Landesrechnungshof
Mecklenburg-Vorpommern
Jahresbericht 2014
- Teil 1 Kommunalfinanzbericht 2014
Vorwort des Präsidenten des Landesrechnungshofes
Den Kommunalfinanzbericht 2014 legen wir als ersten Teil unseres Jahresberichts in einer finanzwirtschaftlichen positiven Zeit mit stark gestiegenen Einnahmen vor. Dies zeigt die Auswertung der kommunalen Finanzlage Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zum Vorjahr.
Die Kommunen im Land wiesen 2013 mit 9 Mio. Euro wieder einen – wenn auch kleinen – Finanzierungsüberschuss aus, nachdem 2012 mit -41 Mio. Euro ein Finanzierungsdefizit zu verzeichnen war. Damit ist der kommunalen Ebene insgesamt eine freundliche Haushaltslage zu
attestieren.
Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die kommunale Ebene vor großen Herausforderungen steht. Der Landesrechnungshof hat sich in dem hier vorliegenden Bericht zum
Beispiel nochmals intensiv und weitergehend auf Basis statistischer Analysen mit den kommunalen Sozialausgaben befasst. Ein Teil der hohen Ausgaben erklärt sich durch eine vergleichsweise hohe Falldichte. Die nicht erklärten Kostenunterschiede belassen jedoch insgesamt einen
deutlichen Legitimationsdruck bei den Trägern der Sozial- und Jugendhilfe. Denn auch der Sozialbereich ist nicht von Wirtschaftlichkeitsfragen freigestellt. Die schleichende Verdrängung
anderer kommunaler – gleichwertiger – Aufgaben durch überproportional steigende Sozialausgaben erfordert eine Rechtfertigung.
Den geprüften Kommunen darf ich an dieser Stelle die inhaltliche Auseinandersetzung mit unseren Feststellungen und Empfehlungen nachdrücklich ans Herz legen. Damit könnten künftige
Fehlentscheidungen vermieden und finanzielle Schieflagen zumindest teilweise vermieden werden.
Alle Kommunen unseres Landes müssen sich bewusst sein, dass das hohe Gut der kommunalen
Selbstverwaltung auch die grundsätzliche Finanzautonomie und die Eigenverantwortung der
Kommunen einschließt.
Wir geben aber auch dem Land Hinweise, wo aus unserer Sicht Handlungsbedarf besteht. So
regen wir u. a. an, gemeinsam mit der kommunalen Seite ein Projekt aufzusetzen, durch welches die Validität der kommunalen Zulieferung zur amtlichen Statistik und Fachstatistik durchgreifend erhöht wird. Belastbare Daten sind essenziell.
I
An dieser Stelle möchte ich mich bei den Mitgliedern des Landtags und der Landesregierung,
den Landräten, Oberbürgermeistern und Bürgermeistern sowie allen Mitarbeitern des Landes
und der Kommunen für die sehr gute Zusammenarbeit bedanken.
Zudem gilt mein Dank allen Mitarbeitern des Landesrechnungshofes, die diesen Bericht erst ermöglicht haben.
Schwerin, im Januar 2015
Dr. Tilmann Schweisfurth
II
Inhaltsverzeichnis
I.
II.
Einleitung.........................................................................................................................1
1
Rechtliche Rahmenbedingungen der Kommunalprüfung..........................................1
2
Vorbemerkungen......................................................................................................3
Allgemeiner Teil...............................................................................................................7
1
Strukturelle Rahmenbedingungen.............................................................................7
2
Lage der kommunalen Finanzwirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns...................11
3
Die kommunale Finanzwirtschaft im Vergleich......................................................22
4
Kommunale Verschuldung.....................................................................................36
III. Aktuelle Themen............................................................................................................43
1
Analyse der kommunalen Sozialausgaben in Mecklenburg-Vorpommern und
im Ländervergleich.................................................................................................43
IV.
2
Umsetzung der Kreisgebietsreform in ausgewählten Landkreisen..........................73
3
Stärkung der überörtlichen Kommunalprüfung......................................................75
Ergebnisse der überörtlichen Prüfungen und der Querschnittsprüfungen.............81
1
Integrität und Stabilität von IT-Systemen bei Kommunen - System- und
Programmprüfung...................................................................................................81
2
Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landkreises Mecklenburgische
Seenplatte (Überörtliche Prüfung gem. §§ 4, 5 und 7 Abs. 1 KPG M-V)..............94
3
Haushaltsaufstellungsverfahren und Prozessanalyse der kommunalen
Haushaltsplanung..................................................................................................138
4
Wasserentnahmeentgelt für die Benutzung der Gewässer II. Ordnung und des
Grundwassers.......................................................................................................148
V.
5
Prüfung der Jugendhilfeplanung in Mecklenburg-Vorpommern...........................157
6
Querschnittsprüfung der Personalwirtschaft in ausgewählten Ämtern.................163
Prüfung kommunaler Beteiligungen..........................................................................173
1
Kommunale Mikrogesellschaften..........................................................................173
2
Geschäftliche Beziehungen zwischen kommunalen Wirtschaftsbetrieben und
Mitgliedern von Überwachungs- und Kontrollorganen........................................177
III
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen im Ländervergleich, 2013,
in Euro je Einwohner...........................................................................................8
Abbildung 2: Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen in den kreisfreien Städten und
Landkreisen in Mecklenburg-Vorpommern, 2012, in Euro je Einwohner...........9
Abbildung 3: SGB II-Quote im Flächenländervergleich, 2013, in Prozent.............................10
Abbildung 4: Bedarfsgemeinschaften je 1.000 Privathaushalte im Flächenländervergleich,
2013, Jahresdurchschnitt...................................................................................11
Abbildung 5: Bereinigte Einnahmen und Ausgaben sowie Finanzierungssaldo der
Gemeinden/Gv. in Mecklenburg-Vorpommern, 2005-2013, in Mio. Euro.......12
Abbildung 6: Veränderungen wesentlicher Einnahmepositionen im Vergleich 2013 zum
Vorjahr, in Mio. Euro........................................................................................14
Abbildung 7: Veränderungen wesentlicher Ausgabepositionen im Vergleich 2013 zum
Vorjahr, in Mio. Euro........................................................................................15
Abbildung 8: Finanzierungssalden der kommunalen Gebietskörperschaften in
Mecklenburg-Vorpommern, 2009-2013, in Euro je Einwohner.......................16
Abbildung 9: Entwicklung der Sachinvestitionsquoten bei einzelnen
Gebietskörperschaftsebenen in Mecklenburg-Vorpommern, 1995-2013,
in Prozent..........................................................................................................20
Abbildung 10: Entwicklung der kommunalen Sozialausgaben und Sachinvestition in
Mecklenburg-Vorpommern, 1995-2013, in Mio. Euro.....................................21
Abbildung 11: Finanzierungssalden der Körperschaften des öffentlichen Gesamthaushaltes,
2010-2013, in Mrd. Euro..................................................................................23
Abbildung 12: Finanzierungssalden der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 2000-2013,
in Euro je Einwohner.........................................................................................24
Abbildung 13: Einnahmeentwicklung von Land und Kommunen auf Basis der
regionalisierten Steuerschätzung November 2013, 2014-2018, in Prozent.......27
V
Abbildung 14: Kommunale Einnahmen aus KFA, Gemeindesteuern und Sonderhilfen,
2013-2018, in Mio. Euro...................................................................................28
Abbildung 15: Streuung der gewogenen Hebesätze der Gewerbesteuer im Ländervergleich,
2013, in v. H......................................................................................................31
Abbildung 16: Rechnerischer Ausgabenüberhang im Sozialbereich MecklenburgVorpommerns gegenüber FO und FFW, 2006-2013, in Mio. Euro..................34
Abbildung 17: Aktives Personal im Kernhaushalt der Gemeinden/Gv. und des Landes
Mecklenburg-Vorpommern, 2004-2013, in VZÄ.............................................35
Abbildung 18: Kassenkredite beim nicht-öffentlichen und öffentlichen Bereich der
Gemeinden/Gv. Mecklenburg-Vorpommerns, in Mio. Euro.............................38
Abbildung 19: Schuldenstand der Kern- und Extrahaushalte der kreisfreien und großen
kreisangehörigen Städte, 31.12.2013, in Euro je Einwohner............................40
Abbildung 20: Schuldenstand der Extrahaushalte der kreisfreien und großen
kreisangehörigen Städte, 31.12.2013, in Euro je Einwohner............................41
Abbildung 21: Schuldenstand der höchst verschuldeten Gemeinden MecklenburgVorpommerns, 31.12.2013, in Euro je Einwohner............................................42
Abbildung 22: Brutto-Sozialausgaben in Mecklenburg-Vorpommern und im
Länderdurchschnitt, Kernhaushalte, 1991-2012, in Euro je Einwohner............48
Abbildung 23: Netto-Sozialausgaben in Mecklenburg-Vorpommern und im
Länderdurchschnitt, Kernhaushalte, 1991-2012, in Euro je Einwohner............49
Abbildung 24: Netto-Sozialausgaben nach Kassenstatistik in Mecklenburg-Vorpommern
und im Ländervergleich, 2012, in Euro je Einwohner.......................................50
Abbildung 25: Bruttoausgaben und Zuschussbedarfe der Sozial- und Jugendhilfe in
Mecklenburg-Vorpommern, ostdeutscher Ländervergleich, Gesamthaushalt,
2011, in Euro je Einwohner...............................................................................52
Abbildung 26: Anteile ausgewählter Sozial- und Jugendhilfearten in MecklenburgVorpommern am Sozialbereich Gesamthaushalt (brutto), 2011, in Prozent.....53
VI
Abbildung 27: Anteile ausgewählter Sozial- und Jugendhilfearten in MecklenburgVorpommern am Sozialbereich Gesamthaushalt (netto, Zuschussbedarfe),
2011, in Prozent................................................................................................54
Abbildung 28: Bruttoausgaben und Zuschussbedarfe der Sozial- und Jugendhilfe in
Mecklenburg-Vorpommern, Gesamthaushalt, Ostdeutschland=100, 2011,
in Prozent..........................................................................................................55
Abbildung 29: Anteile der Zuschussbedarfe „Soziales“ (PG 31 + 36) an den kommunalen
Gesamtzuschussbedarfen, ostdeutsche Flächenländer, 2009-2011, in Prozent. 55
Abbildung 30: Kosten der Unterkunft - monatliche Nettoausgaben in Euro je EW und
in Euro je Bedarfsgemeinschaft, Falldichte je 1.000 EW und Zuschussbedarf
in Euro je EW, 2011..........................................................................................57
Abbildung 31: Eingliederungshilfe für Behinderte - Nettoausgaben in Euro je EW und
in Euro je Fall sowie Falldichte, 2011...............................................................58
Abbildung 32: Eingliederungshilfe für Behinderte, Falldichte und Kostenintensität bei den
Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt für örtliche und
überörtliche Träger, 2011..................................................................................59
Abbildung 33: Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - Nettoausgaben
in Euro je EW und in Euro je Fall sowie Falldichte, 2011.................................62
Abbildung 34: Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung außerhalb von Einrichtungen der örtlichen Sozialhilfeträger - Falldichte und Kostenintensität
bei den Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt, 2011................63
Abbildung 35: Hilfe zur Pflege - Nettoausgaben in Euro je EW und in Euro je Fall sowie
Falldichte, 2011.................................................................................................64
Abbildung 36: Hilfe zur Pflege bei den örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträgern in
Mecklenburg-Vorpommern - Falldichte und Kostenintensität, 2011................65
Abbildung 37: Brutto-Auszahlungen für Hilfen zur Erziehung, Eingliederungshilfe für
seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, Hilfe für junge Volljährige
und vorläufige Schutzmaßnahmen in den ostdeutschen Ländern, 2011,
in Euro je Einwohner unter 18 Jahren...............................................................67
VII
Abbildung 38: Falldichte der Hilfen zur Erziehung nach § 27 bis 35a SGB VIII in den
ostdeutschen Ländern, 2011, in Fälle je 1.000 Einwohner unter 18 Jahren......67
Abbildung 39: Bisherige durchschnittliche Dauer der Hilfen zur Erziehung nach § 27
bis 35a SGB VII in den ostdeutschen Ländern, 2011, in Monaten...................68
Abbildung 40: Falldichte der Erziehungs- und Familienhilfe nach § 27 bis 35a SGB VIII
in Mecklenburg-Vorpommern, 2011.................................................................69
Abbildung 41: Übersicht der untersuchten Teilprozesse.........................................................139
VIII
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Veränderung des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts in MecklenburgVorpommern und den FO sowie FFW, 2009-2013, in Prozent...............................7
Tabelle 2: Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden/Gv. in Mecklenburg-Vorpommern,
2009-2013, in Mio. Euro.......................................................................................13
Tabelle 3: Salden der laufenden Rechnung der kommunalen Gebietskörperschaftsebenen
Mecklenburg-Vorpommerns, 2009-2013, in Euro je Einwohner...........................18
Tabelle 4: Ausgaben der Kapitalrechnung der kommunalen Gebietskörperschaftsebenen
Mecklenburg-Vorpommerns, 2009-2013, in Euro je Einwohner...........................19
Tabelle 5: Einnahmen der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 2013, in Euro je Einwohner 25
Tabelle 6: Einnahmen aus der Grundsteuer A und B im Vergleich der Flächenländer,
2011-2013, in Euro je Einwohner..........................................................................28
Tabelle 7: Gewogene durchschnittliche Hebesätze der Grundsteuer A und B im Vergleich
der Flächenländer, 2013, in v. H............................................................................29
Tabelle 8: Einnahmen aus der Grundsteuer A im Vergleich der Flächenländer, 2012,
in Euro je genutzter Landwirtschaftsfläche (km²)..................................................29
Tabelle 9: Einnahmen aus der Gewerbesteuer im Vergleich der Flächenländer, 2011-2013,
in Euro je Einwohner.............................................................................................30
Tabelle 10: Ausgaben der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 2013, in Euro je Einwohner..33
Tabelle 11: Schuldenstand der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 31.12.2013, in Euro
je Einwohner..........................................................................................................37
Tabelle 12: Übersicht über die Stellenanzahl und die Stellenbesetzung im Bereich der
Rechnungs- und Gemeindeprüfung (in VZÄ)........................................................76
Tabelle 13: Übersicht über die Stellenbedarfe und die Stellen lt. Stellenplan...........................79
Tabelle 14: Übersicht über Stellenbedarfe und Ist-Besetzung (in VZÄ)...................................79
Tabelle 15: Allgemeine Rahmenbedingungen der geprüften Kommunen..................................84
Tabelle 16: Auszug aus der Selbsteinschätzung zur IT-Governance........................................85
Tabelle 17: Offene Posten per 30.09.2013 (Fälligkeit bis 25.09.2013) – Kleinbeträge..........112
IX
Tabelle 18: Anzahl nicht angenommener Anrufe der IRLS (je Monat)..................................126
Tabelle 19: Fahrzeugbestand der Regionalstandorte (per 31.08.2013)..................................131
Tabelle 20: Auslastungsgrade der Fahrzeuge (per 31.08.2013)..............................................132
Tabelle 21: Vergleich Einnahmen aus dem Wasserentnahmeentgelt für die Benutzung der
Gewässer II. Ordnung und des Grundwassers, 2012 und 2013, in Euro.............150
Tabelle 22: Ausgaben der Kinder- und Jugendhilfe in Mecklenburg-Vorpommern................157
X
Abkürzungsverzeichnis
a. F.
alte Fassung
Abs.
Absatz
AGG
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
AmtBl. M-V
Amtsblatt Mecklenburg-Vorpommmern
BEM
Betriebliches Eingliederungsmanagement
BIP
Bruttoinlandsprodukt
BrSchG M-V
Brand- und Hilfeleistungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern
BSI
Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik
COBIT
Rahmenwerk zur IT-Governance
DA
Dienstanweisung
Drs.
Drucksache
DSG M-V
Landesdatenschutzgesetz Mecklenburg-Vorpommern
eGO-M-V
Zweckverband „Elektronische Verwaltung Mecklenburg-Vorpommern”
EStG
Einkommensteuergesetz
EW
Einwohner
FEU
Öffentliche Fonds, Einrichtungen und Unternehmen
GEBIT Münster
Gesellschaft für Beratung sozialer Innovationen und Informationstechnologie mbH &
Co. KG
GemHVO-Doppik
Gemeindehaushaltsverordnung - Doppik
GemKVO-Doppik
Gemeindekassenverordnung - Doppik
GFK
Vierteljährliche Kassenstatistik der Gemeinden und Gemeindeverbände des Statistischen Bundesamtes (Gemeinde Finanzen Kasse)
GoBS
Grundsätze ordnungsgemäßer DV-gestützter Buchführungssysteme
Gv.
Gemeindeverbände
GVOBl. M-V
Gesetz- und Verordnungsblatt Mecklenburg-Vorpommern
HGB
Handelsgesetzbuch
HKR-Verfahren
Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen
i. V. m.
in Verbindung mit
k.A.
keine Angabe
KdU
Kosten der Unterkunft und Heizung
KPG M-V
Kommunalprüfungsgesetz Mecklemburg-Vorpommern
KSM
Kommunalservice Mecklenburg
LHO
Landeshaushaltsordnung Mecklenburg-Vorpommern
LKatSG M-V
Landeskatastrophenschutzgesetz Mecklenburg-Vorpommern
LNOG M-V
Landkreisneuordnungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern
LWaG
Wassergesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern
n. F.
neue Fassiung
XI
NKHR M-V
Neues Kommunales Haushhalts und Rechnungswesen Mecklenburg-Vorpommern
RDG M-V
Rettungsdienstgesetz Mecklenburg-Vorpommern
Risk-IT
Rahmenwerk zum Risikomanagement in der IT
SGB II
Zweites Buch Sozialgesetzbuch
SGB VIII
Achtes Buch Sozialgesetzbuch
SGB XII
Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch
SoBEZ
Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen
StPlV
Stellenplanverordnung
Tz./Tzn.
Textziffer(n)
UVG
Unterhaltsvorschussgesetz
Verf. M-V
Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern
VGR
Volkwirtschaftliche Gesamtrechnungen
VgV
Vergabeverordnung
VOB/A
Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A
VOL/A
Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen Teil A
VV
Verwaltungsvorschrift
VwVfG M-V
Landesverwaltungsverfahrensgesetz Mecklenburg-Vorpommern
VZÄ
Vollzeitäquivalent
WHG
Wasserhaushaltsgesetz
ZDL
Zentrale Datenstelle der Landesfinanzminister
XII
Länderbezeichnungen
BB
Brandenburg
BW
Baden-Württemberg
BY
Bayern
HE
Hessen
MV
Mecklenburg-Vorpommern
NI
Niedersachsen
NW
Nordrhein-Westfalen
RP
Rheinland-Pfalz
SH
Schleswig-Holstein
SL
Saarland
SN
Sachsen
ST
Sachsen-Anhalt
TH
Thüringen
FO
Durchschnitt der Flächenländer Ost ohne MV (BB, SN, ST und TH)
FFW
Durchschnitt der finanzschwachen Flächenländer West (NI, RP, SL und SH)
D
Deutschland
Bezeichnungen der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte sowie der
Altlandkreise
HGW
Universitäts- und Hansestadt Greifswald
NB
Neubrandenburg
HRO
Hansestadt Rostock
LH SN
Landeshauptstadt Schwerin
HST
Hansestadt Stralsund
HWI
Hansestadt Wismar
DBR
Landkreis Bad Doberan
DM
Landkreis Demmin
GÜ
Landkreis Güstrow
LWL
Landkreis Ludwigslust
MST
Landkreis Mecklenburg-Strelitz
MÜR
Landkreis Müritz
NVP
Landkreis Nordvorpommern
NWM
Landkreis Nordwestmecklenburg
OVP
Landkreis Ostvorpommern
PCH
Landkreis Parchim
RÜG
Landkreis Rügen
UER
Landkreis Uecker-Randow
XIII
Bezeichnungen der Landkreise
NWM
Landkreis Nordwestmecklenburg
LP
Landkreis Ludwigslust-Parchim
LRO
Landkreis Rostock
VR
Landkreis Vorpommern-Rügen
MSP
Landkreis Mecklenburgische Seenplatte
VG
Landkreis Vorpommern-Greifswald
XIV
I.
Einleitung
1
Rechtliche Rahmenbedingungen der Kommunalprüfung
(1)
Nach Art. 68 Abs. 3 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Verf.
M-V) überwacht der Landesrechnungshof die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des
Landes. Er untersucht hierbei die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Verwaltung. Ferner ist der Landesrechnungshof auch zuständig, soweit Stellen außerhalb der Landesverwaltung und Private Landesmittel erhalten oder Landesvermögen oder Landesmittel verwalten.
Der Landesrechnungshof überwacht nach Art. 68 Abs. 4 Verf. M-V auch die Haushalts- und
Wirtschaftsführung der kommunalen Körperschaften und der übrigen juristischen Personen des
öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes unterstehen.
(2)
Demgegenüber ist nach §§ 4 ff. Kommunalprüfungsgesetz (KPG M-V) der Landes-
rechnungshof für die überörtliche Prüfung der kommunalen Körperschaften verantwortlich, die
der unmittelbaren Rechtsaufsicht des Landes unterliegen (kreisfreie und große kreisangehörige
Städte sowie Landkreise). Im Übrigen ist der Landrat gemäß § 6 KPG M-V für die überörtliche Prüfung der kommunalen Körperschaften zuständig, für deren Rechtsaufsicht er verantwortlich ist.
Der Landesrechnungshof kann darüber hinaus Querschnittsprüfungen im Benehmen mit dem
Ministerium für Inneres und Sport 1 durchführen.
(3)
Bei der überörtlichen Prüfung wird insbesondere festgestellt, ob
•
die Haushalts- und Wirtschaftsführung sowie die sonstige Verwaltungstätigkeit der
kommunalen Körperschaft und ihrer Sondervermögen den Rechtsvorschriften und
den Weisungen der Aufsichtsbehörden entsprechen (Ordnungsprüfung),
•
die Kassengeschäfte ordnungsgemäß geführt werden (Kassenprüfung) und
•
die Verwaltung der kommunalen Körperschaft oder ihre Sondervermögen sachgerecht und wirtschaftlich geführt wird (Organisations- und Wirtschaftlichkeitsprüfung).
1
Im Folgenden stets Innenministerium genannt.
1
(4)
Der Umgang mit den Prüfungsergebnissen obliegt letztlich den kommunalen Körper-
schaften, sie können zudem als Grundlage für Entscheidungen der Kommunalaufsicht dienen.
Auf der Basis der Prüfungsergebnisse sollen Korrekturnotwendigkeiten der bisherigen Verwaltungspraxis und Erfolg versprechende Gestaltungsmöglichkeiten für die künftige Haushaltsund Wirtschaftsführung aufgezeigt werden.
(5)
Aufgrund des Umfanges der Aufgaben und seiner begrenzten Personalressourcen setzt
der Landesrechnungshof bei der Auswahl seiner Prüfungsvorhaben Prioritäten. Bei der Entscheidung über die Prüfungsplanung stützt sich der Landesrechnungshof auf alle ihm zugänglichen Informationen. Dabei bezieht er im Kommunalbereich auch die allgemeine Haushaltslage
der Kommunen in seine Überlegungen ein.
(6)
Der jährliche Kommunalfinanzbericht, der ein Teil des Jahresberichts an den Landtag ist
(§ 97 Landeshaushaltsordnung Mecklenburg-Vorpommern [LHO]), wird deshalb mit einer
Darstellung des aktuellen Standes der kommunalen Finanzwirtschaft und deren Entwicklung
sowie der Auswertung wesentlicher Änderungen eingeleitet (Abschnitt II). Darüber hinaus
nimmt der Landesrechnungshof zu aktuellen Themen Stellung (Abschnitt III).
(7)
Neben dem zuvor skizzierten allgemeinen Teil des Kommunalfinanzberichts werden die
Ergebnisse zu den überörtlichen Prüfungen sowie die sich daraus ergebenden Empfehlungen in
Abschnitt IV vorgestellt. Außerdem enthält der Kommunalfinanzbericht Ergebnisberichte bezüglich der Prüfungen kommunaler Beteiligungen (Abschnitt V).
In diesen Abschnitten nimmt der Landesrechnungshof die Fälle auf, die für die Entlastung der
Landesregierung durch den Landtag bedeutsam sein könnten (Art. 67 Abs. 3 Verf. M-V).2
(8)
Sowohl das Innenministerium als oberste Rechtsaufsicht als auch das Finanzministeri-
um, das Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales3 und das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz4 und kommunale Körperschaften, soweit betroffen,
sind zum Entwurf des Kommunalfinanzberichts angehört worden.
2
3
4
2
Für weitere Informationen bezüglich des verfassungsrechtlichen Auftrages und der rechtlichen Stellung sowie der Organisation, der Aufgaben sowie der Arbeitsweise des Landesrechnungshofes Mecklenburg-Vorpommern siehe Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Grundlagen der Finanzkontrolle
und der öffentlichen Haushaltswirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern.
Im Folgenden Sozialministerium genannt.
Im Folgenden Landwirtschaftsministerium genannt.
Gleichzeitig haben die Geschäftsstellen der kommunalen Landesverbände den Entwurf des Berichtes zur Kenntnis erhalten. Ihre Hinweise wurden im vorliegenden Bericht bzw. werden bei
der Erstellung künftiger Kommunalfinanzberichte berücksichtigt.
2
Vorbemerkungen
(9)
Die Basis des hier vorliegenden Kommunalfinanzberichtes bildet wie in den Vorjahren
die (amtliche) vierteljährliche Kassenstatistik des Statistischen Bundesamtes (GFK) und Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern (Kassenstatistik), die die finanzwirtschaftlichen Zahlungsströme erfassen. Es werden demnach die Ein- und Auszahlungen dargestellt. Bereinigungen, um zum Beispiel Netto-Sozialausgaben darzustellen, werden in Abschnitt III.1 vorgenommen.
Zudem werden auch sonstige Finanz-, Personal- oder Schuldenstatistiken dieser beiden Institutionen und der Zentralen Datenstelle der Landesfinanzminister (ZDL) verwendet. Es wird zusätzlich auch auf Datenmaterial zurückgegriffen, welches auf Anfrage des Landesrechnungshofes zur Verfügung gestellt wurde (Sonderauswertungen). Die Zahlenangaben sind grundsätzlich gerundet, um eine übersichtliche Darstellung zu gewährleisten.5
Das Statistische Bundesamt weist in seinen Publikationen darauf hin, dass der Vorjahresvergleich durch die Doppikumstellung im Jahr 2012 in Mecklenburg-Vorpommern nur eingeschränkt möglich sei. Zusätzlich ist die Datenqualität tendenziell noch durch die Landkreisneuordnung beeinflusst.
Das Innenministerium regt an, „für Auswertungen auf Landesebene grundsätzlich die Kassenstatistik des Statistischen Landesamtes M-V“ zu verwenden. Der Landesrechnungshof verweist an dieser Stelle darauf, dass die Statistik gerade nicht mehr bei einem Landesamt, sondern als Amt im Landesamt für Innere Verwaltung angesiedelt ist. Schon im Kommunalfinanzbericht 2013 hatte der Landesrechnungshof diese organisatorische Anbindung im Hinblick auf die Qualität der amtlichen Statistik hinterfragt. Grundsätzliche Intention des allgemeinen Teils ist die Durchführung eines Benchmarkings. Dazu werden länderübergreifende Daten
benötigt. Diese stellt nur das Statistische Bundesamt zur Verfügung. Zudem wertet der Landesrechnungshof schon jetzt grundsätzlich die Daten vom Statistischen Amt MecklenburgVorpommern aus, sofern es der jeweilige Berichtskreis erfordert.
5
In den nachstehenden Berechnungen und Beträgen können dementsprechend Differenzen entstehen. Diese
sind dann in erster Linie den Rundungen geschuldet.
3
Ferner hält das Innenministerium für bedenklich, dass der Landesrechnungshof die Jahresrechnungsstatistik der Jahre 2011 und 2012 nicht in seine Betrachtung einbezieht. Ein solcher
Wechsel der statistischen Basis für die Vergangenheit in einem rollierenden Verfahren würde
zu einem Systembruch führen, da die Konsistenz der Daten dann nicht mehr ohne Weiteres gegeben wäre.
(10)
Für den interkommunalen Vergleich werden vor allem auf die Einwohnerzahl bezogene
Kennzahlen, aber auch themenbezogene Vergleichsmaßstäbe, herangezogen, die es ermöglichen, größenbedingte Unterschiede zu berücksichtigen und Vergleichbarkeit herzustellen. Für
den zeitlichen Vergleich wird u. a. auf Veränderungsraten zurückgegriffen, die es erlauben,
Aussagen über die Entwicklung bestimmter Kennziffern zu tätigen.
Als Basis dienen grundsätzlich die Bevölkerungszahlen des Statistischen Bundesamtes bzw. die
Auswertungen dieser von der ZDL jeweils zum 30. Juni des betreffenden Jahres. Ab dem Jahr
2011 wird auf die bereinigten Bevölkerungszahlen des Zensus zurückgegriffen. Infolgedessen
weichen die ausgewiesenen Werte und die darauf beruhenden Auswertungen teilweise von denen in vergangenen Kommunalfinanzberichten dargestellten ab.
(11)
Die hiesigen einwohnerbezogenen Daten werden ferner mit Durchschnittswerten vergli-
chen, die entweder für die Kommunen der vier finanzschwachen Westflächenländer (FFW Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein) oder für die Kommunen der
übrigen ostdeutschen Flächenländer (FO - Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) gebildet werden.6
(12)
Die Kommunen der finanzschwachen Ostländer werden als Referenz herangezogen,
weil diese, wie auch die kommunale Ebene Mecklenburg-Vorpommerns, an umfangreichen fiskalischen Leistungen infolge des teilungsbedingten Aufbauprozesses partizipieren und über
ähnliche sozioökonomische Rahmenbedingungen verfügen. Außerdem werden die Kommunen
der finanzschwachen Westflächenländer als Benchmark verwendet, da die hiesigen Kommunen
mit dem schrittweisen Rückgang der Solidarpaktmittel bis zum Jahr 2020 perspektivisch über
ein ähnliches einwohnerbezogenes Einnahmeniveau verfügen werden. Zusätzlich sind die Anpassungsfortschritte des Landes Mecklenburg-Vorpommerns und seiner Kommunen an die
6
4
Für eine detaillierte Begründung der Wahl der Vergleichsmaßstäbe siehe u. a. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2008): Jahresbericht 2008 (Teil 1) – Landesfinanzbericht 2008, S. 35.
FFW der Maßstab für die Bewertung des Mitteleinsatzes der Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen (SoBEZ)7.
Das Sozialministerium führt in seiner Stellungnahme an, dass in einem Vergleich mit den ostdeutschen Flächenländern auch Mecklenburg-Vorpommern einbezogen werden solle, da dies
für Bewertungen der aussagekräftigere Ansatz sei.
Eine Einbeziehung der Werte Mecklenburg-Vorpommerns in den als Benchmark herangezogenen Durchschnitt würde diesen in Richtung Mecklenburg-Vorpommerns verfälschen. Dies soll
bei einem Benchmarking gerade vermieden werden.
(13)
Die Bildung von diesen Durchschnittswerten birgt den Vorteil, dass die strukturellen
Unterschiede ausgeglichen und die ausgewerteten Daten aussagekräftiger werden. Ferner werden die mit diesem Ansatz ermittelten Unterschiede in Form von Mehr- bzw. Minderausgaben
auf die Einwohnerzahl Mecklenburg-Vorpommerns hochgerechnet. Ziel dieses sogenannten
Benchmark-Ansatzes ist es, strukturell bedingte statistische Unterschiede hervorzuheben sowie
die daraus gewonnenen Erkenntnisse zu nutzen, um Effizienzpotenziale bzw. Handlungsbedarfe für Konsolidierungsmaßnahmen kenntlich zu machen. Aus diesen Potenzialen werden gegebenenfalls Empfehlungen anschließend abgeleitet.
7
Die SoBEZ dienen gemäß § 11 Abs. 3 Finanzausgleichsgesetz (FAG) zur Deckung von teilungsbedingten
Sonderlasten aus dem bestehenden infrastrukturellen Nachholbedarf und zum Ausgleich unterproportionaler kommunaler Finanzkraft. Mecklenburg-Vorpommern hat 2013 rd. 690 Mio. Euro im Rahmen der SoBEZ erhalten. Die Kommunen partizipieren von dieser Zuweisungssumme im Rahmen des kommunalen Fi nanzausgleichs gemäß § 7 FAG M-V.
5
II.
Allgemeiner Teil
1
Strukturelle Rahmenbedingungen
(14)
Im folgenden Abschnitt werden die strukturellen Rahmenbedingungen des Landes und
der Kommunen aufgezeigt, die einen wesentlichen Erklärungsbeitrag für die kommunale Finanzsituation in Mecklenburg-Vorpommern zu leisten vermögen. Die Faktoren, die die strukturellen Rahmenbedingungen beschreiben, sind insbesondere die Wirtschaftsentwicklung und
Wirtschaftskraft, die demografische Entwicklung sowie die Situation auf dem Arbeitsmarkt
und im Sozialbereich.
(15)
Die Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern ist im Jahr 2013 nominal gewachsen. Das
Bruttoinlandsprodukt (BIP) in jeweiligen Preisen als Indikator für die volkswirtschaftliche Gesamtleistung hat sich um +1,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr verändert.
Mit Berücksichtigung der Inflation ergibt sich allerdings ein anderes Bild. Demnach hat sich
das preisbereinigte BIP um -1,1 Prozent negativ gegenüber dem Vorjahr entwickelt. Damit ist
das reale BIP erstmalig seit 2009 wieder geschrumpft. Die preisbereinigte Wachstumsrate von
Sachsen-Anhalt ging mit -1,2 Prozent ebenfalls zurück. Brandenburg, Thüringen und Sachsen
konnten hingegen positive Wachstumsraten verzeichnen (vgl. Tabelle 1).
Tabelle 1:
Veränderung des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts in Mecklenburg-Vorpommern
und den FO sowie FFW, 2009-2013, in Prozent8
BB
MV
SN
ST
TH
NI
RP
2009
-2,7
-1,6
-4,2
-5,1
-5,3
-4,3
-4,2
2010
3,4
0,7
2,9
3,9
4,9
4,9
2011
0,4
1,5
2,5
-1,5
3,6
2012
0,7
0,7
-0,6
0,7
2013
0,7
-1,1
0,3
-1,2
SL
SH
FO
FFW
-10,7
-3,3
-4,3
-4,5
4,4
5,2
0,5
3,6
4,0
4,2
3,2
4,2
2,1
1,4
3,6
-0,6
0,4
1,0
-0,2
0,9
0,0
0,6
0,5
0,0
0,2
-1,3
-0,1
0,1
0,0
Quelle: Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder, eigene Berechnungen.
(16)
Abbildung 1 zeigt, dass die Wirtschaftskraft in den westdeutschen Flächenländern hö-
her ausfällt als in den ostdeutschen Flächenländern. Mecklenburg-Vorpommern weist mit
22.817 Euro je Einwohner die geringste Wirtschaftskraft aller Länder auf, gefolgt von Thüringen (23.168 Euro je Einwohner) und Sachsen-Anhalt (23.196 Euro je Einwohner).
8
Abweichende Angaben gegenüber des Landes- und Kommunalfinanzberichten der Vorjahre sind auf die
Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zurückzuführen.
7
Abbildung 1: Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen im Ländervergleich, 2013, in Euro je Einwohner
53.611
55.000
50.000
45.000
43.085
in Euro je EW
40.000
37.472
38.429 38.490
33.621
35.000
30.000
25.000
30.420
30.149
31.834
30.642
27.684
23.751 22.817 24.226 23.196 23.168
20.000
15.000
10.000
5.000
0
BB
MV
SN
ST
TH
BW
BY
HE
NI
NW
RP
SL
SH
B
HB
HH
Quelle: Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder.
(17)
Der Abstand zu Sachsen – mit 24.226 Euro je Einwohner das wirtschaftsstärkste der
ostdeutschen Flächenländer – ist jedoch relativ gering, sodass diese Länder insgesamt über
ähnliche strukturelle und ökonomische Rahmenbedingungen verfügen.
(18)
Auf der kommunalen Ebene in Mecklenburg-Vorpommern existieren deutliche Unter-
schiede in der Wirtschaftskraft zwischen den kreisfreien Städten und den Landkreisen (vgl. Abbildung 2).
Die Landeshauptstadt Schwerin hatte 20129 mit 31.432 Euro je Einwohner das höchste BIP.
Im Durchschnitt der sechs Landkreise belief sich die Wirtschaftskraft auf 20.559 Euro je Einwohner, wobei der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte am wirtschaftsstärksten war
(22.208 Euro je Einwohner).
9
8
Bei der Erstellung des vorliegenden Kommunalfinanzberichtes lagen die statistischen Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung auf Kreisebene in Mecklenburg-Vorpommern am aktuellen Rand nur bis zum
Jahr 2012 vor.
Abbildung 2:
Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen in den kreisfreien Städten und Landkreisen
in Mecklenburg-Vorpommern, 2012, in Euro je Einwohner
35.000
32.500
30.000
30.496
31.432
30.827
27.500
25.000
in Euro je EW
22.500
20.000
21.567
20.112
19.617
NWM
LP
20.677
22.477
22.208
19.086
20.599
17.500
15.000
12.500
10.000
7.500
5.000
2.500
0
HRO
LHSN
KFS
LRO
VR
MSP
VG
LK
MV
Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern; eigene Berechnungen.
(19)
Der demografische Wandel ist in Mecklenburg-Vorpommern bereits deutlich spürbar.
Es ist als das einwohnerschwächste ostdeutsche Land von einem sukzessiven Bevölkerungsrückgang betroffen. So verringerte sich die Bevölkerung im Vergleich zum Vorjahr um 6.055
Einwohner auf nunmehr 1.596.899 (Stand: 30. Juni 2013). Damit ist der Bevölkerungsstand
erstmals unter den Wert von 1,6 Millionen Einwohner gesunken.
Der Anteil Mecklenburg-Vorpommerns an der Gesamtbevölkerung Deutschlands beträgt damit
nur noch 1,98 Prozent. Im Jahr 1995 waren es noch 2,24 Prozent. Die 4. aktualisierte Landesprognose zur Bevölkerungsentwicklung (Basisjahr 2010) erwartet für das Jahr 2030 einen Bevölkerungsstand von nur noch rd. 1,48 Millionen Einwohnern.
(20)
Die SGB II-Quote, die die Relation der Summe von Beziehern von Leistungen nach
dem Zweiten Buch Sozialgesetzgebung (SGB II) und der Bevölkerung unter 65 Jahren darstellt, ist ein erster Indikator für den Arbeitsmarkt und der räumlichen sowie soziodemografischen Verteilung von Hilfebedürftigen (vgl. Abbildung 3).
9
Abbildung 3: SGB II-Quote im Flächenländervergleich, 2013, in Prozent
22
20
18
in Prozent
14
16,5
15,4
16
13,0
12,9
12
11,4
11,0
10
8,6
9,4
8
9,9
10,0
SL
SH
7,0
6
5,0
4
4,2
2
0
BB
MV
SN
ST
TH
BW
BY
HE
NI
NW
RP
Quelle: ZDL; eigene Berechnungen.
Mit einer SGB II-Quote von 15,4 Prozent hatte Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2013 nach
Sachsen-Anhalt (16,5 Prozent) den zweithöchsten Wert der Flächenländer. Im Vergleich zum
Vorjahr, in dem die SGB II-Quote 15,7 Prozent betrug, hat sich der Wert trotz des wirtschaftlichen Rückgangs in 2013 erneut geringfügig verbessert.
(21)
Somit ist die wirtschaftliche Situation Mecklenburg-Vorpommerns weiterhin durch eine
hohe Arbeitslosigkeit und schwierige sozioökonomische Bedingungen charakterisiert. Das Ungleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt, das hohe Transferleistungen bewirkt, ist ein unmittelbarer
Kostenfaktor für die kommunalen Haushalte und kann tendenziell ein Indiz für weitere kommunale Haushaltsbelastungen, wie beispielsweise für die Ausgaben nach SGB VIII (Jugendhilfe) oder für Ausgaben nach SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung)10
sein. So werden die Haushalte der Kommunen zum Beispiel durch die Kosten der Unterkunft
und Heizung (KdU) belastet, die u. a. von der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften im Rechtskreis nach dem SGB II abhängen.
(22)
In Abbildung 4 ist die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften je 1.000 Privathaushalte im
Ländervergleich dargestellt. Im Jahr 2013 wurden 135 von 1.000 Haushalten in MecklenburgVorpommern zu den Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II gezählt. Damit muss das Land
nach Sachsen-Anhalt den zweithöchsten Wert aller Flächenländer verzeichnen. Unter den ost-
10
10
Die finanziellen Leistungen der Grundsicherung im Alter werden seit dem Jahr 2014 vollständig vom Bund
übernommen.
deutschen Ländern hat Thüringen mit 95 Bedarfsgemeinschaften je 1.000 Einwohner die niedrigste Quote.
Abbildung 4: Bedarfsgemeinschaften je 1.000 Privathaushalte im Flächenländervergleich, 2013,
Jahresdurchschnitt
160
BG je 1.000 Privathaushalte
120
142
135
140
119
109
98
95
100
80
71
80
86
85
SL
SH
61
60
46
38
40
20
0
BB
MV
SN
ST
TH
BW
BY
HE
NI
NW
RP
Quelle: Destatis; eigene Berechnungen.
Während sich die Quote in allen ostdeutschen Ländern im Vergleich zum Vorjahr geringfügig
verbessert hat, ist sie in Mecklenburg-Vorpommern unverändert geblieben.11 Dies unterstreicht
die Problematik der hohen Soziallasten im Land.
2
Lage der kommunalen Finanzwirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns
(23)
Die Abbildung 5 gibt auf Grundlage des Finanzierungssaldos, der aus dem Saldo der
bereinigten Einnahmen und Ausgaben gebildet wird, einen ersten Überblick über die finanzielle
Situation der Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns, wenngleich dieser Sondereffekte, wie
zum Beispiel Auslagerungen aus den Kernhaushalten, Veräußerungserlöse, Auszahlung von
Umschuldungsmittel etc., nicht berücksichtigt.
11
Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht des Landesrechnungshofes
2013 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2013, S. 14.
11
700
4.000
600
3.900
500
3.800
400
3.700
300
3.600
224
3.500
200
82
79
100
-28
0
-100
-29
39
20
-41
9
-300
3.300
3.200
Finanzierungssaldo
Bereinigte Einnahmen
Bereinigte Ausgaben
-200
3.400
in Mio. Euro
in Mio. Euro
Abbildung 5: Bereinigte Einnahmen und Ausgaben sowie Finanzierungssaldo der Gemeinden/Gv. in
Mecklenburg-Vorpommern, 2005-2013, in Mio. Euro
3.100
3.000
2.900
-400
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen.
(24)
Die Kommunen im Land wiesen 2013 mit 9 Mio. Euro wieder einen – wenn auch klei-
nen - Finanzierungsüberschuss aus, nachdem 2012 mit -41 Mio. Euro ein Finanzierungsdefizit
zu verzeichnen war. Damit ist zunächst eine in der Gesamtsicht erfreuliche Entwicklung der
Haushaltslage festzustellen.
Das Innenministerium weist an dieser Stelle daraufhin, dass die Kassenstatistik mit 9.000 Euro
erheblich vom Finanzierungssaldo der GFK abweicht, da u. a. der Saldo der SGB II unberücksichtigt bleibe. Der Landesrechnungshof würde es begrüßen, wenn sich das Innenministerium
für eine Harmonisierung der Kassenstatistik mit der bundeseinheitlichen GFK einsetzen würde.
Wenn jedoch die nachstehende Tabelle 2 betrachtet wird, die die Entwicklung und die maßgeblichen Eckdaten der kommunalen Einnahmen und Ausgaben Mecklenburg-Vorpommerns der
Jahre 2009 bis 2013 darstellt, wird deutlich, dass trotz der sehr guten Einnahmeentwicklung
ein höherer Überschuss denkbar gewesen wäre. Dazu allerdings hätte die Ausgabendynamik
gebremst ohne die eigenen Einnahmen erhöht werden müssen.
(25)
Im Jahr 2013 beliefen sich die bereinigten Einnahmen auf rd. 3.952 Mio. Euro
(+5,7 Prozent, +214 Mio. Euro) und lagen damit weit über denen von 2012 in Höhe von rd.
3.738 Mio. Euro.
12
Tabelle 2:
Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden/Gv. in Mecklenburg-Vorpommern, 2009-2013,
in Mio. Euro
2009
2010
2011
2012
2013
2009-2013
in Mio. Euro
1. Einnahmen laufende Rechnung
2012-2013
Veränderung in %
3.375
3.280
3.419
3.395
3.617
7,2%
6,5%
716
757
830
862
946
32,1%
9,7%
153
274
159
262
165
287
167
311
175
364
14,4%
32,9%
4,9%
17,1%
245
1.922
236
1.783
244
1.815
295
1.768
333
1.888
36,0%
-1,8%
13,0%
6,8%
44
283
43
283
48
283
60
252
86
252
95,2%
-10,8%
43,3%
0,1%
2. Einnahmen der Kapitalrechnung
458
555
506
343
335
-26,9%
-2,4%
darunter:
Zuweisungen und Zuschüsse für
Investitionen vom Land
Erlöse aus Vermögensveräußerungen
301
331
295
230
220
-27,0%
-4,3%
57
65
66
43
33
-41,4%
-22,9%
3.833
3.835
3.924
3.738
3.952
3,1%
5,7%
3.182
3.207
3.332
3.366
3.638
14,3%
8,1%
903
702
889
724
902
800
943
801
972
995
7,7%
41,7%
3,1%
24,2%
Lfd. Zuweisungen und Zuschüsse
Zinsausgaben
Sozialausgaben*
788
92
1.084
821
82
1.091
835
78
1.113
908
67
1.138
931
63
1.186
18,2%
-31,7%
9,4%
2,5%
-6,9%
4,2%
5. Ausgaben der Kapitalrechnung
darunter:
Sachinvestitionen
Baumaßnahmen
Zuweisungen und Zuschüsse für
Investitionen
569
589
573
412
305
-46,4%
-26,0%
417
361
432
379
437
375
344
158
236
187
-43,5%
-48,3%
-31,5%
17,8%
113
132
107
20
29
-74,4%
44,8%
3.751
3.796
3.905
3.778
3.942
5,1%
4,3%
193
73
87
29
-21
-110,9%
-173,6%
191
155
148
85
187
-2,1%
120,0%
256
214
196
173
232
-9,4%
33,9%
2.051
1.968
1.906
1.733
1.762
-14,1%
1,7%
485
499
524
406
643
32,6%
58,2%
82
39
20
-41
9
-88,8%
X
darunter:
Steuern u. steuerähnliche Einnahmen
Grundsteuer A + B
Gewerbesteuer (netto)
Gemeindeanteil Einkommensteuer
Zuweisungen vom Land
Zuweisungen vom Bund
Gebühren, sonstige Entgelte
3. Bereinigte Einnahmen (1. + 2.)
4. Ausgaben laufende Rechnung
darunter:
Personalausgaben
Laufender Sachaufwand
6. Bereinigte Ausgaben (4. + 5.)
Saldo der laufenden Rechnung
Einnahmen aus Krediten und
inneren Darlehen
Schuldentilgung
Schulden am 31.12.
Kassenverstärkungskredite am 31.12.**
7. Finanzierungssaldo (3. ./. 6.)
Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kassenstatistik; eigene Berechnungen.
* Ohne die Aufwendungen der Optionskommune(n) für Grundsicherung für Arbeitssuchende, die der Bund trägt.
** Der hier ausgewiesene Stand der Kassenverstärkungskredite basiert auf einer Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes auf Grundlage der GFK.
x Ergebnis ohne Aussage.
13
Die bereinigten Ausgaben stiegen auf rd. 3.942 Mio. Euro (+4,3 Prozent, +164 Mio. Euro),
was ungefähr dem Ausgabenniveau von 2011 in Höhe von 3.905 Mio. Euro entspricht.
(26)
Die Einnahmen der laufenden Rechnung betrugen im Berichtszeitraum 3.617 Mio. Euro
(+6,5 Prozent, +222 Mio. Euro), womit ein kräftiger Anstieg zu konstatieren ist. Dieser ist in
erster Linie auf den deutlichen Anstieg der Steuereinnahmen zurückzuführen. Einen weiteren
Teil dürften die Sonderhilfen des Landes beigetragen haben.
Die Einnahmen der Kapitalrechnung in den Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns lagen mit
335 Mio. Euro (-2,4 Prozent, -8 Mio. Euro) auf einem erneut niedrigen Niveau. (vgl. Abbildung 6).
Abbildung 6: Veränderungen wesentlicher Einnahmepositionen im Vergleich 2013 zum Vorjahr, in
Mio. Euro
Einnahmen laufenden Rechnung
222
darunter:
Steuern und steuerähnliche Einnahmen
83
Zuw eisungen vom Land
120
Zuw eisungen vom Bund
26
Gebühren, sonstige Entgelte
0
Einnahmen Kapitalrechnung
-8
darunter:
Zuw eisungen und Zuschüsse
für Investitionen vom Land
-10
Erlöse aus Vermögensveräußerungen
-10
Bereinigte Einnahmen
214
-50
0
50
100
in Mio. Euro
150
200
250
Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen.
(27)
Wesentliche Veränderungen betreffen auf der Einnahmeseite:
•
die Steuern und steuerähnliche Einnahmen (+9,7 Prozent, +83 Mio. Euro), darunter
insbesondere die Gewerbesteuer (+17,1 Prozent, +53 Mio. Euro),
•
die Zuweisungen vom Land (+6,8 Prozent, +120 Mio. Euro) und
•
die Zuweisungen und Zuschüsse für Investitionen vom Land (-4,3 Prozent, -10 Mio.
Euro).
(28)
Die Ausgaben der laufenden Rechnung betrugen im Berichtszeitraum rd. 3.638 Mio.
Euro (+8,1 Prozent, +271 Mio. Euro). Damit wird der Ausgabenanstieg der vergangenen Jahre
auf einem hohen Niveau fortgesetzt. Etwaige ausgabenseitige Konsolidierungsmaßnahmen
14
konnten somit auch im Jahr 2013 in der Gesamtsicht nicht festgestellt werden. Die Ausgaben
der Kapitalrechnung beliefen sich 2013 in Mecklenburg-Vorpommern auf rd. 305 Mio. Euro (26 Prozent, -107 Mio. Euro). Diese sind wie die Einnahmen der Kapitalrechnung auf einen seit
1995 noch nicht erreichten Tiefstand gesunken.
Abbildung 7: Veränderungen wesentlicher Ausgabepositionen im Vergleich 2013 zum Vorjahr, in
Mio. Euro
Ausgaben laufende Rechnung
271
darunter:
Personalausgaben
29
Laufender Sachaufw and
Laufende Zuw eisungen
und Zuschüsse
Zinsausgaben
194
23
-5
Sozialausgaben
Ausgaben Kapitalrechnung
darunter:
Zuw eisungen und Zuschüsse
für Investitionen
Sachinvestitionen
48
-107
9
-108
Bereinigte Ausgaben
-145
164
-95
-45
5
55
105
in Mio. Euro
155
205
255
Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen.
(29)
(30)
Auf der Ausgabeseite veränderten sich vor allem
•
der laufende Sachaufwand (+24,2 Prozent, +194 Mio. Euro) 12,
•
die Sozialausgaben (+4,2 Prozent, +48 Mio. Euro),
•
die Zinsausgaben (-6,9 Prozent, -5 Mio. Euro) und
•
die Sachinvestitionsausgaben (-31,5 Prozent, -108,2 Mio. Euro).
Der kommunale Finanzierungsüberschuss Mecklenburg-Vorpommerns ist damit auf die
kräftig gestiegenen Einnahmen zurückzuführen, welche wiederum durch die gewährten
Sonderhilfen des Landes an die Kommunen getrieben wurden. Ausgabeseitige Konsoliderungsschritte sind in Anbetracht der stark angewachsenen konsumtiven Ausgaben nicht festzustellen.
Auch der Anstieg der Sozialausgaben ist auffällig.
(31)
Nachfolgend werden die einzelnen Gebietskörperschaftsebenen in der alten Kreisgliede-
rung dargestellt, um die finanzwirtschaftliche Entwicklung über einen längeren Zeitraum zu
12
Durch die Doppik-Einführung hat sich der Investitionsbegriff geändert. Nunmehr wird ein Teil der Investi tionen als laufender Sachaufwand verbucht, was ein Erklärungsgrund für den starken Anstieg sein kann.
15
analysieren. Dazu wurden die ehemaligen kreisfreien Städte der Säule der kreisfreien Städte
hinzugerechnet.13
Unterschiede in der Haushaltsentwicklung sind für die kommunalen Gebietskörperschaftsebenen Mecklenburg-Vorpommerns auch im Jahr 2013 zu konstatieren. Wie Abbildung 8 zeigt,
konnten die kreisfreien Städte (inklusive der großen kreisangehörigen Städte) sowie die Ämter
und Gemeinden einen Pro-Kopf-Überschuss erzielen. Die Landkreise hingegen wiesen erneut
ein Defizit auf. Dies deutet auf ein interkommunales fiskalisches Verteilungsproblem hin.
Abbildung 8: Finanzierungssalden der kommunalen Gebietskörperschaften in Mecklenburg-Vorpommern, 2009-2013, in Euro je Einwohner14
100
80
in Euro je EW
60
58
52
38
2010
2011
2012
2013
56
48
40
20
2009
79
36
34
25
17
8
0
11
3
0
2
-5
-20
-13
-16
7
-22
-25
-40
-51
-60
Kommunaler
Gesamthaushalt
Kreisfreie Städte*
-44
Kreisangehöriger
Raum insgesamt,
-49 -50
... davon
Landkreise
... davon Ämter
und Gemeinden
Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kassenstatistik; eigene Berechnungen.
* Im Jahr 2011, 2012 und 2013 auch die großen kreisangehörigen Städte.
(32)
Im Vorjahresvergleich sind die kreisfreien Städte auffällig. Der Finanzierungssaldo stei-
gerte sich von -51 Euro je Einwohner in 2012 auf +79 Euro je Einwohner im Jahr 2013. Ansatzweise kann dies auf die gestiegenen Einnahmen zurückgeführt werden.
Die Finanzlage des kreisangehörigen Raumes hat sich 2013 mit einem einwohnerbezogenen
Defizit in Höhe von 44 Euro in erheblichem Maße verschlechtert, was überwiegend auf die er-
13
14
16
In diesem Abschnitt wird grundsätzlich die Kassenstatistik ausgewertet, weil die Daten nun landesintern
ausgewertet werden. Vorher dargestellte Daten können nachfolgend abweichen. Dies ist dann der Datenquelle geschuldet.
Der kommunale Gesamthaushalt setzt sich aus den kreisfreien Städten und den Landkreisen bzw. dem
kreisangehörigen Raum (darunter Kreisverwaltungen [hier: Landkreise], kreisangehörige Städte und Gemeinden sowie Amtsverwaltungen) zusammen. Zu beachten ist, dass sich die einwohnerbezogenen Finanzierungssalden der kreisfreien Städte und des kreisangehörigen Raumes nicht zum Finanzierungssaldo
des kommunalen Gesamthaushaltes addieren lassen, da nicht die gleiche Basis verwandt wird.
neut deutlich negative Entwicklung der Landkreisfinanzen zurückzuführen war. Das Niveau
des einwohnerbezogenen Defizits der Landkreise hat sich auf 50 Euro nahezu verstetigt.
Das Innenministerium verweist in seiner Stellungnahme darauf, dass die Kassenstatistik an dieser Stelle den Finanzierungssaldo zu positiv darstellt. Kreditaufnahme und -tilgungen würden
nur für den öffentlichen Bereich bei der Investitionstätigkeit abgebildet. Dadurch wirke sich
zum Beispiel die Kreditaufnahme Schwerins beim Kommunalen Aufbaufonds von rd. 15 Mio.
Euro bei gleichzeitiger Tilgung von nur 1,3 Mio. Euro deutlich verzerrend auf den positiven
Finanzierungssaldo der Kassenstatistik aus. Ähnliche Geschäfte mit Kreditinstituten würden in
der Statistik anders behandelt.
