werden müssen. (89) Der finanzielle Unterschied der Bruttoausgaben 2011 zwischen dem Zugang 1 über die sozialen Transferleistungen (1.133,9 Mio. Euro) und dem Zugang 2 über die Gesamtausgaben36 im Produktbereich Sozial- und Jugendhilfe (1.617,2 Mio. Euro) betrug 483,2 Mio. Euro. Hier fällt insbesondere die bei den Transferaufwendungen nicht enthaltene Position der Kindertageseinrichtungen (387,8 Mio. Euro) auf der Produktebene ausgabensteigernd auf. Bei den Netto-Sozialausgaben und den Zuschussbedarfen im Produktbereich ergibt sich aber ein umgekehrtes Bild: Der Zuschussbedarf nach Zugang 2 im Produktbereich (801,3 Mio. Euro) fiel um 35 36 Insofern sind hier auch Ausgleichsleistungen für kommunalisierte Aufgaben des überörtlichen Trägers er fasst, sofern diese nicht im Produktbereich 6 / Allgemeine Finanzwirtschaft gebucht werden, oder auch Kostenbeteiligungen örtlicher Sozialhilfeträger an Ausgaben eines überörtlichen Trägers in Zuständigkeit des Landes. Einschließlich Investitionsausgaben in Höhe von 35,9 Mio. Euro. 51 24,0 Mio. Euro geringer aus als der Betrag der Netto-Sozialausgaben im Transferbereich nach Zugang 1 (825,3 Mio. Euro). Die Beachtung der Einzahlungs- bzw. Finanzierungsseite ist für die Beurteilung der kommunalen Belastung daher von großer Bedeutung. Für politische Diskussionen ist somit von besonderer Wichtigkeit klarzustellen, welcher statistische Zugang verwendet wird, um Missverständnissen vorzubeugen. (90) Auch beim Zugang 2 wiesen die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern mit 988 Euro je Einwohner gemessen an den Bruttoausgaben einen um rd. 4,7 Prozent über dem ostdeutschen Durchschnitt liegenden Wert auf. Lediglich in Brandenburg wurde mit 1.140 Euro je Einwohner nochmals deutlich mehr ausgegeben (vgl. Abbildung 25). Abbildung 25: Bruttoausgaben und Zuschussbedarfe der Sozial- und Jugendhilfe in Mecklenburg-Vorpommern, ostdeutscher Ländervergleich, Gesamthaushalt, 2011, in Euro je Einwohner 523 Ostdt. Flächenländer 943 411 Thüringen 872 Bruttoausgaben 488 Sachsen-Anhalt 878 Zuschussbedarfe 585 Sachsen 881 575 Brandenburg 1.140 MecklenburgVorpommern 489 988 0 200 400 600 in Euro je EW 800 1.000 1.200 1.400 Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung. Die drei übrigen ostdeutschen Länder bewegten sich hingegen um rd. 110 Euro unter dem Wert von Mecklenburg-Vorpommern, wobei nur Sachsen hier annähernd vergleichbar ist, weil es den überörtlichen Träger der Sozialhilfe ebenfalls kommunalisiert hat. Wird der Blick auf die Zuschussbedarfe gelenkt, dann lag Mecklenburg-Vorpommern mit nur noch 489 Euro je Einwohner um 6,4 Prozent unter dem ostdeutschen Durchschnitt. Insofern spielt die Finanzierungsstruktur der Sozialhilfe für die kommunale Sozialbelastungsmessung eine erhebliche Rolle.37 37 52 Hier dürften die Ausgleichszahlungen des Landes an die örtlichen Sozialhilfeträger für die Wahrnehmung der Aufgaben des überörtlichen Trägers belastungssenkend wirken. (91) Die Bruttoausgaben im Sozial- und Jugendhilfebereich konzentrieren sich insbesondere auf vier Bereiche (vgl. Abbildung 26). Abbildung 26: Anteile ausgewählter Sozial- und Jugendhilfearten in Mecklenburg-Vorpommern am Sozialbereich Gesamthaushalt (brutto), 2011, in Prozent Bruttoausgaben Grundversorgung u. Leistungen nach SGB XII 8,2% Grundsicherungsleistungen nach SGB II 27,6% 24,0% 30,5% 9,8% Sonstige Einrichtungen zur Förderung junger Menschen und Familien Kindertageseinrichtungen insgesamt Sonstige Sozial- und Jugendhilfebereiche Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung. Die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II hatten 2011 darunter mit 30,5 Prozent den größten Anteil daran, gefolgt von den Leistungen nach dem SGB XII mit 27,6 Prozent, den Ausgaben der Kindertageseinrichtungen mit 24,0 Prozent und den sonstigen Leistungen zur Förderung junger Menschen und Familien mit 9,8 Prozent. Die Produktgruppen für das SGB XII sowie die Jugend- und Familienhilfe sind aber Aggregate einer Vielzahl unterschiedlicher Hilfen, die nur über die Fachstatistiken des Sozialbereichs tiefer analysiert werden können (Zugang 3). (92) Gemessen an den Zuschussbedarfen verschieben sich die Anteile der Sozial- und Ju- gendhilfebereiche erheblich. Aus der Perspektive der Sozialausgabenbelastung dominiert in Mecklenburg-Vorpommern die Grundsicherungsleistung nach dem SGB II mit 39,8 Prozent, was 319,2 Mio. Euro entspricht (vgl. Abbildung 27). 53 Abbildung 27: Anteile ausgewählter Sozial- und Jugendhilfearten in Mecklenburg-Vorpommern am Sozialbereich Gesamthaushalt (netto, Zuschussbedarfe), 2011, in Prozent Zuschussbedarf e 12,0% Grundversorgung u. Leistungen nach SGB XII 7,6% Grundsicherungsleistungen nach SGB II 23,3% 39,8% 17,3% Sonstige Einrichtungen zur Förderung junger Menschen und Familien Kindertageseinrichtungen insgesamt Sonstige Sozial- und Jugendhilfebereiche Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung. Wegen der unbedeutenden Einzahlungsseite wächst auch die Bedeutung der sonstigen Leistungen zur Förderung junger Menschen und Familien um 7,5 Prozentpunkte auf 17,3 Prozent an. Der geringere Anteil der Hilfen im SGB XII bei der Betrachtung der Zuschussbedarfe ergibt sich aus der Zuweisung zum Ausgleich der Aufgaben des überörtlichen Sozialhilfeträgers nach dem Sozialhilfefinanzierungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Ebenso verbuchen die Kindertageseinrichtungen erhebliche Einnahmen aus Landeszuweisungen und auch Elternbeiträgen, wodurch der geringere Anteil an den gesamten kommunalen Zuschussbedarfen gegenüber der Betrachtung der Bruttoausgaben erklärt werden kann. (93) In der Differenzierung nach Produktgruppen zeigt sich, dass die Kommunen in Meck- lenburg-Vorpommern mit Ausnahme des Bereichs Kindertageseinrichtungen in allen zentralen Produktbereichen überdurchschnittliche Bruttoausgaben je Einwohner aufweisen (vgl. Abbildung 28). Mit 37,8 Prozent überschreitet das Land bei den Leistungen nach dem SGB XII am stärksten den Durchschnitt der ostdeutschen Flächenländer. Da gerade hier aber auch erhebliche Ausgleichszahlungen vom Land für die Kommunalisierung des überörtlichen Sozialhilfeträgers erfolgen, ist die Nettobelastung deutlich geringer. Der Zuschussbedarf liegt nur bei knapp zwei Drittel des ostdeutschen Durchschnitts. Bei den nicht von der Arbeitsteilung zwischen Land und Kommunen betroffenen Produktgruppen verändert sich die Relation zum Durchschnitt beim Zuschussbedarf nur marginal. 54 Abbildung 28: Bruttoausgaben und Zuschussbedarfe der Sozial- und Jugendhilfe in Mecklenburg-Vorpommern, Gesamthaushalt, Ostdeutschland=100, 2011, in Prozent 88,7 Sonstige Sozialund Jugendhilfebereiche 107,7 Bruttoausgaben 76,5 Kindertageseinrichtungen Insgesamt 74,0 Sonstige Einrichtungen Zur Förderung junger Menschen und Familien 113,6 115,7 118,1 Grundsicherungsleistungen nach SGB II 112,7 63,3 Grundversorgung u. Leistungen nach SGB XII 137,8 0 20 40 60 in Prozent 80 100 120 140 160 Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung. Das Sozialministerium merkt an, dass eigene Auswertungen der Bundesstatistik für den Bereich des SGB XII für das Jahr 2011 ein Überschreiten des Durchschnitts von nur 19,3 Prozent ergeben hätten. (94) Von besonderem Interesse ist, wie stark der finanzielle Handlungsspielraum der Kom- munen durch die sozialen Aufgaben eingeschränkt wird (vgl. Abbildung 29). 35 40,9 40,5 41,1 2011 36,4 34,5 39,2 38,6 2010 36,4 45,0 45,6 44,0 2009 39,2 40 40,2 41,9 41,3 42,8 45 41,9 50 45,6 Abbildung 29: Anteile der Zuschussbedarfe „Soziales“ (PG 31 + 36) an den kommunalen Gesamtzuschussbedarfen, ostdeutsche Flächenländer, 2009-2011, in Prozent in Prozent 30 25 20 15 10 5 0 BB MV SN ST TH OFL Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung. 55 Bezogen auf die Zuschussbedarfe betrug der Anteil der Sozial- und Jugendhilfe an den Gesamtzuschussbedarfen in Mecklenburg-Vorpommern 2011 rd. 40 Prozent und lag damit im ostdeutschen Mittel. (95) Es kann konstatiert werden, dass die Sozialausgaben einen großen Anteil der kommu- nalen Ausgaben ausmachen und bundesweit ansteigen, wobei in Mecklenburg-Vorpommern 2002 ein sprunghafter Anstieg zu verzeichnen war. Dieser allein erklärt aber nicht die Abkopplung des Landes von der ostdeutschen Entwicklung und das Aufschließen zum westdeutschen Durchschnitt. Die Transferzahlungen sind in Mecklenburg-Vorpommern vergleichsweise hoch. Dies gilt insbesondere für die Brutto-Sozialausgaben. Am aktuellen Rand liegen die Pro-KopfWerte über dem Durchschnitt sowohl der ost- als auch der westdeutschen Länder. Für die kommunalen Netto-Sozialausgaben ist dies für die ostdeutschen Länder festzustellen. (96) Auch die tiefergehende Analyse der kommunalen Sozialausgaben mittels des Zugangs 2 über die Finanzrechnungsstatistik, die auch die Verwaltungsaufwendungen sowie die Einnahmen des Sozialbereichs berücksichtigt,38 zeigt somit, dass die Bruttoausgaben für Mecklenburg-Vorpommern höher sind als in den meisten anderen Bundesländern, nicht jedoch die Zuschussbedarfe. Zudem ergeben sich für die einzelnen Hilfearten und Sozialleistungen erhebliche Unterschiede. Hier bedarf es jeweils einer weitergehenden Untersuchung. Ansatzweise erfolgt dies nachfolgend durch den Wirtschaftlichkeitsvergleich mittels der Auswertung der Fachstatistiken (Zugang 3). Hier können die Falldichten (Anzahl von Hilfeempfängern je Einwohner) als Ausdruck des kostenrelevanten Problempotenzials identifiziert werden. Auch die Fallkosten können analysiert werden. 4 Zugang 3: Fallkosten nach der Fachstatistik (97) In diesem Abschnitt erfolgt nunmehr eine Verknüpfung von Fallzahlen und Sozialaus- gaben. Wie nachfolgend gezeigt wird, erklärt zum Teil eine höhere Falldichte die hohen Sozialausgaben. Dies kann grundsätzlich in den folgenden Bereichen festgestellt werden: 38 56 Die zum Teil niedrigen Verwaltungskosten hierzulande resultieren nicht automatisch aus einer effizienten Aufgabenwahrnehmung, sondern sind teilweise auf relativ niedrige Personalkosten zurückzuführen, welche auch dadurch, dass das Personal teilweise nicht über das notwendige Qualifikationsprofil verfügt. Dies ha ben mehrfach Prüfungen des Landesrechnungshofes gezeigt (vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2012 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2012, Tz. 289). • Grundsicherung nach dem SGB II (Kosten der Unterkunft), • Sozialhilfe nach dem SGB XII (Eingliederungshilfe für behinderte Menschen), • Sozialhilfe nach dem SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) und • Sozialhilfe nach dem SGB XII (Hilfe zur Pflege). In den einzelnen nachfolgend dargestellten Bereichen bestehen daneben zum Teil Auffälligkeiten, bei denen der Landesrechnungshof Handlungsbedarf sieht. 4.1 Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) (98) Im Bereich der Grundsicherung nach dem SGB II, hier abgebildet über die Kosten der Unterkunft, zeigt sich, dass Mecklenburg-Vorpommern mit einem Zuschussbedarf von 195 Euro je Einwohner (2011) um rd. 18 Prozent über dem ostdeutschen Mittel lag. Jedoch lag auch die Falldichte mit 122 Bedarfsgemeinschaften je 1.000 Einwohner um rd. 14 Prozent darüber (vgl. Abbildung 30). Abbildung 30: Kosten der Unterkunft - monatliche Nettoausgaben in Euro je EW und in Euro je Bedarfsgemeinschaft, Falldichte je 1.000 EW und Zuschussbedarf in Euro je EW, 2011 240 Monatliche Nettoausgaben je EW 220 Falldichte Bedarf sgemeinschaf ten je 1.000 EW Monatliche Nettoausgaben je Bedarf sgemeinschaf t Zuschussbedarf in Euro je EW 195 200 180 161 160 165 159 140 122 120 107 100 80 60 40 20 20 17 0 MV OFL Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung. Entsprechend wichen die monatlichen Nettoausgaben je Bedarfsgemeinschaft mit rd. 161 Euro nur marginal vom ostdeutschen Mittelwert (159 Euro) ab. (99) Im interkommunalen Vergleich kann gezeigt werden, dass das lokale Mietniveau einen deutlichen Einfluss auf die Höhe der Ausgaben hat. Kommunen mit einem hohen Mietniveau 57 sind tendenziell auch mit hohen Ausgaben belastet. Gerade in den neuen Bundesländern wird der Mietmarkt stark von relativ großen kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen durchdrungen, deren starke Marktstellung auch einen relativ großen Einfluss auf die kommunalen Mietniveaus beinhaltet. Es ist damit festzuhalten, dass die Ausgaben für die Leistungen für Unterkunft und Heizung gesteuert werden können. Daneben ist der lokale Problemdruck, d. h. die Arbeitslosigkeit und hier vor allem die Langzeitarbeitslosigkeit, maßgebend für die Ausgabenniveaus. 4.2 Leistungen der Sozialhilfe (SGB XII) 4.2.1 Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (100) Im Bereich der Sozialhilfe nach dem SGB XII ist vor allem die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen fiskalisch von hoher Bedeutung. Sie hat an allen Leistungen dieses Aufgabenfeldes einen Anteil von 60,5 Prozent (231,2 Mio. Euro) an den Nettoausgaben. Die Nettoausgaben der Eingliederungshilfe lagen 2011 mit 141 Euro je Einwohner um rd. 14 Prozent über dem ostdeutschen Mittelwert. Zugleich fiel aber auch die Falldichte mit 12,2 Empfängern je 1.000 Einwohner um 27,3 Prozent überdurchschnittlich aus. Entsprechend blieben die Fallkosten mit 11.594 Euro je Fall um 10,3 Prozent unter dem Durchschnitt (vgl. Abbildung 31). Abbildung 31: Eingliederungshilfe für Behinderte - Nettoausgaben in Euro je EW und in Euro je Fall sowie Falldichte, 2011 240 Monatliche Nettoausgaben je EW Falldichte (Fälle je 1.000 EW) Nettoausgaben je Fall 12.929 220 11.594 200 14.000 12.000 180 160 140 10.000 141 124 8.000 120 100 6.000 80 4.000 60 40 20 12,2 9,6 MV OFL 0 2.000 0 Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung. Die Eingliederungshilfe ist allerdings ein differenziertes Aufgabenfeld, so dass eine unterschiedliche Struktur der Aufgabenerfüllung (Hilfen beim Wohnen, Werkstätten, Bildungshilfen etc.) 58 und auch Differenzen zwischen ambulanten und stationären Anteilen an der Versorgung verbleibende Kostenunterschiede bewirken können. Die zum Teil größeren Unterschiede bei der Falldichte und den Fallkosten auf der Ebene der örtlichen Träger bieten Anlass, den Bereich künftig weiter zu untersuchen (vgl Abbildung 32). Abbildung 32: Eingliederungshilfe für Behinderte, Falldichte und Kostenintensität bei den Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt für örtliche und überörtliche Träger, 2011 0 5 Falldichte (in Empfänger je 1.000 EW) 10 15 Uecker-Randow 25 9.838 15,2 Rügen 20 10.771 9,8 Parchim 15,7 Ostvorpommern 9.943 13,4 Nordw estmecklenburg 9.899 10.270 12,9 9.378 15,5 Nordvorpommern Müritz 12.168 12,6 8.290 15,3 Mecklenburg-Strelitz Ludw igslust 10.010 14,2 8.587 15,9 Güstrow Demmin 9.897 14,2 Bad Doberan 9.370 12,0 7.685 Wismar, Stadt 17,4 7.222 Stralsund, Stadt 21,2 6.189 Neubrandenburg, Stadt 23,4 8.685 Greifsw ald, Stadt 17,6 8.834 16,9 Schw erin, Stadt 8.491 Rostock, Stadt 18,4 9.067 15,5 Durchschnitt 0 2000 4000 6000 8000 10000 12000 14000 Kostenintensität (in Euro je Empfänger) Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung. (101) Die Falldichte zeigt eine breite Streuung von 9,8 Fällen je 1.000 Einwohner (ehemaliger Landkreis Rügen) bis zu 23,4 Fällen (ehemalige kreisfreie Stadt Neubrandenburg) an. Der Höchstwert bei den Landkreisen lag bei 15,9 (ehemaliger Landkreis Güstrow), während für die kreisfreien Städte die Landeshauptstadt Schwerin mit 16,9 Fällen je 1.000 Einwohner die untere Grenze markierte. 59 Die Kostenintensität der Nettoausgaben schwankt genauso stark zwischen 6.189 Euro je Empfänger (Neubrandenburg) und 12.168 Euro (ehemaliger Landkreis Müritz). Als Erklärungsfaktoren kommen der Ambulantisierungsgrad und die räumliche Konzentration von stationären Einrichtungen in Frage bzw. anders ausgedrückt, das unterschiedliche regionale und lokale Angebot der Leistungserbringer beeinflusst unterschiedliche kommunale Ausgabenniveaus. Eine, vielleicht die wichtigste, Stellschraube zur Kontrolle kommunaler Sozialausgaben ist die stetige Prüfung der Angebotsstruktur der Leistungserbringer. Hier sollte die Landesregierung weitere Untersuchungen vornehmen. Dort, wo lokal und regional relative Überkapazitäten festzustellen sind, sollten Kapazitätsreduktionen – ggf. auch mit finanziellen Hilfen des Landes – geprüft werden. Aus Sicht des Landesrechnungshofes sollten zudem niederschwellige Betreuungsangebote der Pflege in Einrichtungen vorangehen. Allerdings müssten auch die Fallzahlen und Kostenintensitäten in den einzelnen Unterarten der Eingliederungshilfe für Behinderte näher untersucht werden, denn hier können auch teure Spezialleistungen bei räumlicher Konzentration zu Ausgabenkonzentrationen führen. (102) Für die Leistungen der überörtlichen Sozialhilfeträger ist seit mehreren Jahren ein bundesweiter Vergleichsring verfügbar.39 Daraus können für Mecklenburg-Vorpommern insgesamt folgende ausgewählte Ergebnisse für die Eingliederungshilfe für Behinderte für das Jahr 2012 im gesamtdeutschen Vergleich abgeleitet werden: • Stationäres und ambulant betreutes Wohnen: Die Dichte der Leistungsempfänger ist im Ländervergleich in Mecklenburg-Vorpommern überdurchschnittlich hoch (6,05 zu 4,39 Leistungsberechtigte je 1.000 Einwohner), die Ambulantisierungsquote dagegen unterdurchschnittlich (36,1 Prozent zu 44,0 Prozent).40 − Stationäres Wohnen: Das Land weist eine überdurchschnittliche Zahl an Plätzen auf: 3,22 zu 2,65 Plätze je 1.000 Einwohner. Entsprechend ist die Zahl der Leistungsberechtigten überdurchschnittlich: 3,96 (2011) zu 2,52 Leistungsberechtigte je 1.000 Einwohner.41 Bei den Bruttoausgaben weist das Land deutlich unterdurch- 39 40 41 60 Vgl. CON_SENS Consulting für Steuerung und soziale Entwicklung GmbH (2013): Kennzahlenvergleich der überörtlichen Träger der Sozialhilfe 2012. Im Rahmen des Vergleichsringes werden Fehler und Unstim migkeiten der amtlichen Statistik nach Möglichkeit bereinigt und separate Datenerhebungen vorgenommen. Vgl. ebd., S. 38 u. 45. Vgl. ebd., S. 19 f. schnittliche Ausgaben auf: 23.243 (2011) Euro zu 39.940 Euro je Leistungsberechtigten. − Ambulant betreutes Wohnen: Auch bei ambulant betreutem Wohnen weist das Land eine leicht überdurchschnittliche Dichte auf: 2,09 (2011) zu 1,84 Leistungsberechtigte je 1.000 Einwohner.42 Fallkosten liegen hier nicht vor. • Werkstätten für Behinderte: Das Land weist eine überdurchschnittliche Zahl an Plätzen auf: 7,24 zu 5,30 Plätze je 1.000 Einwohner (18 bis unter 65 Jahre). Entsprechend ist die Zahl der Leistungsberechtigten überdurchschnittlich: 7,44 (2011) zu 4,95 Leistungsberechtigte je 1.000 Einwohner (18 bis unter 65 Jahre). 43 Bei den Bruttoausgaben weist das Land deutlich unterdurchschnittliche Ausgaben auf: 10.486 Euro (2011) zu 14.014 Euro je Leistungsberechtigten. Nach Sachsen mit 9.987 Euro je Leistungsberechtigten ist das bundesweit der niedrigste Wert. 44 Damit deutet sich auf der Grundlage des CON_SENS-Kennzahlenvergleichs für MecklenburgVorpommern eine gut ausgebaute Infrastruktur der Hilfen an. Das großzügige Angebot an stationären Plätzen kann zu einer erhöhten Belegung dieser Plätze und damit überproportionalen Kosten führen. 4.2.2 Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (103) Der zweitgrößte Aufgabenbereich im SGB XII ist die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Der Anteil an den Nettoausgaben aller Hilfen nach dem SGB XII betrug knapp 20 Prozent (74,8 Mio. Euro). Die Nettoausgaben lagen hier im Jahr 2011 mit 46 Euro je Einwohner um rd. 41 Prozent über dem ostdeutschen Mittelwert mit 32 Euro je Einwohner. Aber auch hier fiel die Falldichte mit 10,9 Empfängern je 1.000 Einwohner um 39,7 Prozent überdurchschnittlich aus. Damit ergab sich für die Fallkosten mit 4.189 Euro je Fall ein dem ostdeutschen Durchschnitt entsprechendes Niveau. 42 43 44 Vgl. ebd., S. 32. Vgl. ebd., S. 47 u. 49. Vgl. ebd., S. 61. 61 Abbildung 33: Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - Nettoausgaben in Euro je EW und in Euro je Fall sowie Falldichte, 2011 Monatliche Nettoausgaben in Euro je EW/Fall 140 Monatliche Nettoausgaben je EW 130 Falldichte (Fälle je 1.000 EW) Nettoausgaben je Fall 4.189 120 4.171 5.000 4.500 4.000 110 100 3.500 90 3.000 80 2.500 70 60 50 2.000 46 40 30 20 10 1.500 32 1.000 10,9 7,8 MV OFL 0 Nettoausgaben in Euro je Fall 150 500 0 Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung. Allerdings ist der Durchschnitt in diesem Fall weiter untersuchungsbedürftig, weil er durch zwei sehr gegensätzliche Positionen gebildet wurde – hohe Kostenniveaus in Brandenburg und Sachsen, niedrige Niveaus in Sachsen-Anhalt und Thüringen. (104) Die Kommunen von Mecklenburg-Vorpommern weisen sehr unterschiedliche Falldichten und Fallkosten bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung außerhalb von Einrichtungen der örtlichen Sozialhilfeträger auf (vgl. Abbildung 34). 62 Abbildung 34: Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung außerhalb von Einrichtungen der örtlichen Sozialhilfeträger - Falldichte und Kostenintensität bei den Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt, 2011 0 5 Falldichte (in Empfänger je 1.000 EW) 10 15 Uecker-Randow 3.847 5,0 Parchim 7,1 Ostvorpommern 7,3 5,8 Nordvorpommern 6,0 Müritz 6,1 3.549 4.084 4.262 3.796 Mecklenburg-Strelitz 6,4 Ludwigslust 6,4 Güstrow 3.764 4.143 Nordwestmecklenburg 4.172 3.827 6,7 Demmin 4.123 6,0 Bad Doberan 4.212 5,7 Wismar, Stadt 3.543 10,0 Stralsund, Stadt 7,8 Neubrandenburg, Stadt 7,9 4.111 4.548 Greifswald, Stadt 9,8 Schwerin, Stadt 9,9 Rostock, Stadt 9,7 Durchschnitt 4.131 4.797 3.317 4.036 7,3 0 1000 25 3.910 7,5 Rügen 20 2000 3000 4000 5000 6000 Kostenintensität (in Euro je Empfänger) Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung. Die festgestellte starke Spreizung der Kostenintensität zwischen den beiden kreisfreien Städten Rostock und Schwerin legt dabei einen Vergleich dieser beiden Kommunen besonders nahe. Obwohl die Falldichte annähernd gleich ist, weichen beide Städte in der Kostenintensität deutlich voneinander ab. Dies deutet daraufhin, dass Kostensenkungspotenziale in Schwerin vorhanden sind, da je Empfänger 4.797 Euro und damit 45 Prozent mehr gewährt werden. Der Landesrechnungshof sieht hier Handlungsbedarf. Grundsätzlich sind hier weitere differenziertere Analysen notwendig, um die Unterschiede zu erklären. 63 4.2.3 Hilfe zur Pflege (105) Mit einem Anteil von rd. 10 Prozent (37,6 Mio. Euro) an allen Hilfen nach dem SGB XII ist die Hilfe zur Pflege der drittgrößte Aufgabenbereich in diesem Segment des Sozialbereichs. Die Nettoausgaben der Eingliederungshilfe lagen 2011 mit 23 Euro je Einwohner um rd. 46 Prozent über dem ostdeutschen Mittelwert mit 16 Euro je Einwohner. Die Falldichte fiel mit 4,5 Empfängern je 1.000 Einwohner ebenfalls um rd. 46 Prozent höher aus. Entsprechend lagen die Fallkosten mit 5.055 Euro je Fall nahe am ostdeutschen Durchschnitt mit 4.891 Euro je Fall. Einzig für Sachsen konnten deutlich geringere Fallkosten (4.122 Euro je Fall) festgestellt werden (vgl. Abbildung 35). Abbildung 35: Hilfe zur Pflege - Nettoausgaben in Euro je EW und in Euro je Fall sowie Falldichte, 2011 Monatliche Nettoausgaben je EW 110 Falldichte (Fälle je 1.000 EW) Nettoausgaben je Fall 5.055 4.891 100 6.000 5.000 90 4.000 80 70 3.000 60 50 2.000 40 30 23 16 20 10 1.000 4,5 3,2 MV OFL Nettoausgaben in Euro je Fall Monatliche Nettoausgaben in Euro je EW/Fall 120 0 0 Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung. (106) Im Folgenden werden die Falldichten und die Kostenintensitäten auf Kreisebene für die örtlichen und die überörtlichen Träger zusammengefasst behandelt (vgl. Abbildung 36). Die Darstellung zeigt sowohl für die Fallkosten als auch für die Kostenintensität eine breite Streuung an. Die kreisfreien Städte weisen höhere Falldichten auf als die Landkreise, mit Ausnahme der Landkreise Mecklenburg-Strelitz und Ostvorpommern. Der Landkreis Uecker-Randow zeichnet sich durch eine relativ hohe Falldichte und die höchste Kostenintensität aus. In den Landkreisen Bad Doberan und Güstrow fallen geringe Falldichten in Verbindung mit überdurchschnittlichen Kostenintensitäten auf. Diese Ergebnisse deuten auf Kostensenkungspotenziale hin. Der Landesrechnungshof sieht hier Ansatzpunkte für Verbesserungen. 64 Abbildung 36: Hilfe zur Pflege bei den örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträgern in MecklenburgVorpommern - Falldichte und Kostenintensität, 2011 0 Falldichte (in Empfänger je 1.000 EW) 10 15 5 Uecker-Randow 20 25 7.435 6,0 Rügen 4,5 Parchim 4,6 4.262 3.398 Ostvorpommern 3.037 7,3 Nordw estmecklenburg 4.588 4,7 Nordvorpommern 3.171 5,8 Müritz 4.241 4,8 Mecklenburg-Strelitz 7,8 Ludw igslust 3,3 Güstrow 3,2 Demmin 3.119 4.094 4.759 4.178 4,9 Bad Doberan 5.528 3,3 Wismar, Stadt 3.249 6,6 Stralsund, Stadt 3.145 5,4 Neubrandenburg, Stadt 4.585 6,9 Greifsw ald, Stadt 3.222 7,2 Schw erin, Stadt 4.212 8,2 Rostock, Stadt 4.645 6,4 Durchschnitt 4.147 5,5 0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000 Kostenintensität (in Euro je Empfänger) Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung. (107) Die großen lokalen Unterschiede müssen vor dem Hintergrund der differenzierten Struktur der Hilfe zur Pflege näher untersucht werden. Dabei sind die Verhältnisse von Hilfen innerhalb und außerhalb von Einrichtungen näher zu beleuchten. Zudem wäre die Struktur der Hilfegewährung nach Pflegestufen zu untersuchen. 4.2.4 Übrige Hilfearten (108) Die drei zuletzt genannten Sozialbereiche machen zusammen rd. 90 Prozent der Nettoausgaben des SGB XII aus. Infolgedessen haben die drei übrigen Bereiche nur noch eine quantitativ geringe Bedeutung. 65 • Die Hilfe zum Lebensunterhalt ist nach Einführung von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und der Grundsicherung für Arbeitsuchende ein Rest-Sammelbecken für Leistungsberechtigte mit sehr unterschiedlichen Ursachenhintergründen geworden. Insofern fällt die Suche nach Ursachen für Ausgaben bzw. Kostenunterschiede hier besonders schwer. • Ähnliches gilt für die Hilfen zur Gesundheit, die nach der Übernahme dieser Hilfe durch die Krankenkassen für die örtlichen Sozialhilfeträger nur noch wenige direkte Fälle aufweist. Alles andere erfolgt nur auf dem Weg der Kostenerstattung an die Krankenkassen. • Auch bei den Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten ergibt sich die Problematik der Analyse schon aus der Begrifflichkeit „besonderer Schwierigkeiten“. Auffälligkeiten müssen auch vor dem Hintergrund der möglichen Zuordnung zu anderen Hilfearten gesehen werden. 4.3 Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe (109) Im Folgenden soll für die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe der Fokus insbesondere auf die Hilfen in sozialen Problemlagen gerichtet werden. Hier kommt insbesondere den Hilfen zur Erziehung eine quantitativ gewichtige Position zu, die vor allem in den hohen Kosten für familienersetzende, stationäre Maßnahmen wie Vollzeitpflege und Heimerziehung begründet ist. Der Bereich Kindertageseinrichtungen, der den Zuschussbedarf des gesamten Bereichs mit einem Anteil von rd. 64 Prozent dominiert, soll aufgrund seiner anderen Zielrichtung und Aufgabenstellung im Rahmen der Daseinsvorsorge nicht näher betrachtet werden. (110) In Mecklenburg-Vorpommern wurden 2011 für die Hilfe zur Erziehung, die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, die Hilfe für junge Volljährige und für vorläufige Schutzmaßnahmen mit 665 Euro je Einwohner unter 18 Jahren rd. 25 Prozent mehr als im ostdeutschen Durchschnitt mit 529 Euro je Einwohner unter 18 ausgegeben (vgl Abbildung 37). Im Vergleich zu Sachsen (428 Euro je Einwohner unter 18 und Thüringen (409 Euro je Einwohner unter 18) waren es rd. 55 bzw. 63 Prozent mehr. Rund die Hälfte der Ausgaben entfiel dabei in allen Ländern auf die Heimerziehung bzw. die Erziehung in betreuten Wohnformen. 66 Abbildung 37: Brutto-Auszahlungen für Hilfen zur Erziehung, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, Hilfe für junge Volljährige und vorläufige Schutzmaßnahmen in den ostdeutschen Ländern, 2011, in Euro je Einwohner unter 18 Jahren 800 in Euro je EW unter 18 Jahren 700 Einrichtungen 686 3 600 665 11 556 529 5 500 428 400 300 Einzel- und Gruppenhilfen 409 2 683 5 7 654 551 426 200 524 402 100 0 BB MV SN ST TH OFL Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung. Allein hier betrugen die Mehrausgaben in Mecklenburg-Vorpommern gegenüber den beiden genannten Ländern 85,5 bzw. 95,0 Euro je Einwohner unter 18 Jahren. Bei der sozialpädagogischen Familienhilfe waren es immerhin 55,4 bzw. 72,2 Euro je Einwohner unter 18 Jahren. Dabei entsprach die Falldichte bei der Hilfe zur Erziehung in Mecklenburg-Vorpommern dem ostdeutschen Durchschnitt (vgl. Abbildung 38). Abbildung 38: Falldichte der Hilfen zur Erziehung nach § 27 bis 35a SGB VIII in den ostdeutschen Ländern, 2011, in Fälle je 1.000 Einwohner unter 18 Jahren 90 83,2 un Fälle je 1.000 EW unter 18 Jahren 80 73,6 70 70,0 70,2 SN ST 75,3 74,1 TH OFL 60 50 40 30 20 10 0 BB MV Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung. 67 (111) Neben der Falldichte ist die Dauer der Maßnahmen für die Kostenfrage von Bedeutung. Hier weist Mecklenburg-Vorpommern für den Durchschnitt über alle Hilfen der Erziehung die mit Abstand höchste Maßnahmendauer auf (vgl. Abbildung 39). Abbildung 39: Bisherige durchschnittliche Dauer der Hilfen zur Erziehung nach § 27 bis 35a SGB VII in den ostdeutschen Ländern, 2011, in Monaten 15 13,7 14 13 12 11,3 11 10,0 in Monaten 10 8,7 8,6 9 7,7 8 7 6 5 4 3 2 1 0 BB MV SN ST TH OFL Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung. Mit 13,7 Monaten liegt sie um 25,1 Prozent über dem ostdeutschen Durchschnitt und sogar um 55,3 Prozent über dem Niveau in Sachsen. Dies kann maßgeblich zur Erklärung der Belastungsunterschiede zwischen den Ländern dienen. Eine hohe Verweildauer im System liegt naturgemäß im Interesse der Leistungsanbieter. Hier sieht der Landesrechnungshof die öffentlichen Akteure in der Pflicht, Fehlanreize und Fehlsteuerung im Hinblick auf die Leistungsanbieter zu beseitigen. (112) Innerhalb Mecklenburg-Vorpommerns variiert die Falldichte stark zwischen 28 Fällen je 1.000 Jugendliche unter 18 Jahren im Landkreis Nordwestmecklenburg bis zu 160 Fällen in der ehemals kreisfreien Stadt Stralsund. 68 Abbildung 40: Falldichte der Erziehungs- und Familienhilfe nach § 27 bis 35a SGB VIII in Mecklenburg-Vorpommern, 2011 0 5 Falldichte Heimerziehung (in Fälle je 1000 EW) 10 15 20 25 12,4 Uecker-Randow 93,0 9,0 Rügen 30 100,1 5,3 36,8 Parchim 10,6 Ostvorpommern Nordw estmecklenburg 28,2 Nordvorpommern 90,8 7,6 10,2 46,1 8,6 Müritz 8,5 Mecklenburg-Strelitz Ludw igslust 57,4 Erziehungs- und Familienhilfen insgesamt 70,5 72,8 13,0 14,2 86,2 Güstrow 12,7 Demmin 5,6 Bad Doberan 102,3 50,1 13,1 80,0 Wismar, Stadt 19,3 Stralsund, Stadt 160,0 13,7 85,0 Neubrandenburg, Stadt 13,7 Greifsw ald, Stadt 94,3 Schw erin, Stadt 23,9 99,0 Rostock, Stadt 85,9 17,8 12,0 74,0 Durchschnitt 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 Falldichte Erziehungs- und Familienhilfen insgesamt (in Fälle je 1000 EW) Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung. Hier sieht der Landesrechnungshof weiteren Klärungsbedarf.45 Anhand der wegen der hohen Einzelfallkosten fiskalisch bedeutenden Heimerziehung (§ 34 SGB VIII) ist aber zu erkennen, dass insbesondere die Städte Rostock, Schwerin und Stralsund einen besonderen Problemdruck hinsichtlich der Fallzahlen aufweisen. 45 Beispielsweise resultiert der hohe Wert für Stralsund aus einer deutlich überdurchschnittlichen Hilfe für die Erziehungsberatung nach § 28 SGB VII: 65 Fälle je 1.000 Einwohner unter 18 bei einem Landesdurch schnitt von 15 Fällen. Gleichwohl weist Stralsund auch in anderen Hilfebereichen überdurchschnittliche Werte auf. 69 5 Fazit (113) Es lässt sich eine auffällig überdurchschnittliche Höhe der Sozialausgaben in Mecklenburg-Vorpommern feststellen. Diese wird im gesamten Produktkontext der Sozial- und Jugendhilfe nur dadurch gedämpft, dass in Mecklenburg-Vorpommern für ostdeutsche Verhältnisse – also bei einem hohen Ausgabenniveau und hohen Standards im Vergleich zum Altbundesgebiet – vergleichsweise geringe Ausgaben für die Kindertageseinrichtungen getätigt werden.46 Jenseits dieses Feldes lassen sich je nach Aufgabe unterschiedlich überproportionale Ausgabeniveaus erkennen. Eine Ausnahme bildet die Eingliederungshilfe für Behinderte. (114) Ein Teil der hohen Ausgaben erklärt sich durch eine höhere Falldichte, hinter der sich neben der grundsätzlich veränderbaren Angebotsstruktur der Leistungsanbieter und Frage der ebenfalls änderbaren Fallsteuerung auch ein höherer sozialer Problemdruck verbirgt. Es verbleiben aber unerklärte Größen, die insbesondere dort auftreten, wo die Regelungsdichte geringer und der Ermessensspielraum, zum Beispiel wegen der individuell auf den jeweiligen Leistungsempfänger zugeschnittenen Maßnahmenfestsetzung, größer ist. Bei eher regelleistungsgebundenen Hilfen können die kostenverursachenden Faktoren leichter erklärt werden, wie beispielsweise bei den Kosten der Unterkunft über die lokalen Mietniveaus und die Arbeitslosigkeit. (115) Die Kostenunterschiede jenseits der durch unterschiedliche Falldichten verursachten Belastungsunterschiede lassen sich nicht abschließend erklären. Einerseits ist es hier nicht möglich, alle Differenzierungen der sozialen Hilfen, die jeweils eigene Kostenintensitäten und Falldichten aufweisen, in der notwendigen Weise aufzugreifen. Andererseits ist die Zahl der möglichen Einflussfaktoren sehr groß. Sofern die Hilfen über medizinische Gutachten begründet sind (zum Beispiel Eingliederungshilfe für Behinderte), tritt ein weiterer Akteur in den Prozess ein und es reduziert sich folglich die Steuerungsmöglichkeit des Sozialhilfeträgers deutlich. Ferner müssen gerichtliche Entscheidungen berücksichtigt werden. 