BUND
MAGAZIN
FAKTEN, ANALYSEN,
AKTIONEN UND TIPPS
FÜR UMWELTBEWUSSTE
03
22
ZUR ZEIT
Mehr Solarstrom gewinnen
PILZE
KAUM BEKANNT
UND UNTERSCHÄTZT
Naturschutz im Thüringer Wald
GUTER RAT
Schimmel vermeiden
Outdoorkleidung ohne Gift
DANKE,
DASS SIE
DABEI SIND!
Zusammen setzen wir uns dafür ein, die Kegelrobbe zu schützen, Lebensräume für Wildkatzen zu schaffen, die Verkehrswende und den Klimaschutz
voranzutreiben. Denn auch in Krisenzeiten bleiben Umwelt- und Naturschutz
unabdingbar.
Ihre Unterstützung macht unsere Arbeit erst möglich! Durch
Sie können wir handeln und weiter für den sozial-ökologischen
Wandel eintreten.
In unserem Jahresbericht 2021 lesen Sie, was der BUND mit Ihrer Mitarbeit,
Ihren Spenden und Mitgliedsbeiträgen im vergangenen Jahr erreicht hat.
Jahresbericht
2021
Auch in Zukunft werden wir gemeinsam und kraftvoll die kleinen und großen
Aufgaben angehen – für eine zukunftsfähige und lebenswerte Natur und
Umwelt!
Gemeinsam haben wir schon viel erreicht und
bleiben weiter dran!
Hier finden Sie den Jahresbericht zur Bestellung und zum Download: www.bund.net/jahresbericht
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INHALT 3
INHALT
10
G. Schuster
Next2Sun GmbH
31
J. Farys
24
AKTUELLES
4 Kurznachrichten
7 Gerettete Landschaft
8 Kommentar
TITELTHEMA
10 Pilze – kaum bekannt
12
14
16
17
18
19
und unterschätzt
Verborgene Vielfalt
Der Boden machts
Was Pilze können
Wettrüsten im Wald
Aus für Ulme und Esche?
BUND aktiv
GUT LEBEN
22 Ratgeber: Schimmel im Haus
23 Zwei Ökotipps
AKTION
24 Petition zu Fernstraßen
25
26
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29
30
31
ZUR ZEIT
»Bio«-Plastik/Übers Klima reden
Kryptowährungen: Finger weg!
Mehr Schutz für die Vulkaneifel
Große Ziele im Thüringer Wald
Hilfe für den Gartenschläfer
Zur Apfelsaison: Besser bio
Solarstrom rasch ausbauen
NATUR IM PORTRÄT
32 Bedroht: Bechsteinfledermaus
34 Wassernot im Spandauer Forst
36
38
40
42
44
46
48
50
AKTIV
Francoise Villard im Gespräch
Neues aus dem BUND
Internationales
Die junge Seite
SERVICE
Leserbriefe
Marktplatz
Medien: Neu erschienen
Kontakte und Impressum
LIEBE LESERINNEN
UND LESER,
was macht die Welt? Sie gibt uns gerade
wenig Anlass zu Optimismus und
Zuversicht. Da der Blick aufs große
Ganze so unerfreulich ist, tun wir gut d
aran, uns an kleinen Dingen aufzurichten.
Zum Beispiel an der Vielfalt, der wir bei
Streifzügen ins Grüne begegnen.
Zu den wundersamsten Wesen der Natur
gehören die Pilze. Weder Tier noch
Pflanze, hat die Natur ihrer Farbe, Form
und Konsistenz kaum Grenzen gesetzt.
Was gibt es jetzt im Spätsommer nicht
alles zu entdecken, vom Riesenbovist
bis zu filigranen Erdsternen, Becherlingen
oder Korallenpilzen. Wer ein Auge
dafür hat, bekommt derzeit eine Menge
zu sehen, nicht nur im Wald.
Außerdem erfüllen die Pilze ganz
zentrale Aufgaben in der Natur.
Und die werden viel zu selten g
ewürdigt.
Deshalb, und weil für Pilzfans nun die
schönste Zeit des Jahres begonnen hat,
ist der Schwerpunkt dieses BUNDmagazins den Pilzen gewidmet.
Auch darum: Möge es ausgiebig
regnen in den nächsten Wochen!
Severin Zillich
Das BUNDmagazin ist die
Mitgliederzeitschrift des BUND.
Redaktion
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AKTUELLES
AKTUELLES
GettyImages
Form nicht nach Norm – also ab in den Müll?
DIE ZAHL: 11 MILLIONEN
In Deutschland fallen jedes Jahr rund elf
Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle an.
Dies geht aus einem Bericht der Bundesregierung an die EU-Kommission hervor.
Fast 60 Prozent davon entstehen in den
Privathaushalten.
Zu diesen Abfällen zählt vieles, was noch
essbar wäre. So wandert jedes achte
Lebensmittel in den Müll, weil die angegebene Mindesthaltbarkeit überschritten ist.
Berücksichtigt sind allerdings auch nicht-
vermeidbare Bioabfälle wie Kaffeesatz
oder Salatstrünke, die allenfalls kompostiert werden können.
Weltweit geht pro Jahr etwa ein Drittel
der Lebensmittel auf dem Weg vom Feld
bis zum Teller verloren. Ein Teil verdirbt,
weil es an der notwendigen Kühlung und
Lagerung fehlt. Ein anderer Teil wird aussortiert, weil Größe, Form oder Farbe den
Vorgaben des Handels nicht entsprechen.
Diese Verschwendung belastet Natur und
Klima enorm. Und sie ist auch deshalb inakzeptabel, weil gleichzeitig mehr als 800
Millionen Menschen unter Hunger leiden.
Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt forderte
die Ampelkoalition auf, der Verschwendung
von Lebensmitteln mit einem Gesetz zu
begegnen.
www.bund.net/
die-grosse-verschwendung
GEFORSCHT
– GEEHRT
J.G.: A. Pohl/IÖR media
Jana Böhme
Der diesjährige BUND-Forschungs
preis
geht an drei junge Wissenschaftlerinnen.
Mit ihrer Doktor-, Master- und Bachelorarbeit hätten sie einen wichtigen Beitrag
zu nachhaltigen Zukunftsstrategien geleistet, so die Jury des wissenschaftlichen
Beirates im BUND.
Den mit 2500 Euro dotierten Preis für Dissertationen bekam Julia Chladek für ihre
Arbeit »Rechtsschutzverkürzung als Mittel
der Verfahrensbeschleunigung«. Diese
Verkürzung (speziell zulasten der Umweltverbände) sei mit den völkerrechtlichen
Verpflichtungen Deutschlands und den
Anforderungen des Europäischen Umweltrechts unvereinbar, so ihr Fazit.
1000 Euro erhielt Josefine Gottschalk
für ihre Masterarbeit »Scratching Below
Surface. Is the maritime spatial planning
of the European Union ready for adequate
marine conservation?«. Sie zeigt, dass
der ganzheitliche Meeresschutz bei der
Julia Chladek
Josefine Gottschalk
Die Preisträgerinnen unseres Forschungspreises.
Raumplanung der EU zu kurz kommt. 500
Euro gingen zudem an Jana Böhme für
ihre Bachelorarbeit »The effects of common gardening practices on biodiversity«.
Sie untersuchte die Bedeutung der Gärten
für den Schutz der natürlichen Vielfalt in
Ballungsräumen.
Joachim Spangenberg, der Vorsitzende
des Wissenschaftlichen Beirates, freute
sich: »Unser Forschungspreis zeigt das
kreative Potenzial der Wissenschaft. Mit
ihren Arbeiten sind die Gewinnerinnen am
Puls der Zeit und bieten intelligente Lösungsansätze für eine Politik, die unsere
Zukunft sichert.«
www.bund.net/forschungspreis
WAHLEN ZUM
BUNDESVORSTAND
Vom 18. bis 20. November tagt die
Bundesdelegiertenversammlung
des BUND e.V. In diesem Jahr wird
turnusgemäß ein neuer Bundesvorstand gewählt. Zur Wahl stellen
kann sich jedes Mitglied des BUND.
Für die Kandidatur zum/zur Bundesvorsitzenden und zum/zur stellvertretende/n Vorsitzende/n sind die
in der BUND-Satzung (§ 7 Abs. 3)
beschriebenen Voraussetzungen zu
erfüllen. Informationen dazu gibt es
unter www.bund.net/bdv.
Alle Bewerber*innen werden
gebeten, einen Bewerbungsbogen
auszufüllen. Dieser ist über die
Bundesgeschäftsstelle erhältlich.
Hierfür und für weitere Fragen richten
Sie sich bitte an gremien@bund.net.
BUNDmagazin 3 | 22
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AKTUELLES 5
S. Maier (2)
AUEN-NATIONALPARK BEDROHT
sches Umweltrecht und klagte gegen den
Ausbau, gemeinsam mit dem NABU und
Deutschen Naturschutzring.
Ein Verwaltungsgericht in Warschau
verpflichtete die zuständige Umweltbehörde nun, die grenzüberschreitenden
Folgen des Ausbaus für geschützte Arten
und Lebensräume stärker zu beachten.
Dazu der BUND-Wasserexperte Sascha
Maier: »Der Ausbau zur internationalen
Wasserstraße wird Auwälder und Uferbiotope stark in Mitleidenschaft ziehen.
Dies hat Polen bisher schlicht ignoriert.
Das Urteil ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.«
Niedrigwasser an der Oder.
Weite Teile Europas leiden seit Monaten
unter einer historischen Dürre. Heftige
Waldbrände und Hitzewellen geben einen
Vorgeschmack darauf, wie verheerend
sich die Klimakrise noch auswirken wird.
Und das nicht zuletzt auf viele Gewässer
und Auen. So verkam der größte Fluss
Italiens, der Po, zu einem Rinnsal. Zahllose Flüsse und Seen führten, auch weiter
nördlich in Mitteleuropa, weniger Wasser
als je zuvor.
Am Rhein werden im August neue Rekordtiefstände erwartet. Und Deutschlands
einziger Auen-Nationalpark war schon
Mitte Juli so trocken wie nie. Von einem
»extremen Wasserdefizit« im Unteren
Odertal sprach der Leiter des Parks, Dirk
Treichel. Durch Ausbaupläne auf der polnischen Seite droht dem Nationalpark nun
weiterer Schaden.
Viel Schotter: Mit Buhnen verengt
Polen den Flusslauf der Oder.
EU-RECHT VERLETZT
2021 begann die Republik Polen die Oder
einzuengen und zu vertiefen, um sie ganzjährig befahrbar zu machen. Der Ausbau
wird die Aue des Grenzflusses auch auf
deutscher Seite austrocknen. Der BUND
sieht darin einen Verstoß gegen europäi-
i
Mehr zum Thema
Aktionsbündnis lebendige Oder:
www.saveoder.org
www.bund.net/duerrefolgen-bekaempfen
Zu Anfang Januar trat das LobbyregisterGesetz in Kraft. Es soll über ein öffentlich
einsehbares Register für mehr Klarheit
sorgen, in welchem Umfang Interessensvertreter*innen politisch Einfluss nehmen.
Wie viele andere Organisationen betrifft
dies auch den BUND.
Im Lobbyregister ist detailliert anzugeben,
was wir für die Vertretung unserer Anliegen aufwenden und wer für uns tätig ist.
Wer mehr als 20 000 Euro Spenden pro
Jahr erhält, muss auch hierzu Daten an
das Register übermitteln: den Namen der
Spenderin/des Spenders sowie den Betrag.
S. Winkmann/Pixabay
TRANSPARENT
Für Spenden aus den Jahren 2020 und
2021 durfte der BUND noch anonymisierte
Daten veröffentlichen.
Der BUND begrüßt das Streben nach
mehr Transparenz. Wir folgen deshalb
schon seit einiger Zeit den Richtlinien der
»Initiative Transparente Zivilgesellschaft«.
Unter anderem lässt sich der BUND regelmäßig von unabhängiger Seite prüfen und
gibt Einblick in seine Finanzen und Strukturen, aktuell in Form des Jahresberichts.