Der Landesrechnungshof bittet das Innenministerium zu prüfen, wie die Kassenstatistik zukünftig um derartige Sondereffekte bereinigt werden kann. Zudem ist dafür Sorge zu tragen,
dass das Statistische Amt Mecklenburg-Vorpommern derartige Informationen auch dem Statistischen Bundesamt zur Verfügung stellt.
(33)
Mit Ausnahme des Landkreises Rostock, der einen Finanzierungsüberschuss von
21,9 Mio. Euro aufwies, war 2013 bei den Landkreisen ein Finanzierungsdefizit zu verzeichnen: der Landkreis Mecklenburgische-Seeplatte 18,5 Mio. Euro, der Landkreis VorpommernGreifswald 15,7 Mio. Euro, der Landkreis Nordwestmecklenburg 2,6 Mio. Euro, der Landkreis Vorpommern-Rügen 10,1 Mio. Euro und der Landkreis Ludwigslust-Parchim 11 Mio.
Euro.
Die Finanzlage der Ämter und kreisangehörigen Gemeinden hat sich 2013 etwas eingetrübt.
Sie konnten zwar noch einen positiven Finanzierungssaldo von 7 Euro je Einwohner vorweisen, jedoch fällt dieser im Vergleich zum Vorjahr um 29 Euro je Einwohner niedriger aus.15
Es bleibt abzuwarten, ob das 2014 in Auftrag gegebene Gutachten zur Novellierung des kommunalen Finanzausgleichs Ansätze zur Lösung der interkommunalen Verteilungsprobleme liefern kann.
(34)
Aus dem Saldo der laufenden Rechnung wird die divergierende finanzwirtschaftliche
Entwicklung der kommunalen Gebietskörperschaften offensichtlich (vgl. Tabelle 3). Die Differenz der laufenden Einnahmen und laufenden Ausgaben der Kommunen ist eine maßgebliche
15
Deutlich positive Ergebnisse erzielten zum Beispiel die kreisangehörigen Gemeinden des Landkreises Rostock. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass sich die finanzielle Lage einzelner Kommunen auf dieser Ge bietskörperschaftsebene negativ darstellt.
17
Kennziffer zur Bewertung der strukturellen Lage des laufenden Haushaltes. Darüber hinaus
verdeutlicht sie, ob und inwieweit die Kommunen Investitionen aus selbst erwirtschafteten Mitteln tätigen können.
(35)
Im Jahr 2013 erzielten die kommunalen Haushalte Mecklenburg-Vorpommerns insge-
samt einen positiven Saldo der laufenden Rechnung in Höhe von 63 Euro je Einwohner. Im
Vergleich zum Vorjahr ist er um 45 Euro je Einwohner angestiegen.
Die kreisfreien Städte und großen kreisangehörigen Städte konnten 2013 nach einem Defizit
2012 im vorangegangenen Jahr einen positiven Saldo vorweisen (58 Euro je Einwohner). Dies
ist das beste Ergebnis der vergangenen fünf Jahre.
Der kreisangehörige Raum konnte im Berichtsjahr mit 66 Euro je Einwohner erneut Überschüsse erzielen. Dies entspricht einer Steigerung um 13 Euro je Einwohner. Im beobachteten
Zeitraum seit 2009 konnte der kreisangehörige Raum durchweg positive Salden ausweisen,
wobei die Entwicklung innerhalb der Ebene deutlich heterogen ausfallen dürfte.
Tabelle 3:
Salden der laufenden Rechnung der kommunalen Gebietskörperschaftsebenen Mecklenburg-Vorpommerns, 2009-2013, in Euro je Einwohner
2009
2010
2011
2012
2013
in Euro je Einwohner
2009-2013
2012-2013
Veränderung in %
Kommunaler Gesamthaushalt
Einnahmen
2.083
2.038
2.119
2.162
2.341
12,3 %
8,3 %
Ausgaben
1.965
2.001
2.071
2.144
2.278
15,9 %
6,3 %
117
38
48
18
63
-46,2 %
250 %
Saldo der laufenden Rechnung
Kreisfreie Städte*
Einnahmen
2.190
2.186
2.295
1.893
2.083
-4,9 %
10,0 %
Ausgaben
2.199
2.175
2.273
1.951
2.026
-7,9 %
3,8 %
11
22
-57
58
x
x
Saldo der laufenden Rechnung
-10
Kreisangehöriger Raum
Einnahmen
2.034
1.971
2.037
2.288
2.463
21,1 %
7,6 %
Ausgaben
1.859
1.921
1.977
2.235
2.397
28,9 %
7,2 %
175
50
60
53
66
-62,3 %
24,5 %
Saldo der laufenden Rechnung
Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kassenstatistik; eigene Berechnungen.
* In den Jahren 2011, 2012 und 2013 auch die großen kreisangehörigen Städte.
(36)
Im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung sind wachstumsfördernde Ausgaben
der Kapitalrechnung, wie die Sachinvestitionsausgaben, besonders bedeutsam. Auf der kommunalen Ebene prägen diese neben dem Erhalt und Ausbau der kommunalen Infrastruktur auch
die zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklungen.
18
In nachfolgender Tabelle 4 sind die Investitionsausgaben der kommunalen Gebietskörperschaftsebenen Mecklenburg-Vorpommerns dargestellt.
Tabelle 4:
Ausgaben der Kapitalrechnung der kommunalen Gebietskörperschaftsebenen Mecklenburg-Vorpommerns, 2009-2013, in Euro je Einwohner
2009
2010
2011
2012
2013
in Euro je Einwohner
2009-2013
Summe
Kommunaler Gesamthaushalt
Ausgaben der Kapitalrechnung
343
358
349
253
278
1.581
252
263
267
211
234
1.227
darunter:
Sachinvestitionen
Kreisfreie Städte*
Ausgaben der Kapitalrechnung
298
373
315
220
215
1.421
157
196
176
193
176
898
darunter:
Sachinvestitionen
Kreisangehöriger Raum
Ausgaben der Kapitalrechnung
362
351
366
269
307
1.655
295
293
309
219
262
1.378
darunter:
Sachinvestitionen
Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern; Kassenstatistik, eigene Berechnungen.
* In den Jahren 2011, 2012 und 2013 auch die großen kreisangehörigen Städte.
(37)
Der kommunale Gesamthaushalt Mecklenburg-Vorpommerns hat im Jahr 2013 Ausga-
ben der Kapitalrechnung von insgesamt 278 Euro je Einwohner getätigt. Damit sind die Ausgaben im Vergleich zum Vorjahr um 25 Euro je Einwohner angestiegen. Dieses Wachstum ist vor
allem auf den kreisangehöigen Raum (hier: ohne die großen kreisangehörigen Städte) zurückzuführen. Sie steigerten ihre Ausgaben um 38 Euro je Einwohner auf nunmehr 307 Euro je
Einwohner. Bei den kreisfreien Städte sind die Ausgaben der Kapitalrechnung erneut gesunken. Im Gegensatz zum Vorjahr fiel der Rückgang mit rd. 2,3 Prozent allerdings relativ gering
aus.
Es bestehen ferner weiterhin deutliche Unterschiede bei den aufsummierten Sachinvestitionen.
Während die Gemeinden des kreisangehörigen Raumes im Zeitraum 2009 bis 2013 je Einwohner 1.378 Euro investierten, gaben die kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte lediglich
898 Euro je Einwohner aus.
Einschränkend ist darauf hinzuweisen, dass die aus der Kassenstatistik entnommenen Ausgaben
für Sachinvestitionen nicht diejenigen Investitionen enthalten, die von Eigenbetrieben und kommunalen Unternehmen sowie Städtebaulichen Sondervermögen vorgenommen wurden. Insbesondere in den kreisfreien und großen kreisangehörigen Städten können die Investitionen da-
19
durch unterzeichnet sein. Hinzu kommt, dass durch die Einführung der kommunalen Doppik
Investitionen zum Teil unter laufenden Sachaufwand verbucht werden, was aus einer geänderten Anwendung des Investitionsbegriffs resultiert.
Das Finanzministerium regt an, zukünftig stärker Daten des kommunalen Rechnungswesens in
den Fokus zu rücken, um Eigenkapitalveränderungen nachvollziehen und auswerten zu können.
Der Landesrechnungshof wertet im allgemeinen Teil seines Kommunalfinanzberichtes nur statistische Daten der amtlichen Statistik aus. Dennoch wird er zukünftig in Erwägung ziehen,
auch sich aus Eröffnungsbilanzen ergebenden Daten auszuwerten.
(38)
Die insgesamt rückläufige Tendenz der Investitionstätigkeit, die ein Indiz für die ange-
spannte finanzielle Lage der Kommunen ist, war für alle Gebietskörperschaftsebenen in Mecklenburg-Vorpommern festzustellen. Dies wird aus Abbildung 9 ersichtlich. Sie bildet die Investitionsquote als Anteil der Sachinvestitionsausgaben an den bereinigten Ausgaben für den Zeitraum von 1995 bis 2013 ab.
Abbildung 9: Entwicklung der Sachinvestitionsquoten bei einzelnen Gebietskörperschaftsebenen in
Mecklenburg-Vorpommern, 1995-2013, in Prozent
40%
35%
Kreisf reie und große kreisangehörige Städte
Landkreise
Kreisangehörige Gemeinden
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kassenstatistik; eigene Berechnungen.
Im Jahr 2013 ist die Sachinvestitionsquote der kreisfreien und der großen kreisangehörigen
Städte im Vergleich zum Vorjahr auf 8 Prozent gesunken.Während die kreisangehörigen Gemeinden ihre Quote verstetigten, konnten die Landkreise mit 4 Prozent eine um zwei Prozentpunkte höhere Investitionsquote vorweisen.
20
Das Innenministerium verweist an dieser Stelle einschränkend darauf, dass zum Beispiel Rostock und Neubrandenburg in erheblichem Maße Sachinvestitionen in Immobilien durch ihre
Eigenbetriebe durchgeführt haben.
Der Landesrechnungshof wertet in dem vorliegenden Kommunalfinanzbericht in erster Linie
die Kernhaushalte der Kommunen aus, um lange Zeitreihen untersuchen zu können. Sobald
diese auch für Extrahaushalte vorliegen, wird die Betrachtung umgestellt.
(39)
Diese kritisch zu bewertende Entwicklung ist insbesondere auf die kontinuierliche Stei-
gerung der konsumtiven Ausgaben zurückzuführen. Deutlich wird dies, wenn den kommunalen
Sozialausgaben die Sachinvestitionen gegenübergestellt werden.
Auch hier ist der zuvor beschriebene Trend mit sinkenden Investitionen zu beobachten. Besorgniserregend ist jedoch zudem, dass die kommunalen Sozialausgaben spiegelbildlich ansteigen. Die gegenläufige Entwicklung zwischen kommunalen Sozialausgaben und Sachinvestitionen kann ein Indiz für die strukturelle Schieflage der Kommunen sein.
Die niedrigen Sachinvestitionen deuten zusätzlich auf einen substanziellen Nachholbedarf bei
Investitionen im Infrastrukturbereich hin.
Abbildung 10: Entwicklung der kommunalen Sozialausgaben und Sachinvestition in Mecklenburg-Vorpommern, 1995-2013, in Mio. Euro
1.400
1.300
1.200
Sozialausgaben
Sachinv estitionen
1.100
in Mio. Euro
1.000
900
800
700
600
500
400
300
200
100
0
1995
1997
1999
2001
2003
2005
2007
2009
2011
2013
1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kassenstatistik; eigene Berechnungen.
Die gegenwärtig nicht vorgenommenen Investitionen, insbesondere in die kommunale Infrastruktur, sind als „Betrieb auf Verschleiß“ nicht dauerhaft hinnehmbar und werden erhebliche
21
Folgeprobleme mit sich bringen. Es sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Entwicklung umzukehren.
Das Sozialministerium weist darauf hin, dass Sozialausgaben im Gegensatz zu Sachinvestitionen in weiten Teilen gesetzliche Leistungen sind, bei denen nur in der Ausgestaltung eingeschränkte Handlungsspielräume bestünden.
Der Landesrechnungshof will mit dieser Darstellung keinen kausalen Zusammenhang implizieren, sondern lediglich auf die veränderte Ausgabenstruktur aufmerksam machen.
3
Die kommunale Finanzwirtschaft im Vergleich
(40)
Den im folgenden Abschnitt dargestellten Analysen zur relativen Entwicklung der kom-
munalen Finanzwirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns wird zunächst ein kurzer Überblick
über den Stand des öffentlichen Gesamthaushaltes vorangestellt. Ziel ist es, einen Überblick
über die finanzielle Situation aller Gebietskörperschaftsebenen Deutschlands zu gewinnen.16
(41)
Die Abbildung 11 verdeutlicht, dass die Haushaltslage des Bundes und der Länder
weiterhin angespannt ist. Das kassenmäßige Finanzierungsdefizit der Kern- und Extrahaushalte
des
öffentlichen
Haushaltes
betrug
2013
(Bund,
Länder,
Gemeinden/Gv.
und
Sozialversicherungen) in Abgrenzung der Finanzstatistik rd. 9,4 Mrd. Euro. Das Defizit hat
sich allerdings im Vergleich zum Vorjahr um 1,6 Mrd. Euro verringert, zeigt jedoch, dass die
fiskalischen Handlungsspielräume trotz der bundesweiten guten Konjunktursituation noch
immer begrenzt sind. Für eine Umverteilung von Finanzmitteln zwischen Bund, Ländern und
Kommunen dürfte jedoch kaum ein Spielraum bestehen.
(42)
Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Haushaltslage des Bundes verbessert. Das
kassenmäßige Defizit sank gegenüber 2012 um rd. 7,5 Mrd. Euro auf 14,5 Mrd. Euro.
16
22
Die Entwicklung des öffentlichen Finanzierungssaldos wird an dieser Stelle anhand der Veröffentlichung
„Vierteljährliche Kassenergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts“ (Fachserie 14, Reihe 2) des Statistischen Bundesamtes analysiert. Die Belastbarkeit der Daten ist durch die Einführung der kommunalen Dop pik in einigen Länder eingeschränkt (vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2013 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2013, S. 3 ff.).
Abbildung 11: Finanzierungssalden der Körperschaften des öffentlichen Gesamthaushaltes, 20102013, in Mrd. Euro
20
in Mrd. Euro
0
-51,6
-23,1
-8,8
-12,4
-10,8
-2,9
-22,0
-5,8
0,9
-14,5
-0,6
1,1
-20
-40
-60
Bund
Länder
Gemeinden/Gv .
-80
-100
2010
2011
2012
2013
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14, Reihe 2; eigene Berechnungen.
(43)
Der Finanzierungssaldo der Länder hat sich von rd. -5,8 Mrd. Euro im Jahr 2012 auf
-0,6 Mrd. Euro stark verbessert. Alle ostdeutschen Flächenländer erzielten 2013 einen Finanzierungsüberschuss. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat mit seinen Kern- und Extrahaushalten einen positiven Finanzierungssaldo in Höhe von rd. 419 Mio. Euro erreicht. Dieser
ist im Vergleich zum Vorjahr um rd. 200 Mio. Euro angestiegen.
(44)
Die kommunalen Kern- und Extrahaushalte Deutschlands haben sich im Vergleich zu
den Vorjahren nochmals positiv entwickelt. Schon im Jahr 2012 war mit 0,9 Mrd. Euro ein
Überschuss festzustellen, das Jahr 2013 wurde nunmehr sogar mit einem Überschuss in Höhe
von rd. 1,1 Mrd. Euro abgerechnet. Die Extrahaushalte verzeichneten mit rd. -0,6 Mrd. Euro
hingegen erneut ein Finanzierungsdefizit.
Mit Ausnahme der Kommunen in Hessen (-1,1 Mrd. Euro), Rheinland-Pfalz (-260 Mio. Euro),
Saarland (-319 Mio. Euro), Nordrhein-Westfalen (-86 Mio. Euro) und Schleswig-Holstein (107 Mio. Euro) wies die kommunale Ebene Deutschlands einen Überschuss auf. Die Kommunen von fünf der 13 Flächenländer wirtschafteten damit in der Gesamtsicht negativ.
(45)
Vom Finanzierungsüberschuss Niedersachsens beeinflusst erzielten auch die Kommu-
nen der finanzschwachen Westflächenländer erneut einen positiven Finanzierungssaldo. Mit einem einwohnerbezogenen Überschuss von rd. 13 Euro hat sich 2013 die Finanzlage damit gegenüber 2012 deutlich verbessert. Die kommunalen Haushalte der übrigen ostdeutschen Flä-
23
chenländer schlossen das Jahr 2013 mit einem Überschuss von rd. 55 Euro je Einwohner ab
(vgl. Abbildung 12).
Abbildung 12: Finanzierungssalden der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 2000-2013, in Euro je
Einwohner
200
MV
FO
FFW
150
in Euro je EW
100
50
0
-50
-100
-150
-200
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen.
(46)
In Tabelle 5 werden die Einnahmen im Benchmarkvergleich dargestellt. Die Daten in
diesen Darstellungen werden jeweils als Pro-Kopf-Werte ausgewiesen, um die einzelnen Positionen länderübergreifend vergleichen zu können. Zur Verdeutlichung von potenziellen oder
realisierbaren Einsparungen werden für die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns ferner
Einnahmen- und Ausgabendifferenziale errechnet. Dabei zeigt eine positive Differenz Mehreinnahmen bzw. -ausgaben und eine negative Differenz Mindereinnahmen bzw. -ausgaben an.
24
Tabelle 5:
Einnahmen der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 2013, in Euro je Einwohner
Bevölkerung am 30. Juni 2013
MV
FFW
FO
1.596.899
15.577.609
10.901.744
Einnahmeart
Einnahmen der laufenden Rechnung
Mehr-(+)/Mindereinnahmen(-)
in Euro je Einwohner
FFW
FO
in Mio. Euro
2.265
2.260
2.177
7
140
Steuereinnahmen
592
924
653
-530
-97
Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit
166
133
133
53
53
1.182
848
1.082
533
160
Verwaltungs- und Benutzungsgebühren sowie
zweckgebundene Abgaben
158
158
172
-1
-22
Einnahmen der Kapitalrechnung
210
142
217
109
-12
21
50
22
-47
-2
Vermögensübertragungen vom Land17
138
46
165
147
-44
Vermögensübertragungen von anderen
Bereichen
31
40
27
-15
7
Bereinigte Einnahmen
2.474
2.402
2.394
116
128
nachrichtlich: Zahlungen vom Land
1.320
984
1.247
679
116
darunter:
Laufende Zuweisungen und Zuschüsse vom
Land
darunter:
Vermögensveräußerungen
Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen.
(47)
Die bereinigten Pro-Kopf-Einnahmen der hiesigen Kommunen lagen 2013 mit 2.474
Euro circa 2,9 Prozent über denen der finanzschwachen Westflächenländer bzw. rund 3,3 Prozent höher als in den übrigen ostdeutschen Flächenländer (vgl. Tabelle 5). Aus der Hochrechnung auf die Einwohnerzahl Mecklenburg-Vorpommerns ergeben sich für 2013 für beide Vergleichsgruppen Mehreinnahmen von 116 Mio. bzw. 128 Mio. Euro.
(48)
Dies korrespondiert mit den Zahlungen vom Land Mecklenburg-Vorpommern, wonach
die kommunale Ebene im Jahr 2013 rd. 1.182 Euro je Einwohner erhalten hat. Im Vergleich zu
den finanzschwachen Westflächenländern tätigte das Land damit rechnerische Mehrausgaben in
Höhe von rd. 533 Mio. Euro bzw. in Relation zu den übrigen ostdeutschen Ländern von
160 Mio. Euro. Damit hat das Land wie im Vorjahr vergleichsweise die höchsten Zahlungen an
die Kommunen geleistet. Somit gleicht es die ungenutzten Spielräume der Kommunen bei den
Realsteuern und Entgelteinnahmen auf der Einnahmeseite durch erhöhte Zuweisungen und Zuschüsse aus. Dies wird besonders gegenüber den übrigen ostdeutschen Ländern deutlich, wenn
die hiesigen Steuermindereinnahmen (-97 Mio. Euro) den Mehreinnahmen aus laufenden Zuweisungen und Zuschüssen (+160 Mio. Euro) gegenübergestellt werden.
17
Darunter sind auch investive Zuweisungen und Zuschüsse zu verstehen.
25
(49)
Dies steht im Einklang damit, dass die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns nur
einen geringen Teil der laufenden Einnahmen mit ihrem Steueraufkommen bestreiten. Lediglich
26,1 Prozent der laufenden Einnahmen finanzierten sie durch Steuern, bei den übrigen ostdeutschen Kommunen betrug diese Relation schon 30,0 Prozent. Noch wesentlich deutlicher wird
die Eigenfinanzierungsschwäche in Bezug auf die Kommunen der finanzschwachen Westflächenländer. Dort beträgt die Quote 40,9 Prozent.
(50)
Mecklenburg-Vorpommern hat in der jüngsten Vergangenheit trotz vergleichsweise
höchster Kommunalzuweisungen je Einwohner eine Reihe weiterer Finanzierungsinstrumente
für die Kommunen geschaffen. Seit dem Jahr 2012 wurden
•
der
Kommunale
Haushaltskonsolidierungsfonds
Mecklenburg-Vorpommern
(100 Mio. Euro),
•
das Kommunale Kofinanzierungsprogramm (50 Mio. Euro),
•
Sonderhilfe für 2014-2016 aufgrund des Kommunalgipfels 2013 (100 Mio. Euro) sowie
•
Unterstützungshilfe für 2014-2017 aufgrund des Kommunalgipfels 2014 (160 Mio.
Euro) implementiert.
Diese Hilfen summieren sich mittlerweile bis 2017 auf 410 Mio. Euro, wobei die Verteilung
der Mittel größtenteils nicht an sach- und zielgerechte Kriterien anknüpft. So erfolgt beispielsweise die Aufteilung der 100 Mio. Euro aus dem Kommunalgipfel 2013 auf Grundlage der
Einwohnerzahlen. Danach erhalten die Landkreise und die kreisangehörigen Gemeinden jeweils
50 Prozent des einwohnerbezogenen Zuweisungsbetrages. Die kreisfreien Städte erhalten hingegen den vollen Betrag. Die Mittel selbst können für nachhaltige Investitionen vorrangig im
Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge, für Modernisierungen, zur Schuldentilgung sowie
für finanzielle Aufwendungen aus Anlass der Kreisgebietsreform verwendet werden. Eine zielgenaue Bindung der Mittel erfolgt dabei nicht, zumal die genannten Ziele nicht ausreichend
spezifiziert sind.
(51)
Die vielfältigen Sonderhilfen für die kommunale Ebene können somit keinen wirksamen
Beitrag zur Lösung der Haushaltsprobleme leisten. Eine Priorisierung einzelner Maßnahmen
oder Politikbereiche durch das Land ist durch derartige Programme nicht erkennbar. Diese sind
mit Blick auf die zukünftige Einnahmeentwicklung nicht zu vereinbaren. Die durch die Pro26
gramme gebundenen Mittel fehlen zur Erfüllung originärer Landesaufgaben bzw. zum Schuldenabbau (Nettotilgung). Auf der kommunalen Ebene verzögern die Sonderhilfen den notwendigen haushaltspolitischen Anpassungsprozess im Hinblick auf 2020.
(52)
Aus dem Vergleich der prognostizierten Einnahmeentwicklung von Land und Kommu-
nen wird deutlich, dass sogenannte Sonderhilfen und Unterstützungszahlungen für die kommunale Ebene Mecklenburg-Vorpommerns nicht erforderlich wären, wenn man rechtzeitig die
notwendigen Strukturreformen auf der kommunalen Ebene durchgeführt hätte (vgl. Abbildung
13).
Während die Einnahmen des Landes aus dem Länderfinanzausgleich und Steuern zwischen
2014 und 2018 voraussichtlich um 2,6 Prozent steigen werden, erhöhen sich dagegen die Einnahmen der Kommunen aus dem kommunalen Finanzausgleich und den eigenen Steuern sogar
um 6,2 Prozent.
Abbildung 13: Einnahmeentwicklung von Land und Kommunen auf Basis der regionalisierten Steuerschätzung November 2013, 2014-2018, in Prozent
108%
Kommunen (KFA+Steuern)
Land
106%
104%
102%
100%
98%
2014
2015
2016
2017
2018
Quelle: Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern; eigene Berechnungen.
(53)
Zu dieser ohnehin schon positiven prognostizierten Entwicklung für die kommunale
Ebene kommen noch die Sonderhilfen, für die es aus Sicht des Landesrechnungshofes keine
nachvollziehbaren Gründe gibt (vgl. Abbildung 14).
27
Abbildung 14: Kommunale Einnahmen aus KFA, Gemeindesteuern und Sonderhilfen, 2013-2018, in
Mio. Euro
1.200
1.000
in Mio. Euro
800
KFA
Gem eindes teuern
100 Mio-Paket
Hilfe 160 Mio.
600
400
200
0
2013
2014
2015
2016
2017
2018
Quelle: Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern; eigene Berechnungen.
Schon der anteilige Rückgang der Solidarpaktmittel (-150 Mio. Euro) wird für die Kommunen
durch den aktuellen kommunalen Finanzausgleich fast vollständig kompensiert. Hinzu kommen
die kommunalen Steuermehreinnahmen. Diese übersteigen 2018 erstmals die zugewiesenen
Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich.
Während das Land so gut wie keine Steuerautonomie besitzt, können die Kommunen insbesondere durch die Festlegung der Realsteuerhebesätze ihre eigenen Einnahmen signifikant beeinflussen.
Tabelle 6:
Einnahmen aus der Grundsteuer A und B im Vergleich der Flächenländer, 2011-2013, in
Euro je Einwohner
BB
MV
SN
ST
TH
NI
RP
SL
SH
FO
FFW
in Euro je Einwohner
2011
101
102
116
101
94
155
121
114
137
105
140
2012
102
104
118
103
98
161
127
116
140
107
146
2013
104
110
118
107
102
165
130
119
142
109
149
Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen.
(54)
Dass dies möglich ist, zeigt die Einnahmeentwicklung aus der Grundsteuer A und B.
Deutlich ersichtlich ist noch immer die relative Steuerschwäche der Kommunen der ostdeutschen Länder (vgl. Tabelle 6). Während sie aus den Grundsteuern A und B ein Pro-Kopf-Aufkommen von 109 Euro vereinnahmen konnten, lag der Wert der finanzschwachen Westflächenländer bei 149 Euro. Die westdeutschen Vergleichskommunen nahmen somit 39 Euro je Kopf
28
mehr ein als die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich
der Abstand jedoch um drei Euro verringert.
Durch die unterschiedlichen Bewertungsvorschriften in Ost- und Westdeutschland ist die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer B in Ostdeutschland grundsätzlich niedriger. Sollen
gleiche Pro-Kopf-Einnahmen erreicht werden, müssen die Hebesätze in Ostdeutschland
zwangsläufig regelmäßig höher sein. Daher sind die Hebesätze aus der Grundsteuer B noch
weiter deutlich zu erhöhen (vgl. Tabelle 7).18
Tabelle 7:
Gewogene durchschnittliche Hebesätze der Grundsteuer A und B im Vergleich der Flächenländer, 2013, in v. H.
BW
BY
BB
HE
MV
NI
NW
RP
SL
SN
ST
SH
TH
Hebesatz in v. H.
Grundsteuer A
352
342
284
310
276
363
250
305
256
307
308
301
286
Grundsteuer B
386
385
389
381
400
409
496
373
359
484
399
363
407
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14, Reihe 10.1; eigene Berechnungen.
Des Weiteren sollte das Land sich um eine Weiterentwicklung der für die Kommunen wichtigen Besteuerung der Einwohner (Grundsteuer B) bemühen, um den Kommunen zum einen
Einnahmepotenziale zu eröffnen und zum anderen das Recht zu geben, eine beständige und zukunftsfeste Steuer zu erheben.19
In der nachstehenden Tabelle 8 sind die Einnahmen der Kommunen aus der Grundsteuer A in
Euro je Landwirtschaftsfläche (km²) dargestellt, um die Einnahmepotenziale der Grundsteuer
A weiter zu verdeutlichen. Die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns bilden im Ländervergleich mit den Kommunen von Brandenburg gemeinsam die Schlusslichter.
Tabelle 8:
Einnahmen aus der Grundsteuer A im Vergleich der Flächenländer, 2012, in Euro je genutzter Landwirtschaftsfläche (km²) 20
BB
MV
SN
ST
TH
NI
RP
SL
SH
FO
FFW
2.270
1.194
1.894
1.334
2.230
in Euro je km²
2012
932
985
1.406
1.791
1.258
2.388
Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK und Fachserie 3, Reihe 5.1; eigene Berechnungen.
18
19
20
Tendenziell korreliert die Höhe der Hebesätze mit der Größe der Gemeinden. Es ist daher möglich, dass
größere Städte unter Umständen wegen ihres überdurchschnittlichen Finanzbedarfs ungleich höhere ProKopf-Einnahmen generieren müssen, als die in der Tabelle 6 angegebenen Werte.
Siehe dazu auch Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2011 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2011, S. 32.
Zum Zeitpunkt der Erstellung des Kommunalfinanzberichtes 2014 lagen noch keine Daten für die genutzte
Landwirtschaftsfläche für das Jahr 2013 vor.
29
Damit lässt sich die Aussage zusätzlich stützen, dass das Einnahmepotenzial der Grundsteuer
A durch die Gemeinden Mecklenburg-Vorpommern nicht ausgeschöpft wird. Die Gemeinden
Schleswig-Holsteins haben pro 100 ha annähernd doppelt so hohe Einnahmen. Die geringen
Einnahmen stehen im Widerspruch zu der hohen Produktivität der Landwirtschaft hierzulande.
Der Landesrechnungshof sieht hier weiterhin Handlungsbedarf in Form einer deutlichen Hebesatzsteigerung der Grundsteuer A.
(55)
Tabelle 9 stellt die Pro-Kopf-Einnahmen aus der Gewerbesteuer im Vergleich der Flä-
chenländer dar. Der Abstand der Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns zu denen der finanzschwachen westdeutschen Länder hat sich im Jahr 2013 erneut vergrößert und lag bei rd. 206
Euro je Einwohner. Somit hat er sich im Vergleich zum Vorjahr nochmals um 29 Euro je Einwohner erhöht.
Bemerkenswert ist dabei auch, dass die ostdeutschen Vergleichskommunen signifikant höhere
Einnahmen aus der Gewerbesteuer verzeichnen können, obwohl sie tendenziell gleiche ökonomische Rahmenbedingungen aufweisen.
Tabelle 9:
Einnahmen aus der Gewerbesteuer im Vergleich der Flächenländer, 2011-2013, in Euro
je Einwohner
BB
MV
SN
ST
TH
NI
RP
SL
SH
FO
FFW
in Euro je Einwohner
2011
243
214
310
277
256
450
413
456
377
277
428
2012
270
230
320
291
281
513
463
378
374
295
466
2013
296
253
325
291
297
485
460
393
408
306
459
Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen.
(56)
Ein maßgeblicher Grund für diese Einnahmedisparitäten ist das unzureichend ausge-
schöpfte Einnahmepotential bei der Gewerbesteuer. Dies wird beim Blick auf die Streuung innerhalb der Gemeinden der ostdeutschen Länder deutlich (vgl. Abbildung 15).
30
Abbildung 15: Streuung der gewogenen Hebesätze der Gewerbesteuer im Ländervergleich, 2013,
in v. H.
Anteil der Gemeinden je Hebesatzgruppe
80%
BB
70%
MV
SN
ST
TH
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
1–250
251–275 276–300 301–325 326–350 351–375 376–400 401–500 Über 500
gew ogene Gew erbesteuerhebesätze in v.H.
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14, Reihe 10.1; eigene Berechnungen.
Im Vergleich zum Vorjahr sind die Gewerbesteuersätze in Mecklenburg-Vorpommern gestiegen. Während 2012 rund 71 Prozent der Kommunen einen Hebesatz von lediglich bis zu 300
v. H. hatten, waren es im Jahr 2013 nur noch rund 50 Prozent.
Im Ländervergleich weist das Land aber dennoch die größte Ballung von Kommunen in diesem
Hebesatzbereich auf. Die Kommunen in Brandenburg (rd. 34 Prozent), Sachsen-Anhalt (rd.
22 Prozent), Thüringen (rd. 7 Prozent) und Sachsen (rd. 0,5 Prozent) setzten derartige Hebesätze seltener fest. Somit ist weiterhin zu erkennen, dass die Häufung der Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns im Hebesatzbereich von bis zu 300 v. H. problematisch ist.
Bei dieser Thematik wäre eine Untersuchung eines möglichen kausalen Zusammenhangs zwischen der Kleingliedrigkeit und der Festsetzung niedriger Realsteuer-Hebesätze von Interesse.
Das Innenministerium verweist darauf, dass die der Gewerbesteuererhebung zugrundeliegenden Steuermessbeträge je Einwohner betrachtet werden müssten. Diese lägen bei rd. 50 Prozent des Durchschnitts aller Flächenländer. Selbst im Ostländervergleich haben die Kommunen
Mecklenburg-Vorpommerns die niedrigsten Werte.
Der Landesrechnungshof verkennt diesen Sachverhalt nicht, der u. a. auf die wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen des Landes zurückzuführen ist. Die Streuung der gewogenen Hebesätze
der Gewerbesteuer in Abbildung 15 zeigt jedoch, dass auch die Festlegung der Hebesätze am
unteren Ende der Skala erfolgt. In Kombination mit den niedrigen Steuermessbeträgen sind so
31
verbesserte Einnahmen bzw. ein Annähern an das Niveau der Kommunen der ost- und westdeutschen Vergleichsländer nicht zu erreichen.
(57)
Dies zeigt, dass in Mecklenburg-Vorpommern noch weitere Potenziale für Hebesatzer-
höhungen existieren, ohne einen Standortnachteil für die hiesigen Unternehmen befürchten zu
müssen. Aufgrund der möglichen Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer ist
dabei mindestens ein Hebesatz von 400 v. H. festzusetzen. Die hebesatzberechtigten Gemeinden müssen bei der Hebesatzfestlegung berücksichtigen, dass durch die Anhebung des Anrechnungsfaktors auf 3,8 in § 35 Einkommensteuergesetz (EStG) seit dem Veranlagungszeitraum
2008 für Einzelunternehmen und Personengesellschaften bei einem Hebesatz bis zu 400 v. H.
im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung in der Regel eine vollständige Entlastung von
der Gewerbesteuer erreicht werden kann.
(58)
Die Tabelle 10 zeigt die Ausgaben der Kommunen im Benchmarkvergleich. Deutlich
ersichtlich ist, dass die hiesigen bereinigten Pro-Kopf-Ausgaben mit 2.278 Euro rd. 2,9 Prozent
über denen der finanzschwachen Westflächenländer bzw. rd. 5,5 Prozent höher als in den übrigen ostdeutschen Flächenländern lagen. Hochgerechnet auf die Einwohnerzahl des Landes ergeben sich hieraus für 2013 gegenüber den beiden Benchmarks Ausgabenüberhänge von
rd. 111 Mio. bzw. 207 Mio. Euro.
32
Tabelle 10: Ausgaben der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 2013, in Euro je Einwohner
Bevölkerung am 30. Juni 2013
MV
FFW
FO
1.596.899
15.577.609
10.901.744
Ausgabenart
Ausgaben der laufenden Rechnung
Mehr-(+)/Minderausgaben(-)
in Euro je Einwohner
FFW
FO
in Mio. Euro
2.278
2.094
2.045
293
372
Personalausgaben
609
621
680
-19
-114
Laufender Sachaufwand
623
486
502
219
193
davon Verwaltungs- und Betriebsaufwand
483
398
401
136
131
davon Erstattungen an andere Bereiche,
Zuschüsse an übrige Bereiche, weitere Finanzausgaben
140
88
101
83
62
39
57
29
-28
16
Allgemeine Zuweisungen und Zuschüsse
358
465
308
-171
79
Sonstige Zuweisungen und Zuschüsse für laufende Zwecke
232
265
354
-53
-195
Sozialausgaben
743
670
519
116
358
Ausgaben der Kapitalrechnung
191
305
294
-182
-165
147
241
254
-149
-170
18
37
33
-30
24
Gewährung von Darlehen
1
13
4
-19
-5
Erwerb von Beteiligungen, Kapitaleinlagen
2
17
8
-24
-10
2.469
2.399
2.339
111
207
darunter:
Zinsausgaben
darunter:
Sachinvestitionen
Zuweisungen und Zuschüsse für Investitionen
Bereinigte Ausgaben
Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen.
(59)
Dies korrespondiert mit den vergleichsweise höheren konsumtiven Ausgaben. Während
die hiesigen Kommunen insgesamt 2.278 Euro je Einwohner für laufende Aufwendungen ausgaben, war der Wert für die Kommunen der anderen ostdeutschen Länder mit 2.045 Euro je
Einwohner deutlich geringer. Auch die Kommunen der finanzschwachen Westflächenländer gaben mit 2.094 Euro pro Kopf weniger aus. Dies hatte rechnerische Mehrausgaben zwischen
293 Mio. Euro (FFW) und 372 Mio. Euro (FO) zur Folge.
(60)
Vor allem zu den Kommunen der FO fallen höhere Ausgaben beim laufenden Sachauf-
wand (+193 Mio. Euro) und die hochgerechneten Mehrausgaben im Sozialbereich (+358 Mio.
Euro) ins Gewicht. Bemerkenswert ist dabei, dass sich der Ausgabenüberhang im Sozialbereich
im Vergleich zum Vorjahr nochmals deutlich erhöht hat.
In Abbildung 16 ist die Entwicklung der auf die kommunale Ebene Mecklenburg-Vorpommerns hochgerechneten Mehrausgaben im Bereich Sozialleistungen gegenüber den FO und
FFW im Zeitverlauf abgebildet. Während 2006 noch ein Ausgabenüberhang zu den Kommunen
der ostdeutschen Länder von rd. 276 Mio. Euro zu verzeichnen war, stieg dieser 2010 um rd.
33
44 Mio. Euro auf 320 Mio. Euro. Dieser Entwicklung folgend erhöhten sich die Mehrausgaben
in 2013 auf rd. 358 Mio. Euro. Dies entspricht einem Anstieg von rd. 30 Prozent.
Im Gegensatz dazu haben sich die rechnerischen Mehrausgaben im Vergleich zu den Kommunen der FFW seit 2006 nahezu halbiert.
Abbildung 16: Rechnerischer Ausgabenüberhang im Sozialbereich Mecklenburg-Vorpommerns gegenüber FO und FFW, 2006-2013, in Mio. Euro
400
350
in Mio. Euro
300
250
Rechn. Mehrausgaben ggü. FO
Rechn. Mehrausgaben ggü. FFW
320
325
320
291
280
276
358
345
214
200
179
154
150
134
119
133
135
117
100
50
0
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen.
(61)
Losgelöst von der Frage, ob die Ausgabenunterschiede Folge der sozioökonomischen
Rahmenbedingungen, auf vermeidbare Steuerungs- und Kontrolldefizite oder auf Ineffizienzen
bei der Leistungsgewährung zurückzuführen sind oder auf Unterschiede in der Aufgabenverteilung und Finanzierungsträgerschaft zwischen den einzelnen Ländern und deren Kommunen beruhen, kann die Entwicklung als Indiz gewertet werden, dass es Effizienzreserven im kommunalen Sozialbereich Mecklenburg-Vorpommerns gibt.
Der Landesrechnungshof hat infolgedessen bei Prof. Dr. Martin Junkernheinrich (TU Kaiserslautern) ein Kurzgutachten beauftragt, um die Mehrausgaben bei den kommunalen Sozial- und
Jugendhilfeausgaben in Mecklenburg-Vorpommern und im Ländervergleich weitergehend zu
analysieren (vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt III.1).
(62)
Neben den geringeren Sachinvestitionen (-170 Mio. Euro) sind insbesondere die Perso-
nalausgaben (-114 Mio. Euro) im Vergleich zu den FO auffällig. Während die geringe Investitionstätigkeit kritisch zu bewerten ist, müssen die Personalminderausgaben differenziert betrachtet werden. Die im Ländervergleich unterdurchschnittlichen Ausgaben sind auf den ersten Blick
34
positiv zu beurteilen. Allerdings können diese auch auf vermehrte Ausgliederungen aus dem
kommunalen Kernhaushalt und zunehmender Übertragung von öffentlichen Aufgaben auf
Fonds, Einrichtungen und Unternehmen mit eigenen Rechnungswesen (FEU) zurückzuführen
sein.
(63)
Hinzu kommt, dass die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns den mit Blick auf den
durchschnittlichen Stellenbestand der westlichen Flächenländer erforderlichen Personalabbau
nicht in gleicher Intensität vorgenommen haben wie das Land Mecklenburg-Vorpommern (vgl.
Abbildung 17).
Abbildung 17: Aktives Personal im Kernhaushalt der Gemeinden/Gv. und des Landes MecklenburgVorpommern, 2004-2013, in VZÄ
Land
45.000
Gemeinden/Gv .
40.000
35.000
in VzÄ
30.000
25.000
20.000
15.000
10.000
5.000
0
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
Quelle: ZDL; eigene Berechnungen.
Seit dem Personalkonzept 2004 baute das Land rd. 30 Prozent der Stellen (VZÄ) ab, die Kommunen jedoch nur knapp 13 Prozent (ohne Auslagerungen).
Das Finanzministerium verweist in seiner Stellungnahme auf die Auslagerungen aus den Kernhaushalten von Land und Kommunen, was die Aussagen zur dargestellten Entwicklung beeinflussen könnte. So seien mit der Auslagerung des Hochschulbereichs aus dem Kernhaushalt
eine Verlagerung von 3.000 VZÄ in die Extrahaushalte verbunden gewesen.
Die Daten für Kern- und Extrahaushalte werden allerdings von der ZDL nur für die Jahre
2011-2013 zur Verfügung gestellt. Eine Analyse der Daten für diesen Zeitraum ergibt jedoch,
dass die Anzahl der VZÄ in Kern- und Extrahaushalten der Kommunen um 3,0 Prozent an-
35
steigt, die des Landes um 4,3 Prozent sinkt. Eine etwaige Betrachtung von weiter zurückliegenden Sondereffekten ist anhand der vorliegenden Daten nicht möglich.
Das Land und die Kommunen sind im Hinblick auf das Jahr 2020 gehalten, an einem Strang zu
ziehen, um die bestehenden Handlungsbedarfe zu bewältigen.
(64)
Schon im Vorjahresbericht wurde auf den sehr geringen Eigenbeitrag der Kommunen in
Mecklenburg-Vorpommern zur Finanzierung von Sachinvestitionen hingewiesen, der aus der
Gegenüberstellung von Sachinvestitionen und Vermögensübertragungen vom Land ersichtlich
wird (vgl. dazu nochmals Tabelle 5). Für die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns ergibt
sich ein Saldo von 9 Euro je Einwohner, für die Kommunen der finanzschwachen Westflächenländer ein Saldo von 195 Euro je Einwohner.
Dies weist auf eine verfehlte Förderpolitik des Landes hin, da es Investitionsprojekte in der Regel mit so hohen Förderquoten fördert, dass Kommunen kaum einen Eigenanteil zu leisten haben. Die ersparten Eigenanteile stehen den Kommunen daher für konsumtive Zwecke zur Verfügung.
(65)
Die Ausgabenüberhänge im konsumtiven Bereich, die Eigenfinanzierungsschwäche und
auch die geringe Investitionstätigkeit im Vergleich zu den Kommunen der finanzschwachen
Westflächenländer und den übrigen ostdeutschen Ländern zeigen den signifikanten Konsolidierungsbedarf der hiesigen Kommunen.
(66)
Die kommunale Ebene Mecklenburg-Vorpommerns weist trotz deutlich überdurch-
schnittlicher Pro-Kopf-Einnahmen erhebliche strukturelle Defizite auf. Mitursächlich dafür sind
die vergleichsweise sehr hohen laufenden Ausgaben. Diese sind jedoch vor allem im Bereich
der kommunalen Sozialausgaben teilweise sozioökonomisch und bundesgesetzlich determiniert. Infolgedessen ist es wichtig, alle Effizienzreserven bei den beeinflussbaren Ausgaben auszuschöpfen. Ziel sollte sein, zum Teil unvermeidbare Mehrausgaben gegenüber den Referenzländern durch Minderausgaben an anderer Stelle weitestmöglich zu kompensieren. Möglich ist
dies insbesondere beim laufenden Sachaufwand.
4
Kommunale Verschuldung
(67)
Am 31.12.2013 verzeichneten die Gemeinden und Gemeindeverbände in Mecklenburg-
Vorpommern mit 1.532 Euro je Einwohner den höchsten Schuldenstand 21 unter den ostdeut21
36
Gemessen als Summe der Schulden beim nicht-öffentlichen und öffentlichen Bereich.
schen Ländern. Die geringsten Pro-Kopf-Schulden liegen in den Gemeinden in Brandenburg
(907 Euro je Einwohner) vor. Bei den Kassenkrediten im nichtöffentlichen Bereich hat Mecklenburg-Vorpommern (398 Euro je Einwohner) nach Sachsen-Anhalt (463 Euro je Einwohner)
im ostdeutschen Vergleich den zweithöchsten Bestand.
(68)
Diese Werte stellen den Schuldenstand des kommunalen Gesamthaushalts dar. Es wer-
den dementsprechend neben den Schulden des Kernhaushalts ebenfalls die Schulden der kommunalen Extrahaushalte, also der Ausgliederungen mit eigenem Rechnungswesen (öffentliche
Fonds, Einrichtungen und Unternehmen) berücksichtigt. Auch wenn diese nicht dem Kernhaushalt zugeschlagen werden, sind diese Verbindlichkeiten den Extrahaushalten der Kommunen
zugeordnet. Die Verschuldung des öffentlichen Gesamthaushalts zeichnet somit ein nicht verzerrtes, ganzheitliches Bild der kommunalen Verbindlichkeiten.22
Tabelle 11: Schuldenstand der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 31.12.2013, in Euro je Einwohner23
Schulde n be im öffe ntliche n und nicht-öffe ntliche n
Be re ich
Stand 31.12.2013,
in Euro je EW
Rang
Kas s e nk re dite be im nicht-öffe ntliche n Be re ich
durchschnittliche
Stand 31.12.2013,
Veränderung 2010in Euro je EW
2013, p.a.
Rang
durchschnittliche
Veränderung
2010-2013, p.a.
MV
1.532
5
Flächenländer Ost
-0,2%
398
4
+9,2%
FO
1.463
-
+3,5%
255
-
+5,6%
BB
907
1
-1,2%
321
3
+4,3%
SN
1.209
2
+10,4%
26
1
+31,7%
ST
1.428
3
-3,6%
463
5
+2,6%
TH
1.468
4
+10,0%
93
2
+7,8%
+0,5%
finanzschw ache Flächenländer West
FFW
2.152
-
+2,6%
794
-
NI
1.654
2
-1,7%
474
2
-8,1%
RP
3.239
3
+5,3%
1.496
3
+4,7%
SL
3.318
4
+6,5%
1.949
4
+6,6%
SH
1.574
1
+6,3%
271
1
+6,2%
Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen.
22
23
Die erweiterte Darstellung der „Schulden des öffentlichen Gesamthaushaltes“ ist in fortschreitenden Aus gliederungen aus den Kernhaushalten und zunehmender Übertragung von öffentlichen Aufgaben nebst ihrer
Schulden auf Fonds, Einrichtungen und Unternehmen mit eigenem Rechnungswesen (FEU) begründet. Dabei wird keine Unterscheidung hinsichtlich der „Rentierlichkeit“, zum Beispiel ob die Kreditaufnahme
durch profitabel wirtschaftende kommunale Unternehmen oder den Kernhaushalt erfolgt, der aufgenomme nen Verbindlichkeiten vorgenommen.
Das Statistische Bundesamt hat die Schuldenstatistik seit dem Berichtsjahr 2010 geändert. Bei den aufgenommenen Krediten wird nunmehr zwischen „Krediten beim nicht-öffentlichen Bereich“ und „Krediten
beim öffentlichen Bereich“ unterschieden. „Der Begriff Kreditmarktschulden wird ab dem Berichtsjahr
2010 nicht mehr verwendet und ist mit dem neuen Begriff ‚Kredite beim nicht-öffentlichen Bereich‘ nur
eingeschränkt vergleichbar. Die ‚Schulden beim nicht- öffentlichen Bereich‘ umfassen dabei neben allen
Wertpapierschulden die Kredite beim nicht-öffentlichen Bereich sowie die Kassenkredite beim nicht-öffent lichen Bereich.“ (vgl. Statistisches Bundesamt (2014): Fachserie 14 Reihe 5).
37
(69)
Die kommunale Ebene in Mecklenburg-Vorpommern konnte seit der Änderung der
Schuldenstatistik im Jahr 2010 die Pro-Kopf-Verschuldung im jährlichen Durchschnitt um
0,2 Prozent nur geringfügig senken. Sachsen-Anhalt (-3,6 Prozent) und Brandenburg
(-1,2 Prozent) können größere Konsolidierungserfolge verzeichnen. In Sachsen und Thüringen
ist der Schuldenstand jedoch im beobachteten Zeitraum hingegen durchschnittlich um 10,4
bzw. 10,0 Prozent im Jahr angestiegen.
(70)
Die Entwicklung der Kassenkredite der Gemeinden und Gemeindeverbände in Meck-
lenburg-Vorpommern ist weiterhin ansteigend. Kassenkredite dürfen nur zur vorübergehenden
Überbrückung von Liquiditätsengpässen verwendet werden. Eine dauerhafte Nutzung zur Finanzierung von laufenden Ausgaben ist nicht gestattet. Seit der Umstellung der Schuldenstatistik im Jahr 2010 werden auch Kassenkredite zum offiziellen Schuldenstand des öffentlichen
Haushalts gezählt. Zuvor wurden sie nur nachrichtlich nachgewiesen. In Abbildung 18 ist die
Entwicklung der Kassenkredite der hiesigen Gemeinden24 beim nicht-öffentlichen und öffentlichen Bereich seit 2010 dargestellt25.
Abbildung 18: Kassenkredite beim nicht-öffentlichen und öffentlichen Bereich der Gemeinden/Gv.
Mecklenburg-Vorpommerns, in Mio. Euro
800
700
beim nicht-öffentlichen Bereich beim öffentlichen Bereich
600
in Mio. Euro
500
638,4
630,1
549,2
503,8
400
300
200
100
8,8
5,6
0
2010
2011
10,2
2012
32,4
2013
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14 Reihe 5; eigene Berechnungen.
Der gesamte Kassenkreditbestand zum Jahresende 2013 betrug rd. 670 Mio. Euro. Davon entfielen 638,4 Mio. Euro auf den nicht-öffentlichen Bereich. Im Vergleich zum Vorjahr ist dieser
24
25
38
Daten umfassen die Kassenkredite der Kern- und Extrahaushalte.
Aufgrund der Umstellung der Schuldenstatistik ist in der Zeitreihe ab 2010 ein struktureller Bruch vorhan den, weshalb die Werte der Jahre ab 2010 nicht mit denen der Vorjahre verglichen werden können.
um 8,3 Mio. Euro bzw. 13,2 Prozent angestiegen. Die Kassenkredite beim öffentlichen Bereich
machen mit 32,4 Mio. Euro nur einen sehr geringen Anteil am Gesamtbestand aus. Im Vorjahresvergleich fällt der Anstieg mit 218 Prozent jedoch sehr stark aus.
Das Innenministerium legt in seiner Stellungnahme dar, dass der Zuwachs der Kassenkredite
beim öffentlichen Bereich im kreisangehörigen Raum der „der zunehmend korrekten Abbildung der Finanzbeziehungen...bei den Ämtern geschuldet“ sei.
Der Landesrechnungshof sieht mit Sorge, dass die Ämter in der Vergangenheit ihre Finanzsituation nicht korrekt dargelegt haben und diese sogar in der Gegenwart nicht vollständig korrekt abbilden. Er erwartet, dass umgehend dafür Sorge getragen wird, ein zutreffendes Bild der
Finanzsituation der Ämter zu gewährleisten.
(71)
Innerhalb der kommunalen Ebene teilt sich der Kassenkreditbestand vor allem auf die
kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte auf. Insbesondere die Hansestadt Rostock
(158,2 Mio. Euro), die Landeshauptstadt Schwerin (125,9 Mio. Euro) und die Stadt Neubrandenburg (87,4 Mio. Euro) häuften immense Kassenkredite zum 31.12.2013 an. Aber auch auf
der Kreisebene sind zum Teil hohe Volumina entstanden, insbesondere beim Landkreis Vorpommern-Greifswald (144,3 Mio. Euro).
(72)
Die aufgezeigte Entwicklung unterstreicht, dass Kassenkredite von den Kommunen in
Mecklenburg-Vorpommern nicht nur zur Überbrückung von kurzfristigen Liquiditätsbedarfen,
sondern auch zur rechtlich unzulässigen Finanzierung von Haushaltsfehlbeträgen genutzt werden. Die Rechtsaufsbehörden sind weiterhin gefordert, ihre aufsichtsrechtlichen Maßnahmen
diesbezüglich zu intensivieren.
(73)
In Abbildung 19 ist der Schuldenstand der kreisfreien und großen kreisangehörigen
Städte sowie der Landkreise unterteilt in die Schulden des Kernhaushalts und der Extrahaushalte abgebildet.
39
Abbildung 19: Schuldenstand der Kern- und Extrahaushalte der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte, 31.12.2013, in Euro je Einwohner
Hansestadt Wismar
Neubrandenburg
Landeshauptstadt Schw erin
städtischer Durchschnitt
Hansestadt Stralsund
Hansestadt Rostock
Hansestadt Greifsw ald
Vorpommern-Greifsw ald
Mecklenburgische Seenplatte
Vorpommern-Rügen
Landkreisdurchschnitt
Schulden Eigenbetriebe
Schulden Kernhaushalt
Nordw estmecklenburg
Ludw igslust-Parchim
Rostock
0
500
1.000
1.500
in Euro je EW
2.000
2.500
3.000
3.500
4.000
Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern; eigene Berechnungen.
Es ist erkennbar, dass ein deutlicher Niveauunterschied zwischen den Städten und den Landkreisen existiert. In der Gruppe der kreisfreien und kreisangehörigen Städte ist die Hansestadt
Wismar mit 3.760 Euro je Einwohner am höchsten verschuldet, während in der Hansestadt
Greifswald die Pro-Kopf-Verschuldung lediglich bei 1.171 Euro je Einwohner liegt.
Auf der Kreisebene hat der Landkreis Vorpommern-Greifswald mit 2.304 Euro je Einwohner
die höchsten Verbindlichkeiten. Der Landkreis Rostock hingegen ist nur mit 1.176 Euro je Einwohner verschuldet.
(74)
Mit der Einführung des NKHR-MV sind die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns
verpflichtet, die Schulden der ausgelagerten kommunalen Betriebe und Unternehmen im Rahmen des kommunalen Gesamtabschlusses abzubilden.
Die einwohnerbezogene Verschuldung der Extrahaushalte der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte in Mecklenburg-Vorpommern ist in Abbildung 20 veranschaulicht.
40
Abbildung 20: Schuldenstand der Extrahaushalte der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte,
31.12.2013, in Euro je Einwohner
Neubrandenburg
1.539
Hansestadt Wismar
1.082
Landeshauptstadt Schw erin
583
Hansestadt Rostock
462
Hansestadt Greifsw ald
371
Hansestadt Stralsund
4
0
200
400
600
800
1.000 1.200
in Euro je EW
1.400
1.600
1.800
Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern.
Zwischen den einzelnen Städten wird eine große Divergenz ersichtlich. Teilweise haben die
Schuldenstände ein bedrohliches Niveau angenommen. So weisen Neubrandenburg mit 1.539
Euro je Einwohner und die Hansestadt Wismar mit 1.082 Euro je Einwohner zum 31.12.2013
die mit Abstand höchste Verschuldung außerhalb des Kernhaushalts auf. Die Hansestadt Stralsund mit ihren ausgelagerten Einheiten ist mit 4 Euro je Einwohner nahezu schuldenfrei.
(75)
Die höchst verschuldeten Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns sind in Abbildung 21
dargestellt. In der Gemeinde Lübesse ist jeder Einwohner statistisch mit 14.854 Euro verschuldet. Eine ebenfalls sehr hohe Pro-Kopf-Verschuldung haben die Kommunen Eggesin (12.955
Euro je EW), Lohme (11.048 Euro je EW) und Putgarten (10.912 Euro je EW). Diese hohen
Schuldenstände sind insgesamt als sehr bedenklich einzustufen.