46 70 In Mecklenburg-Vorpommern ist der Anteil der Eltern an der Finanzierung der Angebote zur frühkindli chen Bildung, Betreuung und Erziehung mit fast 27 Prozent (2010) mit Abstand der höchste im Vergleich der Bundesländer. Zudem weist Mecklenburg-Vorpommern z. B. beim Personalschlüssel in den verschiedenen Gruppentypen für 2012 schlechte Werte im bundesweiten Vergleich aus. Beim Gruppentyp Kindergar ten (Kinder ab 3 Jahre bis Schuleintritt) ist der Wert für Mecklenburg-Vorpommern von 1:13,6 gleichzeitig der bundesweite Höchstwert. Gesetzlich ist für dieses Alter vorgesehen, dass eine Fachkraft sogar bis zu 16 Kinder (ab 01.08.2015 15 Kinder) betreuen darf. Um strukturell angemessene Rahmenbedingungen für eine gute Qualität sicherzustellen, wird in der Wissenschaft ein Schlüssel von 1:7,5 empfohlen. Vgl. BockFamulla/Lange (2013): Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme 2013. Transparenz schaffen - Governance stärken. Gütersloh, S. 140-153 (Beitrag zu Mecklenburg-Vorpommern). (116) Die nicht erklärten Kostenunterschiede belassen insgesamt einen deutlichen Legitimationsdruck bei den Trägern der Sozial- und Jugendhilfe. Der Sozialbereich ist nicht von Wirtschaftlichkeitsfragen freigestellt. Die schleichende Verdrängung anderer kommunaler – gleichwertiger – Aufgaben durch überproportional steigende Sozialausgaben erfordert eine Rechtfertigung. Die öffentliche Hand wird die Umverteilung von öffentlichen Mitteln weg von Bildung, Infrastruktur und öffentlichen Sicherheit in den Mikrokosmos von Leistungsanbietern und Leistungsnachfragern im sozialen Sektor nicht auf Dauer beibehalten können, sofern die anderen Bereiche nicht erodieren sollen. Zwingend ist daher eine Debatte über Fall- und Kostensteuerung, Überkapazitäten und Fehlanreize im Sozialsektor geboten und notwendig. Denn auch die Finanzierung über Schulden (Kassenkredite) stellt keine Lösung dar. (117) Insbesondere sollten die interkommunalen Unterschiede bei der Falldichte und den Fallkosten • bei der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, • bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung außerhalb von Einrichtungen, • bei der Hilfe zur Pflege und • bei der Hilfen zur Erziehung sowie die Unterschiede bei der durchschnittlichen Dauer dieser Hilfeart weiter untersucht werden. Auch der im Ländervergleich festgestellte niedrige Ambulantisierungsgrad von Mecklenburg-Vorpommern ist diskussionswürdig (vgl. Tz. 102). Dass die teilweise gut ausgebaute Angebotsstruktur die Ausgaben steigere, ist nach Auffassung des Sozialministeriums darauf zurückzuführen, dass der Leistungsbezieher ein Wunsch- und Wahlrecht nach der UN-Behindertenrechtskonvention und § 13 SGB XII habe. Zudem werde vernachlässigt, dass die gesetzlichen Sozialhilfeleistungen Ermessensspielräume nur hinsichtlich des Wie zuließen und auch hier das Wunsch- und Wahlrecht des Betroffenen grundsätzlich zu beachten sei. Die Ermessensspielräume wären insofern eher gering. Der Landesrechnungshof bemerkt hierzu, dass er in seinen Prüfungen im Sozialbereich vielfach Hinweise auf bestehende Optimierungspotenziale bei der Hilfegewährung vorgefunden hat. Die Beiträge in den vergangenen Jahresberichten zeigten dies. 71 Im Übrigen bestätigen die Ausführungen des Sozialministeriums indirekt, dass eine aus Sicht des Landesrechnungshofes nicht immer bedarfsgerechte Angebotsstruktur (Überkapazitäten) zu überhöhten Ausgaben führt. Die Angebotsstruktur der Leistungserbringer im Sozial- und Jugendhilfebereich ist daher auch eine Schlüsselgröße, wenn man das Problem dynamisch wachsender Sozialausgaben in den Griff bekommen möchte. 72 2 Umsetzung der Kreisgebietsreform in ausgewählten Landkreisen Der Landesrechnungshof hat mit gutachterlicher Unterstützung von PWC/WIBERA die Umsetzung der Kreisgebietsreform in den Landkreisen Vorpommern-Rügen und Vorpommern-Greifswald geprüft. Das bereits im Vorfeld der Kreisgebietsreform festgestellte Einsparpotenzial im Personalbereich wurde durch die Prüfung erneut bestätigt. (118) Im Vorfeld der Kreisgebietsreform hatte der Landesrechnungshof dem Landtag die Beratende Äußerung „Einspareffekte einer geplanten Kreisgebietsreform“47 übersandt. Deren Untersuchungsgegenstand war das mögliche Einsparpotenzial bei den Stellen bzw. Personalkosten in den ehemaligen Landkreisen Nordvorpommern und Rügen sowie der Hansestadt Stralsund (kreisliche Aufgaben). Die mit der Kreisgebietsreform realisierte Variante (Landkreis Vorpommern-Rügen) wurde unter dem Arbeitstitel „Landkreis Stralsund“ geführt. Seinerzeit wurde allein für den „Landkreis Stralsund“ ein jährliches Einsparpotenzial von 192,18 VZÄ, d. h. von jährlich mehr als 9 Mio. Euro festgestellt. (119) Die durch die Kreisgebietsreform prognostizierten Einspareffekte werden weiterhin (vor allem von kommunaler Seite) in Zweifel gezogen. Die aufgezeigten Effekte ließen sich nicht bzw. allenfalls in Teilen realisieren. (120) Der Landesrechnungshof hat die prognostizierten Einspareffekte der Kreisgebietsreform deshalb in den Landkreisen Vorpommern Rügen und Vorpommern-Greifswald mit gutachterlicher Unterstützung durch PWC/WIBERA erneut geprüft. Gegenstand der Prüfung waren die Stellenpläne des Jahres 2012 und der tatsächliche Personalbestand im Jahr 2012. (121) Dabei wurde für den Landkreis Vorpommern-Rügen ein Stellen-Soll ermittelt, das nur geringfügig unter dem Stellenbedarf für den Modellkreis „Landkreis Stralsund“ liegt. Zum Zeitpunkt der Prüfung war im Vergleich zum Stellen-Ist noch ein Überhang von 67 Stellen vorhanden. 47 Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2009): Einspareffekte einer geplanten Kreisgebietsreform, Beratende Äußerung gegenüber dem Landtag Mecklenburg-Vorpommern gemäß § 88 Abs. 3 LHO M-V, Drs. 5/2180. 73 (122) Beim Landkreis Vorpommern-Greifswald war zum Zeitpunkt der Prüfung nach dem festgestellten Stellen-Soll im Vergleich zum Stellen-Ist noch ein Überhang von 76 Stellen vorhanden. (123) Die Stellenbemessungen für beide Landkreise erfolgten auf der Grundlage des Aufgabenbestandes zum Zeitpunkt der örtlichen Erhebungen im Jahr 2012 und den von beiden Landkreisen zur Verfügung gestellten aufgabenspezifischen Fallzahlen und Kennzahlen. Weil Art und Umfang der zu erledigenden Aufgaben sich fortlaufend ändern (z. B. Aufgabe kommunales Jobcenter oder Anzahl der zu betreuenden Flüchtlinge und Asylbewerber), ist die Stellenbemessung ein dynamischer Prozess und immer wieder dem aktuellen Aufgabenbestand anzupassen. (124) Der Landkreis Vorpommern-Greifswald hat im Verlauf der Prüfung Einwendungen gegen die von PWC/WIBERA angewandte Methode der Stellenbemessung erhoben. Der Stellenbedarf sei im Wesentlichen nach „Verhältniszahlen zur Einwohnergröße“ bemessen worden. Der Stellenbedarf in „fallzahlenbasierten“ Verwaltungsbereichen sei aber von den Fallzahlen und nicht von den Einwohnerzahlen abhängig. Die Einwendungen des Landkreises treffen nicht zu. PWC/WIBERA hat auf 25 Seiten für sämtliche Aufgaben Stellenbedarfe auf Basis aufgabenspezifischer Fall- und Kennzahlen berechnet. Nur bei wenigen Aufgaben ist der Stellenbedarf auf Basis der Einwohnerzahl als Kennzahl ermittelt worden (ca. 5 Prozent). Die vom Innenministerium eingesetzten beratenden Beauftragten Rödel & Partner haben ebenfalls erklärt, die methodische Vorgehensweise von PWC/WIBERA zur Stellenbemessung sei nachvollziehbar und plausibel. (125) Der Landkreis Vorpommern-Rügen hat erklärt, dass im Gesamtergebnis für den Landkreis Vorpommern-Rügen lediglich ein Stellenbedarf von 3,03 VZÄ je tausend Einwohner ermittelt wurde, für den Landkreis Vorpommern-Greifswald aber ein – deutlich höherer – Stellenbedarf von 3,47 VZÄ je tausend Einwohner. Dieser Einwand ist ebenfalls nicht berechtigt. Zwar wären für den Landkreis VorpommernRügen weitere rund 100 Stellen auszuweisen, wenn der Stellenbedarf auf Basis von 3,47 Stellen je tausend Einwohner zu ermitteln gewesen wäre. Der Stellenbedarf ist jedoch nicht aufgrund der Einwohnerzahlen ermittelt worden, sondern im wesentlichen unabhängig von den Einwohnerzahlen aufgrund der von den Landkreisen gemeldeten aufgabenspezifischen Fallzahlen und sonstigen Kennzahlen. 74 3 Stärkung der überörtlichen Kommunalprüfung Eine sachgerechte Aufgabenerfüllung der überörtlichen Kommunalprüfung kann nur mit einer angemessenen Stellen- und Personalausstattung erfolgen. Diese Voraussetzungen sind in der Mehrzahl der Gemeindeprüfungsämter der Landkreise nicht gegeben. Im Ergebnis einer Abfrage bei den Landkreisen wurden überwiegend eine zu geringe Stellenausstattung sowie eine unvollständige Besetzung bestehender Stellen für den Aufgabenbereich der überörtlichen Kommunalprüfung festgestellt. (126) Im Bereich der Kommunalprüfung ist zwischen der örtlichen und überörtlichen Rechnungsprüfung zu unterscheiden. Den Gemeinden, Landkreisen, Ämtern und Zweckverbänden obliegt die örtliche Prüfung ihrer Haushalts- und Wirtschaftsführung im Sinne einer Selbstprüfung als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises (§ 1 Abs. 1 KPG M-V48). Die überörtliche Prüfung im Sinne einer Fremdprüfung führen als verwaltungsexterne Prüfungsbehörden der Landesrechnungshof und der Landrat als untere staatliche Verwaltungsbehörde durch (§ 4 Abs. 1 S. 2 KPG M-V). Der Landesrechnungshof ist zuständig für die überörtliche Prüfung der kommunalen Körperschaften, soweit diese der unmittelbaren Rechtsaufsicht des Landes unterliegen (Landkreise, kreisfreie Städte sowie große kreisangehörige Städte). Zudem kann er Querschnittsprüfungen auch bei anderen kommunalen Körperschaften durchführen. Dem Landrat obliegt die überörtliche Prüfung der kommunalen Körperschaften, für deren Rechtsaufsicht er zuständig ist. Dabei bedient er sich des Rechnungsprüfungsamtes seines Landkreises als Gemeindeprüfungsamt. (127) Im Zuge seiner Prüfung „Organisation der überörtlichen Kommunalprüfung im kreisangehörigen Raum“ hatte der Landesrechnungshof teilweise erhebliche Mängel in der Aufgabenerfüllung festgestellt, die u. a. auf einen geringen Einsatz von Personal zurückzuführen waren.49 Der Landesrechnungshof hat dabei auf die Notwendigkeit einer ausreichenden Personalausstattung für Aufgaben der überörtlichen Kommunalprüfung hingewiesen. 48 49 KPG M-V vom 6. April 1993, zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 17. Dezember 2009 (GVOBl. M-V S. 687, 720). Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht 2011 (Teil 2) – Landesfinanzbericht 2011, Tzn. 625-643, hier: Tz. 630. 75 (128) Die Stellen- und Personalausstattung der Gemeindeprüfungsämter sowie deren Prüfungsrückstände wurden für den vorliegenden Bericht nochmals punktuell untersucht. 1 Entwicklung der Stellen- und Personalausstattung für Aufgaben der Rechnungs- und Gemeindeprüfung (129) Für den Gesamtbereich der Rechnungs- und Gemeindeprüfung ist im Zeitraum von 1998 bis 2012 ein deutlicher Stellenabbau festzustellen, beispielsweise reduzierte sich die Anzahl der besetzten Stellen allein zwischen 2009 (78,20 VZÄ) und 2012 (70,15 VZÄ) deutlich. Die Entwicklung für 2013 und 2014 stellt sich wie folgt dar: Tabelle 12: Übersicht über die Stellenanzahl und die Stellenbesetzung im Bereich der Rechnungsund Gemeindeprüfung (in VZÄ) 2013 Landkreis 2014 Stellenplan IstBesetzung Unbesetzte Stellen Stellenplan IstBesetzung Unbesetzte Stellen Nordwestmecklenburg 8,75 7,45 1,3 8,75 8,3 0,45 Ludwigslust-Parchim 14,9 13 1,9 16 14,9 1,1 Rostock 12 10 2,0 12 11,875 0,13 Mecklenburgische Seenplatte 18 18 0 17 16,5 0,5 Vorpommern-Rügen 12,8 11,8 1 14,05 12,8 1,25 Vorpommern-Greifswald 12,4 12,35 0,05 16,4 12,35 4,05 78,85 72,6 6,25 84,2 76,725 7,48 SUMME Quelle: Eigene Berechnungen (Grundlage: Angaben der Landkreise, des Innenministeriums sowie eigene Erhebungen). Nach Zeiten eines deutlichen Personalabbaus im Bereich der Rechnungs- und Gemeindeprüfung scheint sich diese Entwicklung in den Jahren 2013 und 2014 umzukehren. Für diese beiden Jahre ist eine Erhöhung der Stellenanzahl festzustellen. Allerdings erhöht sich auch die Anzahl der insgesamt unbesetzten Stellen. (130) Diese Gesamtentwicklung im Bereich der Rechnungs- und Gemeindeprüfung überträgt sich entsprechend auf den Teilbereich der überörtlichen Prüfung durch die Gemeindeprüfungsämter. Während allein zwischen 1998 und 2009 eine erhebliche Reduzierung des Stellenbestandes von durchschnittlich 19 Prozent festzustellen war50, konnte für die Jahre 2013 und 2014 ein Zuwachs um insgesamt 5,3 VZÄ verzeichnet werden. 50 76 Vgl. dazu auch Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht 2011 (Teil 2) – Lan desfinanzbericht 2011, Tz. 630. 2 Bestehende Arbeitsrückstände (131) Für kommunale Körperschaften, die der Rechtsaufsicht des Landrates unterliegen und kein eigenes Rechnungsprüfungsamt besitzen, ist ein Prüfungsturnus von vier Jahren vorgesehen.51 In seiner Prüfung „Organisation der überörtlichen Kommunalprüfung im kreisangehörigen Raum“ hatte der Landesrechnungshof 2011 auf erhebliche Probleme bei der Einhaltung dieses Prüfungsturnus hingewiesen.52 Bei erneuten Erhebungen durch das Ministerium für Inneres und Sport (2013) und den Landesrechnungshof (2014) war eine positive Entwicklung festzustellen: während die Prüfungsrückstände 2009 noch bei durchschnittlich 56 Prozent lagen, konnten die Prüfrückstände 2013 auf 44,2 Prozent und 2014 auf 43,0 Prozent reduziert werden. Trotz dieser insgesamt positiven Entwicklung ist die Aufgabenwahrnehmung durch einige Landkreise angesichts der im Einzelfall festgestellten Prüfrückstände von 88 Prozent (2013) bzw. 77 Prozent (2014) weiterhin als problematisch einzuschätzen. (132) Hinsichtlich der Arbeitsrückstände führte ein Landkreis die Einführung der Doppik sowie die Kreisstrukturreform als Ursachen an. Es werde noch mit einigem Zeitaufwand gerechnet, um diese Rückstände abzubauen. (133) Prüfungserfahrungen des Landesrechnungshofes zeigen, dass derartige Mängel in der Aufgabenwahrnehmung auf eine geringe Produktivität und einen zu geringen Personaleinsatz zurückzuführen sind.53 Vor diesem Hintergrund hat der Landesrechnungshof den notwendigen Stellenbedarf für den Aufgabenbereich der überörtlichen Kommunalprüfung ermittelt. 3 Stellenbemessung und Stellenbesetzung für Fachaufgaben der Gemeindeprüfung (134) Der Ermittlung des Stellenbedarfs für Fachaufgaben liegt das System der sog. summarisch-kennzahlenorientierten Stellenbemessung zugrunde. Dazu werden für abgegrenzte Aufga51 52 53 Ordnungsprüfungen gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 KPG M-V i. V. m. § 6 Abs. 3 S. 1 KPG M-V. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht 2011 (Teil 2) – Landesfinanzbericht 2011, Tzn. 625-643, hier: Tz. 628 f. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht 2011 (Teil 2) – Landesfinanzbericht 2011, Tzn. 625-643, hier: Tz. 630 f. Ursächlich für eine vergleichsweise geringe Produktivität waren Män gel in der qualitativen Personalausstattung und der Organisation des Prüfprozesses. 77 ben aufwandsprägende Merkmale (Bezugsgrößen) identifiziert, die sich in ihrer quantitativen Ausprägung aufwandsbestimmend auswirken. Aus dem Verhältnis dieser Bezugsgröße zu einer Kennzahl ergibt sich der Stellenbedarf für die betreffenden Aufgaben.54 (135) Für die Fachaufgaben der überörtlichen Kommunalprüfung wurde als aufwandsprägendes Merkmal die Anzahl der überörtlich zu prüfenden Objekte ausgewählt. Ausgehend von der Anzahl überörtlicher Prüfobjekte wurden für den jeweils geltenden Aufgabenumfang und die Aufgabentiefe in der Vergangenheit Bemessungskennzahlen zwischen 3,7 Prüfobjekte je VZÄ (KGSt, 2009) und 7,5 Prüfobjekte je VZÄ (Landesrechnungshof, 2009) zugrundegelegt. In seiner Prüfung „Organisation der überörtlichen Kommunalprüfung im kreisangehörigen Raum“ hatte der Landesrechnungshof festgestellt, dass die drei Gemeindeprüfungsämter mit den geringsten Rückständen im Bereich der überörtlichen Prüfungen einen durchschnittlichen Wert von 5 Prüfungen je VZÄ aufwiesen.55 Auch in der Prüfung „Umsetzung der Kreisgebietsreform in ausgewählten Landkreisen“ wurden für die Aufgaben der überörtlichen Kommunalprüfung 5 Prüfobjekte je VZÄ zugrundegelegt. Im Zuge dieser Prüfung hat sich gezeigt, dass diese Bemessungsgröße einer Steigerung der Effizienz durch den Einsatz von Prüfsoftware sowie Prüfungserfahrungen angemessen Rechnung trägt und als mittelfristig tragfähig anzusehen ist. (136) Vor diesem Hintergrund legt der Landesrechnungshof dem nachfolgend ermittelten Stellenbedarf 2014 für die Fachaufgaben der Gemeindeprüfung 5 Prüfobjekte je VZÄ sowie die von den Landkreisen jeweils mitgeteilte Anzahl der Prüfobjekte zugrunde. Dabei ergeben sich für die jeweilige Anzahl an Prüfobjekten die folgenden Stellenbedarfe: 54 55 78 Eine Stellenbemessung für Leitungsaufgaben sowie Sekretariats- und Assistenzaufgaben wurde nicht vorgenommen. Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern: Jahresbericht 2011 (Teil 2) – Landesfinanzbericht 2011, Tz. 631. Tabelle 13: Übersicht über die Stellenbedarfe und die Stellen lt. Stellenplan Anzahl der Prüfobjekte Anzahl VZÄ lt. Stellenplan 2014 Stellenbedarf (VZÄ) Abweichung (VZÄ) Nordwestmecklenburg 101 4,37 5,05 -0,68 Ludwigslust-Parchim 203 8,82 10,15 -1,33 Rostock 138 5,5 6,95 -1,45 Mecklenburgische Seenplatte 177 7,75 8,85 -1,1 Vorpommern-Rügen 122 7,35 6,1 1,25 Vorpommern-Greifswald 169 7,425 8,5 -1,075 910 41,215 45,6 -4,38 Landkreis SUMME Quelle: Eigene Berechnungen (Grundlage: Angaben der Landkreise). Damit liegt die Stellenausstattung (ausweislich der Stellenpläne) von fünf Landkreisen unter den errechneten Stellenbedarfen. Mithin ist deren Stellenausstattung zu gering, um die jeweilige Anzahl der überörtlichen Prüfungsobjekte nach dem gesetzlich vorgesehenen Turnus zu prüfen.56 (137) Ein Vergleich des aktuellen Stellenbestands mit den besetzten Stellen in Tabelle 14 zeigte ferner, dass bei den Landkreisen zum Erhebungszeitpunkt insgesamt 5,24 VZÄ unbesetzt waren: Tabelle 14: Übersicht über Stellenbedarfe und Ist-Besetzung (in VZÄ) Stellenplan 2014 Ist-Besetzung per 31.07.2014 Unbesetzte Stellen Nordwestmecklenburg 4,37 4,15 0,22 Ludwigslust-Parchim 8,82 8,22 0,6 Rostock 5,5 5,43 0,07 Mecklenburgische Seenplatte 7,75 7,75 0 Vorpommern-Rügen 7,35 5,025 2,325 Vorpommern-Greifswald 7,425 5,4 2,025 41,215 35,975 5,24 Landkreis SUMME Quelle: Eigene Berechnungen (Grundlage: Angaben der Landkreise). (138) Unter Berücksichtigung des Stellenmehrbedarfs von 4,38 VZÄ und der nicht besetzten Stellen im Umfang von 5,24 VZÄ ist festzustellen, dass die Gemeindeprüfungsämter der Landkreise weitere Stellenbesetzungen von insgesamt rd. 9,62 VZÄ benötigen, um die Aufgaben der überörtlichen Kommunalprüfung adäquat wahrnehmen zu können. 56 Die vorliegenden Bemessungsergebnisse bedürfen einer dynamischen Betrachtungsweise. Demnach ist die Stellenausstattung auf Basis der Bezugsgrößen, Kennzahlen oder mittels anzupassender Kennzahlen fortzuschreiben, wenn maßgebliche qualitative Änderungen der Aufgabeninhalte und des Aufgabenumfangs oder dauerhafte Erhöhungen/Reduzierungen der Anzahl an Prüfobjekten festzustellen sind. 79 4 Fazit (139) Die Landkreise sind angehalten, weiterhin bestehende Prüfrückstände durch die Erhöhung der Stellenanzahl, eine Besetzung bestehender Stellen sowie weiteren Maßnahmen zur Steigerung der Produktivität abzubauen. Die vorzunehmende Stärkung der überörtlichen Prüfung darf jedoch nicht zulasten der örtlichen Rechnungsprüfung gehen. (140) Die Landkreise wurden um Stellungnahme gebeten. Im Ergebnis wurden keine Einwände gegen die Darstellungen des Landesrechnungshofes erhoben. In einer ausreichenden Personalausstattung der überörtlichen und der örtlichen Prüfung werde eine wichtige Voraussetzung gesehen, um den Prüfturnus einhalten zu können, ohne die örtliche Prüfung zu vernachlässigen. (141) Das Innenministerium wird gebeten, im Rahmen der ihm obliegenden Aufsicht dafür Sorge zu tragen, dass die Landkreise die notwendigen personellen Ressourcen auch tatsächlich zur Verfügung stellen. (142) Zur Unterstützung der überörtlichen (und örtlichen) Prüfung behält sich der Landesrechnungshof eine zeitnahe Kontrollprüfung zur Aufgabenwahrnehmung im Bereich der überörtlichen Prüfung vor. Dabei wäre festzustellen, ob die geprüften Stellen die notwendigen Folgerungen aus den früheren Prüfungsergebnissen des Landesrechnungshofes gezogen haben. 80 IV. Ergebnisse der überörtlichen Prüfungen und der Querschnittsprüfungen 1 Integrität und Stabilität von IT-Systemen bei Kommunen - System- und Programmprüfung Bei der Erstellung und Einhaltung eigener interner Regelungen zum IT-Einsatz bestehen teilweise erhebliche Defizite. In der IT-Organisation spiegelt sich die Bedeutung der IT für die Aufgabenerfüllung der untersuchten Kommunen nur eingeschränkt wider. Die zwingend erforderliche Freigabe von HKR-Verfahren konnte nur von einer Kommune vorgelegt werden. Verfahrensbeschreibungen lagen nur vereinzelt vor, waren dann häufig nicht aktuell und beschrieben nicht die tatsächlichen Einstellungen und Nutzungsweisen. 1 Prüfungsgegenstand (143) Die Informationstechnologie ist für die öffentliche Verwaltung von erheblicher Bedeutung. Sie ermöglicht Effizienz- und Effektivitätsgewinne. Je mehr Funktionen mit Hilfe von ITSystemen erledigt werden, umso abhängiger wird die Verwaltung von der fehlerfreien und verlässlichen Funktion der Systeme. Der Betrieb und die Nutzung von IT-Systemen sind mit einer Vielzahl unterschiedlichster Risiken verbunden. In ihren Ursachen und Auswirkungen sind diese Risiken höchst unterschiedlich zu bewerten und haben nicht zwangsläufig einen direkten IT-Bezug. Es ist jedoch maßgeblich, dass die bestehenden IT-bezogenen sowie nicht-IT-bezogenen Risiken aktiv erkannt werden, um mit geeigneten Maßnahmen deren Eintrittswahrscheinlichkeit sowie mögliche Schadenshöhe zu minimieren. Die Sicherheit von IT-Verfahren wird dabei nicht nur durch vorsätzliche Handlungen bedroht. Bedrohungen und Gefahren können vielmehr eine Vielzahl von Ursachen haben. Um diesen Gefahren entgegenwirken zu können, sind unterschiedlichste Regel- und Rahmenwerke entstanden. Solche Werke sind beispielsweise: 57 • Schriftenreihe der ISO 2700x, • BSI57-Standards zur Informationssicherheit, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. 81 • IT-Grundschutz-Kataloge des BSI, • COBIT - Control Objectives for Information and Related Technology58 und • Risk-IT59. Auch wenn die Anwendung solcher Rahmen- und Regelwerke nicht immer vorgeschrieben ist, hilft eine Orientierung hieran bei der Bewältigung der Aufgaben. (144) Innerhalb der IT entwickelte sich die Informationssicherheit als Oberbegriff für die Berücksichtigung der Sicherheit innerhalb der Informationstechnik. Er basiert auf den Grundwerten: • Vertraulichkeit, • Verfügbarkeit und • Integrität. Ergänzt wird der Begriff der Informationssicherheit durch die IT-Sicherheit, die als Schutz elektronisch gespeicherter Informationen und deren Verarbeitung verstanden wird. (145) Hierbei zu berücksichtigende Anforderungen lassen sich aus bestehenden Grundsätzen zur IT-Sicherheit ableiten. Diese Anforderungen werden durch Rechtsnormen ergänzt, die in den einzelnen Rechtsgebieten weitere Konkretisierungen vornehmen. Mit den Regelungen des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften60, des Beschlusses des IT-Planungsrates 61 zur Nationalen E-Government-Strategie, den Änderungen des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes MecklenburgVorpommerns62 und der Richtlinie zur Verbesserung der elektronischen Verwaltung für Bevölkerung und Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern63, sind Maßgaben und Zielstellungen 58 59 60 61 62 63 82 Rahmenwerk zur IT-Governance. Rahmenwerk zum Risikomanagement in der IT. Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.07.2013 (BGBL. I. S. 2749). Gremium der kooperativen Zusammenarbeit zwischen Bund, Länder und Kommunen, welches in Anwendung von Artikel 91c Grundgesetz durch einen IT-Staatsvertrag zwischen Bund und Länder gegründet wur de. Vgl. Zweiten Gesetzes zur Änderung des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes vom 19.05.2014 (GVOBl. M-V S. 190). Richtlinie zur Verbesserung der elektronischen Verwaltung für Bevölkerung und Unternehmen in Mecklen burg-Vorpommern vom 28.04.2008 (Amtsblatt MV 2008 S. 450). für den Einsatz von IT-Verfahren in den öffentlichen Verwaltungen des Bundes, der Länder sowie der Kommunen gesetzt worden. Diese Regelwerke bedeuten einen Paradigmenwechsel in der Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung. Ein elektronischer Zugang zur Verwaltung wird gleichermaßen verpflichtend wie beispielsweise elektronische Bezahlmöglichkeiten. Ab 2020 sollen Bundes- und Landesbehörden ihre Akten elektronisch führen. Mit seiner Entscheidung zur Online-Durchsuchung vom 27.02.2008 64 hat das Bundesverfassungsgericht ein Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitet. Dieses Grundrecht schützt vor Eingriffen in informationstechnische Systeme und dient dazu, neuartigen Gefährdungen zu begegnen, zu denen es im Zuge des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und gewandelter Lebensverhältnisse kommen kann.65 Die Wahrung dieses Grundrechts ist Aufgabe der öffentlichen Verwaltung. Es obliegt ihr daher, die Vertraulichkeit und Integrität ihrer IT-Systeme zu gewährleisten. (146) Der Landesrechnungshof hat bei sechs Kommunen des Landes geprüft, ob es interne Regelungen zur IT-Sicherheit gibt, die sich aus den unterschiedlichsten Gesetzen und Regelwerken ergeben. Sie betreffen die verschiedensten Bereiche des allgemeinen IT-Betriebes wie organisatorische, personelle, technische und fachverfahrensspezifische Aspekte. Die tatsächliche Umsetzung der Regelungen wurde stichprobenweise untersucht. Als Fachverfahren wurden untersucht: • Verfahren für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen (HKR-Verfahren), • IT-Verfahren zur Ausstellung von Personalausweisen, • IT-Verfahren zur Gewährung von Wohngeld und • IT-Verfahren zur Gewährung von Sozialhilfe. Diese Verfahren wurden ausgewählt, da hierfür in Ergänzung zu den allgemeinen Anforderungen an die Integrität und Stabilität von IT-Systemen auch spezielle Vorgaben bestehen, die durch die Kommunen zu beachten sind. 64 65 BVerfG, 1 BvR 370/07, NJW 2008, S. 822 ff. BVerfG a. a. O. 83 Die Auswahl der geprüften Kommunen sollte einen Querschnitt abbilden, der trotz unterschiedlicher Größen eine Vergleichbarkeit bei der Aufgabenerfüllung ermöglicht. Aufgrund unterschiedlicher Rahmenbedingungen in den geprüften Kommunen, die von unterschiedlichen Standortbedingungen bis zu verschiedenen Graden an Ausstattung und Betreuung von IT reichen, war dies nur eingeschränkt möglich. Tabelle 15: Allgemeine Rahmenbedingungen der geprüften Kommunen Kommune/ allgemeine Rahmenbedingungen Anzahl Standorte mit IT-Einsatz Beschäftigte in der Verwaltung Anzahl der Einwohner Amt Stralendorf Hansestadt Anklam Hansestadt Rostock Hansestadt Stralsund Stadt Hagenow Stadt Neubrandenburg 1 3 7966 24 17 8 32 81 2.357 604 197 570 11.496 13.347 204.260 57.862 11.692 64.995 Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern Stand: 31.12.2011 und eigene Ergebnisse der Prüfung. (147) Zusätzlich hat der Landesrechnungshof die Arbeitsweise des Zweckverbandes „Elektronische Verwaltung in Mecklenburg-Vorpommern“ (eGo M-V) betrachtet, u. a bei der Stellung eines gemeinsamen Datenschutzbeauftragen für einzelne Kommunen des Landes. 2 Selbsteinschätzung zur IT-Governance (148) Der Begriff der Corporate Governance wird als rechtlicher und faktischer Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens verstanden. 67 Der Schwerpunkt der Coporate Governance liegt auf Unternehmen, hat jedoch mit der Public Governance eine auf die öffentliche Verwaltung übertragene Sichtweise. Die IT-Governance ist eine Ableitung des generellen Governance-Begriffes. Hierzu gibt es verschiedene Definitionen, welche unterschiedliche Ausrichtungen und Zielsetzungen haben. Zusammengefasst können unter IT-Governance Organisationsstrukturen, Grundsätze, Verfahren und Maßnahmen verstanden werden, die sicherstellen sollen, dass mit Hilfe der IT die Ziele des Unternehmens bzw. der öffentlichen Verwaltung erreicht, Ressourcen verantwortungsvoll eingesetzt und Risiken angemessen überwacht werden.68 Maßgeblich für eine solche Zielerreichung ist, dass entsprechende Ziele konkret und umfassend formuliert sind. 66 67 68 84 Davon 49 Schulen. Vgl. von Weber, A. (2008): Führungsorganisation, S. 1. Vgl. Rütter, A. et al. (2010): IT-Governance in der Praxis, S. 20. (149) Mit einem Fragebogen wurden die geprüften Kommunen um eine Selbsteinschätzung zu verschiedenen Aspekten der IT-Governance gebeten. Ziel dieser Selbsteinschätzung war, einen Überblick über das grundsätzliche Verständnis und aktuelle Vorgehensweisen in den Kommunen zu gewinnen. Tabelle 16: Auszug aus der Selbsteinschätzung zur IT-Governance Kommune/ Frage zum Sachverhalt Amt Stralendorf Hanse- Hansestadt stadt Anklam Rostock Hansestadt Stralsund Stadt Hagenow Stadt Neubrandenburg Der Verwaltungsleitung ist die Verantwortung für die IT-Sicherheit bekannt? Ja Ja Ja Ja Ja Ja Für die eingesetzten IT-Verfahren liegen Verfahrensbeschreibungen vor? Nein Ja Ja Ja Ja Ja Ein Internes Kontrollsystem ist installiert? Nein Nein Ja Ja Ja Ja69 Eine schriftlich fixierte Strategie für die Informationsverarbeitung liegt vor? Nein Ja Ja Ja Ja Nein Eine schriftlich fixierte Strategie für die Informationssicherheit liegt vor? Nein Ja Ja Ja Ja Nein Ein umfassendes IT-Sicherheitskonzept wird angewandt? Nein Nein Ja Ja Nein Nein Konzepte für das Verhalten bei Notfällen liegen vor und werden regelmäßig auf deren Anwendbarkeit überprüft? Nein Nein Ja Nein Nein Nein Nein Ja Ja Nein Nein Liegt eine Übereinstimmung der „gelebten“ Keine Praxis (Ist-Zustand) mit den Konzepten/Richtli- Angabe nien (Soll-Zustand) vor? Quelle: eigene Ergebnisse der Prüfung. (150) Die Fragen zum Sachverhalt waren so formuliert, dass bei bestmöglicher Erfüllung der Anforderungen an die Integrität und Stabilität von IT-Systemen, alle Fragen mit „Ja“ zu beantworten wären. Die Selbsteinschätzung der Kommunen lässt bereits erhebliche Defizite erkennen. Diese sind beispielsweise: • eine Strategie für die Informationsverarbeitung sowie die Informationssicherheit liegt nicht in allen Kommunen vor, • Interne Kontrollsysteme sind nicht durchgehend installiert, • Pläne für das Verhalten bei Notfällen wie beispielsweise den Ausfall von Systemen liegen nur in einer Kommune vor und 69 In der Beantwortung der Fragebögen merkte die Stadt Neubrandenburg an, dass ein Internes Kontrollsystem derzeit nicht installiert sei und dies im Rahmen der Erarbeitung und Installation einer Sicherheitskonzepti on erfolgen soll. 85 • umfassende IT-Sicherheitskonzepte zur Identifizierung von Risiken und Beschreibungen von Maßnahmen zur Minimierung von Schadensszenarien liegen nicht oder nur eingeschränkt vor. Im Rahmen der Prüfung hat der Landesrechnungshof einzelne Sachverhalte der Selbsteinschätzung und deren tatsächliche Anwendung in den Kommunen kritisch hinterfragt. Dabei wurde deutlich, dass die Darstellungen der Kommunen teilweise ein zu optimistisches Bild abgaben. Folgende zusätzliche Defizite wurden dabei erkannt: • die Verwaltungsleitung kommt ihrer Verantwortung für die IT-Sicherheit nicht in ausreichendem Maße nach. Dem Einwand, sie sei dazu finanziell und personell nicht in der Lage, ist entgegen zu halten, dass eine Reihe von Mängeln weitestgehend mit geringem finanziellem Aufwand und aus eigenem Antrieb festgestellt und abgestellt werden können, was jedoch unterblieb, • Verfahrensbeschreibungen liegen nicht oder nur eingeschränkt vor bzw. es liegen nur Verfahrensbeschreibungen nach den datenschutzrechtlichen Vorschriften, nicht aber nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer IT-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) vor, die nach § 28 Gemeindehaushaltsverordnung – Doppik (GemHVO-Doppik) und § 12 Gemeindekassenverordnung – Doppik (GemKVO-Doppik) zu erstellen sind, • ein „umfassendes IT-Sicherheitskonzept“ liegt in keiner Kommune vor; in den Hansestädten, die das angegeben hatten, lagen zwar Sicherheitskonzepte zu verschiedenen Verfahren und in unterschiedlichen Arbeitsständen vor, die aber nicht alle Verfahren einschlossen und • Informationen über Störungen und Probleme sowie die Aktivitäten zu deren Beseitigung werden in keiner Kommune einheitlich erfasst und dokumentiert. 