Mehr zur Transparenz beim BUND finden
Sie online.
www.bund.net/transparenz
6 BUNDmagazin 3 | 22
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AKTUELLES
KURZ & GUT
+11
BIOS PHÄRENGEBIETE
»Only bad news
is good news«
heißt es, vor allem
schlechte Nachrichten
erregen also unsere
Aufmerksamkeit.
Doch positive Neuigkeiten aus dem Naturund Umweltschutz tun
einfach gut. Einige aus
jüngster Zeit haben wir
wie immer für Sie
ausgewählt.
Teilerfolg gegen den Weiterbau der A20:
Der BUND hat gegen den ersten von zwölf
Abschnitten der Küstenautobahn in Niedersachsen geklagt, Westerstede–Jaderberg.
Nun erklärte das Bundesverwaltungsgericht ihn für vorläufig »rechtswidrig und
nicht vollziehbar«, wegen einer falschen
Berechnung von Stickstoff-Emissionen.
Die Verlängerung der A20 gilt als klimaund naturschädlichster Neubau im Bundesverkehrswegeplan. Weit über die Hälfte
der geplanten Strecke führt durch Moore
und Marschland. Leider klammerte das
Gerichtsurteil für uns zentrale Fragen aus:
die nach dem Bedarf der Verlängerung
und der Vereinbarkeit mit den deutschen
Zielen zum Klimaschutz.
Seltene Biene entdeckt: In Radebeul bei Dresden gelang dem BUND
Sachsen bei einer systematischen
Erfassung ein spektakulärer Fund.
Aktive stießen in einem Weinberg
auf zwei Rote Zweizahnbienen.
Dazu unsere Expertin Mandy Fritzsche: »Diese Biene ist eine Kuckucksbiene und schmuggelt ihre Eier in
die Nester anderer Wildbienen.« Nur
einmal wurde sie in Deutschland
bisher festgestellt. Offenbar breitet
sich die südliche Art mit steigenden
Temperaturen entlang der Elbe und
Oder-Neiße in Richtung Norden aus.
Boom bei der Solarenergie: Immer
mehr Unternehmen und private
Haushalte nutzen in Deutschland
die Kraft der Sonne, um Strom zu erzeugen. Im März waren auf Dächern
und Grundstücken 2,2 Millionen
Photovoltaikanlagen mit einer Nenn
leistung von insgesamt 58 400
Megawatt installiert, so das Statistische Bundesamt. Damit stieg die
Zahl der Anlagen und ihre Leistung
binnen einem Jahr um etwa zehn
Prozent. Dank der Photovoltaik
konnten im ersten Quartal dieses
Jahres rund 8,8 Milliarden Kilowattstunden Strom ins Netz gespeist
werden – ein sattes Drittel mehr als
im Vorjahreszeitraum.
Neue Biosphärenreservate: Mitte
Juni zeichnete die UNESCO elf neue
Modellregionen für Nachhaltigkeit
aus. Darunter erstmals zwei Gebiete
in Georgien, die geprägt sind von
den Sommer- und Winterweiden der
Wandertierhaltung im Südkaukasus.
Für die Ausweisung des riesigen
Feuchtgebietes »Kafue Flats« in
Sambia hatte sich auch die deutsche Kommission stark gemacht.
Es beherbergt auf 26 000 Quadrat
kilometern unter anderem mehr als
400 Vogelarten. Die übrigen Gebiete
liegen in Australien, Kamerun, Kasachstan, Mongolei, Saudi-Arabien,
Simbabwe und Tschad. Mit ihnen
umfasst das globale Netzwerk nun
738 Biosphärenreservate in 134
Ländern, 16 davon in Deutschland.
Badeartikel frei von Giften: Unsere Arbeit
zeigt Wirkung. Kürzlich ließ der BUND
Badeartikel auf darin enthaltene Schadstoffe überprüfen. Anders als bei Tests vor
sieben Jahren fanden wir in den Planschbecken, aufblasbaren Schwimmtieren
und Schwimmreifen nichts, was dort
nicht hingehört. Dem ist nicht immer so.
Regelmäßig deckt der BUND mit Labortests Chemikalien auf, die der Umwelt
und Gesundheit schaden können. Zusätzlich checken immer mehr Menschen mit
unserer ToxFox-App Alltagsprodukte auf
Schadstoffe. Wir wollen Dinge ohne Gift.
Immerhin: Viele Unternehmen scheinen
das inzwischen ernster zu nehmen.
> www.bund.net/toxfox
GERETTETE
LANDSCHAFT
Klaus Leidorf
Die Mündung der Tiroler Achen in den Chiemsee
ist das einzige Binnendelta dieser Größe und
Ausprägung in Mitteleuropa. Obwohl seit 1954
unter Naturschutz, wollte die bayerische Staats
regierung in den 1970er Jahren eine Autobahn
durch das Gebiet bauen. Der BUND Bayern kaufte
drei Sperrgrundstücke und konnte die Zerstörung
des Deltas letztlich verhindern. Wertvolle Lebensräume blieben dadurch erhalten, darunter auch
Moorwiesen mit dem größten Vorkommen der
Sibirischen Schwertlilie in Mitteleuropa.
8 BUNDmagazin 3 | 22
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AKTUELLES
KOMMENTAR
ila
nd
SPAREN UND
ABSCHALTEN
An
Deutschland muss dem befürchteten Gasnotstand begegnen und dabei konsequent
auf den Schutz des Klimas achten.
M
di
W
e
Das Trio der BUND-Vorsitzenden mit Olaf Bandt
und seinen Stellvertreterinnen Johanna Baehr
(rechts) und Verena Graichen (links).
it Blick auf den kommenden Winter wächst die Sorge,
durch einen russischen Lieferstopp in Not bei der Gasversorgung zu geraten. Erdgas wird bei uns vor allem zum Heizen
(ca. 30 Prozent) und in der Industrie (ca. 33 Prozent) genutzt.
Es drohen also kalte Wohnungen und geschlossene Fabriken.
Schon werden stillgelegte Kohlekraftwerke zur Stromproduktion
reaktiviert, schädliches Frackinggas soll über neue Terminals
eingeführt werden. Und selbst Teile der Regierung erwägen, die
Laufzeit der drei übrigen Atomkraftwerke zu verlängern.
Energiesicherheit und des Klimaschutzes, und nicht im Senegal,
wo Deutschland plant neue Erdgasfelder zu erschließen.
Wir sagen: Eine mögliche Gasnotlage müssen wir zusammen
mit der Klimakrise anpacken. Was vor allem bedeutet: Energie zu
sparen. In den vergangenen Monaten haben wir schon einiges
erreicht. So sank der deutsche Erdgasverbrauch von Januar bis
Mai im Vergleich zum Vorjahr um gut 14 Prozent. Diesen Weg
müssen wir nun konsequent und verpflichtend weitergehen.
Wie nötig solche Checks und Reparaturen sind, zeigt sich bei
unserem Nachbarn. Frankreichs Meiler laufen wegen umfangreicher Revisionen gerade nur mit halber Kraft, zudem spenden
die überhitzten Flüsse kaum mehr Kühlwasser. Für den nächsten
Winter sind die deutschen AKW auch deshalb keine Hilfe, weil
die Lieferung neuer Brennstäbe und die nötigen Sicherheitstests
dieser Hochrisikotechnologie so schnell nicht zu machen sind.
Und schließlich ist der Atomstrom bei einem Gasnotstand nur
wenig nützlich. Denn die rund 90 deutschen Erdgaskraftwerke
erzeugen überwiegend Fernwärme für Gebäude und Industrie.
Angesichts des Störfallrisikos darf es keine längeren Laufzeiten
für die Atomkraftwerke geben. Es gibt genügend Alternativen,
um die drohende Gas- und Stromlücke zu überbrücken.
Je höher die Gaspreise steigen, desto mehr lohnt es sich für die
Industrie, Gas zu sparen. Hier muss sie nun schnell tun, was
möglich ist. Auch weil Erdgas in der EU keine Zukunft haben
wird. Akzeptabel ist es, einzelne Kohlekraftwerke aus der Reserve
zu holen, um – wo immer möglich – weniger Gas zur Erzeugung
von Strom verbrennen zu müssen. Was damit zusätzlich an
Treibhausgasen entweicht, kann und muss bis 2030 durch einen
schnelleren Kohleausstieg wieder eingespart werden.
Als Ersatz für das russische Erdgas müssen wir zudem befristet
Gas aus anderen Ländern einführen. Dabei darf Deutschland
nicht in neue Abhängigkeit von despotischen Staaten geraten.
Höchstens zwei oder drei Terminals für Flüssiggas mit eng begrenzter Laufzeit dürfen entstehen, statt feste Anlagen an bis zu
zwölf Standorten. Danach müssen sie zu Terminals für grünen
Wasserstoff umgebaut werden. Hier liegt die Zukunft unserer
Was uns nicht weiterhilft, ist den Atomausstieg aufzuschieben.
Die drei zum Jahresende auslaufenden Meiler wurden zuletzt 2009
umfassend auf ihre Sicherheit überprüft. Wir wissen zu wenig,
wie es in ihrem Inneren aussieht. Sicher ist: Nach weit mehr als
30 Jahren ist der Betrieb der verbliebenen AKW immer riskanter
und ihr Sicherheitsrisiko immer schwerer zu kalkulieren.
Was muß jetzt passieren? Kurz gesagt: Der Verbrauch von Strom
und Gas in Haushalten, Gebäuden, Verkehr und Industrie muss
massiv sinken. Nötig sind hierfür auch verpflichtende Vorgaben
aus dem Wirtschafts- und Klimaministerium. Mit den steigenden
Energiepreisen geraten immer mehr Menschen unter großen
Druck. Staatliche Unterstützung muss auf die wirklich betroffenen
Menschen zielen. Wir können es uns nicht länger leisten, Steuergelder über pauschale Kraftstoffrabatte und weitere umweltschädliche Subventionen zu verteilen.
Ein Geschenk an die Natur,
über Generationen.
Informieren Sie sich jetzt über Ihre Möglichkeiten der Unterstützung.
Ihr Kontakt zur BUNDstiftung:
Guido Weidner
Telefon: 0 30 / 2 75 86-424
guido.weidner@bund.net
Kaiserin-Augusta-Allee 5
10553 Berlin
www.bundstiftung.de
Fotos: © Dieter Damschen, Simone M. Neumann
Auenschutz an der Elbe
www.bundstiftung.de/projekte
mauritius images/Ulrich Reichel/imageBROKER
PILZE
KAUM BEKANNT
UND UNTERSCHÄTZT
Kaum bekannt? Der prächtige Fliegenpilz – Pilz des Jahres 2022 – dürfte den
meisten Menschen vertraut sein. Unter
seinesgleichen ist er damit eine krasse
Ausnahme. Dass die wenigsten von uns
mehr als eine Handvoll Pilze bestimmen
können, ist nun wirklich schade. Denn
dadurch bleibt uns eine unvergleichlich
vielfältige und faszinierende Gruppe von
Lebewesen weitestgehend verborgen.
Schade und fatal ist das auch für die
Pilze selbst und ihre Lebensräume. Die
Bedeutung, die sie für die natürlichen
Stoffkreisläufe haben, kann gar nicht
überschätzt werden. Trotzdem fristen
Pilze in der Regel ein Schattendasein,
selbst im Naturschutz.
Auf den nächsten Seiten wollen wir
Ihnen, passend zur Jahreszeit, einen
Einblick in die fabelhafte Welt der Pilze
geben. Wie viele Arten gibt es bei uns,
was zeichnet sie aus? Warum sind
viele von ihnen gefährdet? Was muss
zu ihrem Schutz geschehen? Und wo
ist der BUND pilzkundlich aktiv?
nicht fertig gestaltet
PILZE
VERBORGENE
VIELFALT
Überaus formen- und farbenreich präsentiert
sich die h
eimische Pilzwelt. Die Zahl ihrer
Arten übertrifft die der Pflanzenarten um ein
Vielfaches. Und: Pilze gibt es nicht nur im
Herbst und nicht nur im Wald!