41
Abbildung 21: Schuldenstand der höchst verschuldeten Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns,
31.12.2013, in Euro je Einwohner
Lübesse
14.854
Eggesin, Stadt
12.955
Lohme
11.048
Putgarten
10.912
Hohen Wangelin
9.330
Wiek
8.861
Neu Gaarz
7.612
Krien
5.699
Beggerow
5.496
Burow
5.144
0
2.000
4.000
6.000
8.000
in Euro je EW
10.000
12.000
14.000
16.000
Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern.
Der Landesrechnungshof wird in seinen zukünftigen Kommunalfinanzberichten die Erhebungen
des Statistischen Bundesamtes zur integrierten Verschuldung berücksichtigen, die zusätzlich
das Vermögen bzw. die Finanzierbarkeit des Kapitaldienstes darstellen. Diese wurden erstmals
im August 2014 veröffentlicht.
42
III. Aktuelle Themen
1
Analyse der kommunalen Sozialausgaben in Mecklenburg-Vorpommern
und im Ländervergleich
(76)
Der Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern hat sich in der Vergangenheit
wiederholt, intensiv und kritisch mit den kommunalen Sozialausgaben auseinandergesetzt. 26
Regelmäßig wurden für die Kommunen des Landes im Vergleich zu anderen Ländern deutlich
höhere Sozialausgaben festgestellt. Auch eine konsolidierte Betrachtung der Sozialausgaben
Mecklenburg-Vorpommerns für das Jahr 2007, bei der die jeweiligen sozialen Ausgaben eines
Landes und dessen Kommunen zusammengefasst wurden und daher eine unterschiedliche Aufgaben- und Ausgabenverteilung keine Rolle spielte, ergab eine überdurchschnittliche Höhe der
Sozialausgaben.
Das Land und die kommunalen Landesverbände haben sich 2013 zu einer Arbeitsgruppe Jugend- und Soziallasten (AG Soziallasten) vereinbart, um festgestellte Auffälligkeiten im Sozialbereich weitergehend zu analysieren und auf mögliche Einsparungen bzw. Ausgabenreduzierungen in diesem Bereich hinzuwirken. Der Landesrechnungshof hat zugesagt, die Arbeit der
AG, soweit möglich und gewünscht, zu unterstützen.
Vor diesem Hintergrund hat der Landesrechnungshof bei Professor Dr. Martin Junkernheinrich
(TU Kaiserslautern) ein Kurzgutachten für eine weitergehende Analyse in Auftrag gegeben, um
die Struktur und Entwicklung der kommunalen Sozialausgaben aufzuzeigen und die Mehrausgaben im Sozialbereich zu untersuchen. Dieses ist Basis des nachfolgenden Abschnitts.27
Sowohl die angehörten Ministerien als auch die kommunalen Landesverbände begrüßen die
Analyse der kommunalen Sozialaufgaben durch den Gutachter ausdrücklich. Sie erwarten von
dessen Ergebnissen wichtige Erkenntnisse für die Arbeit der AG Soziallasten. Erste Ergebnisse
des Kurzgutachtens wurden am 18.12.2014 bei der Sitzung der AG präsentiert.
26
27
Vgl. zum Beispiel Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2006): Jahresbericht des Landesrechnungshofes – Teil 1 – Kommunalbericht 2006, S. 26 ff. und Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpom mern (2011): Jahresbericht des Landesrechnungshofes – Teil 1 – Kommunalfinanzbericht 2011, S. 42 ff.
Vgl. Junkernheinrich et al. (2014): Analyse der kommunalen Sozialausgaben in Mecklenburg-Vorpommern
und im Ländervergleich. Finanzwissenschaftliches Kurzgutachten im Auftrag des Landesrechnungshofes
Mecklenburg-Vorpommern.
43
(77)
Um den Bereich der Sozialausgaben weitergehend zu analysieren, bieten sich verschie-
dene statistische Zugänge bzw. Typen von Fiskalvergleichen an.
•
Vierteljährliche Kassenstatistik (GFK, Kassenstatistik): Über diesen Zugang werden
auf Basis der kommunalen Finanzstatistik die wichtigsten Transferleistungen an die
Leistungsberechtigten im Sozialbereich erfasst (Zugang 1).
•
Jahresrechnungsstatistik: In Erweiterung des ersten Zugangs wird der gesamte Produktbereich der Sozial- und Jugendhilfe über die Finanzrechnungsstatistik in den Blick
genommen. Damit werden zusätzlich Aufwendungen für die Verwaltung des Sozialbereichs (zum Beispiel für Personal, Sachmittel etc.) sowie diejenigen Zahlungen erfasst, die nicht als Transfers an Leistungsberechtigte ausgezahlt werden, sondern als
Zuweisungen bzw. Erstattungen an Einrichtungen des Sozial- und Jugendhilfebereichs
fließen. Hierzu gehören auch Kosten der Förderung und Betreuung in Kindertagesstätten (Zugang 2).
•
Fachstatistik der Sozial- und Jugendhilfe: Mit Hilfe der Fachstatistiken der Sozial- und
Jugendhilfe können neben den Aufwendungen auch die Leistungsberechtigten – die
Zahl der Fälle – erfasst werden (Zugang 3).
Mit den Zugängen 1 und 2 können Belastungsvergleiche durchgeführt werden. Der Zugang 3
hingegen ermöglicht einen Wirtschaftlichkeitsvergleich, indem „Fälle“ und „Kosten“ in Beziehung gesetzt werden. Die unterschiedlichen Zugänge und Vergleichstypen werden in diesem
Abschnitt dargestellt.
1
Vorbemerkungen
1.1
Qualität der Daten
(78)
Das Statistische Bundesamt und die Statistischen Ämter der Länder weisen jedoch seit
geraumer Zeit daraufhin, dass die Belastbarkeit sowohl der Kassen- als auch der Jahresrechnungs- und der Fachstatistik eingeschränkt sei.28 Im Besonderen gilt dies für einzelgemeindliche Daten. So beeinträchtigt die Umstellung des kommunalen Rechnungswesens in mehreren
Bundesländern die Validität der Daten, da sich Änderungen am Erhebungsgegenstand, den Abgrenzungen sowie der Erhebungsmethode ergeben haben. In Mecklenburg-Vorpommern wer28
44
Vgl. Statistisches Bundesamt (2014): Vierteljährliche Kassenergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts Fachserie 14, Reihe 2, S. 10 und Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern (2013): Gemeindefinanzen
(Vierteljahresstatistik) in Mecklenburg-Vorpommern 1.1 bis 31.12.2012, S. 3.
den die Daten zusätzlich durch die Kreisgebietsreform und den damit verbundenen Zuordnungsproblemen beeinflusst. Die Kommunen hatten und haben offenbar Schwierigkeiten, die
Daten für die neuen Gebietskörperschaften korrekt zu erheben und auszuweisen. Zudem wurden die einzelnen Statistiken nicht zeitgleich angepasst, was die Vergleichbarkeit und Kombinationsfähigkeit der einzelnen statistischen Quellen einschränkt.
(79)
Der Landesrechnungshof hat bereits in seinem Kommunalfinanzbericht 2013 ausführlich
dargestellt, dass beispielsweise die GFK von Problemen betroffen ist. So wies die erstmalige
Veröffentlichung der Zahlen für Mecklenburg-Vorpommern durch das Statistische Bundesamt
im März 2013 einen negativen Finanzierungssaldo von 315 Mio. Euro aus. Nach der Korrektur
der Daten durch das Statistische Amt Mecklenburg-Vorpommern im Juni 2013 wurde ein negativer Finanzierungssaldo von nur noch 41 Mio. Euro dargestellt. Beide Meldungen im März
und im Juni basieren auf ein und denselben Datenmeldungen der Kommunen. Der Finanzierungssaldo hätte demnach nicht abweichen dürfen. Es ist offensichtlich, dass die Kommunen zunächst nicht korrekte Daten geliefert haben. Ob und inwieweit die Kommunen inzwischen ihren gesetzlichen Pflichten nachkommen und nunmehr korrekte Daten liefern, muss offen bleiben.
(80)
Auch die Fachstatistiken sind von nicht korrekten Datenmeldungen der Kommunen be-
troffen. Der Landesrechnungshof hat bei seiner Prüfung der Hilfen zur Erziehung bei der Hansestadt Rostock29 festgestellt, dass die Belastbarkeit der Kinder- und Jugendhilfestatistik nicht
durchgehend sichergestellt ist. Im Vergleich zur Landeshauptstadt Schwerin konnte zudem in
Bezug auf Erziehungsberatungsstellen eine voneinander abweichende Datenmeldung nicht ausgeschlossen werden. Zugleich wurde gefordert, dass für interkommunale Vergleiche eine einheitliche Datenbasis unumgänglich ist.30 Bei der Prüfung der kommunalen Sozialausgaben des
ehemaligen Landkreises Ostvorpommern gelangt der Landesrechnungshof zu der Erkenntnis,
dass Daten bei der Bundesagentur für Arbeit und der Sozialagentur voneinander abwichen.31
Daher wurde die Forderung an die Landesregierung gerichtet, die Kommunen u. a. durch die
Schaffung einer belastbaren Datengrundlage für interkommunale Vergleiche zu unterstützen.32
29
30
31
32
Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht des Landesrechnungshofes – Teil 1
– Kommunalfinanzbericht 2013, Tz. 217.
Vgl. auch ebd., Tz. 240, Prüfung der Landeshauptstadt Schwerin – Hilfen zur Erziehung.
Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Jahresbericht des Landesrechnungshofes – Teil 1
– Kommunalfinanzbericht 2012, Tz. 301.
ebd., Tz. 306.
45
Zusätzliche Probleme ergeben sich daraus, dass die Jugendhilfestatistik im Jahr 2007 neu konzeptioniert wurde. Verlässliche und vergleichbare Daten sind daher erst ab dem Jahr 2007 zu
erwarten. Ferner wurden Unstimmigkeiten bei den Fallzahlen festgestellt. Teilweise ergaben die
Summen von Fallzahlen von örtlichen und überörtlichen Trägern sowie differenziert nach Hilfen in und außerhalb von Einrichtungen nicht den Landeswert von Mecklenburg-Vorpommern.
Tradiert unterschieden sich örtliche und überörtliche Träger im Wesentlichen danach, wer ambulante Hilfe und wer stationäre Hilfe leistet. Die Aufgabenverteilung lässt sich den Ausführungsgesetzen entnehmen.33
Bemerkenswert ist zudem, dass das Sozialministerium zum Beispiel im Bereich KdU eigene
Erhebungen bei den Kommunen durchführt. Es ist davon auszugehen, dass auch das Ministerium die Datenqualität der amtlichen (Fach-)Statistik gegenwärtig für nicht ausreichend ansieht.
(81)
Trotz aller Einschränkungen ist dennoch davon auszugehen, dass die Daten der amtli-
chen Statistik grundsätzlich ein zutreffendes Bild der finanziellen Lage vermitteln. Zumindest
validere Daten liegen in Deutschland gegenwärtig nicht vor. Die Aussagekraft der dargestellten
Daten steht jedoch bei einzelnen Aspekten unter Vorbehalt. Es ist denkbar, dass sich das hier
aufgezeigte Bild anders darstellt, wenn die Validität der Daten erhöht wird.
(82)
Die Landesregierung sollte prüfen, gemeinsam mit der kommunalen Seite ein Projekt
aufzusetzen, durch welches die Validität der kommunalen Zulieferung zur amtlichen Statistik
und Fachstatistik durchgreifend erhöht wird.
1.2
Analysemethoden
(83)
Der Landesrechnungshof hat für seine Analyse und für sein Benchmarking in den vor-
herigen Kommunalfinanzberichten überwiegend die vierteljährliche Kassenstatistik verwendet.
Die Kassenstatistik ist die einzige Finanzstatistik, die mit hinreichender Aktualität verfügbar ist.
Sie gibt bereits im März/April Auskunft über das jeweils vorangegangene Jahr. Darüber hinaus
gibt sie einen präzisen Überblick über die Finanzsituation der betrachteten Gebietskörperschaftsebene. Für die Finanzkontrolle ist in erster Linie relevant, wie sich die Höhe der Ausgaben auf allen staatlichen Ebenen darstellt bzw. erklären lässt. Hierfür ist die Kassenstatistik
(bzw. die GFK) das geeignete Instrument. Welche Mittel von welcher staatlichen Ebene zur
33
46
Vgl. Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII-AG M-V), Landesjugendhil feorganisationsgesetz (KJHG-Org M-V) und Gesetz zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
(SGB II-AG M-V).
Deckung dieser Ausgaben bereitgestellt werden, ist zunächst nachrangig. Die Ausgabengliederung der vierteljährlichen Kassenstatistik und auch der jährlichen Finanzrechnungsstatistik erlaubt die für die gesetzliche Aufgabe des Landesrechnungshofs notwendigen belastungsorientierten Fiskalvergleiche. Mithilfe vom Benchmarking lassen sich zusätzlich Auffälligkeiten aufdecken. Diese zeigen ansatzweise, in welchen Bereichen Potenzial für Effektivitäts- und Effizienzverbesserung vorhanden ist. Diese Statistik ist für den Landesrechnungshof ein wichtiges
Instrument, um seine gesetzlich verankerte Kontrollfunktion ausüben zu können. Der Landesrechnungshof richtet auch seine Prüfungsplanung an derartigen Auffälligkeiten aus.
Entsprechend der Aufbereitung der Kassenstatistik hat der Landesrechnungshof zumeist sogenannte Bruttoauszahlungen für soziale Transferleistungen analysiert. Auch in dem hier vorliegenden Bericht wurden in den vorangegangenen Abschnitten die Bruttoauszahlungen dargestellt (vgl. zum Beispiel Abschnitt II.3).
(84)
Als Besonderheit des länderübergreifenden Vergleichs von Sozialhilfedaten muss neben
Unterschiedlichkeiten bei den Standards der Aufgabenerfüllung die unterschiedliche Arbeitsteilung innerhalb der Länder beachtet werden. Dort, wo die Länder die Aufgabe des überörtlichen
Trägers wahrnehmen, muss dies beim Kommunalvergleich beachtet werden.
Im Folgenden werden die Ergebnisse der o. g. statistischen Zugänge 1-3 dargestellt, die für den
Sozialbereich in Mecklenburg-Vorpommern von Relevanz sind.
2
Zugang 1: Transferausgaben auf der Grundlage der Kassenstatistik
(85)
Der erste Zugang stellt einen Belastungsvergleich anhand der Ein- und Auszahlungs-
konten der kommunalen Finanzstatistik dar. Diesen methodischen Ansatz hat der Landesrechnungshof in der Vergangenheit regelmäßig angewandt, um Auffälligkeiten von größeren Belastungsunterschieden aufzudecken.
Gemessen an den Bruttoausgaben für soziale Leistungen zeigen sich seit 1991 in MecklenburgVorpommern Pro-Kopf-Werte, die immer über dem Durchschnitt der ostdeutschen Länder insgesamt liegen (vgl. Abbildung 22).
47
Abbildung 22: Brutto-Sozialausgaben in Mecklenburg-Vorpommern und im Länderdurchschnitt, Kernhaushalte, 1991-2012, in Euro je Einwohner
800
700
Mecklenburg-Vorpommern
Westdt. Flächenländer
Ostdt. Flächenländer
600
in Euro je EW
500
400
300
200
100
0
1992
1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
1991
1993
1995
1997
1999
2001
2003
2005
2007
2009
2011
Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung.
Diese Abweichung ist im Zeitverlauf sogar noch deutlich angestiegen. Der überproportionale
Anstieg hat zudem dazu geführt, dass Mecklenburg-Vorpommern ab 2005 sogar das Ausgabenniveau der westdeutschen Länder überschreitet.
Das Sozialministerium weist darauf hin, dass der Aufgabenbereich der ehemaligen überörtlichen Sozialhilfe im Land seit 1992 fast vollständig und seit 2002 vollständig von den Kommunen durchgeführt werde. Zuweisungen hierfür nach dem Konnexitätsprinzip würden nichts an
der Kommunalisierung der Aufgaben ändern. SGB II und SGB XII seien für den Ausgabenanstieg zum 01.01.2005 ursächlich, zudem sei „die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung aus dem Wohngeldgesetz in das SGB XII übernommen worden“.
Der Landesrechnungshof merkt hierzu an, dass dies keine landesspezifische Besonderheit und
die Durchführungskompetenz nur ein Aspekt der Aufgabenzuordnung ist. Mindestens genauso
wichtig ist die Frage der Finanzierungskompetenz. Hierzu ist festzustellen, dass zum Beispiel
der Freistaat Sachsen seine ehemaligen Landeshaushaltsmittel zur überörtlichen Sozialhilfe
vollständig und zuzüglich eines Finanzpuffers in den kommunalen Finanzausgleich als allgemeine Deckungsmittel der Landkreise und kreisfreien Städte integriert hat. Diese finanzieren den
ungedeckten Finanzbedarf des überörtlichen Trägers mit Umlagen und tragen daher die volle
Finanzierung der Aufgabenwahrnehmung des überörtlichen Trägers. Chancen und Risiken aus
der Aufgabenwahrnehmung gehen damit vollständig zugunsten bzw. zulasten kommunaler
Kassen. Dies unterscheidet sich fundamental von der Ausgestaltung der Finanzierung in Meck48
lenburg-Vorpommern. Eine Kostenbeteiligung des Landes entlang der tatsächlichen Ausgabenentwicklung kann mit erheblichen Finanzierungsrisiken einhergehen, die im sächsischen Modell
vermieden werden. Es sollte geprüft werden, ob die Anwendung eines solchen Modells in
Mecklenburg-Vorpommern Vorteile bringen könnte.
(86)
Werden zu den Bruttoausgaben der Kassenstatistik die korrespondierenden Einnahmen
hinzugerechnet, mindert sich tendenziell die kommunale Belastungssituation. 34 Dies gilt auch
für Mecklenburg-Vorpommern. Netto betrachtet verläuft die Ausgabenentwicklung seit 2004
ähnlich dem Niveau der westdeutschen Länder, nicht mehr darüber (vgl. Abbildung 23). Dennoch ist weiterhin ein im Vergleich zu den übrigen ostdeutschen Kommunen überdurchschnittliches Ausgabenniveau deutlich erkennbar. Auch die kontinuierliche Abkoppelung vom ostdeutschen Niveau ist ersichtlich. Die Effekte der Teilkommunalisierung der überörtlichen Sozialhilfe werden offensichtlich neutralisiert.
Auffällig sind an der Entwicklung der Nettobelastung durch Sozialausgaben aber zwei Aspekte. Zum einen begann die Abkoppelung Mecklenburg-Vorpommerns von den anderen ostdeutschen Ländern – gemessen an den Nettoausgaben – nicht erst 1996/97, sondern schon früher.
Abbildung 23: Netto-Sozialausgaben in Mecklenburg-Vorpommern und im Länderdurchschnitt, Kernhaushalte, 1991-2012, in Euro je Einwohner
600
500
Mecklenburg-Vorpommern
Westdt. Flächenländer
Ostdt. Flächenländer
in Euro je EW
400
300
200
100
0
1992
1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
1991
1993
1995
1997
1999
2001
2003
2005
2007
2009
2011
Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung.
34
Erstattungen durch Träger anderer sozialer Sicherungssysteme und durch Angehörige; keine staatlichen
Ausgleichsleistungen.
49
Zum anderen ist die Entlastungswirkung, die im Zusammenhang mit der Zusammenlegung von
Arbeitslosen- und Sozialhilfe im Jahr 2005 in Ostdeutschland insgesamt sichtbar ist, in Mecklenburg-Vorpommern nicht eingetreten, was die Disparität nochmals verstärkt hat.
(87)
Im Jahr 2012 betrugen die kommunalen Netto-Sozialausgaben in Mecklenburg-Vor-
pommern 506 Euro je Einwohner (vgl. Abbildung 24).
Abbildung 24: Netto-Sozialausgaben nach Kassenstatistik in Mecklenburg-Vorpommern und im Ländervergleich, 2012, in Euro je Einwohner
612
Nordrhein-Westfalen
Hessen
Schlesw ig-Holstein
Niedersachsen
Mecklenburg-Vorpommern
Rheinland-Pfalz
Brandenburg
Bayern
Baden-Württemberg
Saarland
Sachsen
Thüringen
Sachsen-Anhalt
Flächenländer insges.
Westdt. Flächenländer
Ostdt. Flächenländer
570
546
541
506
482
393
382
353
349
321
321
225
468
493
342
0
100
200
300
Euro je Einw ohner
400
500
600
700
Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung.
Damit lagen die Netto-Sozialausgaben deutlich über dem Vergleichswert des Durchschnitts der
ostdeutschen Flächenländer (OFL) von 342 Euro je Einwohner.
Die Spanne der Netto-Sozialausgaben zwischen den Flächenländern ist nochmals deutlich größer. Am geringsten fällt die Sozialausgabenbelastung in Sachsen-Anhalt aus (225 Euro je Einwohner). Am höchsten ist sie in Nordrhein-Westfalen (612 Euro je Einwohner). Diese Spannweite wird maßgeblich durch die Aufgabenteilung zwischen Kommunen und Land bei den
überörtlichen Trägern beeinflusst. Da die Aufgaben des überörtlichen Trägers in MecklenburgVorpommern teilkommunalisiert sind, können die Ausgaben der Kommunen höher ausfallen als
in Sachsen-Anhalt, wo das Land diese Ausgaben im Rahmen der Sozialhilfefinanzierung direkt
trägt. Es bedarf also einer Bereinigung um diesen Kommunalisierungsfaktor, um die Sozialausgaben – brutto wie netto – zwischen den Ländern vergleichen zu können. Ausgleichszahlungen, die zwischen Land und Kommunen fließen, sind bei den hier betrachteten Einzahlungen
(Erstattungen für Transferleistungen) nicht gebucht. Daher ist eine Vertiefung des Belastungsvergleichs über die Analyse der Produktbereiche (Zugang 2) notwendig.
50
Die hier getroffenen Ausführungen zu den Unterschieden zwischen den einzelnen Ländern sowie die Folgerung nach notwendigen tiefergehenden Analysen werden auch vom Sozialministerium geteilt. Das Sozialministerium merkt ferner an, dass hier, aber auch in den weiteren Ausführungen, gerade wenn es um die Finanzierung geht, die Begriffe örtliche Träger und überörtlicher Träger missverständlich verwendet würden. In Mecklenburg-Vorpommern seien die
Landkreise und kreisfreien Städte die örtlichen Träger der Sozialhilfe und der Kommunale Sozialverband der überörtliche Träger. Dass das Land über das Sozialhilfefinanzierungsgesetz für
die ehemalige überörtliche Sozialhilfe Zuweisungen ausreiche, ändere daran nichts.
Der Landesrechnungshof verweist hierzu auf seine Bemerkungen zu Tz. 85.
3
Zugang 2: Bruttoausgaben und Zuschussbedarfe der Finanzrechnungsstatistik
(88)
Wenngleich der Zugang zu den Sozialausgaben über die Auszahlungskonten auch eine
fachspezifische Differenzierung erlaubt (zum Beispiel Kosten der Unterkunft, Sozialleistungen
nach SGB VIII und SGB XII), so bietet der folgende Zugang über die Produktgruppen der
kommunalen Finanzrechnungsstatistik eine tiefere Gliederung sowie die Erfassung aller Zahlungsströme neben den reinen Transferleistungen.35 Auch dieser Zugang kann wieder über
Brutto- oder Nettoausgaben, hier als Zuschussbedarfe bezeichnet, gewählt werden. Die Zuschussbedarfe sind definiert als Auszahlungen (Ausgaben) abzgl. Einzahlungen (Einnahmen)
und werden so genannt, weil sie durch allgemeine Deckungsmittel bezuschusst, d. h. finanziert
werden müssen.
(89)
Der finanzielle Unterschied der Bruttoausgaben 2011 zwischen dem Zugang 1 über die
sozialen Transferleistungen (1.133,9 Mio. Euro) und dem Zugang 2 über die Gesamtausgaben36 im Produktbereich Sozial- und Jugendhilfe (1.617,2 Mio. Euro) betrug 483,2 Mio. Euro.
Hier fällt insbesondere die bei den Transferaufwendungen nicht enthaltene Position der Kindertageseinrichtungen (387,8 Mio. Euro) auf der Produktebene ausgabensteigernd auf. Bei den
Netto-Sozialausgaben und den Zuschussbedarfen im Produktbereich ergibt sich aber ein umgekehrtes Bild: Der Zuschussbedarf nach Zugang 2 im Produktbereich (801,3 Mio. Euro) fiel um
35
36
Insofern sind hier auch Ausgleichsleistungen für kommunalisierte Aufgaben des überörtlichen Trägers er fasst, sofern diese nicht im Produktbereich 6 / Allgemeine Finanzwirtschaft gebucht werden, oder auch Kostenbeteiligungen örtlicher Sozialhilfeträger an Ausgaben eines überörtlichen Trägers in Zuständigkeit des
Landes.
Einschließlich Investitionsausgaben in Höhe von 35,9 Mio. Euro.
51
24,0 Mio. Euro geringer aus als der Betrag der Netto-Sozialausgaben im Transferbereich nach
Zugang 1 (825,3 Mio. Euro). Die Beachtung der Einzahlungs- bzw. Finanzierungsseite ist für
die Beurteilung der kommunalen Belastung daher von großer Bedeutung. Für politische Diskussionen ist somit von besonderer Wichtigkeit klarzustellen, welcher statistische Zugang verwendet wird, um Missverständnissen vorzubeugen.
(90)
Auch beim Zugang 2 wiesen die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern mit
988 Euro je Einwohner gemessen an den Bruttoausgaben einen um rd. 4,7 Prozent über dem
ostdeutschen Durchschnitt liegenden Wert auf. Lediglich in Brandenburg wurde mit
1.140 Euro je Einwohner nochmals deutlich mehr ausgegeben (vgl. Abbildung 25).
Abbildung 25: Bruttoausgaben und Zuschussbedarfe der Sozial- und Jugendhilfe in Mecklenburg-Vorpommern, ostdeutscher Ländervergleich, Gesamthaushalt, 2011, in Euro je Einwohner
523
Ostdt. Flächenländer
943
411
Thüringen
872
Bruttoausgaben
488
Sachsen-Anhalt
878
Zuschussbedarfe
585
Sachsen
881
575
Brandenburg
1.140
MecklenburgVorpommern
489
988
0
200
400
600
in Euro je EW
800
1.000
1.200
1.400
Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung.
Die drei übrigen ostdeutschen Länder bewegten sich hingegen um rd. 110 Euro unter dem
Wert von Mecklenburg-Vorpommern, wobei nur Sachsen hier annähernd vergleichbar ist, weil
es den überörtlichen Träger der Sozialhilfe ebenfalls kommunalisiert hat. Wird der Blick auf die
Zuschussbedarfe gelenkt, dann lag Mecklenburg-Vorpommern mit nur noch 489 Euro je Einwohner um 6,4 Prozent unter dem ostdeutschen Durchschnitt. Insofern spielt die Finanzierungsstruktur der Sozialhilfe für die kommunale Sozialbelastungsmessung eine erhebliche Rolle.37
37
52
Hier dürften die Ausgleichszahlungen des Landes an die örtlichen Sozialhilfeträger für die Wahrnehmung
der Aufgaben des überörtlichen Trägers belastungssenkend wirken.
(91)
Die Bruttoausgaben im Sozial- und Jugendhilfebereich konzentrieren sich insbesondere
auf vier Bereiche (vgl. Abbildung 26).
Abbildung 26: Anteile ausgewählter Sozial- und Jugendhilfearten in Mecklenburg-Vorpommern am
Sozialbereich Gesamthaushalt (brutto), 2011, in Prozent
Bruttoausgaben
Grundversorgung u. Leistungen
nach SGB XII
8,2%
Grundsicherungsleistungen
nach SGB II
27,6%
24,0%
30,5%
9,8%
Sonstige Einrichtungen zur
Förderung junger Menschen
und Familien
Kindertageseinrichtungen insgesamt
Sonstige Sozial- und Jugendhilfebereiche
Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung.
Die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II hatten 2011 darunter mit 30,5 Prozent den
größten Anteil daran, gefolgt von den Leistungen nach dem SGB XII mit 27,6 Prozent, den
Ausgaben der Kindertageseinrichtungen mit 24,0 Prozent und den sonstigen Leistungen zur
Förderung junger Menschen und Familien mit 9,8 Prozent. Die Produktgruppen für das
SGB XII sowie die Jugend- und Familienhilfe sind aber Aggregate einer Vielzahl unterschiedlicher Hilfen, die nur über die Fachstatistiken des Sozialbereichs tiefer analysiert werden können
(Zugang 3).
(92)
Gemessen an den Zuschussbedarfen verschieben sich die Anteile der Sozial- und Ju-
gendhilfebereiche erheblich. Aus der Perspektive der Sozialausgabenbelastung dominiert in
Mecklenburg-Vorpommern die Grundsicherungsleistung nach dem SGB II mit 39,8 Prozent,
was 319,2 Mio. Euro entspricht (vgl. Abbildung 27).
53
Abbildung 27: Anteile ausgewählter Sozial- und Jugendhilfearten in Mecklenburg-Vorpommern am
Sozialbereich Gesamthaushalt (netto, Zuschussbedarfe), 2011, in Prozent
Zuschussbedarf e
12,0%
Grundversorgung u. Leistungen
nach SGB XII
7,6%
Grundsicherungsleistungen
nach SGB II
23,3%
39,8%
17,3%
Sonstige Einrichtungen zur
Förderung junger Menschen
und Familien
Kindertageseinrichtungen insgesamt
Sonstige Sozial- und Jugendhilfebereiche
Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung.
Wegen der unbedeutenden Einzahlungsseite wächst auch die Bedeutung der sonstigen Leistungen zur Förderung junger Menschen und Familien um 7,5 Prozentpunkte auf 17,3 Prozent an.
Der geringere Anteil der Hilfen im SGB XII bei der Betrachtung der Zuschussbedarfe ergibt
sich aus der Zuweisung zum Ausgleich der Aufgaben des überörtlichen Sozialhilfeträgers nach
dem Sozialhilfefinanzierungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Ebenso verbuchen
die Kindertageseinrichtungen erhebliche Einnahmen aus Landeszuweisungen und auch Elternbeiträgen, wodurch der geringere Anteil an den gesamten kommunalen Zuschussbedarfen gegenüber der Betrachtung der Bruttoausgaben erklärt werden kann.
(93)
In der Differenzierung nach Produktgruppen zeigt sich, dass die Kommunen in Meck-
lenburg-Vorpommern mit Ausnahme des Bereichs Kindertageseinrichtungen in allen zentralen
Produktbereichen überdurchschnittliche Bruttoausgaben je Einwohner aufweisen (vgl. Abbildung 28).
Mit 37,8 Prozent überschreitet das Land bei den Leistungen nach dem SGB XII am stärksten
den Durchschnitt der ostdeutschen Flächenländer. Da gerade hier aber auch erhebliche Ausgleichszahlungen vom Land für die Kommunalisierung des überörtlichen Sozialhilfeträgers erfolgen, ist die Nettobelastung deutlich geringer. Der Zuschussbedarf liegt nur bei knapp zwei
Drittel des ostdeutschen Durchschnitts. Bei den nicht von der Arbeitsteilung zwischen Land
und Kommunen betroffenen Produktgruppen verändert sich die Relation zum Durchschnitt
beim Zuschussbedarf nur marginal.
54
Abbildung 28: Bruttoausgaben und Zuschussbedarfe der Sozial- und Jugendhilfe in Mecklenburg-Vorpommern, Gesamthaushalt, Ostdeutschland=100, 2011, in Prozent
88,7
Sonstige Sozialund Jugendhilfebereiche
107,7
Bruttoausgaben
76,5
Kindertageseinrichtungen
Insgesamt
74,0
Sonstige Einrichtungen
Zur Förderung junger
Menschen und Familien
113,6
115,7
118,1
Grundsicherungsleistungen nach SGB II
112,7
63,3
Grundversorgung u.
Leistungen nach SGB XII
137,8
0
20
40
60
in Prozent
80
100
120
140
160
Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung.
Das Sozialministerium merkt an, dass eigene Auswertungen der Bundesstatistik für den Bereich des SGB XII für das Jahr 2011 ein Überschreiten des Durchschnitts von nur 19,3 Prozent
ergeben hätten.
(94)
Von besonderem Interesse ist, wie stark der finanzielle Handlungsspielraum der Kom-
munen durch die sozialen Aufgaben eingeschränkt wird (vgl. Abbildung 29).
35
40,9
40,5
41,1
2011
36,4
34,5
39,2
38,6
2010
36,4
45,0
45,6
44,0
2009
39,2
40
40,2
41,9
41,3
42,8
45
41,9
50
45,6
Abbildung 29: Anteile der Zuschussbedarfe „Soziales“ (PG 31 + 36) an den kommunalen Gesamtzuschussbedarfen, ostdeutsche Flächenländer, 2009-2011, in Prozent
in Prozent
30
25
20
15
10
5
0
BB
MV
SN
ST
TH
OFL
Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung.
55
Bezogen auf die Zuschussbedarfe betrug der Anteil der Sozial- und Jugendhilfe an den Gesamtzuschussbedarfen in Mecklenburg-Vorpommern 2011 rd. 40 Prozent und lag damit im
ostdeutschen Mittel.
(95)
Es kann konstatiert werden, dass die Sozialausgaben einen großen Anteil der kommu-
nalen Ausgaben ausmachen und bundesweit ansteigen, wobei in Mecklenburg-Vorpommern
2002 ein sprunghafter Anstieg zu verzeichnen war. Dieser allein erklärt aber nicht die Abkopplung des Landes von der ostdeutschen Entwicklung und das Aufschließen zum westdeutschen
Durchschnitt. Die Transferzahlungen sind in Mecklenburg-Vorpommern vergleichsweise hoch.
Dies gilt insbesondere für die Brutto-Sozialausgaben. Am aktuellen Rand liegen die Pro-KopfWerte über dem Durchschnitt sowohl der ost- als auch der westdeutschen Länder. Für die
kommunalen Netto-Sozialausgaben ist dies für die ostdeutschen Länder festzustellen.
(96)
Auch die tiefergehende Analyse der kommunalen Sozialausgaben mittels des Zugangs 2
über die Finanzrechnungsstatistik, die auch die Verwaltungsaufwendungen sowie die Einnahmen des Sozialbereichs berücksichtigt,38 zeigt somit, dass die Bruttoausgaben für Mecklenburg-Vorpommern höher sind als in den meisten anderen Bundesländern, nicht jedoch die Zuschussbedarfe.
Zudem ergeben sich für die einzelnen Hilfearten und Sozialleistungen erhebliche Unterschiede.
Hier bedarf es jeweils einer weitergehenden Untersuchung. Ansatzweise erfolgt dies nachfolgend durch den Wirtschaftlichkeitsvergleich mittels der Auswertung der Fachstatistiken (Zugang 3). Hier können die Falldichten (Anzahl von Hilfeempfängern je Einwohner) als Ausdruck
des kostenrelevanten Problempotenzials identifiziert werden. Auch die Fallkosten können analysiert werden.
4
Zugang 3: Fallkosten nach der Fachstatistik
(97)
In diesem Abschnitt erfolgt nunmehr eine Verknüpfung von Fallzahlen und Sozialaus-
gaben. Wie nachfolgend gezeigt wird, erklärt zum Teil eine höhere Falldichte die hohen Sozialausgaben. Dies kann grundsätzlich in den folgenden Bereichen festgestellt werden:
38
56
Die zum Teil niedrigen Verwaltungskosten hierzulande resultieren nicht automatisch aus einer effizienten
Aufgabenwahrnehmung, sondern sind teilweise auf relativ niedrige Personalkosten zurückzuführen, welche
auch dadurch, dass das Personal teilweise nicht über das notwendige Qualifikationsprofil verfügt. Dies ha ben mehrfach Prüfungen des Landesrechnungshofes gezeigt (vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2012 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2012,
Tz. 289).
•
Grundsicherung nach dem SGB II (Kosten der Unterkunft),
•
Sozialhilfe nach dem SGB XII (Eingliederungshilfe für behinderte Menschen),
•
Sozialhilfe nach dem SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung)
und
•
Sozialhilfe nach dem SGB XII (Hilfe zur Pflege).
In den einzelnen nachfolgend dargestellten Bereichen bestehen daneben zum Teil Auffälligkeiten, bei denen der Landesrechnungshof Handlungsbedarf sieht.
4.1
Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II)
(98)
Im Bereich der Grundsicherung nach dem SGB II, hier abgebildet über die Kosten der
Unterkunft, zeigt sich, dass Mecklenburg-Vorpommern mit einem Zuschussbedarf von
195 Euro je Einwohner (2011) um rd. 18 Prozent über dem ostdeutschen Mittel lag. Jedoch
lag auch die Falldichte mit 122 Bedarfsgemeinschaften je 1.000 Einwohner um rd. 14 Prozent
darüber (vgl. Abbildung 30).
Abbildung 30: Kosten der Unterkunft - monatliche Nettoausgaben in Euro je EW und in Euro je Bedarfsgemeinschaft, Falldichte je 1.000 EW und Zuschussbedarf in Euro je EW, 2011
240
Monatliche Nettoausgaben je EW
220
Falldichte Bedarf sgemeinschaf ten je 1.000 EW
Monatliche Nettoausgaben je Bedarf sgemeinschaf t
Zuschussbedarf in Euro je EW
195
200
180
161
160
165
159
140
122
120
107
100
80
60
40
20
20
17
0
MV
OFL
Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung.
Entsprechend wichen die monatlichen Nettoausgaben je Bedarfsgemeinschaft mit rd. 161 Euro
nur marginal vom ostdeutschen Mittelwert (159 Euro) ab.
(99)
Im interkommunalen Vergleich kann gezeigt werden, dass das lokale Mietniveau einen
deutlichen Einfluss auf die Höhe der Ausgaben hat. Kommunen mit einem hohen Mietniveau
57
sind tendenziell auch mit hohen Ausgaben belastet. Gerade in den neuen Bundesländern wird
der Mietmarkt stark von relativ großen kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen durchdrungen, deren starke Marktstellung auch einen relativ großen Einfluss auf die
kommunalen Mietniveaus beinhaltet. Es ist damit festzuhalten, dass die Ausgaben für die Leistungen für Unterkunft und Heizung gesteuert werden können.
Daneben ist der lokale Problemdruck, d. h. die Arbeitslosigkeit und hier vor allem die Langzeitarbeitslosigkeit, maßgebend für die Ausgabenniveaus.
4.2
Leistungen der Sozialhilfe (SGB XII)
4.2.1 Eingliederungshilfe für behinderte Menschen
(100) Im Bereich der Sozialhilfe nach dem SGB XII ist vor allem die Eingliederungshilfe für
behinderte Menschen fiskalisch von hoher Bedeutung. Sie hat an allen Leistungen dieses Aufgabenfeldes einen Anteil von 60,5 Prozent (231,2 Mio. Euro) an den Nettoausgaben. Die Nettoausgaben der Eingliederungshilfe lagen 2011 mit 141 Euro je Einwohner um rd. 14 Prozent
über dem ostdeutschen Mittelwert. Zugleich fiel aber auch die Falldichte mit 12,2 Empfängern
je 1.000 Einwohner um 27,3 Prozent überdurchschnittlich aus. Entsprechend blieben die Fallkosten mit 11.594 Euro je Fall um 10,3 Prozent unter dem Durchschnitt (vgl. Abbildung 31).
Abbildung 31: Eingliederungshilfe für Behinderte - Nettoausgaben in Euro je EW und in Euro je Fall
sowie Falldichte, 2011
240
Monatliche Nettoausgaben je EW
Falldichte (Fälle je 1.000 EW)
Nettoausgaben je Fall
12.929
220
11.594
200
14.000
12.000
180
160
140
10.000
141
124
8.000
120
100
6.000
80
4.000
60
40
20
12,2
9,6
MV
OFL
0
2.000
0
Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung.
Die Eingliederungshilfe ist allerdings ein differenziertes Aufgabenfeld, so dass eine unterschiedliche Struktur der Aufgabenerfüllung (Hilfen beim Wohnen, Werkstätten, Bildungshilfen etc.)
58
und auch Differenzen zwischen ambulanten und stationären Anteilen an der Versorgung verbleibende Kostenunterschiede bewirken können.
Die zum Teil größeren Unterschiede bei der Falldichte und den Fallkosten auf der Ebene der
örtlichen Träger bieten Anlass, den Bereich künftig weiter zu untersuchen (vgl Abbildung 32).
Abbildung 32: Eingliederungshilfe für Behinderte, Falldichte und Kostenintensität bei den Kommunen
in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt für örtliche und überörtliche Träger, 2011
0
5
Falldichte (in Empfänger je 1.000 EW)
10
15
Uecker-Randow
25
9.838
15,2
Rügen
20
10.771
9,8
Parchim
15,7
Ostvorpommern
9.943
13,4
Nordw estmecklenburg
9.899
10.270
12,9
9.378
15,5
Nordvorpommern
Müritz
12.168
12,6
8.290
15,3
Mecklenburg-Strelitz
Ludw igslust
10.010
14,2
8.587
15,9
Güstrow
Demmin
9.897
14,2
Bad Doberan
9.370
12,0
7.685
Wismar, Stadt
17,4
7.222
Stralsund, Stadt
21,2
6.189
Neubrandenburg, Stadt
23,4
8.685
Greifsw ald, Stadt
17,6
8.834
16,9
Schw erin, Stadt
8.491
Rostock, Stadt
18,4
9.067
15,5
Durchschnitt
0
2000
4000
6000
8000
10000
12000
14000
Kostenintensität (in Euro je Empfänger)
Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung.
(101) Die Falldichte zeigt eine breite Streuung von 9,8 Fällen je 1.000 Einwohner (ehemaliger
Landkreis Rügen) bis zu 23,4 Fällen (ehemalige kreisfreie Stadt Neubrandenburg) an. Der
Höchstwert bei den Landkreisen lag bei 15,9 (ehemaliger Landkreis Güstrow), während für die
kreisfreien Städte die Landeshauptstadt Schwerin mit 16,9 Fällen je 1.000 Einwohner die untere Grenze markierte.
59
Die Kostenintensität der Nettoausgaben schwankt genauso stark zwischen 6.189 Euro je Empfänger (Neubrandenburg) und 12.168 Euro (ehemaliger Landkreis Müritz). Als Erklärungsfaktoren kommen der Ambulantisierungsgrad und die räumliche Konzentration von stationären
Einrichtungen in Frage bzw. anders ausgedrückt, das unterschiedliche regionale und lokale Angebot der Leistungserbringer beeinflusst unterschiedliche kommunale Ausgabenniveaus.
Eine, vielleicht die wichtigste, Stellschraube zur Kontrolle kommunaler Sozialausgaben ist die
stetige Prüfung der Angebotsstruktur der Leistungserbringer. Hier sollte die Landesregierung
weitere Untersuchungen vornehmen. Dort, wo lokal und regional relative Überkapazitäten
festzustellen sind, sollten Kapazitätsreduktionen – ggf. auch mit finanziellen Hilfen des Landes
– geprüft werden.
Aus Sicht des Landesrechnungshofes sollten zudem niederschwellige Betreuungsangebote der
Pflege in Einrichtungen vorangehen. Allerdings müssten auch die Fallzahlen und Kostenintensitäten in den einzelnen Unterarten der Eingliederungshilfe für Behinderte näher untersucht werden, denn hier können auch teure Spezialleistungen bei räumlicher Konzentration zu Ausgabenkonzentrationen führen.
(102) Für die Leistungen der überörtlichen Sozialhilfeträger ist seit mehreren Jahren ein bundesweiter Vergleichsring verfügbar.39 Daraus können für Mecklenburg-Vorpommern insgesamt
folgende ausgewählte Ergebnisse für die Eingliederungshilfe für Behinderte für das Jahr 2012
im gesamtdeutschen Vergleich abgeleitet werden:
•
Stationäres und ambulant betreutes Wohnen: Die Dichte der Leistungsempfänger ist
im Ländervergleich in Mecklenburg-Vorpommern überdurchschnittlich hoch (6,05 zu
4,39 Leistungsberechtigte je 1.000 Einwohner), die Ambulantisierungsquote dagegen
unterdurchschnittlich (36,1 Prozent zu 44,0 Prozent).40
−
Stationäres Wohnen: Das Land weist eine überdurchschnittliche Zahl an Plätzen
auf: 3,22 zu 2,65 Plätze je 1.000 Einwohner. Entsprechend ist die Zahl der Leistungsberechtigten überdurchschnittlich: 3,96 (2011) zu 2,52 Leistungsberechtigte
je 1.000 Einwohner.41 Bei den Bruttoausgaben weist das Land deutlich unterdurch-
39
40
41
60
Vgl. CON_SENS Consulting für Steuerung und soziale Entwicklung GmbH (2013): Kennzahlenvergleich
der überörtlichen Träger der Sozialhilfe 2012. Im Rahmen des Vergleichsringes werden Fehler und Unstim migkeiten der amtlichen Statistik nach Möglichkeit bereinigt und separate Datenerhebungen vorgenommen.
Vgl. ebd., S. 38 u. 45.
Vgl. ebd., S. 19 f.
schnittliche Ausgaben auf: 23.243 (2011) Euro zu 39.940 Euro je Leistungsberechtigten.
−
Ambulant betreutes Wohnen: Auch bei ambulant betreutem Wohnen weist das
Land eine leicht überdurchschnittliche Dichte auf: 2,09 (2011) zu 1,84 Leistungsberechtigte je 1.000 Einwohner.42 Fallkosten liegen hier nicht vor.
•
Werkstätten für Behinderte: Das Land weist eine überdurchschnittliche Zahl an Plätzen auf: 7,24 zu 5,30 Plätze je 1.000 Einwohner (18 bis unter 65 Jahre). Entsprechend
ist die Zahl der Leistungsberechtigten überdurchschnittlich: 7,44 (2011) zu 4,95 Leistungsberechtigte je 1.000 Einwohner (18 bis unter 65 Jahre). 43 Bei den Bruttoausgaben weist das Land deutlich unterdurchschnittliche Ausgaben auf: 10.486 Euro (2011)
zu 14.014 Euro je Leistungsberechtigten. Nach Sachsen mit 9.987 Euro je Leistungsberechtigten ist das bundesweit der niedrigste Wert. 44
Damit deutet sich auf der Grundlage des CON_SENS-Kennzahlenvergleichs für MecklenburgVorpommern eine gut ausgebaute Infrastruktur der Hilfen an. Das großzügige Angebot an stationären Plätzen kann zu einer erhöhten Belegung dieser Plätze und damit überproportionalen
Kosten führen.
4.2.2 Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
(103) Der zweitgrößte Aufgabenbereich im SGB XII ist die Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung. Der Anteil an den Nettoausgaben aller Hilfen nach dem SGB XII betrug
knapp 20 Prozent (74,8 Mio. Euro). Die Nettoausgaben lagen hier im Jahr 2011 mit 46 Euro je
Einwohner um rd. 41 Prozent über dem ostdeutschen Mittelwert mit 32 Euro je Einwohner.
Aber auch hier fiel die Falldichte mit 10,9 Empfängern je 1.000 Einwohner um 39,7 Prozent
überdurchschnittlich aus. Damit ergab sich für die Fallkosten mit 4.189 Euro je Fall ein dem
ostdeutschen Durchschnitt entsprechendes Niveau.
42
43
44
Vgl. ebd., S. 32.
Vgl. ebd., S. 47 u. 49.
Vgl. ebd., S. 61.
61
Abbildung 33: Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - Nettoausgaben in Euro je EW
und in Euro je Fall sowie Falldichte, 2011
Monatliche Nettoausgaben in Euro je EW/Fall
140
Monatliche Nettoausgaben je EW
130
Falldichte (Fälle je 1.000 EW)
Nettoausgaben je Fall
4.189
120
4.171
5.000
4.500
4.000
110
100
3.500
90
3.000
80
2.500
70
60
50
2.000
46
40
30
20
10
1.500
32
1.000
10,9
7,8
MV
OFL
0
Nettoausgaben in Euro je Fall
150
500
0
Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung.
Allerdings ist der Durchschnitt in diesem Fall weiter untersuchungsbedürftig, weil er durch
zwei sehr gegensätzliche Positionen gebildet wurde – hohe Kostenniveaus in Brandenburg und
Sachsen, niedrige Niveaus in Sachsen-Anhalt und Thüringen.
(104) Die Kommunen von Mecklenburg-Vorpommern weisen sehr unterschiedliche Falldichten und Fallkosten bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung außerhalb von
Einrichtungen der örtlichen Sozialhilfeträger auf (vgl. Abbildung 34).
62
Abbildung 34: Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung außerhalb von Einrichtungen der
örtlichen Sozialhilfeträger - Falldichte und Kostenintensität bei den Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt, 2011
0
5
Falldichte (in Empfänger je 1.000 EW)
10
15
Uecker-Randow
3.847
5,0
Parchim
7,1
Ostvorpommern
7,3
5,8
Nordvorpommern
6,0
Müritz
6,1
3.549
4.084
4.262
3.796
Mecklenburg-Strelitz
6,4
Ludwigslust
6,4
Güstrow
3.764
4.143
Nordwestmecklenburg
4.172
3.827
6,7
Demmin
4.123
6,0
Bad Doberan
4.212
5,7
Wismar, Stadt
3.543
10,0
Stralsund, Stadt
7,8
Neubrandenburg, Stadt
7,9
4.111
4.548
Greifswald, Stadt
9,8
Schwerin, Stadt
9,9
Rostock, Stadt
9,7
Durchschnitt
4.131
4.797
3.317
4.036
7,3
0
1000
25
3.910
7,5
Rügen
20
2000
3000
4000
5000
6000
Kostenintensität (in Euro je Empfänger)
Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung.
Die festgestellte starke Spreizung der Kostenintensität zwischen den beiden kreisfreien Städten
Rostock und Schwerin legt dabei einen Vergleich dieser beiden Kommunen besonders nahe.
Obwohl die Falldichte annähernd gleich ist, weichen beide Städte in der Kostenintensität deutlich voneinander ab. Dies deutet daraufhin, dass Kostensenkungspotenziale in Schwerin vorhanden sind, da je Empfänger 4.797 Euro und damit 45 Prozent mehr gewährt werden. Der
Landesrechnungshof sieht hier Handlungsbedarf. Grundsätzlich sind hier weitere differenziertere Analysen notwendig, um die Unterschiede zu erklären.
63
4.2.3 Hilfe zur Pflege
(105) Mit einem Anteil von rd. 10 Prozent (37,6 Mio. Euro) an allen Hilfen nach dem
SGB XII ist die Hilfe zur Pflege der drittgrößte Aufgabenbereich in diesem Segment des Sozialbereichs. Die Nettoausgaben der Eingliederungshilfe lagen 2011 mit 23 Euro je Einwohner
um rd. 46 Prozent über dem ostdeutschen Mittelwert mit 16 Euro je Einwohner. Die Falldichte
fiel mit 4,5 Empfängern je 1.000 Einwohner ebenfalls um rd. 46 Prozent höher aus. Entsprechend lagen die Fallkosten mit 5.055 Euro je Fall nahe am ostdeutschen Durchschnitt mit
4.891 Euro je Fall. Einzig für Sachsen konnten deutlich geringere Fallkosten (4.122 Euro je
Fall) festgestellt werden (vgl. Abbildung 35).
Abbildung 35: Hilfe zur Pflege - Nettoausgaben in Euro je EW und in Euro je Fall sowie Falldichte,
2011
Monatliche Nettoausgaben je EW
110
Falldichte (Fälle je 1.000 EW)
Nettoausgaben je Fall
5.055
4.891
100
6.000
5.000
90
4.000
80
70
3.000
60
50
2.000
40
30
23
16
20
10
1.000
4,5
3,2
MV
OFL
Nettoausgaben in Euro je Fall
Monatliche Nettoausgaben in Euro je EW/Fall
120
0
0
Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung.
(106) Im Folgenden werden die Falldichten und die Kostenintensitäten auf Kreisebene für die
örtlichen und die überörtlichen Träger zusammengefasst behandelt (vgl. Abbildung 36).
Die Darstellung zeigt sowohl für die Fallkosten als auch für die Kostenintensität eine breite
Streuung an. Die kreisfreien Städte weisen höhere Falldichten auf als die Landkreise, mit Ausnahme der Landkreise Mecklenburg-Strelitz und Ostvorpommern. Der Landkreis Uecker-Randow zeichnet sich durch eine relativ hohe Falldichte und die höchste Kostenintensität aus. In
den Landkreisen Bad Doberan und Güstrow fallen geringe Falldichten in Verbindung mit überdurchschnittlichen Kostenintensitäten auf. Diese Ergebnisse deuten auf Kostensenkungspotenziale hin. Der Landesrechnungshof sieht hier Ansatzpunkte für Verbesserungen.
64
Abbildung 36: Hilfe zur Pflege bei den örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträgern in MecklenburgVorpommern - Falldichte und Kostenintensität, 2011
0
Falldichte (in Empfänger je 1.000 EW)
10
15
5
Uecker-Randow
20
25
7.435
6,0
Rügen
4,5
Parchim
4,6
4.262
3.398
Ostvorpommern
3.037
7,3
Nordw estmecklenburg
4.588
4,7
Nordvorpommern
3.171
5,8
Müritz
4.241
4,8
Mecklenburg-Strelitz
7,8
Ludw igslust
3,3
Güstrow
3,2
Demmin
3.119
4.094
4.759
4.178
4,9
Bad Doberan
5.528
3,3
Wismar, Stadt
3.249
6,6
Stralsund, Stadt
3.145
5,4
Neubrandenburg, Stadt
4.585
6,9
Greifsw ald, Stadt
3.222
7,2
Schw erin, Stadt
4.212
8,2
Rostock, Stadt
4.645
6,4
Durchschnitt
4.147
5,5
0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
7000
8000
Kostenintensität (in Euro je Empfänger)
Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung.
(107) Die großen lokalen Unterschiede müssen vor dem Hintergrund der differenzierten
Struktur der Hilfe zur Pflege näher untersucht werden. Dabei sind die Verhältnisse von Hilfen
innerhalb und außerhalb von Einrichtungen näher zu beleuchten. Zudem wäre die Struktur der
Hilfegewährung nach Pflegestufen zu untersuchen.
4.2.4 Übrige Hilfearten
(108) Die drei zuletzt genannten Sozialbereiche machen zusammen rd. 90 Prozent der Nettoausgaben des SGB XII aus. Infolgedessen haben die drei übrigen Bereiche nur noch eine quantitativ geringe Bedeutung.
65
•
Die Hilfe zum Lebensunterhalt ist nach Einführung von Grundsicherung im Alter und
bei Erwerbsminderung und der Grundsicherung für Arbeitsuchende ein Rest-Sammelbecken für Leistungsberechtigte mit sehr unterschiedlichen Ursachenhintergründen
geworden. Insofern fällt die Suche nach Ursachen für Ausgaben bzw. Kostenunterschiede hier besonders schwer.
•
Ähnliches gilt für die Hilfen zur Gesundheit, die nach der Übernahme dieser Hilfe
durch die Krankenkassen für die örtlichen Sozialhilfeträger nur noch wenige direkte
Fälle aufweist. Alles andere erfolgt nur auf dem Weg der Kostenerstattung an die
Krankenkassen.
•
Auch bei den Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten ergibt sich
die Problematik der Analyse schon aus der Begrifflichkeit „besonderer Schwierigkeiten“. Auffälligkeiten müssen auch vor dem Hintergrund der möglichen Zuordnung zu
anderen Hilfearten gesehen werden.
4.3
Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe
(109) Im Folgenden soll für die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe der Fokus insbesondere auf die Hilfen in sozialen Problemlagen gerichtet werden. Hier kommt insbesondere den
Hilfen zur Erziehung eine quantitativ gewichtige Position zu, die vor allem in den hohen Kosten für familienersetzende, stationäre Maßnahmen wie Vollzeitpflege und Heimerziehung begründet ist. Der Bereich Kindertageseinrichtungen, der den Zuschussbedarf des gesamten Bereichs mit einem Anteil von rd. 64 Prozent dominiert, soll aufgrund seiner anderen Zielrichtung
und Aufgabenstellung im Rahmen der Daseinsvorsorge nicht näher betrachtet werden.