3 Wesentliche Prüfungsfeststellungen (151) Zu den einzelnen Themenkomplexen sowie bei den Fachverfahren wurden eine Vielzahl von Einzelfeststellungen getroffen, die größtenteils auf grundsätzliche sowie organisatorische Probleme und Ursachen zurückzuführen sind. Diese treffen auf die jeweiligen Kommunen nicht gleichermaßen zu und lassen sich wie folgt zusammenfassen: • Da die geprüften Aufgaben gesetzlich vorgegeben sind, haben die Kommunen bei ihrer Aufgabenerfüllung einen Ermessensspielraum in der Entscheidung, „wie“ sie die 86 Aufgaben erfüllen, nicht aber „ob“ sie das tun. Damit ist zur Wahrung des Rechtsstaatsprinzips auch keine Abwägung zwischen IT-Sicherheit und Haushaltskonsolidierung möglich, solange gesetzliche Anforderungen nicht erfüllt werden. • Die geprüften Kommunen sind im Hinblick auf die Integrität und Stabilität von ITSystemen unterschiedlich positioniert. Während einzelne Gemeinden mit dem notwendigen Verständnis und Nachdruck einen ordnungsgemäßen Betrieb der IT-Verfahren weitgehend sicherstellen, gibt es auch Kommunen, in denen kein ordnungsgemäßer IT-Betrieb festzustellen war. • Bei der Erstellung und Einhaltung eigener interner Regelungen zum IT-Einsatz in Kommunen bestehen teilweise erhebliche Defizite. Interne Kontrollsysteme sind nicht durchgehend installiert und bei der Wahrnehmung der Verantwortung der Verwaltungsleitung für die IT-Sicherheit bestehen Mängel. • In der IT-Organisation der geprüften Kommunen spiegelt sich die Bedeutung der IT für die Aufgabenerfüllung nur eingeschränkt wider. Eine umfassende formale und schriftliche Beschreibung der zu erfüllenden Aufgaben und bestehenden Erwartungen an die IT ist in keiner Kommune vorhanden. • Die zwingend erforderliche Freigabe von HKR-Verfahren nach § 59 Abs. 2 KV M-V wurde nur von einer Kommune vorgelegt. In einzelnen Kommunen wurden uneingeschränkte Freigaben gemäß § 19 DSG M-V erteilt – die die Freigabe nach der KV M-V nicht ersetzen –, obwohl die Voraussetzungen für die Erteilung solcher Freigaben nicht vollständig erfüllt waren. • Verfahrensbeschreibungen nach den GoBS, die den tatsächlichen Einsatz von IT-Verfahren in den Kommunen beschreiben, konnten nur vereinzelt vorgelegt werden, waren häufig nicht aktuell und besaßen in einzelnen Kommunen keinen Bezug zu den tatsächlichen Einstellungen und Nutzungsweisen. Weiterhin wurde auf Handbücher der Softwareanbieter und Verfahrensbeschreibungen gemäß Datenschutzrecht verwiesen, die eine andere Zielstellung haben und nicht die erforderlichen Informationen enthalten. • In den untersuchten Kommunen ist weniger ein Mangel an geeigneten Hilfsmitteln zur Erfüllung der Aufgaben festzustellen als vielmehr erhebliche ablauf- und aufbauorga- 87 nisatorische Defizite wie unklare Zuständigkeiten oder fehlende Maßnahmen zur Sicherstellung der Integrität und Stabilität der betriebenen IT-Verfahren sowie deren Überwachung und Weiterentwicklung. Daneben bestehen erhebliche Defizite in der Dokumentation des IT-Einsatzes sowie der Verwendung der verschiedenen Verfahren. • Aus Sicht des Landesrechnungshofes ist eine deutliche Diskrepanz zwischen einer durchgängig guten Ausstattung mit Hard- und Software einerseits und mangelhaften Regelwerken zur deren Nutzung bzw. einer mangelhaften Einhaltung dieser Regelwerke andererseits zu erkennen. • Trotz der Einsparungsbemühungen der Kommunen sollte berücksichtigt werden, dass motiviertes und gut aus- und fortgebildetes Personal in ausreichender Zahl ein entscheidender Faktor für die erfolgreiche Erfüllung der Aufgaben ist. Der IT kommt bei der behördlichen Aufgabenerfüllung eine entscheidende Rolle zu, die auch bei der Ressourcenverteilung angemessen zu gewichten ist. • Für die Definition von Vertretungsregelungen wurden keine einheitlichen Standards und Kriterien zu Grunde gelegt. Die von den Kommunen durchgeführten Maßnahmen zur Personalentwicklung waren nicht ausreichend. Nicht selten hatten IT-Mitarbeiter in den letzten fünf Jahren an keiner IT-fachlichen Fortbildung teilgenommen. • Der Landesrechnungshof hält den Ansatz des Zweckverbandes, mit derzeit drei Mitarbeitern70 für 50 Kommunen die behördlichen Datenschutzbeauftragten zu stellen, für nur bedingt geeignet, die Kommunen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen. • Der Zweckverband hat ein Rahmensicherheitskonzept erstellt, das als Vorlage für die Erstellung von Sicherheitskonzepten durch die Kommunen dienen kann. Dieses kann zwar die organisatorischen und technischen Defizite nicht beseitigen, aber dennoch Hilfestellung sein. Unverständlich ist, warum manche Kommunen noch nicht einmal diese Hilfestellung annehmen. 70 88 Eine personelle Verstärkung um einen vierten Mitarbeiter erfolgt zum 01.01.2015. 4 Handlungsempfehlungen (152) Im Ergebnis der Prüfung und zur Verbesserung der Integrität und Stabilität von IT-Systemen in den Kommunen hat der Landesrechnungshof die folgenden Handlungsempfehlungen gegeben: • Es ist erforderlich, ein Bewusstsein für die Erfordernisse der Integrität und Stabilität von IT-Systemen, insbesondere für die Bedeutung und die Belange der IT-Sicherheit zu schaffen bzw. dieses deutlich zu verstärken. • Die Kommunen sollten Strategien entwickeln, wie der IT-Einsatz und dessen Betreuung langfristig organisiert werden soll. • Die Entscheidung der Kommunen, wie sie künftig IT-Leistungen nutzen, sollte unter Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit und technischen Machbarkeit laufend neu hinterfragt werden. Gerade kleinere Kommunen und Amtsverwaltungen sollten prüfen, ob die Fall- und Nutzungszahlen den Betrieb eigener Verfahren erfordern oder welche Möglichkeiten der Kooperation bestehen. Dabei sollte auch die Übertragung des technischen Betriebs und der fachlichen Betreuung auf andere Kommunen oder andere Partner wie den Zweckverband „Elektronische Verwaltung in Mecklenburg-Vorpommern“ oder andere Dienstleister geprüft werden.71 • Der IT-Betrieb sollte professionalisiert und an vorhandenen Standards und Rahmenwerken wie dem IT-Grundschutz des BSI und den Mindestanforderungen der Rechnungshöfe ausgerichtet werden. Dabei ist es erforderlich, für den Einsatz der IT-Verfahren verbindliche Regelwerke zu erstellen und einzuhalten. • Entscheiden die Kommunen, dass sie IT-Verfahren für die Erfüllung von Aufgaben einsetzen, so ist dabei nicht nur die Etablierung der technischen Verfahren zu berücksichtigen, sondern auch die Verwaltungsprozesse anzupassen und zu dokumentieren. • Fachbereiche und IT-Bereich sollten die jeweiligen fachlichen und funktionalen Anforderungen und Bedarfe gemeinsam und so detailliert wie nötig erfassen, abstimmen und dokumentieren. Dabei sollte die IT-technische und fachliche Betreuung der Verfahren nicht in einer Person konzentriert werden. 71 Kooperation findet z. B. in dem Kommunalunternehmen Kommunalservice Mecklenburg (KSM) statt, das der Landesrechnungshof aber nicht geprüft hat. 89 • Auch bei der internen Erbringung von IT-Leistungen sollte zwischen den Fachbereichen und dem IT-Bereich ein Kunde-Dienstleister-Verhältnis entstehen, in dem Anforderungen, Erwartungen und zu erbringende Leistungen klar und umfassend definiert sind. Mängel in der Leistungserbringung können dann nachvollziehbar festgestellt, dokumentiert und beseitigt werden. • Bei der Entwicklung von Vorhaben sollte zunächst nicht auf technische Lösungen fokussiert werden, sondern die Verbesserungen der Verwaltungsleistungen im Vordergrund stehen. Technische Aspekte sollten erst in der Planung und Vorbereitung detailliert berücksichtigt werden. • Das für die Erfüllung der IT-Aufgaben aktuell und perspektivisch erforderliche Personal sowie dessen Qualifikationen und Fertigkeiten sollte ermittelt und mit dem vorhandenen Personal abgeglichen werden. Bei festgestellten Defiziten sind Maßnahmen zu deren Beseitigung zu ergreifen. Regelmäßige Fortbildungen sind gerade in dem sich schnell entwickelnden Bereich der IT unverzichtbar. • Die Vertretung des IT-Personals muss sichergestellt werden. Die vorhandenen Vertretungsregelungen sollten kritisch hinterfragt und an die tatsächlichen Anforderungen und Bedarfe angepasst werden. • Die Kommunen sollten prüfen, ob die Voraussetzungen zur Erklärung der Freigabe der HKR-Verfahren nach § 59 Abs. 2 KV M-V jeweils erfüllt sind und bei deren Vorliegen die Freigabe erklären. Sollten die Voraussetzungen nicht erfüllt sein, so sind diese kurzfristig zu schaffen, um im Anschluss die Freigabe erklären und das Verfahren weiter betreiben zu können. • Für die Freigabe von IT-Verfahren sollten einheitliche Vorlagen in Form von Checklisten genutzt werden, in denen neben der fachlichen, IT-technischen und datenschutzrechtlichen Freigabe sowie der Gesamtfreigabe, beispielsweise durch den Bürgermeister, auch die erfüllten bzw. nicht erfüllten Voraussetzungen für die jeweilige Erklärung dokumentiert sind. • Wenn Verfahrensbeschreibungen, Freigaben u. ä. nach verschiedenen Vorschriften zu erstellen sind, beispielsweise nach dem DSG M-V und nach den GoBS, ersetzt das eine Dokument nicht das jeweils andere. Dennoch müssen nicht mehrere Dokumente 90 nebeneinander erstellt werden. Es ist möglich, die verschiedenen Beschreibungen, Prüfschritte, Freigaben usw. in einem Dokument zusammenzuführen. Dann müssen bei der Erstellung dieses Dokuments aber alle Vorschriften der verschiedenen Regelungsbereiche beachtet und auch in der Dokumentation deutlich gemacht werden. Das Ministerium für Inneres und Sport sollte die Kommunen bei der Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen an den IT-Betrieb unterstützen. Hierzu sollte das Ministerium überwachen, ob die bestehenden Anforderungen durch die Kommunen erfüllt werden und ggf. Hilfestellungen anbieten. Außerdem sollte es Grundsätze für den ordnungsgemäßen Betrieb von IT-Systemen in Kommunen definieren, deren Einhaltung von den Rechtsaufsichtsbehörden aktiv überwacht werden sollte. Grundlage hierfür könnten unter anderem die Mindestanforderungen der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder zum Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnik sowie der Prüfbericht des Landesrechnungshofes sein. 5 Stellungnahmen zum Prüfbericht 5.1 Stellungnahmen der Kommunen (153) In einzelnen Details der Prüfung wird die Sicht des Landesrechnungshofes nicht von allen Kommunen vollständig und gleichermaßen geteilt. Die Prüfung wird jedoch als Sensibilisierung verstanden, sich stärker als bisher mit Fragen und Problemstellungen zur Integrität und Stabilität von IT-Systemen zu beschäftigen und dies nicht nur als eine technische, sondern als umfassende Betrachtung der Verwaltungsprozesse und ihrer IT-Unterstützung zu verstehen. Einzelne Kommunen haben zur Erklärung der Defizite auf ihre mangelhafte Finanz- und Personalausstattung verwiesen; das vermag den Landesrechnungshof nicht zu überzeugen. Dies ändert nämlich nichts an ihren gesetzlichen Aufgaben, die nach rechtsstaatlichen Grundsätzen zu erfüllen sind. Verpflichtungen zur Erstellung von Dokumentationen wie Verfahrensbeschreibungen, Sicherheitskonzeptionen und Verfahrensfreigaben kann im Übrigen weitestgehend nachgekommen werden, ohne zusätzliche Ausgaben zu leisten. Eine Vielzahl der festgestellten Defizite kann so ausgabenneutral beseitigt werden. 5.2 Stellungnahme des Zweckverbandes „Elektronische Verwaltung in Mecklenburg-Vorpommern“ (154) Der Zweckverband teilt die kritische Sicht des gemeinsamen Datenschutzbeauftragten nicht. Umfangreiches Wissen über sämtliche im Einsatz befindlichen IT-Verfahren aufzubauen, 91 sei für einen Datenschutzbeauftragten unmöglich, auch wenn er hauptamtlich und in Vollzeit für nur eine Kommune tätig sei. An einer besseren Handhabung des Rahmensicherheitskonzeptes werde gearbeitet. Dabei sei das methodische Vorgehen geändert worden und die Kommunen sollen aktive Unterstützung bei der Umsetzung erhalten. Der Zweckverband hält eine erhebliche Verbesserung der Qualität der Aufgabenerfüllung für möglich, wenn die Kommunen bereit sind, die vom Zweckverband für alle Kommunen, auch Landkreise, beschafften und betriebenen Lösungen zu nutzen. (155) Der Landesrechnungshof teilt die Auffassung, dass erhebliches Potenzial für Qualität und Effizienz der Aufgabenerfüllung bei Nutzung zentral betriebener Lösungen besteht. Beim Personaleinsatz für den behördlichen Datenschutzbeauftragten dürfte es auf der Hand liegen, dass umfangreicheres Detailwissen zu den betriebenen Verfahren aufgebaut werden kann, wenn die Anzahl der betreuten Kommunen reduziert wird. 5.3 Stellungnahme des Innenministeriums (156) Das Ministerium für Inneres und Sport hat mitgeteilt, dass es den Feststellungen grundsätzlich beitrete und die Notwendigkeit der gesetzlich vorgeschriebenen Aufgabenwahrnehmung in der IT-Sicherheit unterstreiche, die auch das Bemühen um Haushaltskonsolidierung notfalls einschränken müsse. Eine Verallgemeinerung der Prüfungsergebnisse auf alle Kommunen sehe es kritisch. Es habe in Absprache mit den kommunalen Verbänden eine Abfrage zu diesem Thema gestartet, deren Ergebnis noch ausstehe. Der Landesrechnungshof geht davon aus, dass das Ministerium seiner Empfehlung nachkommen wird, die Kommunen bei der Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen an den IT-Betrieb zu unterstützen. 5.4 Stellungnahme des Ministeriums für Wirtschaft, Bau und Tourismus (157) Das Ministerium für Wirtschaft, Bau und Tourismus72 verwies auf die geänderte Verwaltungsvorschrift zum Wohngeld73, die die festgestellten Regelungsdefizite in Bezug auf die Integrität und Stabilität der Wohngeldverfahren beseitige. Die Umsetzung dieser Vorgaben ob72 73 92 Im Folgenden Wirtschaftsministerium genannt. Verwaltungsvorschrift „Anforderungen an die IT-Verfahren zum Wohngeld in Mecklenburg-Vorpommern“ vom 03.06.2014 (AmtsBl. M-V 2014 S. 778). liege unter Beachtung der kommunalen Organisationshoheit den mit dem Vollzug des Wohngeldgesetzes betrauten Kommunalverwaltungen. Aus Sicht des Landesrechnungshofes erfolgte mit der Überarbeitung der Verwaltungsvorschrift eine deutliche Konkretisierung der bestehenden Anforderungen an die Kommunen in Bezug auf die IT-Verfahren zur Gewährung von Wohngeld. Die entstandenen Regelungsdefizite, insbesondere bei der Berechnung und Bewilligung von Wohngeld, sollten im Zuge der Weiterentwicklung der Verwaltungsvorschrift beseitigt werden. (158) Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Feststellungen und Empfehlungen hat der Landesrechnungshof über diese Prüfung in Form eines Rundschreibens berichtet. (159) Das Prüfungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. 93 2 Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte (Überörtliche Prüfung gem. §§ 4, 5 und 7 Abs. 1 KPG M-V) 1 Modul Organisation und Ablauf der Kassengeschäfte Die für die Ordnungsmäßigkeit des Kassen- und Rechnungswesens erforderlichen Dienstanweisungen sind nicht im erforderlichen Umfang erlassen bzw. an die örtlichen Gegebenheiten angepasst worden. Für die in der Kreiskasse eingesetzten IT-Verfahren liegen keine umfassenden Verfahrensdokumentationen gemäß den Grundsätzen ordnungsgemäßer DV-gestützter Buchführungssysteme vor. Das Vollstreckungsverfahren ist zudem nicht freigegeben. Der Barzahlungsverkehr des Landkreises weist erhebliche Mängel auf. 5.469 ungeklärte Zahlungseingänge mit einem Gesamtvolumen von 7.040.235,09 Euro sowie ungeklärte Vorschüsse von insgesamt 71.992,31 Euro zeugen von einem insgesamt verbesserungswürdigen Anordnungswesen. (160) Die Kommunalkasse ist in hauptamtlich verwalteten Gemeinden als eine (Pflicht-)Organisationseinheit einzurichten.74 Im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte werden die Kassengeschäfte durch die Kreiskasse erledigt. Der Landesrechnungshof hat ausgewählte Kassengeschäfte wie u. a. den Zahlungsverkehr sowie die Verwahrungen und Vorschüsse stichprobenweise geprüft. Desweiteren wurde bei 10 von 57 Barzahlungskassen eine unvermutete Kassenprüfung durchgeführt. 1.1 Dienstanweisungen (161) Um die ordnungsgemäße Erledigung der Aufgaben des Kassenwesens sicherzustellen, ist vom Landrat eine Dienstanweisung (DA) zu erlassen, welche die örtlichen Gegebenheiten berücksichtigt.75 (162) Vorgelegt und in die Prüfung einbezogen wurden die „Dienstanweisung zur Organisation des Rechnungswesens“ vom 10.02.2012, die „Dienstanweisung über die Einrichtung, Ver- 74 75 94 Vgl. § 58 Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern. Vgl. § 34 GemKVO-Doppik. waltung und Führung von Zahlstellen, Handvorschüssen und Einzahlungskassen“ vom 01.05.2012 und die „Dienstanweisung für den Landkreis Mecklenburgische Seenplatte als Vollstreckungsbehörde“ vom 31.01.2013. Die Prüfung der Dienstanweisungen hat gezeigt, dass die für die Ordnungsmäßigkeit des Kassen- und Rechnungswesens erforderlichen Dienstanweisungen nicht im erforderlichen Umfang erlassen bzw. an die örtlichen Gegebenheiten (Ablauforganisation, Verwaltung der Personenkonten, Verwendung der Arten der Zahlungsanordnungen, Regelungen im Vertretungsfall, Erteilung von Abbuchungserlaubnissen, Aufbewahrung von Gebührenmarken, Dokumentation zur Entnahme von Quittungsblöcken, Tages- und Jahresabschluss der Kreiskasse, Verwahrgelass, Sicherung der Bücher und der Buchhaltungsdaten, Vorbereitung und Durchführung der Jahresabschlussarbeiten sowie Bereitstellung von Daten für Abschlüsse, Finanzstatistik und unterjährige Berichterstattung) angepasst worden sind. (163) Der Landkreis hat alle für die Ordnungsmäßigkeit des Kassen- und Rechnungswesens erforderlichen Dienstanweisungen unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten zu ergänzen bzw. zu erlassen und damit die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Haushalts- und Wirtschaftsführung zu schaffen. 1.2 IT-Verfahren in der Kasse (164) Bei der Buchführung mit Hilfe automatisierter Datenverarbeitung muss unter Beachtung der GoBS sichergestellt werden, dass sie gültig, dokumentiert, fachlich geprüft und vom Landrat freigegeben sind.76 (165) Für die in der Kreiskasse eingesetzten IT-Verfahren liegen keine umfassenden Verfahrensdokumentationen gemäß den GoBS vor. Das Vollstreckungsverfahren ist nicht freigegeben. (166) Der Einsatz des NKHR-Verfahrens und des Vollstreckungsverfahrens ist nicht rechtmäßig. Der Landesrechnungshof fordert, diese beiden Verfahren entsprechend den GoBS zu dokumentieren. Das Vollstreckungsverfahren ist zu prüfen und freizugeben. 76 Vgl. § 26 Abs. 10 und § 28 Abs. 2 Nr. 2b GemHVO-Doppik. 95 1.3 Barzahlungsverkehr 1.3.1 Einrichtung von Barzahlungskassen (167) Zur Erledigung von Kassengeschäften können Zahlstellen als Teile der Gemeindekasse eingerichtet werden, soweit dies aus zwingenden Gründen erforderlich ist.77 Für die Leistung bzw. Entrichtung geringfügiger Zahlungen, die regelmäßig anfallen oder zweckmäßiger Weise sofort bar geleistet bzw. angenommen werden, können in einzelnen Organisationseinheiten Handvorschüsse bzw. Einnahmekassen eingerichtet werden.78 (168) Die Einrichtung von Zahlstellen, Handvorschüsse und Einnahmekassen ist nicht immer notwendig. Zahlungen werden in bar abgewickelt, obwohl sie weder geringfügig noch üblicherweise bar zu entrichten sind. (169) Dazu teilte der Landkreis mit, dass sich der Bestand aller Zahlstellen, Handvorschüsse und Einnahmekassen zunächst aus dem Bestand der Altkreise und der Stadt Neubrandenburg ergeben habe. (170) Barzahlungen verursachen im Vergleich zu unbaren Zahlungen hohe Personal- und Sachkosten. Sie sind, wie vom Gesetzgeber gefordert, auf das notwendige Maß zu beschränken. Der Landesrechnungshof empfiehlt zudem, die durch die Barzahlung entstehenden Kosten zu ermitteln und entsprechend dem Verursacherprinzip – analog zum Vorgehen der Kreditinstitute – dem Zahlungspflichtigen als Barzahlungsgebühr anzulasten.79 1.3.2 Kassensicherheit (171) Um die Kassensicherheit zu gewährleisten, muss u. a. die Aufbewahrung, Beförderung und Entgegennahme von Zahlungsmitteln durch Beschäftigte und für Automaten geregelt sein.80 77 78 79 80 96 Vgl. § 3 Abs. 1 GemKVO-Doppik. Vgl. § 4 GemKVO-Doppik. Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2009): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2009 (Teil 1) – Landesfinanzbericht 2009, Tz. 138. Vgl. § 28 GemHVO-Doppik. (172) Die Beförderung des Bargeldes ist lediglich für zwei Barzahlungskassen und den Kassenautomaten geregelt. Die Sicherheit des Barzahlungverkehrs ist folglich uneinheitlich und nicht immer gewährleistet. (173) Die DA zur Organisation des Rechnungswesens ist um einheitliche Sicherheitsstandards zu ergänzen.81 1.3.3 Höchstbetrag des täglichen Bargeldbestandes (174) Die Höchstgrenzen des täglichen Bargeldbestandes der Einzahlungskassen werden durch die Einrichtungsverfügung der Finanzbuchhaltung festgelegt. Der Kassenbestand darf die Höhe des festgelegten Betrages nicht überschreiten.82 (175) Der zulässige Höchstbetrag wurde teilweise zu großzügig festgelegt. Bei fünf von zehn Barzahlungskassen wurden die vorgegebenen Höchstbeträge überschritten. (176) Der zulässige Bargeldhöchstbestand bestimmt den Sicherheitsstandard einer Barzahlungskasse. Auch um Kosten zu sparen, ist er auf das notwendige Maß zu verringern und einzuhalten. 1.3.4 Kassenprüfung (177) Bei der Kreiskasse sind in jedem Haushaltsjahr mindestens eine unvermutete Kassenprüfung und eine unvermutete Kassenbestandsaufnahme vorzunehmen. In die Prüfung sind die Zahlstellen, die Handvorschüsse und die Einzahlungskassen einzubeziehen.83 (178) Lediglich bei zwei der zehn geprüften Barzahlungskassen waren 2013 unvermutete Kassenprüfungen durchgeführt worden. 30 Prozent der geprüften Barzahlungskassen hatten Differenzen im Kassenbestand. (179) Der hohe Anteil von Barzahlungskassen mit Kassendifferenzen belegt die Notwendigkeit der gesetzlich geforderten unvermuteten Kassenprüfungen und Kassenbestandsaufnahmen. 81 82 83 Richtwert für die Kommunen könnten die Richtlinien zur Sicherung von Kassen, Zahlstellen und Geldtransporten gegen Diebstahl und Beraubung im Land M-V (Sicherheitsrichtlinie M-V) vom 21.08.2009 sein. Vgl. Nr. 7.2 DA über die Einrichtung, Verwaltung und Führung von Zahlstellen, Handvorschüssen und Einzahlungskassen im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte. Vgl. § 30 Abs. 1 und 3 GemKVO-Doppik. 97 1.4 Ungeklärte Zahlungseingänge (180) Die Gemeindekasse darf nur aufgrund einer schriftlichen oder auf elektronischem Weg übermittelte Anordnung (Kassenanordnung) Einzahlungen annehmen.84 Liegen für Einzahlungen keine Kassenanordnungen vor, sind diese als ungeklärte Zahlungseingänge zu buchen. Ungeklärte Zahlungseingänge sind in Zusammenarbeit mit dem Fachamt unverzüglich zu klären. Ist dies nicht möglich, ist frühestens nach zwei und spätestens nach vier Monaten über die Buchung zu entscheiden. Können ungeklärte Zahlungseingänge nicht innerhalb von sechs Monaten aufgeklärt werden, sind diese erfolgswirksam auszubuchen.85 (181) Der Landesrechnungshof hat zum Zeitpunkt der Prüfung 5.469 ungeklärte Zahlungseingänge mit einer Gesamthöhe von 7.040.235,09 Euro festgestellt. Regelmäßig handelte es sich dabei um Zahlungseingänge des Landkreises, die jedoch nicht zugeordnet werden konnten, da Einzahlungen nicht sofort bei ihrer Erhebung angeordnet bzw. Anordnungsdaten von Fachverfahren nicht rechtzeitig an das NKHR-Verfahren übergeben wurden. Die Erfassung der Anordnungen erfolgte teilweise erst kurz vor bzw. nach der im Bescheid ausgewiesenen Fälligkeit. 86 Bei einem ordnungsgemäßen Anordnungswesen wären diese ungeklärten Zahlungseingänge überwiegend vermeidbar gewesen. Älter als sechs Monate waren per 21.10.2013 mindestens 2.430 Zahlungseingänge mit einem Gesamtvolumen von 836.249,94 Euro. (182) Der Landkreis hat das Anordnungswesen zu optimieren, um Einzahlungen unmittelbar bei Eingang Kassenanordnungen zuordnen zu können. Die gegenwärtig bestehenden, ungeklärten Zahlungseingänge sind in Zusammenarbeit mit den Fachämtern unverzüglich aufzuklären. Nach sechs Monaten sind nicht geklärte Zahlungseingänge erfolgswirksam zu vereinnahmen. 84 85 86 98 Vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 GemKVO-Doppik. Vgl. Nr. 2.5.2 DA zur Organisation des Rechnungswesens. Verkehrsangelegenheiten, Vermessung, Bau-und Grundstücksordnung. 2 Modul Vergaben/Beschaffung Der Landesrechnungshof hat 23 Vergaben auf die Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften (VOB, VOL, Wertgrenzenerlass etc.) geprüft. Dabei wurde festgestellt, dass bei Beschaffungen grundlegende Vorschriften der VOL nicht beachtet wurden. Die Vielzahl der festgestellten Mängel spricht dafür, das Vergabewesen im Landkreis weiter zu zentralisieren. 2.1 Vorbemerkungen (183) Vergabeverfahren sind streng formalisierte Verfahren. Bei Verfahrensverstößen können erhebliche Folgen für den öffentlichen Auftraggeber eintreten. Diese reichen von Verzögerungen bei der Erfüllung wichtiger Aufgaben bis zu Schadensersatzforderungen unterlegener Bieter. Die Nichteinhaltung zwingender Vergabevorschriften birgt die Gefahr in sich, dass das Vergabeverfahren • nicht rechtmäßig bzw. unzweckmäßig ist, • zu einem unwirtschaftlichen Ergebnis führt, • sogenannte „Haus- und Hoflieferanten“ begünstigt, • einer möglichen Korruption Vorschub leistet und/oder • das Ansehen der Verwaltung beschädigt. (184) Der Landesrechnungshof hat beim Landkreis Mecklenburgische Seenplatte insgesamt 23 Beschaffungsvorgänge aus den Jahren 2011 und 2012 geprüft. Dabei handelte es sich um Öffentliche Ausschreibungen, Beschränkte Ausschreibungen sowie Freihändige Vergaben aus dem Bereich der VOB (7) und der VOL (16). (185) Im Bereich VOB wurden sieben Vergaben mit Auftragswerten zwischen 5.338 Euro und 366.490 Euro bei einer Gesamtsumme von 748.952 Euro geprüft. Bei den Vergaben handelte es sich um Lose einer Gesamtmaßnahme.87 Die 16 geprüften VOL-Vergaben hatten Auftragswerte zwischen 11.830 Euro und 196.588 Euro bei einer Gesamtsumme von 943.954 Euro. 87 Bei der Prüfung dieser VOB-Vergaben wurde nur in einem Fall ein Fehler festgestellt. 99 (186) Geprüft wurde die Einhaltung wesentlicher Vergaberegelungen (VOB, VOL, VgV etc.). Falls bei Vergaben der Wertgrenzenerlass88 Grundlage für die Begründung der jeweiligen Vergabeart war, hat der Landesrechnungshof die Einhaltung dieser Verwaltungsvorschrift ebenfalls geprüft. 2.2 Vergabeordnung des Landkreises (187) Der Landkreis hat zum 01.01.2012 die „Ausschreibungs- und Vergabeordnung des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte (Vergabeordnung MSE)“ in Kraft gesetzt. (188) Der Landesrechnungshof begrüßt grundsätzlich, dass sich der Landkreis diese Ordnung gegeben hat. (189) Um Anwendungsfehler, wie sie teilweise bei der vorliegenden Prüfung der Vergabevorgänge festgestellt wurden, auszuschließen, hat der Landesrechnungshof insbesondere die Aufnahme folgender Hinweise in die Vergabeordnung des Landkreises angeregt: • Hinweis auf §§ 8 VOB/A und 9 VOL/A: Allgemeine Vertragsbedingungen (VOL/B, VOB/B, VOB/C) sind grundsätzlich zum Vertragsgegenstand zu machen. • Niederschrift über die Öffnung der Angebote ist von mindestens zwei Vertretern des Auftraggebers zu unterschreiben; keine Kennzeichnung der Angebote erforderlich (§ 14 VOL/A). • zwingend vorgeschriebene Benachrichtigung nicht berücksichtigter Bewerbungen und Angebote bei Vergaben gemäß VOB/A (Ergänzung der Vergabeordnung und des Formblatts der zugehörigen Anlage). • Vorab-Schätzung des Auftragswerts gemäß § 3 Vergabeverordnung (VgV).89 • Anlass und Kriterien von Prüfungen der Auskömmlichkeit (Regelungen zur Prüfung und Wertung der Angebote). (190) Der Landkreis erklärte, diese Anregungen bei der laufenden Überarbeitung der Vergabeordnung weitgehend zu berücksichtigen. 88 89 „Vergabe öffentlicher Aufträge mit geringen Auftragswerten (Wertgrenzenerlass)“, Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums vom 07.12.2010, AmtsBl. M-V S. 846. Die Kostenschätzung ist für die Begründung der Wahl der Vergabeart ebenso von Bedeutung wie für die Berechnung des jeweiligen Betrages im Rahmen der Haushaltssatzung. Es sollte daher im Rahmen des Ver gabevorgangs eine Dokumentation, ob und nach welchem Verfahren die Auftragswerte vorab geschätzt wurden, gefordert werden. 100 2.3 Organisation des Vergabewesens (191) Der Landkreis hat eine Zentrale Vergabestelle eingerichtet. Gemäß § 8 Vergabeordnung MSE gehören zu ihren Aufgaben „die Erfassung und eine umfassende Beratung bei der Vorbereitung und Durchführung von Vergabeverfahren“. Sie ist bei Beschränkten und Öffentlichen Ausschreibungen sowie bei Verfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte zu beteiligen. Bei Freihändigen Vergaben kann die Vergabestelle beteiligt werden. Die genaue Durchführung dieser „Beteiligung“ wird in weiteren Vorschriften der Vergabeordnung geregelt. (192) Die nachfolgend dargelegten Prüfungsergebnisse belegen, dass die bloße „Beteiligung“ der Vergabestelle für ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren nicht ausreicht. Der Landesrechnungshof hat festgestellt, dass – selbst unter Berücksichtigung der nachfolgend dargestellten Anwendungsfehler – Vergaben durch die Zentrale Vergabestelle vergleichsweise sachgerecht bearbeitet werden. Bei den Mitarbeitern der Fachämter sind die notwendigen Kenntnisse des Vergaberechts nicht immer vorhanden. Auch bei Freihändigen Vergaben sollte eine zwingende Einbeziehung der Vergabestelle vorgesehen werden. (193) Der Landesrechnungshof regt daher an, die Zentrale Vergabestelle federführend für alle Vergabevorgänge einzusetzen, diese Zuständigkeit in der Vergabeordnung des Landkreises festzuschreiben und diese Regelung konsequent umzusetzen. Die Zuständigkeit für die Erarbeitung der Leistungsverzeichnisse sowie die Prüfung und Wertung der Angebote sollte in der Zuständigkeit der Fachämter verbleiben, da nur so das notwendige fachtechnische Wissen in das Vergabeverfahren eingebracht werden kann. Um die Aufgabe der Zentralen Vergabestelle sachgerecht wahrnehmen zu können, ist diese adäquat mit geschultem Personal auszustatten. (194) Im Nachgang zur Prüfung teilte der Landkreis mit, dass die Umstrukturierung der Zentralen Vergabestelle mit dem Schwerpunkt der formalen Begleitung bzw. Kontrolle perspektivisch auch unter verstärktem Einsatz von Mitzeichnungsrechten erfolgen solle. 2.4 Wesentliche Fehlerquellen und Probleme im Bereich der VOL (195) Von 16 geprüften VOL-Vergaben waren 15 fehlerhaft, insgesamt wurden 29 Fehler festgestellt. Nachfolgend werden die Prüfungsfeststellungen zu wesentlichen Fehlerquellen dargestellt. 101 2.4.1 Schätzung des Auftragswertes (196) Der Auftragswert ist gemäß § 1 Abs. 1 i. V. m. § 3 VgV zu schätzen. Die Kostenschätzung ist für die Begründung der Wahl der Vergabeart ebenso von Bedeutung wie für die Berechnung des jeweiligen Betrages im Rahmen der Haushaltsaufstellung. (197) In mehreren geprüften Fällen fehlte in den Vergabevorgängen der geschätzte Auftragswert vollständig. Nach welchem Verfahren der Landkreis die Auftragswerte vorab geschätzt hat, ist in vielen Fällen nicht erkennbar. (198) Der Landkreis ist in der Pflicht, den Auftragswert vorab zu schätzen und dessen Ermittlung zu dokumentieren. (199) Im Nachgang zur Prüfung sagte der Landkreis zu, die neue Vergabeordnung dementsprechend anzupassen. 2.4.2 Leistungsbeschreibung (200) Gemäß § 7 VOL/A ist die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben. Als Folge der Leistungsbeschreibung ist gemäß § 3 Abs. 1 VgV bei der Schätzung des Auftragswertes die Gesamtvergütung (einschl. etwaiger Vertragsverlängerungen) zu berücksichtigen. (201) Im Fall einer Fahrzeugbeschaffung hatte die Leistungsbeschreibung den Kauf eines solchen Fahrzeugs im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung vorgesehen. Eine Firma hatte ihr ursprüngliches Angebot, welches fristgerecht abgegeben wurde, ca. drei Wochen nach Ablauf der Ausschreibungsfrist um ein Finanzierungsangebot (Mietkauf) ergänzt und erhielt unter Einbeziehung dieses nachträglichen Angebotes hierauf den Auftrag über die Fahrzeuglieferung (Mietkauf). (202) Der Mietkauf stellt eine nachträgliche Änderung der Leistungsbeschreibung dar. Es war nicht mehr sichergestellt, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinn verstehen und entsprechende Angebote unterbreiten konnten. Damit wurde gegen § 7 VOL/A verstoßen. Im Übrigen hätte eine veränderte Leistungsbeschreibung ggf. zu einer anderen Bieterreihenfolge führen können. 102 (203) Im Fall der Vergabe einer Dienstleistung wurde im Vermerk über die Wahl der Vergabeart von einem geschätzten Auftragswert in Höhe von 10.500 Euro p. a. ausgegangen, wobei in Klammern der Gesamtbetrag von 42.000 Euro für vier Jahre angegeben wurde. Hingegen wurde in der Leistungsbeschreibung lediglich aufgeführt, dass der Vertrag jährlich verlängert werden kann, ohne hierfür Voraussetzungen zu benennen. (204) Auch angesichts dieser nicht klar geregelten Möglichkeit der Vertragsverlängerung ist davon auszugehen, dass die Dienstleistung tatsächlich für einen Zeitraum von vier Jahren vergeben werden sollte. (205) In derartigen Fällen sind die Leistungsbeschreibungen so zu fassen, dass für Auftraggeber und Auftragnehmer klar ersichtlich ist, unter welchen Voraussetzungen Vertragsverlängerungen möglich sind. (206) Leistungsbeschreibungen sind zukünftig eindeutig und erschöpfend zu fassen. 2.4.3 Beachtung des Wertgrenzenerlasses (207) Die Einhaltung der Vorgaben des Wertgrenzenerlasses ist bei deren Anwendung Grundlage für die Begründung der Vergabeart und deshalb im Vergabevermerk zu dokumentieren. Werden diese Vorgaben nicht eingehalten, ist die Wahl einer anderen Vergabeart als die der Öffentlichen Ausschreibung im Nachhinein als unzulässig zu bewerten. Bei der Anwendung des Wertgrenzenerlasses ist ferner zu berücksichtigen, dass • gemäß Nr. 2.1 bei Beschränkten Ausschreibungen und Freihändigen Vergaben ab einem Auftragswert von 25.000 Euro vor der Entscheidung über die Auftragsvergabe öffentlich zu informieren und gemäß Nr. 2.2 nach der Zuschlagserteilung für die Dauer von mindestens einem Monat ergänzend der Name des beauftragten Unternehmens zu veröffentlichen, • gemäß Nr. 5 der Zubenennungserlass90 anzuwenden und damit die Auftragsberatungsstelle einzuschalten und 90 Erlass über die Zubenennung von Unternehmen aus Mecklenburg-Vorpommern durch die Auftragsbera tungsstelle Mecklenburg-Vorpommern e. V. bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil A (VOB/A) und der Verdingungsordnung für Leistungen – Teil A (VOL/A) vom 20.10.2006 (AmtsBl. M-V S.837), bzw. ab 31.01.2012 der gleichnamige Erlass vom 20. Januar 2012 (AmtsBl. M-V S. 194). 