Judasohr
Gerhard Schuster (5)
und um den Wilden See im Nationalpark Schwarzwald liegt der älteste
Bannwald in Baden-Württemberg. Auf
etwa 150 Hektar haben pilzkundige Laien
und Fachleute hier jahrelang akribisch
nach Pilzen gesucht. Am Ende hatten sie
723 Arten entdeckt – darunter solche,
die noch nirgends sonst in Deutschland
gefunden wurden. In dieser Kernzone des
Nationalparks leben damit zehnmal mehr
Pilz- als Pflanzenarten. Ein Verhältnis,
das vermutlich weltweit gilt. Auf drei bis
fünf Millionen Arten wird die Gesamtzahl
der Pilze geschätzt. Und die allermeisten
sind bis heute nicht wissenschaftlich
beschrieben.
GROSS- UND WINTERPILZE
Genaueres ist von der hiesigen Pilzwelt
bekannt. Das Bundesamt für Naturschutz
geht von rund 14 000 Arten in Deutschland
aus. Etwas mehr als 5000 davon sind mit
bloßem Auge zu erkennen – vorausgesetzt,
sie haben ihre Fruchtkörper aus dem
Boden oder Holz geschoben. So auffällig
diese »Großpilze« dann vor unser Auge
treten, so rasch ist der Zauber oft wieder
dahin. Die längste Zeit wirkt das Geflecht
jener Fadenwesen unter der Oberfläche,
allen Blicken verborgen.
Immerhin lassen sich Pilze nicht nur zur
Hochsaison im Spätsommer und Herbst
finden. Wer sich gerne regelmäßig Wild-
Krause Glucke
Flavius Popa/NP
R
pilze brät, kann im Winter Austernseitlinge
oder Samtfußrüblinge sammeln und
bereits ab April auf Morcheljagd gehen.
Nur zu trocken darf es nicht sein. Um einen
echten Eindruck von der Mannigfaltigkeit
unserer Pilzwelt zu gewinnen, heißt es
abzuwarten, bis es im Frühsommer erstmals ergiebig geregnet hat.
SINNE GEFRAGT
Bald danach sprießen die Fruchtkörper
meist in großer Zahl aus dem Boden.
Selbst wenn wir nur wenige der Pilzgestalten zu bestimmen wissen – allein
schon ihre Namen! Judasohr und Krause
Glucke, Runzelverpel und Satansröhrling,
Goldblättriger Nabeling, eine der 723 Pilzarten
am Wilden See im Nationalpark Schwarzwald.
BUNDmagazin 3 | 22
WENIG WISSEN
Steckbriefe von Pilzen
lesen sich wie große Poesie. Und können doch nicht
dar
über hinwegtäuschen, dass
Pilze oft schwer zu bestimmen sind.
Da ist Ausdauer und Erfahrung gefragt,
und nicht selten Feinmotorik. Helfen nämlich die äußeren Merkmale nicht weiter,
muss der Fund daheim unters Mikroskop.
Mehr als jeder zweite Pilz lässt sich nur
mit einem Blick auf die Sporen und andere
Mikromerkmale bestimmen.
Nicht wenige schreckt das ab. Wirklich
pilzkundige Menschen fehlen in allen
Bereichen, sei es an der Uni, in Umweltbehörden, der Forstwirtschaft und selbst
den Naturschutzverbänden. Ein Beispiel:
Wie fundamental eine vielfältige Pilzflora
für das Gedeihen der Bäume ist, dieses
Wissen ist noch immer dramatisch unterentwickelt, allen Bestsellern von Peter
Wohlleben zum Trotz. Sonst würden nicht
schwere Erntemaschinen durch einen
Großteil unserer Wälder pflügen.
Samtfußrübling
TITELTHEMA 13
WEIT VERBREITET
Toten- oder
Herbsttrompete
Schwefelritterling und Totentrompete und
Trollhand. Unzählige wunderlich benannte
Wesen begegnen uns beim Blättern im
Pilzbuch.
Im Wald dann sind all unsere Sinne
gefordert. Leuchtet der Täubling vor uns
nun kirschrot, blutrot oder weinrot aus
dem Moos? Schmeckt sein Fleisch scharf
oder mild? Der winzige Helmling daneben,
riecht der eher nach Rettich, nach Gurke
oder Salpeter? Was ist mit dem merkwürdigen Hut, der kaum aus dem nassen
Laub ragt: Fühlt er sich schmierig, klebrig
oder schleimig an? Und der Stiel darunter,
ist der jetzt schuppig, grubig oder wohl
genattert?
›
Von dem bedenklichen Mangel an echten
Spezialist*innen abgesehen (die zudem
oft in die Jahre gekommen sind): Oberflächlich zumindest erschließt sich die
Pracht und Vielfalt der heimischen Pilzwelt
auch ohne Mikroskop. Neugierde, etwas
Spürsinn und vielleicht eine Lupe haben
schon tolle Beobachtungen ermöglicht.
Wie viele Arten einen einzigen umgestürzten Baum besiedeln können …
Überhaupt gibt es kaum Stellen, wo
Pilze nicht wachsen. Manche erscheinen
auf der Unterseite abgebrochener Äste,
andere nur an den Stängeln vorjähriger
Brennnesseln, auf alten Kiefernzapfen
oder parasitär auf Kartoffelbovisten.
Vielfältig sind zuletzt auch die Lebensräume, in denen unsere Pilze wachsen. Auf
waldfreie, aber eben nicht pilzfreie Habi
tate verweisen Namen wie Acker-Riesenschirmpilz und Heu-Düngerling, Wiesen-
Champignon und Feld-Trichterling, Moor-
Hallimasch und Sumpf-Saftling, Dünen-
Stinkmorchel und Schilfschwindling.
Egal, wo Sie also den Spätsommer und
Herbst im Grünen verbringen – wenn es
vorher nicht zu trocken war und Sie bereit
sind hier und da genauer hinzusehen,
werden Sie bestimmt fündig. Ein Gang in
die Pilze lohnt fast immer, ob Sie nun für
die Pfanne suchen oder ob Sie einfach nur
gucken wollen.
Severin Zillich
Einziger Giftpilz auf dieser Doppelseite: der Satansröhrling.
14 BUNDmagazin 3 | 22
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TITELTHEMA
BEDROHTE VIELFALT
DER BODEN
MACHTS
Wenn überhaupt, so sind es die Fruchtkörper der Pilze,
die Schutz genießen. Weit wichtiger wäre es, ihren
eigentlichen Lebensraum besser zu behandeln: den Boden.
ist die Vizepräsidentin der
Deutschen Gesellschaft für
Mykologie. Die promovierte
Biologin hat diverse
Pilzbücher veröffentlicht:
www.kreativpinsel.de
W
ussten Sie, dass alles, was wir in
der Natur lieben und anschauen,
mit Pilzen verwoben ist? Und dass unsere
Natur noch intakter wäre, würden wir mehr
auf diese heimlichen Helfer achten?
Wussten Sie, dass alles Leben im Boden
– ob in der Wiese oder im Wald – vom
Wirken dieser Fadenwesen abhängt?
Und damit alles, was darauf wächst und
gedeiht und uns Nahrung, Genuss und
Als größtes Lebewesen der Erde gilt ein
Hallimasch (in einem Nationalpark in Oregon).
In Nadelforsten findet er leichte Beute.
Gesundheit schenkt? Wussten Sie, dass
Pilze die Lösung für zahlreiche Herausforderungen unserer Zeit bieten, sei es
als Alternative zum Fleisch, als Mittel zur
Sanierung von Wasser und Boden, als
kompostierbare Verpackung und Baumaterial oder als Arznei?
Falls Sie es nicht wussten – damit sind
Sie nicht allein. Leider ist das Wissen über
Pilze selbst unter Land- und Forstwirt*innen rar gesät. Was das für unsere Natur
bedeutet, erfahren Sie, wenn Sie einmal in
die Welt dieser mystischen Lebewesen
eintauchen. Vergessen Sie kurz alles, was
Sie über ordnungsgemäße Land- oder
Forstwirtschaft gelernt haben. Schauen
Sie ganz neu auf unsere Umwelt, kommen
Sie mit auf Entdeckungsreise unter die
Erde. Ein Pilz, was ist das eigentlich?
VOLLER LEBEN
Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Tausendstel Millimeter groß und graben sich von
der Bodenoberfläche aus in die Tiefe.
Überall um Sie herum unzählige Fäden, in
denen das Leben pulsiert. Sie führen direkt
zu den Wurzeln der Pflanzen, umspannen
deren Enden. Es sind Pilzfäden, die Wasser
mit gelösten Nährsalzen transportieren. Im
Gegenzug liefern die Pflanzen den Pilzen
Zucker zum Aufbau ihrer Fruchtkörper.
Neben dem feinen Netz der Pilze treffen
Sie auf unzählige Geschöpfe. Einige sind
winzig wie Sie, andere erscheinen als
riesige Ungetüme – wie die Regenwürmer,
die den Boden unter Ihnen zum Beben
bringen. Die Larven der Insekten sind
nicht minder imposant. Doch die meisten
der unermüdlich um Sie herumwirbelnden
R. Lüder (3)
RITA LÜDER
BUNDmagazin 3 | 22
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TITELTHEMA 15
Pilze wie der Zunderschwamm sind auf den Schutz
alter und absterbender Bäume angewiesen.
Geschöpfe sind winzig. Könnten Sie nur
eine Handvoll Erde zur Gänze wahrnehmen,
stellten Sie erstaunt fest: Darin tummeln
sich mehr Lebewesen als Menschen auf
der Erde. Und darin verlaufen Hunderte
Kilometer von Pilzfäden.
HOLZ ZU HUMUS
Den größten Teil der organischen Masse
im Boden machen Pilze aus. Bei unserem
Ausflug in den Boden war von jenen die
Rede, die mit Pflanzen in Symbiose leben.
Mykorrhiza nennt man diese uralte Partnerschaft. Daneben gibt es weitere Arten,
die Organisches verdauen (wie altes Laub,
Stängel oder Äste) und wieder in den
Kreislauf speisen. Ohne sie würde Holz
nicht wieder zu Humus. Selbst Insekten,
die im und vom Holz leben, haben Pilze
als Helfer im Darm, sonst könnten sie das
Holz nicht zersetzen.
Der Übergang zu Schmarotzern wie
dem Hallimasch ist fließend. Doch einem
gesunden und vitalen Baum kann auch ein
solcher Pilz – den die Forstwirtschaft als
Schädling betrachtet – nichts anhaben.
NUR DIE FRUCHTKÖRPER?
Doch was hat all das mit dem Naturschutz zu tun? Der amtliche Naturschutz
berücksichtigt einzig und allein die Fruchtkörper der Pilze. Wie es dem eigentlichen
Lebewesen geht, dem Fadenwerk, aus dem
sie wachsen, bleibt bis heute unbeachtet.
Das ist gerade so, als würde man das
Sammeln der Äpfel verbieten, nicht aber
das Fällen des Apfelbaums.
Pilze gehören in jeden Lebensraum. Sie
sind selbst im Acker zu Hause, solange
wir sie dort nicht vergraulen. 95 Prozent
unserer Pflanzen leben in Symbiose mit
Pilzen, auch Nahrungsmittel wie Mais
und Getreide, Obst und Gemüse.
Der Kegelige Saftling und seine Verwandten
streuen bunte Farbkleckse in magere Wiesen.
Aktuelle Studien an Erdbeeren belegen,
dass die Früchte je nach Pilzpartner verschieden schmecken, mehr oder weniger
attraktive Blüten für Bestäuber bilden und
unterschiedlich ertragreich sind. Knapp
30 Schlüsselarten hat man im Boden von
Ökoäckern festgestellt. Im konventionellen
Acker kommen keine Pilze vor.
Schlüsselarten müssen nicht besonders
zahlreich sein, üben aber großen Einfluss
auf die mit ihnen verzahnten Lebewesen
aus. Dies gilt auch für viele Insekten, denen
die meisten unserer Ackerböden schon
lange keinen Lebensraum mehr bieten.
Eine magere Wiese beherbergt eine Fülle
von Pflanzen und Tieren, und außerdem
zauberhaft bunte Saftlinge und andere
Pilzarten.