(110) In Mecklenburg-Vorpommern wurden 2011 für die Hilfe zur Erziehung, die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, die Hilfe für junge Volljährige und
für vorläufige Schutzmaßnahmen mit 665 Euro je Einwohner unter 18 Jahren rd. 25 Prozent
mehr als im ostdeutschen Durchschnitt mit 529 Euro je Einwohner unter 18 ausgegeben
(vgl Abbildung 37).
Im Vergleich zu Sachsen (428 Euro je Einwohner unter 18 und Thüringen (409 Euro je Einwohner unter 18) waren es rd. 55 bzw. 63 Prozent mehr. Rund die Hälfte der Ausgaben entfiel
dabei in allen Ländern auf die Heimerziehung bzw. die Erziehung in betreuten Wohnformen.
66
Abbildung 37: Brutto-Auszahlungen für Hilfen zur Erziehung, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, Hilfe für junge Volljährige und vorläufige Schutzmaßnahmen in den ostdeutschen Ländern, 2011, in Euro je Einwohner unter 18 Jahren
800
in Euro je EW unter 18 Jahren
700
Einrichtungen
686
3
600
665
11
556
529
5
500
428
400
300
Einzel- und Gruppenhilfen
409
2
683
5
7
654
551
426
200
524
402
100
0
BB
MV
SN
ST
TH
OFL
Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung.
Allein hier betrugen die Mehrausgaben in Mecklenburg-Vorpommern gegenüber den beiden
genannten Ländern 85,5 bzw. 95,0 Euro je Einwohner unter 18 Jahren. Bei der sozialpädagogischen Familienhilfe waren es immerhin 55,4 bzw. 72,2 Euro je Einwohner unter 18 Jahren.
Dabei entsprach die Falldichte bei der Hilfe zur Erziehung in Mecklenburg-Vorpommern dem
ostdeutschen Durchschnitt (vgl. Abbildung 38).
Abbildung 38: Falldichte der Hilfen zur Erziehung nach § 27 bis 35a SGB VIII in den ostdeutschen
Ländern, 2011, in Fälle je 1.000 Einwohner unter 18 Jahren
90
83,2
un Fälle je 1.000 EW unter 18 Jahren
80
73,6
70
70,0
70,2
SN
ST
75,3
74,1
TH
OFL
60
50
40
30
20
10
0
BB
MV
Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung.
67
(111) Neben der Falldichte ist die Dauer der Maßnahmen für die Kostenfrage von Bedeutung.
Hier weist Mecklenburg-Vorpommern für den Durchschnitt über alle Hilfen der Erziehung die
mit Abstand höchste Maßnahmendauer auf (vgl. Abbildung 39).
Abbildung 39: Bisherige durchschnittliche Dauer der Hilfen zur Erziehung nach § 27 bis 35a SGB VII
in den ostdeutschen Ländern, 2011, in Monaten
15
13,7
14
13
12
11,3
11
10,0
in Monaten
10
8,7
8,6
9
7,7
8
7
6
5
4
3
2
1
0
BB
MV
SN
ST
TH
OFL
Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung.
Mit 13,7 Monaten liegt sie um 25,1 Prozent über dem ostdeutschen Durchschnitt und sogar
um 55,3 Prozent über dem Niveau in Sachsen. Dies kann maßgeblich zur Erklärung der Belastungsunterschiede zwischen den Ländern dienen. Eine hohe Verweildauer im System liegt naturgemäß im Interesse der Leistungsanbieter. Hier sieht der Landesrechnungshof die öffentlichen Akteure in der Pflicht, Fehlanreize und Fehlsteuerung im Hinblick auf die Leistungsanbieter zu beseitigen.
(112) Innerhalb Mecklenburg-Vorpommerns variiert die Falldichte stark zwischen 28 Fällen
je 1.000 Jugendliche unter 18 Jahren im Landkreis Nordwestmecklenburg bis zu 160 Fällen in
der ehemals kreisfreien Stadt Stralsund.
68
Abbildung 40: Falldichte der Erziehungs- und Familienhilfe nach § 27 bis 35a SGB VIII in Mecklenburg-Vorpommern, 2011
0
5
Falldichte Heimerziehung (in Fälle je 1000 EW)
10
15
20
25
12,4
Uecker-Randow
93,0
9,0
Rügen
30
100,1
5,3
36,8
Parchim
10,6
Ostvorpommern
Nordw estmecklenburg
28,2
Nordvorpommern
90,8
7,6
10,2
46,1
8,6
Müritz
8,5
Mecklenburg-Strelitz
Ludw igslust
57,4
Erziehungs- und Familienhilfen
insgesamt
70,5
72,8
13,0
14,2
86,2
Güstrow
12,7
Demmin
5,6
Bad Doberan
102,3
50,1
13,1
80,0
Wismar, Stadt
19,3
Stralsund, Stadt
160,0
13,7
85,0
Neubrandenburg, Stadt
13,7
Greifsw ald, Stadt
94,3
Schw erin, Stadt
23,9
99,0
Rostock, Stadt
85,9
17,8
12,0
74,0
Durchschnitt
0
20
40
60
80
100
120
140
160
180
Falldichte Erziehungs- und Familienhilfen insgesamt (in Fälle je 1000 EW)
Quelle: Junkernheinrich et al.; eigene Darstellung.
Hier sieht der Landesrechnungshof weiteren Klärungsbedarf.45 Anhand der wegen der hohen
Einzelfallkosten fiskalisch bedeutenden Heimerziehung (§ 34 SGB VIII) ist aber zu erkennen,
dass insbesondere die Städte Rostock, Schwerin und Stralsund einen besonderen Problemdruck hinsichtlich der Fallzahlen aufweisen.
45
Beispielsweise resultiert der hohe Wert für Stralsund aus einer deutlich überdurchschnittlichen Hilfe für die
Erziehungsberatung nach § 28 SGB VII: 65 Fälle je 1.000 Einwohner unter 18 bei einem Landesdurch schnitt von 15 Fällen. Gleichwohl weist Stralsund auch in anderen Hilfebereichen überdurchschnittliche
Werte auf.
69
5
Fazit
(113) Es lässt sich eine auffällig überdurchschnittliche Höhe der Sozialausgaben in Mecklenburg-Vorpommern feststellen. Diese wird im gesamten Produktkontext der Sozial- und Jugendhilfe nur dadurch gedämpft, dass in Mecklenburg-Vorpommern für ostdeutsche Verhältnisse – also bei einem hohen Ausgabenniveau und hohen Standards im Vergleich zum Altbundesgebiet – vergleichsweise geringe Ausgaben für die Kindertageseinrichtungen getätigt werden.46 Jenseits dieses Feldes lassen sich je nach Aufgabe unterschiedlich überproportionale
Ausgabeniveaus erkennen. Eine Ausnahme bildet die Eingliederungshilfe für Behinderte.
(114) Ein Teil der hohen Ausgaben erklärt sich durch eine höhere Falldichte, hinter der sich
neben der grundsätzlich veränderbaren Angebotsstruktur der Leistungsanbieter und Frage der
ebenfalls änderbaren Fallsteuerung auch ein höherer sozialer Problemdruck verbirgt. Es verbleiben aber unerklärte Größen, die insbesondere dort auftreten, wo die Regelungsdichte geringer und der Ermessensspielraum, zum Beispiel wegen der individuell auf den jeweiligen Leistungsempfänger zugeschnittenen Maßnahmenfestsetzung, größer ist. Bei eher regelleistungsgebundenen Hilfen können die kostenverursachenden Faktoren leichter erklärt werden, wie beispielsweise bei den Kosten der Unterkunft über die lokalen Mietniveaus und die Arbeitslosigkeit.
(115) Die Kostenunterschiede jenseits der durch unterschiedliche Falldichten verursachten
Belastungsunterschiede lassen sich nicht abschließend erklären. Einerseits ist es hier nicht möglich, alle Differenzierungen der sozialen Hilfen, die jeweils eigene Kostenintensitäten und Falldichten aufweisen, in der notwendigen Weise aufzugreifen. Andererseits ist die Zahl der möglichen Einflussfaktoren sehr groß. Sofern die Hilfen über medizinische Gutachten begründet sind
(zum Beispiel Eingliederungshilfe für Behinderte), tritt ein weiterer Akteur in den Prozess ein
und es reduziert sich folglich die Steuerungsmöglichkeit des Sozialhilfeträgers deutlich. Ferner
müssen gerichtliche Entscheidungen berücksichtigt werden.
46
70
In Mecklenburg-Vorpommern ist der Anteil der Eltern an der Finanzierung der Angebote zur frühkindli chen Bildung, Betreuung und Erziehung mit fast 27 Prozent (2010) mit Abstand der höchste im Vergleich
der Bundesländer. Zudem weist Mecklenburg-Vorpommern z. B. beim Personalschlüssel in den verschiedenen Gruppentypen für 2012 schlechte Werte im bundesweiten Vergleich aus. Beim Gruppentyp Kindergar ten (Kinder ab 3 Jahre bis Schuleintritt) ist der Wert für Mecklenburg-Vorpommern von 1:13,6 gleichzeitig
der bundesweite Höchstwert. Gesetzlich ist für dieses Alter vorgesehen, dass eine Fachkraft sogar bis zu 16
Kinder (ab 01.08.2015 15 Kinder) betreuen darf. Um strukturell angemessene Rahmenbedingungen für eine
gute Qualität sicherzustellen, wird in der Wissenschaft ein Schlüssel von 1:7,5 empfohlen. Vgl. BockFamulla/Lange (2013): Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme 2013. Transparenz schaffen - Governance stärken. Gütersloh, S. 140-153 (Beitrag zu Mecklenburg-Vorpommern).
(116) Die nicht erklärten Kostenunterschiede belassen insgesamt einen deutlichen Legitimationsdruck bei den Trägern der Sozial- und Jugendhilfe. Der Sozialbereich ist nicht von Wirtschaftlichkeitsfragen freigestellt. Die schleichende Verdrängung anderer kommunaler – gleichwertiger – Aufgaben durch überproportional steigende Sozialausgaben erfordert eine Rechtfertigung. Die öffentliche Hand wird die Umverteilung von öffentlichen Mitteln weg von Bildung,
Infrastruktur und öffentlichen Sicherheit in den Mikrokosmos von Leistungsanbietern und
Leistungsnachfragern im sozialen Sektor nicht auf Dauer beibehalten können, sofern die anderen Bereiche nicht erodieren sollen. Zwingend ist daher eine Debatte über Fall- und Kostensteuerung, Überkapazitäten und Fehlanreize im Sozialsektor geboten und notwendig. Denn
auch die Finanzierung über Schulden (Kassenkredite) stellt keine Lösung dar.
(117) Insbesondere sollten die interkommunalen Unterschiede bei der Falldichte und den Fallkosten
•
bei der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen,
•
bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung außerhalb von Einrichtungen,
•
bei der Hilfe zur Pflege und
•
bei der Hilfen zur Erziehung sowie die Unterschiede bei der durchschnittlichen Dauer
dieser Hilfeart
weiter untersucht werden. Auch der im Ländervergleich festgestellte niedrige Ambulantisierungsgrad von Mecklenburg-Vorpommern ist diskussionswürdig (vgl. Tz. 102). Dass die teilweise gut ausgebaute Angebotsstruktur die Ausgaben steigere, ist nach Auffassung des Sozialministeriums darauf zurückzuführen, dass der Leistungsbezieher ein Wunsch- und Wahlrecht
nach der UN-Behindertenrechtskonvention und § 13 SGB XII habe.
Zudem werde vernachlässigt, dass die gesetzlichen Sozialhilfeleistungen Ermessensspielräume
nur hinsichtlich des Wie zuließen und auch hier das Wunsch- und Wahlrecht des Betroffenen
grundsätzlich zu beachten sei. Die Ermessensspielräume wären insofern eher gering.
Der Landesrechnungshof bemerkt hierzu, dass er in seinen Prüfungen im Sozialbereich vielfach
Hinweise auf bestehende Optimierungspotenziale bei der Hilfegewährung vorgefunden hat. Die
Beiträge in den vergangenen Jahresberichten zeigten dies.
71
Im Übrigen bestätigen die Ausführungen des Sozialministeriums indirekt, dass eine aus Sicht
des Landesrechnungshofes nicht immer bedarfsgerechte Angebotsstruktur (Überkapazitäten)
zu überhöhten Ausgaben führt. Die Angebotsstruktur der Leistungserbringer im Sozial- und
Jugendhilfebereich ist daher auch eine Schlüsselgröße, wenn man das Problem dynamisch
wachsender Sozialausgaben in den Griff bekommen möchte.
72
2
Umsetzung der Kreisgebietsreform in ausgewählten Landkreisen
Der Landesrechnungshof hat mit gutachterlicher Unterstützung von PWC/WIBERA die
Umsetzung der Kreisgebietsreform in den Landkreisen Vorpommern-Rügen und Vorpommern-Greifswald geprüft.
Das bereits im Vorfeld der Kreisgebietsreform festgestellte Einsparpotenzial im Personalbereich wurde durch die Prüfung erneut bestätigt.
(118) Im Vorfeld der Kreisgebietsreform hatte der Landesrechnungshof dem Landtag die Beratende Äußerung „Einspareffekte einer geplanten Kreisgebietsreform“47 übersandt. Deren
Untersuchungsgegenstand war das mögliche Einsparpotenzial bei den Stellen bzw. Personalkosten in den ehemaligen Landkreisen Nordvorpommern und Rügen sowie der Hansestadt
Stralsund (kreisliche Aufgaben).
Die mit der Kreisgebietsreform realisierte Variante (Landkreis Vorpommern-Rügen) wurde unter dem Arbeitstitel „Landkreis Stralsund“ geführt. Seinerzeit wurde allein für den „Landkreis
Stralsund“ ein jährliches Einsparpotenzial von 192,18 VZÄ, d. h. von jährlich mehr als 9 Mio.
Euro festgestellt.
(119) Die durch die Kreisgebietsreform prognostizierten Einspareffekte werden weiterhin
(vor allem von kommunaler Seite) in Zweifel gezogen. Die aufgezeigten Effekte ließen sich
nicht bzw. allenfalls in Teilen realisieren.
(120) Der Landesrechnungshof hat die prognostizierten Einspareffekte der Kreisgebietsreform deshalb in den Landkreisen Vorpommern Rügen und Vorpommern-Greifswald mit gutachterlicher Unterstützung durch PWC/WIBERA erneut geprüft. Gegenstand der Prüfung waren die Stellenpläne des Jahres 2012 und der tatsächliche Personalbestand im Jahr 2012.
(121) Dabei wurde für den Landkreis Vorpommern-Rügen ein Stellen-Soll ermittelt, das nur
geringfügig unter dem Stellenbedarf für den Modellkreis „Landkreis Stralsund“ liegt. Zum
Zeitpunkt der Prüfung war im Vergleich zum Stellen-Ist noch ein Überhang von 67 Stellen
vorhanden.
47
Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2009): Einspareffekte einer geplanten Kreisgebietsreform,
Beratende
Äußerung
gegenüber
dem
Landtag
Mecklenburg-Vorpommern
gemäß
§ 88 Abs. 3 LHO M-V, Drs. 5/2180.
73
(122) Beim Landkreis Vorpommern-Greifswald war zum Zeitpunkt der Prüfung nach dem
festgestellten Stellen-Soll im Vergleich zum Stellen-Ist noch ein Überhang von 76 Stellen vorhanden.
(123) Die Stellenbemessungen für beide Landkreise erfolgten auf der Grundlage des Aufgabenbestandes zum Zeitpunkt der örtlichen Erhebungen im Jahr 2012 und den von beiden Landkreisen zur Verfügung gestellten aufgabenspezifischen Fallzahlen und Kennzahlen. Weil Art
und Umfang der zu erledigenden Aufgaben sich fortlaufend ändern (z. B. Aufgabe kommunales
Jobcenter oder Anzahl der zu betreuenden Flüchtlinge und Asylbewerber), ist die Stellenbemessung ein dynamischer Prozess und immer wieder dem aktuellen Aufgabenbestand anzupassen.
(124) Der Landkreis Vorpommern-Greifswald hat im Verlauf der Prüfung Einwendungen gegen die von PWC/WIBERA angewandte Methode der Stellenbemessung erhoben. Der Stellenbedarf sei im Wesentlichen nach „Verhältniszahlen zur Einwohnergröße“ bemessen worden.
Der Stellenbedarf in „fallzahlenbasierten“ Verwaltungsbereichen sei aber von den Fallzahlen
und nicht von den Einwohnerzahlen abhängig. Die Einwendungen des Landkreises treffen nicht
zu. PWC/WIBERA hat auf 25 Seiten für sämtliche Aufgaben Stellenbedarfe auf Basis aufgabenspezifischer Fall- und Kennzahlen berechnet. Nur bei wenigen Aufgaben ist der Stellenbedarf auf Basis der Einwohnerzahl als Kennzahl ermittelt worden (ca. 5 Prozent). Die vom Innenministerium eingesetzten beratenden Beauftragten Rödel & Partner haben ebenfalls erklärt,
die methodische Vorgehensweise von PWC/WIBERA zur Stellenbemessung sei nachvollziehbar und plausibel.
(125) Der Landkreis Vorpommern-Rügen hat erklärt, dass im Gesamtergebnis für den Landkreis Vorpommern-Rügen lediglich ein Stellenbedarf von 3,03 VZÄ je tausend Einwohner ermittelt wurde, für den Landkreis Vorpommern-Greifswald aber ein – deutlich höherer – Stellenbedarf von 3,47 VZÄ je tausend Einwohner.
Dieser Einwand ist ebenfalls nicht berechtigt. Zwar wären für den Landkreis VorpommernRügen weitere rund 100 Stellen auszuweisen, wenn der Stellenbedarf auf Basis von 3,47 Stellen je tausend Einwohner zu ermitteln gewesen wäre. Der Stellenbedarf ist jedoch nicht aufgrund der Einwohnerzahlen ermittelt worden, sondern im wesentlichen unabhängig von den
Einwohnerzahlen aufgrund der von den Landkreisen gemeldeten aufgabenspezifischen Fallzahlen und sonstigen Kennzahlen.
74
3
Stärkung der überörtlichen Kommunalprüfung
Eine sachgerechte Aufgabenerfüllung der überörtlichen Kommunalprüfung kann nur
mit einer angemessenen Stellen- und Personalausstattung erfolgen. Diese Voraussetzungen sind in der Mehrzahl der Gemeindeprüfungsämter der Landkreise nicht gegeben.
Im Ergebnis einer Abfrage bei den Landkreisen wurden überwiegend eine zu geringe
Stellenausstattung sowie eine unvollständige Besetzung bestehender Stellen für den Aufgabenbereich der überörtlichen Kommunalprüfung festgestellt.
(126) Im Bereich der Kommunalprüfung ist zwischen der örtlichen und überörtlichen Rechnungsprüfung zu unterscheiden.
Den Gemeinden, Landkreisen, Ämtern und Zweckverbänden obliegt die örtliche Prüfung ihrer
Haushalts- und Wirtschaftsführung im Sinne einer Selbstprüfung als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises (§ 1 Abs. 1 KPG M-V48).
Die überörtliche Prüfung im Sinne einer Fremdprüfung führen als verwaltungsexterne Prüfungsbehörden der Landesrechnungshof und der Landrat als untere staatliche Verwaltungsbehörde durch (§ 4 Abs. 1 S. 2 KPG M-V). Der Landesrechnungshof ist zuständig für die überörtliche Prüfung der kommunalen Körperschaften, soweit diese der unmittelbaren Rechtsaufsicht des Landes unterliegen (Landkreise, kreisfreie Städte sowie große kreisangehörige Städte). Zudem kann er Querschnittsprüfungen auch bei anderen kommunalen Körperschaften
durchführen. Dem Landrat obliegt die überörtliche Prüfung der kommunalen Körperschaften,
für deren Rechtsaufsicht er zuständig ist. Dabei bedient er sich des Rechnungsprüfungsamtes
seines Landkreises als Gemeindeprüfungsamt.
(127) Im Zuge seiner Prüfung „Organisation der überörtlichen Kommunalprüfung im kreisangehörigen Raum“ hatte der Landesrechnungshof teilweise erhebliche Mängel in der Aufgabenerfüllung festgestellt, die u. a. auf einen geringen Einsatz von Personal zurückzuführen waren.49 Der Landesrechnungshof hat dabei auf die Notwendigkeit einer ausreichenden Personalausstattung für Aufgaben der überörtlichen Kommunalprüfung hingewiesen.
48
49
KPG M-V vom 6. April 1993, zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 17. Dezember 2009
(GVOBl. M-V S. 687, 720).
Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht 2011 (Teil 2) – Landesfinanzbericht
2011, Tzn. 625-643, hier: Tz. 630.
75
(128) Die Stellen- und Personalausstattung der Gemeindeprüfungsämter sowie deren Prüfungsrückstände wurden für den vorliegenden Bericht nochmals punktuell untersucht.
1
Entwicklung der Stellen- und Personalausstattung für Aufgaben der
Rechnungs- und Gemeindeprüfung
(129) Für den Gesamtbereich der Rechnungs- und Gemeindeprüfung ist im Zeitraum von
1998 bis 2012 ein deutlicher Stellenabbau festzustellen, beispielsweise reduzierte sich die Anzahl der besetzten Stellen allein zwischen 2009 (78,20 VZÄ) und 2012 (70,15 VZÄ) deutlich.
Die Entwicklung für 2013 und 2014 stellt sich wie folgt dar:
Tabelle 12: Übersicht über die Stellenanzahl und die Stellenbesetzung im Bereich der Rechnungsund Gemeindeprüfung (in VZÄ)
2013
Landkreis
2014
Stellenplan
IstBesetzung
Unbesetzte
Stellen
Stellenplan
IstBesetzung
Unbesetzte
Stellen
Nordwestmecklenburg
8,75
7,45
1,3
8,75
8,3
0,45
Ludwigslust-Parchim
14,9
13
1,9
16
14,9
1,1
Rostock
12
10
2,0
12
11,875
0,13
Mecklenburgische Seenplatte
18
18
0
17
16,5
0,5
Vorpommern-Rügen
12,8
11,8
1
14,05
12,8
1,25
Vorpommern-Greifswald
12,4
12,35
0,05
16,4
12,35
4,05
78,85
72,6
6,25
84,2
76,725
7,48
SUMME
Quelle: Eigene Berechnungen (Grundlage: Angaben der Landkreise, des Innenministeriums sowie eigene Erhebungen).
Nach Zeiten eines deutlichen Personalabbaus im Bereich der Rechnungs- und Gemeindeprüfung scheint sich diese Entwicklung in den Jahren 2013 und 2014 umzukehren. Für diese beiden Jahre ist eine Erhöhung der Stellenanzahl festzustellen. Allerdings erhöht sich auch die Anzahl der insgesamt unbesetzten Stellen.
(130) Diese Gesamtentwicklung im Bereich der Rechnungs- und Gemeindeprüfung überträgt
sich entsprechend auf den Teilbereich der überörtlichen Prüfung durch die Gemeindeprüfungsämter. Während allein zwischen 1998 und 2009 eine erhebliche Reduzierung des Stellenbestandes von durchschnittlich 19 Prozent festzustellen war50, konnte für die Jahre 2013 und 2014 ein
Zuwachs um insgesamt 5,3 VZÄ verzeichnet werden.
50
76
Vgl. dazu auch Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht 2011 (Teil 2) – Lan desfinanzbericht 2011, Tz. 630.
2
Bestehende Arbeitsrückstände
(131) Für kommunale Körperschaften, die der Rechtsaufsicht des Landrates unterliegen und
kein eigenes Rechnungsprüfungsamt besitzen, ist ein Prüfungsturnus von vier Jahren vorgesehen.51
In seiner Prüfung „Organisation der überörtlichen Kommunalprüfung im kreisangehörigen
Raum“ hatte der Landesrechnungshof 2011 auf erhebliche Probleme bei der Einhaltung dieses
Prüfungsturnus hingewiesen.52
Bei erneuten Erhebungen durch das Ministerium für Inneres und Sport (2013) und den Landesrechnungshof (2014) war eine positive Entwicklung festzustellen: während die Prüfungsrückstände 2009 noch bei durchschnittlich 56 Prozent lagen, konnten die Prüfrückstände 2013 auf
44,2 Prozent und 2014 auf 43,0 Prozent reduziert werden. Trotz dieser insgesamt positiven
Entwicklung ist die Aufgabenwahrnehmung durch einige Landkreise angesichts der im Einzelfall festgestellten Prüfrückstände von 88 Prozent (2013) bzw. 77 Prozent (2014) weiterhin als
problematisch einzuschätzen.
(132) Hinsichtlich der Arbeitsrückstände führte ein Landkreis die Einführung der Doppik sowie die Kreisstrukturreform als Ursachen an. Es werde noch mit einigem Zeitaufwand gerechnet, um diese Rückstände abzubauen.
(133) Prüfungserfahrungen des Landesrechnungshofes zeigen, dass derartige Mängel in der
Aufgabenwahrnehmung auf eine geringe Produktivität und einen zu geringen Personaleinsatz
zurückzuführen sind.53
Vor diesem Hintergrund hat der Landesrechnungshof den notwendigen Stellenbedarf für den
Aufgabenbereich der überörtlichen Kommunalprüfung ermittelt.
3
Stellenbemessung und Stellenbesetzung für Fachaufgaben der Gemeindeprüfung
(134) Der Ermittlung des Stellenbedarfs für Fachaufgaben liegt das System der sog. summarisch-kennzahlenorientierten Stellenbemessung zugrunde. Dazu werden für abgegrenzte Aufga51
52
53
Ordnungsprüfungen gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 KPG M-V i. V. m. § 6 Abs. 3 S. 1 KPG M-V.
Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht 2011 (Teil 2) – Landesfinanzbericht
2011, Tzn. 625-643, hier: Tz. 628 f.
Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht 2011 (Teil 2) – Landesfinanzbericht
2011, Tzn. 625-643, hier: Tz. 630 f. Ursächlich für eine vergleichsweise geringe Produktivität waren Män gel in der qualitativen Personalausstattung und der Organisation des Prüfprozesses.
77
ben aufwandsprägende Merkmale (Bezugsgrößen) identifiziert, die sich in ihrer quantitativen
Ausprägung aufwandsbestimmend auswirken. Aus dem Verhältnis dieser Bezugsgröße zu einer
Kennzahl ergibt sich der Stellenbedarf für die betreffenden Aufgaben.54
(135) Für die Fachaufgaben der überörtlichen Kommunalprüfung wurde als aufwandsprägendes Merkmal die Anzahl der überörtlich zu prüfenden Objekte ausgewählt.
Ausgehend von der Anzahl überörtlicher Prüfobjekte wurden für den jeweils geltenden Aufgabenumfang und die Aufgabentiefe in der Vergangenheit Bemessungskennzahlen zwischen
3,7 Prüfobjekte je VZÄ (KGSt, 2009) und 7,5 Prüfobjekte je VZÄ (Landesrechnungshof,
2009) zugrundegelegt.
In seiner Prüfung „Organisation der überörtlichen Kommunalprüfung im kreisangehörigen
Raum“ hatte der Landesrechnungshof festgestellt, dass die drei Gemeindeprüfungsämter mit
den geringsten Rückständen im Bereich der überörtlichen Prüfungen einen durchschnittlichen
Wert von 5 Prüfungen je VZÄ aufwiesen.55
Auch in der Prüfung „Umsetzung der Kreisgebietsreform in ausgewählten Landkreisen“ wurden für die Aufgaben der überörtlichen Kommunalprüfung 5 Prüfobjekte je VZÄ zugrundegelegt. Im Zuge dieser Prüfung hat sich gezeigt, dass diese Bemessungsgröße einer Steigerung
der Effizienz durch den Einsatz von Prüfsoftware sowie Prüfungserfahrungen angemessen
Rechnung trägt und als mittelfristig tragfähig anzusehen ist.
(136) Vor diesem Hintergrund legt der Landesrechnungshof dem nachfolgend ermittelten
Stellenbedarf 2014 für die Fachaufgaben der Gemeindeprüfung 5 Prüfobjekte je VZÄ sowie
die von den Landkreisen jeweils mitgeteilte Anzahl der Prüfobjekte zugrunde.
Dabei ergeben sich für die jeweilige Anzahl an Prüfobjekten die folgenden Stellenbedarfe:
54
55
78
Eine Stellenbemessung für Leitungsaufgaben sowie Sekretariats- und Assistenzaufgaben wurde nicht vorgenommen.
Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern: Jahresbericht 2011 (Teil 2) – Landesfinanzbericht
2011, Tz. 631.
Tabelle 13: Übersicht über die Stellenbedarfe und die Stellen lt. Stellenplan
Anzahl der Prüfobjekte
Anzahl VZÄ
lt. Stellenplan
2014
Stellenbedarf
(VZÄ)
Abweichung
(VZÄ)
Nordwestmecklenburg
101
4,37
5,05
-0,68
Ludwigslust-Parchim
203
8,82
10,15
-1,33
Rostock
138
5,5
6,95
-1,45
Mecklenburgische Seenplatte
177
7,75
8,85
-1,1
Vorpommern-Rügen
122
7,35
6,1
1,25
Vorpommern-Greifswald
169
7,425
8,5
-1,075
910
41,215
45,6
-4,38
Landkreis
SUMME
Quelle: Eigene Berechnungen (Grundlage: Angaben der Landkreise).
Damit liegt die Stellenausstattung (ausweislich der Stellenpläne) von fünf Landkreisen unter
den errechneten Stellenbedarfen. Mithin ist deren Stellenausstattung zu gering, um die jeweilige Anzahl der überörtlichen Prüfungsobjekte nach dem gesetzlich vorgesehenen Turnus zu
prüfen.56
(137) Ein Vergleich des aktuellen Stellenbestands mit den besetzten Stellen in Tabelle 14
zeigte ferner, dass bei den Landkreisen zum Erhebungszeitpunkt insgesamt 5,24 VZÄ unbesetzt waren:
Tabelle 14: Übersicht über Stellenbedarfe und Ist-Besetzung (in VZÄ)
Stellenplan 2014
Ist-Besetzung per
31.07.2014
Unbesetzte
Stellen
Nordwestmecklenburg
4,37
4,15
0,22
Ludwigslust-Parchim
8,82
8,22
0,6
Rostock
5,5
5,43
0,07
Mecklenburgische Seenplatte
7,75
7,75
0
Vorpommern-Rügen
7,35
5,025
2,325
Vorpommern-Greifswald
7,425
5,4
2,025
41,215
35,975
5,24
Landkreis
SUMME
Quelle: Eigene Berechnungen (Grundlage: Angaben der Landkreise).
(138) Unter Berücksichtigung des Stellenmehrbedarfs von 4,38 VZÄ und der nicht besetzten
Stellen im Umfang von 5,24 VZÄ ist festzustellen, dass die Gemeindeprüfungsämter der Landkreise weitere Stellenbesetzungen von insgesamt rd. 9,62 VZÄ benötigen, um die Aufgaben
der überörtlichen Kommunalprüfung adäquat wahrnehmen zu können.
56
Die vorliegenden Bemessungsergebnisse bedürfen einer dynamischen Betrachtungsweise. Demnach ist die
Stellenausstattung auf Basis der Bezugsgrößen, Kennzahlen oder mittels anzupassender Kennzahlen fortzuschreiben, wenn maßgebliche qualitative Änderungen der Aufgabeninhalte und des Aufgabenumfangs oder
dauerhafte Erhöhungen/Reduzierungen der Anzahl an Prüfobjekten festzustellen sind.
79
4
Fazit
(139) Die Landkreise sind angehalten, weiterhin bestehende Prüfrückstände durch die Erhöhung der Stellenanzahl, eine Besetzung bestehender Stellen sowie weiteren Maßnahmen zur
Steigerung der Produktivität abzubauen. Die vorzunehmende Stärkung der überörtlichen Prüfung darf jedoch nicht zulasten der örtlichen Rechnungsprüfung gehen.
(140) Die Landkreise wurden um Stellungnahme gebeten. Im Ergebnis wurden keine Einwände gegen die Darstellungen des Landesrechnungshofes erhoben. In einer ausreichenden Personalausstattung der überörtlichen und der örtlichen Prüfung werde eine wichtige Voraussetzung
gesehen, um den Prüfturnus einhalten zu können, ohne die örtliche Prüfung zu vernachlässigen.
(141) Das Innenministerium wird gebeten, im Rahmen der ihm obliegenden Aufsicht dafür
Sorge zu tragen, dass die Landkreise die notwendigen personellen Ressourcen auch tatsächlich
zur Verfügung stellen.
(142) Zur Unterstützung der überörtlichen (und örtlichen) Prüfung behält sich der Landesrechnungshof eine zeitnahe Kontrollprüfung zur Aufgabenwahrnehmung im Bereich der überörtlichen Prüfung vor. Dabei wäre festzustellen, ob die geprüften Stellen die notwendigen Folgerungen aus den früheren Prüfungsergebnissen des Landesrechnungshofes gezogen haben.
80
IV. Ergebnisse der überörtlichen Prüfungen und der
Querschnittsprüfungen
1
Integrität und Stabilität von IT-Systemen bei Kommunen - System- und
Programmprüfung
Bei der Erstellung und Einhaltung eigener interner Regelungen zum IT-Einsatz bestehen teilweise erhebliche Defizite. In der IT-Organisation spiegelt sich die Bedeutung der
IT für die Aufgabenerfüllung der untersuchten Kommunen nur eingeschränkt wider.
Die zwingend erforderliche Freigabe von HKR-Verfahren konnte nur von einer Kommune vorgelegt werden. Verfahrensbeschreibungen lagen nur vereinzelt vor, waren
dann häufig nicht aktuell und beschrieben nicht die tatsächlichen Einstellungen und
Nutzungsweisen.
1
Prüfungsgegenstand
(143) Die Informationstechnologie ist für die öffentliche Verwaltung von erheblicher Bedeutung. Sie ermöglicht Effizienz- und Effektivitätsgewinne. Je mehr Funktionen mit Hilfe von ITSystemen erledigt werden, umso abhängiger wird die Verwaltung von der fehlerfreien und verlässlichen Funktion der Systeme.
Der Betrieb und die Nutzung von IT-Systemen sind mit einer Vielzahl unterschiedlichster Risiken verbunden. In ihren Ursachen und Auswirkungen sind diese Risiken höchst unterschiedlich
zu bewerten und haben nicht zwangsläufig einen direkten IT-Bezug. Es ist jedoch maßgeblich,
dass die bestehenden IT-bezogenen sowie nicht-IT-bezogenen Risiken aktiv erkannt werden,
um mit geeigneten Maßnahmen deren Eintrittswahrscheinlichkeit sowie mögliche Schadenshöhe zu minimieren.
Die Sicherheit von IT-Verfahren wird dabei nicht nur durch vorsätzliche Handlungen bedroht.
Bedrohungen und Gefahren können vielmehr eine Vielzahl von Ursachen haben. Um diesen
Gefahren entgegenwirken zu können, sind unterschiedlichste Regel- und Rahmenwerke entstanden. Solche Werke sind beispielsweise:
57
•
Schriftenreihe der ISO 2700x,
•
BSI57-Standards zur Informationssicherheit,
Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik.
81
•
IT-Grundschutz-Kataloge des BSI,
•
COBIT - Control Objectives for Information and Related Technology58 und
•
Risk-IT59.
Auch wenn die Anwendung solcher Rahmen- und Regelwerke nicht immer vorgeschrieben ist,
hilft eine Orientierung hieran bei der Bewältigung der Aufgaben.
(144) Innerhalb der IT entwickelte sich die Informationssicherheit als Oberbegriff für die Berücksichtigung der Sicherheit innerhalb der Informationstechnik. Er basiert auf den Grundwerten:
•
Vertraulichkeit,
•
Verfügbarkeit und
•
Integrität.
Ergänzt wird der Begriff der Informationssicherheit durch die IT-Sicherheit, die als Schutz
elektronisch gespeicherter Informationen und deren Verarbeitung verstanden wird.
(145) Hierbei zu berücksichtigende Anforderungen lassen sich aus bestehenden Grundsätzen
zur IT-Sicherheit ableiten. Diese Anforderungen werden durch Rechtsnormen ergänzt, die in
den einzelnen Rechtsgebieten weitere Konkretisierungen vornehmen.
Mit den Regelungen des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften60, des Beschlusses des IT-Planungsrates 61 zur Nationalen E-Government-Strategie, den Änderungen des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes MecklenburgVorpommerns62 und der Richtlinie zur Verbesserung der elektronischen Verwaltung für Bevölkerung und Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern63, sind Maßgaben und Zielstellungen
58
59
60
61
62
63
82
Rahmenwerk zur IT-Governance.
Rahmenwerk zum Risikomanagement in der IT.
Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom
25.07.2013 (BGBL. I. S. 2749).
Gremium der kooperativen Zusammenarbeit zwischen Bund, Länder und Kommunen, welches in Anwendung von Artikel 91c Grundgesetz durch einen IT-Staatsvertrag zwischen Bund und Länder gegründet wur de.
Vgl. Zweiten Gesetzes zur Änderung des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes vom 19.05.2014 (GVOBl.
M-V S. 190).
Richtlinie zur Verbesserung der elektronischen Verwaltung für Bevölkerung und Unternehmen in Mecklen burg-Vorpommern vom 28.04.2008 (Amtsblatt MV 2008 S. 450).
für den Einsatz von IT-Verfahren in den öffentlichen Verwaltungen des Bundes, der Länder
sowie der Kommunen gesetzt worden.
Diese Regelwerke bedeuten einen Paradigmenwechsel in der Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung. Ein elektronischer Zugang zur Verwaltung wird gleichermaßen verpflichtend wie beispielsweise elektronische Bezahlmöglichkeiten. Ab 2020 sollen Bundes- und Landesbehörden
ihre Akten elektronisch führen.
Mit seiner Entscheidung zur Online-Durchsuchung vom 27.02.2008 64 hat das Bundesverfassungsgericht ein Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitet. Dieses Grundrecht schützt vor Eingriffen in informationstechnische Systeme und dient dazu, neuartigen Gefährdungen zu begegnen, zu denen es im Zuge des wissenschaftlich-technischen Fortschritts
und gewandelter Lebensverhältnisse kommen kann.65 Die Wahrung dieses Grundrechts ist Aufgabe der öffentlichen Verwaltung. Es obliegt ihr daher, die Vertraulichkeit und Integrität ihrer
IT-Systeme zu gewährleisten.
(146) Der Landesrechnungshof hat bei sechs Kommunen des Landes geprüft, ob es interne
Regelungen zur IT-Sicherheit gibt, die sich aus den unterschiedlichsten Gesetzen und Regelwerken ergeben. Sie betreffen die verschiedensten Bereiche des allgemeinen IT-Betriebes wie
organisatorische, personelle, technische und fachverfahrensspezifische Aspekte. Die tatsächliche Umsetzung der Regelungen wurde stichprobenweise untersucht.
Als Fachverfahren wurden untersucht:
•
Verfahren für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen (HKR-Verfahren),
•
IT-Verfahren zur Ausstellung von Personalausweisen,
•
IT-Verfahren zur Gewährung von Wohngeld und
•
IT-Verfahren zur Gewährung von Sozialhilfe.
Diese Verfahren wurden ausgewählt, da hierfür in Ergänzung zu den allgemeinen Anforderungen an die Integrität und Stabilität von IT-Systemen auch spezielle Vorgaben bestehen, die
durch die Kommunen zu beachten sind.
64
65
BVerfG, 1 BvR 370/07, NJW 2008, S. 822 ff.
BVerfG a. a. O.
83
Die Auswahl der geprüften Kommunen sollte einen Querschnitt abbilden, der trotz unterschiedlicher Größen eine Vergleichbarkeit bei der Aufgabenerfüllung ermöglicht. Aufgrund unterschiedlicher Rahmenbedingungen in den geprüften Kommunen, die von unterschiedlichen
Standortbedingungen bis zu verschiedenen Graden an Ausstattung und Betreuung von IT reichen, war dies nur eingeschränkt möglich.
Tabelle 15: Allgemeine Rahmenbedingungen der geprüften Kommunen
Kommune/ allgemeine Rahmenbedingungen
Anzahl Standorte mit IT-Einsatz
Beschäftigte in der Verwaltung
Anzahl der Einwohner
Amt
Stralendorf
Hansestadt
Anklam
Hansestadt
Rostock
Hansestadt
Stralsund
Stadt
Hagenow
Stadt
Neubrandenburg
1
3
7966
24
17
8
32
81
2.357
604
197
570
11.496
13.347
204.260
57.862
11.692
64.995
Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern Stand: 31.12.2011 und eigene Ergebnisse der Prüfung.
(147) Zusätzlich hat der Landesrechnungshof die Arbeitsweise des Zweckverbandes „Elektronische Verwaltung in Mecklenburg-Vorpommern“ (eGo M-V) betrachtet, u. a bei der Stellung
eines gemeinsamen Datenschutzbeauftragen für einzelne Kommunen des Landes.
2
Selbsteinschätzung zur IT-Governance
(148) Der Begriff der Corporate Governance wird als rechtlicher und faktischer Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens verstanden. 67 Der Schwerpunkt
der Coporate Governance liegt auf Unternehmen, hat jedoch mit der Public Governance eine
auf die öffentliche Verwaltung übertragene Sichtweise.
Die IT-Governance ist eine Ableitung des generellen Governance-Begriffes. Hierzu gibt es verschiedene Definitionen, welche unterschiedliche Ausrichtungen und Zielsetzungen haben. Zusammengefasst können unter IT-Governance Organisationsstrukturen, Grundsätze, Verfahren
und Maßnahmen verstanden werden, die sicherstellen sollen, dass mit Hilfe der IT die Ziele des
Unternehmens bzw. der öffentlichen Verwaltung erreicht, Ressourcen verantwortungsvoll eingesetzt und Risiken angemessen überwacht werden.68 Maßgeblich für eine solche Zielerreichung ist, dass entsprechende Ziele konkret und umfassend formuliert sind.
66
67
68
84
Davon 49 Schulen.
Vgl. von Weber, A. (2008): Führungsorganisation, S. 1.
Vgl. Rütter, A. et al. (2010): IT-Governance in der Praxis, S. 20.
(149) Mit einem Fragebogen wurden die geprüften Kommunen um eine Selbsteinschätzung
zu verschiedenen Aspekten der IT-Governance gebeten. Ziel dieser Selbsteinschätzung war,
einen Überblick über das grundsätzliche Verständnis und aktuelle Vorgehensweisen in den
Kommunen zu gewinnen.
Tabelle 16: Auszug aus der Selbsteinschätzung zur IT-Governance
Kommune/ Frage zum Sachverhalt
Amt
Stralendorf
Hanse- Hansestadt
stadt
Anklam Rostock
Hansestadt
Stralsund
Stadt
Hagenow
Stadt
Neubrandenburg
Der Verwaltungsleitung ist die Verantwortung
für die IT-Sicherheit bekannt?
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Für die eingesetzten IT-Verfahren liegen Verfahrensbeschreibungen vor?
Nein
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ein Internes Kontrollsystem ist installiert?
Nein
Nein
Ja
Ja
Ja
Ja69
Eine schriftlich fixierte Strategie für die Informationsverarbeitung liegt vor?
Nein
Ja
Ja
Ja
Ja
Nein
Eine schriftlich fixierte Strategie für die Informationssicherheit liegt vor?
Nein
Ja
Ja
Ja
Ja
Nein
Ein umfassendes IT-Sicherheitskonzept wird
angewandt?
Nein
Nein
Ja
Ja
Nein
Nein
Konzepte für das Verhalten bei Notfällen liegen
vor und werden regelmäßig auf deren Anwendbarkeit überprüft?
Nein
Nein
Ja
Nein
Nein
Nein
Nein
Ja
Ja
Nein
Nein
Liegt eine Übereinstimmung der „gelebten“ Keine
Praxis (Ist-Zustand) mit den Konzepten/Richtli- Angabe
nien (Soll-Zustand) vor?
Quelle: eigene Ergebnisse der Prüfung.
(150) Die Fragen zum Sachverhalt waren so formuliert, dass bei bestmöglicher Erfüllung der
Anforderungen an die Integrität und Stabilität von IT-Systemen, alle Fragen mit „Ja“ zu beantworten wären. Die Selbsteinschätzung der Kommunen lässt bereits erhebliche Defizite erkennen. Diese sind beispielsweise:
•
eine Strategie für die Informationsverarbeitung sowie die Informationssicherheit liegt
nicht in allen Kommunen vor,
•
Interne Kontrollsysteme sind nicht durchgehend installiert,
•
Pläne für das Verhalten bei Notfällen wie beispielsweise den Ausfall von Systemen liegen nur in einer Kommune vor und
69
In der Beantwortung der Fragebögen merkte die Stadt Neubrandenburg an, dass ein Internes Kontrollsystem
derzeit nicht installiert sei und dies im Rahmen der Erarbeitung und Installation einer Sicherheitskonzepti on erfolgen soll.
85
•
umfassende IT-Sicherheitskonzepte zur Identifizierung von Risiken und Beschreibungen von Maßnahmen zur Minimierung von Schadensszenarien liegen nicht oder nur
eingeschränkt vor.
Im Rahmen der Prüfung hat der Landesrechnungshof einzelne Sachverhalte der Selbsteinschätzung und deren tatsächliche Anwendung in den Kommunen kritisch hinterfragt. Dabei wurde
deutlich, dass die Darstellungen der Kommunen teilweise ein zu optimistisches Bild abgaben.
Folgende zusätzliche Defizite wurden dabei erkannt:
•
die Verwaltungsleitung kommt ihrer Verantwortung für die IT-Sicherheit nicht in ausreichendem Maße nach. Dem Einwand, sie sei dazu finanziell und personell nicht in
der Lage, ist entgegen zu halten, dass eine Reihe von Mängeln weitestgehend mit geringem finanziellem Aufwand und aus eigenem Antrieb festgestellt und abgestellt werden können, was jedoch unterblieb,
•
Verfahrensbeschreibungen liegen nicht oder nur eingeschränkt vor bzw. es liegen nur
Verfahrensbeschreibungen nach den datenschutzrechtlichen Vorschriften, nicht aber
nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer IT-gestützter Buchführungssysteme (GoBS)
vor, die nach § 28 Gemeindehaushaltsverordnung – Doppik (GemHVO-Doppik) und
§ 12 Gemeindekassenverordnung – Doppik (GemKVO-Doppik) zu erstellen sind,
•
ein „umfassendes IT-Sicherheitskonzept“ liegt in keiner Kommune vor; in den Hansestädten, die das angegeben hatten, lagen zwar Sicherheitskonzepte zu verschiedenen
Verfahren und in unterschiedlichen Arbeitsständen vor, die aber nicht alle Verfahren
einschlossen und
•
Informationen über Störungen und Probleme sowie die Aktivitäten zu deren Beseitigung werden in keiner Kommune einheitlich erfasst und dokumentiert.
3
Wesentliche Prüfungsfeststellungen
(151) Zu den einzelnen Themenkomplexen sowie bei den Fachverfahren wurden eine Vielzahl
von Einzelfeststellungen getroffen, die größtenteils auf grundsätzliche sowie organisatorische
Probleme und Ursachen zurückzuführen sind. Diese treffen auf die jeweiligen Kommunen nicht
gleichermaßen zu und lassen sich wie folgt zusammenfassen:
•
Da die geprüften Aufgaben gesetzlich vorgegeben sind, haben die Kommunen bei ihrer Aufgabenerfüllung einen Ermessensspielraum in der Entscheidung, „wie“ sie die
86
Aufgaben erfüllen, nicht aber „ob“ sie das tun. Damit ist zur Wahrung des Rechtsstaatsprinzips auch keine Abwägung zwischen IT-Sicherheit und Haushaltskonsolidierung möglich, solange gesetzliche Anforderungen nicht erfüllt werden.
•
Die geprüften Kommunen sind im Hinblick auf die Integrität und Stabilität von ITSystemen unterschiedlich positioniert. Während einzelne Gemeinden mit dem notwendigen Verständnis und Nachdruck einen ordnungsgemäßen Betrieb der IT-Verfahren
weitgehend sicherstellen, gibt es auch Kommunen, in denen kein ordnungsgemäßer
IT-Betrieb festzustellen war.
•
Bei der Erstellung und Einhaltung eigener interner Regelungen zum IT-Einsatz in
Kommunen bestehen teilweise erhebliche Defizite. Interne Kontrollsysteme sind nicht
durchgehend installiert und bei der Wahrnehmung der Verantwortung der Verwaltungsleitung für die IT-Sicherheit bestehen Mängel.
•
In der IT-Organisation der geprüften Kommunen spiegelt sich die Bedeutung der IT
für die Aufgabenerfüllung nur eingeschränkt wider. Eine umfassende formale und
schriftliche Beschreibung der zu erfüllenden Aufgaben und bestehenden Erwartungen
an die IT ist in keiner Kommune vorhanden.
•
Die zwingend erforderliche Freigabe von HKR-Verfahren nach § 59 Abs. 2 KV M-V
wurde nur von einer Kommune vorgelegt. In einzelnen Kommunen wurden uneingeschränkte Freigaben gemäß § 19 DSG M-V erteilt – die die Freigabe nach der KV
M-V nicht ersetzen –, obwohl die Voraussetzungen für die Erteilung solcher Freigaben nicht vollständig erfüllt waren.
•
Verfahrensbeschreibungen nach den GoBS, die den tatsächlichen Einsatz von IT-Verfahren in den Kommunen beschreiben, konnten nur vereinzelt vorgelegt werden, waren häufig nicht aktuell und besaßen in einzelnen Kommunen keinen Bezug zu den tatsächlichen Einstellungen und Nutzungsweisen. Weiterhin wurde auf Handbücher der
Softwareanbieter und Verfahrensbeschreibungen gemäß Datenschutzrecht verwiesen,
die eine andere Zielstellung haben und nicht die erforderlichen Informationen enthalten.
•
In den untersuchten Kommunen ist weniger ein Mangel an geeigneten Hilfsmitteln zur
Erfüllung der Aufgaben festzustellen als vielmehr erhebliche ablauf- und aufbauorga-
87
nisatorische Defizite wie unklare Zuständigkeiten oder fehlende Maßnahmen zur Sicherstellung der Integrität und Stabilität der betriebenen IT-Verfahren sowie deren
Überwachung und Weiterentwicklung. Daneben bestehen erhebliche Defizite in der
Dokumentation des IT-Einsatzes sowie der Verwendung der verschiedenen Verfahren.
•
Aus Sicht des Landesrechnungshofes ist eine deutliche Diskrepanz zwischen einer
durchgängig guten Ausstattung mit Hard- und Software einerseits und mangelhaften
Regelwerken zur deren Nutzung bzw. einer mangelhaften Einhaltung dieser Regelwerke andererseits zu erkennen.
•
Trotz der Einsparungsbemühungen der Kommunen sollte berücksichtigt werden, dass
motiviertes und gut aus- und fortgebildetes Personal in ausreichender Zahl ein entscheidender Faktor für die erfolgreiche Erfüllung der Aufgaben ist. Der IT kommt bei
der behördlichen Aufgabenerfüllung eine entscheidende Rolle zu, die auch bei der
Ressourcenverteilung angemessen zu gewichten ist.
•
Für die Definition von Vertretungsregelungen wurden keine einheitlichen Standards
und Kriterien zu Grunde gelegt. Die von den Kommunen durchgeführten Maßnahmen
zur Personalentwicklung waren nicht ausreichend. Nicht selten hatten IT-Mitarbeiter
in den letzten fünf Jahren an keiner IT-fachlichen Fortbildung teilgenommen.
•
Der Landesrechnungshof hält den Ansatz des Zweckverbandes, mit derzeit drei Mitarbeitern70 für 50 Kommunen die behördlichen Datenschutzbeauftragten zu stellen, für
nur bedingt geeignet, die Kommunen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen.
•
Der Zweckverband hat ein Rahmensicherheitskonzept erstellt, das als Vorlage für die
Erstellung von Sicherheitskonzepten durch die Kommunen dienen kann. Dieses kann
zwar die organisatorischen und technischen Defizite nicht beseitigen, aber dennoch
Hilfestellung sein. Unverständlich ist, warum manche Kommunen noch nicht einmal
diese Hilfestellung annehmen.
70
88
Eine personelle Verstärkung um einen vierten Mitarbeiter erfolgt zum 01.01.2015.
4
Handlungsempfehlungen
(152) Im Ergebnis der Prüfung und zur Verbesserung der Integrität und Stabilität von IT-Systemen in den Kommunen hat der Landesrechnungshof die folgenden Handlungsempfehlungen
gegeben:
•
Es ist erforderlich, ein Bewusstsein für die Erfordernisse der Integrität und Stabilität
von IT-Systemen, insbesondere für die Bedeutung und die Belange der IT-Sicherheit
zu schaffen bzw. dieses deutlich zu verstärken.
•
Die Kommunen sollten Strategien entwickeln, wie der IT-Einsatz und dessen Betreuung langfristig organisiert werden soll.
•
Die Entscheidung der Kommunen, wie sie künftig IT-Leistungen nutzen, sollte unter
Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit und technischen Machbarkeit laufend neu hinterfragt werden. Gerade kleinere Kommunen und Amtsverwaltungen sollten prüfen,
ob die Fall- und Nutzungszahlen den Betrieb eigener Verfahren erfordern oder welche
Möglichkeiten der Kooperation bestehen. Dabei sollte auch die Übertragung des technischen Betriebs und der fachlichen Betreuung auf andere Kommunen oder andere
Partner wie den Zweckverband „Elektronische Verwaltung in Mecklenburg-Vorpommern“ oder andere Dienstleister geprüft werden.71
•
Der IT-Betrieb sollte professionalisiert und an vorhandenen Standards und Rahmenwerken wie dem IT-Grundschutz des BSI und den Mindestanforderungen der Rechnungshöfe ausgerichtet werden. Dabei ist es erforderlich, für den Einsatz der IT-Verfahren verbindliche Regelwerke zu erstellen und einzuhalten.
•
Entscheiden die Kommunen, dass sie IT-Verfahren für die Erfüllung von Aufgaben
einsetzen, so ist dabei nicht nur die Etablierung der technischen Verfahren zu berücksichtigen, sondern auch die Verwaltungsprozesse anzupassen und zu dokumentieren.
•
Fachbereiche und IT-Bereich sollten die jeweiligen fachlichen und funktionalen Anforderungen und Bedarfe gemeinsam und so detailliert wie nötig erfassen, abstimmen
und dokumentieren. Dabei sollte die IT-technische und fachliche Betreuung der Verfahren nicht in einer Person konzentriert werden.
71
Kooperation findet z. B. in dem Kommunalunternehmen Kommunalservice Mecklenburg (KSM) statt, das
der Landesrechnungshof aber nicht geprüft hat.
89
•
Auch bei der internen Erbringung von IT-Leistungen sollte zwischen den Fachbereichen und dem IT-Bereich ein Kunde-Dienstleister-Verhältnis entstehen, in dem Anforderungen, Erwartungen und zu erbringende Leistungen klar und umfassend definiert
sind. Mängel in der Leistungserbringung können dann nachvollziehbar festgestellt, dokumentiert und beseitigt werden.
•
Bei der Entwicklung von Vorhaben sollte zunächst nicht auf technische Lösungen fokussiert werden, sondern die Verbesserungen der Verwaltungsleistungen im Vordergrund stehen. Technische Aspekte sollten erst in der Planung und Vorbereitung detailliert berücksichtigt werden.
•
Das für die Erfüllung der IT-Aufgaben aktuell und perspektivisch erforderliche Personal sowie dessen Qualifikationen und Fertigkeiten sollte ermittelt und mit dem vorhandenen Personal abgeglichen werden. Bei festgestellten Defiziten sind Maßnahmen zu
deren Beseitigung zu ergreifen. Regelmäßige Fortbildungen sind gerade in dem sich
schnell entwickelnden Bereich der IT unverzichtbar.
•
Die Vertretung des IT-Personals muss sichergestellt werden. Die vorhandenen Vertretungsregelungen sollten kritisch hinterfragt und an die tatsächlichen Anforderungen
und Bedarfe angepasst werden.
•
Die Kommunen sollten prüfen, ob die Voraussetzungen zur Erklärung der Freigabe
der HKR-Verfahren nach § 59 Abs. 2 KV M-V jeweils erfüllt sind und bei deren Vorliegen die Freigabe erklären. Sollten die Voraussetzungen nicht erfüllt sein, so sind
diese kurzfristig zu schaffen, um im Anschluss die Freigabe erklären und das Verfahren weiter betreiben zu können.