103 • bei Beschränkten Ausschreibungen und Freihändigen Vergaben eine Mindestanzahl von Bewerbern zur Angebotsabgabe aufzufordern sind. (208) In elf geprüften Fällen wurden diese Vorschriften nicht beachtet. Hinsichtlich der fehlenden Einschaltung der Auftragsberatungsstelle wurde seitens des Landkreises ausgeführt, dass dieser Verfahrensschritt nur gewählt würde, wenn nicht genügend Fachfirmen bekannt seien. Damit verkennt der Landkreis allerdings den Zweck der Einschaltung dieser Stelle. Ziel dieser Beteiligung ist es, neben den bereits bekannten Firmen weitere potenzielle Auftragnehmer in das Verfahren einzubinden und damit eine Kartellbildung vor Ort sowie eine Bevorzugung bekannter Firmen zu vermeiden. (209) In Bezug auf die Veröffentlichung gemäß Nrn. 2.1 und 2.2 Wertgrenzenerlass teilte das Innenministerium mit, dass es im Ermessen der kommunalen Körperschaften stehe, ob und welche Informationen zu den Auftragsvergaben veröffentlicht werden. Eine Pflicht zur Veröffentlichung bestehe folglich nicht. Entgegen dieser Sichtweise bezieht sich das Ermessen nur auf die Form der Veröffentlichung und nicht darauf, ob eine Veröffentlichung erfolgt. Die Verpflichtung zur Veröffentlichung nach Zuschlagserteilung (Nr. 2.2) besteht ergänzend zu der nach Nr. 2.1 vorgesehenen Veröffentlichung. Sofern die Auffassung vertreten werden sollte, dass durch die Auslegung des Innenministeriums im Ergebnis keine Veröffentlichung erfolgt, würde dem Sinn und Zweck der Regelung – die Herstellung von Transparenz – nicht Rechnung getragen. Dem Landesrechnungshof ist nicht ersichtlich, warum die Herstellung von Transparenz insbesondere für die kommunalen Körperschaften nicht gelten soll. Gerade auf kommunaler Ebene wird eine Vielzahl an Aufträgen vergeben, welche dem Wertgrenzenerlass unterfallen. Das Wirtschaftsministerium als Verordnungsgeber sollte die Formulierung klarstellen. (210) Die Vorgaben des Wertgrenzenerlasses sind künftig umfassend zu beachten. Um die Einhaltung dieser Vorschriften zu erleichtern, wird die Entwicklung eines Formblatts vorgeschlagen, welches unter Beachtung der Wertgrenzen die einzelnen Verfahrensschritte von der Auswahl der Unternehmen bis zu den vorgeschriebenen Veröffentlichungen enthält. 104 Im Nachgang zur Prüfung sicherte der Landkreis zu, die Auftragsberatungsstelle künftig bei Beschränkten Ausschreibungen und Freihändigen Vergaben verstärkt einzubinden und ein entsprechendes Formblatt zu entwickeln. Das Innenministerium hat erklärt, dass aufgrund der bei der Anwendung des Wertgrenzenerlasses festgestellten Vergabefehler seitens der Landesregierung beabsichtigt werde, „zum neuen Wertgrenzenerlass 2014 eine Checkliste als Hilfestellung für die kommunalen Körperschaften herauszugeben.“ (211) Der Landesrechnungshof begrüßt den Einsatz derartiger Checklisten, sofern damit die Beachtung der Maßgaben des Wertgrenzenerlasses sichergestellt werden. 2.4.4 Aufteilen von Vergaben (212) Gemäß § 2 Abs. 2 VOL/A sind Leistungen gegebenenfalls in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. (213) Der Landkreis hat 2012 in acht Fällen die Beräumung illegaler Müllverkippungen je- weils als Freihändige Vergaben durchgeführt. Dabei unterschieden sich die einzelnen Vergaben nach der jeweiligen Region des Landkreises, in der diese Leistung erbracht werden sollte. Es wurden keine Gründe dokumentiert, weshalb die Beseitigung illegaler Verkippungen mittels einzelner Vergaben vorgenommen und diese Leistung nicht in (gebietsweise) Lose aufgeteilt wurde. (214) Dieses Abweichen von dem Grundsatz der Aufteilung nach Losen bzw. die fehlende Dokumentation des Verzichts auf eine Aufteilung sieht der Landesrechnungshof daher als unzulässig an. (215) Der Landesrechnungshof geht davon aus, dass der Landkreis die Vorschrift zukünftig beachtet. 2.4.5 Prüfung und Wertung der Angebote (216) In der Niederschrift zur Öffnung der Angebote sind Endbeträge der Angebote nachzurechnen und vom zuständigen Bearbeiter (§ 16 Abs. 1 VOL/A) abzuzeichnen. (217) In drei geprüften Fällen ist dies nicht geschehen. (218) Der Landesrechnungshof erwartet, dass dies künftig als ein wesentlicher Bestandteil der Vergabevorschriften beachtet wird. 105 2.4.6 Prüfung der Auskömmlichkeit (219) Gemäß § 16 Abs. 6 VOL/A prüft der Auftraggeber vor der Vergabe des Auftrags die Einzelposten solcher Angebote, die im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen. Diese Auskömmlichkeitsprüfung ist geboten, wenn das günstigste Angebot mehr als 10 Prozent unter der Angebotssumme des zweitplatzierten Bieters oder unter dem Durchschnitt der im Verfahren verbliebenen anderen Bieter, der insoweit einen Marktvergleich darstellt, liegt. Besteht Anlass zu einer Auskömmlichkeitsprüfung, hat der Auftraggeber in Textform vom Bieter die erforderlichen Belege anzufordern. Anhand dieser Belege hat der Auftraggeber zu prüfen, ob das Angebot auch auskömmlich ist. (220) Die Zentrale Vergabestelle des Landkreises ist sich der Problematik der Auskömmlichkeit bewusst. Im Verlauf der Vergabeverfahren weist sie daher, soweit sie involviert ist, die Fachämter in den entsprechenden Fällen auf die notwendige Überprüfung hin. Trotz dieser Hinweise wurde die Auskömmlichkeit in drei Fällen nicht erkennbar geprüft. Beispielsweise gingen bei einer Ausschreibung für Beförderungsleistungen Angebote in Höhe von 192 Euro, 264 Euro, 265 Euro und 309 Euro pro Woche ein. Die Zentrale Vergabestelle wies das Fachamt auf diese auffällig weit auseinander liegenden Angebote hin. Eine Aufklärung der Preisunterschiede ist im Vorgang nicht dokumentiert und demnach wohl auch nicht erfolgt. Den Zuschlag erhielt das niedrigste Angebot. (221) Der Landesrechnungshof bittet, die Prüfung der Auskömmlichkeit zukünftig gegebenenfalls unter weiterer Beteiligung der Zentralen Vergabestelle sachgerecht vorzunehmen und zu dokumentieren. 2.4.7 Durchführung eines Bietergesprächs (222) Gemäß § 15 VOL/A darf der Auftraggeber nach der Öffnung der Angebote bei Ausschreibungen von den Bietern nur Aufklärungen über das Angebot und deren Eignung verlangen. Verhandlungen sind unzulässig. (223) Der Landkreis hatte eine Gebäudemöblierung beschränkt ausgeschrieben. Von sechs angeschriebenen Firmen gab nur eine Firma ein Angebot ab. Nach Angebotsöffnung fand ein „Bietergespräch“ mit dieser Firma statt. Dabei wurden Änderungen der Leistungsbeschreibung 106 und der Wegfall von Positionen vereinbart. Im Anschluss an dieses Gespräch erhielt die Firma den Zuschlag mit einem Auftragswert, der unter der ursprünglichen Angebotshöhe lag. (224) Der Landesrechnungshof hält dieses „Bietergespräch“ für einen Verstoß gegen das Verhandlungsverbot (§ 15 VOL/A) und dieses Vorgehen damit für unzulässig. (225) § 15 VOL/A ist künftig durchgehend zu beachten. 2.4.8 Unterrichtung der unterlegenen Bieter (226) § 19 Abs. 1 VOL/A regelt die Unterrichtung von Bietern, wenn ihre Angebote nicht berücksichtigt werden. (227) In zwei Fällen haben Bieter die Benachrichtigung erhalten, dass ihr Angebot nicht das wirtschaftlichste sei. Tatsächlich waren diese beiden Angebote aber ausgeschlossen worden, weil sie der Leistungsbeschreibung nicht entsprachen. (228) Der Landesrechnungshof geht davon aus, dass der Landkreis künftig diese Bieter vorschriftsgemäß unterrichtet. 107 3 Modul Forderungsmanagement Der Landkreis hatte zum Prüfungszeitpunkt offene Forderungen in einer Gesamthöhe von mehr als 18 Mio. Euro. Dies macht deutlich, dass ein funktionierendes Forderungsmanagement nicht vorhanden war. Es fehlt eine Gesamtkonzeption des Forderungsmanagements. Bearbeitung und Überwachung von Stundungen und Niederschlagungen sind ineffektiv. Offene Forderungen werden zu spät gemahnt und vollstreckt. Ein Beschwerdemanagement war nicht eingerichtet. (229) Der planvolle Umgang mit Forderungen im Rahmen des Forderungsmanagements ist für Kommunen von großer Bedeutung. Mit einem optimierten Forderungsmanagement werden primär zwei Ziele verfolgt: • Zum einen soll das Verzugsrisiko kommunaler Forderungen minimiert werden, um die kommunale Liquidität zu verbessern und Kapitalkosten zu sparen. • Zum anderen sollen die Ausfallrisiken reduziert werden, um die Wertberichtigungen, die sich unmittelbar auf die Ergebnisrechnung auswirken, zu vermeiden. Der Landesrechnungshof hat das Forderungsmanagement des Landkreises in Stichproben geprüft. 3.1 Konzeption eines Forderungsmanagements (230) Das Forderungsmanagement besteht aus den Phasen • Rechnung/Bescheid, • Buchhaltung, • Mahnprozess und • Vollstreckungsprozess. Ein optimales Forderungsmanagement setzt eine verwaltungsweite Konzeption und Vorgehensweise voraus. Dies umfasst die Prozesse in den anordnenden Fachbereichen ebenso wie in der Kreiskasse. 108 (231) Das Forderungsmanagement des Landkreises ist nicht ganzheitlich konzipiert und in Dienstanweisungen nur teilweise geregelt. Teile des Forderungsmanagements wie das Informationsmanagement und das Beschwerdemanagement sind nicht organisiert. Ausfluss dessen ist ein uneinheitliches Verwaltungshandeln, welches durch die Gesamtheit der Prüfungsfeststellungen des Landesrechnungshofes bestätigt wird. (232) Der Landkreis hat das Forderungsmanagement zu konzipieren, durch Dienstanweisungen umzusetzen und so mittels einheitlichem Handeln in allen Fachbereichen den Forderungsausfall und -verzug zu minimieren. 3.2 Bestand offener Forderungen (233) Ein Indikator für die Funktionsfähigkeit eines Forderungsmanagements ist die Höhe des Forderungsbestandes. (234) Der aktuelle Bestand zum Zeitpunkt der örtlichen Erhebungen betrug 102.716 offene Forderungen mit insgesamt 18.246.668,13 Euro. Schwerpunkte sind sonstige Einnahmen, darunter Rückforderungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz und des Jobcenters, Müllgebühren sowie Verwarn- und Bußgelder. Da alle Forderungen durch den Landkreis beizutreiben sind, werden Anzahl und Höhe der ausstehenden Forderungen kritisch gesehen und zeugen von einem insgesamt nicht funktionierenden Forderungsmanagement. (235) Der Landkreis teilte zur Höhe seines Forderungsbestands mit, dass sich dieser aus den Altforderungen der vier ehemaligen Gebietskörperschaften, den Altforderungen der Bundesagentur für Arbeit (für den Teil des Zugelassenen Kommunalen Trägers bis zum 31.12.2011) sowie den neu entstandenen Forderungen des Großkreises ab dem Jahr 2012 zusammensetzt. Ergänzend müsse bei der Aussage zum Forderungsmanagement nach Ansicht des Landkreises beachtet werden, dass die Kreiskasse gesetzlich nicht für die Beitreibung der privat-rechtlichen Forderungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (8,0 Mio. Euro) zuständig ist. Diese seien eigenständig durch das Jugendamt beizutreiben. (236) Es sind Maßnahmen zu prüfen, wie Außenstände verhindert und säumige Forderungen schneller beigetrieben werden können. Neben der Kreiskasse als Vollstreckungsbehörde sind hierfür auch die Fachämter stärker mit einzubeziehen (Informationsbeschaffung, Beschwerdemanagement, Bescheiderstellung, Anordnungswesen u. a.). Für die Beitreibung der privat109 rechtlichen Forderungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ist, unabhängig von den konkreten landkreisinternen Zuständigkeiten, der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte zuständig. Diese Zuständigkeit ist entsprechend wahrzunehmen. 3.3 Beschwerdemanagement (237) Durch eine schnelle und abschließende Bearbeitung von Bürgerreklamationen nach Bescheidzustellung, Mahnung von Forderungen und Vollstreckungshandlungen können weitergehende Zahlungsverzögerungen minimiert und Wiederholungsfälle vermieden werden. (238) Eine abschließende Bearbeitung von Bürgerreklamationen erfolgt nur sporadisch. Die Kreiskasse kann Beschwerden nur insoweit abhelfen, als dass Einzahlungen nicht ordnungsgemäß zugeordnet wurden. Bei weitergreifenden Beschwerden muss die Kreiskasse die Bürger an die Fachbereiche verweisen. Die Fachbereiche fühlen sich bei Beschwerden nach Mahnungen oder Vollstreckungshandlungen oftmals nicht zuständig und klären vorgetragene Beschwerden nicht oder nicht abschließend. Dies betrifft im Einzelnen die Erklärung der Forderung, die Absetzung unberechtigter Forderungen, den Abgang von doppelten Anordnungen, die Aussetzung der Vollziehung bis zur Klärung der Forderung, die Rücknahme fehlerhafter und den erneuten Versand ordnungsgemäßer Bescheide u. a. (239) Der Landkreis hat ein effektives Beschwerdemanagement einschließlich einer professionellen Beratungsfunktion zu organisieren. Die Fachbereiche sind anzuhalten, ihre Aufgaben ordnungsgemäß wahrzunehmen und Beschwerden von Zahlungspflichtigen unverzüglich abschließend zu bearbeiten. 3.4 Änderung von Ansprüchen 3.4.1 Stundung (240) Mit einer Stundung wird die Fälligkeit einer Forderung ganz oder in Raten hinausgeschoben. Bei Ratenstundungen soll die jeweilige Restschuld sofort zur Zahlung fällig werden, wenn die festgesetzten Teilzahlungen nicht eingehalten werden.91 (241) Per 25.10.2013 sind lt. NKHR-Verfahren des Landkreises insgesamt 1.763 Forderungen mit 415.411,66 Euro gestundet. Obwohl davon auszugehen ist, dass auch Forderungen der 91 Vgl. Nr. 2.6.2 DA zur Organisation des Rechnungswesens. 110 einzahlungsintensiven Bereiche wie Abfallwirtschaft, Bau- und Katasteramt gestundet wurden, waren für diese Abgabenarten keine Stundungen im NKHR-Verfahren nachgewiesen. Ratenzahlungen werden manuell überwacht. Bei Verzug einer Teilzahlung werden Ratenstundungen oftmals nicht unmittelbar beendet. (242) Alle Stundungen sind im NKHR-Verfahren zu buchen. Bei Ratenstundungen sind die Überwachung und Beitreibung der Restschuld zu automatisieren. 3.4.2 Niederschlagungen (243) Die Niederschlagung ist die befristete oder unbefristete Zurückstellung der Weiterverfolgung einer fälligen Forderung ohne Verzicht auf den Anspruch selbst. Beträge, deren Niederschlagung verfügt ist, sind vom Fachamt durch Kassenanordnung in Abgang zu stellen.92 (244) Kann eine Forderung nicht vollstreckt werden, weil der Zahlungspflichtige insolvent, verstorben oder nicht auffindbar ist, unterbreitet der Fachbereich Vollstreckung den Fachämtern einen Vorschlag zur Bereinigung der Forderung. Die Fachbereiche zweifeln regelmäßig das Ergebnis der Beitreibung an oder betreiben eigenen Recherchen. Die zur Bereinigung der Forderungen notwendige Niederschlagung erfolgt sehr zögerlich oder erst nach mehrfacher Aufforderung durch den Fachbereich Vollstreckung. Das hat unnötigen Verwaltungsaufwand zur Folge, da der Fachbereich Vollstreckung den Stand der Forderung weiter überwachen muss und die Bearbeitung nicht abschließen kann. (245) Die anordnenden Fachbereiche sind anzuhalten, die Zuarbeiten des Fachbereiches Vollstreckung umgehend zu bearbeiten. Verfügt der Fachbereich über weitere Informationen zum Zahlungspflichtigen, ist der für die Beitreibung zuständige Fachbereich Vollstreckung zu informieren. 3.5 Kleinbeträge (246) Wirtschaftliches Handeln bedingt die Niederschlagung von Kleinbeträgen, deren Kosten der Einziehung im Verhältnis zur Höhe des Anspruches zu hoch sind.93 Für den Landkreis ist von einer Geltendmachung von 1 Euro, einer Mahnung von Beträgen unter 5 Euro sowie einer 92 93 Vgl. Nr. 2.6.3 DA zur Organisation des Rechnungswesens. Es sei denn, dass die Einziehung aus grundsätzlichen Erwägungen geboten ist. Letzteres gilt insbesondere für Verwaltungsgebühren, Bußgelder und Zahlungsverpflichtungen aufgrund besonderer Rechtsvorschriften, allgemeiner Tarife oder allgemein festgesetzter Entgelte. Besondere gesetzliche Vorschriften über die Geltendmachung von Kleinbeträgen bleiben unberührt (§ 23 Abs. 1 GemKVO-Doppik). 111 zwangsweisen Beitreibung von Beträgen unter 20 Euro abzusehen. Ausnahmen sind entsprechend bestimmt.94 Kleinbeträge unter 10 Euro sind frühestens zwölf Monate nach Fälligkeit unbefristet niederzuschlagen.95 (247) In den Offenen Posten waren per 30.09.2013 diverse Kleinbeträge ausgewiesen. Der Landesrechnungshof hat festgestellt, dass alle Grenzen der Dienstanweisungen nicht entsprechend umgesetzt worden sind. Tabelle 17: Offene Posten per 30.09.2013 (Fälligkeit bis 25.09.2013) – Kleinbeträge Kleinbeträge zwischen Mit Nebenforderungen 96 Ohne Nebenforderungen Anzahl Anzahl Betrag in Euro Betrag in Euro 0,01 – 1,00 Euro 2.591 1.420,36 999 417,85 1,01 – 5,00 Euro 22.791 58.805,32 3.094 9.931,76 5,01 – 20,00 Euro 14.857 195.693,67 14.647 193.848,71 Gesamt 40.239 255.919,35 18.740 204.198,32 dar.: 0,01 – 10,00 Euro mit Fälligkeit vor dem 25.09.2012 15.901 45.664,10 3.516 17.708,29 Quelle: H&H-Verfahren, eigene Berechnungen. Die Ausbuchung von Kleinbeträgen erfolgt nur sporadisch und manuell. Kleinbetragsgrenzen sind unzweckmäßig festgelegt und werden zudem nicht angewendet. (248) Aktuell hat der Landkreis vier Kleinbeträge. Die Kleinbetragsgrenzen sind zu prüfen und zusammenzufassen. Die Bücher sind regelmäßig automatisiert um Kleinbeträge zu bereinigen. 3.6 Mahnung und Vollstreckung (249) Der Landkreis hat Einzahlungen, die nicht rechtzeitig eingegangen sind, unverzüglich einzuziehen oder die Einziehung zu veranlassen. Er kann von der zwangsweisen Einziehung zunächst absehen, wenn zu erkennen ist, dass 1. die Vollziehung des der Annahmeanordnung zugrunde liegenden Bescheides ausgesetzt wird, 2. eine Stundung, eine Niederschlagung oder ein Erlass in Betracht kommt oder 94 95 96 Diese Ausnahmen betreffen nach Angabe des Landkreises beispielsweise den Abfallbereich sowie das Jobcenter. Vgl. Nr. 2.6 DA zur Organisation des Rechnungswesens. Nebenforderungen umfassen insbesondere Mahngebühren, Säumniszuschläge, Verzugszinsen und Mahn kosten. 112 3. in sonstigen Fällen die Einziehung unbillig wäre.97 3.6.1 Anordnung und Einrichtung von Mahn- und Vollstreckungssperren (250) Mahnsperren sind vom zuständigen Fachamt angeordnete kurzzeitige Aussetzungen der weiteren Forderungsbearbeitung.98 Einstweilige Einstellungen von Vollstreckungsmaßnahmen (Vollstreckungssperren) erfolgen, solange ein Gericht über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entscheidet. 99 (251) Die Einrichtung von Mahn- und Vollstreckungssperren ist teilweise unbegründet. In den Offenen Posten per 30.09.2013 waren 771 Mahnsperren (226.830,17 Euro) gebucht. Davon wurden 584 Forderungen im Zusammenhang mit dem Jobcenter durch die Kreiskasse bis zur Aufklärung der ungeklärten Zahlungseingänge gesperrt. Mahnsperren wurden „auf Zuruf“ durch die Fachbereiche oder durch die Kreiskasse selbst gesetzt, wenn nach einer Mahnung dringender Regelungsbedarf bestand. Im NKHR-Verfahren können desweiteren in den Stammdaten zu den Personenkonten in der Registerkarte „Buchungsoptionen“ die Optionen „Mahnsperre“, „Vollstreckungssperre“ und „Mahn- und Vollstreckungssperre“ aktiviert werden. Diese Optionen wirken für alle Forderungen des Personenkontos. Die Aktivierung dieser Optionen ist gegenwärtig nicht geregelt. Auswertungen des gesamten NKHR-Verfahrens haben gezeigt, dass bei Personenkonten 119.195 „Mahnsperren“, 231 „Vollstreckungssperren“ und durch Verfahrensabbrüche nicht ermittelbar viele „Mahn- und Vollstreckungssperren“ als „Buchungsoption“ aktiviert sind. Ein Abgleich, ob gesperrte, offene Forderungen bearbeitet werden, erfolgte bislang nicht. (252) Mahnsperren und Aussetzungen der Vollziehung verzögern die Beitreibung von Forderungen und sind nur bei einer Notwendigkeit anzuordnen. Die Handhabung der o. g. Buchungsoptionen im NKHR-Verfahren (vgl. Tz. 251) ist außer bei Personenkonten für Verwarnungsgelder100 nicht nachzuvollziehen. 97 98 99 100 Vgl. § 16 Abs. 2 GemKVO-Doppik. Vgl. Nr. 2.6.10 DA zur Organisation des Rechnungswesens. Vgl. Nr. 2.6.9 DA zur Organisation des Rechnungswesens. Ein von der Behörde angebotenes Verwarnungsgeld wird nur wirksam, wenn es durch die Zahlung inner halb von einer Woche akzeptiert wird. Ansonsten wird die Ordnungswidrigkeit durch Bußgeldbescheid ge ahndet. (Vgl. § 56 Abs. 2 und § 65 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten.) 113 Die ungeregelte Nutzung dieser Optionen führt letztlich dazu, dass gesperrte Personenkonten mit offenen Forderungen bezüglich der Rechtmäßigkeit der Mahn- und Vollstreckungssperren geprüft werden müssen. Der Landesrechnungshof empfiehlt, dies umgehend zu tun. 3.6.2 Mahnwesen (253) Voraussetzung für die Einleitung der Vollstreckung ist u. a. der Ablauf einer Frist von einer Woche seit Bekanntgabe des Leistungsbescheides oder, wenn die Leistung erst danach fällig wird, der Ablauf einer Frist von einer Woche nach Eintritt der Fälligkeit. Vor Anordnung der Vollstreckung soll der Schuldner ferner mit einer Zahlungsfrist von einer weiteren Woche besonders gemahnt werden.101 (254) Im Landkreis gibt es keine Vorgaben bezüglich des Zeitpunktes und der Häufigkeit der Mahnung. Jeder Einnahmebuchhalter bestimmt selbst, wann gemahnt wird. Dies geschieht bislang nur sporadisch und in großen Intervallen. So wurden beispielsweise die am 15.12.12 fälligen Kostenbeiträge nach § 54 Abs. 2 Satz 3 SchulG-MV (Schulgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern) für 2012 am 04.07.2013 und die Müllgebühren mit Fälligkeit 15.11.2012 am 14.05.2013 gemahnt. Die Forderungen des Jugend- und Sozialamtes waren seit Zusammenführung der Kreiskasse zum 01.01.2012 noch gar nicht gemahnt worden. Die Kreiskasse begründet dies mit Arbeitsrückständen (z. B. Abfallwirtschaft) bzw. Fehlern bei den Anordnungen der Fachämter (z. B. beim Jobcenter und Sozialamt). (255) Der Landkreis arbeitet seit dem Haushaltsjahr 2012 einheitlich in einem NKHR-Verfahren. Nach dem 01.01.2012 fällige Forderungen sind somit ausschließlich über das einheitliche NKHR-Verfahren zu mahnen gewesen. Ausgehend von einer Mahnfrist von 14 Tagen nach Fälligkeit hat der Landesrechnungshof festgestellt, dass am 30.09.2013 insgesamt 32.330 mahnfähige, säumige Forderungen mit 7.252.309,68 Euro nicht gemahnt waren. (256) Seitens des Landkreises erging der Hinweis, dass die privatrechtlichen Forderungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz – UVG – (Stand zum 30.04.2014: 1,6 Mio. Euro) nicht über das Haushaltsprogramm gemahnt würden. Desweiteren würden Forderungen insbesondere aus dem Investitionsbereich (Fördermittel) gegenüber den Gemeinden und dem Land gesondert bearbeitet. 101 Vgl.§ 111 Abs. 1 VwVfG M-V i. V. m. § 3 Abs. 2c und 3 Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz. 114 (257) Auch unter Berücksichtigung der Aussagen des Landkreises zum Mahnverfahren für den Bereich des UVG kann der Landesrechnungshof nicht nachvollziehen, warum Forderungen ganzer Einzahlungsbereiche über Jahre hinweg nicht oder verzögert gemahnt wurden. Dies ist insbesondere kritisch zu sehen, da eine Vielzahl von Zahlungspflichtigen nach der Mahnung noch zahlt und so die Liquidität des Landkreises deutlich verbessert würde. Die Mahnung ist zudem Voraussetzung für die Einleitung der Zwangsvollstreckung. Der Landkreis hat unverzüglich die Voraussetzungen zu schaffen, dass alle Forderungen zeitnah gemahnt werden können. 3.6.3 Vollstreckung Organisation der Vollstreckung (258) Soweit das Gesetz nichts anders bestimmt, sind die Vollstreckungsbehörden für öffentlich-rechtliche Geldforderungen der Landkreise die Landräte. 102 Unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit empfiehlt es sich, z. B. in Abhängigkeit vom Rechtscharakter der Forderung (Gebühr, Bußgeld, Zwangsgeld), vom Betrag für die Vollstreckung (Massengeschäft, hoher Betrag) und vom Zahlungspflichtigen (Historie des Schuldners) SollProzesse103 zu definieren. Die Vollstreckbarkeit einer Forderung wird durch ihre zügige Übergabe in den Fachbereich Vollstreckung erhöht. (259) Soll-Prozesse sind gegenwärtig beim Landkreis nicht definiert. Die Übertragung der vollstreckbaren Forderungen in das eingesetzte Vollstreckungsverfahren erfolgt nur sporadisch. (260) Säumige Forderungen sind schnellstmöglich dem Fachbereich Vollstreckung zur Beitreibung zu übergeben. Der Landkreis hat unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit durch die Definition von Soll-Prozessen ein einheitliches und effizientes Vollstreckungsverfahren aufzubauen. 102 103 Vgl. § 1 Abs. 2 Landesverordnung über die zuständigen Behörden für die Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Geldforderungen und zur Festsetzung des Ausgleichsbetrages bei Vollstreckungshilfe. Sollprozess – Bearbeitungsdauer, Abfolge von Prüfaktionen, Maßnahmeplanung und -durchführung. 115 Umgang mit Forderungen in der Vollstreckung (261) Der Landesrechnungshof hat stichprobenweise die Einziehung von 48 Offenen Posten geprüft und festgestellt: • Säumige Forderungen aus 2013 waren nur teilweise an den Fachbereich Vollstreckung übergeben. • Von der Fälligkeit bis zur Übergabe an den Fachbereich Vollstreckung verging bis zu einem Jahr. • Insbesondere bei Altfällen sind nicht alle Vollstreckungshandlungen belegt. • Forderungen waren unbegründet und wurden im Zuge der örtlichen Erhebungen des Landesrechnungshofes in Abgang gebracht. • Erst der Fachbereich Vollstreckung weist das Fachamt auf Fehler bei der Bestimmung des Adressaten hin (Kostenbeitrag nach § 54 Abs. 2 Satz 3 SchulG-MV). • Forderungen gegen amtsbekannt unpfändbare Zahlungspflichtige werden nicht sofort niedergeschlagen. (262) Der Landkreis hat die Offenen Posten im Zuge des Jahresabschlusses auf ihre Werthaltigkeit zu prüfen und entsprechend zu bereinigen. Nicht verjährte Forderungen, deren bisherige Bearbeitung nicht nachgewiesen werden kann, sind neu zu vollstrecken. Die Vollstreckungsverfahren sind deutlich zu straffen. 116 4 Modul Organisation/Personal Bei der Prüfung wurde festgestellt, dass ein Aufgabengliederungs- und auch ein Geschäftsverteilungsplan als wesentliche Grundlagen für Organisations- und Personalentscheidungen beim Landkreis nicht vorhanden waren. Ein schlüssiges Personalentwicklungskonzept und ein Personalcontrolling existieren beim Landkreis bislang nicht. Überlegungen zur Personalplanung sowie zur Personalentwicklung werden lediglich anlassbedingt und punktuell angestellt. Die Personalaktenführung ist zu optimieren. Im Rahmen seiner Überörtlichen Prüfung hat der Landesrechnungshof u. a. die Bereiche Personal und Organisation des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte geprüft. Dabei wurden insbesondere • das Vorhandensein organisatorischer Grundlagen, • die Angemessenheit von Stellenbewertungen, • die Einhaltung der Stellenplanverordnung, • vorhandene Konzepte und Instrumente der Personalwirtschaft, • Führung und Inhalte von Personalakten, • Mitarbeiterqualifikationen, • die Einhaltung weiterer (tarif- und beamten-)rechtlicher Vorschriften sowie • die „Integrierte Rettungsleitstelle“ (als Sonderthema aus dem Bereich „Organisation“) betrachtet. 4.1 Organisation 4.1.1 Schaffung organisatorischer Grundlagen (263) Wichtige Grundlagen für Organisationsentscheidungen sind ein Aufgabengliederungsplan, ein Geschäftsverteilungsplan sowie, insbesondere im Nachgang zur Kreisgebietsreform, eine umfassende Aufgabenkritik (Zweck-, Vollzugs- und Funktionskritik) und Organisationsuntersuchungen. 117 (264) Ein Aufgabengliederungs- und ein Geschäftsverteilungsplan existieren beim Landkreis nicht. Eine Aufgabenkritik wurde bislang nicht durchgeführt. Ferner wurden seit Bestehen des Landkreises keine umfassenden Organisationsuntersuchungen mit dem Ziel einer möglichen Optimierung der Aufbau- bzw. Ablauforganisation durchgeführt. 104 (265) Der Landkreis ist angehalten, alle für die Wahrnehmung seiner Aufgaben notwendigen Grundlagen (insbesondere Aufgabengliederungs- und Geschäftsverteilungsplan) zu schaffen und eine Aufgabenkritik durchzuführen. (266) Nach Aussage des Landkreises werde ein Aufgabengliederungsplan im Nachgang zu einer parallel zur Prüfung des Landesrechnungshofes durchgeführten KGSt-Untersuchung bis Ende 2014 erstellt. 4.1.2 Auffällige Stellenbewertungen (267) Bei Durchsicht des Stellenplanes 2014 fielen einige Stellen hinsichtlich ihrer Bewertung (Höhe und Einheitlichkeit) auf. Während die Stellen einiger Amtsleiter und anderer Beschäftigter zu hoch bewertet erschienen, wurden weitere Sachbearbeiterstellen mit identischer Bezeichnung teilweise unterschiedlich bewertet. Letzteres betraf beispielsweise die Bereiche Geschäftsbuchhaltung, Kasse, Liegenschaftskataster und Katastererneuerung. (268) Der Landkreis äußerte hierzu, dass die Bewertungen aller Amtsleiter/innen extern vorgenommen worden seien. Die Ergebnisse der Bewertung seien tarifkonform bzw. entsprächen den Bewertungsrichtlinien für die Beamten. Sie würden auf den üblich anzuwendenden Größenklassifizierungen der KGSt basieren. Unterschiedliche Bewertungen in den durch den Landesrechnungshof angegebenen Bereichen würden aus den Ursprungsbewertungen der Altkreise resultieren. Durch das LNOG M-V seien bis zum 04.09.2014 Herabgruppierungen mittels Änderungskündigungen ausgeschlossen gewesen. (269) In Fällen zu hoch erscheinender oder uneinheitlicher Stellenbewertungen ist der Landkreis angehalten, die Bewertung dieser Stellen durch geeignete Stellenbewertungsverfahren zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Dies sollte unter Berücksichtigung der zugrunde 104 Lediglich für die „Integrierte Rettungsleitstelle“ und „Kraftfahrzeugzulassung“ fanden im Jahr 2013 ent sprechende Untersuchungen statt, obwohl auch der Landkreis in weiteren Bereichen Handlungsbedarf sieht. 118 liegenden Stellenbeschreibungen, der durch Aufgabenumfang und Größe des Verantwortungsbereichs gekennzeichneten Wertigkeit der Stelle sowie unter strikter Auslegung des Wirtschaftlichkeitsprinzips vor dem Hintergrund eines auch verwaltungsintern durchzuführenden Quervergleichs erfolgen. 4.1.3 Einhaltung der Stellenplanverordnung (270) Die Stellenplanverordnung (StPlV)105 regelt, in welcher Form die Stellenpläne für den kommunalen Bereich aufzustellen sind. Diese Vorgaben sind verbindlich einzuhalten. Bei der Prüfung des Stellenplans 2014 wurden Abweichungen von den Regelungen der StPlV festgestellt (z. B. fehlende Angaben zur Stellenbewertung bei Stellen mit ku-Vermerken 106; inkorrekte Angaben zur Stellenbewertungen des Vorjahres sowie Stellenverweise; unzulässiger Ausweis personalwirtschaftlicher Bemerkungen im Stellenplan; Ausbringung unnötiger und unverständlicher Stellenplanvermerke). (271) Der Landkreis sicherte zu, die Einhaltung der StPlV künftig zu beachten. Anmerkungen wie „EU-Rente“ oder „Beurlaubung“ würden weiterhin vorgenommen, da die Planstellen vorgehalten werden müssten, ohne dass der Stelleninhaber aktiv sei. Diese Planstellen würden künftig nachrangig ausgewiesen. (272) Der Landesrechnungshof geht davon aus, dass die Aufstellung des Stellenplans künftig entsprechend der Vorgaben der StPlV erfolgt. 4.2 Personalwirtschaft 4.2.1 Personalplanung und -entwicklung (273) Wesentliche Grundlage einer kommunalen Personalwirtschaft sind eine zielorientierte Personalplanung, ein Personalentwicklungskonzept sowie ein Personalcontrolling. Letzteres sollte ein EDV-gestütztes Personalinformationssystem beinhalten. (274) Weder eine zielorientierte Personalplanung noch ein Personalentwicklungskonzept oder ein Personalcontrolling sind beim Landkreis vorhanden. Vielmehr wird die Personalwirtschaft beim Landkreis bislang als Fortschreibung des Personalbestandes verstanden. Eine systemati- 105 106 Landesverordnung über die Aufstellung und Ausführung der Stellenpläne im kommunalen Bereich (Stellen planverordnung - StPlV) vom 10. September 1991, GVOBl. M-V 1991, S. 352. Mit dem Fachbegriff „ku-Vermerk“ werden (Plan-)Stellen versehen, die „künftig [in eine andere Stellenart bzw. Besoldungs-/Entgeltgruppe] umzuwandeln“ sind (sog. Umwandlungsvermerk). 119 sche Personalbedarfsbemessung existiert noch nicht. Das Personalinformationssystem „SAGE“ wird hauptsächlich für die Berechnung von Entgelten und Besoldungen eingesetzt. (275) Der Landkreis ist angehalten, seine Personalwirtschaft mittels Erstellung und Umsetzung der o. g. Konzepte und Instrumente auszubauen. Der Landkreis sollte unverzüglich mit der Erstellung eines Personalentwicklungskonzeptes beginnen. Ziel des Personalentwicklungskonzeptes sollte es sein, den Personalbestand unter Berücksichtigung der vorhandenen Altersstruktur durch geeignete Förderungs- und Bildungsangebote dauerhaft in die Lage zu versetzen, die zu erfüllenden Aufgaben des Landkreises im Rahmen der rechtlichen Maßgaben wahrzunehmen. Um weitere, die Personalwirtschaft unterstützende Analysen, Statistiken und Auswertungen vornehmen zu können, wurden zum Prüfungszeitpunkt weitere Grunddaten in SAGE eingegeben. Auf dieser Basis sollten weitere Funktionen von SAGE genutzt und dieses als umfassendes Personalinformationssystem, auch als Grundlage der Personalplanung, eingesetzt werden können. (276) Nach Aussage des Landkreises würden auf Basis des Gutachtens der KGSt zur Stellenausstattung und Organisation eigene Konzepte erarbeitet. 4.2.2 Personalaktenführung (277) Für Form und Inhalt von Personalakten107 gibt es keine detaillierten und verbindlichen Vorgaben. Gemäß § 84 Abs. 1 LBG M-V darf der Dienstherr „personenbezogene Daten über Bewerber, Beamte sowie ehemalige Beamte nur erheben, soweit dies zur Begründung, Durchführung, Beendigung oder Abwicklung des Dienstverhältnisses oder zur Durchführung organisatorischer, personeller und sozialer Maßnahmen, insbesondere auch zu Zwecken der Personalplanung und des Personaleinsatzes, erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift dies erlaubt.