BODEN BEWAHREN
Viele heimische Pilzarten sind heute selten geworden. Dies wird gerne den Pilzsammler*innen angelastet. Das Sammeln
beschränken – schön und gut. Doch die
eigentlichen Gefahren für Pilze sind ganz
andere: Die Verdichtung der Böden durch
schwere Maschinen. Der ständige Eintrag
von Nährstoffen aus Landwirtschaft und
Verkehr. Hochgiftige Pestizide. Und die
zunehmende Trockenheit.
Was folgt daraus für unsere Land- und
Forstwirtschaft? Der aktuelle Stand der
Wissenschaft ist: Wollen wir den Boden
wirklich erhalten, sind Rückepferde zum
Holztransport im Wald alternativlos. Auch
Wiesen und Äcker dürfen wir nicht länger
mit Kunstdünger und Pestiziden traktieren,
wenn sie uns in Zukunft noch Nahrung
liefern sollen.
Es wird Zeit, diesen Tatsachen ins Auge
zu sehen. Statt weiter leblose und labile
Monokulturen zu erzeugen, müssen wir
den Boden, eines der wertvollsten Güter
unserer Erde, bewahren und regenerieren.
Nur so wird er uns als Lebensgrundlage
dauerhaft erhalten bleiben. Anders gesagt:
Achten wir auf das Wohlergehen der Pilze,
so wird es auch uns gut ergehen.
16 BUNDmagazin 3 | 22
›
TITELTHEMA
ÖKOLOGIE
WAS PILZE
KÖNNEN
Michael Pyper
Pilze sind ein wesentliches Element fast aller
Landlebensräume. Welches Potenzial sie auch
für uns Menschen bieten, zeigt das Beispiel
der unscheinbaren Puppen-Kernkeule.
Steinpilze: Unser Autor bei einer
Exkursion mit der BUND-Kindergruppe im hessischen Wehrheim.
P
ilze sind geniale Netzwerker und
evolutionär beispiellos erfolgreich.
Was sie nicht können, überlassen sie anderen Organismen. In Ermangelung von
Blattgrün ist ihnen die Photosynthese
verwehrt. Darum holen sie sich den als
Baustein benötigten Zucker von toten
oder lebendigen Pflanzen und Tieren.
Nur in wenigen Fällen geschieht das auf
räuberische Weise. Zumeist versorgen
sie als Gegenleistung über ihre endlosen
Hyphen die Wurzeln der Pflanzen mit
Mineralstoffen. Das fantastische Netzwerk der Pilze treibt den natürlichen
Stoffwechsel an.
HEILSAM
Andreas Kunze
Pilze gedeihen überall auf der Welt, sie
trotzen sibirischer Kälte und sengender
Sonne. Sie versorgen die Menschen
schon seit Jahrtausenden mit Nahrung,
Medizin und Werkstoffen. Schon »Ötzi«,
alpine Gletschermumie und bestuntersuchter Leichnam der Welt, nutzte vor
über 5000 Jahren den Birkenporling als
Mittel gegen Magen- und Darmstörungen.
In Asien und hier vor allem in China gelten
Pilze traditionell als bewährte Medizin.
Heilpilze werden meist in Zuchtanlagen
gewonnen.
In freier Natur wächst auch bei uns die
Puppen-Kernkeule. Die Sporen dieser Art
werden von Insektenraupen mit dem Futter
aufgenommen. Weil sie einen Stoff aussenden, der der Raupe Ungefährlichkeit
vorgaukelt, werden sie nicht abgestoßen.
Während sich die Raupe arglos verpuppt,
wird sie durch das wachsende Myzel von
innen aufgefressen. Irgendwann bricht der
keulenförmige Fruchtkörper durch und
bildet neue Sporen.
Diese Kernkeule enthält laut der tradi
tionellen Medizin Wirkstoffe gegen fast
alle menschlichen Gebrechen. Richtig
Die Puppen-Kernkeule,
Pilz des Jahres 2007,
parasitiert auf Puppen
von Schmetterlingen.
spannend wurde es, als westliche Schulmediziner den Stoff, mit dem der Pilz das
Immunsystem der Raupe überlistet, als
Cyclosporin analysierten. Mit ihm unterdrücken sie seitdem auch die Immunabwehr organ-transplantierter Menschen.
Wer also nach dem Verzehr hochgiftiger
Knollenblätterpilze eine neue Leber als
Ersatz bekommt, hat dank diesem Pilz
eine erhöhte Überlebenschance. Mutter
Natur serviert uns eine Apotheke, deren
Nutzen erst zum kleinen Teil erforscht ist.
VIELSEITIG
Pilze sind Alleskönner. Sie reinigen die
von uns verschmutzte Welt. Bestimmte
Pilze sammeln und binden gefährliche
Schadstoffe in der Erde. Das segensreiche
Wirken der Pilze im Untergrund wird offenkundiger, je deutlicher der Mensch das
Klima verändert und den über Millionen
Jahre austarierten Kohlenstoffhaushalt
stört. Über ihr unvorstellbar großes Netzwerk speichern die Pilze Milliarden von
Tonnen Kohlenstoff.
Von Pilzen produzierten Werkstoffen
wird eine große Zukunft vorausgesagt,
unter anderem als Ersatz für tierisches
Leder. Wirklich neu ist nun gerade diese
Nutzung nicht. Seit Jahrhunderten wird
das Fruchtfleisch des Zunderschwamms
in Südosteuropa für die Herstellung von
strapazierfähigen Taschen, Westen und
Hüten verwendet.
Peter Gwiasda
BUNDmagazin 3 | 22
›
TITELTHEMA 17
INTERVIEW
WETTRÜSTEN
IM WALD
In naturnahen Wäldern bilden Pilze einen
Großteil der b
iologischen Vielfalt. Zudem
schaffen die Holzbewohner unter ihnen
Lebensräume für eine Fülle weiterer Arten.
Kaum jemand weiß mehr darüber als der
Biologe Georg Möller.
Können Sie das Wirken der Holzpilze an
einem Beispiel verdeutlichen?
Besonders eindrucksvoll ist der Schiefe
Schillerporling. An sterbenden Buchen
bildet er zuweilen quadratmeter-große,
etwa 5 Millimeter dicke braunrote Frucht-
körper. Um ein Abdriften der Sporen zu ermöglichen, sprengt er das Splintholz mit
Hilfe spezieller Stemmleisten in großen
Platten ab. Dabei entstehen manchmal
wahre Kunstwerke. In Wirtschaftswäldern
ist dieser Schillerporling außerordentlich
selten. Stämme, die Anzeichen von Befall
zeigen, werden bei der Durchforstung
systematisch entnommen.
G. Möller
Herr Möller, von Holz lebende Pilze sind
für die Tierwelt in Naturwäldern von
größter Bedeutung. Warum?
Pilze, die Holz zersetzen, sind biochemische Multitalente. Um die Zellulose oder
das Lignin aufzuschließen, mussten sie
ausgeklügelte Enzymsysteme erfinden.
Über die Jahrmillionen der Evolution haben die Gehölzpflanzen in einer Art Wettrüsten gelernt sich zu wehren. So lagern
Eichen Gerbstoffe in ihr Kernholz ein, um
Pilze aufzuhalten. Pilzarten wie der Leberreischling und Schwefelporling waren ihrerseits nicht faul und spezialisierten sich auf
den Abbau eben dieser Gerbstoffe.
Den meisten Insekten fehlen die für
den Holzaufschluss nötigen Enzyme.
Auch was bestimmte Aminosäuren,
Spurenelemente oder Vitamine
betrifft, sind viele auf Pilze angewiesen. Last but not least ist es
viel effizienter, nahrhafte Pilze
zu fressen, als sich selbst
mit dem widerspenstigen
Holz herumzuschlagen.
Die Mehrheit der Holzinsekten ist
also strenggenommen den Pilzkonsumenten zuzurechnen.
Der Zahnhalsige Baumschwammkäfer
lebt in Mulmhöhlen, die der Schiefe
Schillerporling in Buchen verursacht.
Welche Tiere profitieren von den Pilzen
im Holz besonders?
Etwa die Hälfte der rund 1500 holzbewohnenden Käfer Deutschlands ist von ihnen
direkt abhängig. Hinzu kommt eine unbestimmte Zahl von Rindenwanzen und Pilzmücken, räuberischen Schlupfwespen und
Erzwespen etc.
Georg Möller hat über die
»Struktur- und Substrat
bindung holzbewohnender
Insekten« promoviert und
war u. a. im Arbeitskreis
Wald des BUND aktiv.
Etliche dieser Insekten sind heute sehr
selten. Woran liegt das?
An unserer Forstwirtschaft, die noch immer viel zu einseitig an der Holzernte
ausgerichtet ist. Rund die Hälfte des in
Deutschland geschlagenen Waldholzes
wird übrigens nicht einmal stofflich verwertet, sondern sofort verbrannt. Welch
unglaubliche Verschwendung!
Wie müssen Politik und Forstwirtschaft
dafür sorgen, dass unsere Wälder wieder
pilzreicher werden, und somit vielfältiger
und stabiler?
Aus wissenschaftlicher Sicht gilt die folgende Faustregel: Um die waldtypische
Biodiversität mit einem stabilen Bestand
an Urwaldreliktarten zu sichern, sind pro
Hektar etwa zehn lebende, dicke Biotopbäume erforderlich, mit Höhlen, Mulmkörpern, verpilzten Stammarealen oder
Astabbrüchen. Und dazu mindestens 40
Festmeter dickes Totholz, stehend und
liegend. Von diesen Vorgaben sind die
meisten Waldflächen in Deutschland weit
entfernt.
Über welchen Fund haben Sie sich zuletzt
besonders gefreut?
Über den Zahnhalsigen Baumschwammkäfer in einem Wald bei Templin. Dieses
Urwaldrelikt ist eng an den erwähnten
Schiefen Schillerporling gebunden.
sz
18 BUNDmagazin 3 | 22
›
TITELTHEMA
BAUMSTERBEN
Mit dem globalen Handel haben sich einige
Pilze weltweit verbreitet. Dies setzt heimischen
Laubbäumen wie Ulme und Esche stark zu.
HEINZ KLÖSER
ist stellvertretender Sprecher des
Arbeitskreises Naturschutz.
P
ilze bauen Biomasse ab und sind für
den natürlichen Kreislauf deshalb
unverzichtbar. Doch zahlreiche Mikropilze
beginnen schon in lebenden Pflanzen
damit und können schwere Krankheiten
auslösen. So verursachen die (näher mit
Algen verwandten) Eipilze der Gattung
Phytophthora nicht nur die Krautfäule an
Kartoffeln. Sie führen außerdem zu einer
schleichenden Wurzelfäulnis sowie zu
Rindennekrosen an Erlen und Buchen.
Noch folgenschwerer sind zwei Seuchen,
die durch echte Pilze hervorgerufen wurden: das Ulmensterben und das zurzeit
grassierende Eschensterben.
ZWEI WELLEN
Amadej Trnkoczy /CC BY-SA 3.0
Das Ulmensterben löste ein ursprünglich
aus Ostasien stammender Schlauchpilz
aus. Die Sporen von Ceratocystis ulmi
gelangten mit Furnierholz nach Europa –
und nach Nordamerika. Dort entwickelte
sich aus dem asiatischen Pilz eine neue
Form, die wieder mit Furnierholz nach
Europa kam. Hier vernichtete sie in einer
zweiten Welle auch die Ulmenklone, die
man als Überlebende der ersten Welle
schon für immun gehalten hatte.
Inzwischen beobachtet man eine leichte
Wiederausbreitung von Berg- und Feld
ulme. (Flatterulmen waren von der Seuche
weniger betroffen.) Ob sich ihre Bestände
vollends erholen werden, ist mehr als
fraglich.
TRAGISCHES SCHICKSAL
Das Eschensterben trat erstmals 1992 in
Polen auf, ausgelöst wieder durch einen
ostasiatischen Schlauchpilz. Wie dieses
Stängelbecherchen nach Europa kam,
weiß man nicht, es wurde erst um 2010
als Verursacher erkannt. Da hatte es sich
bereits über das gesamte Verbreitungsgebiet der Esche verteilt. Wie beim Ulmen
sterben wachsen seine Fäden in die Leitbündel und verstopfen den Wassertransport in die Krone, die dann vertrocknet.