•
Für die Freigabe von IT-Verfahren sollten einheitliche Vorlagen in Form von Checklisten genutzt werden, in denen neben der fachlichen, IT-technischen und datenschutzrechtlichen Freigabe sowie der Gesamtfreigabe, beispielsweise durch den Bürgermeister, auch die erfüllten bzw. nicht erfüllten Voraussetzungen für die jeweilige Erklärung dokumentiert sind.
•
Wenn Verfahrensbeschreibungen, Freigaben u. ä. nach verschiedenen Vorschriften zu
erstellen sind, beispielsweise nach dem DSG M-V und nach den GoBS, ersetzt das
eine Dokument nicht das jeweils andere. Dennoch müssen nicht mehrere Dokumente
90
nebeneinander erstellt werden. Es ist möglich, die verschiedenen Beschreibungen,
Prüfschritte, Freigaben usw. in einem Dokument zusammenzuführen. Dann müssen
bei der Erstellung dieses Dokuments aber alle Vorschriften der verschiedenen Regelungsbereiche beachtet und auch in der Dokumentation deutlich gemacht werden.
Das Ministerium für Inneres und Sport sollte die Kommunen bei der Erfüllung der gesetzlichen
Anforderungen an den IT-Betrieb unterstützen. Hierzu sollte das Ministerium überwachen, ob
die bestehenden Anforderungen durch die Kommunen erfüllt werden und ggf. Hilfestellungen
anbieten. Außerdem sollte es Grundsätze für den ordnungsgemäßen Betrieb von IT-Systemen
in Kommunen definieren, deren Einhaltung von den Rechtsaufsichtsbehörden aktiv überwacht
werden sollte. Grundlage hierfür könnten unter anderem die Mindestanforderungen der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder zum Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnik sowie der Prüfbericht des Landesrechnungshofes sein.
5
Stellungnahmen zum Prüfbericht
5.1
Stellungnahmen der Kommunen
(153) In einzelnen Details der Prüfung wird die Sicht des Landesrechnungshofes nicht von allen Kommunen vollständig und gleichermaßen geteilt. Die Prüfung wird jedoch als Sensibilisierung verstanden, sich stärker als bisher mit Fragen und Problemstellungen zur Integrität und
Stabilität von IT-Systemen zu beschäftigen und dies nicht nur als eine technische, sondern als
umfassende Betrachtung der Verwaltungsprozesse und ihrer IT-Unterstützung zu verstehen.
Einzelne Kommunen haben zur Erklärung der Defizite auf ihre mangelhafte Finanz- und Personalausstattung verwiesen; das vermag den Landesrechnungshof nicht zu überzeugen. Dies ändert nämlich nichts an ihren gesetzlichen Aufgaben, die nach rechtsstaatlichen Grundsätzen zu
erfüllen sind. Verpflichtungen zur Erstellung von Dokumentationen wie Verfahrensbeschreibungen, Sicherheitskonzeptionen und Verfahrensfreigaben kann im Übrigen weitestgehend
nachgekommen werden, ohne zusätzliche Ausgaben zu leisten. Eine Vielzahl der festgestellten
Defizite kann so ausgabenneutral beseitigt werden.
5.2
Stellungnahme des Zweckverbandes „Elektronische Verwaltung in
Mecklenburg-Vorpommern“
(154) Der Zweckverband teilt die kritische Sicht des gemeinsamen Datenschutzbeauftragten
nicht. Umfangreiches Wissen über sämtliche im Einsatz befindlichen IT-Verfahren aufzubauen,
91
sei für einen Datenschutzbeauftragten unmöglich, auch wenn er hauptamtlich und in Vollzeit
für nur eine Kommune tätig sei.
An einer besseren Handhabung des Rahmensicherheitskonzeptes werde gearbeitet. Dabei sei
das methodische Vorgehen geändert worden und die Kommunen sollen aktive Unterstützung
bei der Umsetzung erhalten.
Der Zweckverband hält eine erhebliche Verbesserung der Qualität der Aufgabenerfüllung für
möglich, wenn die Kommunen bereit sind, die vom Zweckverband für alle Kommunen, auch
Landkreise, beschafften und betriebenen Lösungen zu nutzen.
(155) Der Landesrechnungshof teilt die Auffassung, dass erhebliches Potenzial für Qualität
und Effizienz der Aufgabenerfüllung bei Nutzung zentral betriebener Lösungen besteht. Beim
Personaleinsatz für den behördlichen Datenschutzbeauftragten dürfte es auf der Hand liegen,
dass umfangreicheres Detailwissen zu den betriebenen Verfahren aufgebaut werden kann,
wenn die Anzahl der betreuten Kommunen reduziert wird.
5.3
Stellungnahme des Innenministeriums
(156) Das Ministerium für Inneres und Sport hat mitgeteilt, dass es den Feststellungen grundsätzlich beitrete und die Notwendigkeit der gesetzlich vorgeschriebenen Aufgabenwahrnehmung in der IT-Sicherheit unterstreiche, die auch das Bemühen um Haushaltskonsolidierung
notfalls einschränken müsse. Eine Verallgemeinerung der Prüfungsergebnisse auf alle Kommunen sehe es kritisch. Es habe in Absprache mit den kommunalen Verbänden eine Abfrage zu
diesem Thema gestartet, deren Ergebnis noch ausstehe.
Der Landesrechnungshof geht davon aus, dass das Ministerium seiner Empfehlung nachkommen wird, die Kommunen bei der Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen an den IT-Betrieb
zu unterstützen.
5.4
Stellungnahme des Ministeriums für Wirtschaft, Bau und Tourismus
(157) Das Ministerium für Wirtschaft, Bau und Tourismus72 verwies auf die geänderte Verwaltungsvorschrift zum Wohngeld73, die die festgestellten Regelungsdefizite in Bezug auf die
Integrität und Stabilität der Wohngeldverfahren beseitige. Die Umsetzung dieser Vorgaben ob72
73
92
Im Folgenden Wirtschaftsministerium genannt.
Verwaltungsvorschrift „Anforderungen an die IT-Verfahren zum Wohngeld in Mecklenburg-Vorpommern“
vom 03.06.2014 (AmtsBl. M-V 2014 S. 778).
liege unter Beachtung der kommunalen Organisationshoheit den mit dem Vollzug des Wohngeldgesetzes betrauten Kommunalverwaltungen.
Aus Sicht des Landesrechnungshofes erfolgte mit der Überarbeitung der Verwaltungsvorschrift
eine deutliche Konkretisierung der bestehenden Anforderungen an die Kommunen in Bezug auf
die IT-Verfahren zur Gewährung von Wohngeld. Die entstandenen Regelungsdefizite, insbesondere bei der Berechnung und Bewilligung von Wohngeld, sollten im Zuge der Weiterentwicklung der Verwaltungsvorschrift beseitigt werden.
(158) Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Feststellungen und Empfehlungen hat der
Landesrechnungshof über diese Prüfung in Form eines Rundschreibens berichtet.
(159) Das Prüfungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
93
2
Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landkreises Mecklenburgische
Seenplatte (Überörtliche Prüfung gem. §§ 4, 5 und 7 Abs. 1 KPG M-V)
1
Modul Organisation und Ablauf der Kassengeschäfte
Die für die Ordnungsmäßigkeit des Kassen- und Rechnungswesens erforderlichen
Dienstanweisungen sind nicht im erforderlichen Umfang erlassen bzw. an die örtlichen
Gegebenheiten angepasst worden.
Für die in der Kreiskasse eingesetzten IT-Verfahren liegen keine umfassenden Verfahrensdokumentationen gemäß den Grundsätzen ordnungsgemäßer DV-gestützter Buchführungssysteme vor. Das Vollstreckungsverfahren ist zudem nicht freigegeben.
Der Barzahlungsverkehr des Landkreises weist erhebliche Mängel auf.
5.469 ungeklärte Zahlungseingänge mit einem Gesamtvolumen von 7.040.235,09 Euro
sowie ungeklärte Vorschüsse von insgesamt 71.992,31 Euro zeugen von einem insgesamt
verbesserungswürdigen Anordnungswesen.
(160) Die Kommunalkasse ist in hauptamtlich verwalteten Gemeinden als eine (Pflicht-)Organisationseinheit einzurichten.74 Im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte werden die Kassengeschäfte durch die Kreiskasse erledigt.
Der Landesrechnungshof hat ausgewählte Kassengeschäfte wie u. a. den Zahlungsverkehr sowie die Verwahrungen und Vorschüsse stichprobenweise geprüft.
Desweiteren wurde bei 10 von 57 Barzahlungskassen eine unvermutete Kassenprüfung durchgeführt.
1.1
Dienstanweisungen
(161) Um die ordnungsgemäße Erledigung der Aufgaben des Kassenwesens sicherzustellen,
ist vom Landrat eine Dienstanweisung (DA) zu erlassen, welche die örtlichen Gegebenheiten
berücksichtigt.75
(162) Vorgelegt und in die Prüfung einbezogen wurden die „Dienstanweisung zur Organisation des Rechnungswesens“ vom 10.02.2012, die „Dienstanweisung über die Einrichtung, Ver-
74
75
94
Vgl. § 58 Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern.
Vgl. § 34 GemKVO-Doppik.
waltung und Führung von Zahlstellen, Handvorschüssen und Einzahlungskassen“ vom
01.05.2012 und die „Dienstanweisung für den Landkreis Mecklenburgische Seenplatte als
Vollstreckungsbehörde“ vom 31.01.2013.
Die Prüfung der Dienstanweisungen hat gezeigt, dass die für die Ordnungsmäßigkeit des Kassen- und Rechnungswesens erforderlichen Dienstanweisungen nicht im erforderlichen Umfang
erlassen bzw. an die örtlichen Gegebenheiten (Ablauforganisation, Verwaltung der Personenkonten, Verwendung der Arten der Zahlungsanordnungen, Regelungen im Vertretungsfall, Erteilung von Abbuchungserlaubnissen, Aufbewahrung von Gebührenmarken, Dokumentation
zur Entnahme von Quittungsblöcken, Tages- und Jahresabschluss der Kreiskasse, Verwahrgelass, Sicherung der Bücher und der Buchhaltungsdaten, Vorbereitung und Durchführung der
Jahresabschlussarbeiten sowie Bereitstellung von Daten für Abschlüsse, Finanzstatistik und unterjährige Berichterstattung) angepasst worden sind.
(163) Der Landkreis hat alle für die Ordnungsmäßigkeit des Kassen- und Rechnungswesens
erforderlichen Dienstanweisungen unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten zu ergänzen bzw. zu erlassen und damit die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Haushalts- und
Wirtschaftsführung zu schaffen.
1.2
IT-Verfahren in der Kasse
(164) Bei der Buchführung mit Hilfe automatisierter Datenverarbeitung muss unter Beachtung der GoBS sichergestellt werden, dass sie gültig, dokumentiert, fachlich geprüft und vom
Landrat freigegeben sind.76
(165) Für die in der Kreiskasse eingesetzten IT-Verfahren liegen keine umfassenden Verfahrensdokumentationen gemäß den GoBS vor.
Das Vollstreckungsverfahren ist nicht freigegeben.
(166) Der Einsatz des NKHR-Verfahrens und des Vollstreckungsverfahrens ist nicht rechtmäßig. Der Landesrechnungshof fordert, diese beiden Verfahren entsprechend den GoBS zu dokumentieren.
Das Vollstreckungsverfahren ist zu prüfen und freizugeben.
76
Vgl. § 26 Abs. 10 und § 28 Abs. 2 Nr. 2b GemHVO-Doppik.
95
1.3
Barzahlungsverkehr
1.3.1 Einrichtung von Barzahlungskassen
(167) Zur Erledigung von Kassengeschäften können Zahlstellen als Teile der Gemeindekasse
eingerichtet werden, soweit dies aus zwingenden Gründen erforderlich ist.77
Für die Leistung bzw. Entrichtung geringfügiger Zahlungen, die regelmäßig anfallen oder
zweckmäßiger Weise sofort bar geleistet bzw. angenommen werden, können in einzelnen Organisationseinheiten Handvorschüsse bzw. Einnahmekassen eingerichtet werden.78
(168) Die Einrichtung von Zahlstellen, Handvorschüsse und Einnahmekassen ist nicht immer
notwendig. Zahlungen werden in bar abgewickelt, obwohl sie weder geringfügig noch üblicherweise bar zu entrichten sind.
(169) Dazu teilte der Landkreis mit, dass sich der Bestand aller Zahlstellen, Handvorschüsse
und Einnahmekassen zunächst aus dem Bestand der Altkreise und der Stadt Neubrandenburg
ergeben habe.
(170) Barzahlungen verursachen im Vergleich zu unbaren Zahlungen hohe Personal- und
Sachkosten. Sie sind, wie vom Gesetzgeber gefordert, auf das notwendige Maß zu beschränken.
Der Landesrechnungshof empfiehlt zudem, die durch die Barzahlung entstehenden Kosten zu
ermitteln und entsprechend dem Verursacherprinzip – analog zum Vorgehen der Kreditinstitute
– dem Zahlungspflichtigen als Barzahlungsgebühr anzulasten.79
1.3.2 Kassensicherheit
(171) Um die Kassensicherheit zu gewährleisten, muss u. a. die Aufbewahrung, Beförderung
und Entgegennahme von Zahlungsmitteln durch Beschäftigte und für Automaten geregelt
sein.80
77
78
79
80
96
Vgl. § 3 Abs. 1 GemKVO-Doppik.
Vgl. § 4 GemKVO-Doppik.
Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2009): Jahresbericht des Landesrechnungshofes
2009 (Teil 1) – Landesfinanzbericht 2009, Tz. 138.
Vgl. § 28 GemHVO-Doppik.
(172) Die Beförderung des Bargeldes ist lediglich für zwei Barzahlungskassen und den Kassenautomaten geregelt. Die Sicherheit des Barzahlungverkehrs ist folglich uneinheitlich und
nicht immer gewährleistet.
(173) Die DA zur Organisation des Rechnungswesens ist um einheitliche Sicherheitsstandards
zu ergänzen.81
1.3.3 Höchstbetrag des täglichen Bargeldbestandes
(174) Die Höchstgrenzen des täglichen Bargeldbestandes der Einzahlungskassen werden
durch die Einrichtungsverfügung der Finanzbuchhaltung festgelegt. Der Kassenbestand darf die
Höhe des festgelegten Betrages nicht überschreiten.82
(175) Der zulässige Höchstbetrag wurde teilweise zu großzügig festgelegt. Bei fünf von zehn
Barzahlungskassen wurden die vorgegebenen Höchstbeträge überschritten.
(176) Der zulässige Bargeldhöchstbestand bestimmt den Sicherheitsstandard einer Barzahlungskasse. Auch um Kosten zu sparen, ist er auf das notwendige Maß zu verringern und einzuhalten.
1.3.4 Kassenprüfung
(177) Bei der Kreiskasse sind in jedem Haushaltsjahr mindestens eine unvermutete Kassenprüfung und eine unvermutete Kassenbestandsaufnahme vorzunehmen. In die Prüfung sind die
Zahlstellen, die Handvorschüsse und die Einzahlungskassen einzubeziehen.83
(178) Lediglich bei zwei der zehn geprüften Barzahlungskassen waren 2013 unvermutete
Kassenprüfungen durchgeführt worden. 30 Prozent der geprüften Barzahlungskassen hatten
Differenzen im Kassenbestand.
(179) Der hohe Anteil von Barzahlungskassen mit Kassendifferenzen belegt die Notwendigkeit der gesetzlich geforderten unvermuteten Kassenprüfungen und Kassenbestandsaufnahmen.
81
82
83
Richtwert für die Kommunen könnten die Richtlinien zur Sicherung von Kassen, Zahlstellen und
Geldtransporten gegen Diebstahl und Beraubung im Land M-V (Sicherheitsrichtlinie M-V) vom 21.08.2009
sein.
Vgl. Nr. 7.2 DA über die Einrichtung, Verwaltung und Führung von Zahlstellen, Handvorschüssen und
Einzahlungskassen im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte.
Vgl. § 30 Abs. 1 und 3 GemKVO-Doppik.
97
1.4
Ungeklärte Zahlungseingänge
(180) Die Gemeindekasse darf nur aufgrund einer schriftlichen oder auf elektronischem Weg
übermittelte Anordnung (Kassenanordnung) Einzahlungen annehmen.84 Liegen für Einzahlungen keine Kassenanordnungen vor, sind diese als ungeklärte Zahlungseingänge zu buchen. Ungeklärte Zahlungseingänge sind in Zusammenarbeit mit dem Fachamt unverzüglich zu klären.
Ist dies nicht möglich, ist frühestens nach zwei und spätestens nach vier Monaten über die Buchung zu entscheiden. Können ungeklärte Zahlungseingänge nicht innerhalb von sechs Monaten aufgeklärt werden, sind diese erfolgswirksam auszubuchen.85
(181) Der Landesrechnungshof hat zum Zeitpunkt der Prüfung 5.469 ungeklärte Zahlungseingänge mit einer Gesamthöhe von 7.040.235,09 Euro festgestellt. Regelmäßig handelte es sich
dabei um Zahlungseingänge des Landkreises, die jedoch nicht zugeordnet werden konnten, da
Einzahlungen nicht sofort bei ihrer Erhebung angeordnet bzw. Anordnungsdaten von Fachverfahren nicht rechtzeitig an das NKHR-Verfahren übergeben wurden. Die Erfassung der Anordnungen erfolgte teilweise erst kurz vor bzw. nach der im Bescheid ausgewiesenen Fälligkeit. 86
Bei einem ordnungsgemäßen Anordnungswesen wären diese ungeklärten Zahlungseingänge
überwiegend vermeidbar gewesen.
Älter als sechs Monate waren per 21.10.2013 mindestens 2.430 Zahlungseingänge mit einem
Gesamtvolumen von 836.249,94 Euro.
(182) Der Landkreis hat das Anordnungswesen zu optimieren, um Einzahlungen unmittelbar
bei Eingang Kassenanordnungen zuordnen zu können. Die gegenwärtig bestehenden, ungeklärten Zahlungseingänge sind in Zusammenarbeit mit den Fachämtern unverzüglich aufzuklären.
Nach sechs Monaten sind nicht geklärte Zahlungseingänge erfolgswirksam zu vereinnahmen.
84
85
86
98
Vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 GemKVO-Doppik.
Vgl. Nr. 2.5.2 DA zur Organisation des Rechnungswesens.
Verkehrsangelegenheiten, Vermessung, Bau-und Grundstücksordnung.
2
Modul Vergaben/Beschaffung
Der Landesrechnungshof hat 23 Vergaben auf die Einhaltung der vergaberechtlichen
Vorschriften (VOB, VOL, Wertgrenzenerlass etc.) geprüft.
Dabei wurde festgestellt, dass bei Beschaffungen grundlegende Vorschriften der VOL
nicht beachtet wurden. Die Vielzahl der festgestellten Mängel spricht dafür, das Vergabewesen im Landkreis weiter zu zentralisieren.
2.1
Vorbemerkungen
(183) Vergabeverfahren sind streng formalisierte Verfahren. Bei Verfahrensverstößen können
erhebliche Folgen für den öffentlichen Auftraggeber eintreten. Diese reichen von Verzögerungen bei der Erfüllung wichtiger Aufgaben bis zu Schadensersatzforderungen unterlegener Bieter. Die Nichteinhaltung zwingender Vergabevorschriften birgt die Gefahr in sich, dass das
Vergabeverfahren
•
nicht rechtmäßig bzw. unzweckmäßig ist,
•
zu einem unwirtschaftlichen Ergebnis führt,
•
sogenannte „Haus- und Hoflieferanten“ begünstigt,
•
einer möglichen Korruption Vorschub leistet und/oder
•
das Ansehen der Verwaltung beschädigt.
(184) Der Landesrechnungshof hat beim Landkreis Mecklenburgische Seenplatte insgesamt
23 Beschaffungsvorgänge aus den Jahren 2011 und 2012 geprüft. Dabei handelte es sich um
Öffentliche Ausschreibungen, Beschränkte Ausschreibungen sowie Freihändige Vergaben aus
dem Bereich der VOB (7) und der VOL (16).
(185) Im Bereich VOB wurden sieben Vergaben mit Auftragswerten zwischen 5.338 Euro
und 366.490 Euro bei einer Gesamtsumme von 748.952 Euro geprüft. Bei den Vergaben handelte es sich um Lose einer Gesamtmaßnahme.87
Die 16 geprüften VOL-Vergaben hatten Auftragswerte zwischen 11.830 Euro und
196.588 Euro bei einer Gesamtsumme von 943.954 Euro.
87
Bei der Prüfung dieser VOB-Vergaben wurde nur in einem Fall ein Fehler festgestellt.
99
(186) Geprüft wurde die Einhaltung wesentlicher Vergaberegelungen (VOB, VOL, VgV
etc.). Falls bei Vergaben der Wertgrenzenerlass88 Grundlage für die Begründung der jeweiligen
Vergabeart war, hat der Landesrechnungshof die Einhaltung dieser Verwaltungsvorschrift
ebenfalls geprüft.
2.2
Vergabeordnung des Landkreises
(187) Der Landkreis hat zum 01.01.2012 die „Ausschreibungs- und Vergabeordnung des
Landkreises Mecklenburgische Seenplatte (Vergabeordnung MSE)“ in Kraft gesetzt.
(188) Der Landesrechnungshof begrüßt grundsätzlich, dass sich der Landkreis diese Ordnung
gegeben hat.
(189) Um Anwendungsfehler, wie sie teilweise bei der vorliegenden Prüfung der Vergabevorgänge festgestellt wurden, auszuschließen, hat der Landesrechnungshof insbesondere die Aufnahme folgender Hinweise in die Vergabeordnung des Landkreises angeregt:
•
Hinweis auf §§ 8 VOB/A und 9 VOL/A: Allgemeine Vertragsbedingungen (VOL/B,
VOB/B, VOB/C) sind grundsätzlich zum Vertragsgegenstand zu machen.
•
Niederschrift über die Öffnung der Angebote ist von mindestens zwei Vertretern des
Auftraggebers zu unterschreiben; keine Kennzeichnung der Angebote erforderlich
(§ 14 VOL/A).
•
zwingend vorgeschriebene Benachrichtigung nicht berücksichtigter Bewerbungen und
Angebote bei Vergaben gemäß VOB/A (Ergänzung der Vergabeordnung und des
Formblatts der zugehörigen Anlage).
•
Vorab-Schätzung des Auftragswerts gemäß § 3 Vergabeverordnung (VgV).89
•
Anlass und Kriterien von Prüfungen der Auskömmlichkeit (Regelungen zur Prüfung
und Wertung der Angebote).
(190) Der Landkreis erklärte, diese Anregungen bei der laufenden Überarbeitung der Vergabeordnung weitgehend zu berücksichtigen.
88
89
„Vergabe öffentlicher Aufträge mit geringen Auftragswerten (Wertgrenzenerlass)“, Verwaltungsvorschrift
des Wirtschaftsministeriums vom 07.12.2010, AmtsBl. M-V S. 846.
Die Kostenschätzung ist für die Begründung der Wahl der Vergabeart ebenso von Bedeutung wie für die
Berechnung des jeweiligen Betrages im Rahmen der Haushaltssatzung. Es sollte daher im Rahmen des Ver gabevorgangs eine Dokumentation, ob und nach welchem Verfahren die Auftragswerte vorab geschätzt
wurden, gefordert werden.
100
2.3
Organisation des Vergabewesens
(191) Der Landkreis hat eine Zentrale Vergabestelle eingerichtet. Gemäß § 8 Vergabeordnung MSE gehören zu ihren Aufgaben „die Erfassung und eine umfassende Beratung bei der
Vorbereitung und Durchführung von Vergabeverfahren“. Sie ist bei Beschränkten und Öffentlichen Ausschreibungen sowie bei Verfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte zu beteiligen.
Bei Freihändigen Vergaben kann die Vergabestelle beteiligt werden. Die genaue Durchführung
dieser „Beteiligung“ wird in weiteren Vorschriften der Vergabeordnung geregelt.
(192) Die nachfolgend dargelegten Prüfungsergebnisse belegen, dass die bloße „Beteiligung“
der Vergabestelle für ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren nicht ausreicht.
Der Landesrechnungshof hat festgestellt, dass – selbst unter Berücksichtigung der nachfolgend
dargestellten Anwendungsfehler – Vergaben durch die Zentrale Vergabestelle vergleichsweise
sachgerecht bearbeitet werden. Bei den Mitarbeitern der Fachämter sind die notwendigen
Kenntnisse des Vergaberechts nicht immer vorhanden. Auch bei Freihändigen Vergaben sollte
eine zwingende Einbeziehung der Vergabestelle vorgesehen werden.
(193) Der Landesrechnungshof regt daher an, die Zentrale Vergabestelle federführend für alle
Vergabevorgänge einzusetzen, diese Zuständigkeit in der Vergabeordnung des Landkreises
festzuschreiben und diese Regelung konsequent umzusetzen.
Die Zuständigkeit für die Erarbeitung der Leistungsverzeichnisse sowie die Prüfung und Wertung der Angebote sollte in der Zuständigkeit der Fachämter verbleiben, da nur so das notwendige fachtechnische Wissen in das Vergabeverfahren eingebracht werden kann.
Um die Aufgabe der Zentralen Vergabestelle sachgerecht wahrnehmen zu können, ist diese adäquat mit geschultem Personal auszustatten.
(194) Im Nachgang zur Prüfung teilte der Landkreis mit, dass die Umstrukturierung der Zentralen Vergabestelle mit dem Schwerpunkt der formalen Begleitung bzw. Kontrolle perspektivisch auch unter verstärktem Einsatz von Mitzeichnungsrechten erfolgen solle.
2.4
Wesentliche Fehlerquellen und Probleme im Bereich der VOL
(195) Von 16 geprüften VOL-Vergaben waren 15 fehlerhaft, insgesamt wurden 29 Fehler
festgestellt. Nachfolgend werden die Prüfungsfeststellungen zu wesentlichen Fehlerquellen dargestellt.
101
2.4.1 Schätzung des Auftragswertes
(196) Der Auftragswert ist gemäß § 1 Abs. 1 i. V. m. § 3 VgV zu schätzen. Die Kostenschätzung ist für die Begründung der Wahl der Vergabeart ebenso von Bedeutung wie für die Berechnung des jeweiligen Betrages im Rahmen der Haushaltsaufstellung.
(197) In mehreren geprüften Fällen fehlte in den Vergabevorgängen der geschätzte Auftragswert vollständig. Nach welchem Verfahren der Landkreis die Auftragswerte vorab geschätzt
hat, ist in vielen Fällen nicht erkennbar.
(198) Der Landkreis ist in der Pflicht, den Auftragswert vorab zu schätzen und dessen Ermittlung zu dokumentieren.
(199) Im Nachgang zur Prüfung sagte der Landkreis zu, die neue Vergabeordnung dementsprechend anzupassen.
2.4.2 Leistungsbeschreibung
(200) Gemäß § 7 VOL/A ist die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben. Als Folge der Leistungsbeschreibung ist gemäß § 3 Abs. 1 VgV bei der Schätzung des Auftragswertes
die Gesamtvergütung (einschl. etwaiger Vertragsverlängerungen) zu berücksichtigen.
(201) Im Fall einer Fahrzeugbeschaffung hatte die Leistungsbeschreibung den Kauf eines solchen Fahrzeugs im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung vorgesehen. Eine Firma hatte ihr
ursprüngliches Angebot, welches fristgerecht abgegeben wurde, ca. drei Wochen nach Ablauf
der Ausschreibungsfrist um ein Finanzierungsangebot (Mietkauf) ergänzt und erhielt unter Einbeziehung dieses nachträglichen Angebotes hierauf den Auftrag über die Fahrzeuglieferung
(Mietkauf).
(202) Der Mietkauf stellt eine nachträgliche Änderung der Leistungsbeschreibung dar. Es war
nicht mehr sichergestellt, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinn verstehen und
entsprechende Angebote unterbreiten konnten.
Damit wurde gegen § 7 VOL/A verstoßen.
Im Übrigen hätte eine veränderte Leistungsbeschreibung ggf. zu einer anderen Bieterreihenfolge führen können.
102
(203) Im Fall der Vergabe einer Dienstleistung wurde im Vermerk über die Wahl der Vergabeart von einem geschätzten Auftragswert in Höhe von 10.500 Euro p. a. ausgegangen, wobei
in Klammern der Gesamtbetrag von 42.000 Euro für vier Jahre angegeben wurde.
Hingegen wurde in der Leistungsbeschreibung lediglich aufgeführt, dass der Vertrag jährlich
verlängert werden kann, ohne hierfür Voraussetzungen zu benennen.
(204) Auch angesichts dieser nicht klar geregelten Möglichkeit der Vertragsverlängerung ist
davon auszugehen, dass die Dienstleistung tatsächlich für einen Zeitraum von vier Jahren vergeben werden sollte.
(205) In derartigen Fällen sind die Leistungsbeschreibungen so zu fassen, dass für Auftraggeber und Auftragnehmer klar ersichtlich ist, unter welchen Voraussetzungen Vertragsverlängerungen möglich sind.
(206) Leistungsbeschreibungen sind zukünftig eindeutig und erschöpfend zu fassen.
2.4.3 Beachtung des Wertgrenzenerlasses
(207) Die Einhaltung der Vorgaben des Wertgrenzenerlasses ist bei deren Anwendung
Grundlage für die Begründung der Vergabeart und deshalb im Vergabevermerk zu dokumentieren. Werden diese Vorgaben nicht eingehalten, ist die Wahl einer anderen Vergabeart als die
der Öffentlichen Ausschreibung im Nachhinein als unzulässig zu bewerten.
Bei der Anwendung des Wertgrenzenerlasses ist ferner zu berücksichtigen, dass
•
gemäß Nr. 2.1 bei Beschränkten Ausschreibungen und Freihändigen Vergaben ab einem Auftragswert von 25.000 Euro vor der Entscheidung über die Auftragsvergabe
öffentlich zu informieren und gemäß Nr. 2.2 nach der Zuschlagserteilung für die Dauer von mindestens einem Monat ergänzend der Name des beauftragten Unternehmens
zu veröffentlichen,
•
gemäß Nr. 5 der Zubenennungserlass90 anzuwenden und damit die Auftragsberatungsstelle einzuschalten und
90
Erlass über die Zubenennung von Unternehmen aus Mecklenburg-Vorpommern durch die Auftragsbera tungsstelle Mecklenburg-Vorpommern e. V. bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nach der Vergabe- und
Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil A (VOB/A) und der Verdingungsordnung für Leistungen – Teil
A (VOL/A) vom 20.10.2006 (AmtsBl. M-V S.837), bzw. ab 31.01.2012 der gleichnamige Erlass vom
20. Januar 2012 (AmtsBl. M-V S. 194).
103
•
bei Beschränkten Ausschreibungen und Freihändigen Vergaben eine Mindestanzahl
von Bewerbern zur Angebotsabgabe aufzufordern
sind.
(208) In elf geprüften Fällen wurden diese Vorschriften nicht beachtet.
Hinsichtlich der fehlenden Einschaltung der Auftragsberatungsstelle wurde seitens des Landkreises ausgeführt, dass dieser Verfahrensschritt nur gewählt würde, wenn nicht genügend
Fachfirmen bekannt seien.
Damit verkennt der Landkreis allerdings den Zweck der Einschaltung dieser Stelle. Ziel dieser
Beteiligung ist es, neben den bereits bekannten Firmen weitere potenzielle Auftragnehmer in
das Verfahren einzubinden und damit eine Kartellbildung vor Ort sowie eine Bevorzugung bekannter Firmen zu vermeiden.
(209) In Bezug auf die Veröffentlichung gemäß Nrn. 2.1 und 2.2 Wertgrenzenerlass teilte das
Innenministerium mit, dass es im Ermessen der kommunalen Körperschaften stehe, ob und
welche Informationen zu den Auftragsvergaben veröffentlicht werden. Eine Pflicht zur Veröffentlichung bestehe folglich nicht.
Entgegen dieser Sichtweise bezieht sich das Ermessen nur auf die Form der Veröffentlichung
und nicht darauf, ob eine Veröffentlichung erfolgt. Die Verpflichtung zur Veröffentlichung
nach Zuschlagserteilung (Nr. 2.2) besteht ergänzend zu der nach Nr. 2.1 vorgesehenen Veröffentlichung.
Sofern die Auffassung vertreten werden sollte, dass durch die Auslegung des Innenministeriums im Ergebnis keine Veröffentlichung erfolgt, würde dem Sinn und Zweck der Regelung –
die Herstellung von Transparenz – nicht Rechnung getragen. Dem Landesrechnungshof ist
nicht ersichtlich, warum die Herstellung von Transparenz insbesondere für die kommunalen
Körperschaften nicht gelten soll. Gerade auf kommunaler Ebene wird eine Vielzahl an Aufträgen vergeben, welche dem Wertgrenzenerlass unterfallen.
Das Wirtschaftsministerium als Verordnungsgeber sollte die Formulierung klarstellen.
(210) Die Vorgaben des Wertgrenzenerlasses sind künftig umfassend zu beachten. Um die
Einhaltung dieser Vorschriften zu erleichtern, wird die Entwicklung eines Formblatts vorgeschlagen, welches unter Beachtung der Wertgrenzen die einzelnen Verfahrensschritte von der
Auswahl der Unternehmen bis zu den vorgeschriebenen Veröffentlichungen enthält.
104
Im Nachgang zur Prüfung sicherte der Landkreis zu, die Auftragsberatungsstelle künftig bei
Beschränkten Ausschreibungen und Freihändigen Vergaben verstärkt einzubinden und ein entsprechendes Formblatt zu entwickeln.
Das Innenministerium hat erklärt, dass aufgrund der bei der Anwendung des Wertgrenzenerlasses festgestellten Vergabefehler seitens der Landesregierung beabsichtigt werde, „zum neuen
Wertgrenzenerlass 2014 eine Checkliste als Hilfestellung für die kommunalen Körperschaften
herauszugeben.“
(211) Der Landesrechnungshof begrüßt den Einsatz derartiger Checklisten, sofern damit die
Beachtung der Maßgaben des Wertgrenzenerlasses sichergestellt werden.
2.4.4 Aufteilen von Vergaben
(212) Gemäß § 2 Abs. 2 VOL/A sind Leistungen gegebenenfalls in der Menge aufgeteilt
(Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben.
(213)
Der Landkreis hat 2012 in acht Fällen die Beräumung illegaler Müllverkippungen je-
weils als Freihändige Vergaben durchgeführt. Dabei unterschieden sich die einzelnen Vergaben
nach der jeweiligen Region des Landkreises, in der diese Leistung erbracht werden sollte. Es
wurden keine Gründe dokumentiert, weshalb die Beseitigung illegaler Verkippungen mittels
einzelner Vergaben vorgenommen und diese Leistung nicht in (gebietsweise) Lose aufgeteilt
wurde.
(214) Dieses Abweichen von dem Grundsatz der Aufteilung nach Losen bzw. die fehlende
Dokumentation des Verzichts auf eine Aufteilung sieht der Landesrechnungshof daher als unzulässig an.
(215) Der Landesrechnungshof geht davon aus, dass der Landkreis die Vorschrift zukünftig
beachtet.
2.4.5 Prüfung und Wertung der Angebote
(216) In der Niederschrift zur Öffnung der Angebote sind Endbeträge der Angebote nachzurechnen und vom zuständigen Bearbeiter (§ 16 Abs. 1 VOL/A) abzuzeichnen.
(217) In drei geprüften Fällen ist dies nicht geschehen.
(218) Der Landesrechnungshof erwartet, dass dies künftig als ein wesentlicher Bestandteil der
Vergabevorschriften beachtet wird.
105
2.4.6 Prüfung der Auskömmlichkeit
(219) Gemäß § 16 Abs. 6 VOL/A prüft der Auftraggeber vor der Vergabe des Auftrags die
Einzelposten solcher Angebote, die im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen.
Diese Auskömmlichkeitsprüfung ist geboten, wenn das günstigste Angebot mehr als 10 Prozent unter der Angebotssumme des zweitplatzierten Bieters oder unter dem Durchschnitt der
im Verfahren verbliebenen anderen Bieter, der insoweit einen Marktvergleich darstellt, liegt.
Besteht Anlass zu einer Auskömmlichkeitsprüfung, hat der Auftraggeber in Textform vom Bieter die erforderlichen Belege anzufordern. Anhand dieser Belege hat der Auftraggeber zu prüfen, ob das Angebot auch auskömmlich ist.
(220) Die Zentrale Vergabestelle des Landkreises ist sich der Problematik der Auskömmlichkeit bewusst. Im Verlauf der Vergabeverfahren weist sie daher, soweit sie involviert ist, die
Fachämter in den entsprechenden Fällen auf die notwendige Überprüfung hin. Trotz dieser
Hinweise wurde die Auskömmlichkeit in drei Fällen nicht erkennbar geprüft.
Beispielsweise gingen bei einer Ausschreibung für Beförderungsleistungen Angebote in Höhe
von 192 Euro, 264 Euro, 265 Euro und 309 Euro pro Woche ein. Die Zentrale Vergabestelle
wies das Fachamt auf diese auffällig weit auseinander liegenden Angebote hin. Eine Aufklärung
der Preisunterschiede ist im Vorgang nicht dokumentiert und demnach wohl auch nicht erfolgt.
Den Zuschlag erhielt das niedrigste Angebot.
(221) Der Landesrechnungshof bittet, die Prüfung der Auskömmlichkeit zukünftig gegebenenfalls unter weiterer Beteiligung der Zentralen Vergabestelle sachgerecht vorzunehmen und
zu dokumentieren.
2.4.7 Durchführung eines Bietergesprächs
(222) Gemäß § 15 VOL/A darf der Auftraggeber nach der Öffnung der Angebote bei Ausschreibungen von den Bietern nur Aufklärungen über das Angebot und deren Eignung verlangen. Verhandlungen sind unzulässig.
(223) Der Landkreis hatte eine Gebäudemöblierung beschränkt ausgeschrieben. Von sechs
angeschriebenen Firmen gab nur eine Firma ein Angebot ab. Nach Angebotsöffnung fand ein
„Bietergespräch“ mit dieser Firma statt. Dabei wurden Änderungen der Leistungsbeschreibung
106
und der Wegfall von Positionen vereinbart. Im Anschluss an dieses Gespräch erhielt die Firma
den Zuschlag mit einem Auftragswert, der unter der ursprünglichen Angebotshöhe lag.
(224) Der Landesrechnungshof hält dieses „Bietergespräch“ für einen Verstoß gegen das
Verhandlungsverbot (§ 15 VOL/A) und dieses Vorgehen damit für unzulässig.
(225) § 15 VOL/A ist künftig durchgehend zu beachten.
2.4.8 Unterrichtung der unterlegenen Bieter
(226) § 19 Abs. 1 VOL/A regelt die Unterrichtung von Bietern, wenn ihre Angebote nicht berücksichtigt werden.
(227) In zwei Fällen haben Bieter die Benachrichtigung erhalten, dass ihr Angebot nicht das
wirtschaftlichste sei. Tatsächlich waren diese beiden Angebote aber ausgeschlossen worden,
weil sie der Leistungsbeschreibung nicht entsprachen.
(228) Der Landesrechnungshof geht davon aus, dass der Landkreis künftig diese Bieter vorschriftsgemäß unterrichtet.
107
3
Modul Forderungsmanagement
Der Landkreis hatte zum Prüfungszeitpunkt offene Forderungen in einer Gesamthöhe
von mehr als 18 Mio. Euro. Dies macht deutlich, dass ein funktionierendes Forderungsmanagement nicht vorhanden war.
Es fehlt eine Gesamtkonzeption des Forderungsmanagements.
Bearbeitung und Überwachung von Stundungen und Niederschlagungen sind ineffektiv.
Offene Forderungen werden zu spät gemahnt und vollstreckt.
Ein Beschwerdemanagement war nicht eingerichtet.
(229) Der planvolle Umgang mit Forderungen im Rahmen des Forderungsmanagements ist
für Kommunen von großer Bedeutung. Mit einem optimierten Forderungsmanagement werden
primär zwei Ziele verfolgt:
•
Zum einen soll das Verzugsrisiko kommunaler Forderungen minimiert werden, um die
kommunale Liquidität zu verbessern und Kapitalkosten zu sparen.
•
Zum anderen sollen die Ausfallrisiken reduziert werden, um die Wertberichtigungen,
die sich unmittelbar auf die Ergebnisrechnung auswirken, zu vermeiden.
Der Landesrechnungshof hat das Forderungsmanagement des Landkreises in Stichproben geprüft.
3.1
Konzeption eines Forderungsmanagements
(230) Das Forderungsmanagement besteht aus den Phasen
•
Rechnung/Bescheid,
•
Buchhaltung,
•
Mahnprozess und
•
Vollstreckungsprozess.
Ein optimales Forderungsmanagement setzt eine verwaltungsweite Konzeption und Vorgehensweise voraus. Dies umfasst die Prozesse in den anordnenden Fachbereichen ebenso wie in
der Kreiskasse.
108
(231) Das Forderungsmanagement des Landkreises ist nicht ganzheitlich konzipiert und in
Dienstanweisungen nur teilweise geregelt. Teile des Forderungsmanagements wie das Informationsmanagement und das Beschwerdemanagement sind nicht organisiert.
Ausfluss dessen ist ein uneinheitliches Verwaltungshandeln, welches durch die Gesamtheit der
Prüfungsfeststellungen des Landesrechnungshofes bestätigt wird.
(232) Der Landkreis hat das Forderungsmanagement zu konzipieren, durch Dienstanweisungen umzusetzen und so mittels einheitlichem Handeln in allen Fachbereichen den Forderungsausfall und -verzug zu minimieren.
3.2
Bestand offener Forderungen
(233) Ein Indikator für die Funktionsfähigkeit eines Forderungsmanagements ist die Höhe des
Forderungsbestandes.
(234) Der aktuelle Bestand zum Zeitpunkt der örtlichen Erhebungen betrug 102.716 offene
Forderungen mit insgesamt 18.246.668,13 Euro. Schwerpunkte sind sonstige Einnahmen, darunter Rückforderungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz und des Jobcenters, Müllgebühren sowie Verwarn- und Bußgelder.
Da alle Forderungen durch den Landkreis beizutreiben sind, werden Anzahl und Höhe der ausstehenden Forderungen kritisch gesehen und zeugen von einem insgesamt nicht funktionierenden Forderungsmanagement.
(235) Der Landkreis teilte zur Höhe seines Forderungsbestands mit, dass sich dieser aus den
Altforderungen der vier ehemaligen Gebietskörperschaften, den Altforderungen der Bundesagentur für Arbeit (für den Teil des Zugelassenen Kommunalen Trägers bis zum 31.12.2011)
sowie den neu entstandenen Forderungen des Großkreises ab dem Jahr 2012 zusammensetzt.
Ergänzend müsse bei der Aussage zum Forderungsmanagement nach Ansicht des Landkreises
beachtet werden, dass die Kreiskasse gesetzlich nicht für die Beitreibung der privat-rechtlichen
Forderungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (8,0 Mio. Euro) zuständig ist. Diese seien
eigenständig durch das Jugendamt beizutreiben.
(236) Es sind Maßnahmen zu prüfen, wie Außenstände verhindert und säumige Forderungen
schneller beigetrieben werden können. Neben der Kreiskasse als Vollstreckungsbehörde sind
hierfür auch die Fachämter stärker mit einzubeziehen (Informationsbeschaffung, Beschwerdemanagement, Bescheiderstellung, Anordnungswesen u. a.). Für die Beitreibung der privat109
rechtlichen Forderungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ist, unabhängig von den konkreten landkreisinternen Zuständigkeiten, der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte zuständig.
Diese Zuständigkeit ist entsprechend wahrzunehmen.
3.3
Beschwerdemanagement
(237) Durch eine schnelle und abschließende Bearbeitung von Bürgerreklamationen nach Bescheidzustellung, Mahnung von Forderungen und Vollstreckungshandlungen können weitergehende Zahlungsverzögerungen minimiert und Wiederholungsfälle vermieden werden.
(238) Eine abschließende Bearbeitung von Bürgerreklamationen erfolgt nur sporadisch.
Die Kreiskasse kann Beschwerden nur insoweit abhelfen, als dass Einzahlungen nicht ordnungsgemäß zugeordnet wurden. Bei weitergreifenden Beschwerden muss die Kreiskasse die
Bürger an die Fachbereiche verweisen. Die Fachbereiche fühlen sich bei Beschwerden nach
Mahnungen oder Vollstreckungshandlungen oftmals nicht zuständig und klären vorgetragene
Beschwerden nicht oder nicht abschließend. Dies betrifft im Einzelnen die Erklärung der Forderung, die Absetzung unberechtigter Forderungen, den Abgang von doppelten Anordnungen,
die Aussetzung der Vollziehung bis zur Klärung der Forderung, die Rücknahme fehlerhafter
und den erneuten Versand ordnungsgemäßer Bescheide u. a.
(239) Der Landkreis hat ein effektives Beschwerdemanagement einschließlich einer professionellen Beratungsfunktion zu organisieren. Die Fachbereiche sind anzuhalten, ihre Aufgaben
ordnungsgemäß wahrzunehmen und Beschwerden von Zahlungspflichtigen unverzüglich abschließend zu bearbeiten.
3.4
Änderung von Ansprüchen
3.4.1 Stundung
(240) Mit einer Stundung wird die Fälligkeit einer Forderung ganz oder in Raten hinausgeschoben. Bei Ratenstundungen soll die jeweilige Restschuld sofort zur Zahlung fällig werden,
wenn die festgesetzten Teilzahlungen nicht eingehalten werden.91
(241) Per 25.10.2013 sind lt. NKHR-Verfahren des Landkreises insgesamt 1.763 Forderungen mit 415.411,66 Euro gestundet. Obwohl davon auszugehen ist, dass auch Forderungen der
91
Vgl. Nr. 2.6.2 DA zur Organisation des Rechnungswesens.
110
einzahlungsintensiven Bereiche wie Abfallwirtschaft, Bau- und Katasteramt gestundet wurden,
waren für diese Abgabenarten keine Stundungen im NKHR-Verfahren nachgewiesen.
Ratenzahlungen werden manuell überwacht. Bei Verzug einer Teilzahlung werden Ratenstundungen oftmals nicht unmittelbar beendet.
(242) Alle Stundungen sind im NKHR-Verfahren zu buchen. Bei Ratenstundungen sind die
Überwachung und Beitreibung der Restschuld zu automatisieren.
3.4.2 Niederschlagungen
(243) Die Niederschlagung ist die befristete oder unbefristete Zurückstellung der Weiterverfolgung einer fälligen Forderung ohne Verzicht auf den Anspruch selbst. Beträge, deren Niederschlagung verfügt ist, sind vom Fachamt durch Kassenanordnung in Abgang zu stellen.92
(244) Kann eine Forderung nicht vollstreckt werden, weil der Zahlungspflichtige insolvent,
verstorben oder nicht auffindbar ist, unterbreitet der Fachbereich Vollstreckung den Fachämtern einen Vorschlag zur Bereinigung der Forderung. Die Fachbereiche zweifeln regelmäßig
das Ergebnis der Beitreibung an oder betreiben eigenen Recherchen. Die zur Bereinigung der
Forderungen notwendige Niederschlagung erfolgt sehr zögerlich oder erst nach mehrfacher
Aufforderung durch den Fachbereich Vollstreckung. Das hat unnötigen Verwaltungsaufwand
zur Folge, da der Fachbereich Vollstreckung den Stand der Forderung weiter überwachen
muss und die Bearbeitung nicht abschließen kann.
(245) Die anordnenden Fachbereiche sind anzuhalten, die Zuarbeiten des Fachbereiches Vollstreckung umgehend zu bearbeiten. Verfügt der Fachbereich über weitere Informationen zum
Zahlungspflichtigen, ist der für die Beitreibung zuständige Fachbereich Vollstreckung zu informieren.
3.5
Kleinbeträge
(246) Wirtschaftliches Handeln bedingt die Niederschlagung von Kleinbeträgen, deren Kosten
der Einziehung im Verhältnis zur Höhe des Anspruches zu hoch sind.93 Für den Landkreis ist
von einer Geltendmachung von 1 Euro, einer Mahnung von Beträgen unter 5 Euro sowie einer
92
93
Vgl. Nr. 2.6.3 DA zur Organisation des Rechnungswesens.
Es sei denn, dass die Einziehung aus grundsätzlichen Erwägungen geboten ist. Letzteres gilt insbesondere
für Verwaltungsgebühren, Bußgelder und Zahlungsverpflichtungen aufgrund besonderer Rechtsvorschriften, allgemeiner Tarife oder allgemein festgesetzter Entgelte. Besondere gesetzliche Vorschriften über die
Geltendmachung von Kleinbeträgen bleiben unberührt (§ 23 Abs. 1 GemKVO-Doppik).
111
zwangsweisen Beitreibung von Beträgen unter 20 Euro abzusehen. Ausnahmen sind entsprechend bestimmt.94 Kleinbeträge unter 10 Euro sind frühestens zwölf Monate nach Fälligkeit unbefristet niederzuschlagen.95
(247) In den Offenen Posten waren per 30.09.2013 diverse Kleinbeträge ausgewiesen.
Der Landesrechnungshof hat festgestellt, dass alle Grenzen der Dienstanweisungen nicht entsprechend umgesetzt worden sind.
Tabelle 17: Offene Posten per 30.09.2013 (Fälligkeit bis 25.09.2013) – Kleinbeträge
Kleinbeträge zwischen
Mit Nebenforderungen 96
Ohne Nebenforderungen
Anzahl
Anzahl
Betrag in Euro
Betrag in Euro
0,01 – 1,00 Euro
2.591
1.420,36
999
417,85
1,01 – 5,00 Euro
22.791
58.805,32
3.094
9.931,76
5,01 – 20,00 Euro
14.857
195.693,67
14.647
193.848,71
Gesamt
40.239
255.919,35
18.740
204.198,32
dar.: 0,01 – 10,00 Euro mit Fälligkeit vor dem 25.09.2012
15.901
45.664,10
3.516
17.708,29
Quelle: H&H-Verfahren, eigene Berechnungen.
Die Ausbuchung von Kleinbeträgen erfolgt nur sporadisch und manuell.
Kleinbetragsgrenzen sind unzweckmäßig festgelegt und werden zudem nicht angewendet.
(248) Aktuell hat der Landkreis vier Kleinbeträge. Die Kleinbetragsgrenzen sind zu prüfen
und zusammenzufassen. Die Bücher sind regelmäßig automatisiert um Kleinbeträge zu bereinigen.
3.6
Mahnung und Vollstreckung
(249) Der Landkreis hat Einzahlungen, die nicht rechtzeitig eingegangen sind, unverzüglich
einzuziehen oder die Einziehung zu veranlassen. Er kann von der zwangsweisen Einziehung
zunächst absehen, wenn zu erkennen ist, dass
1. die Vollziehung des der Annahmeanordnung zugrunde liegenden Bescheides ausgesetzt
wird,
2. eine Stundung, eine Niederschlagung oder ein Erlass in Betracht kommt oder
94
95
96
Diese Ausnahmen betreffen nach Angabe des Landkreises beispielsweise den Abfallbereich sowie das Jobcenter.
Vgl. Nr. 2.6 DA zur Organisation des Rechnungswesens.
Nebenforderungen umfassen insbesondere Mahngebühren, Säumniszuschläge, Verzugszinsen und Mahn kosten.
112
3. in sonstigen Fällen die Einziehung unbillig wäre.97
3.6.1 Anordnung und Einrichtung von Mahn- und Vollstreckungssperren
(250) Mahnsperren sind vom zuständigen Fachamt angeordnete kurzzeitige Aussetzungen der
weiteren Forderungsbearbeitung.98
Einstweilige Einstellungen von Vollstreckungsmaßnahmen (Vollstreckungssperren) erfolgen,
solange ein Gericht über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entscheidet. 99
(251) Die Einrichtung von Mahn- und Vollstreckungssperren ist teilweise unbegründet. In
den Offenen Posten per 30.09.2013 waren 771 Mahnsperren (226.830,17 Euro) gebucht. Davon wurden 584 Forderungen im Zusammenhang mit dem Jobcenter durch die Kreiskasse bis
zur Aufklärung der ungeklärten Zahlungseingänge gesperrt. Mahnsperren wurden „auf Zuruf“
durch die Fachbereiche oder durch die Kreiskasse selbst gesetzt, wenn nach einer Mahnung
dringender Regelungsbedarf bestand.
Im NKHR-Verfahren können desweiteren in den Stammdaten zu den Personenkonten in der
Registerkarte „Buchungsoptionen“ die Optionen „Mahnsperre“, „Vollstreckungssperre“ und
„Mahn- und Vollstreckungssperre“ aktiviert werden.
Diese Optionen wirken für alle Forderungen des Personenkontos.
Die Aktivierung dieser Optionen ist gegenwärtig nicht geregelt.
Auswertungen des gesamten NKHR-Verfahrens haben gezeigt, dass bei Personenkonten
119.195 „Mahnsperren“, 231 „Vollstreckungssperren“ und durch Verfahrensabbrüche nicht ermittelbar viele „Mahn- und Vollstreckungssperren“ als „Buchungsoption“ aktiviert sind. Ein
Abgleich, ob gesperrte, offene Forderungen bearbeitet werden, erfolgte bislang nicht.
(252) Mahnsperren und Aussetzungen der Vollziehung verzögern die Beitreibung von Forderungen und sind nur bei einer Notwendigkeit anzuordnen. Die Handhabung der o. g. Buchungsoptionen im NKHR-Verfahren (vgl. Tz. 251) ist außer bei Personenkonten für Verwarnungsgelder100 nicht nachzuvollziehen.
97
98
99
100
Vgl. § 16 Abs. 2 GemKVO-Doppik.
Vgl. Nr. 2.6.10 DA zur Organisation des Rechnungswesens.
Vgl. Nr. 2.6.9 DA zur Organisation des Rechnungswesens.
Ein von der Behörde angebotenes Verwarnungsgeld wird nur wirksam, wenn es durch die Zahlung inner halb von einer Woche akzeptiert wird. Ansonsten wird die Ordnungswidrigkeit durch Bußgeldbescheid ge ahndet. (Vgl. § 56 Abs. 2 und § 65 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten.)
113
Die ungeregelte Nutzung dieser Optionen führt letztlich dazu, dass gesperrte Personenkonten
mit offenen Forderungen bezüglich der Rechtmäßigkeit der Mahn- und Vollstreckungssperren
geprüft werden müssen. Der Landesrechnungshof empfiehlt, dies umgehend zu tun.
3.6.2 Mahnwesen
(253) Voraussetzung für die Einleitung der Vollstreckung ist u. a. der Ablauf einer Frist von
einer Woche seit Bekanntgabe des Leistungsbescheides oder, wenn die Leistung erst danach
fällig wird, der Ablauf einer Frist von einer Woche nach Eintritt der Fälligkeit. Vor Anordnung
der Vollstreckung soll der Schuldner ferner mit einer Zahlungsfrist von einer weiteren Woche
besonders gemahnt werden.101
(254) Im Landkreis gibt es keine Vorgaben bezüglich des Zeitpunktes und der Häufigkeit der
Mahnung. Jeder Einnahmebuchhalter bestimmt selbst, wann gemahnt wird. Dies geschieht bislang nur sporadisch und in großen Intervallen. So wurden beispielsweise die am 15.12.12 fälligen Kostenbeiträge nach § 54 Abs. 2 Satz 3 SchulG-MV (Schulgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern) für 2012 am 04.07.2013 und die Müllgebühren mit Fälligkeit 15.11.2012
am 14.05.2013 gemahnt.
Die Forderungen des Jugend- und Sozialamtes waren seit Zusammenführung der Kreiskasse
zum 01.01.2012 noch gar nicht gemahnt worden.
Die Kreiskasse begründet dies mit Arbeitsrückständen (z. B. Abfallwirtschaft) bzw. Fehlern bei
den Anordnungen der Fachämter (z. B. beim Jobcenter und Sozialamt).
(255) Der Landkreis arbeitet seit dem Haushaltsjahr 2012 einheitlich in einem NKHR-Verfahren. Nach dem 01.01.2012 fällige Forderungen sind somit ausschließlich über das einheitliche
NKHR-Verfahren zu mahnen gewesen. Ausgehend von einer Mahnfrist von 14 Tagen nach
Fälligkeit hat der Landesrechnungshof festgestellt, dass am 30.09.2013 insgesamt 32.330
mahnfähige, säumige Forderungen mit 7.252.309,68 Euro nicht gemahnt waren.