“ Darüber hinaus wird der Inhalt der Personalakten durch die Maßgaben des § 83 Abs. 2 LBG M-V108 eingeschränkt. 107 108 Grundlage der Personalaktenführung für Beamte ist §§ 84 ff. LBG M-V i. V. m. § 50 BeamtStG. Demnach sind für Beamte Personalakten zu führen. Wenngleich der TVöD keine ausdrückliche Verpflichtung zum Führen der Personalakten für Tarifbeschäftigte enthält, ist in § 3 Abs. 5 TVöD die Einsichtnahme in die Personalakte geregelt. Insofern sind auch für Tarifbeschäftigte Personalakten zu führen. „Andere Unterlagen als Personalaktendaten dürfen in die Personalakte nicht aufgenommen werden. [...] Nicht Bestandteil der Personalakte sind Unterlagen, die besonderen, von der Person und dem Dienstver - 120 Vor diesem Hintergrund kann der Landkreis im Rahmen seiner Organisationshoheit frei über die Personalaktenführung entscheiden. Einzuhalten sind dabei allgemeine Verwaltungsgrundsätze wie z. B. Vollständigkeit, Nachvollziehbarkeit und Schriftlichkeit sowie einschlägige Datenschutzregelungen. (278) Geprüft wurden die Aufbewahrung und der grundsätzliche Aufbau der Personalakten sowie die Führung einzelner Personalakten aus den Beschäftigungsgruppen der Beamten und der Tarifbeschäftigten. Registratur und Aufbewahrung (279) Die Personalakten werden zwar zentral im Personalamt aufbewahrt, jedoch weiterhin nach den Mitarbeiterbeständen der ehemaligen Landkreise bzw. des neu gebildeten Landkreises getrennt. Lediglich die Personalakten der Beamten wurden bislang zusammengeführt. Die Personalakten neu eingestellter Tarifbeschäftigter befinden sich in einem separaten Aktenschrank. Da in den ehemaligen Landkreisen die Personalakten nach unterschiedlichen Grundsätzen geführt wurden, unterscheiden sich sowohl der systematische Aufbau als auch der Inhalt der jeweiligen Personalakten teilweise erheblich. Damit werden die Personalakten des Landkreises nicht nach einem für alle Beschäftigten einheitlichen Verfahren geführt. (280) Der Landesrechnungshof verkennt nicht, dass eine Vereinheitlichung der Personalaktenführung mit einem gewissen zeitlichen Aufwand verbunden ist. Dennoch ist es unverständlich, dass weiterhin nach den unterschiedlichen Ablagesystemen der ehemaligen Landkreise sowie deren uneinheitlicher Aktenführung gearbeitet wird. Der Landesrechnungshof hält es für geboten, die Personalaktenführung zügig zu vereinheitlichen. hältnis sachlich zu trennenden Zwecken dienen, insbesondere Prüfungs-, Sicherheits- und Kindergeldakten sowie Unterlagen über ärztliche und psychologische Untersuchungen und Tests mit Ausnahme deren Er gebnisse. Kindergeldakten können mit Besoldungs- und Versorgungsakten verbunden geführt werden, wenn diese von der übrigen Personalakte getrennt sind und von einer von der Personalverwaltung getrennten Organisationseinheit bearbeitet werden.“ 121 (281) Im Nachgang zur Prüfung habe der Landkreis nach eigener Aussage die Registratur der Personalakten und deren Aufbau (einschl. Inhaltsverzeichnis) im laufenden Geschäft zu vereinheitlichen begonnen. Inhalt der Personalakten (282) Zum 13. Oktober 1994 hatte der Innenminister Richtlinien über die Führung von Personalakten109 erlassen, deren Anwendung zur Gewährleistung „der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Personalaktenrecht“110 u. a. auch den Landkreisen empfohlen wurde. Im Zuge der sog. Deregulierung ist diese Verwaltungsvorschrift, welche weitergehende und konkretisierende Vorschriften für die Personalaktenführung enthielt, zum 31.08.2004 außer Kraft gesetzt worden. Die Personalaktenprüfung orientierte sich neben den allgemeinen Maßstäben (vgl. Tz. 277) auch an diesen Richtlinien. (283) Bei der stichprobenhaften Personalaktenprüfung wurden u. a. festgestellt, dass • Umsetzungen innerhalb der Verwaltung bislang in der Regel nicht in den Personalakten dokumentiert wurden und damit der genaue Einsatz der Mitarbeiter nicht mehr nachvollziehbar ist, • ärztliche Bescheinigungen wie z. B. amtsärztliche Gutachten oder Ergebnisse von Einstellungsuntersuchungen teilweise offen in der Personalakte aufbewahrt wurden und • in den Personalakten teilweise Unterlagen enthalten waren, die mit dem Arbeits- bzw. Dienstverhältnis nicht oder nur bedingt im Zusammenhang stehen (u. a. auch Angaben über Parteimitgliedschaften sowie Schriftverkehr bezüglich der privaten Nutzung eines Dienst-Pkws). (284) Der Landesrechnungshof empfiehlt, • in allen Personalakten die Angaben zu den wahrgenommenen Funktionen zumindest im Personalbogen zu vermerken, 109 110 Richtlinien über die Führung von Personalakten (Verwaltungsvorschrift zu §§ 100 bis 107 LBG M-V) Erlass des Innenministers vom 13. Oktober 1994 – II 240b-0310-11– . Nr. 11 (Geltungsbereich) der Richtlinien über die Führung von Personalakten. 122 • ärztliche Unterlagen aus Gründen des Datenschutzes in verschlossenen Umschlägen abzuheften und • alle nicht in den Personalakten aufzubewahrenden Unterlagen und Angaben, sofern diese für die Verwaltung überhaupt erforderlich und dokumentationswürdig sind, in die entsprechenden Sachakten aufzunehmen. 4.2.3 Qualifikation der Mitarbeiter für die Aufgabenerfüllung (285) Für die sachgerechte Aufgabenwahrnehmung ist es unabdingbar, dass alle Stelleninhaber die für ihre jeweilige Stelle nötigen Qualifikationen besitzen. Für die Sachbearbeitung in der öffentlichen Verwaltung ist regelmäßig vorauszusetzen, dass die Mitarbeiter eine entsprechende Ausbildung absolviert bzw. eine berufsqualifizierende Fortbildung abgeschlossen haben. Der Landesrechnungshof hat die Besetzung der Stellen im Sozial- und Jugendamt auch mittels Ausbildungs-/Qualifikationsübersichten des Landkreises geprüft. Hierbei wurde festgestellt, dass die Stelleninhaber in jeweils zehn Fällen keine entsprechende Ausbildung bzw. keine berufsqualifizierenden Fortbildung vorweisen können. (286) Der Landesrechnungshof hält es für erforderlich, dass im geprüften Sozial- und Jugendamt sowie allen weiteren Organisationseinheiten des Landkreises jeder Mitarbeiter eine den Ansprüchen der jeweiligen Stelle gerecht werdende Ausbildung bzw. berufsqualifizierende Fortbildung besitzt. Darauf ist bereits bei der Einstellung zu achten. Bei Mitarbeitern, die schon beim Landkreis beschäftigt sind, sollte, soweit umsetzbar, veranlasst werden, dass diese die nötigen berufsqualifizierenden Fortbildungen absolvieren. (287) Im Nachgang zur Prüfung äußerte der Landkreis zusammenfassend, dass, übereinstimmend mit den Feststellungen des Landesrechnungshofes, im Jugend- und Sozialamt Berufsausbildungen vorhanden seien, die nicht einer typischen Verwaltungsausbildung gleich kämen. In diesem Zusammenhang wurde vom Landkreis jedoch darauf hingewiesen, dass es sich teilweise um langjährige Mitarbeiter handele, die durch ihre Berufserfahrung eine ebenso qualifizierte Arbeit verrichten könnten. Der Landkreis, dass bei Neueinstellungen bzw. internen Umsetzungen die fachliche Eignung anhand der Ausschreibungskriterien durch das Personalamt geprüft und realisiert werde. 123 4.2.4 Personalwirtschaftliche Maßnahmen in der haushaltslosen Zeit (288) Die„Dienstanweisung zur vorläufigen Haushaltsführung des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte“111 soll die gesetzlichen Regelungen zur vorläufigen Haushaltsführung (§ 49 KV M-V) klarstellen und konkretisieren.112 (289) Für den Personalbereich ist darin festgelegt, dass während der vorläufigen Haushaltsführung grundsätzlich eine Wiederbesetzungssperre besteht. Abweichungen sind nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. So soll z. B. laut Dienstanweisung der Wiederbesetzung eine Prüfung durch das Personalamt vorausgehen, inwieweit die Aufgabe auch mittels organisatorischer Maßnahmen mit reduziertem Personalaufwand bewältigt werden kann. (290) Die Prüfung von mehreren Stellenbesetzungsverfahren in der haushaltslosen Zeit zeigte allerdings, dass die Regelungen der Dienstanweisung in der Praxis offenbar nicht eingehalten wurden. So wurde beispielsweise eine organisatorische Prüfung durch das Personalamt nicht dokumentiert. Ob und inwieweit eine solche stattfand, ist damit nicht nachvollziehbar. (291) Der Landkreis erklärte nach dem Hinweis des Landesrechnungshofes, dass der Stellenplan des Vorjahres mit allen Auflagen in der haushaltslosen Zeit weiterhin gilt, zukünftig entsprechend zu verfahren. Im Übrigen werde das Antragsverfahren auf externe Nachbesetzung beim Innenministerium erst nach der verwaltungsinternen Beratung und Prüfung der Notwendigkeit in Gang gesetzt. (292) Der Landesrechnungshof weist darauf hin, dass die gesetzlichen Vorschriften zur vorläufigen Haushaltsführung sowie die diesbezüglichen Dienstanweisungen des Landrates zu dem verbindlich vorgeschriebenen Verfahren einzuhalten sind. Dabei ist sicherzustellen, dass alle erforderlichen Prüfungen vorgenommen und schriftlich dokumentiert werden. 4.2.5 Einführung von Leistungsentgelten (293) Nach § 18 TVöD ist für den Bereich der kommunalen Arbeitergeber (VKA) ein Leistungsentgelt verbindlich festgelegt. Dieses sollte ab dem 01.01.2010 eingeführt sein. Der Landkreis hat jedoch bislang noch kein System entwickelt, nach dem das Leistungsentgelt differenziert nach den Leistungen der Tarifbeschäftigten ausgezahlt wird. Mit dem Personalrat 111 112 Im Folgenden wird diese Dienstanweisung mit „DA“ bezeichnet. Der Landesrechnungshof begrüßt, dass beim Landkreis eine Dienstanweisung erlassen wurde, welche die grundsätzlichen Regelungen für die haushaltslose Zeit im Sinne der KV M-V konkretisiert. 124 wird jährlich eine Dienstvereinbarung zur leistungsorientierten Bezahlung geschlossen, die eine undifferenzierte Auszahlung des Leistungsentgeltes regelt. (294) Dies ist tarifwidrig und somit unzulässig. (295) Der Landkreis hat nach eigener Aussage in der Zwischenzeit mit der Erarbeitung einer Dienstvereinbarung zur differenzierten Auszahlung begonnen. Diese Dienstvereinbarung solle 2015 in Kraft treten. 4.2.6 Einrichtung einer Beschwerdestelle (296) Gemäß § 13 Abs. 1 i. V. m. § 12 Abs. 5 AGG113 muss in jedem Betrieb oder Unternehmen und in jeder Dienststelle eine Beschwerdestelle bestimmt und bekannt gemacht werden. (297) Der Landkreis hat keine zuständige Stelle für Beschwerden nach § 13 AGG benannt. Im Interesse möglichst rechtssicherer Beschwerdeverfahren und zur Vorbeugung eventueller Klagen auf Schadenersatz sollte der Landkreis umgehend entsprechend tätig werden. (298) Im Nachgang zur Prüfung erklärte der Landkreis, dass er in der Zwischenzeit eine Beschwerdestelle bei der Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises eingerichtet habe. 4.3 Organisation der „Integrierten Rettungsleitstelle (IRLS)“ 4.3.1 Ausgangslage (299) Die ehemaligen Landkreise Demmin, Müritz und Mecklenburg-Strelitz sowie die Stadt Neubrandenburg richteten in den Jahren 2007/2008 eine gemeinsame Integrierte Leitstelle ein.114 Dort wurde im Zeitraum von 2009 bis 2012 ein 12-Stunden-Schichtsystem mit vier Disponenten in der Tagschicht und drei in der Nachtschicht implementiert. Dafür wurden nach verwaltungsinternen Abstimmungen 21 Stellen eingerichtet, wenngleich gutachterliche Berechnungen einen Personalbedarf von 17 VZÄ vorsahen. 113 114 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897), zuletzt durch Art. 8 des Gesetzes vom 03. April 2013 (BGBl. I S. 610). Die gesetzlichen Grundlagen für eine Integrierte Leitstelle sind durch das Rettungsdienstgesetz (RDG M-V), das Landeskatastrophenschutzgesetz (LKatSG M-V), das Brand- und Hilfeleistungsgesetz M-V (BrSchG) und den Rettungsdienstplan Mecklenburg-Vorpommern vorgegeben. Hieraus ergeben sich u. a. Aufgabenbereiche, Zuständigkeiten und Hilfsfristen. Diese sind insbesondere Annahme von Notfallmeldungen und Hilfeersuchen unter einer einheitlichen Notrufnummer, Beratung der Hilfesuchenden, Auswertung der Notrufe und Einleitung von Maßnahmen. 125 (300) Ab Januar 2013 war die Umstellung auf ein modifiziertes Schichtsystem vorgesehen (drei Disponenten in der Tagschicht, zwei Disponenten in der Nachtschicht, ein Mitarbeiter in einer achstündigen Tagschicht zur Bearbeitung von Aufgaben mit nachgeordneter Dringlichkeit115). Des Weiteren sollte zusätzlich ein Bereitschaftsdienst durch einen Disponenten mit einer 24-Stunden-Rufbereitschaft eingerichtet werden. Dieses Schichtsystem war nach Auffassung des Personalamtes weiterhin mit einem Stellenbestand von 21 VZÄ zu realisieren. Durch diese Umstellung sollten im Rahmen des Stellenbestands die geforderten Aus- und Fortbildungen der Disponenten garantiert, die Planbarkeit der Schichtpläne verbessert und Überstunden weitestgehend abgebaut bzw. deren Entstehung vermieden werden. Dieses Modell wurde zum 01.03.2013 eingeführt. (301) Eine nachgelagerte Auswertung der nicht angenommenen Anrufe durch den Landkreis ergab für den Zeitraum von Juli 2012 bis Juni 2013 folgendes Bild: Tabelle 18: Anzahl nicht angenommener Anrufe der IRLS (je Monat) Monat Nicht angenommene Anrufe 116 Juli 2012 51 August 2012 74 September 2012 36 Oktober 2012 49 November 2012 46 Dezember 2012 37 Januar 2013 k. A. Februar 2013 k. A. März 2013 k. A. April 2013 101 Mai 2013 142 Juni 2013 195 Quelle: Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, eigene Darstellung. (302) Tabelle 18 veranschaulicht den deutlichen Anstieg der nicht angenommenen Anrufe ab April 2013 und somit nach Einführung des neuen Organisationsmodells. Für das erste Quartal 115 116 Unter Aufgaben nachgeordneter Dringlichkeit sind beispielsweise die Organisation von regulären Kranken transporten, die Datenpflege in den Computersystemen der IRLS etc. zu verstehen. Hierbei wurden nur die Anrufe mit einer Signalisierung von über 20 Sekunden erfasst. Eine Erfassung von Anrufen mit geringerer Signalisierungsdauer wurde als irrelevant erachtet. Die Mehrfacherfassung von ein und demselben Anrufer ist hierbei nicht ausgeschlossen. 126 2013 konnten aufgrund technische Probleme bei einer Software-Umstellung keine Daten der Anrufhäufigkeit erhoben werden. 4.3.2 Organisationsuntersuchung und Entscheidung des Landkreises (303) Das Personalamt des Landkreises analysierte in den Monaten nach der Systemumstellung die Organisation der Integrierten Leitstelle und fasste die Analyse im August 2013 in dem Dokument „Begutachtung Leitstellenproblematik“ zusammen. Auf Grundlage dieser Organisationsuntersuchung wurden Handlungsempfehlungen für die Verwaltungsleitung erarbeitet. (304) Darin formulierte das Personalamt drei alternative Organisationsmodelle für die Integrierte Rettungsleitstelle. Diese Schicht-Varianten unterschieden sich insbesondere hinsichtlich der Verteilung der Disponenten bzw. der Anzahl der Schichten. Als Entscheidungsgrundlage wurde ein Variantenvergleich mittels Nutzwertanalyse durchgeführt. Dabei wurden drei Kriterien gewichtet und je nach Ausprägung bei den verschiedenen Varianten mit einer Punktzahl bewertet. Diese Kriterien waren „Aufgabenerfüllung“ (Gewichtung 70 Prozent), „Effektive Realisierung der Schichtpläne, Weiterbildungsmaßnahmen etc.“ (20 Prozent) und „Mitarbeiterzufriedenheit“ (10 Prozent). (305) Im Ergebnis wurde eine Variante favorisiert, die sich nur marginal vom bisherigen Schichtmodell unterscheidet. Den Handlungsempfehlungen des Personalamtes wurde durch Beschluss der Hausspitze und unter Beteiligung des Personalrates gefolgt. Hierbei wurde der Zeitraum von Juni bis September (anstatt Juli bis August) als Urlaubssaison definiert. (306) Des Weiteren wurde in der Untersuchung dringend die Einrichtung eines sogenannten Überlaufs empfohlen. Dabei handelt es sich um eine technische Einrichtung, die beispielsweise bei Nichtannahme der Notrufe durch die Leitstelle nach einer gewissen Signalisierungsdauer den Notruf an eine „freie“ Leitung in einer anderen Leitstelle weiterleitet. 4.3.3 Bewertung der Vorgehensweise und Empfehlungen (307) Die Aufgabenerfüllung wurde im Rahmen der Nutzwertanalyse bei allen drei Varianten mit „sehr gut“ und damit als gleichwertig eingestuft. Angesichts der stark gestiegenen Anzahl der in den Monaten April bis Juni 2013 nicht angenommenen Anrufe (vgl. Tabelle 18) bestehen hieran allerdings erhebliche Zweifel. 127 Hier wäre eine differenzierte Bewertung angebracht gewesen, insbesondere weil die Entscheidung bei der angewandten Nutzwertanalyse im Ergebnis nur über die wesentlich niedriger gewichteten Kriterien „Effektive Realisierung der Schichtpläne, Weiterbildungsmaßnahmen etc.“ (20 Prozent) und „Mitarbeiterzufriedenheit“ (10 Prozent) getroffen wird. Bereits geringfügige Abweichungen beim Kriterium Aufgabenerfüllung würden das Ergebnis der Analyse verändern. (308) Vor diesem Hintergrund sieht der Landesrechnungshof die angewandte Nutzwertanalyse und damit auch die favorisierte Schichtvariante kritisch. (309) Im Ergebnis ist der Landkreis in der Pflicht, die gesetzlichen vorgeschriebenen Aufgaben bei der „Annahme von Notfallmeldungen und Hilfeersuchen unter einer einheitlichen Notrufnummer“ sowie „Beratung der Hilfesuchenden“ wahrzunehmen. Sollte sich die Anzahl der nicht angenommenen Anrufe, wie sie für die Monate April bis Juni 2013 festzustellen ist (vgl. Tabelle 18), durch die vorgenommenen organisatorischen sowie geplanten technischen Umstellungen nicht maßgeblich reduzieren lassen, muss der Landkreis eine weitergehende Analyse der Integrierten Leitstelle vornehmen. Diese Analyse sollte die Tag- und Nacht-Verteilung der nicht angenommenen Anrufe bzw. der Dauer der Telefonate berücksichtigen. 4.3.4 Einrichtung eines technischen Überlaufs (310) Für die Nutzung des in der Organisationsuntersuchung vorgeschlagenen Überlaufs müssten im Landkreis noch einige technische Voraussetzungen geschaffen werden. An einer kurzfristigen Lösung wird in Zusammenarbeit mit verschiedenen Leitstellen gearbeitet. (311) Der Landesrechnungshof empfiehlt dem Landkreis, sich verstärkt um die technische Umsetzung der Weiterleitung an andere Leitstellen (Überlauf) bei dem „Besetzt-Sein“ der Disponentenplätze zu bemühen. Es ist davon auszugehen, dass, auch bei einer großzügigeren Personalausstattung, immer ein gewisser Prozentsatz der Anrufe, insbesondere in der Urlaubssaison, nicht von den Disponenten angenommen werden kann. Durch die Weiterleitung an eine andere Leitstelle könnte dieser Prozentsatz jedoch maßgeblich verringert werden. (312) Laut Aussage des Landkreises können die örtlich zuständigen Rettungskräfte bislang nicht von ortsfremden Leitstellen alarmiert werden. Der Landkreis ist der Ansicht, dass hier eine landesweite Regelung anzustreben sei, die ein solches Vorgehen ermögliche. 128 (313) Der Landesrechnungshof bittet die Landesregierung die Einführung einer landesweiten Regelung zu prüfen. 129 5 Modul Fuhrpark Der Landkreis setzt seit 2013 zur zentralen Verwaltung und Bewirtschaftung seines Fuhrparks ein EDV-Programm ein. Die Nutzung dieses Programms bietet derzeit noch Optimierungspotenzial. Aufgrund der teilweise geringen Auslastung der Fahrzeuge bestehen Einsparpotenziale. Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen im Vorfeld der Fahrzeugbeschaffungen hat der Landkreis nicht durchgeführt. Bei den Beschaffungen von Neufahrzeugen im Wege des Leasings hat der Landkreis die Vergabevorschriften der VOL teilweise nicht eingehalten. Der Landesrechnungshof hat empfohlen, die Fahrzeugverwaltung mittels EDV-Programm zu verstärken. Hinsichtlich der Vergaben hat der Landesrechnungshof gefordert, bei der Beschaffung von Fahrzeugen künftig auf erschöpfende Leistungsverzeichnisse und Einhaltung der Vergabevorschriften zu achten. (314) Beim Landkreis wurde u. a. geprüft, ob • dessen derzeitiger Fahrzeugbestand dem tatsächlichen Bedarf entspricht, • Ansätze zur künftigen Bestandsoptimierung gesehen werden, • den Kfz-Beschaffungen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen zugrunde liegen, • bei den Kfz-Beschaffungen die vergaberechtlichen Vorschriften sowie • die einschlägigen Maßgaben zum Führen der Fahrtenbücher eingehalten worden sind. (315) Die Prüfung umfasste ausschließlich den (zentralen) Fuhrpark des Landkreises. Alle Fahrzeuge von ausgelagerten Bereichen (z. B. Rettungsfahrzeuge, Fahrzeuge der Straßenbauverwaltung etc.) wurden nicht berücksichtigt. Zum Zeitpunkt der Prüfung stellte sich der Fahrzeugbestand, bezogen auf die einzelnen Regionalstandorte, wie folgt dar: 130 Tabelle 19: Fahrzeugbestand der Regionalstandorte (per 31.08.2013) Dienst-Pkw Fahrzeugbestand Anzahl Leasing Anzahl Eigentum Demmin 24 14 6 4 Waren 27 18 3 6 Neustrelitz 26 17 3 6 Neubrandenburg 16 13 2 1 93 62 14 17 Standort Gesamt Anzahl Privat-Pkw Quelle: Angabe Landkreis, eigene Erhebungen. Bei der Verwaltung und Bewirtschaftung des Fahrzeugparks wird zwischen Pool- und Ämterfahrzeugen unterschieden.117 Der Unterschied besteht in der Verantwortung für die Koordinierung des Fahrzeugeinsatzes, der Datenerfassung und deren Auswertung. Während diese Aufgaben für die „Poolfahrzeuge“ ausschließlich über das Fuhrparkmanagement, welches zentral am Standort Neubrandenburg angesiedelt ist, erfolgt, werden die „Ämterfahrzeuge“ größtenteils durch die Ämter selbst bewirtschaftet bzw. verwaltet. 28 Fahrzeuge sind dem Pool zugeordnet und 43 direkt den Ämtern an den Regionalstandorten. 5.1 Verwaltung und Management des Fahrzeugbestandes 5.1.1 Einsatz des elektronischen Fuhrparkmanagements (316) Zur Unterstützung der Fuhrparkverwaltung verwendet der Landkreis seit 2013 ein EDV-Programm, welches eine Reservierungsfunktion für Mitarbeiter beinhaltet sowie Möglichkeiten zur Datenerfassung und darauf aufbauende Datenanalysen bietet. (317) Hinsichtlich der Reservierungsfunktion wird das Programm bisher nicht erschöpfend genutzt, da nicht alle Mitarbeiter auf die programminterne Möglichkeit der Reservierung zurückgreifen. Durch die zum Teil fehlerhafte bzw. unvollständige oder erst sehr spät erfolgte Datenübermittlung für die Ämterfahrzeuge an das Fuhrparkmanagement kann dort nur in eingeschränktem Maße Einfluss auf einen koordinierten und wirtschaftlichen Einsatz dieser Fahrzeuge genommen werden. (318) Der Landkreis äußerte in diesem Zusammenhang, dass eine Reservierungsfunktion bei den amtsbezogenen Fahrzeugen von der Fuhrparkverwaltung angestrebt und sukzessive umge117 Bei der weiteren Analyse wurden die 17 privat zugelassenen Pkw aus dem Bereich des Veterinäramtes so wie die insgesamt fünf Fahrzeuge des Landrates bzw. der vier Dezernenten nicht mit einbezogen. 131 setzt werde. Die amtsbezogenen Fahrzeuge würden zukünftig teilweise in den zentralen Pool umgeschichtet, um somit eine bessere Fahrzeugauslastung erreichen zu können. (319) Der Landesrechnungshof begrüßt den Ausbau der Nutzung der Reservierungsfunktion und regt eine verbindliche Online-Reservierung an. Zur Gewährleistung entsprechender Datenanalysen und Entscheidungsvorbereitungen ist eine rechtzeitige, korrekte und vollumfängliche Datenübermittlung für die Ämterfahrzeuge an das Fuhrparkmanagement sicherzustellen. 5.1.2 Auslastung der Fahrzeuge Analyse der Auslastung (320) Die meisten Leasingfahrzeuge weisen eine Vertragslaufzeit von zwei Jahren bei einer maximalen Laufleistung von 60.000 Fahrkilometern auf. Für jeweils zwei Fahrzeuge ist eine Laufleistung von 30.000 km bzw. 40.000 km vereinbart worden. Gemessen an den vereinbarten Laufleistungen stellt sich die Auslastung wie folgt dar: Tabelle 20: Auslastungsgrade der Fahrzeuge (per 31.08.2013) Auslastungsgrad118 (in Prozent) Anzahl der Fahrzeuge Prozentualer Anteil am Gesamtbestand 0-40 11 19,3 41-60 19 33,3 61-80 20 35,1 81-100 7 12,3 Gesamt 57 100 Quelle: Eigene Erhebungen. (321) Die meisten Fahrzeuge werden die vertraglich vereinbarte maximale km-Laufleistung nicht erreichen. Für mehr als die Hälfte der Fahrzeuge wird die Gesamtauslastung zum Ende des Leasingzeitraums wahrscheinlich unter 60 Prozent liegen. 118 Bei der Ermittlung des Auslastungsgrades hat der Landesrechnungshof die für den Leasingzeitraum verein barte Gesamtkilometerzahl anteilsmäßig auf den Betrachtungszeitraum umgerechnet und ins Verhältnis zu der tatsächlich im Betrachtungszeitraum erreichten Kilometerzahl gesetzt. Die prozentuale Auswahl der Bereiche des Auslastungsgrades wurde nach eigenem Ermessen vorgenommen. Zum Zeitpunkt der örtlichen Erhebungen hatten bereits mehr als 50 Prozent der Fahrzeuge mehr als die Hälfte ihrer Leasingdauer erreicht, so dass die hier angegebenen Werte einen sachgerechten Ausgangspunkt zur Bestimmung des Auslastungsgrades bezogen auf die Gesamtlaufzeit darstellen. 132 Insofern könnte aus Gesamtsicht davon ausgegangen werden, dass der zentrale Fuhrpark des Landkreises tendenziell überdimensioniert ist und der notwendige Fahrzeugbedarf einer kritischen Prüfung bedarf. (322) Unter Berücksichtigung der Unterteilung in Pool- oder Ämterfahrzeuge wurde deutlich, dass die Poolfahrzeuge, die ausschließlich über das Fuhrparkmanagement verwaltet und vergeben werden, insgesamt (auch perspektivisch) höhere Auslastungsgrade als die den Ämtern zugeordneten Fahrzeuge aufweisen. (323) Elf Fahrzeuge wiesen zum Zeitpunkt der Prüfung eine besonders geringe Laufleistung bezogen auf den abgelaufenen Leasingzeitraum aus. Bei ca. 1.000 km Laufleistung pro Monat würden diese Fahrzeuge bei Hochrechnung auf den gesamten Leasingzeitraum (24 Monate) eine Gesamtlaufleistung von rd. 24.000 km aufweisen. Das entspräche einer Auslastung von 40 Prozent bezogen auf eine Laufleistung von 60.000 km. In zwei Extremfällen würde die Auslastung nur 17 Prozent und 23 Prozent betragen. Diese Fahrzeuge sind fast ausnahmslos in den Ämtern angesiedelt. Empfehlungen aufgrund der Auslastungsanalyse (324) Die Feststellungen zur Gesamtauslastung des Fahrzeugbestandes sollten für den Landkreis Anlass sein, die Auslastung und den zur Aufgabenwahrnehmung notwendigen künftigen Fahrzeugbestand kritisch zu prüfen. Dabei wird auf der Grundlage von Auslastungsgraden, Einsatzhäufigkeiten und der Dauer einzelner Fahrten zu analysieren sein, inwieweit Maßnahmen zur zahlenmäßigen Bestandsoptimierung bei der Durchführung künftiger Fahrzeugbeschaffungen angezeigt sind. (325) Die Auslastungsanalysen haben zudem gezeigt, dass zur Optimierung der Auslastung des gegenwärtigen Fahrzeugbestands grundsätzlich alle Fahrzeuge – abgesehen von sachlich begründeten Ausnahmen – dem Pool zugeordnet werden sollten. Damit würde dauerhaft sichergestellt, dass die Fahrzeuge des Landkreises durch ein zentrales Fuhrparkmanagement wirtschaftlich optimal eingesetzt werden. In der Folge wäre der Fahrzeugbestand in den Ämtern (unter Berücksichtigung der Verteilung auf die Verwaltungsstandorte) auf das notwendige Mindestmaß zu beschränken (z. B. Vorhalten von Fahrzeugen, um jederzeit den Pflichtaufgaben zur Sicherung des Kindeswohls nachkommen zu können). 133 (326) Dazu teilte der Landkreis mit, dass die geforderte Prüfung derzeit durchgeführt werde. Fahrzeuge mit einer besonders niedrigen Laufleistung sollen zukünftig eingespart werden. In diesem Zusammenhang würden für diese Fahrzeuge auch Alternativen geprüft. Denkbar wäre die Freigabe weiterer Privat-Kfz zur dienstlichen Nutzung (Veterinäramt) sowie der Einsatz von Taxis bei geringer Auslastung in Kombination mit kurzen Fahrstrecken (Amt für Soziale Dienste). Durch die Umschichtung von amtsbezogenen Fahrzeugen in den zentralen Fahrzeugpool strebe der Landkreis eine bessere Auslastung an. Eine Reduzierung der Ausschreibungskilometer sei bereits erfolgt. (327) Der Landesrechnungshof begrüßt die geplanten bzw. umgesetzten Maßnahmen und regt eine laufende Überprüfung der Auslastung des Fuhrparks sowie dessen effiziente Verwaltung an. 5.1.3 Führung der Fahrtenbücher (328) Der Landesrechnungshof hat Fahrtenbücher stichprobenartig hinsichtlich ihrer Vollständigkeit, rechnerischen Richtigkeit und ihrer sorgfältigen Führung geprüft. Grundlage und Maßstab dieser Prüfung war die „Dienstanweisung über den Außendienst“ (Stand: Juni 2013) des Landrates, wobei die geforderten Angaben in den Fahrtenbüchern denen des Landes entsprechen.119 (329) Zwei Fahrtenbücher waren mängelbehaftet. Zum einen weisen sie Mängel hinsichtlich ihrer Lesbarkeit auf, zum anderen fehlen wesentliche Angaben zum Reisezweck (Fahrtziel) sowie die Uhrzeiten vom Beginn und Ende der Dienstreise. In einem der Fahrtentenbücher fehlen darüber hinaus die Eintragungen des Kilometerstandes zu Fahrtbeginn und zu Fahrtende sowie die gefahrenen Kilometer je Fahrt. Außerdem sind hier mehrere Fahrten zusammengefasst und nur der Kilometerstand am Ende von mehreren Fahrten eingetragen. (330) Der Landkreis hat zugesichert, die ordnungsgemäße Fahrtenbuchführung konsequent in allen Bereichen durchzusetzen. 119 Richtlinie über Beschaffung, Betrieb und Aussonderung von Dienstkraftfahrzeugen in der Landesverwaltung von Mecklenburg-Vorpommern (Kfz-Richtlinie – Kfz-RL M-V) Verwaltungsvorschrift des Ministeri ums für Inneres und Sport vom 22. März 2013 – II 120 - 0540.11 –. 134 5.2 Beschaffung von Fahrzeugen Gegenstand der geprüften Fahrzeugbeschaffungen waren die gesetzlich geforderten Wirtschaftlichkeitsvergleiche für die 62 Leasingfahrzeuge sowie die Ausschreibungen der Leasingleistungen bzw. -verträge für 43 dieser Fahrzeuge. 5.2.1 Notwendigkeit von Wirtschaftlichkeitsvergleichen (331) Gemäß § 9 Abs. 1 GemHVO-Doppik ist für Investitionen mit erheblicher finanzieller Bedeutung unter mehreren in Betracht kommenden Alternativen ein Wirtschaftlichkeitsvergleich durchzuführen. Dabei sind nicht nur die Anschaffungskosten, sondern auch die Folgekosten zu berücksichtigen. (332) Der Landkreis hat in den Jahren 2012 und 2013 insgesamt 62 Pkw in mehreren Ausschreibungen im Leasingverfahren beschafft. Bei keiner dieser Ausschreibungen wurde im Vorfeld der gesetzlich vorgeschriebene Wirtschaftlichkeitsvergleich durchgeführt. Damit hat der Landkreis den Nachweis der Wirtschaftlichkeit für die Beschaffung aller Leasingfahrzeuge nicht erbracht. (333) Der Landkreis erklärte, Wirtschaftlichkeitsvergleiche zukünftig für das jeweilige Ausschreibungsverfahren oder in Jahresscheiben als Gesamtvergleich durchzuführen. (334) Da die Kfz-Beschaffungen künftig weiterhin auf dem Wege des Leasings erfolgen sollen, sind die Vorteile des Leasings gegenüber dem Kauf im Einzelfall unter Berücksichtigung realistischer Parameter nachzuweisen. In die Wirtschaftlichkeitsvergleiche sollten auch unterschiedliche km-Laufleistungen je Jahr einbezogen werden. 5.2.2 Ausschreibung und Vergabe von Leasingfahrzeugen Fehlerhafte Losvergabe (335) Von den 62 Pkw-Beschaffungen hat der Landesrechnungshof vier Ausschreibungen und Vergaben für insgesamt 43 geleaste Pkw geprüft. (336) Bei zwei Ausschreibungen hatte der Landkreis Lose gebildet und in den Ausschreibungsunterlagen die Vergabe als Lospaket (Fall 1) sowie als Einzellose (Fall 2) festgelegt. Bei der Zuschlagserteilung hat sich der Landkreis jedoch nicht an seine eigene Festlegungen gehal- 135 ten: während die Leistung in Fall 1 losweise vergeben wurde, führte der Landkreis in Fall 2 eine paketweise Vergabe der Lose an einen Anbieter durch. Bei Einhaltung seiner Festlegungen wäre es zu einem anderen Wertungsergebnis und damit zu einer anderen Zuschlagserteilung gekommen. (337) Der Landkreis hat zugesichert, die Gestaltung der Lose, die Festlegung im Formblatt 631 und die Einhaltung der Vorgaben zukünftig konsequent einzuhalten und sorgfältiger zu prüfen. (338) Der Landkreis ist angehalten, seine Festlegungen zur Losbildung zu präzisieren und in der Folge auch umzusetzen. In den Ausschreibungsunterlagen muss für die Bieter zweifelsfrei erkennbar sein, ob und nach welchen Maßgaben die Losvergabe erfolgen soll.120 Unzureichende Einhaltung von Vergabevorschriften (339) Bei Vergabe von 43 Pkw-Beschaffungen in vier separaten Ausschreibungen sind durch den Landkreis wesentliche Vorschriften der VOL verletzt worden. Insbesondere hat der Landesrechnungshof Fehler und Mängel bei der • Wahl der Vergabeart, • Vergabe- und Angebotsunterlagen, • Niederschrift zu den Angeboten, • Prüfung und Wertung der Angebote, • Zuschlagserteilung und • Dokumentation der Vergabe (Vergabevermerk) festgestellt. (340) Die Feststellungen belegen für den Bereich der Kfz-Beschaffung teilweise erhebliche vergaberechtliche Versäumnisse des Landkreises. Dabei handelt es sich nicht um Einzelfälle, sondern nachweislich um ein strukturelles Problem. Der Landkreis ist in der Pflicht, künftig alle Regelungen des Vergaberechts (z. B. VOL/A, VOL/B und Wertgrenzenerlass) einzuhalten. 120 Vgl. § 12 Abs. 2 VOL/A . 136 Zudem sprechen die Feststellungen in ihrer Gesamtheit ausdrücklich dafür, die Zentralisierung des Vergabewesens auch für den Bereich der Fahrzeugbeschaffung zu verstärken. 