H. Klöser
AUS FÜR ULME
UND ESCHE?
Befallene Eschen vertrocknen von der Krone abwärts.
Der Pilz befällt auch junge Bäume, sobald deren Leitbündel weit genug sind.
Ohne Verjüngung aber kann die Esche auf
Dauer nicht überleben. Eigentlich hatte
man große Hoffnung darauf gesetzt, dass
die Esche mit der derzeitigen Klimakrise
gut zurechtkommt. Dies macht ihr Schicksal nun noch tragischer.
HANDEL UND KLIMASTRESS
Auch Tiere können von eingeschleppten
Pilzkrankheiten betroffen sein. So wird der
deutliche Rückgang unserer Amphi
bien
ebenfalls auf Mikropilze zurückgeführt,
die ursprünglich in Afrika und in Südostasien heimischen Chytridien.
Warum nur treten solche Erkrankungen
heute weltweit stärker auf? Zum einen
sicherlich wegen der Globalisierung des
Handels. Doch setzt auch die Klimakrise
vielen Arten zu. Und in gestressten Tieren
und Pflanzen können Parasiten – auch
einheimische – leichter Fuß fassen.
Vielleicht schaffen es die betroffenen
Arten, sich noch rechtzeitig gegen die eingeführten Pilze zu wappnen, bevor sie
ihnen ganz zum Opfer gefallen sind. Die
Hoffnung, dass die wenigen verbliebenen
Individuen immun sein könnten, kann
aber trügen. Möglich, dass die Übertragung
der Pilze nur unterbrochen ist, bis sich der
Bestand wieder etwas erholt hat und der
Befall dann erneut einsetzt. Mit diesem
Damoklesschwert müssen wir wohl leben.
Das Falsche Weiße Stängelbecherchen
ist Auslöser des Eschensterbens.
BUNDmagazin 3 | 22
›
TITELTHEMA 19
BUND AKTIV
KUNDIG
WERDEN
Von Führungen über Medienprojekte bis
zu langjährigen Untersuchungen reicht die
Bandbreite der Pilz-Aktivitäten im BUND.
Bestimmen leicht(er) gemacht.
G
anz frisch erst ist in Niedersachsen
das BUND-Projekt »ID-Pilze« an den
Start gegangen. Mithilfe einer neuen App
(einer Erweiterung von ID-Logics mitsamt digitalem Bestimmungsschlüssel)
erhalten junge Menschen die Möglichkeit,
das Reich der Pilze kennenzulernen.
Trotz ihrer ökologischen Bedeutung sind
Pilze viel weniger erforscht als Pflanzen
und Tiere. Die Zahl der Pilzkundigen ist
klein und rückläufig, nicht mal jede*r
zehnte ist unter 30 Jahre alt. Zusammen
mit der Deutschen Gesellschaft für Mykologie und der Uni in Marburg will der
BUND junge Menschen befähigen, ihre
Artenkenntnis zu erweitern und sich pilzkundig am Schutz der Natur zu beteiligen.
Bis zum Herbst 2023 sind mehrere Exkursionen und Ausstellungen geplant. Wer
Interesse hat, kann die App dann unter
Anleitung ausprobieren.
Exkursion auf der Halbinsel Höri am Bodensee.
HÖRI UND SCHWARZWALD
GUT BERATEN
Im Südwesten Deutschlands unterstützt
der BUND Radolfzell seit 2017 eine länder
übergreifende Untersuchung der Halbinsel
Höri. Deutsche und Schweizer Fachleute
entdeckten hier am Bodensee bisher mehr
als 600 Pilzarten. Dazu der Projektleiter
Markus Rast: »45 der Pilze sind selten
oder gefährdet. Für 21 Arten tragen unsere
Länder eine besondere Verantwortung.«
Kahlschläge im Zuge einer Borkenkäferplage hätten zuletzt etliche wertvolle Pilzbiotope auf der Höri zerstört. Rast fordert,
seltene Pilze und ihre Lebensräume mehr
als bisher zu berücksichtigen, sei es beim
Management bestehender oder der Ausweisung neuer Schutzgebiete.
Im nahen Schwarzwald ist mit Karin
Pätzold aus Hornberg eine weitere BUND-
Expertin aktiv. Sie schreibt Fachartikel
über lokale Pilzfunde, bringt den Kindern
der örtlichen Schule die Pilze nah, bietet
Führungen auch im Nationalpark an und
hilft bei der jährlichen Pilzausstellung am
Feldberg. Und sie wünscht sich kundigere
Forstbehörden, die ihr Handeln stärker
auf den Schutz der Pilze ausrichten.
Herbstliche Exkursionen mit fachlicher
Begleitung bieten übrigens etliche BUNDGruppen an. So organisiert Hans-Heinrich
Stamer seit bald 20 Jahren Wanderungen
in den Lübecker Stadtwald. Geprüfte Pilzkundler präsentieren hier jeden September eine große Artenvielfalt, Ergebnis eines
besonders naturnahen Waldbaus. Zum
Schluss werden alle Pilze bestimmt und
die essbaren zubereitet und verköstigt.
An die hundert Personen sind da schon
zusammengekommen.
Wer alleine sammelt, kann seine Funde
in vielen Landkreisen begutachten lassen.
In Berlin übernimmt das zur Hochsaison
der BUND-Arbeitskreis »Pilzkunde und
Ökologie«. Dazu die Vorsitzende Tamara
Pilz-Hunter (sie heißt tatsächlich so ...):
»Einmal wöchentlich sichten wir die Körbe,
bestimmen gemeinsam und sortieren die
unverträglichen Fundstücke aus.«
Pilzvielfalt aus dem Lübecker Stadtwald,
erläutert vom Sachverständigen Harry Käding.
BESSER WIRTSCHAFTEN
Entscheidend aber für den Schutz der
Pilze bleibt der fortdauernde Einsatz des
BUND für eine naturnahe Wald- und Landwirtschaft. Weniger düngen, monotone
Nadelforste in vielfältige Mischwälder
umbauen, mindestens ein Zehntel der
deutschen Waldfläche aus der Bewirtschaftung nehmen, im fränkischen Steigerwald einen Nationalpark schaffen –
würde die Politik Forderungen wie diesen
endlich Folge leisten, käme dies auch den
heimischen Pilzen zugute.
sz
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22 BUNDmagazin 3 | 22
›
GUT LEBEN
SCHIMMEL IM HAUS
WAS TUN?
PETRA RUMPEL
ist die Geschäftsführerin des
BUND-Umweltzentrums Ortenau
in Offenburg.
S
chwarze, grüne oder graue Flecken
an Wänden oder Zimmerecken weisen auf Schimmelpilze hin. Ist es feucht
genug und finden ihre winzigen Sporen
einen Nährboden, keimen sie und bilden
Pilzgeflechte. Reichlich Nahrung bieten
Holz, Papier, Tapeten, Wandfarben, manche Kunststoffe oder Hausstaub. Durch
richtiges Lüften und bauliche Maßnahmen
lässt sich der Befall vermeiden.
WIE SICH SCHIMMEL BILDET
Schimmelpilze siedeln sich in feuchten
Ecken an, hinter Wandverkleidungen, auf
Tapeten, an Duschvorhängen, in Müll
eimern, Matratzen oder in der Erde von
Zimmerpflanzen. Kochen, Duschen und
Wäschewaschen führen zu hoher Luftfeuchte. Wir selbst geben jeden Tag bis
zu 1,5 Liter Feuchtigkeit ab, über die
Atemluft und Haut. Kühlt die feuchte Luft
an kalten Stellen von Wand, Decke oder
Boden ab, bildet sich Kondenswasser.
Wo dieses nicht richtig abtrocknet,
sprießt oft der Schimmel. Seine Sporen
können Allergien und Erkrankungen an
den Atemwegen auslösen. Vom Pilz abgegebene Gifte können Migräne, Magen-
Darmbeschwerden, Neurodermitis oder
Konzentrationsstörungen und Müdigkeit
verursachen. Besonders gefährdet sind
Personen mit schwachem Immunsystem,
aber auch Kleinkinder und alte Menschen.
SCHIMMEL BEKÄMPFEN
Zuerst sollten die Ursachen des Befalls
untersucht und behoben werden. Liegt ein
Baumangel vor, wie schlecht gedämmte
Außenwände, undichte Wasserleitungen,
schadhafte Dächer oder aufsteigende
Feuchtigkeit aus dem Erdboden? Auch
wasserundurchlässige Anstriche, neue
Fenster in Altbauten, nicht ausgetrocknete
Neubauten oder unzureichende Lüftung
begünstigen Schimmel.
Bei kleineren Flächen können Sie die
befallene Tapete oder den Putz entfernen
und die Stellen abbürsten oder abwaschen.
Es empfiehlt sich dabei Handschuhe und
Atemmaske zu tragen, Fenster weit zu
öffnen und die Türen zu anderen Räumen
zu schließen. Meiden Sie fungizidhaltige
Schimmelsprays, um sich nicht selbst zu
schaden. Wirksam sind eine 3-prozentige
Sodalauge, hochprozentige Essigessenz
oder 70-prozentige Spirituslösung. Danach
säubern Sie alle Oberflächen (auch Bezüge
oder Vorhänge) und Ihre Kleidung.
Nicht immer ist der Befall sichtbar.
Schimmelpilze nisten sich selbst in Fußböden, in Wänden oder Hohlräumen ein.
Labore und Baubiologen können sie aufspüren. Ziehen Sie Fachleute auch bei
größeren Schäden und ständig wiederkehrendem Schimmel zu Rate.
Ann-Kathrin Hahn/Das Illustrat
Schimmelpilze kommen fast überall vor.
Mit ihrer Hilfe stellen wir Käse und
Salami oder auch Penicillin her. Doch
etwa hundert ihrer rund 10 000 Arten
können richtig krank machen.
SCHIMMEL VERMEIDEN
Zu feuchte Raumluft und damit Schimmel
vermeiden Sie durch richtiges Lüften und
gute Wärmedämmung. Öffnen Sie mehrmals täglich weit Fenster und Türen für
etwa fünf Minuten. Lüften Sie besonders
nach dem Duschen, Baden oder Kochen
kräftig nach draußen. Dauerhaft gekippte
Fenster während der kalten Jahreszeit
lassen die Wände auskühlen, was das
Schimmelwachstum fördert. Zudem geht
dadurch viel Energie verloren.
Halten Sie ungeheizte oder kühlere
Räume in der Heizperiode geschlossen.
Ansonsten schlägt sich die Feuchtigkeit
aus der einströmenden Warmluft an ihren
Wänden nieder.
Gut ist es, wenn die Materialien Ihres
Hausstandes in der Lage sind, viel Feuchtigkeit aufzunehmen und auch wieder
abzugeben. Das trifft auf unbehandeltes
oder gewachstes Holz sowie natürliche
Bodenbeläge und Möbelstoffe zu. Dagegen
nehmen Fliesen, Glas oder Kunststoffe
keine Feuchtigkeit auf. Wandanstriche aus
Kalk- und Silikatfarben sind atmungsaktiv
und dank ihrer basischen Zusammensetzung besonders resistent gegenüber
Schimmel.
i
Mehr zum Thema
www.verbraucherzentrale.de/schimmel
und: www.umweltbundesamt.de/
schimmelleitfaden
BUNDmagazin 3 | 22
›
GUT LEBEN 23
ÖKOTIPP
Alle Ökotipps des BUND finden Sie unter:
www.bund.net/oekotipps
AKTIV OHNE SCHADSTOFFE
Die Jahreszeit lädt dazu ein, draußen
unterwegs zu sein. Aber Achtung: Manche
Outdoor- und Sportkleidung schadet der
Umwelt und Ihnen selbst, weil sie giftige
Chemikalien enthält.
Funktionskleidung wie Laufshirts oder
Wanderjacken bestehen häufig aus Kunstfasern wie Polyester, Nylon und Acryl. Der
Vorteil beim Tragen: Die Textilien sind zum
Beispiel wasserabweisend oder atmungsaktiv. Doch wäscht man sie, entweicht
daraus Mikroplastik, das dann in Flüsse
und Meere gelangen kann.