(256)
Seitens des Landkreises erging der Hinweis, dass die privatrechtlichen Forderungen
nach dem Unterhaltsvorschussgesetz – UVG – (Stand zum 30.04.2014: 1,6 Mio. Euro) nicht
über das Haushaltsprogramm gemahnt würden. Desweiteren würden Forderungen insbesondere aus dem Investitionsbereich (Fördermittel) gegenüber den Gemeinden und dem Land gesondert bearbeitet.
101
Vgl.§ 111 Abs. 1 VwVfG M-V i. V. m. § 3 Abs. 2c und 3 Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz.
114
(257) Auch unter Berücksichtigung der Aussagen des Landkreises zum Mahnverfahren für
den Bereich des UVG kann der Landesrechnungshof nicht nachvollziehen, warum Forderungen
ganzer Einzahlungsbereiche über Jahre hinweg nicht oder verzögert gemahnt wurden. Dies ist
insbesondere kritisch zu sehen, da eine Vielzahl von Zahlungspflichtigen nach der Mahnung
noch zahlt und so die Liquidität des Landkreises deutlich verbessert würde. Die Mahnung ist
zudem Voraussetzung für die Einleitung der Zwangsvollstreckung.
Der Landkreis hat unverzüglich die Voraussetzungen zu schaffen, dass alle Forderungen zeitnah gemahnt werden können.
3.6.3 Vollstreckung
Organisation der Vollstreckung
(258) Soweit das Gesetz nichts anders bestimmt, sind die Vollstreckungsbehörden für öffentlich-rechtliche Geldforderungen der Landkreise die Landräte. 102
Unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit empfiehlt es sich, z. B. in Abhängigkeit vom Rechtscharakter der Forderung (Gebühr, Bußgeld, Zwangsgeld), vom Betrag für die Vollstreckung
(Massengeschäft, hoher Betrag) und vom Zahlungspflichtigen (Historie des Schuldners) SollProzesse103 zu definieren.
Die Vollstreckbarkeit einer Forderung wird durch ihre zügige Übergabe in den Fachbereich
Vollstreckung erhöht.
(259) Soll-Prozesse sind gegenwärtig beim Landkreis nicht definiert. Die Übertragung der
vollstreckbaren Forderungen in das eingesetzte Vollstreckungsverfahren erfolgt nur sporadisch.
(260) Säumige Forderungen sind schnellstmöglich dem Fachbereich Vollstreckung zur Beitreibung zu übergeben. Der Landkreis hat unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit durch die
Definition von Soll-Prozessen ein einheitliches und effizientes Vollstreckungsverfahren aufzubauen.
102
103
Vgl. § 1 Abs. 2 Landesverordnung über die zuständigen Behörden für die Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Geldforderungen und zur Festsetzung des Ausgleichsbetrages bei Vollstreckungshilfe.
Sollprozess – Bearbeitungsdauer, Abfolge von Prüfaktionen, Maßnahmeplanung und -durchführung.
115
Umgang mit Forderungen in der Vollstreckung
(261) Der Landesrechnungshof hat stichprobenweise die Einziehung von 48 Offenen Posten
geprüft und festgestellt:
•
Säumige Forderungen aus 2013 waren nur teilweise an den Fachbereich Vollstreckung übergeben.
•
Von der Fälligkeit bis zur Übergabe an den Fachbereich Vollstreckung verging bis zu
einem Jahr.
•
Insbesondere bei Altfällen sind nicht alle Vollstreckungshandlungen belegt.
•
Forderungen waren unbegründet und wurden im Zuge der örtlichen Erhebungen des
Landesrechnungshofes in Abgang gebracht.
•
Erst der Fachbereich Vollstreckung weist das Fachamt auf Fehler bei der Bestimmung
des Adressaten hin (Kostenbeitrag nach § 54 Abs. 2 Satz 3 SchulG-MV).
•
Forderungen gegen amtsbekannt unpfändbare Zahlungspflichtige werden nicht sofort
niedergeschlagen.
(262) Der Landkreis hat die Offenen Posten im Zuge des Jahresabschlusses auf ihre Werthaltigkeit zu prüfen und entsprechend zu bereinigen. Nicht verjährte Forderungen, deren bisherige
Bearbeitung nicht nachgewiesen werden kann, sind neu zu vollstrecken. Die Vollstreckungsverfahren sind deutlich zu straffen.
116
4
Modul Organisation/Personal
Bei der Prüfung wurde festgestellt, dass ein Aufgabengliederungs- und auch ein Geschäftsverteilungsplan als wesentliche Grundlagen für Organisations- und Personalentscheidungen beim Landkreis nicht vorhanden waren.
Ein schlüssiges Personalentwicklungskonzept und ein Personalcontrolling existieren
beim Landkreis bislang nicht. Überlegungen zur Personalplanung sowie zur Personalentwicklung werden lediglich anlassbedingt und punktuell angestellt.
Die Personalaktenführung ist zu optimieren.
Im Rahmen seiner Überörtlichen Prüfung hat der Landesrechnungshof u. a. die Bereiche
Personal und Organisation des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte geprüft.
Dabei wurden insbesondere
•
das Vorhandensein organisatorischer Grundlagen,
•
die Angemessenheit von Stellenbewertungen,
•
die Einhaltung der Stellenplanverordnung,
•
vorhandene Konzepte und Instrumente der Personalwirtschaft,
•
Führung und Inhalte von Personalakten,
•
Mitarbeiterqualifikationen,
•
die Einhaltung weiterer (tarif- und beamten-)rechtlicher Vorschriften sowie
•
die „Integrierte Rettungsleitstelle“ (als Sonderthema aus dem Bereich „Organisation“)
betrachtet.
4.1
Organisation
4.1.1 Schaffung organisatorischer Grundlagen
(263) Wichtige Grundlagen für Organisationsentscheidungen sind ein Aufgabengliederungsplan, ein Geschäftsverteilungsplan sowie, insbesondere im Nachgang zur Kreisgebietsreform,
eine umfassende Aufgabenkritik (Zweck-, Vollzugs- und Funktionskritik) und Organisationsuntersuchungen.
117
(264) Ein Aufgabengliederungs- und ein Geschäftsverteilungsplan existieren beim Landkreis
nicht. Eine Aufgabenkritik wurde bislang nicht durchgeführt. Ferner wurden seit Bestehen des
Landkreises keine umfassenden Organisationsuntersuchungen mit dem Ziel einer möglichen
Optimierung der Aufbau- bzw. Ablauforganisation durchgeführt. 104
(265) Der Landkreis ist angehalten, alle für die Wahrnehmung seiner Aufgaben notwendigen
Grundlagen (insbesondere Aufgabengliederungs- und Geschäftsverteilungsplan) zu schaffen
und eine Aufgabenkritik durchzuführen.
(266) Nach Aussage des Landkreises werde ein Aufgabengliederungsplan im Nachgang zu
einer parallel zur Prüfung des Landesrechnungshofes durchgeführten KGSt-Untersuchung bis
Ende 2014 erstellt.
4.1.2 Auffällige Stellenbewertungen
(267) Bei Durchsicht des Stellenplanes 2014 fielen einige Stellen hinsichtlich ihrer Bewertung
(Höhe und Einheitlichkeit) auf.
Während die Stellen einiger Amtsleiter und anderer Beschäftigter zu hoch bewertet erschienen,
wurden weitere Sachbearbeiterstellen mit identischer Bezeichnung teilweise unterschiedlich
bewertet. Letzteres betraf beispielsweise die Bereiche Geschäftsbuchhaltung, Kasse, Liegenschaftskataster und Katastererneuerung.
(268) Der Landkreis äußerte hierzu, dass die Bewertungen aller Amtsleiter/innen extern
vorgenommen worden seien. Die Ergebnisse der Bewertung seien tarifkonform bzw. entsprächen den Bewertungsrichtlinien für die Beamten. Sie würden auf den üblich anzuwendenden
Größenklassifizierungen der KGSt basieren.
Unterschiedliche Bewertungen in den durch den Landesrechnungshof angegebenen Bereichen
würden aus den Ursprungsbewertungen der Altkreise resultieren. Durch das LNOG M-V
seien bis zum 04.09.2014 Herabgruppierungen mittels Änderungskündigungen ausgeschlossen
gewesen.
(269) In Fällen zu hoch erscheinender oder uneinheitlicher Stellenbewertungen ist der Landkreis angehalten, die Bewertung dieser Stellen durch geeignete Stellenbewertungsverfahren zu
überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Dies sollte unter Berücksichtigung der zugrunde
104
Lediglich für die „Integrierte Rettungsleitstelle“ und „Kraftfahrzeugzulassung“ fanden im Jahr 2013 ent sprechende Untersuchungen statt, obwohl auch der Landkreis in weiteren Bereichen Handlungsbedarf sieht.
118
liegenden Stellenbeschreibungen, der durch Aufgabenumfang und Größe des Verantwortungsbereichs gekennzeichneten Wertigkeit der Stelle sowie unter strikter Auslegung des Wirtschaftlichkeitsprinzips vor dem Hintergrund eines auch verwaltungsintern durchzuführenden
Quervergleichs erfolgen.
4.1.3 Einhaltung der Stellenplanverordnung
(270) Die Stellenplanverordnung (StPlV)105 regelt, in welcher Form die Stellenpläne für den
kommunalen Bereich aufzustellen sind. Diese Vorgaben sind verbindlich einzuhalten.
Bei der Prüfung des Stellenplans 2014 wurden Abweichungen von den Regelungen der StPlV
festgestellt (z. B. fehlende Angaben zur Stellenbewertung bei Stellen mit ku-Vermerken 106;
inkorrekte Angaben zur Stellenbewertungen des Vorjahres sowie Stellenverweise; unzulässiger
Ausweis personalwirtschaftlicher Bemerkungen im Stellenplan; Ausbringung unnötiger und
unverständlicher Stellenplanvermerke).
(271) Der Landkreis sicherte zu, die Einhaltung der StPlV künftig zu beachten. Anmerkungen
wie „EU-Rente“ oder „Beurlaubung“ würden weiterhin vorgenommen, da die Planstellen
vorgehalten werden müssten, ohne dass der Stelleninhaber aktiv sei. Diese Planstellen würden
künftig nachrangig ausgewiesen.
(272) Der Landesrechnungshof geht davon aus, dass die Aufstellung des Stellenplans künftig
entsprechend der Vorgaben der StPlV erfolgt.
4.2
Personalwirtschaft
4.2.1 Personalplanung und -entwicklung
(273) Wesentliche Grundlage einer kommunalen Personalwirtschaft sind eine zielorientierte
Personalplanung, ein Personalentwicklungskonzept sowie ein Personalcontrolling. Letzteres
sollte ein EDV-gestütztes Personalinformationssystem beinhalten.
(274) Weder eine zielorientierte Personalplanung noch ein Personalentwicklungskonzept oder
ein Personalcontrolling sind beim Landkreis vorhanden. Vielmehr wird die Personalwirtschaft
beim Landkreis bislang als Fortschreibung des Personalbestandes verstanden. Eine systemati-
105
106
Landesverordnung über die Aufstellung und Ausführung der Stellenpläne im kommunalen Bereich (Stellen planverordnung - StPlV) vom 10. September 1991, GVOBl. M-V 1991, S. 352.
Mit dem Fachbegriff „ku-Vermerk“ werden (Plan-)Stellen versehen, die „künftig [in eine andere Stellenart
bzw. Besoldungs-/Entgeltgruppe] umzuwandeln“ sind (sog. Umwandlungsvermerk).
119
sche Personalbedarfsbemessung existiert noch nicht. Das Personalinformationssystem „SAGE“
wird hauptsächlich für die Berechnung von Entgelten und Besoldungen eingesetzt.
(275) Der Landkreis ist angehalten, seine Personalwirtschaft mittels Erstellung und Umsetzung der o. g. Konzepte und Instrumente auszubauen.
Der Landkreis sollte unverzüglich mit der Erstellung eines Personalentwicklungskonzeptes
beginnen. Ziel des Personalentwicklungskonzeptes sollte es sein, den Personalbestand unter
Berücksichtigung der vorhandenen Altersstruktur durch geeignete Förderungs- und Bildungsangebote dauerhaft in die Lage zu versetzen, die zu erfüllenden Aufgaben des Landkreises im
Rahmen der rechtlichen Maßgaben wahrzunehmen.
Um weitere, die Personalwirtschaft unterstützende Analysen, Statistiken und Auswertungen
vornehmen zu können, wurden zum Prüfungszeitpunkt weitere Grunddaten in SAGE eingegeben.
Auf dieser Basis sollten weitere Funktionen von SAGE genutzt und dieses als umfassendes
Personalinformationssystem, auch als Grundlage der Personalplanung, eingesetzt werden
können.
(276) Nach Aussage des Landkreises würden auf Basis des Gutachtens der KGSt zur Stellenausstattung und Organisation eigene Konzepte erarbeitet.
4.2.2 Personalaktenführung
(277) Für Form und Inhalt von Personalakten107 gibt es keine detaillierten und verbindlichen
Vorgaben. Gemäß § 84 Abs. 1 LBG M-V darf der Dienstherr „personenbezogene Daten über
Bewerber, Beamte sowie ehemalige Beamte nur erheben, soweit dies zur Begründung, Durchführung, Beendigung oder Abwicklung des Dienstverhältnisses oder zur Durchführung organisatorischer, personeller und sozialer Maßnahmen, insbesondere auch zu Zwecken der
Personalplanung und des Personaleinsatzes, erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift dies
erlaubt.“ Darüber hinaus wird der Inhalt der Personalakten durch die Maßgaben des
§ 83 Abs. 2 LBG M-V108 eingeschränkt.
107
108
Grundlage der Personalaktenführung für Beamte ist §§ 84 ff. LBG M-V i. V. m. § 50 BeamtStG. Demnach
sind für Beamte Personalakten zu führen. Wenngleich der TVöD keine ausdrückliche Verpflichtung zum
Führen der Personalakten für Tarifbeschäftigte enthält, ist in § 3 Abs. 5 TVöD die Einsichtnahme in die
Personalakte geregelt. Insofern sind auch für Tarifbeschäftigte Personalakten zu führen.
„Andere Unterlagen als Personalaktendaten dürfen in die Personalakte nicht aufgenommen werden. [...]
Nicht Bestandteil der Personalakte sind Unterlagen, die besonderen, von der Person und dem Dienstver -
120
Vor diesem Hintergrund kann der Landkreis im Rahmen seiner Organisationshoheit frei über
die Personalaktenführung entscheiden. Einzuhalten sind dabei allgemeine Verwaltungsgrundsätze wie z. B. Vollständigkeit, Nachvollziehbarkeit und Schriftlichkeit sowie einschlägige
Datenschutzregelungen.
(278) Geprüft wurden die Aufbewahrung und der grundsätzliche Aufbau der Personalakten
sowie die Führung einzelner Personalakten aus den Beschäftigungsgruppen der Beamten und
der Tarifbeschäftigten.
Registratur und Aufbewahrung
(279) Die Personalakten werden zwar zentral im Personalamt aufbewahrt, jedoch weiterhin
nach den Mitarbeiterbeständen der ehemaligen Landkreise bzw. des neu gebildeten Landkreises
getrennt. Lediglich die Personalakten der Beamten wurden bislang zusammengeführt. Die
Personalakten neu eingestellter Tarifbeschäftigter befinden sich in einem separaten Aktenschrank.
Da in den ehemaligen Landkreisen die Personalakten nach unterschiedlichen Grundsätzen
geführt wurden, unterscheiden sich sowohl der systematische Aufbau als auch der Inhalt der
jeweiligen Personalakten teilweise erheblich.
Damit werden die Personalakten des Landkreises nicht nach einem für alle Beschäftigten
einheitlichen Verfahren geführt.
(280) Der Landesrechnungshof verkennt nicht, dass eine Vereinheitlichung der Personalaktenführung mit einem gewissen zeitlichen Aufwand verbunden ist. Dennoch ist es unverständlich, dass weiterhin nach den unterschiedlichen Ablagesystemen der ehemaligen Landkreise
sowie deren uneinheitlicher Aktenführung gearbeitet wird.
Der Landesrechnungshof hält es für geboten, die Personalaktenführung zügig zu vereinheitlichen.
hältnis sachlich zu trennenden Zwecken dienen, insbesondere Prüfungs-, Sicherheits- und Kindergeldakten
sowie Unterlagen über ärztliche und psychologische Untersuchungen und Tests mit Ausnahme deren Er gebnisse. Kindergeldakten können mit Besoldungs- und Versorgungsakten verbunden geführt werden, wenn
diese von der übrigen Personalakte getrennt sind und von einer von der Personalverwaltung getrennten
Organisationseinheit bearbeitet werden.“
121
(281) Im Nachgang zur Prüfung habe der Landkreis nach eigener Aussage die Registratur der
Personalakten und deren Aufbau (einschl. Inhaltsverzeichnis) im laufenden Geschäft zu vereinheitlichen begonnen.
Inhalt der Personalakten
(282) Zum 13. Oktober 1994 hatte der Innenminister Richtlinien über die Führung von Personalakten109 erlassen, deren Anwendung zur Gewährleistung „der Rechtssicherheit und
Rechtsklarheit im Personalaktenrecht“110 u. a. auch den Landkreisen empfohlen wurde. Im
Zuge der sog. Deregulierung ist diese Verwaltungsvorschrift, welche weitergehende und konkretisierende Vorschriften für die Personalaktenführung enthielt, zum 31.08.2004 außer Kraft
gesetzt worden.
Die Personalaktenprüfung orientierte sich neben den allgemeinen Maßstäben (vgl. Tz. 277)
auch an diesen Richtlinien.
(283) Bei der stichprobenhaften Personalaktenprüfung wurden u. a. festgestellt, dass
•
Umsetzungen innerhalb der Verwaltung bislang in der Regel nicht in den Personalakten dokumentiert wurden und damit der genaue Einsatz der Mitarbeiter nicht mehr
nachvollziehbar ist,
•
ärztliche Bescheinigungen wie z. B. amtsärztliche Gutachten oder Ergebnisse von
Einstellungsuntersuchungen teilweise offen in der Personalakte aufbewahrt wurden
und
•
in den Personalakten teilweise Unterlagen enthalten waren, die mit dem Arbeits- bzw.
Dienstverhältnis nicht oder nur bedingt im Zusammenhang stehen (u. a. auch Angaben
über Parteimitgliedschaften sowie Schriftverkehr bezüglich der privaten Nutzung eines Dienst-Pkws).
(284) Der Landesrechnungshof empfiehlt,
•
in allen Personalakten die Angaben zu den wahrgenommenen Funktionen zumindest
im Personalbogen zu vermerken,
109
110
Richtlinien über die Führung von Personalakten (Verwaltungsvorschrift zu §§ 100 bis 107 LBG M-V) Erlass des Innenministers vom 13. Oktober 1994 – II 240b-0310-11– .
Nr. 11 (Geltungsbereich) der Richtlinien über die Führung von Personalakten.
122
•
ärztliche Unterlagen aus Gründen des Datenschutzes in verschlossenen Umschlägen
abzuheften und
•
alle nicht in den Personalakten aufzubewahrenden Unterlagen und Angaben, sofern
diese für die Verwaltung überhaupt erforderlich und dokumentationswürdig sind, in
die entsprechenden Sachakten aufzunehmen.
4.2.3 Qualifikation der Mitarbeiter für die Aufgabenerfüllung
(285) Für die sachgerechte Aufgabenwahrnehmung ist es unabdingbar, dass alle Stelleninhaber die für ihre jeweilige Stelle nötigen Qualifikationen besitzen. Für die Sachbearbeitung in
der öffentlichen Verwaltung ist regelmäßig vorauszusetzen, dass die Mitarbeiter eine entsprechende Ausbildung absolviert bzw. eine berufsqualifizierende Fortbildung abgeschlossen haben.
Der Landesrechnungshof hat die Besetzung der Stellen im Sozial- und Jugendamt auch mittels
Ausbildungs-/Qualifikationsübersichten des Landkreises geprüft.
Hierbei wurde festgestellt, dass die Stelleninhaber in jeweils zehn Fällen keine entsprechende
Ausbildung bzw. keine berufsqualifizierenden Fortbildung vorweisen können.
(286) Der Landesrechnungshof hält es für erforderlich, dass im geprüften Sozial- und
Jugendamt sowie allen weiteren Organisationseinheiten des Landkreises jeder Mitarbeiter eine
den Ansprüchen der jeweiligen Stelle gerecht werdende Ausbildung bzw. berufsqualifizierende
Fortbildung besitzt. Darauf ist bereits bei der Einstellung zu achten. Bei Mitarbeitern, die schon
beim Landkreis beschäftigt sind, sollte, soweit umsetzbar, veranlasst werden, dass diese die
nötigen berufsqualifizierenden Fortbildungen absolvieren.
(287) Im Nachgang zur Prüfung äußerte der Landkreis zusammenfassend, dass, übereinstimmend mit den Feststellungen des Landesrechnungshofes, im Jugend- und Sozialamt Berufsausbildungen vorhanden seien, die nicht einer typischen Verwaltungsausbildung gleich kämen. In
diesem Zusammenhang wurde vom Landkreis jedoch darauf hingewiesen, dass es sich teilweise
um langjährige Mitarbeiter handele, die durch ihre Berufserfahrung eine ebenso qualifizierte
Arbeit verrichten könnten.
Der Landkreis, dass bei Neueinstellungen bzw. internen Umsetzungen die fachliche Eignung
anhand der Ausschreibungskriterien durch das Personalamt geprüft und realisiert werde.
123
4.2.4 Personalwirtschaftliche Maßnahmen in der haushaltslosen Zeit
(288) Die„Dienstanweisung zur vorläufigen Haushaltsführung des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte“111 soll die gesetzlichen Regelungen zur vorläufigen Haushaltsführung
(§ 49 KV M-V) klarstellen und konkretisieren.112
(289) Für den Personalbereich ist darin festgelegt, dass während der vorläufigen Haushaltsführung grundsätzlich eine Wiederbesetzungssperre besteht. Abweichungen sind nur unter
bestimmten Voraussetzungen möglich. So soll z. B. laut Dienstanweisung der Wiederbesetzung
eine Prüfung durch das Personalamt vorausgehen, inwieweit die Aufgabe auch mittels organisatorischer Maßnahmen mit reduziertem Personalaufwand bewältigt werden kann.
(290) Die Prüfung von mehreren Stellenbesetzungsverfahren in der haushaltslosen Zeit zeigte
allerdings, dass die Regelungen der Dienstanweisung in der Praxis offenbar nicht eingehalten
wurden. So wurde beispielsweise eine organisatorische Prüfung durch das Personalamt nicht
dokumentiert. Ob und inwieweit eine solche stattfand, ist damit nicht nachvollziehbar.
(291) Der Landkreis erklärte nach dem Hinweis des Landesrechnungshofes, dass der Stellenplan des Vorjahres mit allen Auflagen in der haushaltslosen Zeit weiterhin gilt, zukünftig
entsprechend zu verfahren.
Im Übrigen werde das Antragsverfahren auf externe Nachbesetzung beim Innenministerium
erst nach der verwaltungsinternen Beratung und Prüfung der Notwendigkeit in Gang gesetzt.
(292) Der Landesrechnungshof weist darauf hin, dass die gesetzlichen Vorschriften zur
vorläufigen Haushaltsführung sowie die diesbezüglichen Dienstanweisungen des Landrates zu
dem verbindlich vorgeschriebenen Verfahren einzuhalten sind. Dabei ist sicherzustellen, dass
alle erforderlichen Prüfungen vorgenommen und schriftlich dokumentiert werden.
4.2.5 Einführung von Leistungsentgelten
(293) Nach § 18 TVöD ist für den Bereich der kommunalen Arbeitergeber (VKA) ein Leistungsentgelt verbindlich festgelegt. Dieses sollte ab dem 01.01.2010 eingeführt sein.
Der Landkreis hat jedoch bislang noch kein System entwickelt, nach dem das Leistungsentgelt
differenziert nach den Leistungen der Tarifbeschäftigten ausgezahlt wird. Mit dem Personalrat
111
112
Im Folgenden wird diese Dienstanweisung mit „DA“ bezeichnet.
Der Landesrechnungshof begrüßt, dass beim Landkreis eine Dienstanweisung erlassen wurde, welche die
grundsätzlichen Regelungen für die haushaltslose Zeit im Sinne der KV M-V konkretisiert.
124
wird jährlich eine Dienstvereinbarung zur leistungsorientierten Bezahlung geschlossen, die eine
undifferenzierte Auszahlung des Leistungsentgeltes regelt.
(294) Dies ist tarifwidrig und somit unzulässig.
(295) Der Landkreis hat nach eigener Aussage in der Zwischenzeit mit der Erarbeitung einer
Dienstvereinbarung zur differenzierten Auszahlung begonnen. Diese Dienstvereinbarung solle
2015 in Kraft treten.
4.2.6 Einrichtung einer Beschwerdestelle
(296) Gemäß § 13 Abs. 1 i. V. m. § 12 Abs. 5 AGG113 muss in jedem Betrieb oder Unternehmen und in jeder Dienststelle eine Beschwerdestelle bestimmt und bekannt gemacht
werden.
(297) Der Landkreis hat keine zuständige Stelle für Beschwerden nach § 13 AGG benannt.
Im Interesse möglichst rechtssicherer Beschwerdeverfahren und zur Vorbeugung eventueller
Klagen auf Schadenersatz sollte der Landkreis umgehend entsprechend tätig werden.
(298) Im Nachgang zur Prüfung erklärte der Landkreis, dass er in der Zwischenzeit eine
Beschwerdestelle bei der Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises eingerichtet habe.
4.3
Organisation der „Integrierten Rettungsleitstelle (IRLS)“
4.3.1 Ausgangslage
(299) Die ehemaligen Landkreise Demmin, Müritz und Mecklenburg-Strelitz sowie die Stadt
Neubrandenburg richteten in den Jahren 2007/2008 eine gemeinsame Integrierte Leitstelle
ein.114 Dort wurde im Zeitraum von 2009 bis 2012 ein 12-Stunden-Schichtsystem mit vier
Disponenten in der Tagschicht und drei in der Nachtschicht implementiert. Dafür wurden nach
verwaltungsinternen Abstimmungen 21 Stellen eingerichtet, wenngleich gutachterliche Berechnungen einen Personalbedarf von 17 VZÄ vorsahen.
113
114
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897), zuletzt durch Art. 8
des Gesetzes vom 03. April 2013 (BGBl. I S. 610).
Die gesetzlichen Grundlagen für eine Integrierte Leitstelle sind durch das Rettungsdienstgesetz (RDG
M-V), das Landeskatastrophenschutzgesetz (LKatSG M-V), das Brand- und Hilfeleistungsgesetz M-V
(BrSchG) und den Rettungsdienstplan Mecklenburg-Vorpommern vorgegeben. Hieraus ergeben sich u. a.
Aufgabenbereiche, Zuständigkeiten und Hilfsfristen. Diese sind insbesondere Annahme von Notfallmeldungen und Hilfeersuchen unter einer einheitlichen Notrufnummer, Beratung der Hilfesuchenden, Auswertung
der Notrufe und Einleitung von Maßnahmen.
125
(300) Ab Januar 2013 war die Umstellung auf ein modifiziertes Schichtsystem vorgesehen
(drei Disponenten in der Tagschicht, zwei Disponenten in der Nachtschicht, ein Mitarbeiter in
einer achstündigen Tagschicht zur Bearbeitung von Aufgaben mit nachgeordneter Dringlichkeit115). Des Weiteren sollte zusätzlich ein Bereitschaftsdienst durch einen Disponenten mit
einer 24-Stunden-Rufbereitschaft eingerichtet werden. Dieses Schichtsystem war nach Auffassung des Personalamtes weiterhin mit einem Stellenbestand von 21 VZÄ zu realisieren.
Durch diese Umstellung sollten im Rahmen des Stellenbestands die geforderten Aus- und Fortbildungen der Disponenten garantiert, die Planbarkeit der Schichtpläne verbessert und Überstunden weitestgehend abgebaut bzw. deren Entstehung vermieden werden.
Dieses Modell wurde zum 01.03.2013 eingeführt.
(301) Eine nachgelagerte Auswertung der nicht angenommenen Anrufe durch den Landkreis
ergab für den Zeitraum von Juli 2012 bis Juni 2013 folgendes Bild:
Tabelle 18: Anzahl nicht angenommener Anrufe der IRLS (je Monat)
Monat
Nicht angenommene Anrufe 116
Juli 2012
51
August 2012
74
September 2012
36
Oktober 2012
49
November 2012
46
Dezember 2012
37
Januar 2013
k. A.
Februar 2013
k. A.
März 2013
k. A.
April 2013
101
Mai 2013
142
Juni 2013
195
Quelle: Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, eigene Darstellung.
(302) Tabelle 18 veranschaulicht den deutlichen Anstieg der nicht angenommenen Anrufe ab
April 2013 und somit nach Einführung des neuen Organisationsmodells. Für das erste Quartal
115
116
Unter Aufgaben nachgeordneter Dringlichkeit sind beispielsweise die Organisation von regulären Kranken transporten, die Datenpflege in den Computersystemen der IRLS etc. zu verstehen.
Hierbei wurden nur die Anrufe mit einer Signalisierung von über 20 Sekunden erfasst. Eine Erfassung von
Anrufen mit geringerer Signalisierungsdauer wurde als irrelevant erachtet. Die Mehrfacherfassung von ein
und demselben Anrufer ist hierbei nicht ausgeschlossen.
126
2013 konnten aufgrund technische Probleme bei einer Software-Umstellung keine Daten der
Anrufhäufigkeit erhoben werden.
4.3.2 Organisationsuntersuchung und Entscheidung des Landkreises
(303) Das Personalamt des Landkreises analysierte in den Monaten nach der Systemumstellung die Organisation der Integrierten Leitstelle und fasste die Analyse im August 2013 in dem
Dokument „Begutachtung Leitstellenproblematik“ zusammen. Auf Grundlage dieser Organisationsuntersuchung wurden Handlungsempfehlungen für die Verwaltungsleitung erarbeitet.
(304) Darin formulierte das Personalamt drei alternative Organisationsmodelle für die Integrierte Rettungsleitstelle. Diese Schicht-Varianten unterschieden sich insbesondere hinsichtlich
der Verteilung der Disponenten bzw. der Anzahl der Schichten.
Als Entscheidungsgrundlage wurde ein Variantenvergleich mittels Nutzwertanalyse durchgeführt. Dabei wurden drei Kriterien gewichtet und je nach Ausprägung bei den verschiedenen
Varianten mit einer Punktzahl bewertet. Diese Kriterien waren „Aufgabenerfüllung“ (Gewichtung 70 Prozent), „Effektive Realisierung der Schichtpläne, Weiterbildungsmaßnahmen etc.“
(20 Prozent) und „Mitarbeiterzufriedenheit“ (10 Prozent).
(305) Im Ergebnis wurde eine Variante favorisiert, die sich nur marginal vom bisherigen
Schichtmodell unterscheidet.
Den Handlungsempfehlungen des Personalamtes wurde durch Beschluss der Hausspitze und
unter Beteiligung des Personalrates gefolgt. Hierbei wurde der Zeitraum von Juni bis
September (anstatt Juli bis August) als Urlaubssaison definiert.
(306) Des Weiteren wurde in der Untersuchung dringend die Einrichtung eines sogenannten
Überlaufs empfohlen. Dabei handelt es sich um eine technische Einrichtung, die beispielsweise
bei Nichtannahme der Notrufe durch die Leitstelle nach einer gewissen Signalisierungsdauer
den Notruf an eine „freie“ Leitung in einer anderen Leitstelle weiterleitet.
4.3.3 Bewertung der Vorgehensweise und Empfehlungen
(307) Die Aufgabenerfüllung wurde im Rahmen der Nutzwertanalyse bei allen drei Varianten
mit „sehr gut“ und damit als gleichwertig eingestuft. Angesichts der stark gestiegenen Anzahl
der in den Monaten April bis Juni 2013 nicht angenommenen Anrufe (vgl. Tabelle 18) bestehen
hieran allerdings erhebliche Zweifel.
127
Hier wäre eine differenzierte Bewertung angebracht gewesen, insbesondere weil die Entscheidung bei der angewandten Nutzwertanalyse im Ergebnis nur über die wesentlich niedriger
gewichteten Kriterien „Effektive Realisierung der Schichtpläne, Weiterbildungsmaßnahmen
etc.“ (20 Prozent) und „Mitarbeiterzufriedenheit“ (10 Prozent) getroffen wird. Bereits geringfügige Abweichungen beim Kriterium Aufgabenerfüllung würden das Ergebnis der Analyse
verändern.
(308) Vor diesem Hintergrund sieht der Landesrechnungshof die angewandte Nutzwertanalyse und damit auch die favorisierte Schichtvariante kritisch.
(309) Im Ergebnis ist der Landkreis in der Pflicht, die gesetzlichen vorgeschriebenen
Aufgaben bei der „Annahme von Notfallmeldungen und Hilfeersuchen unter einer einheitlichen Notrufnummer“ sowie „Beratung der Hilfesuchenden“ wahrzunehmen.
Sollte sich die Anzahl der nicht angenommenen Anrufe, wie sie für die Monate April bis Juni
2013 festzustellen ist (vgl. Tabelle 18), durch die vorgenommenen organisatorischen sowie
geplanten technischen Umstellungen nicht maßgeblich reduzieren lassen, muss der Landkreis
eine weitergehende Analyse der Integrierten Leitstelle vornehmen. Diese Analyse sollte die
Tag- und Nacht-Verteilung der nicht angenommenen Anrufe bzw. der Dauer der Telefonate
berücksichtigen.
4.3.4 Einrichtung eines technischen Überlaufs
(310) Für die Nutzung des in der Organisationsuntersuchung vorgeschlagenen Überlaufs
müssten im Landkreis noch einige technische Voraussetzungen geschaffen werden. An einer
kurzfristigen Lösung wird in Zusammenarbeit mit verschiedenen Leitstellen gearbeitet.
(311) Der Landesrechnungshof empfiehlt dem Landkreis, sich verstärkt um die technische
Umsetzung der Weiterleitung an andere Leitstellen (Überlauf) bei dem „Besetzt-Sein“ der
Disponentenplätze zu bemühen. Es ist davon auszugehen, dass, auch bei einer großzügigeren
Personalausstattung, immer ein gewisser Prozentsatz der Anrufe, insbesondere in der Urlaubssaison, nicht von den Disponenten angenommen werden kann. Durch die Weiterleitung an eine
andere Leitstelle könnte dieser Prozentsatz jedoch maßgeblich verringert werden.
(312) Laut Aussage des Landkreises können die örtlich zuständigen Rettungskräfte bislang
nicht von ortsfremden Leitstellen alarmiert werden. Der Landkreis ist der Ansicht, dass hier
eine landesweite Regelung anzustreben sei, die ein solches Vorgehen ermögliche.
128
(313) Der Landesrechnungshof bittet die Landesregierung die Einführung einer landesweiten
Regelung zu prüfen.
129
5
Modul Fuhrpark
Der Landkreis setzt seit 2013 zur zentralen Verwaltung und Bewirtschaftung seines
Fuhrparks ein EDV-Programm ein. Die Nutzung dieses Programms bietet derzeit noch
Optimierungspotenzial.
Aufgrund der teilweise geringen Auslastung der Fahrzeuge bestehen Einsparpotenziale.
Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen im Vorfeld der Fahrzeugbeschaffungen hat der
Landkreis nicht durchgeführt. Bei den Beschaffungen von Neufahrzeugen im Wege des
Leasings hat der Landkreis die Vergabevorschriften der VOL teilweise nicht eingehalten.
Der Landesrechnungshof hat empfohlen, die Fahrzeugverwaltung mittels EDV-Programm zu verstärken. Hinsichtlich der Vergaben hat der Landesrechnungshof gefordert, bei der Beschaffung von Fahrzeugen künftig auf erschöpfende Leistungsverzeichnisse und Einhaltung der Vergabevorschriften zu achten.
(314) Beim Landkreis wurde u. a. geprüft, ob
•
dessen derzeitiger Fahrzeugbestand dem tatsächlichen Bedarf entspricht,
•
Ansätze zur künftigen Bestandsoptimierung gesehen werden,
•
den Kfz-Beschaffungen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen zugrunde liegen,
•
bei den Kfz-Beschaffungen die vergaberechtlichen Vorschriften sowie
•
die einschlägigen Maßgaben zum Führen der Fahrtenbücher eingehalten worden sind.
(315) Die Prüfung umfasste ausschließlich den (zentralen) Fuhrpark des Landkreises. Alle
Fahrzeuge von ausgelagerten Bereichen (z. B. Rettungsfahrzeuge, Fahrzeuge der Straßenbauverwaltung etc.) wurden nicht berücksichtigt.
Zum Zeitpunkt der Prüfung stellte sich der Fahrzeugbestand, bezogen auf die einzelnen Regionalstandorte, wie folgt dar:
130
Tabelle 19: Fahrzeugbestand der Regionalstandorte (per 31.08.2013)
Dienst-Pkw
Fahrzeugbestand
Anzahl Leasing
Anzahl Eigentum
Demmin
24
14
6
4
Waren
27
18
3
6
Neustrelitz
26
17
3
6
Neubrandenburg
16
13
2
1
93
62
14
17
Standort
Gesamt
Anzahl Privat-Pkw
Quelle: Angabe Landkreis, eigene Erhebungen.
Bei der Verwaltung und Bewirtschaftung des Fahrzeugparks wird zwischen Pool- und Ämterfahrzeugen unterschieden.117 Der Unterschied besteht in der Verantwortung für die Koordinierung des Fahrzeugeinsatzes, der Datenerfassung und deren Auswertung. Während diese Aufgaben für die „Poolfahrzeuge“ ausschließlich über das Fuhrparkmanagement, welches zentral
am Standort Neubrandenburg angesiedelt ist, erfolgt, werden die „Ämterfahrzeuge“ größtenteils durch die Ämter selbst bewirtschaftet bzw. verwaltet.
28 Fahrzeuge sind dem Pool zugeordnet und 43 direkt den Ämtern an den Regionalstandorten.
5.1
Verwaltung und Management des Fahrzeugbestandes
5.1.1 Einsatz des elektronischen Fuhrparkmanagements
(316) Zur Unterstützung der Fuhrparkverwaltung verwendet der Landkreis seit 2013 ein
EDV-Programm, welches eine Reservierungsfunktion für Mitarbeiter beinhaltet sowie Möglichkeiten zur Datenerfassung und darauf aufbauende Datenanalysen bietet.
(317) Hinsichtlich der Reservierungsfunktion wird das Programm bisher nicht erschöpfend
genutzt, da nicht alle Mitarbeiter auf die programminterne Möglichkeit der Reservierung zurückgreifen.
Durch die zum Teil fehlerhafte bzw. unvollständige oder erst sehr spät erfolgte Datenübermittlung für die Ämterfahrzeuge an das Fuhrparkmanagement kann dort nur in eingeschränktem
Maße Einfluss auf einen koordinierten und wirtschaftlichen Einsatz dieser Fahrzeuge genommen werden.
(318) Der Landkreis äußerte in diesem Zusammenhang, dass eine Reservierungsfunktion bei
den amtsbezogenen Fahrzeugen von der Fuhrparkverwaltung angestrebt und sukzessive umge117
Bei der weiteren Analyse wurden die 17 privat zugelassenen Pkw aus dem Bereich des Veterinäramtes so wie die insgesamt fünf Fahrzeuge des Landrates bzw. der vier Dezernenten nicht mit einbezogen.
131
setzt werde. Die amtsbezogenen Fahrzeuge würden zukünftig teilweise in den zentralen Pool
umgeschichtet, um somit eine bessere Fahrzeugauslastung erreichen zu können.
(319) Der Landesrechnungshof begrüßt den Ausbau der Nutzung der Reservierungsfunktion
und regt eine verbindliche Online-Reservierung an.
Zur Gewährleistung entsprechender Datenanalysen und Entscheidungsvorbereitungen ist eine
rechtzeitige, korrekte und vollumfängliche Datenübermittlung für die Ämterfahrzeuge an das
Fuhrparkmanagement sicherzustellen.
5.1.2 Auslastung der Fahrzeuge
Analyse der Auslastung
(320) Die meisten Leasingfahrzeuge weisen eine Vertragslaufzeit von zwei Jahren bei einer
maximalen Laufleistung von 60.000 Fahrkilometern auf. Für jeweils zwei Fahrzeuge ist eine
Laufleistung von 30.000 km bzw. 40.000 km vereinbart worden.
Gemessen an den vereinbarten Laufleistungen stellt sich die Auslastung wie folgt dar:
Tabelle 20: Auslastungsgrade der Fahrzeuge (per 31.08.2013)
Auslastungsgrad118
(in Prozent)
Anzahl der Fahrzeuge
Prozentualer Anteil am
Gesamtbestand
0-40
11
19,3
41-60
19
33,3
61-80
20
35,1
81-100
7
12,3
Gesamt
57
100
Quelle: Eigene Erhebungen.
(321) Die meisten Fahrzeuge werden die vertraglich vereinbarte maximale km-Laufleistung
nicht erreichen. Für mehr als die Hälfte der Fahrzeuge wird die Gesamtauslastung zum Ende
des Leasingzeitraums wahrscheinlich unter 60 Prozent liegen.
118
Bei der Ermittlung des Auslastungsgrades hat der Landesrechnungshof die für den Leasingzeitraum verein barte Gesamtkilometerzahl anteilsmäßig auf den Betrachtungszeitraum umgerechnet und ins Verhältnis zu
der tatsächlich im Betrachtungszeitraum erreichten Kilometerzahl gesetzt. Die prozentuale Auswahl der
Bereiche des Auslastungsgrades wurde nach eigenem Ermessen vorgenommen.
Zum Zeitpunkt der örtlichen Erhebungen hatten bereits mehr als 50 Prozent der Fahrzeuge mehr als die
Hälfte ihrer Leasingdauer erreicht, so dass die hier angegebenen Werte einen sachgerechten Ausgangspunkt
zur Bestimmung des Auslastungsgrades bezogen auf die Gesamtlaufzeit darstellen.
132
Insofern könnte aus Gesamtsicht davon ausgegangen werden, dass der zentrale Fuhrpark des
Landkreises tendenziell überdimensioniert ist und der notwendige Fahrzeugbedarf einer kritischen Prüfung bedarf.
(322) Unter Berücksichtigung der Unterteilung in Pool- oder Ämterfahrzeuge wurde deutlich,
dass die Poolfahrzeuge, die ausschließlich über das Fuhrparkmanagement verwaltet und vergeben werden, insgesamt (auch perspektivisch) höhere Auslastungsgrade als die den Ämtern zugeordneten Fahrzeuge aufweisen.
(323) Elf Fahrzeuge wiesen zum Zeitpunkt der Prüfung eine besonders geringe Laufleistung
bezogen auf den abgelaufenen Leasingzeitraum aus. Bei ca. 1.000 km Laufleistung pro Monat
würden diese Fahrzeuge bei Hochrechnung auf den gesamten Leasingzeitraum (24 Monate)
eine Gesamtlaufleistung von rd. 24.000 km aufweisen. Das entspräche einer Auslastung von
40 Prozent bezogen auf eine Laufleistung von 60.000 km. In zwei Extremfällen würde die
Auslastung nur 17 Prozent und 23 Prozent betragen.
Diese Fahrzeuge sind fast ausnahmslos in den Ämtern angesiedelt.
Empfehlungen aufgrund der Auslastungsanalyse
(324) Die Feststellungen zur Gesamtauslastung des Fahrzeugbestandes sollten für den Landkreis Anlass sein, die Auslastung und den zur Aufgabenwahrnehmung notwendigen künftigen
Fahrzeugbestand kritisch zu prüfen. Dabei wird auf der Grundlage von Auslastungsgraden,
Einsatzhäufigkeiten und der Dauer einzelner Fahrten zu analysieren sein, inwieweit Maßnahmen zur zahlenmäßigen Bestandsoptimierung bei der Durchführung künftiger Fahrzeugbeschaffungen angezeigt sind.
(325) Die Auslastungsanalysen haben zudem gezeigt, dass zur Optimierung der Auslastung
des gegenwärtigen Fahrzeugbestands grundsätzlich alle Fahrzeuge – abgesehen von sachlich
begründeten Ausnahmen – dem Pool zugeordnet werden sollten. Damit würde dauerhaft sichergestellt, dass die Fahrzeuge des Landkreises durch ein zentrales Fuhrparkmanagement
wirtschaftlich optimal eingesetzt werden. In der Folge wäre der Fahrzeugbestand in den Ämtern (unter Berücksichtigung der Verteilung auf die Verwaltungsstandorte) auf das notwendige
Mindestmaß zu beschränken (z. B. Vorhalten von Fahrzeugen, um jederzeit den Pflichtaufgaben zur Sicherung des Kindeswohls nachkommen zu können).
133
(326) Dazu teilte der Landkreis mit, dass die geforderte Prüfung derzeit durchgeführt werde.
Fahrzeuge mit einer besonders niedrigen Laufleistung sollen zukünftig eingespart werden. In
diesem Zusammenhang würden für diese Fahrzeuge auch Alternativen geprüft. Denkbar wäre
die Freigabe weiterer Privat-Kfz zur dienstlichen Nutzung (Veterinäramt) sowie der Einsatz
von Taxis bei geringer Auslastung in Kombination mit kurzen Fahrstrecken (Amt für Soziale
Dienste).
Durch die Umschichtung von amtsbezogenen Fahrzeugen in den zentralen Fahrzeugpool strebe
der Landkreis eine bessere Auslastung an. Eine Reduzierung der Ausschreibungskilometer sei
bereits erfolgt.
(327) Der Landesrechnungshof begrüßt die geplanten bzw. umgesetzten Maßnahmen und
regt eine laufende Überprüfung der Auslastung des Fuhrparks sowie dessen effiziente Verwaltung an.
5.1.3 Führung der Fahrtenbücher
(328) Der Landesrechnungshof hat Fahrtenbücher stichprobenartig hinsichtlich ihrer Vollständigkeit, rechnerischen Richtigkeit und ihrer sorgfältigen Führung geprüft.
Grundlage und Maßstab dieser Prüfung war die „Dienstanweisung über den Außendienst“
(Stand: Juni 2013) des Landrates, wobei die geforderten Angaben in den Fahrtenbüchern denen des Landes entsprechen.119
(329) Zwei Fahrtenbücher waren mängelbehaftet. Zum einen weisen sie Mängel hinsichtlich
ihrer Lesbarkeit auf, zum anderen fehlen wesentliche Angaben zum Reisezweck (Fahrtziel) sowie die Uhrzeiten vom Beginn und Ende der Dienstreise.
In einem der Fahrtentenbücher fehlen darüber hinaus die Eintragungen des Kilometerstandes zu
Fahrtbeginn und zu Fahrtende sowie die gefahrenen Kilometer je Fahrt. Außerdem sind hier
mehrere Fahrten zusammengefasst und nur der Kilometerstand am Ende von mehreren Fahrten
eingetragen.
(330) Der Landkreis hat zugesichert, die ordnungsgemäße Fahrtenbuchführung konsequent in
allen Bereichen durchzusetzen.
119
Richtlinie über Beschaffung, Betrieb und Aussonderung von Dienstkraftfahrzeugen in der Landesverwaltung von Mecklenburg-Vorpommern (Kfz-Richtlinie – Kfz-RL M-V) Verwaltungsvorschrift des Ministeri ums für Inneres und Sport vom 22. März 2013 – II 120 - 0540.11 –.
134
5.2
Beschaffung von Fahrzeugen
Gegenstand der geprüften Fahrzeugbeschaffungen waren die gesetzlich geforderten
Wirtschaftlichkeitsvergleiche für die 62 Leasingfahrzeuge sowie die Ausschreibungen der
Leasingleistungen bzw. -verträge für 43 dieser Fahrzeuge.
5.2.1 Notwendigkeit von Wirtschaftlichkeitsvergleichen
(331) Gemäß § 9 Abs. 1 GemHVO-Doppik ist für Investitionen mit erheblicher finanzieller
Bedeutung unter mehreren in Betracht kommenden Alternativen ein Wirtschaftlichkeitsvergleich durchzuführen. Dabei sind nicht nur die Anschaffungskosten, sondern auch die Folgekosten zu berücksichtigen.
(332) Der Landkreis hat in den Jahren 2012 und 2013 insgesamt 62 Pkw in mehreren Ausschreibungen im Leasingverfahren beschafft.
Bei keiner dieser Ausschreibungen wurde im Vorfeld der gesetzlich vorgeschriebene Wirtschaftlichkeitsvergleich durchgeführt. Damit hat der Landkreis den Nachweis der Wirtschaftlichkeit für die Beschaffung aller Leasingfahrzeuge nicht erbracht.
(333) Der Landkreis erklärte, Wirtschaftlichkeitsvergleiche zukünftig für das jeweilige Ausschreibungsverfahren oder in Jahresscheiben als Gesamtvergleich durchzuführen.
(334) Da die Kfz-Beschaffungen künftig weiterhin auf dem Wege des Leasings erfolgen sollen, sind die Vorteile des Leasings gegenüber dem Kauf im Einzelfall unter Berücksichtigung
realistischer Parameter nachzuweisen. In die Wirtschaftlichkeitsvergleiche sollten auch unterschiedliche km-Laufleistungen je Jahr einbezogen werden.
5.2.2 Ausschreibung und Vergabe von Leasingfahrzeugen
Fehlerhafte Losvergabe
(335) Von den 62 Pkw-Beschaffungen hat der Landesrechnungshof vier Ausschreibungen
und Vergaben für insgesamt 43 geleaste Pkw geprüft.
(336) Bei zwei Ausschreibungen hatte der Landkreis Lose gebildet und in den Ausschreibungsunterlagen die Vergabe als Lospaket (Fall 1) sowie als Einzellose (Fall 2) festgelegt. Bei
der Zuschlagserteilung hat sich der Landkreis jedoch nicht an seine eigene Festlegungen gehal-
135
ten: während die Leistung in Fall 1 losweise vergeben wurde, führte der Landkreis in Fall 2
eine paketweise Vergabe der Lose an einen Anbieter durch.
Bei Einhaltung seiner Festlegungen wäre es zu einem anderen Wertungsergebnis und damit zu
einer anderen Zuschlagserteilung gekommen.
(337) Der Landkreis hat zugesichert, die Gestaltung der Lose, die Festlegung im Formblatt
631 und die Einhaltung der Vorgaben zukünftig konsequent einzuhalten und sorgfältiger zu
prüfen.
(338) Der Landkreis ist angehalten, seine Festlegungen zur Losbildung zu präzisieren und in
der Folge auch umzusetzen. In den Ausschreibungsunterlagen muss für die Bieter zweifelsfrei
erkennbar sein, ob und nach welchen Maßgaben die Losvergabe erfolgen soll.120
Unzureichende Einhaltung von Vergabevorschriften
(339) Bei Vergabe von 43 Pkw-Beschaffungen in vier separaten Ausschreibungen sind durch
den Landkreis wesentliche Vorschriften der VOL verletzt worden.
Insbesondere hat der Landesrechnungshof Fehler und Mängel bei der
•
Wahl der Vergabeart,
•
Vergabe- und Angebotsunterlagen,
•
Niederschrift zu den Angeboten,
•
Prüfung und Wertung der Angebote,
•
Zuschlagserteilung und
•
Dokumentation der Vergabe (Vergabevermerk)
festgestellt.
(340) Die Feststellungen belegen für den Bereich der Kfz-Beschaffung teilweise erhebliche
vergaberechtliche Versäumnisse des Landkreises. Dabei handelt es sich nicht um Einzelfälle,
sondern nachweislich um ein strukturelles Problem. Der Landkreis ist in der Pflicht, künftig alle
Regelungen des Vergaberechts (z. B. VOL/A, VOL/B und Wertgrenzenerlass) einzuhalten.
120
Vgl. § 12 Abs. 2 VOL/A .
136
Zudem sprechen die Feststellungen in ihrer Gesamtheit ausdrücklich dafür, die Zentralisierung
des Vergabewesens auch für den Bereich der Fahrzeugbeschaffung zu verstärken.
137
3
Haushaltsaufstellungsverfahren und Prozessanalyse der kommunalen
Haushaltsplanung
Bei der Analyse kommunaler Haushaltsaufstellungsverfahren konnte zunächst kein direkter Zusammenhang zwischen der Anwendung eines bestimmten Verfahrens (Topdown- und Bottom-up-Verfahren) und der Dauer der Haushaltsplanung festgestellt werden. Jedoch ergaben sich Hinweise auf einen Zeitvorteil des Top-down-Verfahrens bei
der Finalisierung des Haushaltsentwurfs.
Ein empirischer Zusammenhang zwischen der Anwendung eines bestimmten Aufstellungsverfahrens und der Erreichung des Haushaltsausgleichs konnte nicht festgestellt
werden. Gleichwohl wird für Kommunen mit nicht ausgeglichenen Haushalten nur ein
konsequent angewandtes Top-down-Verfahren für zielführend erachtet.
(341) Der Landesrechnungshof analysierte die im kommunalen Bereich angewandten Verfahren zur Haushaltsaufstellung vor dem Hintergrund der teilweise erheblichen Defizite in den Finanz- und Ergebnishaushalten. Auch von kommunaler Seite wurde in diesem Zusammenhang
die Frage aufgeworfen, inwieweit die Aufstellungsverfahren grundsätzlich optimiert und durch
die Herangehensweise bei der Haushaltsplanung ein Beitrag zur Defizitreduzierung geleistet
werden kann.
(342) Untersucht wurden die Haushaltsaufstellungsverfahren sowie die dazugehörigen Prozesse der kommunalen Haushaltsplanung aller Landkreise, kreisfreien Städte und großen kreisangehörigen Städte.
(343) Gemäß § 43 KV M-V haben die Gemeinden121 ihre Haushaltswirtschaft so zu planen
und zu führen, dass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist. Dies bedingt eine langfristige Vorausschau der Aufgaben und unterstützende finanzpolitischen Entscheidungen. Hierzu zählt auch ein effektives Haushaltsaufstellungsverfahren.122
121
122
Diese Bestimmungen gelten für die geprüften Städte und, in Verbindung mit § 120 KV M-V, für die Landkreise entsprechend. Städte und Landkreise werden nachfolgend zusammengefasst als Kommunen bezeich net.
Mit diesem Verfahren muss die Erreichbarkeit der gesetzlichen finanziellen Ziele (Haushaltsausgleich gem.
§ 43 Abs. 6 KV M-V i. V. m. § 16 GemHVO-Doppik) sowie der zeitlichen Ziele (§ 47 Abs. 2 KV M-V) sichergestellt werden.
138
1
Haushaltsaufstellungsverfahren und Haushaltsplanung als Prüfungsgegenstand
(344) Ausgehend von verschiedenen Zeitpunkten eines jeden Haushaltsaufstellungsverfahrens
wurden dessen verschiedene Teilprozesse analysiert (vgl. Abbildung 41). Der Fokus der Untersuchung lag dabei auf den verwaltungsinternen Prozessschritten der Haushaltsaufstellung.
Abbildung 41: Übersicht der untersuchten Teilprozesse
a) Information
der Ämter
b) Rücklauf an Amt
für Finanzen
c) Erste
Ausschussberatung
d) Beschluss
durch Vertretungskörperschaft
e) Genehmigung
f) Veröffentlichung
t
Teilprozess
1
Teilprozess
2
Teilprozess
3
Teilprozess
4
Teilprozess
5
Verwaltungsinterne
Haushaltsaufstellung
Quelle: Eigene Darstellung.
(345) Grundsätzlich wird beim Haushaltsaufstellungsverfahren durch die Verwaltung zwischen dem Bottom-up-Verfahren und dem Top-down-Verfahren unterschieden.
•
Bottom-up-Verfahren
Das Bottom-up-Verfahren beginnt mit den Haushaltsanmeldungen aller Fachämter123
über die im neuen Haushaltsjahr zu erwartenden bzw. gewünschten Erträge/Einzahlungen sowie Aufwendungen/Auszahlungen. Das Amt für Finanzen fasst diese Mittelanmeldungen zu einem Haushaltsentwurf der Gesamtkörperschaft zusammen. Dieser wird bis zur Ebene der Verwaltungsspitze beraten und anschließend der Vertretungskörperschaft als Gesamtentwurf zugeleitet.