137 3 Haushaltsaufstellungsverfahren und Prozessanalyse der kommunalen Haushaltsplanung Bei der Analyse kommunaler Haushaltsaufstellungsverfahren konnte zunächst kein direkter Zusammenhang zwischen der Anwendung eines bestimmten Verfahrens (Topdown- und Bottom-up-Verfahren) und der Dauer der Haushaltsplanung festgestellt werden. Jedoch ergaben sich Hinweise auf einen Zeitvorteil des Top-down-Verfahrens bei der Finalisierung des Haushaltsentwurfs. Ein empirischer Zusammenhang zwischen der Anwendung eines bestimmten Aufstellungsverfahrens und der Erreichung des Haushaltsausgleichs konnte nicht festgestellt werden. Gleichwohl wird für Kommunen mit nicht ausgeglichenen Haushalten nur ein konsequent angewandtes Top-down-Verfahren für zielführend erachtet. (341) Der Landesrechnungshof analysierte die im kommunalen Bereich angewandten Verfahren zur Haushaltsaufstellung vor dem Hintergrund der teilweise erheblichen Defizite in den Finanz- und Ergebnishaushalten. Auch von kommunaler Seite wurde in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen, inwieweit die Aufstellungsverfahren grundsätzlich optimiert und durch die Herangehensweise bei der Haushaltsplanung ein Beitrag zur Defizitreduzierung geleistet werden kann. (342) Untersucht wurden die Haushaltsaufstellungsverfahren sowie die dazugehörigen Prozesse der kommunalen Haushaltsplanung aller Landkreise, kreisfreien Städte und großen kreisangehörigen Städte. (343) Gemäß § 43 KV M-V haben die Gemeinden121 ihre Haushaltswirtschaft so zu planen und zu führen, dass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist. Dies bedingt eine langfristige Vorausschau der Aufgaben und unterstützende finanzpolitischen Entscheidungen. Hierzu zählt auch ein effektives Haushaltsaufstellungsverfahren.122 121 122 Diese Bestimmungen gelten für die geprüften Städte und, in Verbindung mit § 120 KV M-V, für die Landkreise entsprechend. Städte und Landkreise werden nachfolgend zusammengefasst als Kommunen bezeich net. Mit diesem Verfahren muss die Erreichbarkeit der gesetzlichen finanziellen Ziele (Haushaltsausgleich gem. § 43 Abs. 6 KV M-V i. V. m. § 16 GemHVO-Doppik) sowie der zeitlichen Ziele (§ 47 Abs. 2 KV M-V) sichergestellt werden. 138 1 Haushaltsaufstellungsverfahren und Haushaltsplanung als Prüfungsgegenstand (344) Ausgehend von verschiedenen Zeitpunkten eines jeden Haushaltsaufstellungsverfahrens wurden dessen verschiedene Teilprozesse analysiert (vgl. Abbildung 41). Der Fokus der Untersuchung lag dabei auf den verwaltungsinternen Prozessschritten der Haushaltsaufstellung. Abbildung 41: Übersicht der untersuchten Teilprozesse a) Information der Ämter b) Rücklauf an Amt für Finanzen c) Erste Ausschussberatung d) Beschluss durch Vertretungskörperschaft e) Genehmigung f) Veröffentlichung t Teilprozess 1 Teilprozess 2 Teilprozess 3 Teilprozess 4 Teilprozess 5 Verwaltungsinterne Haushaltsaufstellung Quelle: Eigene Darstellung. (345) Grundsätzlich wird beim Haushaltsaufstellungsverfahren durch die Verwaltung zwischen dem Bottom-up-Verfahren und dem Top-down-Verfahren unterschieden. • Bottom-up-Verfahren Das Bottom-up-Verfahren beginnt mit den Haushaltsanmeldungen aller Fachämter123 über die im neuen Haushaltsjahr zu erwartenden bzw. gewünschten Erträge/Einzahlungen sowie Aufwendungen/Auszahlungen. Das Amt für Finanzen fasst diese Mittelanmeldungen zu einem Haushaltsentwurf der Gesamtkörperschaft zusammen. Dieser wird bis zur Ebene der Verwaltungsspitze beraten und anschließend der Vertretungskörperschaft als Gesamtentwurf zugeleitet. • Top-down-Verfahren Beim Top-down-Verfahren legen die Verwaltungsspitze und/oder die Vertretungskörperschaft die insgesamt im Haushalt zu erwartenden Erträge/Einzahlungen sowie Aufwendungen/Auszahlungen in einem vorläufigen Haushaltsrahmenplan fest. Diese Rahmenbedingungen werden den Fachämtern in Form von Eckwerten als verbindliche 123 Der Begriff des Fachamtes gilt vorliegend auch für Fachbereiche, Abteilungen, Dezernate, Referate und an dere synonym verwandten Begriffe. 139 Zielgrößen vorgegeben.124 Unter deren Einhaltung ist durch die jeweiligen Fachämter ein Teilhaushalt zu erstellen und an das Amt für Finanzen weiterzuleiten. Dieses erstellt nach Eingang aller Zuarbeiten einen Gesamtentwurf, welcher nach Beratungen bis zur Verwaltungsspitze der Vertretungskörperschaft zugeleitet wird. (346) Unter Umständen werden diese beiden Verfahren im sogenannten „Gegenstromverfahren“ miteinander kombiniert, d. h. die Abstimmungsprozesse können mehrfach in beiden Richtungen erfolgen. Beispielsweise kann die zur Verfügung stehende finanzielle Verteilungsmasse des zu planenden Haushalts durch das Amt für Finanzen nach vorheriger Beteiligung der Fachämter ermittelt werden. Darauf aufbauend folgt die Festlegung von verbindlich einzuhaltenden Eckwerten durch die Verwaltungsspitze und/oder die Vertretungskörperschaft sowie die darauf aufbauende Detailplanung durch die jeweiligen Fachämter. Ein derartiges Verfahren wird im Folgenden als modifiziertes Top-down-Verfahren bezeichnet, da die Fachämter bereits bei der Festlegung des Haushaltsrahmens bzw. der Budgetverteilung beteiligt werden. (347) Die Anwendung dieser Haushaltsaufstellungsverfahren wurde vergleichend ausgewertet. Die Prüfung umfasste die Unterlagen für die Haushaltsjahre 2010 bis 2013, soweit diese zur Verfügung gestellt wurden bzw. werden konnten.125 2 Analyse der Haushaltsaufstellungsverfahren (348) Bei den meisten geprüften Kommunen erfolgte die Haushaltsplanung für das Haushaltsjahr 2013 nach dem Bottom-up-Verfahren. Nur wenige wandten das Top-down-Verfahren bzw. das modifizierte Top-down-Verfahren an. Eine grundsätzliche Umstellung der Verfahrensweise erfolgte teilweise im Nachgang zur Kreisgebietsreform sowie mit der Einführung des NKHR M-V. Im Wesentlichen wurde die gewählte Verfahrensweise im Untersuchungszeitraum beibehalten. 124 125 Die Festlegung dieser Eckwerte ist noch vor der Information der Fachämter (vgl. Abb. 1, a) anzusiedeln. Eine Möglichkeit zur Bestimmung der Eckwerte besteht beispielsweise in dem Rückgriff auf die Haushaltsbzw. Budgetvorgaben des Vorjahres oder die Rechnungsergebnisse des Haushaltsvorvorjahres. Für einige Haushaltsjahre wurden dem Landesrechnungshof lediglich unvollständige Unterlagen oder PlanDaten anstatt der angeforderten Ist-Daten übersandt. 140 2.1 Dauer des Haushaltsaufstellungsverfahrens und der Teilprozesse 2.1.1 Gesamtdauer (349) Unter der Zeitdauer der verwaltungsinternen Haushaltsaufstellung wird die Länge des Teilprozesses von der Unterrichtung der Fachämter bis zur ersten Beratung der Haushaltssatzung in den zuständigen Ausschüssen verstanden (vgl. Abbildung 41).126 (350) Dessen Dauer ist in den einzelnen Kommunen sehr unterschiedlich und schwankt zwischen 67 und 335 Kalendertagen und damit zwischen rd. zwei und elf Monaten. Im Durchschnitt dauert dieser Prozessschritt zwischen 143 (2013) und 203 (2012) Tagen. Auf Grundlage der zur Verfügung gestellten Daten konnte für diesen Prozess kein signifikanter Vorteil eines bestimmten Verfahrens festgestellt werden. (351) § 47 Abs. 2 KV M-V gibt vor, dass der beschlossene Haushalt vor Beginn des Haushaltsjahres der Rechtsaufsichtsbehörde vorgelegt werden soll. Dieses Gebot wird von den meisten Kommunen nicht eingehalten, der beanspruchte Zeitraum erscheint in den meisten Fällen deutlich zu lang. Dies gilt vor allem, da es einigen Kommunen in einer vergleichbar kürzeren Zeit gelingt, diesen Prozessschritt durchzuführen. 2.1.2 Information der Fachämter (352) Ausgangspunkt jedes Haushaltsaufstellungsverfahrens ist der Zeitpunkt, zu dem die Fachämter gemäß Rundschreiben, Dienstvereinbarung, Dienstanweisung etc. über das Verfahren informiert und um Mittelanmeldungen gebeten werden (vgl. Abbildung 41, a). (353) Während die früheste Information Ende März des Vorjahres erfolgte, wurden die Fachämter einer Kommune erst nach Beginn des zu planenden Haushaltsjahres informiert. Bei den meisten Kommunen erfolgte die Information zwischen Mai und Juli des Haushaltsvorjahres und damit größtenteils vor Übersendung des jeweiligen Orientierungsdatenerlasses. (354) Ein möglichst früher Beginn des Haushaltsaufstellungsverfahrens gewährleistet am ehesten die rechtzeitige Vorlage des Haushalts bei der Rechtsaufsichtsbehörde, jedenfalls dann, wenn eine identische Dauer der Folgeschritte angenommen wird. 126 Das Datum der ersten Beratung in den zuständigen Ausschüssen wurde vom Landesrechnungshof hilfswei se herangezogen, da nur in den wenigstens Fällen die Fertigstellung des Haushaltsentwurfes durch die Ver waltung eindeutig erkennbar war bzw. mitgeteilt wurde. Dem Landesrechnungshof ist bewusst, dass die Dauer des Zeitraums nicht allein der Verwaltung zugeordnet werden kann. Beispielsweise hängt dies auch von der Sitzungsplanung der Vertretungskörperschaft ab. 141 Den Kommunen wird deshalb empfohlen, ihre Fachämter spätestens im Mai des Haushaltsvorjahres zu informieren. 2.1.3 Zuarbeiten der Fachämter (355) Ausgehend von der Information der Fachämter ist für die Gesamtdauer der verwaltungsinternen Teilprozesse auch derjenige Zeitraum entscheidend, der den Fachämtern zur Einreichung der Mittelanmeldungen eingeräumt wird (vgl. Abbildung 41, Teilprozess 1). (356) Hinsichtlich dieses Zeitrahmens ergeben sich ebenfalls deutliche Unterschiede: der kürzeste Zeitraum zur Erstellung der Zuarbeiten betrug 17 Tage, während als längster Zeitraum 133 Tage festzustellen waren. Im Durchschnitt dauert die Erstellung der Mittelanmeldungen zwischen 38 (2013) und 57 (2010) Tagen. Bei den Anwendern des Top-down-Verfahrens betrug die jeweilige Dauer zwischen 17 (2010) und 105 (2012) Tagen, für Kommunen mit Bottom-up-Verfahren wurden Zeiträume zwischen 24 (2011) und 133 Tage (2010) festgestellt. Aufgrund dessen kann kein klarer Zeitvorteil eines bestimmten Verfahrens für diesen Prozessschritt festgestellt werden. Gestützt wird diese Feststellung auch durch die Tatsache, dass die für eine Kommune festgestellten Zeitspannen bei einheitlicher Anwendung des Top-down-Verfahrens zwischen 17 und 105 Tagen schwankte. (357) Der Landesrechnungshof empfiehlt, den Zeitplan für die Zuarbeiten der Fachämter zum Teil enger zu fassen. Dieser sollte jedoch ausreichend sein, um den Fachämtern die Erarbeitung qualitativ hochwertiger Mittelanmeldungen zu ermöglichen. In aller Regel dürfte dafür ein Zeitraum von 45 Tagen ausreichend sein. 2.1.4 Finalisierung des Haushaltsentwurfs (358) In der Zeitspanne zwischen Rücklauf und erster Beratung in einem Ausschuss wird der Haushaltsentwurf finalisiert. Dieser Teilprozess umfasst auch die „Haushaltsgespräche“ zwischen den Fachämtern, dem Amt für Finanzen sowie der Hausleitung (vgl. Abbildung 41, Teilprozess 2). (359) Die kürzesten Zeitspannen betrugen 31 (2011) bzw. 32 Tage (2010), wobei in beiden Fällen das Top-down-Verfahren angewandt wurde. Im Durchschnitt dauerte dieser Prozessschritt zwischen 96 (2010) und 157 (2012) Tagen. 142 Während die Prozessdauer im Fall des Top-down-Verfahrens zwischen 31 (2011) und 171 Tage (2010) schwankte, dauerte dieser Prozessschritt bei den Kommunen mit Bottom-up-Verfahren zwischen 45 (2013) und 259 Tagen (2012). (360) Auch wenn die Stichprobe hinsichtlich der Anwendung des Top-down-Verfahrens klein ist, scheint in der Gesamtsicht die Folgerung nachvollziehbar, dass dieses Verfahren Zeitvorteile bei der Finalisierung des Haushaltsplanentwurfs ermöglicht. Dies ist auf die klaren Vorgaben von Rahmendaten bzw. Eckwerten und den im Nachgang stark eingeschränkten Verhandlungsspielraum zurückzuführen. 2.2 Dauer der Beratungen in der Vertretungskörperschaft (361) Als Haushaltsberatungen in den Vertretungskörperschaften wurde der Zeitraum zwischen der ersten Beratung in einem zuständigen Ausschuss und der abschließenden Beschlussfassung in der Vertretungskörperschaft definiert (vgl. Abbildung 41, Teilprozess 3). (362) Während dieser Zeitraum in einigen Kommunen in weniger als drei Wochen realisiert werden konnte, benötigte eine Kommune für diesen Prozessschritt 230 Tage. Damit unterschieden sich die festgestellten Zeiträume deutlich. Im Durchschnitt waren für die Beratungen 87 Tage notwendig, wobei der Durchschnitt ab dem Haushaltsjahr 2012 signifikant gesenkt wurde. (363) Um den Prozess der Haushaltsberatungen zu verkürzen, ist es für die Kommunen von Vorteil, die Fraktionen frühzeitig in den Prozess der Haushaltsaufstellung einzubinden, beispielsweise durch o. g. Eckwertebeschluss für den Haushaltsplan (vgl. Tz. 345 f.), der für die Verwaltung bindend ist. Die Höhe des Gesamthaushalts und die Erreichung des Haushaltsausgleichs als mögliche Konfliktpotenziale wären in diesem Fall bereits vor den Haushaltsberatungen geklärt worden. 2.3 Dauer des Genehmigungsverfahrens (364) Die Dauer des Haushaltsgenehmigungsverfahrens umfasst die Zeitspanne vom Beschluss der Vertretungskörperschaft bis zur Genehmigung durch das Innenministerium (vgl. Abbildung 41, Teilprozess 4). (365) Die kürzeste Zeitspanne zwischen Beschluss und Genehmigung lag bei 51 Tagen, die längste bei 239 Tagen. 143 (366) Bezüglich der Optimierung des Haushaltsgenehmigungsprozesses beim Innenministerium verweist der Landesrechnungshof auf seine Jahresberichtsbeiträge zu den Prüfungen „Organisation der Rechts- und Fachaufsicht des Innenministeriums im Bereich der kommunalen Haushaltswirtschaft“127 und „Einzelfälle vorläufiger Haushaltsführung ausgewählter kommunaler Körperschaften“.128 Hinsichtlich der Dauer des Genehmigungsverfahrens wies das Innenministerium darauf hin, dass dieses bei einer vorgesehenen belastenden Entscheidung (z. B. eine rechtsaufsichtliche Maßnahme nach § 81 ff. KV M-V wie der Versagung bzw. teilweisen Genehmigung einer genehmigungspflichtigen Festsetzung der Haushaltssatzung) ein Anhörungsverfahren gemäß § 28 VwVfgG M-V umfasst. Die Zeitdauer des Anhörungsverfahrens entziehe sich weitgehend der Einflusssphäre des Ministeriums. 2.4 Dauer bis zur Veröffentlichung der Haushaltssatzung (367) Gemäß § 47 Abs. 3 S. 1 KV M-V ist die Haushaltssatzung öffentlich bekannt zu machen. Analysiert wurde die Zeitdauer von der Genehmigung des Innenministeriums bis zur Veröffentlichung der Haushaltssatzung (vgl. Abbildung 41, Teilprozess 5). (368) Mehrere Kommunen veröffentlichen die Haushaltssatzung noch am Tag der Genehmigung, bei anderen wiederum wurde die Haushaltssatzung erst mehrere Wochen nach der Genehmigung veröffentlicht. (369) Die technischen Möglichkeiten erlauben jeder Verwaltung eine zeitnahe Veröffentlichung des Haushalts. Die Kommunen werden angehalten, den Haushalt zügig nach der Genehmigung zu veröffentlichen.129 2.5 Dauer der vorläufigen Haushaltsführung (370) Nach § 49 Abs. 1 KV M-V befindet sich eine Kommune in der vorläufigen Haushaltsführung, wenn der Haushalt zu Beginn eines Haushaltsjahres noch nicht öffentlich bekannt gemacht wurde (vgl. Abbildung 41, Teilprozess zwischen dem 01.01. d. J. und f). 127 128 129 Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht 2013 (Teil 2) – Landesfinanzbericht, 2013, Tzn. 166 ff. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Jahresbericht 2012 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht, 2012, Tzn. 229 ff. Bei einer Veröffentlichung im Internet sind die Anforderungen des § 8 KV-DVO zu beachten. 144 (371) Im Untersuchungszeitraum schwankte der Zeitraum der vorläufigen Haushaltsführung zwischen 46 und 355 Tagen und dauerte damit im Einzelfall nahezu das gesamte Haushaltsjahr an. Im Durchschnitt schwankte die haushaltslose Zeit zwischen 170 (2011) und 275 (2012) Tagen. (372) Damit handelte es sich bei der vorläufigen Haushaltsführung nicht mehr um den gesetzlich vorgesehenen Ausnahmefall, sondern um den Regelfall. Die Kommunen sind angehalten, durch ein optimiertes Haushaltsaufstellungsverfahren zu einer Verkürzung des Zeitraums der vorläufigen Haushaltsführung beizutragen. Vor dem Hintergrund der Darstellungen in den Tzn. 368 f. bleibt zudem offen, weshalb einige Kommunen nicht bestrebt waren, die vorläufige Haushaltsführung schnellstmöglich zu verlassen. Ein Grund könnte in der oftmals mangelhaften Umsetzung der Restriktionen des § 49 KV M-V liegen.130 2.6 Erreichung des Haushaltsausgleichs (373) Neben der Dauer der Haushaltsplanung bzw. des Aufstellungsverfahrens stellte sich zudem die Frage, ob und inwiefern das Aufstellungsverfahren zur Erreichung des Haushaltsausgleichs im Plan (§ 16 Abs. 1 GemHVO-Doppik) beitragen kann. Eine Analyse des Haushaltsausgleichs in der Rechnung (§ 16 Abs. 2 GemHVO-Doppik) war aufgrund fehlender Daten131 sowie der nicht möglichen Isolation einzelner unterjähriger Effekte nicht realisierbar. (374) Die wenigsten untersuchten Kommunen konnten ausgeglichene Haushalte vorweisen. Die Analyse der angewandten Aufstellungsverfahren und aller damit erstellten Haushalte hat ergeben, dass kein offensichtlicher Zusammenhang zwischen der Erreichung des Haushaltsausgleichs (im Plan) und einem bestimmten Aufstellungsverfahren hergestellt werden kann. (375) Entscheidend für die Erreichung des Haushaltsausgleichs ist vielmehr die kontinuierliche Fokussierung von Verwaltungsspitze und Vertretungskörperschaft auf das gesetzlich festgeschriebene und übergeordnete Ziel des Haushaltsausgleichs. 130 131 Für entsprechende Prüfungsfeststellungen vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Jahresbericht 2012 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht, 2012, Tzn. 229 ff. Die Jahresrechnungen bzw. Jahresabschlüsse wurden in den wenigstens Fälle übersandt und lagen nach Aussage der Kommunen in einigen Fällen auch noch nicht vor. 145 3 Fazit und Empfehlungen für ein optimiertes Haushaltsaufstellungsverfahren (376) In der Gesamtsicht lässt sich zunächst kein direkter Zusammenhang zwischen der Anwendung eines bestimmten Verfahrens bei der Haushaltsplanaufstellung und der Dauer der Haushaltsplanung feststellen. Zur Verkürzung des verwaltungsinternen Aufstellungsprozesses sollte den Fachämtern für deren Mittelanmeldungen eine Frist von maximal 45 Tagen gesetzt werden. Der Zeitvorteil des Top-down-Verfahrens bei der Finalisierung des Haushaltsentwurfs sollte entsprechend genutzt werden. (377) Die Verantwortung für die Erreichung des Haushaltsausgleichs liegt neben der Verwaltungsspitze auch bei der Vertretungskörperschaft. Deren Wille zur Erreichung des Haushaltsausgleichs sollte sich in der Vorgabe von Eckwerten für die Haushaltsplanung und einer stringenten und abgestimmten Vorgehensweise im Haushaltsaufstellungsverfahren zeigen. Die Beteiligung der Vertretungskörperschaft an der Festlegung der Eckwerte kann zu effektiven und konstruktiven Haushaltsberatungen in den Gremien beitragen. (378) Ein frühzeitiger Beginn des Haushaltsaufstellungsverfahrens begünstigt im Regelfall den rechtzeitigen Beschluss des Haushalts und vermeidet bzw. verkürzt eine haushaltslose Zeit. Daher sollten die Kommunen prüfen, ob ihr derzeitiger Starttermin sinnvoll und zeitlich ausreichend gewählt ist. Der Haushalt sollte in der Regel zum Ende des dritten Quartals des Haushaltsvorjahres132 beschlossen werden, um der Rechtsaufsicht ausreichend Zeit zur Prüfung bzw. Genehmigung des Haushalts einzuräumen. (379) Im Rahmen der Anhörung wies eine Kommune darauf hin, dass ein Beschluss des Haushaltes zum Ende des dritten Quartals nicht praktikabel sei. Zu diesem Zeitpunkt würden viele erforderliche Angaben (z. B. die Orientierungsdaten zum kommunalen Finanzausgleich) fehlen. Darüber hinaus ergäbe die Analyse des laufenden Haushalts kaum aussagekräftige Ergebnisse, je frühzeitiger sie erfolgt. Im Übrigen steige bei ungenauen Planungsdaten die Wahrscheinlichkeit des Erfordernisses einer Nachtragshaushaltssatzung. (380) Die Zurverfügungstellung von Planungs- bzw. Orientierungsdaten an die kommunale Ebene hatte der Landesrechnungshof bereits in der Vergangenheit thematisiert. Im Ergebnis 132 Vgl. auch Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht 2013 (Teil 2) – Landesfinanzbericht, 2013, Tz. 173. Das Innenministerium hatte eine Prüfung dieses Vorschlags zugesagt. 146 wurde das Innenministerium angehalten, den Orientierungsdatenerlass in der ersten Jahreshälfte vorzulegen, da die gemeindebezogenen Einnahmedaten auf der regionalisierten Steuerschätzung aus dem Mai eines Jahres basieren. Insofern verweist der Landesrechnungshof auf die Zusage des Ministeriums, den Orientierungsdatenerlass künftig bereits in der ersten Jahreshälfte zu Verfügung zu stellen.133 (381) Im Hinblick auf die Erreichung des Haushaltsausgleichs im Plan konnte kein empirischer Zusammenhang zwischen dieser gesetzlichen Maßgabe und einem bestimmten Aufstellungsverfahren hergestellt werden. In Zeiten nicht ausgeglichener Haushalte ist ein konsequent angewandtes Top-down-Verfahren eher zielführend. Die einzelnen Fachämter haben in der Regel keinen Überblick über den kommunalen Gesamthaushalt. Sie vertreten ihre eigenen aufgabenbezogenen Sichtweisen und eher nachrangig die Gesamtfinanzsituation der Kommune. (382) Das Prüfungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. 133 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht 2013 (Teil 2) – Landesfinanzbericht, 2013, Tz. 173. 147 4 Wasserentnahmeentgelt für die Benutzung der Gewässer II. Ordnung und des Grundwassers Die unteren Wasserbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte erhoben die Wasserentnahmeentgelte fehlerhaft. So führten drei untere Wasserbehörden Einnahmen aus dem Wasserentnahmeentgelt von rd. 1,2 Mio. Euro nicht, rd. 200.000 Euro verspätet sowie rd. 1,5 Mio. Euro unter falschem Kassenzeichen an das Land ab. (383) Der Landesrechnungshof prüfte für die Haushaltsjahre 2010 bis 2013 die Erhebung des Wasserentnahmeentgeltes durch die Landkreise und kreisfreien Städte als untere Wasserbehörden. Die Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens insbesondere hinsichtlich Vollständigkeit und Höhe der Entgelte war wesentlicher Bestandteil der Prüfung. Zudem führte der Landesrechnungshof Erhebungen durch, inwieweit die bestehenden wasserrechtlichen Rechte und Befugnisse im Wasserbuch des Landes Mecklenburg-Vorpommern enthalten sind. 1 Aufkommen aus dem Wasserentnahmeentgelt (384) Die Benutzung eines Gewässers bedarf gemäß § 8 Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG)134 einer Erlaubnis oder Bewilligung, soweit nichts anderes bestimmt ist. Gemäß § 16 Abs. 1 des Wassergesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern (LWaG)135 erhebt das Land „von dem Benutzer eines Gewässers ein Entgelt für folgende Benutzungen: 1. Entnehmen und Ableiten von Wasser aus oberirdischen Gewässern, 2. Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser.“ Für die Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung sowie für die Erhebung des Wasserentnahmeentgeltes sind die unteren Wasserbehörden zuständig. Soweit Benutzungen der Gewässer II. Ordnung oder des Grundwassers erfolgen, sind dies die Landräte und Oberbürgermeister der kreisfreien Städte. Sie nehmen die Aufgaben als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung wahr.136 134 135 136 Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz - WHG) vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. April 2013 (BGBl. I S. 734). Wassergesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern (LWaG) vom 30. November 1992 (GVOBl. M-V S. 669), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 4. Juli 2011 (GVOBl. M-V S. 759, 765). §§ 106, 107 Abs. 1 LWaG. 148 Die Landkreise bzw. kreisfreien Städte fordern die Entgeltpflichtigen auf, sich bis zum 31.01. des Jahres zur Wasserentnahme aus dem Vorjahr zu erklären. Gemäß den Angaben zur Wasserentnahme berechnen die Landkreise bzw. kreisfreien Städte das Wasserentnahmeentgelt und erlassen den Festsetzungsbescheid. Das festgesetzte Entgelt hat der Entgeltpflichtige binnen einer Monatsfrist auf ein kommunales Konto zu zahlen.137 Das Wasserentnahmeentgelt steht gemäß § 16 Abs. 3 LWaG dem Land zu. Bis zur Zuführung an den Landeshaushalt verbleiben die Entgelte auf kommunalen Verwahrkonten. (385) Das Land plante jährlich 5 Mio. Euro Einnahmen aus dem Wasserentnahmeentgelt. Über den Prüfungszeitraum von 2010 bis 2013 betrachtet sind dies insgesamt 20 Mio. Euro. Die tatsächlichen Einnahmen des Landes betrugen jedoch insgesamt nur rd. 16,0 Mio. Euro. Den Hauptanteil bilden mit insgesamt rd. 14,8 Mio. Euro die Entgelte für die Benutzung der Gewässer II. Ordnung und des Grundwassers, die durch die Landkreise und kreisfreien Städte zu erheben sind. Dies entspricht rd. 93 Prozent der gesamten Einnahmen des Landes aus dem Wasserentnahmeentgelt. 1.1 Differenzen zwischen dem geplanten und tatsächlichen Aufkommen (386) Der Landesrechnungshof stellte erhebliche Differenzen zwischen den im Haushaltsplan des Landes veranschlagten Einnahmen und dem tatsächlichen Aufkommen aus dem Wasserentnahmeentgelt – insbesondere dem für die Benutzung der Gewässer II. Ordnung und des Grundwassers – fest. (387) Um die Differenzen zu konkretisieren, hat der Landesrechnungshof die durch die Landkreise und kreisfreien Städte mittels Bescheid festgesetzten Wasserentnahmeentgelte den Einnahmen im Landeshaushalt gegenübergestellt. Die größten Abweichungen sind in den Jahren 2012 und 2013 festzustellen. Sie sind in der Tabelle 21 farblich markiert: 137 §§ 17, 18 LWaG. 149 Tabelle 21: Vergleich Einnahmen aus dem Wasserentnahmeentgelt für die Benutzung der Gewässer II. Ordnung und des Grundwassers, 2012 und 2013, in Euro Untere Wasserbehörden Festgesetzte Wasserentnahmeentgelte Einnahmen im Landeshaushalt 2012 2013 181.791,39 180.816,55 0,00 30.595,35 25.470,63 30.595,35 25.470,63 Landkreis Vorpommern-Rügen 739.463,73 746.205,65 279.742,40 739.736,20 Landkreis Nordwestmecklenburg 568.950,75 574.912,55 568.950,75 572.245,67 Landkreis Ludwigslust-Parchim 781.095,38 784.942,35 777.492,43 1.105.750,96 Landkreis Rostock 521.601,79 791.687,72 521.765,59 551.404,57 Landkreis Mecklenburgische Seenplatte 917.301,15 973.544,45 329.604.60 0,00 Landkreis Vorpommern-Greifswald 820.732,89 732.120,39 171.893,94 697.966,03 4.561.532,43 4.809.700,29 2.680.045,06 3.692.574,06 Landeshauptstadt Schwerin Hansestadt Rostock Summe I Summe II 2012 9.371.232,72 2013138 0,00 6.372.619,12 Quelle: Unterlagen der geprüften Behörden. In der Zeit vom 01.01.2012 bis zum Beginn der örtlichen Erhebungen des Landesrechnungshofes im Juli 2013 stellte der Landesrechnungshof zwischen den festgesetzten Wasserentnahmeentgelten und den tatsächlichen Einnahmen im Landeshaushalt eine Differenz von insgesamt rd. 3,0 Mio. Euro fest. Im zweiten Halbjahr 2013 haben die Landkreise und kreisfreien Städte – auch im Ergebnis der Prüfung – Einnahmen aus dem Wasserentnahmeentgelt von rd. 1,3 Mio. Euro dem Landeshaushalt zugeführt. 1.2 Ursachen für die Differenzen (388) Den Ursachen für die vorgenannten Abweichungen ist der Landesrechnungshof in der Landeshauptstadt Schwerin sowie in den Landkreisen Mecklenburgische Seenplatte und Vorpommern-Rügen nachgegangen. 1.2.1 Organisatorische Probleme und Verfahrensfehler (389) Der Landesrechnungshof stellte wesentliche organisatorische Probleme und Verfahrensfehler bei der Erhebung des Wasserentnahmeentgeltes fest: • Beispielsweise waren für den Landkreis Mecklenburgische Seenplatte nach der Kreisgebietsreform139 die Aufgabenbereiche von den unterschiedlich organisierten ehemaligen Landkreisen Demmin, Mecklenburg-Strelitz und Müritz sowie der Stadt Neu- 138 Ausgangsdaten zu Beginn der Prüfung: ProFiskal-Listen mit Stand 16.07.2013. 150 brandenburg zusammenzuführen. Vielfach wurden den ursprünglich mit der Erhebung des Wasserentnahmeentgeltes betrauten Personen andere Aufgaben zugewiesen oder diese sind aus dem Dienst ausgeschieden. In 2013 war für ca. ein Dreivierteljahr die Stelle für die Erhebung des Wasserentnahmeentgeltes nicht besetzt. All dies führte zu erheblichen Informationsverlusten und Verfahrensverzögerungen. • Die Erfassung der Wasserentnahmemenge und die Erhebung des Wasserentnahmeentgeltes erfolgte sehr unterschiedlich. Die unteren Wasserbehörden nutzten zum Teil über Jahre entwickelte Datenbanken, teilweise aber auch nur handschriftliche Übersichten. • Die Qualität der dem Landesrechnungshof vorgelegten Unterlagen zur Erhebung des Wasserentnahmeentgeltes war sehr unterschiedlich. Beispielsweise konnte die Höhe der erlaubten Wassermenge, die maßgebliche Berechnungsgrundlage ist, nicht festgestellt werden, weil zum Teil die Erlaubnisbescheide mit den jeweiligen Nutzungsrechten nicht vorlagen. • Ob alle Entgeltpflichtigen erfasst waren und die Entgelte vollständig erhoben wurden, konnte der Landesrechnungshof an Hand der vorgelegten Unterlagen letztendlich nicht zweifelsfrei feststellen. • Die Wasserentnahmeentgelte setzten die geprüften Landkreise mit zum Teil erheblichen zeitlichen Verzögerungen fest. Obwohl die Entgeltpflichtigen sich bis zum 31.01. des Jahres zur Wasserentnahme des Vorjahres zu erklären haben, setzte beispielsweise der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte im Haushaltsjahr 2013 das Wasserentnahmeentgelt für die Wasserentnahme aus 2012 mit insgesamt 973.544,45 Euro erst im vierten Quartal 2013 fest. In der Folge konnten die entsprechenden Entgelte erst Ende 2013 eingenommen werden. • Vereinzelt erfolgten Gewässerbenutzungen, obwohl keine wasserrechtliche Erlaubnis beantragt war bzw. Erlaubnisbefristungen abgelaufen waren. Dies und teilweise Überschreitungen der genehmigten Nutzungsmengen beachteten die Festsetzungsbehörden 139 Gesetz zur Neuordnung der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Landkreisneuordnungsgesetz-LNOG M-V), verkündet als Artikel 1 des Gesetzes zur Schaffung zukunftsfähiger Strukturen der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Kreisstruk turgesetz) vom 12. Juli 2010 (GVOBl. M-V S. 366). 151 nicht. Im Falle einer nicht zugelassenen Gewässerbenutzung wäre ein doppeltes Wasserentnahmeentgelt zu erheben gewesen.140 • Mit der wasserrechtlichen Erlaubnis werden die Antragsteller verpflichtet die entnommene Wassermenge und ggf. den Grundwasserspiegel regelmäßig zu messen. Die Messergebnisse sind in Kontrollbüchern aufzuzeichnen und der Behörde auf Anforderung zu übermitteln. Eine Kontrolle der Messeinrichtungen oder der Messprotokolle durch die untere Wasserbehörde konnte der Landesrechnungshof nicht feststellen. 1.2.2 Fehlende und fehlerhafte Zuführung der Entgelte an den Landeshaushalt (390) Wesentliche Ursache für die Differenzen zwischen den mittels Bescheid festgesetzten Wasserentnahmeentgelten und den tatsächlichen Einnahmen des Landes aus dem Wasserentnahmeentgelt sieht der Landerechnungshof zudem darin, dass die geprüften Landkreise und die Landeshauptstadt Schwerin ihre Einnahmen aus dem Wasserentnahmeentgelt nicht oder verspätet an den Landeshaushalt weitergeleitet haben: • Beispielsweise buchten die Landkreise Mecklenburgische Seenplatte und Vorpommern-Rügen sowie die Landeshauptstadt Schwerin in 2012 und 2013 erhobene Wasserentnahmeentgelte von insgesamt rd. 1,2 Mio. Euro lediglich auf kommunale Verwahrkonten. Eine Zuführung an den Landeshaushalt erfolgte jedoch nicht. • Weiterhin wies der ehemalige Landkreis Rügen (jetzt Landkreis Vorpommern-Rügen) das Wasserentnahmeentgelt für 2008 (103.166,19 Euro) und 2009 (101.093,12 Euro) erst verspätet in 2011 dem Landeskonto zu. • Für Überweisungen an den Landeshaushalt benutzten die geprüften Landkreise zum Teil falsche Kassenzeichen. Dadurch sind zum einen Wasserentnahmeentgelte von insgesamt rd. 614.585 Euro dem Haushaltstitel für Abwasserabgabe zugeführt worden. Zum anderen sind Einnahmen aus Abwasserabgaben von rd. 912.853 Euro fälschlicherweise dem Haushaltstitel für Wasserentnahmeentgelte zugewiesen worden. • Der Landkreis Vorpommern-Rügen hat bei der Überprüfung der Überweisungsbeträge festgestellt, dass zwei unterschiedliche Verwahrkonten für die eingehenden Wasser- entnahmeentgelte bestanden. Jedoch erfolgten nur von einem Überweisungen an den Landeshaushalt. 140 § 16 Abs. 3 S. 3 LWaG. 152 (391) Als Gründe für die nicht getätigten Zuweisungen an das Land benannten die unteren Wasserbehörden u. a. die strukturellen und personellen Veränderungen im Zuge der Einführung der Doppik. So habe es Unklarheiten hinsichtlich der Zuständigkeit zur Veranlassung der Überweisungen der eingegangenen Wasserentnahmeentgelte an das Land gegeben. Seit der Umstellung auf die Doppik erhalte die Fachbehörde vielfach keine Informationen über getätigte Buchungsvorgänge durch die jeweilige Finanzbehörde. Insofern habe die Fachbehörde auch nicht feststellen können, ob eine Zuweisung an das Land erfolgt ist. (392) Die Landeshauptstadt Schwerin sowie die Landkreise Mecklenburgische Seenplatte und Vorpommern-Rügen sagten im Rahmen der Prüfung zu, die noch ausstehenden Wasser- entnahmeentgelte, die auf den Verwahrkonten festgestellt wurden, umgehend dem Landeshaushalt zuzuführen. Jedoch konnte der Landesrechnungshof bis Ende Januar 2014 in Bezug auf den Hauptanteil dieser zugesagten Überweisungen (insgesamt rd. 1,0 Mio. Euro) noch keinen Zahlungseingang auf dem Landeskonto feststellen. 1.3 Bemerkungen des Landesrechnungshofes (393) Das Verfahren zur Erhebung des Wasserentnahmeentgeltes und zu dessen Weiterleitung an das Land weist erhebliche Defizite auf. Auch wenn die Landkreisneubildung und die Einführung der Doppik die Landkreise und kreisfreien Städte vor schwierige strukturelle und organisatorische Aufgaben stellte, haben sie gleichwohl ein ordnungsgemäßes Verfahren zur Erhebung und Weiterleitung des Wasserentnahmeentgeltes zu gewährleisten. Der Landesrechnungshof hält insbesondere Folgendes für erforderlich: Alle Landkreise und kreisfreien Städte haben sicherzustellen, dass mit der Erteilung der Erlaubnis zur Wasserentnahme automatisch und zeitnah die Erhebung des Wasserentgeltes geprüft und ggf. veranlasst wird. Die Erlaubnisbescheide sind für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Wasserentnahme und die Ermittlung der Höhe des Wasserentnahmeentgeltes maßgeblich. Befristungen der wasserrechtlichen Erlaubnisse sind auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Einhaltung der in den Erlaubnisbescheiden festgelegten Entnahmemengen und Befristungen ist zu kontrollieren. Es ist darauf zu achten, dass im Falle einer nicht zugelassenen Gewässerbenutzung ein doppeltes Wasserentnahmeentgelt zu erheben ist. Auflagen, wie das Führen von Messeinrichtungen oder Messprotokollen, sind stichprobenweise zu kontrollieren. Noch ausstehende Überweisungen von eingenommenen Wasserentnahmeentgelten an das Land sind unverzüglich nachzuholen. Die bisherigen Überweisungen des Wasserentnahmeentgeltes 153 an das Land sind zu überprüfen und ggf. zu korrigieren. Es sind Kontrollmechanismen einzuführen, die künftig eine unmittelbare Zuweisung der eingenommenen Wasserentnahmeentgelte an den Landeshaushalt sicherstellen. Eine Rückkopplung zwischen den das Wasserentnahmeentgelt erhebenden und den für den Finanzfluss zuständigen Stellen erscheint hierbei geboten. Der Landesrechnungshof empfiehlt, dass die Landkreise und kreisfreien Städte und das Landwirtschaftsministerium prüfen, ob bestehende Verfahrensweisen und Datenerfassungssysteme ggf. optimiert übernommen werden können. Ziel sollte ein möglichst einheitliches Verfahren sein. Der Landesrechnungshof hat das Landwirtschaftsministerium um eine Stellungnahme gebeten sowie dem Innenministerium eine Stellungnahme anheim gestellt. 