BEWUSST EINKAUFEN
Stoffe oder Imprägnierungen von Regenjacken oder Laufhosen können per- und
polyfluorierte Alkylsubstanzen enthalten.
Diese »Ewigkeitschemikalien« bauen sich
in der Natur praktisch nicht ab. Wir finden
sie inzwischen selbst in der Arktis und in
unserem Blut. Beim Sport schwitzen wir,
die Poren öffnen sich. Dadurch ist unsere
Haut besonders empfänglich für Chemikalien. Bei Sportkleidung gilt deshalb:
Tragen Sie vorhandene Kleidung so lange
es geht. Und achten Sie beim Neukauf auf
die Hinweise »PFC-frei« und »Fluorcarbonfrei«. Oder wählen Sie gleich Produkte aus
natürlichem Material.
Auskunft über Schadstoffe in Alltagsdingen gibt Ihnen die ToxFox-App. Lassen
Sie Firmen wissen, dass Sie giftfreie Produkte wollen. Fordern Sie Ihr Auskunftsrecht ganz einfach ein, durch einen Scan
mit der ToxFox- App des BUND. Diese App
versendet in Ihrem Namen eine Anfrage
an die Hersteller oder Händlerinnen. Die
Firmen sind zu einer Auskunft verpflichtet,
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enthält. Und mit jeder Anfrage merken sie:
Wir wollen Dinge ohne Gift!
Die ToxFox-App
können Sie für Android und
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ESSEN VERSCHIMMELT?
Was den Roquefort
zu einer Delikatesse
macht, kann bei anderen
Lebensmitteln hochgefährlich sein. Viele
Schimmelpilze produzieren Mykotoxine
und schaden der Gesundheit. Vor allem
jetzt im Sommer, wenn der Schimmel
rasch wächst, sollten Sie auf befallene
Lebensmittel achten.
Grundsätzlich gilt: Schimmel breitet sich
umso schneller aus, je höher der Wassergehalt eines Lebensmittels ist. Säfte und
Milchprodukte etwa verderben schnell,
auch kohlenhydratreiche und eiweißhaltige
Nahrungsmittel wie Brot, Getreide und
Nüsse bieten einen passenden Nährboden.
Das Ausmaß des Befalls ist nicht immer
sichtbar. Betroffene Produkte sind aber
meist nicht mehr zum Verzehr geeignet.
Lediglich bei luftgetrockneter Salami und
Schinken, die am Stück gekauft werden,
oder bei Hartkäse können Sie schimmlige
Stellen wegschneiden und den Rest noch
essen.
Um keine Lebensmittel wegwerfen zu
müssen, sollten Sie Ihre Einkäufe bedarfs-
gerecht planen und Vorräte wie Getreide
und Mehl fest verschlossen, trocken und
kühl lagern. Da sich Schimmel gerne ausbreitet, sollten Sie betroffene Behältnisse
wie Brotkästen regelmäßig auswischen,
mit Essigwasser.
Bei Obst und Gemüse mit Druckstellen
warten Sie am besten nicht lange mit
dem Verzehr. Leicht Verderbliches wie
Erdbeeren essen Sie möglichst frisch am
Tag des Einkaufes oder kochen es ein.
Haltbar werden Lebensmittel auch durch
Einfrieren, Fermentieren oder Trocknen.
24 BUNDmagazin 3 | 22
›
AKTION
Jörg Farys
Vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig:
Der BUND protestiert gegen den Weiterbau der Autobahn A20.
PETITION
KEINE NEUEN AUTOBAHNEN
Will Deutschland die Klimakrise eindämmen,
muss es den CO2-Ausstoß im Verkehr bis 2030
halbieren. Unterstützen Sie uns dabei, den Bau
neuer Fernstraßen zu stoppen!
T
eile der Bundesregierung und speziell
der Verkehrsminister Volker Wissing
(FDP) lehnen schnell wirksame Schritte
für einen umweltverträglicheren Verkehr
weiter ab. Statt das Ruder herumzureißen
und die Verkehrspolitik in Einklang mit
dem 1,5-Grad-Ziel zu bringen, verteidigen
sie vorgestrige Positionen und schließen
die Augen vor der Realität. Darum hat der
BUND eine Petition gestartet.
Derzeit steht die Überprüfung des
Bedarfsplans zum Bundesverkehrswegeplan an. Damit ergibt sich die Chance,
gravierende Fehler bei der Planung von
Fernstraßen zu korrigieren. Der BUND fordert alle laufenden Pläne und die schon
im Bau befindlichen Projekte zu stoppen.
Jede geplante Straße muss daraufhin
überprüft werden, wie sehr sie der Natur
und dem Klima schadet.
GENAU PRÜFEN
AUF KLIMAKURS
In einer repräsentativen Umfrage sprachen
sich kürzlich rund 60 Prozent der Bundesbürger*innen dafür aus, Steuergelder
statt in den Neubau in die Instandhaltung
von Autobahnen und Bundesstraßen zu
investieren – eine Mehrheit in allen Altersgruppen, auf dem Land wie in der Stadt.
»Mehr Straßen heißt: mehr Verkehr und
mehr klimaschädliche Gase. So klar lautet
die Rechnung«, erläutert Olaf Bandt, der
Vorsitzende des BUND. »Statt den Verkehr endlich auf Klimakurs zu bringen,
verteidigt Minister Wissing weiter den
Verbrennungsmotor und hält am Bau neuer Fernstraßen fest. Die Bundesregierung
muss eine natur- und umweltverträgliche
Mobilität durchsetzen – im Interesse der
Menschen, für die Natur und um das
1,5-Grad-Ziel zu erreichen.«
Der Bau neuer Autobahnen und Bundesstraßen vernichtet Wälder, Wiesen und
Moore. Er schadet dem Klima, zerstört
fruchtbare Böden, belastet das Grundwasser und bringt Lärm und Abgase in
bislang verschont gebliebene Regionen.
Die Kosten für die Betonschneisen gehen
in die Milliarden. Gleichzeitig zerbröseln
marode Straßen und Brücken, weil das
Geld für ihre Sanierung fehlt.
JETZT UNTERSCHREIBEN
Neue Fernstraßen lösen keine Probleme,
sondern erhöhen den Verkehr und verschärfen die globale Klimakrise. So lässt
sich keine Zukunft planen. Fordern Sie
darum Verkehrsminister Wissing mit Ihrer
Nachricht auf, den Bau neuer Autobahnen
zu stoppen:
n-autobahnen
www.aktion.bund.net/keine-neue
BUNDmagazin 3 | 22
›
ZUR ZEIT 25
MOGELPACKUNG »BIO«-PLASTIK
UNÖKOLOGISCH, UNGESUND, UNNÜTZ
Vermeiden Sie Verpackungen aus »Bio«-Plastik.
Sie haben keinen ökologischen Mehrwert.
A
nders als das Bio-Label nahelegt,
ist Plastik aus nachwachsenden
Rohstoffen nicht umweltschonender als
herkömmliche Kunststoffe. Zu diesem
Ergebnis kommt der Arbeitskreis Abfall
und Rohstoffe des BUND.
»Bio« meint hier, dass eine Verpackung
aus nachwachsenden Rohstoffen wie Mais
und Zuckerrohr besteht oder dass sie
theoretisch kompostierbar ist. Doch dieses
Plastik verrottet zu langsam und wird
meist nicht recycelt, sondern verbrannt.
Und die Rohstoffe zu seiner Herstellung
werden vorwiegend industriell angebaut,
mit viel Dünger, Pestiziden und Wasser.
All dies aber verschweigt die Industrie.
»Das Label führt komplett in die Irre», so
Janine Korduan, die Expertin des BUND
für Kreislaufwirtschaft.
Da »Bio«-Plastik meistens zu Einwegprodukten verarbeitet wird, landet es
rasch im Müll – oder in der Umwelt. Und
mit ihm bei drei Vierteln dieser »Bio«Ware
auch Schadstoffe, wie eine Studie ergab.
Weit sinnvoller ist es, weniger Einwegverpackungen herzustellen und stattdessen bei Getränken und Lebensmitteln
oder im Online-Handel auf Mehrweg zu
setzen. Damit Mehrweg immer günstiger
ist, fordert der BUND eine zusätzliche
Abgabe von mindestens 50 Cent pro Einwegverpackung und 20 Cent pro EinmalBesteck. Die Stadt Tübingen hat gezeigt,
dass dies zu neuen Mehrweg-Angeboten
und weniger Vermüllung führt.
i
Mehr zum Thema
… im neuen Hintergrundpapier:
www.bund.net/bioplastik
KOMMUNIKATION
BESSER ÜBERS KLIMA REDEN
Wie können wir so über Klimaschutz sprechen,
dass wir andere zum Mitmachen bewegen?
W
ir bilden uns unsere Meinung zum
Klima über Geschichten, die sich
›richtig‹ anfühlen – und nicht in erster
Linie über Informationen. Diese wissenschaftliche Erkenntnis können wir nutzen.
Gespräche oder Kampagnen zum Klimaschutz wollen oft mit Fakten überzeugen.
Forschungsergebnisse zeigen aber, dass
Klimakommunikation mehr Wirkung entfaltet, wenn sie auf die Menschen eingeht
und das, was sie im Innersten bewegt.
Deshalb lohnt es, als Mitglied des BUND
einen Schritt zurückzutreten und genau
zuzuhören: Was liegt den vielen nicht so
Umweltbewegten in Deutschland wirklich
am Herzen? Und wie wirkt sich die Klimakrise darauf aus?
Bestimmt gibt es inspirierende Geschichten von ganz unterschiedlichen
Menschen aus der eigenen Stadt und
Region, die wir austauschen können. Es
berührt uns zu hören, dass Menschen wie
du und ich wirkungsvoll zum Schutz des
Klimas beitragen oder unter den Folgen
der Klimakrise leiden.
Zu diesen Geschichten gehört auch unsere persönliche: Warum, seit wann und
wie engagiere ich mich für Klimaschutz?
Und was macht es auch manchmal
schwer? Nebenbei wird so deutlich, dass
es langsam ganz normal wird, selbst aktiv
zu sein: vom klimafreundlichen Lebensstil
bis zum Engagement in Unternehmen, der
Zivilgesellschaft und Politik.
Maike Sippel,
BUND-Mitglied und Professorin
für Nachhaltige Ökonomie an der
Hochschule Konstanz
i
Mehr zum Thema
… auf www.climateoutreach.org/
uebers-klima-reden; zum Beispiel eine
Handreichung dazu, wie die Deutschen
beim Klimaschutz ticken.
26 BUNDmagazin 3 | 22
›
ZUR ZEIT
KRYPTOWÄHRUNGEN
FINGER
WEG !
M
it nur einhundert Euro Startkapital
in drei Monaten reich werden?
Selbsternannte Finanzexperten werben
auf Youtube noch immer dafür, in Bitcoin
und anderes Kryptogeld zu investieren.
Diese Hoffnung auf schnellen Profit ist in
den vergangenen Monaten geplatzt. Was
aber sind Kryptowährungen eigentlich?
Und wie wirken sie auf die Umwelt?
Kryptowährungen sind digitale Vermögenswerte, die gehandelt werden und als Zahlungsmittel dienen können. Damit sie
nicht einfach kopiert und gefälscht werden
können, sind alle Käufe, Verkäufe und
Zahlungen in einem öffentlichen Kassenbuch notiert. Dieses ist auf vielen Rechnern gespeichert. Geschützt ist es durch
verschiedene Verschlüsselungsverfahren,
bekannt als »Blockchain«. Dank ihnen
funktionieren die Kryptowährungen ohne
Kontrolle der Banken.
5933179/Pixabay
EXTREME SCHWANKUNGEN
Die gängigste Kryptowährung ist Bitcoin.
Als sie 2009 in Umlauf kam, lag der
Wechselkurs beim Bruchteil eines Cents.
Goldgräberstimmung verbreitete sich, als
Bitcoin knapp zehn Jahre später
rasant an Wert gewann. 2021 erreichte
der Kurs beinahe
70 000 Dollar
pro Bitcoin.
GettyImages
Crashen fürs Klima:
Warum Bitcoin gerne
abstürzen darf.