•
Top-down-Verfahren
Beim Top-down-Verfahren legen die Verwaltungsspitze und/oder die Vertretungskörperschaft die insgesamt im Haushalt zu erwartenden Erträge/Einzahlungen sowie Aufwendungen/Auszahlungen in einem vorläufigen Haushaltsrahmenplan fest. Diese Rahmenbedingungen werden den Fachämtern in Form von Eckwerten als verbindliche
123
Der Begriff des Fachamtes gilt vorliegend auch für Fachbereiche, Abteilungen, Dezernate, Referate und an dere synonym verwandten Begriffe.
139
Zielgrößen vorgegeben.124 Unter deren Einhaltung ist durch die jeweiligen Fachämter
ein Teilhaushalt zu erstellen und an das Amt für Finanzen weiterzuleiten. Dieses erstellt nach Eingang aller Zuarbeiten einen Gesamtentwurf, welcher nach Beratungen
bis zur Verwaltungsspitze der Vertretungskörperschaft zugeleitet wird.
(346) Unter Umständen werden diese beiden Verfahren im sogenannten „Gegenstromverfahren“ miteinander kombiniert, d. h. die Abstimmungsprozesse können mehrfach in beiden Richtungen erfolgen. Beispielsweise kann die zur Verfügung stehende finanzielle Verteilungsmasse
des zu planenden Haushalts durch das Amt für Finanzen nach vorheriger Beteiligung der
Fachämter ermittelt werden. Darauf aufbauend folgt die Festlegung von verbindlich einzuhaltenden Eckwerten durch die Verwaltungsspitze und/oder die Vertretungskörperschaft sowie
die darauf aufbauende Detailplanung durch die jeweiligen Fachämter. Ein derartiges Verfahren
wird im Folgenden als modifiziertes Top-down-Verfahren bezeichnet, da die Fachämter bereits
bei der Festlegung des Haushaltsrahmens bzw. der Budgetverteilung beteiligt werden.
(347) Die Anwendung dieser Haushaltsaufstellungsverfahren wurde vergleichend ausgewertet. Die Prüfung umfasste die Unterlagen für die Haushaltsjahre 2010 bis 2013, soweit diese
zur Verfügung gestellt wurden bzw. werden konnten.125
2
Analyse der Haushaltsaufstellungsverfahren
(348) Bei den meisten geprüften Kommunen erfolgte die Haushaltsplanung für das Haushaltsjahr 2013 nach dem Bottom-up-Verfahren. Nur wenige wandten das Top-down-Verfahren
bzw. das modifizierte Top-down-Verfahren an. Eine grundsätzliche Umstellung der Verfahrensweise erfolgte teilweise im Nachgang zur Kreisgebietsreform sowie mit der Einführung des
NKHR M-V. Im Wesentlichen wurde die gewählte Verfahrensweise im Untersuchungszeitraum beibehalten.
124
125
Die Festlegung dieser Eckwerte ist noch vor der Information der Fachämter (vgl. Abb. 1, a) anzusiedeln.
Eine Möglichkeit zur Bestimmung der Eckwerte besteht beispielsweise in dem Rückgriff auf die Haushaltsbzw. Budgetvorgaben des Vorjahres oder die Rechnungsergebnisse des Haushaltsvorvorjahres.
Für einige Haushaltsjahre wurden dem Landesrechnungshof lediglich unvollständige Unterlagen oder PlanDaten anstatt der angeforderten Ist-Daten übersandt.
140
2.1
Dauer des Haushaltsaufstellungsverfahrens und der Teilprozesse
2.1.1 Gesamtdauer
(349) Unter der Zeitdauer der verwaltungsinternen Haushaltsaufstellung wird die Länge des
Teilprozesses von der Unterrichtung der Fachämter bis zur ersten Beratung der Haushaltssatzung in den zuständigen Ausschüssen verstanden (vgl. Abbildung 41).126
(350) Dessen Dauer ist in den einzelnen Kommunen sehr unterschiedlich und schwankt zwischen 67 und 335 Kalendertagen und damit zwischen rd. zwei und elf Monaten. Im Durchschnitt dauert dieser Prozessschritt zwischen 143 (2013) und 203 (2012) Tagen.
Auf Grundlage der zur Verfügung gestellten Daten konnte für diesen Prozess kein signifikanter
Vorteil eines bestimmten Verfahrens festgestellt werden.
(351) § 47 Abs. 2 KV M-V gibt vor, dass der beschlossene Haushalt vor Beginn des Haushaltsjahres der Rechtsaufsichtsbehörde vorgelegt werden soll.
Dieses Gebot wird von den meisten Kommunen nicht eingehalten, der beanspruchte Zeitraum
erscheint in den meisten Fällen deutlich zu lang. Dies gilt vor allem, da es einigen Kommunen
in einer vergleichbar kürzeren Zeit gelingt, diesen Prozessschritt durchzuführen.
2.1.2 Information der Fachämter
(352) Ausgangspunkt jedes Haushaltsaufstellungsverfahrens ist der Zeitpunkt, zu dem die
Fachämter gemäß Rundschreiben, Dienstvereinbarung, Dienstanweisung etc. über das Verfahren informiert und um Mittelanmeldungen gebeten werden (vgl. Abbildung 41, a).
(353) Während die früheste Information Ende März des Vorjahres erfolgte, wurden die
Fachämter einer Kommune erst nach Beginn des zu planenden Haushaltsjahres informiert. Bei
den meisten Kommunen erfolgte die Information zwischen Mai und Juli des Haushaltsvorjahres
und damit größtenteils vor Übersendung des jeweiligen Orientierungsdatenerlasses.
(354) Ein möglichst früher Beginn des Haushaltsaufstellungsverfahrens gewährleistet am ehesten die rechtzeitige Vorlage des Haushalts bei der Rechtsaufsichtsbehörde, jedenfalls dann,
wenn eine identische Dauer der Folgeschritte angenommen wird.
126
Das Datum der ersten Beratung in den zuständigen Ausschüssen wurde vom Landesrechnungshof hilfswei se herangezogen, da nur in den wenigstens Fällen die Fertigstellung des Haushaltsentwurfes durch die Ver waltung eindeutig erkennbar war bzw. mitgeteilt wurde. Dem Landesrechnungshof ist bewusst, dass die
Dauer des Zeitraums nicht allein der Verwaltung zugeordnet werden kann. Beispielsweise hängt dies auch
von der Sitzungsplanung der Vertretungskörperschaft ab.
141
Den Kommunen wird deshalb empfohlen, ihre Fachämter spätestens im Mai des Haushaltsvorjahres zu informieren.
2.1.3 Zuarbeiten der Fachämter
(355) Ausgehend von der Information der Fachämter ist für die Gesamtdauer der verwaltungsinternen Teilprozesse auch derjenige Zeitraum entscheidend, der den Fachämtern zur Einreichung der Mittelanmeldungen eingeräumt wird (vgl. Abbildung 41, Teilprozess 1).
(356) Hinsichtlich dieses Zeitrahmens ergeben sich ebenfalls deutliche Unterschiede: der kürzeste Zeitraum zur Erstellung der Zuarbeiten betrug 17 Tage, während als längster Zeitraum
133 Tage festzustellen waren. Im Durchschnitt dauert die Erstellung der Mittelanmeldungen
zwischen 38 (2013) und 57 (2010) Tagen.
Bei den Anwendern des Top-down-Verfahrens betrug die jeweilige Dauer zwischen 17 (2010)
und 105 (2012) Tagen, für Kommunen mit Bottom-up-Verfahren wurden Zeiträume zwischen
24 (2011) und 133 Tage (2010) festgestellt.
Aufgrund dessen kann kein klarer Zeitvorteil eines bestimmten Verfahrens für diesen Prozessschritt festgestellt werden. Gestützt wird diese Feststellung auch durch die Tatsache, dass die
für eine Kommune festgestellten Zeitspannen bei einheitlicher Anwendung des Top-down-Verfahrens zwischen 17 und 105 Tagen schwankte.
(357) Der Landesrechnungshof empfiehlt, den Zeitplan für die Zuarbeiten der Fachämter zum
Teil enger zu fassen. Dieser sollte jedoch ausreichend sein, um den Fachämtern die Erarbeitung
qualitativ hochwertiger Mittelanmeldungen zu ermöglichen. In aller Regel dürfte dafür ein
Zeitraum von 45 Tagen ausreichend sein.
2.1.4 Finalisierung des Haushaltsentwurfs
(358) In der Zeitspanne zwischen Rücklauf und erster Beratung in einem Ausschuss wird der
Haushaltsentwurf finalisiert. Dieser Teilprozess umfasst auch die „Haushaltsgespräche“ zwischen den Fachämtern, dem Amt für Finanzen sowie der Hausleitung (vgl. Abbildung 41, Teilprozess 2).
(359) Die kürzesten Zeitspannen betrugen 31 (2011) bzw. 32 Tage (2010), wobei in beiden
Fällen das Top-down-Verfahren angewandt wurde. Im Durchschnitt dauerte dieser Prozessschritt zwischen 96 (2010) und 157 (2012) Tagen.
142
Während die Prozessdauer im Fall des Top-down-Verfahrens zwischen 31 (2011) und 171
Tage (2010) schwankte, dauerte dieser Prozessschritt bei den Kommunen mit Bottom-up-Verfahren zwischen 45 (2013) und 259 Tagen (2012).
(360) Auch wenn die Stichprobe hinsichtlich der Anwendung des Top-down-Verfahrens klein
ist, scheint in der Gesamtsicht die Folgerung nachvollziehbar, dass dieses Verfahren Zeitvorteile bei der Finalisierung des Haushaltsplanentwurfs ermöglicht. Dies ist auf die klaren Vorgaben
von Rahmendaten bzw. Eckwerten und den im Nachgang stark eingeschränkten Verhandlungsspielraum zurückzuführen.
2.2
Dauer der Beratungen in der Vertretungskörperschaft
(361) Als Haushaltsberatungen in den Vertretungskörperschaften wurde der Zeitraum zwischen der ersten Beratung in einem zuständigen Ausschuss und der abschließenden Beschlussfassung in der Vertretungskörperschaft definiert (vgl. Abbildung 41, Teilprozess 3).
(362) Während dieser Zeitraum in einigen Kommunen in weniger als drei Wochen realisiert
werden konnte, benötigte eine Kommune für diesen Prozessschritt 230 Tage. Damit unterschieden sich die festgestellten Zeiträume deutlich. Im Durchschnitt waren für die Beratungen
87 Tage notwendig, wobei der Durchschnitt ab dem Haushaltsjahr 2012 signifikant gesenkt
wurde.
(363) Um den Prozess der Haushaltsberatungen zu verkürzen, ist es für die Kommunen von
Vorteil, die Fraktionen frühzeitig in den Prozess der Haushaltsaufstellung einzubinden, beispielsweise durch o. g. Eckwertebeschluss für den Haushaltsplan (vgl. Tz. 345 f.), der für die
Verwaltung bindend ist. Die Höhe des Gesamthaushalts und die Erreichung des Haushaltsausgleichs als mögliche Konfliktpotenziale wären in diesem Fall bereits vor den Haushaltsberatungen geklärt worden.
2.3
Dauer des Genehmigungsverfahrens
(364) Die Dauer des Haushaltsgenehmigungsverfahrens umfasst die Zeitspanne vom Beschluss der Vertretungskörperschaft bis zur Genehmigung durch das Innenministerium
(vgl. Abbildung 41, Teilprozess 4).
(365) Die kürzeste Zeitspanne zwischen Beschluss und Genehmigung lag bei 51 Tagen, die
längste bei 239 Tagen.
143
(366) Bezüglich der Optimierung des Haushaltsgenehmigungsprozesses beim Innenministerium verweist der Landesrechnungshof auf seine Jahresberichtsbeiträge zu den Prüfungen „Organisation der Rechts- und Fachaufsicht des Innenministeriums im Bereich der kommunalen
Haushaltswirtschaft“127 und „Einzelfälle vorläufiger Haushaltsführung ausgewählter kommunaler Körperschaften“.128
Hinsichtlich der Dauer des Genehmigungsverfahrens wies das Innenministerium darauf hin,
dass dieses bei einer vorgesehenen belastenden Entscheidung (z. B. eine rechtsaufsichtliche
Maßnahme nach § 81 ff. KV M-V wie der Versagung bzw. teilweisen Genehmigung einer genehmigungspflichtigen Festsetzung der Haushaltssatzung) ein Anhörungsverfahren gemäß
§ 28 VwVfgG M-V umfasst. Die Zeitdauer des Anhörungsverfahrens entziehe sich weitgehend
der Einflusssphäre des Ministeriums.
2.4
Dauer bis zur Veröffentlichung der Haushaltssatzung
(367) Gemäß § 47 Abs. 3 S. 1 KV M-V ist die Haushaltssatzung öffentlich bekannt zu machen. Analysiert wurde die Zeitdauer von der Genehmigung des Innenministeriums bis zur Veröffentlichung der Haushaltssatzung (vgl. Abbildung 41, Teilprozess 5).
(368) Mehrere Kommunen veröffentlichen die Haushaltssatzung noch am Tag der Genehmigung, bei anderen wiederum wurde die Haushaltssatzung erst mehrere Wochen nach der Genehmigung veröffentlicht.
(369) Die technischen Möglichkeiten erlauben jeder Verwaltung eine zeitnahe Veröffentlichung des Haushalts. Die Kommunen werden angehalten, den Haushalt zügig nach der Genehmigung zu veröffentlichen.129
2.5
Dauer der vorläufigen Haushaltsführung
(370) Nach § 49 Abs. 1 KV M-V befindet sich eine Kommune in der vorläufigen Haushaltsführung, wenn der Haushalt zu Beginn eines Haushaltsjahres noch nicht öffentlich bekannt gemacht wurde (vgl. Abbildung 41, Teilprozess zwischen dem 01.01. d. J. und f).
127
128
129
Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht 2013 (Teil 2) – Landesfinanzbericht,
2013, Tzn. 166 ff.
Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Jahresbericht 2012 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht, 2012, Tzn. 229 ff.
Bei einer Veröffentlichung im Internet sind die Anforderungen des § 8 KV-DVO zu beachten.
144
(371) Im Untersuchungszeitraum schwankte der Zeitraum der vorläufigen Haushaltsführung
zwischen 46 und 355 Tagen und dauerte damit im Einzelfall nahezu das gesamte Haushaltsjahr
an. Im Durchschnitt schwankte die haushaltslose Zeit zwischen 170 (2011) und 275 (2012) Tagen.
(372) Damit handelte es sich bei der vorläufigen Haushaltsführung nicht mehr um den gesetzlich vorgesehenen Ausnahmefall, sondern um den Regelfall.
Die Kommunen sind angehalten, durch ein optimiertes Haushaltsaufstellungsverfahren zu einer
Verkürzung des Zeitraums der vorläufigen Haushaltsführung beizutragen.
Vor dem Hintergrund der Darstellungen in den Tzn. 368 f. bleibt zudem offen, weshalb einige
Kommunen nicht bestrebt waren, die vorläufige Haushaltsführung schnellstmöglich zu verlassen. Ein Grund könnte in der oftmals mangelhaften Umsetzung der Restriktionen des
§ 49 KV M-V liegen.130
2.6
Erreichung des Haushaltsausgleichs
(373) Neben der Dauer der Haushaltsplanung bzw. des Aufstellungsverfahrens stellte sich zudem die Frage, ob und inwiefern das Aufstellungsverfahren zur Erreichung des Haushaltsausgleichs im Plan (§ 16 Abs. 1 GemHVO-Doppik) beitragen kann.
Eine Analyse des Haushaltsausgleichs in der Rechnung (§ 16 Abs. 2 GemHVO-Doppik) war
aufgrund fehlender Daten131 sowie der nicht möglichen Isolation einzelner unterjähriger Effekte
nicht realisierbar.
(374)
Die wenigsten untersuchten Kommunen konnten ausgeglichene Haushalte vorweisen.
Die Analyse der angewandten Aufstellungsverfahren und aller damit erstellten Haushalte hat
ergeben, dass kein offensichtlicher Zusammenhang zwischen der Erreichung des Haushaltsausgleichs (im Plan) und einem bestimmten Aufstellungsverfahren hergestellt werden kann.
(375) Entscheidend für die Erreichung des Haushaltsausgleichs ist vielmehr die kontinuierliche Fokussierung von Verwaltungsspitze und Vertretungskörperschaft auf das gesetzlich festgeschriebene und übergeordnete Ziel des Haushaltsausgleichs.
130
131
Für entsprechende Prüfungsfeststellungen vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012):
Jahresbericht 2012 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht, 2012, Tzn. 229 ff.
Die Jahresrechnungen bzw. Jahresabschlüsse wurden in den wenigstens Fälle übersandt und lagen nach
Aussage der Kommunen in einigen Fällen auch noch nicht vor.
145
3
Fazit und Empfehlungen für ein optimiertes Haushaltsaufstellungsverfahren
(376) In der Gesamtsicht lässt sich zunächst kein direkter Zusammenhang zwischen der Anwendung eines bestimmten Verfahrens bei der Haushaltsplanaufstellung und der Dauer der
Haushaltsplanung feststellen.
Zur Verkürzung des verwaltungsinternen Aufstellungsprozesses sollte den Fachämtern für deren Mittelanmeldungen eine Frist von maximal 45 Tagen gesetzt werden. Der Zeitvorteil des
Top-down-Verfahrens bei der Finalisierung des Haushaltsentwurfs sollte entsprechend genutzt
werden.
(377) Die Verantwortung für die Erreichung des Haushaltsausgleichs liegt neben der Verwaltungsspitze auch bei der Vertretungskörperschaft. Deren Wille zur Erreichung des Haushaltsausgleichs sollte sich in der Vorgabe von Eckwerten für die Haushaltsplanung und einer stringenten und abgestimmten Vorgehensweise im Haushaltsaufstellungsverfahren zeigen. Die Beteiligung der Vertretungskörperschaft an der Festlegung der Eckwerte kann zu effektiven und
konstruktiven Haushaltsberatungen in den Gremien beitragen.
(378) Ein frühzeitiger Beginn des Haushaltsaufstellungsverfahrens begünstigt im Regelfall den
rechtzeitigen Beschluss des Haushalts und vermeidet bzw. verkürzt eine haushaltslose Zeit.
Daher sollten die Kommunen prüfen, ob ihr derzeitiger Starttermin sinnvoll und zeitlich ausreichend gewählt ist. Der Haushalt sollte in der Regel zum Ende des dritten Quartals des Haushaltsvorjahres132 beschlossen werden, um der Rechtsaufsicht ausreichend Zeit zur Prüfung bzw.
Genehmigung des Haushalts einzuräumen.
(379) Im Rahmen der Anhörung wies eine Kommune darauf hin, dass ein Beschluss des
Haushaltes zum Ende des dritten Quartals nicht praktikabel sei. Zu diesem Zeitpunkt würden
viele erforderliche Angaben (z. B. die Orientierungsdaten zum kommunalen Finanzausgleich)
fehlen. Darüber hinaus ergäbe die Analyse des laufenden Haushalts kaum aussagekräftige Ergebnisse, je frühzeitiger sie erfolgt. Im Übrigen steige bei ungenauen Planungsdaten die Wahrscheinlichkeit des Erfordernisses einer Nachtragshaushaltssatzung.
(380) Die Zurverfügungstellung von Planungs- bzw. Orientierungsdaten an die kommunale
Ebene hatte der Landesrechnungshof bereits in der Vergangenheit thematisiert. Im Ergebnis
132
Vgl. auch Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht 2013 (Teil 2) – Landesfinanzbericht, 2013, Tz. 173. Das Innenministerium hatte eine Prüfung dieses Vorschlags zugesagt.
146
wurde das Innenministerium angehalten, den Orientierungsdatenerlass in der ersten Jahreshälfte
vorzulegen, da die gemeindebezogenen Einnahmedaten auf der regionalisierten Steuerschätzung aus dem Mai eines Jahres basieren.
Insofern verweist der Landesrechnungshof auf die Zusage des Ministeriums, den Orientierungsdatenerlass künftig bereits in der ersten Jahreshälfte zu Verfügung zu stellen.133
(381) Im Hinblick auf die Erreichung des Haushaltsausgleichs im Plan konnte kein empirischer Zusammenhang zwischen dieser gesetzlichen Maßgabe und einem bestimmten Aufstellungsverfahren hergestellt werden.
In Zeiten nicht ausgeglichener Haushalte ist ein konsequent angewandtes Top-down-Verfahren
eher zielführend. Die einzelnen Fachämter haben in der Regel keinen Überblick über den kommunalen Gesamthaushalt. Sie vertreten ihre eigenen aufgabenbezogenen Sichtweisen und eher
nachrangig die Gesamtfinanzsituation der Kommune.
(382) Das Prüfungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
133
Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht 2013 (Teil 2) – Landesfinanzbericht, 2013, Tz. 173.
147
4
Wasserentnahmeentgelt für die Benutzung der Gewässer II. Ordnung und
des Grundwassers
Die unteren Wasserbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte erhoben die Wasserentnahmeentgelte fehlerhaft.
So führten drei untere Wasserbehörden Einnahmen aus dem Wasserentnahmeentgelt
von rd. 1,2 Mio. Euro nicht, rd. 200.000 Euro verspätet sowie rd. 1,5 Mio. Euro unter
falschem Kassenzeichen an das Land ab.
(383) Der Landesrechnungshof prüfte für die Haushaltsjahre 2010 bis 2013 die Erhebung des
Wasserentnahmeentgeltes durch die Landkreise und kreisfreien Städte als untere Wasserbehörden. Die Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens insbesondere hinsichtlich Vollständigkeit und
Höhe der Entgelte war wesentlicher Bestandteil der Prüfung. Zudem führte der Landesrechnungshof Erhebungen durch, inwieweit die bestehenden wasserrechtlichen Rechte und Befugnisse im Wasserbuch des Landes Mecklenburg-Vorpommern enthalten sind.
1
Aufkommen aus dem Wasserentnahmeentgelt
(384) Die Benutzung eines Gewässers bedarf gemäß § 8 Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz
(WHG)134 einer Erlaubnis oder Bewilligung, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Gemäß § 16 Abs. 1 des Wassergesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern (LWaG)135 erhebt das Land „von dem Benutzer eines Gewässers ein Entgelt für folgende Benutzungen:
1. Entnehmen und Ableiten von Wasser aus oberirdischen Gewässern,
2. Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser.“
Für die Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung sowie für die Erhebung des Wasserentnahmeentgeltes sind die unteren Wasserbehörden zuständig. Soweit Benutzungen der Gewässer
II. Ordnung oder des Grundwassers erfolgen, sind dies die Landräte und Oberbürgermeister
der kreisfreien Städte. Sie nehmen die Aufgaben als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung wahr.136
134
135
136
Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz - WHG) vom 31. Juli 2009
(BGBl. I S. 2585), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. April 2013 (BGBl. I S. 734).
Wassergesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern (LWaG) vom 30. November 1992 (GVOBl. M-V S.
669), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 4. Juli 2011 (GVOBl. M-V S. 759, 765).
§§ 106, 107 Abs. 1 LWaG.
148
Die Landkreise bzw. kreisfreien Städte fordern die Entgeltpflichtigen auf, sich bis zum 31.01.
des Jahres zur Wasserentnahme aus dem Vorjahr zu erklären. Gemäß den Angaben zur Wasserentnahme berechnen die Landkreise bzw. kreisfreien Städte das Wasserentnahmeentgelt und
erlassen den Festsetzungsbescheid. Das festgesetzte Entgelt hat der Entgeltpflichtige binnen einer Monatsfrist auf ein kommunales Konto zu zahlen.137
Das Wasserentnahmeentgelt steht gemäß § 16 Abs. 3 LWaG dem Land zu. Bis zur Zuführung
an den Landeshaushalt verbleiben die Entgelte auf kommunalen Verwahrkonten.
(385) Das Land plante jährlich 5 Mio. Euro Einnahmen aus dem Wasserentnahmeentgelt.
Über den Prüfungszeitraum von 2010 bis 2013 betrachtet sind dies insgesamt 20 Mio. Euro.
Die tatsächlichen Einnahmen des Landes betrugen jedoch insgesamt nur rd. 16,0 Mio. Euro.
Den Hauptanteil bilden mit insgesamt rd. 14,8 Mio. Euro die Entgelte für die Benutzung der
Gewässer II. Ordnung und des Grundwassers, die durch die Landkreise und kreisfreien Städte
zu erheben sind. Dies entspricht rd. 93 Prozent der gesamten Einnahmen des Landes aus dem
Wasserentnahmeentgelt.
1.1
Differenzen zwischen dem geplanten und tatsächlichen Aufkommen
(386) Der Landesrechnungshof stellte erhebliche Differenzen zwischen den im Haushaltsplan
des Landes veranschlagten Einnahmen und dem tatsächlichen Aufkommen aus dem Wasserentnahmeentgelt – insbesondere dem für die Benutzung der Gewässer II. Ordnung und des
Grundwassers – fest.
(387) Um die Differenzen zu konkretisieren, hat der Landesrechnungshof die durch die Landkreise und kreisfreien Städte mittels Bescheid festgesetzten Wasserentnahmeentgelte den Einnahmen im Landeshaushalt gegenübergestellt. Die größten Abweichungen sind in den Jahren
2012 und 2013 festzustellen. Sie sind in der Tabelle 21 farblich markiert:
137
§§ 17, 18 LWaG.
149
Tabelle 21: Vergleich Einnahmen aus dem Wasserentnahmeentgelt für die Benutzung der Gewässer
II. Ordnung und des Grundwassers, 2012 und 2013, in Euro
Untere Wasserbehörden
Festgesetzte
Wasserentnahmeentgelte
Einnahmen
im Landeshaushalt
2012
2013
181.791,39
180.816,55
0,00
30.595,35
25.470,63
30.595,35
25.470,63
Landkreis Vorpommern-Rügen
739.463,73
746.205,65
279.742,40
739.736,20
Landkreis Nordwestmecklenburg
568.950,75
574.912,55
568.950,75
572.245,67
Landkreis Ludwigslust-Parchim
781.095,38
784.942,35
777.492,43
1.105.750,96
Landkreis Rostock
521.601,79
791.687,72
521.765,59
551.404,57
Landkreis Mecklenburgische Seenplatte
917.301,15
973.544,45
329.604.60
0,00
Landkreis Vorpommern-Greifswald
820.732,89
732.120,39
171.893,94
697.966,03
4.561.532,43
4.809.700,29
2.680.045,06
3.692.574,06
Landeshauptstadt Schwerin
Hansestadt Rostock
Summe I
Summe II
2012
9.371.232,72
2013138
0,00
6.372.619,12
Quelle: Unterlagen der geprüften Behörden.
In der Zeit vom 01.01.2012 bis zum Beginn der örtlichen Erhebungen des Landesrechnungshofes im Juli 2013 stellte der Landesrechnungshof zwischen den festgesetzten Wasserentnahmeentgelten und den tatsächlichen Einnahmen im Landeshaushalt eine Differenz von insgesamt
rd. 3,0 Mio. Euro fest.
Im zweiten Halbjahr 2013 haben die Landkreise und kreisfreien Städte – auch im Ergebnis der
Prüfung – Einnahmen aus dem Wasserentnahmeentgelt von rd. 1,3 Mio. Euro dem Landeshaushalt zugeführt.
1.2
Ursachen für die Differenzen
(388) Den Ursachen für die vorgenannten Abweichungen ist der Landesrechnungshof in der
Landeshauptstadt Schwerin sowie in den Landkreisen Mecklenburgische Seenplatte und Vorpommern-Rügen nachgegangen.
1.2.1 Organisatorische Probleme und Verfahrensfehler
(389) Der Landesrechnungshof stellte wesentliche organisatorische Probleme und Verfahrensfehler bei der Erhebung des Wasserentnahmeentgeltes fest:
•
Beispielsweise waren für den Landkreis Mecklenburgische Seenplatte nach der Kreisgebietsreform139 die Aufgabenbereiche von den unterschiedlich organisierten ehemaligen Landkreisen Demmin, Mecklenburg-Strelitz und Müritz sowie der Stadt Neu-
138
Ausgangsdaten zu Beginn der Prüfung: ProFiskal-Listen mit Stand 16.07.2013.
150
brandenburg zusammenzuführen. Vielfach wurden den ursprünglich mit der Erhebung
des Wasserentnahmeentgeltes betrauten Personen andere Aufgaben zugewiesen oder
diese sind aus dem Dienst ausgeschieden. In 2013 war für ca. ein Dreivierteljahr die
Stelle für die Erhebung des Wasserentnahmeentgeltes nicht besetzt. All dies führte zu
erheblichen Informationsverlusten und Verfahrensverzögerungen.
•
Die Erfassung der Wasserentnahmemenge und die Erhebung des Wasserentnahmeentgeltes erfolgte sehr unterschiedlich. Die unteren Wasserbehörden nutzten zum Teil
über Jahre entwickelte Datenbanken, teilweise aber auch nur handschriftliche Übersichten.
•
Die Qualität der dem Landesrechnungshof vorgelegten Unterlagen zur Erhebung des
Wasserentnahmeentgeltes war sehr unterschiedlich. Beispielsweise konnte die Höhe
der erlaubten Wassermenge, die maßgebliche Berechnungsgrundlage ist, nicht festgestellt werden, weil zum Teil die Erlaubnisbescheide mit den jeweiligen Nutzungsrechten nicht vorlagen.
•
Ob alle Entgeltpflichtigen erfasst waren und die Entgelte vollständig erhoben wurden,
konnte der Landesrechnungshof an Hand der vorgelegten Unterlagen letztendlich
nicht zweifelsfrei feststellen.
•
Die Wasserentnahmeentgelte setzten die geprüften Landkreise mit zum Teil erheblichen zeitlichen Verzögerungen fest. Obwohl die Entgeltpflichtigen sich bis zum 31.01.
des Jahres zur Wasserentnahme des Vorjahres zu erklären haben, setzte beispielsweise
der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte im Haushaltsjahr 2013 das Wasserentnahmeentgelt für die Wasserentnahme aus 2012 mit insgesamt 973.544,45 Euro erst im
vierten Quartal 2013 fest. In der Folge konnten die entsprechenden Entgelte erst
Ende 2013 eingenommen werden.
•
Vereinzelt erfolgten Gewässerbenutzungen, obwohl keine wasserrechtliche Erlaubnis
beantragt war bzw. Erlaubnisbefristungen abgelaufen waren. Dies und teilweise Überschreitungen der genehmigten Nutzungsmengen beachteten die Festsetzungsbehörden
139
Gesetz zur Neuordnung der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern
(Landkreisneuordnungsgesetz-LNOG M-V), verkündet als Artikel 1 des Gesetzes zur Schaffung zukunftsfähiger Strukturen der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Kreisstruk turgesetz) vom 12. Juli 2010 (GVOBl. M-V S. 366).
151
nicht. Im Falle einer nicht zugelassenen Gewässerbenutzung wäre ein doppeltes Wasserentnahmeentgelt zu erheben gewesen.140
•
Mit der wasserrechtlichen Erlaubnis werden die Antragsteller verpflichtet die entnommene Wassermenge und ggf. den Grundwasserspiegel regelmäßig zu messen. Die
Messergebnisse sind in Kontrollbüchern aufzuzeichnen und der Behörde auf Anforderung zu übermitteln. Eine Kontrolle der Messeinrichtungen oder der Messprotokolle
durch die untere Wasserbehörde konnte der Landesrechnungshof nicht feststellen.
1.2.2 Fehlende und fehlerhafte Zuführung der Entgelte an den Landeshaushalt
(390) Wesentliche Ursache für die Differenzen zwischen den mittels Bescheid festgesetzten
Wasserentnahmeentgelten und den tatsächlichen Einnahmen des Landes aus dem Wasserentnahmeentgelt sieht der Landerechnungshof zudem darin, dass die geprüften Landkreise und die
Landeshauptstadt Schwerin ihre Einnahmen aus dem Wasserentnahmeentgelt nicht oder verspätet an den Landeshaushalt weitergeleitet haben:
•
Beispielsweise buchten die Landkreise Mecklenburgische Seenplatte und Vorpommern-Rügen sowie die Landeshauptstadt Schwerin in 2012 und 2013 erhobene Wasserentnahmeentgelte von insgesamt rd. 1,2 Mio. Euro lediglich auf kommunale Verwahrkonten. Eine Zuführung an den Landeshaushalt erfolgte jedoch nicht.
•
Weiterhin wies der ehemalige Landkreis Rügen (jetzt Landkreis Vorpommern-Rügen)
das Wasserentnahmeentgelt für 2008 (103.166,19 Euro) und 2009 (101.093,12 Euro)
erst verspätet in 2011 dem Landeskonto zu.
•
Für Überweisungen an den Landeshaushalt benutzten die geprüften Landkreise zum
Teil falsche Kassenzeichen. Dadurch sind zum einen Wasserentnahmeentgelte von insgesamt rd. 614.585 Euro dem Haushaltstitel für Abwasserabgabe zugeführt worden.
Zum anderen sind Einnahmen aus Abwasserabgaben von rd. 912.853 Euro fälschlicherweise dem Haushaltstitel für Wasserentnahmeentgelte zugewiesen worden.
•
Der Landkreis Vorpommern-Rügen hat bei der Überprüfung der Überweisungsbeträge festgestellt, dass zwei unterschiedliche Verwahrkonten für die eingehenden Wasser- entnahmeentgelte bestanden. Jedoch erfolgten nur von einem Überweisungen an
den Landeshaushalt.
140
§ 16 Abs. 3 S. 3 LWaG.
152
(391) Als Gründe für die nicht getätigten Zuweisungen an das Land benannten die unteren
Wasserbehörden u. a. die strukturellen und personellen Veränderungen im Zuge der Einführung der Doppik. So habe es Unklarheiten hinsichtlich der Zuständigkeit zur Veranlassung der
Überweisungen der eingegangenen Wasserentnahmeentgelte an das Land gegeben. Seit der
Umstellung auf die Doppik erhalte die Fachbehörde vielfach keine Informationen über getätigte
Buchungsvorgänge durch die jeweilige Finanzbehörde. Insofern habe die Fachbehörde auch
nicht feststellen können, ob eine Zuweisung an das Land erfolgt ist.
(392) Die Landeshauptstadt Schwerin sowie die Landkreise Mecklenburgische Seenplatte und
Vorpommern-Rügen sagten im Rahmen der Prüfung zu, die noch ausstehenden Wasser- entnahmeentgelte, die auf den Verwahrkonten festgestellt wurden, umgehend dem Landeshaushalt
zuzuführen. Jedoch konnte der Landesrechnungshof bis Ende Januar 2014 in Bezug auf den
Hauptanteil dieser zugesagten Überweisungen (insgesamt rd. 1,0 Mio. Euro) noch keinen Zahlungseingang auf dem Landeskonto feststellen.
1.3
Bemerkungen des Landesrechnungshofes
(393) Das Verfahren zur Erhebung des Wasserentnahmeentgeltes und zu dessen Weiterleitung an das Land weist erhebliche Defizite auf. Auch wenn die Landkreisneubildung und die
Einführung der Doppik die Landkreise und kreisfreien Städte vor schwierige strukturelle und
organisatorische Aufgaben stellte, haben sie gleichwohl ein ordnungsgemäßes Verfahren zur
Erhebung und Weiterleitung des Wasserentnahmeentgeltes zu gewährleisten. Der Landesrechnungshof hält insbesondere Folgendes für erforderlich:
Alle Landkreise und kreisfreien Städte haben sicherzustellen, dass mit der Erteilung der Erlaubnis zur Wasserentnahme automatisch und zeitnah die Erhebung des Wasserentgeltes geprüft
und ggf. veranlasst wird. Die Erlaubnisbescheide sind für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit
der Wasserentnahme und die Ermittlung der Höhe des Wasserentnahmeentgeltes maßgeblich.
Befristungen der wasserrechtlichen Erlaubnisse sind auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Einhaltung der in den Erlaubnisbescheiden festgelegten Entnahmemengen und Befristungen ist zu kontrollieren. Es ist darauf zu achten, dass im Falle einer nicht zugelassenen Gewässerbenutzung ein doppeltes Wasserentnahmeentgelt zu erheben ist. Auflagen, wie das Führen von Messeinrichtungen oder Messprotokollen, sind stichprobenweise zu kontrollieren.
Noch ausstehende Überweisungen von eingenommenen Wasserentnahmeentgelten an das Land
sind unverzüglich nachzuholen. Die bisherigen Überweisungen des Wasserentnahmeentgeltes
153
an das Land sind zu überprüfen und ggf. zu korrigieren. Es sind Kontrollmechanismen einzuführen, die künftig eine unmittelbare Zuweisung der eingenommenen Wasserentnahmeentgelte
an den Landeshaushalt sicherstellen. Eine Rückkopplung zwischen den das Wasserentnahmeentgelt erhebenden und den für den Finanzfluss zuständigen Stellen erscheint hierbei geboten.
Der Landesrechnungshof empfiehlt, dass die Landkreise und kreisfreien Städte und das Landwirtschaftsministerium prüfen, ob bestehende Verfahrensweisen und Datenerfassungssysteme
ggf. optimiert übernommen werden können. Ziel sollte ein möglichst einheitliches Verfahren
sein.
Der Landesrechnungshof hat das Landwirtschaftsministerium um eine Stellungnahme gebeten
sowie dem Innenministerium eine Stellungnahme anheim gestellt.
1.4
Stellungnahme der Ministerien
(394) Das Landwirtschaftsministerium teilte mit, es werde „im Rahmen seiner Fachaufsicht
verstärkt darauf Einfluss nehmen, dass die vorgefundenen Defizite behoben werden und
durch alle Festsetzungsbehörden ein ordnungsgemäßes Verfahren zur Erhebung des Wasserentnahmeentgelts und zur zeitnahen Abführung der Einnahmen an den Landeshaushalt erfolgt …". Durch eine verstärkte Fachaufsicht und eine intensivere Betreuung der Festsetzungsbehörden werde das Landwirtschaftsministerium, gemeinsam mit dem LUNG, darauf hinwirken, dass der wasserrechtliche und abgabenrechtliche Vollzug im Zusammenhang mit der Erhebung des Wasserentnahmeentgeltes verbessert werden. Sie werden insbesondere darauf hinwirken, dass in allen Kreisen geeignete Datenhaltungssysteme existieren, die die Verwaltung von
Gewässerbenutzungsdaten und die Entgeltfestsetzung unterstützen.
(395) Das Innenministerium machte von der Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben, keinen Gebrauch.
2
Wasserbuch
(396) Gemäß § 87 WHG sind über die Gewässer Wasserbücher zu führen. Alle laufenden
Nutzungen, die den Behörden bekannt sind und ausgeübt werden, sowie Erlaubnisse und Bewilligungen werden gemäß Nr. 3 der Verwaltungsvorschrift über das Führen sowie Inhalt und
Form des Wasserbuchs (VV Wasserbuch)141 nach Anmeldung durch den Inhaber oder von
141
Verwaltungsvorschrift über das Führen sowie Inhalt und Form des Wasserbuchs (VV Wasserbuch), Bekanntmachung des Ministeriums für Bau, Landesentwicklung und Umwelt vom 29. Mai 1998 (Amts-
154
Amts wegen in das Wasserbuch eingetragen. Nicht eingetragen werden Erlaubnisse, die nur
vorübergehenden Zwecken dienen und höchstens auf drei Jahre befristet sind, sowie Rechtsverhältnisse von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung. Zuständige Behörde für die
Führung des Wasserbuchs ist das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie (LUNG).
Gemäß Nr. 3.6 der VV Wasserbuch übersenden die zuständigen unteren Wasserbehörden dem
LUNG die Grundlagen für die Eintragung.
(397) Der Landesrechnungshof stellte fest, dass bestehende Wasserrechte – zum Teil in wesentlichen Größenordnungen – nicht in das Wasserbuch eingetragen waren.
Als besonders problematisch erweisen sich fehlende Eintragungen alter wasserrechtlicher Nutzungsgenehmigungen von einigen öffentlichen Wasserversorgern. Einige öffentliche Wasserversorger besitzen noch alte wasserrechtliche Nutzungsgenehmigungen zum Teil aus den 70iger Jahren. Diese alten Rechte bzw. alten Befugnisse konnten gemäß § 21 WHG bis
01.03.2013 bei der zuständigen Stelle zur Eintragung in das Wasserbuch angemeldet werden.
Alte Rechte und alte Befugnisse, die nicht bis dahin angemeldet wurden, erlöschen am
01.03.2020, soweit das alte Recht oder die alte Befugnis nicht bereits zuvor erloschen ist.
(398) Die Landkreise und kreisfreien Städte haben die Vollständigkeit der gesetzlich geforderten Einträge im Wasserbuch in eigener Zuständigkeit zu prüfen und ggf. fehlende Eintragungen zu veranlassen. Das LUNG ist als Wasserbuch führende Stelle auf die Zuarbeit der unteren Wasserbehörden angewiesen. Ist das Wasserbuch in wesentlichen Teilen unvollständig,
kann es die Funktion eines landesweiten Überblicks über alle wasserrechtlichen Erlaubnisse
und Befugnisse nur eingeschränkt erfüllen.
(399) In seiner Stellungnahme führt das Landwirtschaftsministerium aus, dass: „Die gerügten
Defizite bei der Führung des Wasserbuches bestehen. Das Ministerium für Landwirtschaft,
Umwelt und Verbraucherschutz hat die Wasserbehörden wiederholt angehalten, rückständige
Eintragungen zu veranlassen. Es wird weiter darauf hinwirken. … Für den Fall, dass der unteren Wasserbehörde laufende Nutzungen hinreichend präzise bekannt sind, kann die Wasserbuchbehörde nach Vorlage der Nutzungsparameter diese Nutzungen von Amts wegen eintragen … Dies gilt auch für amtsbekannte öffentliche Trinkwasserentnahmen … Einer Anmeldung amtsbekannter Wasserrechte bedurfte es nicht, die Gefahr, dass diese alsbald erlöschen,
besteht nicht.“
Bl. M-V S. 734).
155
3
Abschließender Hinweis des Landesrechnungshofes
(400) Der Landesrechnungshof erwartet, dass die aufgezeigten Maßnahmen des Ministeriums
für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz und LUNG bei den unteren Wasserbehörden der Landkreise und der kreisfreien Städte umgesetzt werden, um künftig die vollständige
Erhebung des Wasserentnahmeentgeltes und die zeitnahe Weiterleitung an das Land sicher zustellen. Die noch ausstehenden Wasserentnahmeentgelte sind umgehend zu vereinnahmen.
Damit das Wasserbuch seiner Funktion eines landesweiten Überblicks über alle wasserrechtlichen Erlaubnisse und Befugnisse gerecht werden kann, sind die fehlenden Eintragungen nachzuholen. Die unteren Wasserbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte sind gehalten, das
LUNG als wasserbuchführende Stelle entsprechend zu unterstützen.
(401) Das Prüfungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
156
5
Prüfung der Jugendhilfeplanung in Mecklenburg-Vorpommern
Mit der Jugendhilfeplanung haben die Kreise und kreisfreien Städte als Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 80 Abs. 1 SBG VIII
1. den Bestand an Einrichtungen und Diensten festzustellen,
2. den Bedarf für einen mittelfristigen Zeitraum zu ermitteln und
3. die zur Befriedigung des Bedarfs notwendigen Vorhaben rechtzeitig und ausreichend zu planen.
Alle örtlichen Jugendämter haben die Bedeutung der Jugendhilfeplanung als wichtiges
Steuerungsinstrument erkannt. Bei allen Jugendämtern besteht in unterschiedlicher
Ausprägung aber auch noch Optimierungspotenzial. Ziel sollte eine umfassende integrierte Jugendhilfeplanung sein. Weiterhin ist ein stärkeres Zusammenwirken mit dem
überörtlichen Jugendhilfeträger bzw. dem Land dringend erforderlich.
(402) Der Landesrechnungshof hat im Rahmen dieser Prüfung bei den örtlichen Trägern der
öffentlichen Jugendhilfe das Aufstellungsverfahren, die Organisation und die Inhalte der Jugendhilfeplanungen nach § 80 SGB VIII untersucht. Er hat dabei auch abgefragt, inwieweit die
örtlichen Jugendhilfeträger bei der Erfüllung dieser Aufgabe vom überörtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach ihrer Auffassung unterstützt werden bzw. Unterstützung für erforderlich halten.
1
Finanzielle Bedeutung der Jugendhilfeplanung auf örtlicher Ebene
(403) Die Bruttoausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe sind in Mecklenburg-Vorpommern
von 2009 bis 2012 kontinuierlich gestiegen und betrugen jährlich mehr als eine halbe Milliarde
Euro.
Tabelle 22: Ausgaben der Kinder- und Jugendhilfe in Mecklenburg-Vorpommern
Jahr
Ausgaben in TEuro
2009
517.903
2010
531.697
2011
557.303
2012
572.308
Quelle: Statistische Berichte “Erzieherische Hilfen, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte junge Menschen, Hilfen für junge Volljähri ge, sonstige Leistungen der Jugendhilfe sowie Ausgaben und Einnahmen in Mecklenburg-Vorpommern 2012“ des Statistischen Amtes
Mecklenburg-Vorpommern
157
(404) Auch vor dem finanziellen Hintergrund wird deutlich, wie wichtig ein umfassender und
konsequenter Einsatz der Steuerungsinstrumentarien ist. Der Jugendhilfeplanung kommt eine
hervorgehobene Bedeutung zu, da durch sie perspektivisch Entwicklungsziele und Handlungsbedarfe aufgezeigt werden.
2
Aufgabenwahrnehmung örtlicher Jugendhilfeträger
(405) Die Fachkräfte in der Jugendhilfeplanung haben eine anspruchsvolle Aufgabe zu erfüllen. Nach § 80 Abs. 1 SGB VIII sind zunächst der Bestand der vorhandenen Einrichtungen
und Dienste sowie der Bedarf in quantitativer und qualitativer Hinsicht zu ermitteln, um eine
differenzierte Bewertung der IST-Situation der Jugendhilfeangebote vornehmen zu können.
Für die Erstellung einer qualifizierten Jugendhilfeplanung benötigen die zuständigen Mitarbeiter insbesondere
•
umfassende Kenntnisse der Kinder- und Jugendhilfe und die Fähigkeit, Methoden empirischer Sozialforschung anzuwenden,
•
Sachverstand für die Sammlung und Aufbereitung von Datenmaterial,
•
die Kompetenz, komplexe Beteiligungsprozesse mit Trägern und Adressaten von Jugendhilfeangeboten zu gestalten und zu moderieren sowie
•
Überzeugungskraft für die Mitwirkung in der politischen Willensbildung und Unterstützung der Leitungskräfte.
(406) Die meisten Jugendämter gaben an, unabhängig von der vorhandenen Qualifikation der
jeweiligen Planer, einen zusätzlichen Qualifizierungsbedarf für die vielfältigen Aufgaben der Jugendhilfeplanungen zu sehen. Um den verschiedenen Funktionen der Jugendhilfeplanung gerecht zu werden und empirische Methoden der Sozialforschung anwenden zu können, muss der
Aus- bzw. Fortbildungsbedarf regelmäßig erhoben und bedient werden (§ 72 Abs. 3
SGB VIII).
(407) Der Landesrechnungshof hat festgestellt, dass alle örtlichen Jugendhilfeträger den Planungsprozess begonnen haben. Die einzelnen Jugendhilfeplanungen im Land befinden sich jedoch in unterschiedlichen Stadien der Bearbeitung. Während einige örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe bereits über aussagekräftige Planungen verfügen, haben andere noch keinen
Teilbereich bzw. erst einzelne Teilbereiche überplant.
158
(408) Der Landesrechnungshof sieht bei allen örtlichen Trägern Potenzial für eine Verbesserung der Jugendhilfeplanungen. Dies betrifft insbesondere die Berücksichtigung qualitativer
Aspekte und die Untersuchung der Hilfeangebote auf ihre Wirksamkeit hin. Er verkennt dabei
nicht die Auswirkungen der Kreisgebietsreform, bei der ein (einfaches) Zusammenführen der
einzelnen Planungen zu einer Gesamtplanung in den neuen Kreisen häufig nicht möglich war
und der Planungsprozess komplett neu strukturiert werden musste.
(409) Die Bedeutung der Jugendhilfeplanung als Steuerungsinstrument haben die örtlichen
Jugendämter nach den Feststellungen des Landesrechnungshofes erkannt. Als Erschwernisse
bei der Umsetzung der planerischen Aufgaben wurden vereinzelt schwierige Rahmenbedingungen bzw. ein mangelndes Grundverständnis für die Jugendhilfeplanung als kommunikativen
Prozess sowie Probleme in der Zusammenarbeit mit dem Jugendhilfeausschuss benannt. Der
Landesrechnungshof wertet die im Jahr 2013 erfolgten Stellenneubesetzungen und die damit
einhergehenden Verbesserungen der Rahmenbedingungen bei mehreren örtlichen Jugendhilfeträgern jedoch als Indiz dafür, dass die Jugendhilfeplanung zunehmend als wichtige Aufgabe
anerkannt wird.
(410) Zur Sicherstellung bzw. Erreichung einer bedarfsgerechten Infrastruktur favorisiert der
Landesrechnungshof für die Jugendhilfeplanung den integrierten Planungsansatz, d. h. einen
Planungsansatz der verschiedene Planungsansätze (ziel-, bereichs-, sozialraum- und zielgruppenorientiert) einbezieht und berücksichtigt. Dadurch kann die Jugendhilfeplanung zum Bestandteil einer integrierten Sozialplanung werden. Einzelne örtliche Träger arbeiten bereits an einer
integrierten Sozialplanung. Der Landesrechnungshof weist in diesem Zusammenhang auf die
aus seiner Sicht wichtige Verknüpfung mit den Finanzen hin. Um den künftigen Herausforderungen gewachsen zu sein, hält er es für unabdingbar, dass die kreisfreien Städte und Landkreise langfristig auf eine integrierte Sozial- und Finanzplanung hinarbeiten.
(411) Die Jugendhilfeplanung gehört zu den Aufgaben, mit denen sich der Jugendhilfeausschuss zu befassen hat. Da auch Vertreter freier Träger Mitglieder sind, haben diese die Möglichkeit auf die Jugendhilfeplanung einzuwirken. Insbesondere in Fällen, in denen die Förderung der Kinder- und Jugendhilfe im Rahmen der Jugendhilfeplanung neu geordnet werden
soll, berichteten einige Jugendämter über Probleme in der Zusammenarbeit. Der Landesrechnungshof empfiehlt, entsprechend der guten Erfahrungen der meisten örtlichen Jugendhilfeträger, die Sitzungen des Jugendhilfeausschusses durch strukturierte und methodisch gut aufberei159
tete Unterlagen vorzubereiten und die angestrebten Ziele konsequent zu verfolgen. Notwendige Entscheidungen und aus Sicht der Verwaltung ggf. bestehende Entscheidungsspielräume
müssen klar mit entsprechenden Begründungen unterlegt sein.
3
Zusammenwirken des örtlichen Jugendhilfeträgers mit dem überörtlichen Jugendhilfeträger bzw. dem Land
(412) Dem überörtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe obliegen nach § 85 Abs. 2
SGB VIII Beratungs- und Unterstützungsaufgaben für die örtlichen Jugendhilfeplanungen. Der
Landesjugendhilfeausschuss hat in seinen Standards zur Jugendhilfeplanung aus dem Jahr 2005
den Planungsprozess skizziert. Der Landesrechnungshof begrüßt, dass darin auch qualitative
Standards angesprochen und insbesondere die Festlegung eines Evaluationsverfahrens gefordert wird.
(413) Seit 2007 erheben die Jugendämter im Rahmen der vom Land begleiteten Integrierten
Berichterstattung (nachfolgend IBM-V) Daten zur Sozialstruktur sowie interne Fachdaten. In
regelmäßigen Abständen werden diese Daten für die Jugendämter selbst als auch in ihrer Gesamtheit durch die das Projekt begleitende und unterstützende Firma GEBIT 142 ausgewertet
und den Beteiligten in detaillierter Form aufgearbeitet zur Verfügung gestellt. Mit der IBM-V
ist es somit möglich, Veränderungen von Jugendhilfeleistungen im Zeitverlauf abzubilden und
zu beobachten. Der Landesrechnungshof sieht in der Einführung der IBM-V einen wichtigen
Beitrag zur Begründung qualifizierter jugendhilferechtlicher Entscheidungen auf örtlicher Ebene. Auch in den im Rahmen der IBM-V entwickelten Standards für die Fallarbeit und das Controlling sieht er eine wichtige Unterstützungsleistung für die örtliche Ebene.
(414) Ungeachtet der voranstehenden Punkte, sieht es der Landesrechnungshof als unerlässlich an, dass der überörtliche Jugendhilfeträger die örtliche Ebene bei ihrer anspruchsvollen
Aufgabe der Jugendhilfeplanung weitergehend unterstützt und sich stärker in seine übergeordnete Steuerungsfunktion im Rahmen der Jugendhilfeplanung einbringt.
(415) Vergleicht man die Ergebnisse der Vorstudie zur integrierten Berichterstattung aus dem
Jahr 2006 mit der heutigen Situation ergibt sich nach den Feststellungen des Landesrechnungshofes anhand der Erhebungen bei den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen dieser Prüfung folgendes Bild:
142
GEBIT Münster, Gesellschaft für Beratung sozialer Innovationen und Informationstechnologie mbH & Co.
KG.
160
•
Zur Personalsituation für die Jugendhilfeplanung kann festgehalten werden, dass derzeit zumindest bei jedem örtlichen Jugendhilfeträger explizit Personal dafür vorgehalten wird.
•
Es gibt keinen durch das Land bzw. den Kommunalen Sozialverband MecklenburgVorpommern gesteuerten fachlichen Diskurs zu überregionalen jugendhilfeplanerischen Strategien. Der Landesrechnungshof hält einen solchen Diskurs für unabdingbar, um beispielsweise durch fachliche Rahmenvorgaben die örtlichen Jugendhilfeträger in die Lage zu versetzen, ihre Jugendhilfeplanung im Kontext mit einer überörtlichen strategischen Ausrichtung aufzustellen und abzustimmen.
•
Der Stellenwert der Jugendhilfeplanung hat sich auf örtlicher Ebene deutlich erhöht,
während er auf überörtlicher Ebene merklich zurückgegangen zu sein scheint.
•
Es fehlt eine überörtlichen Jugendhilfeplanung, die Angebote zur Deckung
überörtlicher Bedarfe anregen und fördern müsste.
•
Es ist unabdingbar, weitere Rahmenbedingungen zu schaffen, die die örtlichen
Jugendhilfeträger in die Lage versetzen, ziel- und zielgruppenorientiert zu planen. Bereits in vorhergehenden Prüfungen hat sich der Landesrechnungshof
dafür ausgesprochen, eine Übersicht über alle Jugendhilfeeinrichtungen im
Land zu erstellen, in der sowohl das Leistungsprofil als auch der Entgeltsatz
abgebildet werden. Damit könnten sowohl die Angebotsstrukturen der örtlichen Jugendhilfeplanungen besser aufeinander abgestimmt als auch mehr
Transparenz für Entgeltverhandlungen geschaffen werden.
•
Durch die IBM-V sind mehr steuerungsrelevante Daten (siehe Tz. 413) vorhanden,
insbesondere dann, wenn die örtlichen Jugendhilfeträger, wie beschlossen, die IBM-V
weiterführen und die Daten zeitnah und exakt einpflegen.
•
Die Generierung von kleinräumigen Daten (z. B. auf Ebene der kreisangehörigen Gemeinden) bereitet den örtlichen Jugendhilfeträgern immer noch Probleme.
Das Angebot an überregionalen Fort- und Weiterbildungen im Bereich der Jugendhilfeplanung
in Mecklenburg-Vorpommern wird von den örtlichen Jugendhilfeträgern als unzureichend erachtet. Der in der Vorstudie genannten Begründung, dass ein Fort- und Weiterbildungsbedarf
u. a. wegen des unterschiedlichen Qualifizierungsstands der mit der Jugendhilfeplanung Betrau161
ten und verschiedener Rahmenbedingungen in den Jugendämtern nicht realisiert werden könne,
vermag der Landesrechnungshof nicht zu folgen. Es ist gerade die Aufgabe von entsprechenden Angeboten, die Teilnehmenden so zu qualifizieren, dass sie zur Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben in der Lage sind. Insbesondere durch die neu besetzten Stellen für die Jugendhilfeplanung und die durch die Kreisgebietsreform entstandenen neuen Strukturen sieht
der Landesrechnungshof die Notwendigkeit, entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen im
Wege der Fort- und Weiterbildung anzubieten.