1.4 Stellungnahme der Ministerien (394) Das Landwirtschaftsministerium teilte mit, es werde „im Rahmen seiner Fachaufsicht verstärkt darauf Einfluss nehmen, dass die vorgefundenen Defizite behoben werden und durch alle Festsetzungsbehörden ein ordnungsgemäßes Verfahren zur Erhebung des Wasserentnahmeentgelts und zur zeitnahen Abführung der Einnahmen an den Landeshaushalt erfolgt …". Durch eine verstärkte Fachaufsicht und eine intensivere Betreuung der Festsetzungsbehörden werde das Landwirtschaftsministerium, gemeinsam mit dem LUNG, darauf hinwirken, dass der wasserrechtliche und abgabenrechtliche Vollzug im Zusammenhang mit der Erhebung des Wasserentnahmeentgeltes verbessert werden. Sie werden insbesondere darauf hinwirken, dass in allen Kreisen geeignete Datenhaltungssysteme existieren, die die Verwaltung von Gewässerbenutzungsdaten und die Entgeltfestsetzung unterstützen. (395) Das Innenministerium machte von der Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben, keinen Gebrauch. 2 Wasserbuch (396) Gemäß § 87 WHG sind über die Gewässer Wasserbücher zu führen. Alle laufenden Nutzungen, die den Behörden bekannt sind und ausgeübt werden, sowie Erlaubnisse und Bewilligungen werden gemäß Nr. 3 der Verwaltungsvorschrift über das Führen sowie Inhalt und Form des Wasserbuchs (VV Wasserbuch)141 nach Anmeldung durch den Inhaber oder von 141 Verwaltungsvorschrift über das Führen sowie Inhalt und Form des Wasserbuchs (VV Wasserbuch), Bekanntmachung des Ministeriums für Bau, Landesentwicklung und Umwelt vom 29. Mai 1998 (Amts- 154 Amts wegen in das Wasserbuch eingetragen. Nicht eingetragen werden Erlaubnisse, die nur vorübergehenden Zwecken dienen und höchstens auf drei Jahre befristet sind, sowie Rechtsverhältnisse von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung. Zuständige Behörde für die Führung des Wasserbuchs ist das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie (LUNG). Gemäß Nr. 3.6 der VV Wasserbuch übersenden die zuständigen unteren Wasserbehörden dem LUNG die Grundlagen für die Eintragung. (397) Der Landesrechnungshof stellte fest, dass bestehende Wasserrechte – zum Teil in wesentlichen Größenordnungen – nicht in das Wasserbuch eingetragen waren. Als besonders problematisch erweisen sich fehlende Eintragungen alter wasserrechtlicher Nutzungsgenehmigungen von einigen öffentlichen Wasserversorgern. Einige öffentliche Wasserversorger besitzen noch alte wasserrechtliche Nutzungsgenehmigungen zum Teil aus den 70iger Jahren. Diese alten Rechte bzw. alten Befugnisse konnten gemäß § 21 WHG bis 01.03.2013 bei der zuständigen Stelle zur Eintragung in das Wasserbuch angemeldet werden. Alte Rechte und alte Befugnisse, die nicht bis dahin angemeldet wurden, erlöschen am 01.03.2020, soweit das alte Recht oder die alte Befugnis nicht bereits zuvor erloschen ist. (398) Die Landkreise und kreisfreien Städte haben die Vollständigkeit der gesetzlich geforderten Einträge im Wasserbuch in eigener Zuständigkeit zu prüfen und ggf. fehlende Eintragungen zu veranlassen. Das LUNG ist als Wasserbuch führende Stelle auf die Zuarbeit der unteren Wasserbehörden angewiesen. Ist das Wasserbuch in wesentlichen Teilen unvollständig, kann es die Funktion eines landesweiten Überblicks über alle wasserrechtlichen Erlaubnisse und Befugnisse nur eingeschränkt erfüllen. (399) In seiner Stellungnahme führt das Landwirtschaftsministerium aus, dass: „Die gerügten Defizite bei der Führung des Wasserbuches bestehen. Das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz hat die Wasserbehörden wiederholt angehalten, rückständige Eintragungen zu veranlassen. Es wird weiter darauf hinwirken. … Für den Fall, dass der unteren Wasserbehörde laufende Nutzungen hinreichend präzise bekannt sind, kann die Wasserbuchbehörde nach Vorlage der Nutzungsparameter diese Nutzungen von Amts wegen eintragen … Dies gilt auch für amtsbekannte öffentliche Trinkwasserentnahmen … Einer Anmeldung amtsbekannter Wasserrechte bedurfte es nicht, die Gefahr, dass diese alsbald erlöschen, besteht nicht.“ Bl. M-V S. 734). 155 3 Abschließender Hinweis des Landesrechnungshofes (400) Der Landesrechnungshof erwartet, dass die aufgezeigten Maßnahmen des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz und LUNG bei den unteren Wasserbehörden der Landkreise und der kreisfreien Städte umgesetzt werden, um künftig die vollständige Erhebung des Wasserentnahmeentgeltes und die zeitnahe Weiterleitung an das Land sicher zustellen. Die noch ausstehenden Wasserentnahmeentgelte sind umgehend zu vereinnahmen. Damit das Wasserbuch seiner Funktion eines landesweiten Überblicks über alle wasserrechtlichen Erlaubnisse und Befugnisse gerecht werden kann, sind die fehlenden Eintragungen nachzuholen. Die unteren Wasserbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte sind gehalten, das LUNG als wasserbuchführende Stelle entsprechend zu unterstützen. (401) Das Prüfungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. 156 5 Prüfung der Jugendhilfeplanung in Mecklenburg-Vorpommern Mit der Jugendhilfeplanung haben die Kreise und kreisfreien Städte als Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 80 Abs. 1 SBG VIII 1. den Bestand an Einrichtungen und Diensten festzustellen, 2. den Bedarf für einen mittelfristigen Zeitraum zu ermitteln und 3. die zur Befriedigung des Bedarfs notwendigen Vorhaben rechtzeitig und ausreichend zu planen. Alle örtlichen Jugendämter haben die Bedeutung der Jugendhilfeplanung als wichtiges Steuerungsinstrument erkannt. Bei allen Jugendämtern besteht in unterschiedlicher Ausprägung aber auch noch Optimierungspotenzial. Ziel sollte eine umfassende integrierte Jugendhilfeplanung sein. Weiterhin ist ein stärkeres Zusammenwirken mit dem überörtlichen Jugendhilfeträger bzw. dem Land dringend erforderlich. (402) Der Landesrechnungshof hat im Rahmen dieser Prüfung bei den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe das Aufstellungsverfahren, die Organisation und die Inhalte der Jugendhilfeplanungen nach § 80 SGB VIII untersucht. Er hat dabei auch abgefragt, inwieweit die örtlichen Jugendhilfeträger bei der Erfüllung dieser Aufgabe vom überörtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach ihrer Auffassung unterstützt werden bzw. Unterstützung für erforderlich halten. 1 Finanzielle Bedeutung der Jugendhilfeplanung auf örtlicher Ebene (403) Die Bruttoausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe sind in Mecklenburg-Vorpommern von 2009 bis 2012 kontinuierlich gestiegen und betrugen jährlich mehr als eine halbe Milliarde Euro. Tabelle 22: Ausgaben der Kinder- und Jugendhilfe in Mecklenburg-Vorpommern Jahr Ausgaben in TEuro 2009 517.903 2010 531.697 2011 557.303 2012 572.308 Quelle: Statistische Berichte “Erzieherische Hilfen, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte junge Menschen, Hilfen für junge Volljähri ge, sonstige Leistungen der Jugendhilfe sowie Ausgaben und Einnahmen in Mecklenburg-Vorpommern 2012“ des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern 157 (404) Auch vor dem finanziellen Hintergrund wird deutlich, wie wichtig ein umfassender und konsequenter Einsatz der Steuerungsinstrumentarien ist. Der Jugendhilfeplanung kommt eine hervorgehobene Bedeutung zu, da durch sie perspektivisch Entwicklungsziele und Handlungsbedarfe aufgezeigt werden. 2 Aufgabenwahrnehmung örtlicher Jugendhilfeträger (405) Die Fachkräfte in der Jugendhilfeplanung haben eine anspruchsvolle Aufgabe zu erfüllen. Nach § 80 Abs. 1 SGB VIII sind zunächst der Bestand der vorhandenen Einrichtungen und Dienste sowie der Bedarf in quantitativer und qualitativer Hinsicht zu ermitteln, um eine differenzierte Bewertung der IST-Situation der Jugendhilfeangebote vornehmen zu können. Für die Erstellung einer qualifizierten Jugendhilfeplanung benötigen die zuständigen Mitarbeiter insbesondere • umfassende Kenntnisse der Kinder- und Jugendhilfe und die Fähigkeit, Methoden empirischer Sozialforschung anzuwenden, • Sachverstand für die Sammlung und Aufbereitung von Datenmaterial, • die Kompetenz, komplexe Beteiligungsprozesse mit Trägern und Adressaten von Jugendhilfeangeboten zu gestalten und zu moderieren sowie • Überzeugungskraft für die Mitwirkung in der politischen Willensbildung und Unterstützung der Leitungskräfte. (406) Die meisten Jugendämter gaben an, unabhängig von der vorhandenen Qualifikation der jeweiligen Planer, einen zusätzlichen Qualifizierungsbedarf für die vielfältigen Aufgaben der Jugendhilfeplanungen zu sehen. Um den verschiedenen Funktionen der Jugendhilfeplanung gerecht zu werden und empirische Methoden der Sozialforschung anwenden zu können, muss der Aus- bzw. Fortbildungsbedarf regelmäßig erhoben und bedient werden (§ 72 Abs. 3 SGB VIII). (407) Der Landesrechnungshof hat festgestellt, dass alle örtlichen Jugendhilfeträger den Planungsprozess begonnen haben. Die einzelnen Jugendhilfeplanungen im Land befinden sich jedoch in unterschiedlichen Stadien der Bearbeitung. Während einige örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe bereits über aussagekräftige Planungen verfügen, haben andere noch keinen Teilbereich bzw. erst einzelne Teilbereiche überplant. 158 (408) Der Landesrechnungshof sieht bei allen örtlichen Trägern Potenzial für eine Verbesserung der Jugendhilfeplanungen. Dies betrifft insbesondere die Berücksichtigung qualitativer Aspekte und die Untersuchung der Hilfeangebote auf ihre Wirksamkeit hin. Er verkennt dabei nicht die Auswirkungen der Kreisgebietsreform, bei der ein (einfaches) Zusammenführen der einzelnen Planungen zu einer Gesamtplanung in den neuen Kreisen häufig nicht möglich war und der Planungsprozess komplett neu strukturiert werden musste. (409) Die Bedeutung der Jugendhilfeplanung als Steuerungsinstrument haben die örtlichen Jugendämter nach den Feststellungen des Landesrechnungshofes erkannt. Als Erschwernisse bei der Umsetzung der planerischen Aufgaben wurden vereinzelt schwierige Rahmenbedingungen bzw. ein mangelndes Grundverständnis für die Jugendhilfeplanung als kommunikativen Prozess sowie Probleme in der Zusammenarbeit mit dem Jugendhilfeausschuss benannt. Der Landesrechnungshof wertet die im Jahr 2013 erfolgten Stellenneubesetzungen und die damit einhergehenden Verbesserungen der Rahmenbedingungen bei mehreren örtlichen Jugendhilfeträgern jedoch als Indiz dafür, dass die Jugendhilfeplanung zunehmend als wichtige Aufgabe anerkannt wird. (410) Zur Sicherstellung bzw. Erreichung einer bedarfsgerechten Infrastruktur favorisiert der Landesrechnungshof für die Jugendhilfeplanung den integrierten Planungsansatz, d. h. einen Planungsansatz der verschiedene Planungsansätze (ziel-, bereichs-, sozialraum- und zielgruppenorientiert) einbezieht und berücksichtigt. Dadurch kann die Jugendhilfeplanung zum Bestandteil einer integrierten Sozialplanung werden. Einzelne örtliche Träger arbeiten bereits an einer integrierten Sozialplanung. Der Landesrechnungshof weist in diesem Zusammenhang auf die aus seiner Sicht wichtige Verknüpfung mit den Finanzen hin. Um den künftigen Herausforderungen gewachsen zu sein, hält er es für unabdingbar, dass die kreisfreien Städte und Landkreise langfristig auf eine integrierte Sozial- und Finanzplanung hinarbeiten. (411) Die Jugendhilfeplanung gehört zu den Aufgaben, mit denen sich der Jugendhilfeausschuss zu befassen hat. Da auch Vertreter freier Träger Mitglieder sind, haben diese die Möglichkeit auf die Jugendhilfeplanung einzuwirken. Insbesondere in Fällen, in denen die Förderung der Kinder- und Jugendhilfe im Rahmen der Jugendhilfeplanung neu geordnet werden soll, berichteten einige Jugendämter über Probleme in der Zusammenarbeit. Der Landesrechnungshof empfiehlt, entsprechend der guten Erfahrungen der meisten örtlichen Jugendhilfeträger, die Sitzungen des Jugendhilfeausschusses durch strukturierte und methodisch gut aufberei159 tete Unterlagen vorzubereiten und die angestrebten Ziele konsequent zu verfolgen. Notwendige Entscheidungen und aus Sicht der Verwaltung ggf. bestehende Entscheidungsspielräume müssen klar mit entsprechenden Begründungen unterlegt sein. 3 Zusammenwirken des örtlichen Jugendhilfeträgers mit dem überörtlichen Jugendhilfeträger bzw. dem Land (412) Dem überörtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe obliegen nach § 85 Abs. 2 SGB VIII Beratungs- und Unterstützungsaufgaben für die örtlichen Jugendhilfeplanungen. Der Landesjugendhilfeausschuss hat in seinen Standards zur Jugendhilfeplanung aus dem Jahr 2005 den Planungsprozess skizziert. Der Landesrechnungshof begrüßt, dass darin auch qualitative Standards angesprochen und insbesondere die Festlegung eines Evaluationsverfahrens gefordert wird. (413) Seit 2007 erheben die Jugendämter im Rahmen der vom Land begleiteten Integrierten Berichterstattung (nachfolgend IBM-V) Daten zur Sozialstruktur sowie interne Fachdaten. In regelmäßigen Abständen werden diese Daten für die Jugendämter selbst als auch in ihrer Gesamtheit durch die das Projekt begleitende und unterstützende Firma GEBIT 142 ausgewertet und den Beteiligten in detaillierter Form aufgearbeitet zur Verfügung gestellt. Mit der IBM-V ist es somit möglich, Veränderungen von Jugendhilfeleistungen im Zeitverlauf abzubilden und zu beobachten. Der Landesrechnungshof sieht in der Einführung der IBM-V einen wichtigen Beitrag zur Begründung qualifizierter jugendhilferechtlicher Entscheidungen auf örtlicher Ebene. Auch in den im Rahmen der IBM-V entwickelten Standards für die Fallarbeit und das Controlling sieht er eine wichtige Unterstützungsleistung für die örtliche Ebene. (414) Ungeachtet der voranstehenden Punkte, sieht es der Landesrechnungshof als unerlässlich an, dass der überörtliche Jugendhilfeträger die örtliche Ebene bei ihrer anspruchsvollen Aufgabe der Jugendhilfeplanung weitergehend unterstützt und sich stärker in seine übergeordnete Steuerungsfunktion im Rahmen der Jugendhilfeplanung einbringt. (415) Vergleicht man die Ergebnisse der Vorstudie zur integrierten Berichterstattung aus dem Jahr 2006 mit der heutigen Situation ergibt sich nach den Feststellungen des Landesrechnungshofes anhand der Erhebungen bei den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen dieser Prüfung folgendes Bild: 142 GEBIT Münster, Gesellschaft für Beratung sozialer Innovationen und Informationstechnologie mbH & Co. KG. 160 • Zur Personalsituation für die Jugendhilfeplanung kann festgehalten werden, dass derzeit zumindest bei jedem örtlichen Jugendhilfeträger explizit Personal dafür vorgehalten wird. • Es gibt keinen durch das Land bzw. den Kommunalen Sozialverband MecklenburgVorpommern gesteuerten fachlichen Diskurs zu überregionalen jugendhilfeplanerischen Strategien. Der Landesrechnungshof hält einen solchen Diskurs für unabdingbar, um beispielsweise durch fachliche Rahmenvorgaben die örtlichen Jugendhilfeträger in die Lage zu versetzen, ihre Jugendhilfeplanung im Kontext mit einer überörtlichen strategischen Ausrichtung aufzustellen und abzustimmen. • Der Stellenwert der Jugendhilfeplanung hat sich auf örtlicher Ebene deutlich erhöht, während er auf überörtlicher Ebene merklich zurückgegangen zu sein scheint. • Es fehlt eine überörtlichen Jugendhilfeplanung, die Angebote zur Deckung überörtlicher Bedarfe anregen und fördern müsste. • Es ist unabdingbar, weitere Rahmenbedingungen zu schaffen, die die örtlichen Jugendhilfeträger in die Lage versetzen, ziel- und zielgruppenorientiert zu planen. Bereits in vorhergehenden Prüfungen hat sich der Landesrechnungshof dafür ausgesprochen, eine Übersicht über alle Jugendhilfeeinrichtungen im Land zu erstellen, in der sowohl das Leistungsprofil als auch der Entgeltsatz abgebildet werden. Damit könnten sowohl die Angebotsstrukturen der örtlichen Jugendhilfeplanungen besser aufeinander abgestimmt als auch mehr Transparenz für Entgeltverhandlungen geschaffen werden. • Durch die IBM-V sind mehr steuerungsrelevante Daten (siehe Tz. 413) vorhanden, insbesondere dann, wenn die örtlichen Jugendhilfeträger, wie beschlossen, die IBM-V weiterführen und die Daten zeitnah und exakt einpflegen. • Die Generierung von kleinräumigen Daten (z. B. auf Ebene der kreisangehörigen Gemeinden) bereitet den örtlichen Jugendhilfeträgern immer noch Probleme. Das Angebot an überregionalen Fort- und Weiterbildungen im Bereich der Jugendhilfeplanung in Mecklenburg-Vorpommern wird von den örtlichen Jugendhilfeträgern als unzureichend erachtet. Der in der Vorstudie genannten Begründung, dass ein Fort- und Weiterbildungsbedarf u. a. wegen des unterschiedlichen Qualifizierungsstands der mit der Jugendhilfeplanung Betrau161 ten und verschiedener Rahmenbedingungen in den Jugendämtern nicht realisiert werden könne, vermag der Landesrechnungshof nicht zu folgen. Es ist gerade die Aufgabe von entsprechenden Angeboten, die Teilnehmenden so zu qualifizieren, dass sie zur Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben in der Lage sind. Insbesondere durch die neu besetzten Stellen für die Jugendhilfeplanung und die durch die Kreisgebietsreform entstandenen neuen Strukturen sieht der Landesrechnungshof die Notwendigkeit, entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen im Wege der Fort- und Weiterbildung anzubieten. (416) Die Landkreise und kreisfreien Städte erhoben keine Einwendungen gegen die Feststellungen des Landesrechnungshofes als solche bzw. erklärten ihre Zustimmung. Einige Landkreise äußerten sich im Rahmen der Prüfung bzw. in ihrer Stellungnahme zum Berichtsbeitrag dahingehend, dass im Rahmen des IBM-V eine einheitliche Datenerfassung und damit eine belastbare Vergleichbarkeit nicht ausreichend gewährleistet sei. Der Landesrechnungshof hält eine Datenerfassung nach einheitlichen Maßstäben für unabdingbar. Verbindliche Absprachen, die für eine Vergleichbarkeit der Daten dann auch tatsächlich umzusetzen sind, sind daher dringend erforderlich. Nur so kann Ziel und Zweck der IBM-V erreicht werden. (417) Das Prüfungsverfahren ist abgeschlossen. 162 6 Querschnittsprüfung der Personalwirtschaft in ausgewählten Ämtern In den Amtsverwaltungen besteht noch Potenzial für die Ausweitung der interkommunalen Zusammenarbeit, um die Effizienz des Verwaltungshandelns zu erhöhen. In der Amtspraxis wurde zu wenig beachtet, dass Aufgaben mit hoheitlichem Bezug in der Regel Beamten zu übertragen sind. Tätigkeitsdarstellungen und -bewertungen der Beschäftigten waren nicht in allen Ämtern vollständig vorhanden. Der Landesrechnungshof empfiehlt dem jeweils zuständigen Landkreis als Rechtsaufsichtsbehörde, bei künftigen Prüfungen Schwerpunkte auf diese beiden Themen zu legen. In Einzelfällen wurde gegen Besoldungs- und Tarifrecht verstoßen. Die Personalakten wiesen vielfältige Mängel auf. Daher empfiehlt der Landesrechnungshof, dass die Ämter – gegebenenfalls mit Unterstützung der Landkreise – Bestimmungen zur Bearbeitung und Führung von Personalakten treffen. Obwohl die Voraussetzungen dafür vorlagen, wurde entgegen gesetzlicher Regelungen in einigen Ämtern kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt. (418) Der Landesrechnungshof hat in einer Querschnittsprüfung nach § 5 Satz 2 PG M-V die Personalwirtschaft in den Amtsverwaltungen geprüft. Diese Prüfung soll auch als Hilfsmittel verstanden werden, um Kommunen und Aufsichtsbehörden Hinweise auf mögliche Fehlentwicklungen zu geben. In die Prüfung sind zwölf Ämter143 – jeweils zwei Ämter aus jedem Landkreis – einbezogen worden. Dies sind die Ämter Altenpleen, Am Peenestrom, Bützow-Land, Gadebusch, Ludwigslust-Land, Rehna, Malchow, Neustadt-Glewe, Neverin, Nord-Rügen, Tessin und UsedomNord. In sieben der zwölf Ämter sind leitende Verwaltungsbeamte bestellt worden. Die anderen fünf Ämter hatten einen hauptamtlichen Bürgermeister, der Rechte und Pflichten eines leitenden Verwaltungsbeamten des Amtes hat. Das kleinste der Ämter hatte 6.641 Einwohner und das größte Amt hatte 16.154 Einwohner zum 31.12.2012. Der Prüfungszeitraum umfasste im Wesentlichen die Haushaltsjahre 2012 bis 2013. 143 Von 78 Ämtern zu Beginn der örtlichen Erhebungen 163 1 Personalplanung 1.1 Stellenpläne (419) Im Auftrag des Innenministeriums erarbeitete im Jahr 2006 die Kommunalberatung und Service GmbH Musterstellenpläne für Amtsverwaltungen in Mecklenburg-Vorpommern. Diese weisen für einzelne Sachgebiete auch Teilzeitstellen aus. Aufgabenbereiche von unter einer halben Stelle sind dabei nicht ermittelt worden. Dennoch haben drei Ämter in ihren Stellenplänen Stellen mit Bruchteilen von weniger als einer halben Stelle dargestellt. Diese geringen Stellenbruchteile für einzelne Aufgaben dokumentieren zum Einen das große Spektrum der Aufgaben im Amt und zum Anderen die Kleinteiligkeit der Aufgabenerledigung in Ämtern mit geringen Fallzahlen. Die Kleinteiligkeit der Aufgaben könnte im Einzelfall einer effizienten Sachbearbeitung entgegenstehen. Eine Handlungsoption für die Ämter, ihre Leistungen zu erbringen und die Aufgaben zu erfüllen, besteht in der interkommunalen Zusammenarbeit. In den geprüften Ämtern gab es erste Ansätze dafür: So existiert z. B. eine gemeinsame Wohngeldstelle eines Amtes mit einer Stadt und ein anderes Amt arbeitet mit einer größeren Stadt auf dem Gebiet des Standesamtes zusammen. Dieses Amt benötigt daher keine eigenen Standesbeamten. Beide aufgezeigten Beispiele erhöhen im Vergleich zu einer getrennten Aufgabenwahrnehmung die Effizienz des Verwaltungshandelns. Der Landesrechnungshof sieht – auch vor dem Hintergrund der für Mecklenburg-Vorpommern prognostizierten sinkenden Einwohnerzahlen – noch Potenzial für eine Ausweitung der interkommunalen Zusammenarbeit. 1.2 Planstellen für Beamte (420) Der Schwerpunkt der Aufgabenstellung des öffentlichen Dienstes hat sich zwar, vom Umfang her gesehen, weitgehend auf die Daseinsvorsorge (Teil der Leistungsverwaltung) verlagert, den Kernbereich bildet jedoch nach wie vor die sogenannte Eingriffsverwaltung. In beiden Bereichen steht der Vollzug der Gesetze im Mittelpunkt, die in der Eingriffsverwaltung Befugnisse für Maßnahmen hoheitsrechtlicher Art verleihen. Das Verfassungsrecht sieht vor, dass diese Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Beamten zu übertragen sind (Funktionsvorbehalt für Beamte). Dies gilt auch für den kommunalen Bereich. 164 Die Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern schreibt vor, dass die Funktion des leitenden Verwaltungsbeamten durch Beamte wahrzunehmen ist. Diese Dienstposten sind in den betroffenen Ämtern Altenpleen, Gadebusch, Ludwigslust-Land, Neverin, Nord-Rügen, Rehna und Usedom-Nord auch entsprechend mit Beamten besetzt. Auffällig ist, dass im Übrigen der Funktionsvorbehalt für Beamte in der Praxis wenig Beachtung findet. Die Besetzung der Dienstposten, die von der Sache her überwiegend hoheitlich ausgestaltet sind, mit verbeamtetem Personal ist sehr zurückhaltend. In drei von sieben Ämtern sind neben dem leitenden Verwaltungsbeamten keine weiteren Planstellen für Beamte ausgewiesen. Zwei der fünf Ämter mit hauptamtlichem Bürgermeister weisen keine einzige Planstelle für Beamte aus. Damit ist dem in der Verfassung festgelegten Funktionsvorbehalt für Beamte in der Verwaltungspraxis der Ämter nicht genügend Rechnung getragen. Der Landesrechnungshof hält es für notwendig, dass die Ämter diese Praxis mittelfristig umstellen. Er schließt sich insofern den Empfehlungen des Ministeriums für Inneres und Sport zum Funktionsvorbehalt für Beamte144 an und empfiehlt den Landkreisen als Rechtsaufsichtsbehörden, bei künftigen Prüfungen einen Schwerpunkt auf dieses Thema zu legen. 1.3 Tätigkeitsbeschreibungen und -bewertungen (421) Durch die Tätigkeitsdarstellung und -bewertung wird der Nachweis geführt, dass der jeweilige Beschäftigte einen tariflichen Anspruch auf Zahlung nach einer bestimmten Entgeltgruppe hat, der Arbeitgeber also zur Zahlung verpflichtet ist. Die Tätigkeitsdarstellung und -bewertung zählen zu den zahlungsbegründenden Unterlagen. Zur Feststellung der Bewertung der Arbeitsplätze ist es erforderlich, die auszuübenden Tätigkeiten in einer Tätigkeitsdarstellung zu beschreiben, ihren prozentualen Anteil an der Gesamtarbeitszeit festzulegen und die Anforderungen an die auszuübenden Tätigkeiten den einzelnen tariflichen Tätigkeitsmerkmalen zuzuordnen. Tätigkeitsbeschreibungen und -bewertungen waren nur in drei Ämtern vollständig und auf einem aktuellen Stand vorhanden. In den übrigen Ämtern war die Bandbreite der Feststellungen groß: So fehlte z. B. einerseits in einigen Ämtern nur die Aktualisierung einzelner Tätigkeitsbe- 144 Vom Innenministerium am 5. September 2013 an die Ämter und amtsfreien Gemeinden gerichteten „Empfehlungen zur Umsetzung des verfassungsrechtlich verankerten Funktionsvorbehalts“. 165 schreibungen oder -bewertungen, andererseits gab es in einem Amt kaum Bewertungen, obwohl die Tätigkeitsbeschreibungen vollständig vorlagen. Der Landesrechnungshof hält es aufgrund des Prüfungsergebnisses grundsätzlich für notwendig, dass die Ämter der Vollständigkeit und der Aktualität der Tätigkeitsdarstellungen und -bewertungen zukünftig eine besondere Aufmerksamkeit widmen. Er empfiehlt den Landkreisen als Rechtsaufsichtsbehörden, bei künftigen Prüfungen einen Schwerpunkt auf dieses Thema zu legen. 2 Einhaltung von Vorschriften zur Besoldung und Vergütung 2.1 Zeitpunkt der Zahlung der Bezüge (422) Nach den besoldungsrechtlichen Vorschriften sind Dienstbezüge monatlich im Voraus zu zahlen. In einem Amt haben alle Beamten ihre Besoldung nicht zum Ersten, sondern erst zum Fünften bzw. in einem Fall zum Ende des laufenden Monats erhalten. Die Verwaltung begründete dies mit der Vermeidung der notwendigen Rechnungsabgrenzung zum Jahresende in der Doppik. Der Landesrechnungshof erwartet, dass das Amt die rechtswidrige Praxis seiner Bezügezahlung unverzüglich beendet. 2.2 Tarifgerechte Vergütung (423) Entsprechend dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (Bund und Kommunen) (TVöD) erhält der Tarifbeschäftigte monatlich ein bestimmtes Entgelt. Dessen Höhe bestimmt sich maßgeblich nach der Entgeltgruppe. Wie bereits geschildert (siehe Tz. 421), ist für die Festlegung der Entgeltgruppe die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit entscheidend. Nach Umstrukturierungen aufgrund von Ämterfusionen gibt es in zwei Ämtern zum Teil „personengebundene“ Eingruppierungen. Entgegen einer niedriger bewerteten und ausgeübten Tätigkeit wird – seit mehr als sechs Jahren – das höhere Entgelt aus der früheren Tätigkeit weiter gezahlt. Eines dieser Ämter schreibt mit einer Dienstvereinbarung von August 2013 ein entsprechendes Vorgehen für die Zukunft fest, um die konkret von Herabgruppierung bedrohten Beschäftigten von den Folgen eines zurzeit durchgeführten Bewertungsverfahrens auszunehmen. 166 Ein Amt vergütete zwei Tarifbeschäftigte im Widerspruch zu den vorgenommenen Eingruppierungen für die ausgeübten Tätigkeiten eine Entgeltgruppe niedriger. In zwei weiteren Ämtern erhielten Tarifbeschäftigte während der Probezeit ebenfalls eine Vergütung nach der nächst niedrigeren Entgeltgruppe als die, die sich nach der Eingruppierung für die Ausübung der Tätigkeit ergeben hatte. Der Landesrechnungshof rät dringend dazu, diese tarifrechtswidrige Praxis umgehend abzustellen. Er weist weiterhin mit Nachdruck darauf hin, dass eine Dienstvereinbarung geltendes Tarifrecht nicht aufheben kann. 3 Personalaktenführung (424) In der Personalwirtschaft versteht man unter dem Begriff „Personalakte“ eine Sammlung von personenbezogenen Daten. Diese Daten betreffen die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse der Beschäftigten, die mit dem Arbeitsverhältnis/Dienstverhältnis in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang stehen. Die Personalakten dienen der Personalverwaltung und der Personalbewirtschaftung. Nach dem Beamtenrecht ist für jeden Beamten eine Personalakte zu führen. Auch das Tarifrecht setzt die Führung von Personalakten voraus. Beide enthalten jedoch keine detaillierten Vorgaben zum Inhalt von Personalakten. Es gibt gleichwohl Orientierungshilfen, u. a. vom Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Mecklenburg-Vorpommern145, die als Handlungsanleitung für die personalbearbeitenden Stellen im öffentlichen Dienst geeignet sind. Der Landesrechnungshof hat in den zwölf Ämtern insgesamt 225 von 382 Personalakten eingesehen. Die Auswahl der Personalakten erfolgte grundsätzlich nach Zuständigkeiten, um eine Vergleichbarkeit zwischen den Ämtern herzustellen. So wurden beispielsweise Personalakten von Beschäftigten aus den Bereichen Personal, Personenstandswesen/Standesamt sowie Bauund Ordnungsamt für die Einsichtnahme ausgewählt. Die eingesehenen Personalakten wiesen u. a. folgende Mängel auf: 145 Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit Mecklenburg-Vorpommern (2011): Personalakten und Personalaktendaten. 167 • Ein großer Teil der Personalakten gab nicht den aktuellen Stand wieder. Die Personalakten waren oft sehr unübersichtlich geführt, chronologisch ungeordnet und dadurch schwer nachvollziehbar. • In der Regel waren die Personalakten kaufmännisch (neuestes Dokument wird vorgeheftet) und nicht nach dem Behördenprinzip (Amtsheftung, neuestes Dokument wird nachgeheftet) geordnet. • In einigen Personalakten fehlten die Personalbögen der Beschäftigten. • In mehreren Fällen befanden sich veraltete Personalbögen in den Akten. • In den Personalakten fehlten oft die Ausbildungs-/ Qualifikationsnachweise. • In mehreren Fällen fehlten Nachweise über Höhergruppierungen. • In einigen Fällen waren Unterlagen zur Überleitung von Tarifbeschäftigten nach dem „Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes und zur Regelung des Übergangsrechts“ nicht in den jeweiligen Personalakten enthalten. • In vielen Fällen fehlte bei Beamten das Vereidigungsprotokoll. Außer in einem Amt waren die Personalakten nicht mit durchlaufenden Blattzahlen versehen. Der Landesrechnungshof weist darauf hin, dass eine Nummerierung der Aktenblätter zwar nicht zwingend vorgeschrieben ist, aber eine einfache und sichere Methode sein kann, um die zu gewährleistende Vollständigkeit der Personalakten sicherzustellen. Aufgrund der vielfältigen bei seiner Einsichtnahme in die Personalakten festgestellten Mängel hält es der Landesrechnungshof für erforderlich, dass die Ämter organisatorische Regelungen zur Bearbeitung und Führung von Personalakten treffen. Hierzu könnten die Landkreise als zuständige Rechtsaufsichtsbehörden eine geeignete, besonders an den Bedürfnissen der Amtsverwaltungen orientierte Handreichung zur Verfügung stellen. 4 Betriebliches Eingliederungsmanagement (425) Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist seit dem 01.05.2004 im Sozialgesetzbuch verankert. Es gilt für Beschäftigte, die insgesamt mehr als sechs Wochen innerhalb von zwölf Monaten arbeitsunfähig sind. Ziel der Regelung ist es, die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der betroffenen Beschäftigten so schnell wie möglich wieder herzustellen. 168 (426) Um festzustellen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für ein BEM vorliegen, ist es notwendig zu erfassen, wie lange die Beschäftigten erkrankt sind. Der Landesrechnungshof hat deshalb die Erhebung und Auswertung von Arbeitsunfähigkeitszeiten infolge von Krankheiten in den Personalstellen geprüft. In drei Ämter erfolgt die Erhebung und Auswertung von Arbeitsunfähigkeitszeiten infolge von Krankheit nicht im ausreichenden Maße. Der Landesrechnungshof empfiehlt den betroffenen drei Ämtern, Übersichten zu den Krankheitstagen so zu führen, dass diese für das BEM genutzt werden können. Er weist allgemein darauf hin, dass die ununterbrochene bzw. wiederholte Arbeitsunfähigkeit von sechs Wochen „innerhalb eines Jahres“ unabhängig vom Kalenderjahr erkennbar sein muss. (427) Weiter stellte der Landesrechnungshof fest, dass einige Ämter – trotz Überschreitung der sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit – keine Initiative für ein BEM ergriffen haben. Auf Nachfrage wurde erklärt, dass formale Aktivitäten nicht eingeleitet worden seien, weil man die Mitarbeiter und deren persönliche Situation „ja kenne“. Trotzdem hätten die Amtsverwaltungen aktiv werden müssen, denn langzeiterkrankten Beschäftigten ist nach den sozialrechtlichen Vorschriften verpflichtend ein BEM anzubieten. Künftig sollten die betroffenen Ämter in den Fällen, in denen die gesetzlichen Vorgaben es erfordern, ein BEM durchführen. (428) Elf der zwölf geprüften Ämter hatten nach Auskunft der Bürgermeister bzw. leitenden Verwaltungsbeamten keine Bestimmungen – insbesondere keine Verfahren – für das BEM festgelegt. Ein Amt hingegen hat im Jahr 2013 eine Dienstvereinbarung zum BEM mit dem Personalrat abgeschlossen. Diese Dienstvereinbarung trifft u. a. nähere Bestimmungen zum Verfahren, zur Vertraulichkeit und zum Datenschutz im Verfahren. Soweit die Ämter bisher noch keine Rahmenbedingungen festgelegt haben, sollten sie zumindest Regelungen zum Verfahren des BEM treffen. Da hierbei die Interessenvertretung ohnehin zu beteiligen ist, erscheint eine Dienstvereinbarung als ein zweckmäßiges Instrument, um geeignete Regelungen festzuschreiben. 