Rechenzentren, in denen Bitcoins geschürft
werden, verbrauchen extrem viel Strom.
Kryptowährungen haben keinen reellen
Gegenwert. Auch darum sind sie extremen
Schwankungen ausgesetzt. Seit Jahresbeginn befinden sich viele im freien Fall.
Besonders hart trifft das jene, die ihr ganzes Vermögen in Bitcoin gesetzt haben.
El Salvador, wo Bitcoin seit 2021 als offizielles Zahlungsmittel gilt, steht vor dem
Staatsbankrott.
MEHR STROM ALS SCHWEDEN
Für die Umwelt ist der Wertverlust eine
gute Nachricht. Denn die Erschaffung
neuer Bitcoins verbraucht mehr Energie
als ganz Schweden. Würde Bitcoin flächendeckend als Zahlungsmittel eingesetzt,
könnte allein das die Erde um über zwei
Grad erwärmen, so eine Studie. Warum
verbraucht Bitcoin so viel Strom?
Um die globalen Transaktionen zu protokollieren, wetteifern Bitcoin-Goldgräber
(Rechenzentren oder private Computer)
darum, die schnellsten zu sein. Wer die
Transaktionen als erstes bestätigt, erhält
zur Belohnung Bitcoins. Für diese doppelt
und dreifach verrichtete Arbeit laufen
unzählige Rechenzentren, angetrieben
mit zumeist fossiler Energie.
Fällt der Wert von Bitcoin, lohnt dieses
Geschäft oft nicht mehr. Rechenzentren
schließen, der Energieverbrauch sinkt.
Auch fällt weniger Elektroschrott durch
die ständige Erneuerung der Hardware an.
Ein kompletter Crash von Bitcoin wäre
daher gut für den Schutz unserer Erde.
GEHT BITCOIN AUCH GRÜN?
Ganz verschwinden werden die Krypto
währungen erst mal nicht. Viele fordern
deshalb mehr erneuerbare Energien einzusetzen und den Bitcoin-Code energiesparender zu gestalten. Doch wie sinnhaft
sind Kryptowährungen überhaupt?
Bisher dienen sie hauptsächlich als
Geldanlage oder zur Spekulation. Da ihr
Wert so schwankt, eignen sie sich kaum
als Zahlungsmittel. Zudem erlauben sie
keinerlei demokratische Kontrolle. Auch
darum hat (nicht nur) die EU damit begonnen, den Handel mit Kryptowährungen
stärker zu regulieren.
Fazit: Wer das Klima und sein Erspartes
retten möchte, sollte von Bitcoin und anderen Kryptowährungen die Finger lassen.
Louise Kaufmann
Projektmitarbeiterin des BUND
für Digitalisierung und Umweltpolitik
Aktiv werden
Möchten Sie mehr darüber erfahren,
wie digitale Industrie und Umweltkrisen
zusammenhängen? Dann melden Sie
sich jetzt zur Bits & Bäume-Konferenz an,
30.9. bis 2.10. in Berlin: www.bund.net/
bitsbaeume-konferenz-2022
BUNDmagazin 3 | 22
VULKANEIFEL
WAS LANGE WÄHRT …
Mit beharrlichem Widerstand gelang es in Rheinland-Pfalz,
das mächtige Bergrecht auszuhebeln und eine einmalig
schöne Landschaft vor größerer Zerstörung zu bewahren.
Ein Erfolg von bundesweiter Bedeutung.
›
ZUR ZEIT 27
schließlich alle Beteiligten zu überzeugen.
Statt Vorranggebiete legt der neue Regionalplan Vorbehaltsflächen fest, die dem
nun übergeordneten Landschaftsschutz
Rechnung tragen müssen.
Übernommen wurde auch der BUNDVorschlag, bereits ausgebeutete Flächen
nicht länger mit Fremdmaterial zu verfüllen.
Statt rekultiviert wird künftig renaturiert.
So dienen die Gruben und Steinbrüche als
Ersatzlebensräume auch der landesweiten
Biotopvernetzung. Das kommt dem Schutz
der natürlichen Vielfalt zugute.
Der Goßberg bei Walsdorf war einst der schönste Vulkankegel der Eifel.
D
er Landkreis Vulkaneifel ist geprägt
durch das Westeifeler Vulkanfeld. Es
umfasst viele junge Vulkane, trockene
und wassergefüllte Maare und Mineralwasserquellen. Einst wurden in der Eifel
Erz und begehrte Mühl- und Werksteine
abgebaut, auch für den Bau des Kölner
Doms. Heute wird aus wertvollen Basaltsäulen Splitt und aus Lavasand billiges
Schüttgut gewonnen. Kleine Steinbrüche
und Sandgruben wurden mit der Zeit zu
riesigen Löchern, bis zu 180 Hektar groß.
ZAHLREICHE WUNDEN
Die idyllische Erholungslandschaft wurde
systematisch dem Bergbau geopfert. 36
Gruben und Steinbrüche werden derzeit
noch ausgebeutet, auf über 800 Hektar
Fläche. Dazu kommen mehr als 25 stillgelegte Gruben. Dass diese Wunden in
der Landschaft die Tourismuswirtschaft
und die Gewinnung von Trink- und Mineralwasser beeinträchtigen, wurde lange Zeit
vernachlässigt.
Schon vor 15 Jahren machte der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz mit einem Symposium in
Gerolstein eindringlich auf den Konflikt
aufmerksam. 2014 sollte ein neuer Regionalplan der Industrie dennoch bis zu 2150
Hektar für die weitere Ausbeutung von
Rohstoffen sichern. Massiver Widerstand
vor Ort – auch vom BUND-Kreisverband
Daun – half den Planentwurf zurückzuweisen. Weitere fast acht Jahre später ist
es nun geschafft. Ein von der Landesregierung angebotener »Lösungsdialog«
sorgte dafür, dass die Vulkanlandschaft
künftig besser geschützt ist.
Endlich also genießt die Ausbeutung der
natürlichen Ressourcen keinen Vorrang
mehr gemäß dem antiquierten Bergrecht.
Dieser Durchbruch für den Natur- und
Landschaftsschutz ist auch dem beharrlichen Einsatz des BUND in Daun zu verdanken. Dabei halfen viele Eingaben und
persönliche Gespräche mit Landespolitik
und Fachbehörden, vor allem aber mit der
Kreisverwaltung und dem Kreistag.
Wichtig war auch die gute Kooperation
mit den anderen Naturschutzverbänden
und der IG Eifelvulkane. Und dass ein
BUND-Vertreter in die regionale Planungsgemeinschaft aufgenommen wurde.
Im Rahmen der Anhörung zum neuen
Regionalplan wollen wir erreichen, dass
die in Mitteleuropa einmalige Vulkanlandschaft noch besser geschützt wird. Und
wir wollen für eine dezentrale Produktion
von Schüttgut und einen nachhaltigeren
Ressourcenverbrauch werben.
Hartmut Schmidt,
BUND-Kreisverband Daun
KEIN VORRANG MEHR
Da die zuständige Planungsgemeinschaft
auf überdimensionierten Vorranggebieten
für den Bergbau beharrte, entwickelte der
Landkreis Vulkaneifel (unterstützt vom
BUND) eigene Vorstellungen, wie sich
Landschaftsschutz und Rohstoffabbau
vereinbaren lassen. Damit vermochte er
H. Schmidt
IG Eifelvulkane/Eifelflug
DURCHBRUCH GELUNGEN
Behördlich geduldete Deponie
am Naturdenkmal Rockeskyller Kopf.
28 BUNDmagazin 3 | 22
›
ZUR ZEIT
GRO E ZIELE
AdobeStock
THÜRINGER WALD
Christopher Schmid/BSR Thüringer Wald
Der Schwarzstorch ist einer der
Nutznießer des neuen Projekts.
Bergwiesen sind vielfältige Lebensräume und benötigen besondere Pflege.
Seit dem Herbst 2021
kümmert sich die
Naturstiftung David um
Bäche, Moore und Bergwiesen im Thüringer
Wald. Im Rahmen eines
umfangreichen Naturschutzprojekts will
die Stiftung des BUND
Thüringen Wiesen,
Gewässer und Moore
wiederbeleben.
CHRISTIANE BOHN
leitet das BUND-Team
Naturschutz-Großprojekte.
D
amit diese Biotope ihre ursprüngliche
Qualität wiedererlangen, wollen wir
naturferne Bachläufe renaturieren, Bergwiesen entbuschen und geschädigte
Moore wiedervernässen. Profitieren sollen
davon Tiere wie der Schwarzstorch, der
Feuersalamander oder die Westgroppe
und Pflanzen wie Wollgras, Trollblume
und Kugelige Teufelskralle.
GUT VORBEREITET
Das Schutzprojekt findet großen Anklang
in der Region. Zu unseren Kooperationspartnern zählen die Verwaltung des Biosphärenreservats Thüringer Wald, ThüringenForst (als Eigentümer vieler Flächen)
sowie die betroffenen Landkreise mit ihren
Naturschutz- und Wasserbehörden.
In den ersten drei Jahren lässt die Stiftung erfassen, was an Lebensräumen und
Tieren und Pflanzen noch vorhanden ist.
Damit kann sie planen, was im folgenden
Jahrzehnt zum Schutz der Natur getan
werden muss. So sollen zum Beispiel
Fließgewässer auf einer Länge von fast
550 Kilometern wieder ökologisch durchgängig und ihr Bachbett strukturreicher
werden. Ferner will die Stiftung bis zu 75
(Klein-)Moore revitalisieren und vernetzen.
Ein weiteres Ziel lautet, an die 1500 Hektar
Bergwiesen zu bewahren. Auf 30 Hektar
wird dafür eine mustergültige Erstpflege
erprobt. Auch will die Stiftung lichte Waldlebensräume mit einem stufigen Aufbau
der Waldränder entwickeln.
WICHTIGER LEBENSRAUM
Das Projektgebiet umfasst rund 6500
Hektar und damit so gut wie alle Bachläufe
samt ihrer Auen im Biosphärenreservat
Thüringer Wald. Zusätzlich sind alle
Moorflächen im Gebiet sowie die großen
Bergwiesen einbezogen. Der Thüringer
Wald ist auch ein wichtiger Lebensraum
der Europäischen Wildkatze. Nicht zuletzt
gilt er perspektivisch als entscheidender
Trittstein für die Wiederausbreitung des
Luchses in Deutschland.
www.bund.net/thueringer-wald
vom
Das Naturschutzgroßprojekt wird
ln des
Bundesamt für Naturschutz mit Mitte
nThüri
des
und
riums
iniste
weltm
Bundesum
t, im Rahger Umweltministeriums unterstütz
undesprogramms »chance.naturmen des B
Der BUND
Bundesförderung Naturschutz«.
igenanteil
E
den
David
ung
rstift
hilft der Natu
für das Vorhaben zu erbringen.
BUNDmagazin 3 | 22
›
ZUR ZEIT 29
Jir
GARTENSCHLÄFER
hdal
i Bo
RISKANTES REFUGIUM
D
Steffen Ernst
rei Jahre lang begaben sich Naturschützerinnen und Wissenschaftler
von BUND, Justus-Liebig-Uni Gießen und
der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung auf die Spur der Gartenschläfer.
Sie wollten aufklären, warum diese kleine
Schlafmaus aus immer mehr Regionen
Deutschlands in kurzer Zeit verschwindet.
Die Ergebnisse zeigen nun deutlich: Auch
ein derart anpassungsfähiges Nagetier
findet an vielen Orten keinen geeigneten
Lebensraum mehr.
recht weit verbreitet. Inzwischen sind sie
sehr selten geworden«, erklärt Johannes
Lang, Wildtierbiologe der Uni Gießen und
Gartenschläfer-Experte für den BUND.
»Das Waldsterben infolge der Dürrejahre
und dazu die intensive Forstwirtschaft
haben offenbar deutliche Spuren hinterlassen. Es mangelt den Gartenschläfern
besonders an Insekten, einer ihrer Nahrungsgrundlagen. Und an Möglichkeiten,
sich zu verstecken und zurückzuziehen.«
LEBENSRAUM MIT RISIKEN
Schublade in einem Schuppen als Versteck.