(416) Die Landkreise und kreisfreien Städte erhoben keine Einwendungen gegen die Feststellungen des Landesrechnungshofes als solche bzw. erklärten ihre Zustimmung.
Einige Landkreise äußerten sich im Rahmen der Prüfung bzw. in ihrer Stellungnahme zum Berichtsbeitrag dahingehend, dass im Rahmen des IBM-V eine einheitliche Datenerfassung und
damit eine belastbare Vergleichbarkeit nicht ausreichend gewährleistet sei. Der Landesrechnungshof hält eine Datenerfassung nach einheitlichen Maßstäben für unabdingbar. Verbindliche
Absprachen, die für eine Vergleichbarkeit der Daten dann auch tatsächlich umzusetzen sind,
sind daher dringend erforderlich. Nur so kann Ziel und Zweck der IBM-V erreicht werden.
(417) Das Prüfungsverfahren ist abgeschlossen.
162
6
Querschnittsprüfung der Personalwirtschaft in ausgewählten Ämtern
In den Amtsverwaltungen besteht noch Potenzial für die Ausweitung der interkommunalen Zusammenarbeit, um die Effizienz des Verwaltungshandelns zu erhöhen.
In der Amtspraxis wurde zu wenig beachtet, dass Aufgaben mit hoheitlichem Bezug in
der Regel Beamten zu übertragen sind. Tätigkeitsdarstellungen und -bewertungen der
Beschäftigten waren nicht in allen Ämtern vollständig vorhanden. Der Landesrechnungshof empfiehlt dem jeweils zuständigen Landkreis als Rechtsaufsichtsbehörde, bei
künftigen Prüfungen Schwerpunkte auf diese beiden Themen zu legen.
In Einzelfällen wurde gegen Besoldungs- und Tarifrecht verstoßen.
Die Personalakten wiesen vielfältige Mängel auf. Daher empfiehlt der Landesrechnungshof, dass die Ämter – gegebenenfalls mit Unterstützung der Landkreise – Bestimmungen
zur Bearbeitung und Führung von Personalakten treffen.
Obwohl die Voraussetzungen dafür vorlagen, wurde entgegen gesetzlicher Regelungen
in einigen Ämtern kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt.
(418) Der Landesrechnungshof hat in einer Querschnittsprüfung nach § 5 Satz 2 PG M-V die
Personalwirtschaft in den Amtsverwaltungen geprüft.
Diese Prüfung soll auch als Hilfsmittel verstanden werden, um Kommunen und Aufsichtsbehörden Hinweise auf mögliche Fehlentwicklungen zu geben.
In die Prüfung sind zwölf Ämter143 – jeweils zwei Ämter aus jedem Landkreis – einbezogen
worden. Dies sind die Ämter Altenpleen, Am Peenestrom, Bützow-Land, Gadebusch, Ludwigslust-Land, Rehna, Malchow, Neustadt-Glewe, Neverin, Nord-Rügen, Tessin und UsedomNord. In sieben der zwölf Ämter sind leitende Verwaltungsbeamte bestellt worden. Die anderen fünf Ämter hatten einen hauptamtlichen Bürgermeister, der Rechte und Pflichten eines leitenden Verwaltungsbeamten des Amtes hat. Das kleinste der Ämter hatte 6.641 Einwohner
und das größte Amt hatte 16.154 Einwohner zum 31.12.2012. Der Prüfungszeitraum umfasste
im Wesentlichen die Haushaltsjahre 2012 bis 2013.
143
Von 78 Ämtern zu Beginn der örtlichen Erhebungen
163
1
Personalplanung
1.1
Stellenpläne
(419) Im Auftrag des Innenministeriums erarbeitete im Jahr 2006 die Kommunalberatung und
Service GmbH Musterstellenpläne für Amtsverwaltungen in Mecklenburg-Vorpommern. Diese
weisen für einzelne Sachgebiete auch Teilzeitstellen aus. Aufgabenbereiche von unter einer halben Stelle sind dabei nicht ermittelt worden.
Dennoch haben drei Ämter in ihren Stellenplänen Stellen mit Bruchteilen von weniger als einer
halben Stelle dargestellt. Diese geringen Stellenbruchteile für einzelne Aufgaben dokumentieren zum Einen das große Spektrum der Aufgaben im Amt und zum Anderen die Kleinteiligkeit
der Aufgabenerledigung in Ämtern mit geringen Fallzahlen. Die Kleinteiligkeit der Aufgaben
könnte im Einzelfall einer effizienten Sachbearbeitung entgegenstehen.
Eine Handlungsoption für die Ämter, ihre Leistungen zu erbringen und die Aufgaben zu erfüllen, besteht in der interkommunalen Zusammenarbeit. In den geprüften Ämtern gab es erste
Ansätze dafür: So existiert z. B. eine gemeinsame Wohngeldstelle eines Amtes mit einer Stadt
und ein anderes Amt arbeitet mit einer größeren Stadt auf dem Gebiet des Standesamtes zusammen. Dieses Amt benötigt daher keine eigenen Standesbeamten. Beide aufgezeigten Beispiele erhöhen im Vergleich zu einer getrennten Aufgabenwahrnehmung die Effizienz des Verwaltungshandelns.
Der Landesrechnungshof sieht – auch vor dem Hintergrund der für Mecklenburg-Vorpommern
prognostizierten sinkenden Einwohnerzahlen – noch Potenzial für eine Ausweitung der interkommunalen Zusammenarbeit.
1.2
Planstellen für Beamte
(420) Der Schwerpunkt der Aufgabenstellung des öffentlichen Dienstes hat sich zwar, vom
Umfang her gesehen, weitgehend auf die Daseinsvorsorge (Teil der Leistungsverwaltung) verlagert, den Kernbereich bildet jedoch nach wie vor die sogenannte Eingriffsverwaltung. In beiden Bereichen steht der Vollzug der Gesetze im Mittelpunkt, die in der Eingriffsverwaltung
Befugnisse für Maßnahmen hoheitsrechtlicher Art verleihen. Das Verfassungsrecht sieht vor,
dass diese Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Beamten zu übertragen sind (Funktionsvorbehalt für Beamte). Dies gilt auch für den kommunalen Bereich.
164
Die Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern schreibt vor, dass die Funktion des leitenden Verwaltungsbeamten durch Beamte wahrzunehmen ist. Diese Dienstposten sind in den
betroffenen Ämtern Altenpleen, Gadebusch, Ludwigslust-Land, Neverin, Nord-Rügen, Rehna
und Usedom-Nord auch entsprechend mit Beamten besetzt.
Auffällig ist, dass im Übrigen der Funktionsvorbehalt für Beamte in der Praxis wenig Beachtung findet. Die Besetzung der Dienstposten, die von der Sache her überwiegend hoheitlich
ausgestaltet sind, mit verbeamtetem Personal ist sehr zurückhaltend. In drei von sieben Ämtern
sind neben dem leitenden Verwaltungsbeamten keine weiteren Planstellen für Beamte ausgewiesen. Zwei der fünf Ämter mit hauptamtlichem Bürgermeister weisen keine einzige Planstelle
für Beamte aus. Damit ist dem in der Verfassung festgelegten Funktionsvorbehalt für Beamte
in der Verwaltungspraxis der Ämter nicht genügend Rechnung getragen.
Der Landesrechnungshof hält es für notwendig, dass die Ämter diese Praxis mittelfristig umstellen. Er schließt sich insofern den Empfehlungen des Ministeriums für Inneres und Sport
zum Funktionsvorbehalt für Beamte144 an und empfiehlt den Landkreisen als Rechtsaufsichtsbehörden, bei künftigen Prüfungen einen Schwerpunkt auf dieses Thema zu legen.
1.3
Tätigkeitsbeschreibungen und -bewertungen
(421) Durch die Tätigkeitsdarstellung und -bewertung wird der Nachweis geführt, dass der
jeweilige Beschäftigte einen tariflichen Anspruch auf Zahlung nach einer bestimmten Entgeltgruppe hat, der Arbeitgeber also zur Zahlung verpflichtet ist. Die Tätigkeitsdarstellung und
-bewertung zählen zu den zahlungsbegründenden Unterlagen.
Zur Feststellung der Bewertung der Arbeitsplätze ist es erforderlich, die auszuübenden Tätigkeiten in einer Tätigkeitsdarstellung zu beschreiben, ihren prozentualen Anteil an der Gesamtarbeitszeit festzulegen und die Anforderungen an die auszuübenden Tätigkeiten den einzelnen
tariflichen Tätigkeitsmerkmalen zuzuordnen.
Tätigkeitsbeschreibungen und -bewertungen waren nur in drei Ämtern vollständig und auf einem aktuellen Stand vorhanden. In den übrigen Ämtern war die Bandbreite der Feststellungen
groß: So fehlte z. B. einerseits in einigen Ämtern nur die Aktualisierung einzelner Tätigkeitsbe-
144
Vom Innenministerium am 5. September 2013 an die Ämter und amtsfreien Gemeinden gerichteten „Empfehlungen zur Umsetzung des verfassungsrechtlich verankerten Funktionsvorbehalts“.
165
schreibungen oder -bewertungen, andererseits gab es in einem Amt kaum Bewertungen, obwohl die Tätigkeitsbeschreibungen vollständig vorlagen.
Der Landesrechnungshof hält es aufgrund des Prüfungsergebnisses grundsätzlich für notwendig, dass die Ämter der Vollständigkeit und der Aktualität der Tätigkeitsdarstellungen und
-bewertungen zukünftig eine besondere Aufmerksamkeit widmen. Er empfiehlt den Landkreisen als Rechtsaufsichtsbehörden, bei künftigen Prüfungen einen Schwerpunkt auf dieses Thema
zu legen.
2
Einhaltung von Vorschriften zur Besoldung und Vergütung
2.1
Zeitpunkt der Zahlung der Bezüge
(422) Nach den besoldungsrechtlichen Vorschriften sind Dienstbezüge monatlich im Voraus
zu zahlen.
In einem Amt haben alle Beamten ihre Besoldung nicht zum Ersten, sondern erst zum Fünften
bzw. in einem Fall zum Ende des laufenden Monats erhalten. Die Verwaltung begründete dies
mit der Vermeidung der notwendigen Rechnungsabgrenzung zum Jahresende in der Doppik.
Der Landesrechnungshof erwartet, dass das Amt die rechtswidrige Praxis seiner Bezügezahlung unverzüglich beendet.
2.2
Tarifgerechte Vergütung
(423) Entsprechend dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (Bund und Kommunen)
(TVöD) erhält der Tarifbeschäftigte monatlich ein bestimmtes Entgelt. Dessen Höhe bestimmt
sich maßgeblich nach der Entgeltgruppe. Wie bereits geschildert (siehe Tz. 421), ist für die
Festlegung der Entgeltgruppe die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit entscheidend.
Nach Umstrukturierungen aufgrund von Ämterfusionen gibt es in zwei Ämtern zum Teil „personengebundene“ Eingruppierungen. Entgegen einer niedriger bewerteten und ausgeübten Tätigkeit wird – seit mehr als sechs Jahren – das höhere Entgelt aus der früheren Tätigkeit weiter
gezahlt. Eines dieser Ämter schreibt mit einer Dienstvereinbarung von August 2013 ein entsprechendes Vorgehen für die Zukunft fest, um die konkret von Herabgruppierung bedrohten
Beschäftigten von den Folgen eines zurzeit durchgeführten Bewertungsverfahrens auszunehmen.
166
Ein Amt vergütete zwei Tarifbeschäftigte im Widerspruch zu den vorgenommenen Eingruppierungen für die ausgeübten Tätigkeiten eine Entgeltgruppe niedriger. In zwei weiteren Ämtern
erhielten Tarifbeschäftigte während der Probezeit ebenfalls eine Vergütung nach der nächst
niedrigeren Entgeltgruppe als die, die sich nach der Eingruppierung für die Ausübung der Tätigkeit ergeben hatte.
Der Landesrechnungshof rät dringend dazu, diese tarifrechtswidrige Praxis umgehend abzustellen. Er weist weiterhin mit Nachdruck darauf hin, dass eine Dienstvereinbarung geltendes Tarifrecht nicht aufheben kann.
3
Personalaktenführung
(424) In der Personalwirtschaft versteht man unter dem Begriff „Personalakte“ eine Sammlung von personenbezogenen Daten. Diese Daten betreffen die persönlichen und dienstlichen
Verhältnisse der Beschäftigten, die mit dem Arbeitsverhältnis/Dienstverhältnis in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang stehen. Die Personalakten dienen der Personalverwaltung und
der Personalbewirtschaftung.
Nach dem Beamtenrecht ist für jeden Beamten eine Personalakte zu führen. Auch das Tarifrecht setzt die Führung von Personalakten voraus. Beide enthalten jedoch keine detaillierten
Vorgaben zum Inhalt von Personalakten.
Es gibt gleichwohl Orientierungshilfen, u. a. vom Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Mecklenburg-Vorpommern145, die als Handlungsanleitung für die personalbearbeitenden Stellen im öffentlichen Dienst geeignet sind.
Der Landesrechnungshof hat in den zwölf Ämtern insgesamt 225 von 382 Personalakten eingesehen. Die Auswahl der Personalakten erfolgte grundsätzlich nach Zuständigkeiten, um eine
Vergleichbarkeit zwischen den Ämtern herzustellen. So wurden beispielsweise Personalakten
von Beschäftigten aus den Bereichen Personal, Personenstandswesen/Standesamt sowie Bauund Ordnungsamt für die Einsichtnahme ausgewählt.
Die eingesehenen Personalakten wiesen u. a. folgende Mängel auf:
145
Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit Mecklenburg-Vorpommern (2011): Personalakten und Personalaktendaten.
167
•
Ein großer Teil der Personalakten gab nicht den aktuellen Stand wieder. Die Personalakten waren oft sehr unübersichtlich geführt, chronologisch ungeordnet und dadurch
schwer nachvollziehbar.
•
In der Regel waren die Personalakten kaufmännisch (neuestes Dokument wird vorgeheftet) und nicht nach dem Behördenprinzip (Amtsheftung, neuestes Dokument wird
nachgeheftet) geordnet.
•
In einigen Personalakten fehlten die Personalbögen der Beschäftigten.
•
In mehreren Fällen befanden sich veraltete Personalbögen in den Akten.
•
In den Personalakten fehlten oft die Ausbildungs-/ Qualifikationsnachweise.
•
In mehreren Fällen fehlten Nachweise über Höhergruppierungen.
•
In einigen Fällen waren Unterlagen zur Überleitung von Tarifbeschäftigten nach dem
„Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes und zur Regelung des
Übergangsrechts“ nicht in den jeweiligen Personalakten enthalten.
•
In vielen Fällen fehlte bei Beamten das Vereidigungsprotokoll.
Außer in einem Amt waren die Personalakten nicht mit durchlaufenden Blattzahlen versehen.
Der Landesrechnungshof weist darauf hin, dass eine Nummerierung der Aktenblätter zwar
nicht zwingend vorgeschrieben ist, aber eine einfache und sichere Methode sein kann, um die
zu gewährleistende Vollständigkeit der Personalakten sicherzustellen.
Aufgrund der vielfältigen bei seiner Einsichtnahme in die Personalakten festgestellten Mängel
hält es der Landesrechnungshof für erforderlich, dass die Ämter organisatorische Regelungen
zur Bearbeitung und Führung von Personalakten treffen. Hierzu könnten die Landkreise als zuständige Rechtsaufsichtsbehörden eine geeignete, besonders an den Bedürfnissen der Amtsverwaltungen orientierte Handreichung zur Verfügung stellen.
4
Betriebliches Eingliederungsmanagement
(425) Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist seit dem 01.05.2004 im Sozialgesetzbuch verankert. Es gilt für Beschäftigte, die insgesamt mehr als sechs Wochen innerhalb
von zwölf Monaten arbeitsunfähig sind. Ziel der Regelung ist es, die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der betroffenen Beschäftigten so schnell wie möglich wieder herzustellen.
168
(426) Um festzustellen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für ein BEM vorliegen, ist es
notwendig zu erfassen, wie lange die Beschäftigten erkrankt sind. Der Landesrechnungshof hat
deshalb die Erhebung und Auswertung von Arbeitsunfähigkeitszeiten infolge von Krankheiten
in den Personalstellen geprüft. In drei Ämter erfolgt die Erhebung und Auswertung von Arbeitsunfähigkeitszeiten infolge von Krankheit nicht im ausreichenden Maße.
Der Landesrechnungshof empfiehlt den betroffenen drei Ämtern, Übersichten zu den Krankheitstagen so zu führen, dass diese für das BEM genutzt werden können. Er weist allgemein
darauf hin, dass die ununterbrochene bzw. wiederholte Arbeitsunfähigkeit von sechs Wochen
„innerhalb eines Jahres“ unabhängig vom Kalenderjahr erkennbar sein muss.
(427) Weiter stellte der Landesrechnungshof fest, dass einige Ämter – trotz Überschreitung
der sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit – keine Initiative für ein BEM ergriffen haben. Auf
Nachfrage wurde erklärt, dass formale Aktivitäten nicht eingeleitet worden seien, weil man die
Mitarbeiter und deren persönliche Situation „ja kenne“. Trotzdem hätten die Amtsverwaltungen aktiv werden müssen, denn langzeiterkrankten Beschäftigten ist nach den sozialrechtlichen
Vorschriften verpflichtend ein BEM anzubieten.
Künftig sollten die betroffenen Ämter in den Fällen, in denen die gesetzlichen Vorgaben es erfordern, ein BEM durchführen.
(428) Elf der zwölf geprüften Ämter hatten nach Auskunft der Bürgermeister bzw. leitenden
Verwaltungsbeamten keine Bestimmungen – insbesondere keine Verfahren – für das BEM
festgelegt. Ein Amt hingegen hat im Jahr 2013 eine Dienstvereinbarung zum BEM mit dem
Personalrat abgeschlossen. Diese Dienstvereinbarung trifft u. a. nähere Bestimmungen zum
Verfahren, zur Vertraulichkeit und zum Datenschutz im Verfahren.
Soweit die Ämter bisher noch keine Rahmenbedingungen festgelegt haben, sollten sie zumindest Regelungen zum Verfahren des BEM treffen. Da hierbei die Interessenvertretung ohnehin
zu beteiligen ist, erscheint eine Dienstvereinbarung als ein zweckmäßiges Instrument, um geeignete Regelungen festzuschreiben.
5
Personalentwicklungskonzepte
(429) Eine sorgfältige und umfassende Personalentwicklung ist auch für die Amtsverwaltungen unverzichtbar. Die demographische Entwicklung macht sich besonders in den Amtsverwaltungen mit ihren vielfältigen Aufgaben bemerkbar. Trotz verminderter Einwohnerzahl und da169
mit in aller Regel auch verminderten Einnahmen des Amtes muss eine bestimmte Infrastruktur
aufrechterhalten werden. Damit steigen die Anforderungen an die Beschäftigten. Die Nachwuchsgewinnung – insbesondere (aber nicht nur) in geographisch ungünstig gelegenen Ämtern
und für besonders kleine Amtsverwaltungen mit nur wenigen Aufstiegsmöglichkeiten – wird
gleichzeitig zunehmend schwieriger.
Lediglich in vier Ämtern lagen schriftliche und aktuelle Personalentwicklungskonzepte vor.
In den übrigen acht Ämtern existierten veraltete Personalentwicklungskonzepte bzw. Vorstufen von Personalentwicklungskonzepten.
Der Landesrechnungshof empfiehlt die Aktualisierung der veralteten Personalentwicklungskonzepte sowie die Weiterentwicklung der bereits bestehenden Vorstufen zu Personalentwicklungskonzepten. Ein schriftliches und aktuelles Personalentwicklungskonzept schafft Transparenz für alle Mitarbeiter, erleichtert die Einbindung der Gremien und gibt Planungssicherheit
auch für die Amtsverwaltung selbst.
6
Qualifizierung des Personals
(430) Fortbildungskonzepte bzw. Fortbildungsübersichten in Personalentwicklungskonzepten
dienen nicht nur der Unterstützung von Entscheidungsprozessen in der Verwaltung des Amtes,
sondern ebenfalls zur Information der Beschäftigten und machen Entscheidungen in diesem Bereich nachvollziehbar und transparent. Zu ihren Inhalten gehören in der Regel Ausführungen
zur Ermittlung des Fortbildungsbedarfs in Bezug auf gegenwärtige und zukünftige Aufgaben,
zur Auswahl der Beschäftigten und zur Planung entsprechender Angebote.
Auch die Tarifvertragsparteien haben der Fortbildung einen hohen Stellenwert eingeräumt, indem sie das Qualifizierungsgespräch im TVöD festgeschrieben haben.
Aus den geprüften Personalakten war erkennbar, dass die Beschäftigten der Ämter regelmäßig
und fachspezifisch fortgebildet wurden. Für einzelne Bereiche gab es z. T. Planungen zur Fortbildung des Personals oder es wurden Fortbildungsbedarfe abgefragt. Gesonderte Fortbildungskonzepte hatte jedoch kein Amt.
Der Landesrechnungshof regt an, dass die Ämter Fortbildungskonzepte erarbeiten bzw. die
Thematik Fortbildung schwerpunktmäßig in ihren Personalentwicklungskonzepten berücksichtigen, um Entscheidungsprozesse nachhaltig zu unterstützen und ihre Beschäftigten gezielt zu
informieren.
170
(431) Zur Unterstützung von Entscheidungsprozessen und zur Information der Beschäftigten
dient es gleichfalls, wenn für besonders aufwändige Fortbildungen – etwa berufsbegleitende
Fortbildungen zum Verwaltungsfachwirt, zum Verwaltungsbetriebswirt oder mit dem Abschluss Verwaltungs-Diplom – Interessenbekundungsverfahren durchgeführt werden. Sie können auch Gegenstand einer gesonderter Dienstvereinbarung sein. Hierfür gab es Beispiele in
einzelnen Ämtern, die der Landesrechnungshof den anderen Ämtern zur Orientierung empfiehlt.
(432) Das Prüfungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
171
V. Prüfung kommunaler Beteiligungen
1
Kommunale Mikrogesellschaften
Die Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern sind vielfach Gesellschafter von GmbHs,
deren Geschäftstätigkeit nur geringen Umfang annimmt. In der langfristigen Betrachtung haben diese Mikrogesellschaften für die kommunalen Gesellschafter immer wieder
Haushaltsbelastungen durch Zuschüsse zum Verlustausgleich oder Vermögenseinbußen
durch den Verzehr des eingebrachten kommunalen Vermögens zur Folge. Regelmäßig
steht der Aufwand für Geschäftsführung, Buchhaltung, Steuerberatung und Jahresabschlussprüfung nicht im angemessenen Verhältnis zu den Umsatzerlösen oder zu den Erträgen.
(433) Nach § 267 a Handelsgesetzbuch (HGB) überschreitet eine Mikrogesellschaft bei mindestens zwei von drei Kennzahlen eine bestimmte Größe nicht:
•
350.000 Euro Bilanzsumme,
•
700.000 Euro Umsatzerlöse im letzten Geschäftsjahr oder
•
10 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt.
Verschiedene kommunale Mikrogesellschaften bleiben noch deutlich unter diesen bescheidenen
Größenordnungen. Diese Mikrogesellschaften sind regelmäßig eine vergleichsweise kostenintensive und unwirtschaftliche Form kommunaler wirtschaftlicher Betätigung. Über kommunale
Mikrogesellschaften hat der Landesrechnungshof bereits mit dem Kommunalfinanzbericht
2012146 und 2013147 informiert. Diese Berichterstattung soll mit zwei weiteren Beispielen fortgesetzt werden.
1
Kommunale Hafengesellschaft
(434) Die H-GmbH bewirtschaftet drei kommunale Binnenhäfen. Sie erwirtschaftet ihre Umsatzerlöse vorwiegend mit Verlade- und Umschlagsarbeiten sowie sonstigen Hafendienstleistungen. Die Bilanzsumme belief sich zum 31.12.2012 auf rd. 160.000 Euro (rd. 46 Prozent der
146
147
Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2012 –
Teil 1 – Kommunalfinanzbericht 2012, Tzn. 368-384.
Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2013 –
Teil 1 – Kommunalfinanzbericht 2013, Tzn. 327-343.
173
Kenngröße des § 267 a HGB), zum 31.12.2013 auf rd. 155.000 Euro (rd. 44 Prozent der
Kenngröße). Im Geschäftsjahr 2012 erzielte die Gesellschaft Umsatzerlöse in Höhe von
rd. 163.000 Euro (rd. 23 Prozent der Kenngröße), in 2013 nur noch in Höhe von rd. 115.000
Euro (rd. 16 Prozent der Kenngröße). Im Jahresdurchschnitt beschäftigte die Gesellschaft
durchschnittlich zwei Mitarbeiter (ohne Geschäftsführung; 20 Prozent der Kenngröße).
(435) Im Geschäftsjahr 2013 erwirtschaftete die H-Gesellschaft im operationellen Geschäft
einen Verlust von rd. 4.000 Euro. Durch Einmaleffekte wie die Veräußerung von Anlagevermögen konnte die Gesellschaft einen Jahresüberschuss von knapp 600 Euro verzeichnen. In
2012 erzielte die Gesellschaft einen Jahresüberschuss von rd. 6.000 Euro. In den Vorjahren
hatte die Gesellschaft ganz überwiegend Verluste erwirtschaftet. Die Verlustvorträge aus den
Geschäftsjahren 1993 bis 2007 in Höhe von rd. 509.000 Euro wurden gemäß Beschluss der
Gesellschafterversammlung vom 06.06.2013 durch Entnahme aus der Kapitalrücklage gedeckt.
Die Jahresfehlbeträge 2008 bis 2012 in Höhe von insgesamt rd. 72.000 Euro hat die H-GmbH
weiter vorgetragen.
(436) Für die Nutzung des im Eigentum der Gesellschafterin stehenden Hafengebiets hat die
Gesellschaft 2013 Pacht in Höhe von rd. 5.800 Euro entrichtet. Dem stehen Zahlungen der Gesellschafterin an die H-GmbH für gemäß Geschäftsbesorgungsvertrag erbrachte Dienstleistungen in Höhe von rd. 12.000 Euro gegenüber. Die Gesellschaft hat die Buchführung extern vergeben. In steuerlichen und rechtlichen Angelegenheiten nimmt die Gesellschaft ebenfalls externen Sachverstand in Anspruch. In 2013 entstand für Buchführung, Rechts- und Steuerberatung
sowie die Jahresabschlussprüfung Aufwand in Höhe von insgesamt rd. 5.200 Euro.
(437) Würde die kommunale Gesellschafterin ihren Hafen im Hoheitshaushalt bewirtschaften,
so entfielen diese Aufwendungen entweder ganz oder aufgrund degressiver Effekte teilweise.
Dies gilt auch für den Aufwand der Gesellschafterin aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag mit
der Gesellschaft (nach Abzug der Pachteinnahmen rd. 6.200 Euro (2013)).
2
Kommunale Wirtschaftsfördergesellschaft
(438) Die kommunale Wirtschaftsfördergesellschaft W-GmbH betreibt und verwaltet ein
Existenzgründerzentrum. Zu ihrem Geschäftsbereich gehört neben der Mieterakquisition und
-bindung und der technischen Verwaltung des Existenzgründerzentrums auch die Beratung von
Existenzgründern einschließlich der Durchführung von Existenzgründerseminaren.
174
(439) Im Geschäftsjahr 2012 erzielte die W-GmbH Umsatzerlöse in Höhe von rd. 152.000
Euro (rd. 22 Prozent der Kenngröße). Wird die Gewinn- und Verlustrechnung um die nicht
zahlungswirksamen Erträge aus der Auflösung eines Sonderpostens für Investitionszuschüsse
in Höhe von rd. 80.000 Euro bereinigt, so ergibt sich für 2012 ein Jahresfehlbetrag von
rd. 77.000 Euro. Um Liquiditätsengpässe zu vermeiden, erhält die Gesellschaft von ihren kommunalen Gesellschaftern regelmäßig Zuschüsse (2012: Liquiditätszuschuss 63.000 Euro). Die
W-GmbH wird auch zukünftig zur Sicherung ihres Fortbestands auf Zuschüsse ihrer Gesellschafter angewiesen sein.
(440) Die W-GmbH hat die Buchführung extern vergeben. In rechtlichen Angelegenheiten
nimmt die Gesellschaft ebenfalls externen Sachverstand in Anspruch. Einschließlich der Abschluss- und Prüfungskosten entstand in 2012 hierfür Aufwand in Höhe von rd. 8.000 Euro.
Diese Aufwendungen entfielen entweder zur Gänze oder zumindest teilweise, wenn das Existenzgründerzentrum im Hoheitshaushalt der kommunalen Mehrheitsgesellschafterin bewirtschaftet werden würde.
3
Kontroll- und Steuerungsdefizite bei Mikrogesellschaften
(441) Die Gesellschafter-Gemeinden der Mikrogesellschaften verfügen im Regelfall entgegen
ihrer gesetzlichen Verpflichtung (§ 75 a KV M-V) im Allgemeinen über kein bzw. kein effektives Beteiligungsmanagement. Nach Einschätzung des Landesrechnungshofes scheuen die Gemeinden den hiermit verbundenen beträchtlichen Personalaufwand. Dementsprechend fehlt es
nach den Prüfungserfahrungen des Landesrechnungshofes beispielsweise auch an einem funktionierenden unterjährigen Berichtswesen. Auch die bei Mikrogesellschaften häufig durchgeführten Ersatz- oder zusammenhängenden Abschlussprüfungen tragen erheblich dazu bei, dass
den kommunalen Gesellschaftern halbwegs aktuelle und belastbare Informationen zur Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage in der Regel fehlen. Schon aus diesem Grunde unterliegen kommunale Mikrogesellschaften im Allgemeinen keiner ausreichenden Kontrolle und Steuerung
durch ihre kommunalen Gesellschafter. Hierdurch entstehen in beträchtlichem Ausmaße Risiken für deren Haushalte und für das in den Gesellschaften gebundene kommunale Vermögen.
4
Stellungnahme des Innenministeriums
(442) Das Innenministerium hat mitgeteilt, die vom Landesrechnungshof genannten Beispiele
ließen die allgemeine Einschätzung nicht zu, dass kommunale Mikrogesellschaften regelmäßig
175
eine unwirtschaftliche Form der wirtschaftlichen Betätigung seien. Zwar seien die Kommunen
gehalten, die Rechtsform für ihre Betätigung auch mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit laufend
zu überprüfen. Letztlich müssten die Kommunen im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums
selbst entscheiden, welche Rechtsform für ihre wirtschaftliche Betätigung vorzugswürdig sei.
Hierzu merkt der Landesrechnungshof an, dass die im Kommunalfinanzbericht 2012
(Tzn. 368 ff.), im Kommunalfinanzbericht 2013 (Tzn. 327 ff.) und in diesem Bericht vorgestellten sieben kommunalen Mikrogesellschaften unstreitig keine wirtschaftliche unternehmerische Betätigung der Kommunen sind. Diese Beispielfälle sind so zahlreich, dass aus ihnen allgemeine Schlussfolgerungen gezogen werden können.
5
Folgerungen und Empfehlungen
(443) Der Landesrechnungshof empfiehlt, dass die Kommunen regelmäßig überprüfen, ob sie
sich weiterhin in Mikrogesellschaften wirtschaftlich betätigen sollten. Insbesondere sollte hierbei geprüft werden, ob auch die gesetzlichen Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Betätigung in einer Gesellschaft privaten Rechts (§§ 69 Abs. 1 Nr. 1, 68 Abs. 2 Satz 1 KV M-V) er füllt sind. Je nach den Umständen des Einzelfalls wird eine Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe im Hoheitshaushalt, eine Liquidation der Gesellschaft und Verpachtung der zuvor von der
Gesellschaft bewirtschafteten Einrichtung oder eine Veräußerung der Gesellschaft und/oder
der Einrichtung in Betracht kommen.
176
2
Geschäftliche Beziehungen zwischen kommunalen Wirtschaftsbetrieben
und Mitgliedern von Überwachungs- und Kontrollorganen
Geschäftsbeziehungen zwischen kommunalen Unternehmen und Mitgliedern ihrer Aufsichtsorgane sind weit verbreitet. Der Landesrechnungshof hat bei der laufenden Auswertung der Jahresabschlussprüfungsberichte erneut zahlreiche Verflechtungen aufgedeckt. Nach teilweise wiederholten Beanstandungen seitens des Landesrechnungshofes
lösten sich in einigen Fällen die Interessenkonflikte. Tendenziell verzichteten die Aufsichtsratsmitglieder eher auf ihr Mandat als auf die lukrativen Geschäfte mit dem Unternehmen.
(444) Dem Landesrechnungshof obliegt die Aufgabe, die von den Abschlussprüfern verfassten Berichte über die Jahresabschlussprüfung kommunaler Wirtschaftsbetriebe zu prüfen. Die
jährliche Prüfungspflicht und das Verfahren zur Jahresabschlussprüfung sind in Abschnitt III
des KPG M-V geregelt. Der Landesrechnungshof gibt den Abschlussprüfern spezielle Prüfungsschwerpunkte vor, die er neben zukunftsorientierten Grundsätzen, Standards, Regelungen
und Hinweisen regelmäßig in Rundschreiben veröffentlicht und in seinem Grundwerk zusammenfasst.
(445) Zu Schwerpunkten der Jahresabschlussprüfung hatte der Landesrechnungshof seit 2008
die Geschäfte kommunaler Unternehmen mit Aufsichtsratsmitgliedern, Mitgliedern der Kommunalvertretung und sonstigen der Gesellschaft nahestehenden Personen sowie die Einhaltung
vergaberechtlicher Bestimmungen erklärt. In Fällen, in denen Mitglieder von Aufsichtsgremien
geschäftliche Beziehungen zu dem prüfungspflichtigen Unternehmen unterhalten, die über den
Bezug von Leistungen der Daseinsvorsorge zu Konditionen, wie sie auch Dritten angeboten
werden, hinaus gehen, kann grundsätzlich nicht mehr davon ausgegangen werden, dass sie ihre
Überwachungs- und Beratungspflichten unabhängig und pflichtgemäß wahrnehmen. Diese Interessenkollisionen können etwa auftreten, wenn das Unternehmen mit einem Mitglied des
Aufsichtsrats Verträge über Ein- oder Verkauf von Leistungen oder Gütern schließt, beispielsweise wenn ein kommunales Wohnungsunternehmen Immobilien an Mitglieder des Aufsichtsrats veräußert. Um mögliche Verflechtungen aufzuzeigen, erwartet der Landesrechnungshof,
dass die Geschäftsführung von den Mitgliedern der Aufsichtsorgane jährlich zum 01.01. die
177
Abgabe einer Erklärung zu den geschäftlichen Beziehungen einholt (Grundwerk, Stand:
22. Juli 2014, Abschnitt A Ziffer 26).
(446) Mit den Erklärungen zu den vertraglichen Beziehungen zwischen Mitgliedern der Aufsichtsorgane und den kommunalen Unternehmen hat der Landesrechnungshof seit einigen Jahren positive Erfahrungen gemacht. Ohne Verpflichtung zur Erklärung der geschäftlichen Beziehungen zum kommunalen Unternehmen blieben viele Sachverhalte unerkannt. Somit sind die
Erklärungen ein wirksames Mittel zur Aufdeckung von Überschneidungen persönlicher Interessen und kommunaler Unternehmensinteressen. Vermeidung und Beseitigung derartiger Verquickungen liegen in der Verantwortung der jeweiligen Aufsichtsratsmitglieder, der Geschäftsführungen und der kommunalen Gesellschafter.
1
Feststellungen des Landesrechnungshofes
(447) Es war wiederholt zu beobachten, dass die Geschäftsbeziehungen mit dem Aufsichtsratsmitglied trotz Beanstandungen des Interessenkonflikts durch den Landesrechnungshof
– beispielsweise im Rahmen der Freigabe der Jahresabschlussprüfungsberichte – über viele Jahre hinweg fortgesetzt werden. In verschiedenen Fällen, über die der Landesrechnungshof in
früheren Kommunalfinanzberichten berichtet hatte, wurde der Konflikt teilweise erst nach längerer Zeit durch Niederlegung des Aufsichtsratsmandats gelöst. Der Landesrechnungshof verweist im Einzelnen auf die nachfolgenden Tzn. 449 bis 453.
(448) Bei der Auswertung der Erklärungen von Mitgliedern der Aufsichtsgremien kommunaler Unternehmen für das Geschäftsjahr 2012 wurden erneut in größerer Anzahl wirtschaftliche
Verflechtungen zwischen Mitglied und Unternehmen aufgedeckt. Hier zeigen 11 Kurzbeispiele
signifikante Fallgestaltungen derartiger Verflechtungen, zunächst drei Sachverhalte, in denen
nach Beanstandung durch den Landesrechnungshof keine Konsequenzen erkennbar sind, danach acht Fälle, in denen die notwendigen Konsequenzen gezogen wurden. Im Einzelnen verweist der Landesrechnungshof auf die Tzn. 454 bis 464.
178
2
Weitere Entwicklung von Fällen aus früheren Kommunalfinanzberichten
(449) Bereits in seinen Kommunalfinanzberichten 2012148 und 2013149 hat der Landesrechnungshof über den folgenden Fall berichtet. Eine kommunale Wohnungsgesellschaft hat über
mehrere Jahre Aufträge an den Elektrobetrieb des Sohnes des Aufsichtsratsvorsitzenden erteilt.
Das Auftragsvolumen lag im fünfstelligen Bereich (2010: rd. 26.300 Euro, 2011: rd. 17.600
Euro, 2012: rd. 20.600 Euro). Auch zwei weitere Aufsichtsratsmitglieder standen in Geschäftsbeziehungen zu dem kommunalen Unternehmen mit einem vierstelligen Auftragsvolumen. Wiederholt hat der Landesrechnungshof diese Verflechtungen im Rahmen der Freigaben
der Jahresabschlussprüfungsberichte unmissverständlich beanstandet und die Auflösung der
Konflikte gefordert. Die Geschäftsführerin hat zunächst mit Nachdruck ihre Praxis, in erheblichem Umfang Aufträge an Aufsichtsratsmitglieder und deren nahe Verwandte zu vergeben,
verteidigt. Am 20. November 2013 erhielt der Landesrechnungshof von dem kommunalen Unternehmen schließlich die Nachricht, dass der Aufsichtsratsvorsitzende und die beiden Aufsichtsratsmitglieder ihr Aufsichtsratsmandat im Oktober 2013 niedergelegt haben.
(450) Der Aufsichtsratsvorsitzende einer kommunalen Liegenschaftsentwicklungsgesellschaft150 ist gleichzeitig Geschäftsführer einer Gesellschaft, die im November 1996 einen Maklervertrag mit dieser kommunalen Beteiligung über Versicherungsdienstleistungen abgeschlossen hat. Das Vertragsverhältnis besteht unverändert fort. Das geht aus der am 22. April 2014
vorgelegten Erklärung des Aufsichtsratsvorsitzenden zu den geschäftlichen Beziehungen für
das Geschäftsjahr 2013 hervor. Die kontinuierlich seit Freigabe des Jahresabschlussprüfungsberichts 2008 geäußerte Kritik des Landesrechnungshofes an diesem Verhalten hat offensichtlich
kein Umdenken bewirkt, obwohl auch die örtliche Presse Anfang 2014 über den Fall berichtete.
148
149
150
Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Jahresbericht des Landesrechnungshofes
2012 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2012, S. 111-112.
Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht des Landesrechnungshofes
2013 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2013, S. 124-127.
Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht des Landesrechnungshofes
2011 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2011, S. 139-140 und Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpom mern (2012): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2012 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2012, S.
113-114. sowie Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2013 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2013, S. 127-128.
179
(451) Eine kommunale Versorgungsgesellschaft151 pflegt seit Jahren Geschäftsbeziehungen
mit der Elektrofirma des Vaters des Aufsichtsratsvorsitzenden. Gleichzeitig ist der Aufsichtsratsvorsitzende dort als Arbeitnehmer beschäftigt. Hier bewegen sich die jährlichen Aufträge
im vierstelligen bis unteren fünfstelligen Bereich (2006 bis 2013 insgesamt: rd. 71.500 Euro).
Aus einem Schreiben des Unternehmens an den Landesrechnungshof vom 26. Februar 2014
geht hervor, dass der Aufsichtsratsvorsitzende nach dem Ende der aktuellen Kommunalwahlperiode im Mai 2014 auch bei einer erneuten Wahl in die Stadtvertretung nicht mehr für die
Funktion als Aufsichtsrat zur Verfügung stehen wolle. Die Stadtvertreterversammlung hat jedoch am 28. August 2014 den Aufsichtsratsvorsitzenden erneut in den Aufsichtsrat gewählt.
(452) Ein Aufsichtsratsmitglied einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft152 erzielte als
Dachdecker seit Jahren erhebliche Umsätze mit dem Unternehmen, dessen Geschäftsführung er
zu beaufsichtigen hat (2009: rd. 72.000 Euro, 2010: rd. 83.000 Euro, 2011: rd. 84.000 Euro,
2012: rd. 16.000 Euro). Aus dem Jahresabschlussprüfungsbericht 2012 geht hervor, dass aufgrund der Bedenken des Landesrechnungshofes zur Freigabe des Jahresabschlussprüfungsberichts 2011 das beanstandete Aufsichtsratsmandat zum 15. Februar 2013 neu besetzt wurde.
(453) Ein Aufsichtsratsmitglied einer kommunalen Wohnungsbau- und Wohnungsverwaltungsgesellschaft153 erzielte als Fliesenleger deutliche Umsätze mit dem Unternehmen, dessen
Geschäftsführung er zu beaufsichtigen hat (2011: rd. 14.300 Euro). Aus dem Jahresabschlussprüfungsbericht 2012 geht hervor, dass im Zusammenhang mit den Ausführungen des Landesrechnungshofes zur Freigabe des Jahresabschlussprüfungsberichts 2011 sowie zur Vermeidung
eventueller Interessenkollisionen das Aufsichtsratsmitglied sein Mandat zum 31.12.2012 niedergelegt habe. Auftragserteilungen an Mitglieder des Aufsichtsrats sollen nach dem Inhalt des
Prüfungsberichts künftig nicht mehr erfolgen.
151
152
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Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Jahresbericht des Landesrechnungshofes
2012 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2012, S. 109-110 und Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpom mern (2013): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2013 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2013, S.
128-129.
Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht des Landesrechnungshofes
2013 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2013, S. 129-130.
Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2013): Jahresbericht des Landesrechnungshofes
2013 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2013, S. 131-132.
180
3
Aktuelle Beispiele aus der laufenden Auswertung der Jahresabschlussprüfungsberichte
(454) Ein Aufsichtsratsmitglied einer Wohnungsbaugesellschaft hat für das Geschäftsjahr 2012 geschäftliche Beziehungen ihres Ehemanns (Inhaber und Geschäftsführer einer Elektrofirma) zum kommunalen Unternehmen erklärt. Aus der vom Landesrechnungshof nachgeforderten Auftragsabrechnung ging hervor, dass die Elektrofirma für die Gesellschaft im Geschäftsjahr 2012 Kleinreparaturen mit einem Leistungsumfang von insgesamt 70.804,74 Euro
ausgeführt hat. Der Landesrechnungshof hat die Gesellschaft aufgefordert, die Geschäftsbeziehungen mit dem Elektrounternehmen des Ehemanns zu beenden oder dafür Sorge zu tragen,
dass das Aufsichtsratsmitglied sein Mandat niederlegt. Das kommunale Unternehmen wurde
aufgefordert, spätestens im Jahresabschluss 2013 die eingeleiteten Maßnahmen zur Beseitigung
des Interessenkonflikts darzustellen. Der Bericht über die Jahresabschlussprüfung 2013 liegt
inzwischen vor. Er enthält jedoch keine Informationen zur Beendigung des Konflikts. Nach
dem Inhalt der vom Landesrechnungshof nachgeforderten Erklärung zu den geschäftlichen Beziehungen und den beigefügten Unterlagen betrug der Leistungsumfang mit der Elektrofirma
des Ehemanns im Geschäftsjahr 2013 insgesamt 97.782,11 Euro. Der Landesrechnungshof besteht weiterhin auf der Auflösung des Interessenkonflikts.
(455) Eine Grundstücksgesellschaft pflegt nachhaltig geschäftliche Beziehungen zu zwei Aufsichtsratsmitgliedern, einem Elektriker (Umsätze 2011: rd. 2.600 Euro, 2012: rd. 1.800 Euro,
2013: rd. 2.900 Euro) und einem Architekten (Umsätze 2011: rd. 6.600 Euro, 2012: rd. 3.500
Euro, 2013: rd. 3.000 Euro). Der Landesrechnungshof hat gefordert, die Gesellschaft solle entweder von weiteren Geschäften mit den Aufsichtsratsmitgliedern absehen oder die Mitglieder
sollten auf ihr Mandat verzichten.
(456) Die Aufsichtsratsvorsitzende einer kommunalen Baugesellschaft hat erklärt, dass ihr
Ehemann und ihr Stiefsohn Geschäftsführer und 40 %-ige Gesellschafter einer Biogasanlage
seien. Das Unternehmen hat mit dem kommunalen Unternehmen einen Wärmelieferungsvertrag
abgeschlossen. Der Landesrechnungshof hat anlässlich der Freigabe des Jahresabschlussprüfungsberichts 2012 die Auffassung vertreten, dass die Niederlegung des Aufsichtsratsmandats
oder die Beendigung des Wärmebezugsvertrags angezeigt sei. Inzwischen liegt der Bericht
über die Jahresabschlussprüfung 2013 vor. Danach wurde die Geschäftsbeziehung unverändert
weitergeführt. Eine Beendigung des Wärmeliefervertrags käme wegen der wirtschaftlichen
Vorteile für das kommunale Unternehmen nicht in Betracht. Der Landesrechnungshof erwartet
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wegen der unwiderlegbaren Vermutung einer Interessenkollision weiterhin die Auflösung des
Konflikts.
(457) Eine Wohnungsgesellschaft unterhielt seit 2008 Geschäftsbeziehungen zu einem Aufsichtsratsmitglied, einem selbständigen Malermeister. Das Auftragsvolumen belief sich auf
2008: rd. 11.200 Euro, 2009: rd. 10.500 Euro, 2010: rd. 17.500 Euro, 2011: rd. 34.800 Euro,
2012: rd. 36.300 Euro. Mehrfach hatte der Landesrechnungshof den Sachverhalt im Rahmen
der Freigaben der Jahresabschlussprüfungsberichte beanstandet. Am 19. März 2014 erhielt er
von der Geschäftsführung die Mitteilung, dass das Aufsichtsratsmitglied „per 4. Juli 2013 aus
dem Aufsichtsrat ausgeschieden ist, so dass sich die Problematik der geschäftlichen Beziehungen mit … endgültig geklärt hat“.
(458) Eine Bau- und Verwaltungsgesellschaft unterhielt im Geschäftsjahr 2012 Geschäftsbeziehungen zu ihrem stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden, einem Rechtsanwalt. Es bestand ein Beratervertrag über monatlich 250 Euro netto (im Jahr 3.000 Euro). Nach Beanstandung durch den Landesrechnungshof hat das kommunale Unternehmen den Beratervertrag
zum 31. Mai 2014 gekündigt.
(459) Eine Hafen- und Touristikgesellschaft beschäftigte ihren Aufsichtsratsvorsitzenden seit
1999 auf der Grundlage eines Beratervertrags. Gegenstand des Vertrags war die Gestaltung
des operativen Geschäftsverlaufs mit einem monatlichen Pauschalentgelt von zunächst
1.000 DM. 2010 betrug die monatliche Entschädigung rd. 800 Euro. Die geschäftlichen Beziehungen zur Gesellschaft bestanden auch 2011 und 2012 fort. Nach Beanstandung durch den
Landesrechnungshof im Rahmen der Freigabe der Jahresabschlussprüfungsberichte 2010 und
2011 erfolgte im Frühjahr 2012 der Rücktritt des Aufsichtsratsvorsitzenden. Gleichzeitig ist
der Beratervertrag aufgehoben worden.
(460) Vom stellvertretenden Vorsitzenden des Betriebsausschusses eines Eigenbetriebs sind
wiederholt geschäftliche Beziehungen zum kommunalen Unternehmen erklärt worden. Von
seinem Transportunternehmen wurden im Geschäftsjahr 2011 Strandreinigungsleistungen von
rd. 15.200 Euro erbracht (2010: rd. 14.000, 2009: rd. 13.500 Euro). Der Sachverhalt wurde
vom Landesrechnungshof mit Freigabeschreiben vom 12. März 2013 kritisch gewürdigt. Mit
dem Jahresabschlussprüfungsbericht 2012 wurde dem Landesrechnungshof ein Werkvertrag
vorgelegt. Danach betrug der Umsatz im Geschäftsjahr 2012 rd. 15.000 Euro. Nach Auskunft
182
der Betriebsleiterin steht der stellvertretende Betriebsausschussvorsitzende seit Juni 2014 nicht
mehr für die Arbeit im Betriebsausschuss zur Verfügung.
(461) Zwischen einer Wohnungsgesellschaft und dem Bruder des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden bestehen geschäftliche Beziehungen in beträchtlicher Höhe (Reparatur und Instandsetzung von elektrischen Anlagen 2011: rd. 19.000 Euro, 2012: rd. 28.800 Euro, bis Juli
2013: rd. 22.200 Euro). Auch in diesem Fall hat der Landesrechnungshof mit Freigabeschreiben vom 11. April 2014 dazu aufgefordert, entweder die geschäftlichen Beziehungen zu beenden oder das Aufsichtsratsmandat aufzugeben. Am 11. Juli 2014 teilte die Geschäftsführung
mit, dass der Aufsichtsrat nach Beendigung der Kommunalwahl 2014 am 10. Juli 2014 neu besetzt worden sei. Danach gehöre der bisherige stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende dem
Aufsichtsorgan nicht mehr an. Alle neu bestellten Mitglieder unterhielten keine geschäftlichen
Beziehungen zu der Wohnungsgesellschaft.
(462) Ein Eigenbetrieb für Tourismus und Wirtschaft unterhält nachhaltige geschäftliche Beziehungen zu einem Mitglied des Betriebsausschusses. Die Umsätze (Reparaturen, Installationen, Ausleihungen, Umbau, Lieferungen von Ausstattungen und Elektroleistungen) summierten sich auf rd. 22.900 Euro in 2010, rd. 14.000 Euro in 2011, rd. 28.500 Euro in 2012. Der
Landesrechnungshof hat den Eigenbetrieb aufgefordert, spätestens im Jahresabschluss 2013 die
eingeleiteten Maßnahmen zur Auflösung der Interessenkollision darzustellen. Der Abschlussprüfer stellt in seinem Bericht über die Jahresabschlussprüfung 2013 fest, dass „die Tätigkeit
des Mitglieds im Betriebsausschuss im Juni 2014 endet“.
(463) Eine Kurverwaltung unterhält Geschäftsbeziehungen zur Ehefrau eines Mitglieds eines
beschließenden Betriebsausschusses. Als selbständige Bilanzbuchhalterin erbrachte sie Leistungen 2011 in Höhe von 5.100 Euro, 2012 in Höhe von 5.640 Euro. Der Landesrechnungshof
hat die Kurverwaltung aufgefordert, im Jahresabschluss 2013 die Maßnahmen zur Beendigung
des aufgedeckten Interessenkonflikts darzustellen. Der Bericht über die Jahresabschlussprüfung
2013 liegt inzwischen vor. Danach blieb die Geschäftsbeziehung auch im Geschäftsjahr 2013
bestehen. Als Konsequenz aus den vom Landesrechnungshof geäußerten Bedenken hat das
Mitglied des Betriebsausschusses seine Tätigkeit am 2. April 2014 niedergelegt.
(464) Ein Aufsichtsratsmitglied einer kommunalen Wohnungsgesellschaft hat mit seinem
Fachbetrieb für Heizung-Sanitär-Elektro Wartungs- und Reparaturleistungen für diese Gesellschaft erbracht. Der Leistungsumfang ist im Vergleich zum Vorjahr von rd. 3.700 Euro (2011)
183
auf rd. 11.800 Euro (2012) gestiegen. Der Landesrechnungshof hat dies mit Freigabeschreiben
vom 8. Januar 2014 zum Prüfungsbericht 2012 beanstandet. Der Geschäftsführer hat am
13. März 2014 mitgeteilt, dass das Aufsichtsratsmitglied nicht mehr Firmeninhaber sei und
durch die anstehende Kommunalwahl ohnehin Neuwahlen anstünden. Damit ist der Interessenkonflikt noch nicht gelöst. Zum Einen ist unsicher, ob sich durch die Kommunalwahlen die Zusammensetzung des Aufsichtsrats geändert hat, zum Anderen ist nicht bekannt, ob die beauftragte Firma nun einem fremden Dritten oder einem nahem Angehörigen gehört. Der Landesrechnungshof hat die Gesellschaft gebeten, zur Auflösung der Interessenkollision bis zum
15. Juni 2014 Bericht zu erstatten. Der Geschäftsführer hat Fristverlängerung zunächst bis zum
30. September 2014, dann bis zum 30. November 2014 beantragt, weil die Konstituierung des
neuen Aufsichtsrats verschoben worden sei. Die Gesellschaft geht davon aus, dass mit der
Neuwahl des Aufsichtsrats der Konflikt gelöst werde. Inzwischen liegt der Bericht über die
Jahresabschlussprüfung 2013 vor. Daraus ergibt sich, dass seit April 2013 keine geschäftlichen
Beziehungen mehr zwischen dem Aufsichtsratsmitglied und dem kommunalen Unternehmen
bestehen. Das Aufsichtsratsmitglied hat den Fachbetrieb für Heizung-Sanitär-Elektro am 3.
April 2013 abgemeldet.
4
Folgerungen und Empfehlungen
(465) Die Beispiele zeigen, dass das Problem der Überschneidung persönlicher Interessen und
kommunaler Geschäftsinteressen in vielen Branchen landesweit anzutreffen ist. Der Landesrechnungshof wird Geschäftsbeziehungen kommunaler Unternehmen mit Mitgliedern von Aufsichtsorganen auch weiterhin beharrlich aufgreifen. Er verfolgt damit das Ziel, im kommunalen
Unternehmensbereich das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass die Vermeidung von Interessenkollisionen eine Grundregel guter Unternehmensführung ist. Die Beendigung bestehender und
die Vermeidung neuer Interessenkollisionen ist wichtiger Bestandteil einer Strategie zur Minimierung wirtschaftlicher und finanzieller Risiken für kommunale Unternehmen.
Der Landesrechnungshof bittet den Landtag weiterhin um Unterstützung bei der Beseitigung
von Interessenkonflikten, die durch wirtschaftliche Verflechtungen in kommunalen Betrieben
erzeugt werden.
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Stellungnahme des Ministeriums für Inneres und Sport
(466) Das Ministerium für Inneres und Sport führt in seiner Stellungnahme vom 23. Oktober 2014 aus, dass es die Ausführungen des Landesrechnungshofes im Kommunalfinanzbericht
2013 zu wirtschaftlichen Verknüpfungen und Interessenkollisionen bei Mitgliedern von Aufsichtsorganen kommunaler Unternehmen zum Anlass genommen habe, die Kommunen und die
unteren Rechtsaufsichtsbehörden hinsichtlich des Umgangs mit Interessenkonflikten von Aufsichtsratsmitgliedern in kommunalen Unternehmen und Einrichtungen zu sensibilisieren. In
dem zu diesem Zweck versandten Rundschreiben vom 15. Januar 2014 habe es auf die Bedeutung einer möglichst weitgehenden und kontinuierlichen Vermeidung von Interessenkonflikten
zur Gewährleistung einer am Wohl der kommunalen Unternehmen und Einrichtungen und deren öffentlichen Zwecksetzung orientierten Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandats hingewiesen und zudem Maßnahmen aufgezeigt, die im Falle derartiger Interessenkollisionen ergriffen
werden sollten.
___________________________________________________________________
Vom Senat des Landesrechnungshofes beschlossen am 21. Januar 2015.
Dr. Schweisfurth
Arenskrieger
Präsident
Vizepräsident
Dr. Hempel
Dr. Schuelper
Dipl.-Ing. Scheeren
Ministerialdirigent
Ministerialdirigent
Ministerialdirigent
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