5 Personalentwicklungskonzepte (429) Eine sorgfältige und umfassende Personalentwicklung ist auch für die Amtsverwaltungen unverzichtbar. Die demographische Entwicklung macht sich besonders in den Amtsverwaltungen mit ihren vielfältigen Aufgaben bemerkbar. Trotz verminderter Einwohnerzahl und da169 mit in aller Regel auch verminderten Einnahmen des Amtes muss eine bestimmte Infrastruktur aufrechterhalten werden. Damit steigen die Anforderungen an die Beschäftigten. Die Nachwuchsgewinnung – insbesondere (aber nicht nur) in geographisch ungünstig gelegenen Ämtern und für besonders kleine Amtsverwaltungen mit nur wenigen Aufstiegsmöglichkeiten – wird gleichzeitig zunehmend schwieriger. Lediglich in vier Ämtern lagen schriftliche und aktuelle Personalentwicklungskonzepte vor. In den übrigen acht Ämtern existierten veraltete Personalentwicklungskonzepte bzw. Vorstufen von Personalentwicklungskonzepten. Der Landesrechnungshof empfiehlt die Aktualisierung der veralteten Personalentwicklungskonzepte sowie die Weiterentwicklung der bereits bestehenden Vorstufen zu Personalentwicklungskonzepten. Ein schriftliches und aktuelles Personalentwicklungskonzept schafft Transparenz für alle Mitarbeiter, erleichtert die Einbindung der Gremien und gibt Planungssicherheit auch für die Amtsverwaltung selbst. 6 Qualifizierung des Personals (430) Fortbildungskonzepte bzw. Fortbildungsübersichten in Personalentwicklungskonzepten dienen nicht nur der Unterstützung von Entscheidungsprozessen in der Verwaltung des Amtes, sondern ebenfalls zur Information der Beschäftigten und machen Entscheidungen in diesem Bereich nachvollziehbar und transparent. Zu ihren Inhalten gehören in der Regel Ausführungen zur Ermittlung des Fortbildungsbedarfs in Bezug auf gegenwärtige und zukünftige Aufgaben, zur Auswahl der Beschäftigten und zur Planung entsprechender Angebote. Auch die Tarifvertragsparteien haben der Fortbildung einen hohen Stellenwert eingeräumt, indem sie das Qualifizierungsgespräch im TVöD festgeschrieben haben. Aus den geprüften Personalakten war erkennbar, dass die Beschäftigten der Ämter regelmäßig und fachspezifisch fortgebildet wurden. Für einzelne Bereiche gab es z. T. Planungen zur Fortbildung des Personals oder es wurden Fortbildungsbedarfe abgefragt. Gesonderte Fortbildungskonzepte hatte jedoch kein Amt. Der Landesrechnungshof regt an, dass die Ämter Fortbildungskonzepte erarbeiten bzw. die Thematik Fortbildung schwerpunktmäßig in ihren Personalentwicklungskonzepten berücksichtigen, um Entscheidungsprozesse nachhaltig zu unterstützen und ihre Beschäftigten gezielt zu informieren. 170 (431) Zur Unterstützung von Entscheidungsprozessen und zur Information der Beschäftigten dient es gleichfalls, wenn für besonders aufwändige Fortbildungen – etwa berufsbegleitende Fortbildungen zum Verwaltungsfachwirt, zum Verwaltungsbetriebswirt oder mit dem Abschluss Verwaltungs-Diplom – Interessenbekundungsverfahren durchgeführt werden. Sie können auch Gegenstand einer gesonderter Dienstvereinbarung sein. Hierfür gab es Beispiele in einzelnen Ämtern, die der Landesrechnungshof den anderen Ämtern zur Orientierung empfiehlt. (432) Das Prüfungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. 171 V. Prüfung kommunaler Beteiligungen 1 Kommunale Mikrogesellschaften Die Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern sind vielfach Gesellschafter von GmbHs, deren Geschäftstätigkeit nur geringen Umfang annimmt. In der langfristigen Betrachtung haben diese Mikrogesellschaften für die kommunalen Gesellschafter immer wieder Haushaltsbelastungen durch Zuschüsse zum Verlustausgleich oder Vermögenseinbußen durch den Verzehr des eingebrachten kommunalen Vermögens zur Folge. Regelmäßig steht der Aufwand für Geschäftsführung, Buchhaltung, Steuerberatung und Jahresabschlussprüfung nicht im angemessenen Verhältnis zu den Umsatzerlösen oder zu den Erträgen. (433) Nach § 267 a Handelsgesetzbuch (HGB) überschreitet eine Mikrogesellschaft bei mindestens zwei von drei Kennzahlen eine bestimmte Größe nicht: • 350.000 Euro Bilanzsumme, • 700.000 Euro Umsatzerlöse im letzten Geschäftsjahr oder • 10 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt. Verschiedene kommunale Mikrogesellschaften bleiben noch deutlich unter diesen bescheidenen Größenordnungen. Diese Mikrogesellschaften sind regelmäßig eine vergleichsweise kostenintensive und unwirtschaftliche Form kommunaler wirtschaftlicher Betätigung. Über kommunale Mikrogesellschaften hat der Landesrechnungshof bereits mit dem Kommunalfinanzbericht 2012146 und 2013147 informiert. Diese Berichterstattung soll mit zwei weiteren Beispielen fortgesetzt werden. 1 Kommunale Hafengesellschaft (434) Die H-GmbH bewirtschaftet drei kommunale Binnenhäfen. Sie erwirtschaftet ihre Umsatzerlöse vorwiegend mit Verlade- und Umschlagsarbeiten sowie sonstigen Hafendienstleistungen. Die Bilanzsumme belief sich zum 31.12.2012 auf rd. 160.000 Euro (rd. 46 Prozent der 146 147 Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2012 – Teil 1 – Kommunalfinanzbericht 2012, Tzn. 368-384. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2013 – Teil 1 – Kommunalfinanzbericht 2013, Tzn. 327-343. 173 Kenngröße des § 267 a HGB), zum 31.12.2013 auf rd. 155.000 Euro (rd. 44 Prozent der Kenngröße). Im Geschäftsjahr 2012 erzielte die Gesellschaft Umsatzerlöse in Höhe von rd. 163.000 Euro (rd. 23 Prozent der Kenngröße), in 2013 nur noch in Höhe von rd. 115.000 Euro (rd. 16 Prozent der Kenngröße). Im Jahresdurchschnitt beschäftigte die Gesellschaft durchschnittlich zwei Mitarbeiter (ohne Geschäftsführung; 20 Prozent der Kenngröße). (435) Im Geschäftsjahr 2013 erwirtschaftete die H-Gesellschaft im operationellen Geschäft einen Verlust von rd. 4.000 Euro. Durch Einmaleffekte wie die Veräußerung von Anlagevermögen konnte die Gesellschaft einen Jahresüberschuss von knapp 600 Euro verzeichnen. In 2012 erzielte die Gesellschaft einen Jahresüberschuss von rd. 6.000 Euro. In den Vorjahren hatte die Gesellschaft ganz überwiegend Verluste erwirtschaftet. Die Verlustvorträge aus den Geschäftsjahren 1993 bis 2007 in Höhe von rd. 509.000 Euro wurden gemäß Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 06.06.2013 durch Entnahme aus der Kapitalrücklage gedeckt. Die Jahresfehlbeträge 2008 bis 2012 in Höhe von insgesamt rd. 72.000 Euro hat die H-GmbH weiter vorgetragen. (436) Für die Nutzung des im Eigentum der Gesellschafterin stehenden Hafengebiets hat die Gesellschaft 2013 Pacht in Höhe von rd. 5.800 Euro entrichtet. Dem stehen Zahlungen der Gesellschafterin an die H-GmbH für gemäß Geschäftsbesorgungsvertrag erbrachte Dienstleistungen in Höhe von rd. 12.000 Euro gegenüber. Die Gesellschaft hat die Buchführung extern vergeben. In steuerlichen und rechtlichen Angelegenheiten nimmt die Gesellschaft ebenfalls externen Sachverstand in Anspruch. In 2013 entstand für Buchführung, Rechts- und Steuerberatung sowie die Jahresabschlussprüfung Aufwand in Höhe von insgesamt rd. 5.200 Euro. (437) Würde die kommunale Gesellschafterin ihren Hafen im Hoheitshaushalt bewirtschaften, so entfielen diese Aufwendungen entweder ganz oder aufgrund degressiver Effekte teilweise. Dies gilt auch für den Aufwand der Gesellschafterin aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag mit der Gesellschaft (nach Abzug der Pachteinnahmen rd. 6.200 Euro (2013)). 2 Kommunale Wirtschaftsfördergesellschaft (438) Die kommunale Wirtschaftsfördergesellschaft W-GmbH betreibt und verwaltet ein Existenzgründerzentrum. Zu ihrem Geschäftsbereich gehört neben der Mieterakquisition und -bindung und der technischen Verwaltung des Existenzgründerzentrums auch die Beratung von Existenzgründern einschließlich der Durchführung von Existenzgründerseminaren. 174 (439) Im Geschäftsjahr 2012 erzielte die W-GmbH Umsatzerlöse in Höhe von rd. 152.000 Euro (rd. 22 Prozent der Kenngröße). Wird die Gewinn- und Verlustrechnung um die nicht zahlungswirksamen Erträge aus der Auflösung eines Sonderpostens für Investitionszuschüsse in Höhe von rd. 80.000 Euro bereinigt, so ergibt sich für 2012 ein Jahresfehlbetrag von rd. 77.000 Euro. Um Liquiditätsengpässe zu vermeiden, erhält die Gesellschaft von ihren kommunalen Gesellschaftern regelmäßig Zuschüsse (2012: Liquiditätszuschuss 63.000 Euro). Die W-GmbH wird auch zukünftig zur Sicherung ihres Fortbestands auf Zuschüsse ihrer Gesellschafter angewiesen sein. (440) Die W-GmbH hat die Buchführung extern vergeben. In rechtlichen Angelegenheiten nimmt die Gesellschaft ebenfalls externen Sachverstand in Anspruch. Einschließlich der Abschluss- und Prüfungskosten entstand in 2012 hierfür Aufwand in Höhe von rd. 8.000 Euro. Diese Aufwendungen entfielen entweder zur Gänze oder zumindest teilweise, wenn das Existenzgründerzentrum im Hoheitshaushalt der kommunalen Mehrheitsgesellschafterin bewirtschaftet werden würde. 3 Kontroll- und Steuerungsdefizite bei Mikrogesellschaften (441) Die Gesellschafter-Gemeinden der Mikrogesellschaften verfügen im Regelfall entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung (§ 75 a KV M-V) im Allgemeinen über kein bzw. kein effektives Beteiligungsmanagement. Nach Einschätzung des Landesrechnungshofes scheuen die Gemeinden den hiermit verbundenen beträchtlichen Personalaufwand. Dementsprechend fehlt es nach den Prüfungserfahrungen des Landesrechnungshofes beispielsweise auch an einem funktionierenden unterjährigen Berichtswesen. Auch die bei Mikrogesellschaften häufig durchgeführten Ersatz- oder zusammenhängenden Abschlussprüfungen tragen erheblich dazu bei, dass den kommunalen Gesellschaftern halbwegs aktuelle und belastbare Informationen zur Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage in der Regel fehlen. Schon aus diesem Grunde unterliegen kommunale Mikrogesellschaften im Allgemeinen keiner ausreichenden Kontrolle und Steuerung durch ihre kommunalen Gesellschafter. Hierdurch entstehen in beträchtlichem Ausmaße Risiken für deren Haushalte und für das in den Gesellschaften gebundene kommunale Vermögen. 4 Stellungnahme des Innenministeriums (442) Das Innenministerium hat mitgeteilt, die vom Landesrechnungshof genannten Beispiele ließen die allgemeine Einschätzung nicht zu, dass kommunale Mikrogesellschaften regelmäßig 175 eine unwirtschaftliche Form der wirtschaftlichen Betätigung seien. Zwar seien die Kommunen gehalten, die Rechtsform für ihre Betätigung auch mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit laufend zu überprüfen. Letztlich müssten die Kommunen im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums selbst entscheiden, welche Rechtsform für ihre wirtschaftliche Betätigung vorzugswürdig sei. Hierzu merkt der Landesrechnungshof an, dass die im Kommunalfinanzbericht 2012 (Tzn. 368 ff.), im Kommunalfinanzbericht 2013 (Tzn. 327 ff.) und in diesem Bericht vorgestellten sieben kommunalen Mikrogesellschaften unstreitig keine wirtschaftliche unternehmerische Betätigung der Kommunen sind. Diese Beispielfälle sind so zahlreich, dass aus ihnen allgemeine Schlussfolgerungen gezogen werden können. 5 Folgerungen und Empfehlungen (443) Der Landesrechnungshof empfiehlt, dass die Kommunen regelmäßig überprüfen, ob sie sich weiterhin in Mikrogesellschaften wirtschaftlich betätigen sollten. Insbesondere sollte hierbei geprüft werden, ob auch die gesetzlichen Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Betätigung in einer Gesellschaft privaten Rechts (§§ 69 Abs. 1 Nr. 1, 68 Abs. 2 Satz 1 KV M-V) er füllt sind. Je nach den Umständen des Einzelfalls wird eine Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe im Hoheitshaushalt, eine Liquidation der Gesellschaft und Verpachtung der zuvor von der Gesellschaft bewirtschafteten Einrichtung oder eine Veräußerung der Gesellschaft und/oder der Einrichtung in Betracht kommen. 176 2 Geschäftliche Beziehungen zwischen kommunalen Wirtschaftsbetrieben und Mitgliedern von Überwachungs- und Kontrollorganen Geschäftsbeziehungen zwischen kommunalen Unternehmen und Mitgliedern ihrer Aufsichtsorgane sind weit verbreitet. Der Landesrechnungshof hat bei der laufenden Auswertung der Jahresabschlussprüfungsberichte erneut zahlreiche Verflechtungen aufgedeckt. Nach teilweise wiederholten Beanstandungen seitens des Landesrechnungshofes lösten sich in einigen Fällen die Interessenkonflikte. Tendenziell verzichteten die Aufsichtsratsmitglieder eher auf ihr Mandat als auf die lukrativen Geschäfte mit dem Unternehmen. (444) Dem Landesrechnungshof obliegt die Aufgabe, die von den Abschlussprüfern verfassten Berichte über die Jahresabschlussprüfung kommunaler Wirtschaftsbetriebe zu prüfen. Die jährliche Prüfungspflicht und das Verfahren zur Jahresabschlussprüfung sind in Abschnitt III des KPG M-V geregelt. Der Landesrechnungshof gibt den Abschlussprüfern spezielle Prüfungsschwerpunkte vor, die er neben zukunftsorientierten Grundsätzen, Standards, Regelungen und Hinweisen regelmäßig in Rundschreiben veröffentlicht und in seinem Grundwerk zusammenfasst. (445) Zu Schwerpunkten der Jahresabschlussprüfung hatte der Landesrechnungshof seit 2008 die Geschäfte kommunaler Unternehmen mit Aufsichtsratsmitgliedern, Mitgliedern der Kommunalvertretung und sonstigen der Gesellschaft nahestehenden Personen sowie die Einhaltung vergaberechtlicher Bestimmungen erklärt. In Fällen, in denen Mitglieder von Aufsichtsgremien geschäftliche Beziehungen zu dem prüfungspflichtigen Unternehmen unterhalten, die über den Bezug von Leistungen der Daseinsvorsorge zu Konditionen, wie sie auch Dritten angeboten werden, hinaus gehen, kann grundsätzlich nicht mehr davon ausgegangen werden, dass sie ihre Überwachungs- und Beratungspflichten unabhängig und pflichtgemäß wahrnehmen. Diese Interessenkollisionen können etwa auftreten, wenn das Unternehmen mit einem Mitglied des Aufsichtsrats Verträge über Ein- oder Verkauf von Leistungen oder Gütern schließt, beispielsweise wenn ein kommunales Wohnungsunternehmen Immobilien an Mitglieder des Aufsichtsrats veräußert. Um mögliche Verflechtungen aufzuzeigen, erwartet der Landesrechnungshof, dass die Geschäftsführung von den Mitgliedern der Aufsichtsorgane jährlich zum 01.01. die 177 Abgabe einer Erklärung zu den geschäftlichen Beziehungen einholt (Grundwerk, Stand: 22. Juli 2014, Abschnitt A Ziffer 26). (446) Mit den Erklärungen zu den vertraglichen Beziehungen zwischen Mitgliedern der Aufsichtsorgane und den kommunalen Unternehmen hat der Landesrechnungshof seit einigen Jahren positive Erfahrungen gemacht. Ohne Verpflichtung zur Erklärung der geschäftlichen Beziehungen zum kommunalen Unternehmen blieben viele Sachverhalte unerkannt. Somit sind die Erklärungen ein wirksames Mittel zur Aufdeckung von Überschneidungen persönlicher Interessen und kommunaler Unternehmensinteressen. Vermeidung und Beseitigung derartiger Verquickungen liegen in der Verantwortung der jeweiligen Aufsichtsratsmitglieder, der Geschäftsführungen und der kommunalen Gesellschafter. 1 Feststellungen des Landesrechnungshofes (447) Es war wiederholt zu beobachten, dass die Geschäftsbeziehungen mit dem Aufsichtsratsmitglied trotz Beanstandungen des Interessenkonflikts durch den Landesrechnungshof – beispielsweise im Rahmen der Freigabe der Jahresabschlussprüfungsberichte – über viele Jahre hinweg fortgesetzt werden. In verschiedenen Fällen, über die der Landesrechnungshof in früheren Kommunalfinanzberichten berichtet hatte, wurde der Konflikt teilweise erst nach längerer Zeit durch Niederlegung des Aufsichtsratsmandats gelöst. Der Landesrechnungshof verweist im Einzelnen auf die nachfolgenden Tzn. 449 bis 453. (448) Bei der Auswertung der Erklärungen von Mitgliedern der Aufsichtsgremien kommunaler Unternehmen für das Geschäftsjahr 2012 wurden erneut in größerer Anzahl wirtschaftliche Verflechtungen zwischen Mitglied und Unternehmen aufgedeckt. Hier zeigen 11 Kurzbeispiele signifikante Fallgestaltungen derartiger Verflechtungen, zunächst drei Sachverhalte, in denen nach Beanstandung durch den Landesrechnungshof keine Konsequenzen erkennbar sind, danach acht Fälle, in denen die notwendigen Konsequenzen gezogen wurden. Im Einzelnen verweist der Landesrechnungshof auf die Tzn. 454 bis 464. 178 2 Weitere Entwicklung von Fällen aus früheren Kommunalfinanzberichten (449) Bereits in seinen Kommunalfinanzberichten 2012148 und 2013149 hat der Landesrechnungshof über den folgenden Fall berichtet. Eine kommunale Wohnungsgesellschaft hat über mehrere Jahre Aufträge an den Elektrobetrieb des Sohnes des Aufsichtsratsvorsitzenden erteilt. Das Auftragsvolumen lag im fünfstelligen Bereich (2010: rd. 26.300 Euro, 2011: rd. 17.600 Euro, 2012: rd. 20.600 Euro). Auch zwei weitere Aufsichtsratsmitglieder standen in Geschäftsbeziehungen zu dem kommunalen Unternehmen mit einem vierstelligen Auftragsvolumen. Wiederholt hat der Landesrechnungshof diese Verflechtungen im Rahmen der Freigaben der Jahresabschlussprüfungsberichte unmissverständlich beanstandet und die Auflösung der Konflikte gefordert. Die Geschäftsführerin hat zunächst mit Nachdruck ihre Praxis, in erheblichem Umfang Aufträge an Aufsichtsratsmitglieder und deren nahe Verwandte zu vergeben, verteidigt. Am 20. November 2013 erhielt der Landesrechnungshof von dem kommunalen Unternehmen schließlich die Nachricht, dass der Aufsichtsratsvorsitzende und die beiden Aufsichtsratsmitglieder ihr Aufsichtsratsmandat im Oktober 2013 niedergelegt haben. (450) Der Aufsichtsratsvorsitzende einer kommunalen Liegenschaftsentwicklungsgesellschaft150 ist gleichzeitig Geschäftsführer einer Gesellschaft, die im November 1996 einen Maklervertrag mit dieser kommunalen Beteiligung über Versicherungsdienstleistungen abgeschlossen hat. Das Vertragsverhältnis besteht unverändert fort. Das geht aus der am 22. April 2014 vorgelegten Erklärung des Aufsichtsratsvorsitzenden zu den geschäftlichen Beziehungen für das Geschäftsjahr 2013 hervor. Die kontinuierlich seit Freigabe des Jahresabschlussprüfungsberichts 2008 geäußerte Kritik des Landesrechnungshofes an diesem Verhalten hat offensichtlich kein Umdenken bewirkt, obwohl auch die örtliche Presse Anfang 2014 über den Fall berichtete. 148 149 150 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2012 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2012, S. 111-112. Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2013 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2013, S. 124-127. Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2011 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2011, S. 139-140 und Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpom mern (2012): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2012 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2012, S. 113-114. sowie Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2013 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2013, S. 127-128. 179 (451) Eine kommunale Versorgungsgesellschaft151 pflegt seit Jahren Geschäftsbeziehungen mit der Elektrofirma des Vaters des Aufsichtsratsvorsitzenden. Gleichzeitig ist der Aufsichtsratsvorsitzende dort als Arbeitnehmer beschäftigt. Hier bewegen sich die jährlichen Aufträge im vierstelligen bis unteren fünfstelligen Bereich (2006 bis 2013 insgesamt: rd. 71.500 Euro). Aus einem Schreiben des Unternehmens an den Landesrechnungshof vom 26. Februar 2014 geht hervor, dass der Aufsichtsratsvorsitzende nach dem Ende der aktuellen Kommunalwahlperiode im Mai 2014 auch bei einer erneuten Wahl in die Stadtvertretung nicht mehr für die Funktion als Aufsichtsrat zur Verfügung stehen wolle. Die Stadtvertreterversammlung hat jedoch am 28. August 2014 den Aufsichtsratsvorsitzenden erneut in den Aufsichtsrat gewählt. (452) Ein Aufsichtsratsmitglied einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft152 erzielte als Dachdecker seit Jahren erhebliche Umsätze mit dem Unternehmen, dessen Geschäftsführung er zu beaufsichtigen hat (2009: rd. 72.000 Euro, 2010: rd. 83.000 Euro, 2011: rd. 84.000 Euro, 2012: rd. 16.000 Euro). Aus dem Jahresabschlussprüfungsbericht 2012 geht hervor, dass aufgrund der Bedenken des Landesrechnungshofes zur Freigabe des Jahresabschlussprüfungsberichts 2011 das beanstandete Aufsichtsratsmandat zum 15. Februar 2013 neu besetzt wurde. (453) Ein Aufsichtsratsmitglied einer kommunalen Wohnungsbau- und Wohnungsverwaltungsgesellschaft153 erzielte als Fliesenleger deutliche Umsätze mit dem Unternehmen, dessen Geschäftsführung er zu beaufsichtigen hat (2011: rd. 14.300 Euro). Aus dem Jahresabschlussprüfungsbericht 2012 geht hervor, dass im Zusammenhang mit den Ausführungen des Landesrechnungshofes zur Freigabe des Jahresabschlussprüfungsberichts 2011 sowie zur Vermeidung eventueller Interessenkollisionen das Aufsichtsratsmitglied sein Mandat zum 31.12.2012 niedergelegt habe. Auftragserteilungen an Mitglieder des Aufsichtsrats sollen nach dem Inhalt des Prüfungsberichts künftig nicht mehr erfolgen. 151 152 153 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2012 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2012, S. 109-110 und Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpom mern (2013): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2013 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2013, S. 128-129. Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2013 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2013, S. 129-130. Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2013 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2013, S. 131-132. 180 3 Aktuelle Beispiele aus der laufenden Auswertung der Jahresabschlussprüfungsberichte (454) Ein Aufsichtsratsmitglied einer Wohnungsbaugesellschaft hat für das Geschäftsjahr 2012 geschäftliche Beziehungen ihres Ehemanns (Inhaber und Geschäftsführer einer Elektrofirma) zum kommunalen Unternehmen erklärt. Aus der vom Landesrechnungshof nachgeforderten Auftragsabrechnung ging hervor, dass die Elektrofirma für die Gesellschaft im Geschäftsjahr 2012 Kleinreparaturen mit einem Leistungsumfang von insgesamt 70.804,74 Euro ausgeführt hat. Der Landesrechnungshof hat die Gesellschaft aufgefordert, die Geschäftsbeziehungen mit dem Elektrounternehmen des Ehemanns zu beenden oder dafür Sorge zu tragen, dass das Aufsichtsratsmitglied sein Mandat niederlegt. Das kommunale Unternehmen wurde aufgefordert, spätestens im Jahresabschluss 2013 die eingeleiteten Maßnahmen zur Beseitigung des Interessenkonflikts darzustellen. Der Bericht über die Jahresabschlussprüfung 2013 liegt inzwischen vor. Er enthält jedoch keine Informationen zur Beendigung des Konflikts. Nach dem Inhalt der vom Landesrechnungshof nachgeforderten Erklärung zu den geschäftlichen Beziehungen und den beigefügten Unterlagen betrug der Leistungsumfang mit der Elektrofirma des Ehemanns im Geschäftsjahr 2013 insgesamt 97.782,11 Euro. Der Landesrechnungshof besteht weiterhin auf der Auflösung des Interessenkonflikts. (455) Eine Grundstücksgesellschaft pflegt nachhaltig geschäftliche Beziehungen zu zwei Aufsichtsratsmitgliedern, einem Elektriker (Umsätze 2011: rd. 2.600 Euro, 2012: rd. 1.800 Euro, 2013: rd. 2.900 Euro) und einem Architekten (Umsätze 2011: rd. 6.600 Euro, 2012: rd. 3.500 Euro, 2013: rd. 3.000 Euro). Der Landesrechnungshof hat gefordert, die Gesellschaft solle entweder von weiteren Geschäften mit den Aufsichtsratsmitgliedern absehen oder die Mitglieder sollten auf ihr Mandat verzichten. (456) Die Aufsichtsratsvorsitzende einer kommunalen Baugesellschaft hat erklärt, dass ihr Ehemann und ihr Stiefsohn Geschäftsführer und 40 %-ige Gesellschafter einer Biogasanlage seien. Das Unternehmen hat mit dem kommunalen Unternehmen einen Wärmelieferungsvertrag abgeschlossen. Der Landesrechnungshof hat anlässlich der Freigabe des Jahresabschlussprüfungsberichts 2012 die Auffassung vertreten, dass die Niederlegung des Aufsichtsratsmandats oder die Beendigung des Wärmebezugsvertrags angezeigt sei. Inzwischen liegt der Bericht über die Jahresabschlussprüfung 2013 vor. Danach wurde die Geschäftsbeziehung unverändert weitergeführt. Eine Beendigung des Wärmeliefervertrags käme wegen der wirtschaftlichen Vorteile für das kommunale Unternehmen nicht in Betracht. Der Landesrechnungshof erwartet 181 wegen der unwiderlegbaren Vermutung einer Interessenkollision weiterhin die Auflösung des Konflikts. (457) Eine Wohnungsgesellschaft unterhielt seit 2008 Geschäftsbeziehungen zu einem Aufsichtsratsmitglied, einem selbständigen Malermeister. Das Auftragsvolumen belief sich auf 2008: rd. 11.200 Euro, 2009: rd. 10.500 Euro, 2010: rd. 17.500 Euro, 2011: rd. 34.800 Euro, 2012: rd. 36.300 Euro. Mehrfach hatte der Landesrechnungshof den Sachverhalt im Rahmen der Freigaben der Jahresabschlussprüfungsberichte beanstandet. Am 19. März 2014 erhielt er von der Geschäftsführung die Mitteilung, dass das Aufsichtsratsmitglied „per 4. Juli 2013 aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden ist, so dass sich die Problematik der geschäftlichen Beziehungen mit … endgültig geklärt hat“. (458) Eine Bau- und Verwaltungsgesellschaft unterhielt im Geschäftsjahr 2012 Geschäftsbeziehungen zu ihrem stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden, einem Rechtsanwalt. Es bestand ein Beratervertrag über monatlich 250 Euro netto (im Jahr 3.000 Euro). Nach Beanstandung durch den Landesrechnungshof hat das kommunale Unternehmen den Beratervertrag zum 31. Mai 2014 gekündigt. (459) Eine Hafen- und Touristikgesellschaft beschäftigte ihren Aufsichtsratsvorsitzenden seit 1999 auf der Grundlage eines Beratervertrags. Gegenstand des Vertrags war die Gestaltung des operativen Geschäftsverlaufs mit einem monatlichen Pauschalentgelt von zunächst 1.000 DM. 2010 betrug die monatliche Entschädigung rd. 800 Euro. Die geschäftlichen Beziehungen zur Gesellschaft bestanden auch 2011 und 2012 fort. Nach Beanstandung durch den Landesrechnungshof im Rahmen der Freigabe der Jahresabschlussprüfungsberichte 2010 und 2011 erfolgte im Frühjahr 2012 der Rücktritt des Aufsichtsratsvorsitzenden. Gleichzeitig ist der Beratervertrag aufgehoben worden. (460) Vom stellvertretenden Vorsitzenden des Betriebsausschusses eines Eigenbetriebs sind wiederholt geschäftliche Beziehungen zum kommunalen Unternehmen erklärt worden. Von seinem Transportunternehmen wurden im Geschäftsjahr 2011 Strandreinigungsleistungen von rd. 15.200 Euro erbracht (2010: rd. 14.000, 2009: rd. 13.500 Euro). Der Sachverhalt wurde vom Landesrechnungshof mit Freigabeschreiben vom 12. März 2013 kritisch gewürdigt. Mit dem Jahresabschlussprüfungsbericht 2012 wurde dem Landesrechnungshof ein Werkvertrag vorgelegt. Danach betrug der Umsatz im Geschäftsjahr 2012 rd. 15.000 Euro. Nach Auskunft 182 der Betriebsleiterin steht der stellvertretende Betriebsausschussvorsitzende seit Juni 2014 nicht mehr für die Arbeit im Betriebsausschuss zur Verfügung. (461) Zwischen einer Wohnungsgesellschaft und dem Bruder des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden bestehen geschäftliche Beziehungen in beträchtlicher Höhe (Reparatur und Instandsetzung von elektrischen Anlagen 2011: rd. 19.000 Euro, 2012: rd. 28.800 Euro, bis Juli 2013: rd. 22.200 Euro). Auch in diesem Fall hat der Landesrechnungshof mit Freigabeschreiben vom 11. April 2014 dazu aufgefordert, entweder die geschäftlichen Beziehungen zu beenden oder das Aufsichtsratsmandat aufzugeben. Am 11. Juli 2014 teilte die Geschäftsführung mit, dass der Aufsichtsrat nach Beendigung der Kommunalwahl 2014 am 10. Juli 2014 neu besetzt worden sei. Danach gehöre der bisherige stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende dem Aufsichtsorgan nicht mehr an. Alle neu bestellten Mitglieder unterhielten keine geschäftlichen Beziehungen zu der Wohnungsgesellschaft. (462) Ein Eigenbetrieb für Tourismus und Wirtschaft unterhält nachhaltige geschäftliche Beziehungen zu einem Mitglied des Betriebsausschusses. Die Umsätze (Reparaturen, Installationen, Ausleihungen, Umbau, Lieferungen von Ausstattungen und Elektroleistungen) summierten sich auf rd. 22.900 Euro in 2010, rd. 14.000 Euro in 2011, rd. 28.500 Euro in 2012. Der Landesrechnungshof hat den Eigenbetrieb aufgefordert, spätestens im Jahresabschluss 2013 die eingeleiteten Maßnahmen zur Auflösung der Interessenkollision darzustellen. Der Abschlussprüfer stellt in seinem Bericht über die Jahresabschlussprüfung 2013 fest, dass „die Tätigkeit des Mitglieds im Betriebsausschuss im Juni 2014 endet“. (463) Eine Kurverwaltung unterhält Geschäftsbeziehungen zur Ehefrau eines Mitglieds eines beschließenden Betriebsausschusses. Als selbständige Bilanzbuchhalterin erbrachte sie Leistungen 2011 in Höhe von 5.100 Euro, 2012 in Höhe von 5.640 Euro. Der Landesrechnungshof hat die Kurverwaltung aufgefordert, im Jahresabschluss 2013 die Maßnahmen zur Beendigung des aufgedeckten Interessenkonflikts darzustellen. Der Bericht über die Jahresabschlussprüfung 2013 liegt inzwischen vor. Danach blieb die Geschäftsbeziehung auch im Geschäftsjahr 2013 bestehen. Als Konsequenz aus den vom Landesrechnungshof geäußerten Bedenken hat das Mitglied des Betriebsausschusses seine Tätigkeit am 2. April 2014 niedergelegt. (464) Ein Aufsichtsratsmitglied einer kommunalen Wohnungsgesellschaft hat mit seinem Fachbetrieb für Heizung-Sanitär-Elektro Wartungs- und Reparaturleistungen für diese Gesellschaft erbracht. Der Leistungsumfang ist im Vergleich zum Vorjahr von rd. 3.700 Euro (2011) 183 auf rd. 11.800 Euro (2012) gestiegen. Der Landesrechnungshof hat dies mit Freigabeschreiben vom 8. Januar 2014 zum Prüfungsbericht 2012 beanstandet. Der Geschäftsführer hat am 13. März 2014 mitgeteilt, dass das Aufsichtsratsmitglied nicht mehr Firmeninhaber sei und durch die anstehende Kommunalwahl ohnehin Neuwahlen anstünden. Damit ist der Interessenkonflikt noch nicht gelöst. Zum Einen ist unsicher, ob sich durch die Kommunalwahlen die Zusammensetzung des Aufsichtsrats geändert hat, zum Anderen ist nicht bekannt, ob die beauftragte Firma nun einem fremden Dritten oder einem nahem Angehörigen gehört. Der Landesrechnungshof hat die Gesellschaft gebeten, zur Auflösung der Interessenkollision bis zum 15. Juni 2014 Bericht zu erstatten. Der Geschäftsführer hat Fristverlängerung zunächst bis zum 30. September 2014, dann bis zum 30. November 2014 beantragt, weil die Konstituierung des neuen Aufsichtsrats verschoben worden sei. Die Gesellschaft geht davon aus, dass mit der Neuwahl des Aufsichtsrats der Konflikt gelöst werde. Inzwischen liegt der Bericht über die Jahresabschlussprüfung 2013 vor. Daraus ergibt sich, dass seit April 2013 keine geschäftlichen Beziehungen mehr zwischen dem Aufsichtsratsmitglied und dem kommunalen Unternehmen bestehen. Das Aufsichtsratsmitglied hat den Fachbetrieb für Heizung-Sanitär-Elektro am 3. April 2013 abgemeldet. 4 Folgerungen und Empfehlungen (465) Die Beispiele zeigen, dass das Problem der Überschneidung persönlicher Interessen und kommunaler Geschäftsinteressen in vielen Branchen landesweit anzutreffen ist. Der Landesrechnungshof wird Geschäftsbeziehungen kommunaler Unternehmen mit Mitgliedern von Aufsichtsorganen auch weiterhin beharrlich aufgreifen. Er verfolgt damit das Ziel, im kommunalen Unternehmensbereich das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass die Vermeidung von Interessenkollisionen eine Grundregel guter Unternehmensführung ist. Die Beendigung bestehender und die Vermeidung neuer Interessenkollisionen ist wichtiger Bestandteil einer Strategie zur Minimierung wirtschaftlicher und finanzieller Risiken für kommunale Unternehmen. Der Landesrechnungshof bittet den Landtag weiterhin um Unterstützung bei der Beseitigung von Interessenkonflikten, die durch wirtschaftliche Verflechtungen in kommunalen Betrieben erzeugt werden. 184 5 Stellungnahme des Ministeriums für Inneres und Sport (466) Das Ministerium für Inneres und Sport führt in seiner Stellungnahme vom 23. Oktober 2014 aus, dass es die Ausführungen des Landesrechnungshofes im Kommunalfinanzbericht 2013 zu wirtschaftlichen Verknüpfungen und Interessenkollisionen bei Mitgliedern von Aufsichtsorganen kommunaler Unternehmen zum Anlass genommen habe, die Kommunen und die unteren Rechtsaufsichtsbehörden hinsichtlich des Umgangs mit Interessenkonflikten von Aufsichtsratsmitgliedern in kommunalen Unternehmen und Einrichtungen zu sensibilisieren. In dem zu diesem Zweck versandten Rundschreiben vom 15. Januar 2014 habe es auf die Bedeutung einer möglichst weitgehenden und kontinuierlichen Vermeidung von Interessenkonflikten zur Gewährleistung einer am Wohl der kommunalen Unternehmen und Einrichtungen und deren öffentlichen Zwecksetzung orientierten Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandats hingewiesen und zudem Maßnahmen aufgezeigt, die im Falle derartiger Interessenkollisionen ergriffen werden sollten. ___________________________________________________________________ Vom Senat des Landesrechnungshofes beschlossen am 21. Januar 2015. Dr. Schweisfurth Arenskrieger Präsident Vizepräsident Dr. Hempel Dr. Schuelper Dipl.-Ing. Scheeren Ministerialdirigent Ministerialdirigent Ministerialdirigent 185
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