MITTELGEBIRGE VERLASSEN
In einigen Städten im Südwesten Deutschlands gibt es noch größere Vorkommen
des Gartenschläfers. In etlichen seiner
natürlichen Lebensräume aber fanden sich
kaum mehr Tiere. »In den Mittelgebirgen
fürchten wir derzeit ein Aussterben der
Art zu beobachten. Noch vor wenigen
Jahren waren die Gartenschläfer hier
Begrünte Stadtteile bieten noch am ehesten einen
passenden Lebensraum.
Jana V. M./pixabay
Grüne Städte als letzter Rückzugsort?
Darauf deuten die Ergebnisse einer
Spurensuche hin, die dem selten
gewordenen Gartenschläfer galt.
Dagegen scheinen Städte am Rhein wie
Wiesbaden oder Mainz für den Gartenschläfer eine Art Arche geworden zu sein.
Hier finden Sie noch passende Bedingungen. Doch eine echte Alternative sei das
nicht, betont Mechthild Klocke, die BUNDProjektleiterin der Spurensuche: »Städte
allein bieten dem Gartenschläfer keine
ausreichende Perspektive, darauf sollten
wir nicht vertrauen. Hier drohen Gefahren
wie Rattengift und Pestizide. Zudem werden viele Ballungsräume fortschreitend
verdichtet. Wo das Grün in der Stadt
schwindet, schrumpft auch sein Lebensraum. Und das Insektensterben macht vor
der Stadt ebenfalls nicht halt.«
Der Gartenschläfer
braucht Unterstützung.
AKTIV SCHÜTZEN
Darum startet das Team der Spurensuche
jetzt konkrete Schutzaktionen. Die kleine
Schlafmaus soll in ihren ursprünglichen
Lebensräumen eine Zukunft bekommen.
Mechthild Klocke: »Gemeinsam mit Freiwilligen wollen wir dem Gartenschläfer
neue Rückzugsorte schaffen: indem wir
Gehölze pflanzen, mehr verwilderte Flächen zulassen und Nistkästen anbieten.
Und wir wollen zeigen, wie sich jeder für
das Überleben dieser Art einsetzen kann,
privat oder beruflich.« Und damit für die
Artenvielfalt in Deutschland.
Jenny Kupfer
Aktiv werden
Sie wollen sich mit uns für den
Gartenschläfer einsetzen? Melden
Sie sich g
erne bei Andrea Andersen,
Freiwilligen-Koordinatorin im BUND:
andrea.andersen@bund.net.
> www.gartenschlaefer.de
wird im
e Gartenschläfer«
Die »Spurensuch
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Biolog
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des Bundesumwe
30 BUNDmagazin 3 | 22
›
ZUR ZEIT
ZUR APFELSAISON
BESSER BIO
Jetzt im August kommen die ersten heimischen
Äpfel auf den Markt. Gerade beim deutschen
Lieblingsobst gibt es gute Gründe, auf die Art
des Anbaus zu achten.
KATRIN WENZ
U
ngefähr 27 000 bis 35 000 Tonnen
Pestizidwirkstoffe werden pro Jahr
in Deutschland verkauft. Mehrheitlich
werden sie in der Landwirtschaft eingesetzt, gerade in Sonderkulturen wie
Obst und Gemüse wird viel gespritzt. Wo
und wie viel, ist nicht systematisch erfasst.
Es fehlt somit an Transparenz und genauen
Daten über besonders belastete Regionen.
Doch sicher ist: Am häufigsten werden Pestizide
beim Anbau von Äpfeln eingesetzt – durchschnittlich
28-mal bis zur Ernte!
GENETISCH VERARMT
Das Gros der heute angebauten Apfelsorten ist sehr anfällig für
Schädlinge, ein Ergebnis auch ihrer genetischen Verarmung.
Die meisten lassen sich auf wenige Sorten zurückführen: Golden
und Red Delicous, Cox Orange, Jonathan und James Grieve. Diese
Einfalt geht mit einer geringen Widerstandsfähigkeit einher.
Zu den größten Problemen beim Anbau zählen Pilzkrankheiten
wie der Apfelschorf. Sie vermindern die Qualität der Äpfel und
greifen auch die Bäume selbst an. Eine Rückbesinnung auf alte
Apfelsorten könnte dabei helfen, den Anbau besser an Krankheiten und auch Schädlinge anzupassen.
GIFTE GEGEN PILZE
Gegen die Pilzkrankheiten werden Fungizide eingesetzt. Sie
machen im Apfelanbau etwa 70 bis 80 Prozent der verwendeten
Greifen Sie zu einem Bio-Apfel,
am besten von der Streuobstwiese!
Pestizide aus. Mit Sorten, die gegen Pilze resistent sind, ließe sich ihr Einsatz
stark verringern, gerade beim Kampf gegen den Apfelschorf.
Auch diverse Milben und Blattläuse
können den Plantagen gefährlich werden.
Da Apfelbäume lange am Standort bleiben,
breiten sich solche Schädlinge leicht aus –
besonders wenn die natürlichen Gegenspieler
fehlen. Neben der Wahl robuster Sorten helfen
vielfältige Blühstreifen und genug Abstand zwischen
den Bäumen, um die Verluste in Grenzen zu halten.
POLITIK GEFORDERT
Die neue Bundesregierung ist mit dem Ziel der Agrarwende
angetreten. Dem müssen nun Taten folgen. Der BUND fordert
rasch ein Programm zur Minderung der Pestizide auf den Weg
zu bringen, mit konkreten Zielmarken. Die Agrarbetriebe müssen
mittels Beratung dabei unterstützt werden, weniger Pestizide zu
nutzen. Maßnahmen, die zu einem Minus an Pestiziden führen,
könnten finanziell gefördert werden.
Unser eigener Beitrag besteht darin, beim Einkauf auch Obst
zu akzeptieren, das nicht immer perfekt aussieht. Der Griff zum
saisonalen, regionalen Bio-Apfel spart Energie. Und er gibt uns
die Sicherheit, dass keine chemisch-synthetischen Pestizide
Verwendung fanden. Am besten greifen Sie zu Obst von Streuobstwiesen. Denn diese werden in der Regel extensiv bewirtschaftet.
Spritz- und Düngemittel kommen selten zum Einsatz, und ihre
biologische Vielfalt ist groß.
GettyImages
arbeitet im BUND-Team
Landnutzung zu Pestiziden.
BUNDmagazin 3 | 22
›
ZUR ZEIT 31
Next2Sun GmbH
AGRI-PHOTOVOLTAIK
Wiesenmahd zwischen senkrecht aufgestellten Modulen.
SOLARSTROM
RASCH AUSBAUEN
Neben dem Wind müssen wir auch die Sonne
stärker nutzen, um uns mit Energie versorgen zu
können und das Klima zu schützen. Der BUND hat
sich neu positioniert, wie ein naturverträglicher
Ausbau auf Dächern und im Freiland gelingen kann.
WERNER NEUMANN
KAI FROBEL
ist Sprecher des B
UNDArbeitskreises Energie.
ist Sprecher des BUNDArbeitskreises Naturschutz.
S
trom aus Photovoltaik spielt eine immer wichtigere Rolle für Deutschlands
Energiewende. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung
zeigt, dass wir bis zu 350 Gigawatt mithilfe der Photovoltaik gewinnen müssen.
Dabei ist einberechnet, dass der Strom
so sparsam wie möglich verwendet wird,
ob in Wärmepumpen oder zum Beispiel
in der Elektromobilität.
VORRANG FÜR GEBÄUDE
Der Bundesvorstand hat dazu eine neue
Position beschlossen. »So viel Photovoltaik auf dem Dach wie möglich – so viel
Photovoltaik im Freiland wie nötig«, lautet
das Fazit. Darin fordert der BUND einen
Vorrang für Photovoltaik auf Dächern und
Fassaden, an Lärmschutzwänden oder
auf Parkplätzen.
Allein 250 Gigawatt ließen sich aus unserer Sicht durch eine gesetzliche Pflicht
gewinnen, alle geeigneten Gebäude und
versiegelten Flächen mit Solarmodulen
zu bestücken. Auf freier Fläche müssten
dann nur noch 100 Gigawatt gewonnen
werden. Eine derartige Aufteilung hilft
Nutzungskonflikte zu vermeiden.
Für ebenso wichtig halten wir gesetzliche
Erleichterungen für die Erzeugung von Eigen- oder Mieterstrom und für bürgerliche
Energiegemeinschaften.
Wir müssen das Klima besser schützen
und unabhängiger von Energieimporten
werden. Hier drängt die Zeit. Darum sind
Solaranlagen auch im Freiland nötig. Der
BUND fordert ihren Bau planerisch zu
steuern und mit klaren ökologischen
Standards zu verbinden. So wollen wir
verhindern, dass riesige Flächen mit Solarmodulen zugepflastert oder mit sterilem
Rasen unterlegt werden.
Agri-Photovoltaik verknüpft die Erzeugung von Solarstrom und landwirtschaftlichen Produkten auf ein und derselben
Fläche. Relativ aufwendig ist es, (zumeist
Obst-)Kulturen mit Solarmodulen zu überdachen, was den Pflanzen Schutz bietet.
Mehr Potenzial verspricht es, wenn die
Solarmodule platzsparend senkrecht aufgestellt werden und die Sonne von Osten
und Westen nutzen. Dabei geht höchstens
ein Zehntel der Agrarfläche verloren.
Auch klassisch schräg Richtung Süden
ausgerichtete Anlagen lassen sich naturverträglich bewirtschaften, mit extensiv
genutzten Wiesen und Brachen und dem
Verzicht auf Dünger und Pestizide. Zahlreiche Leitfäden zeigen, wie das geht.
MODULE STATT MAIS
Insgesamt genügen ohnehin 0,5 Prozent
der deutschen Landfläche, um mittels
Photovoltaik im Freiland 100 Gigawatt zu
gewinnen. Zum Vergleich: Derzeit werden
allein auf 7 Prozent oder 2,5 Millionen
Hektar Energiepflanzen wie vor allem Mais
angebaut. Photovoltaik bringt auf gleicher
Fläche die 30- bis 50-fache Menge an
Energie.
Schließlich lassen sich Freiflächen auch
für die Solarthermie nutzen, um Wärmenetze zu versorgen. Ein Vorbild ist hier
Dänemark.
i
Mehr zum Thema
Die neue BUND-Position finden Sie unter
www.bund.net/position-photovoltaik.
Gutes Beispiel für PV auf freier Fläche:
www.buergerenergiebodensee.de/
projekte/solarpark-mooshof (mit einem
schönen Kurzfilm auf Youtube)
Bedroht
25 Fledermausarten leben in
Deutschland. Wie keine andere
ist die Bechsteinfledermaus
an naturnahe Laubwälder
gebunden. Mit ihren kurzen
und breiten Flügeln jagt sie
geschickt nach Spinnen und
Insekten. Um sie im Dunklen
von Blättern und vom Boden
zu schnappen, helfen ihr die
großen Ohren. Damit empfängt
sie das Echo ihrer Ultraschall-
laute, aber auch noch leiseste
Krabbelgeräusche.
Die Bechsteinfledermaus gilt
heute als stark gefährdet. Kein
Wunder, ist sie doch auf Wälder
mit höhlenreichen Bäumen und
viel Totholz angewiesen. Diesen
raren Lebensraum teilt sie mit
der Wildkatze und weiteren
Seltenheiten. Der BUND fordert
mindestens ein Zehntel der
heimischen Wälder sich selbst
zu überlassen.
mauritius images/Marko König/imageBROKER
SPANDAUER FORST
M. Krauß
WENIGER WÄRE MEHR
Er zählt zu den wertvollsten Wäldern der
Hauptstadt. Doch die Berliner Wasserbetriebe
fördern im Spandauer Forst seit Jahrzehnten
zu viel Wasser. Der Wald und seine g
eschützten
Moore leiden darunter.
S
eit 30 Jahren gibt es das Netzwerk
»Natura 2000«. Ihm ist es zu verdanken, dass die wertvollsten europäischen
Naturlandschaften heute zumindest auf
dem Papier gut gesichert sind. Doch an
den Knotenpunkten dieses Netzes, in den
FFH- und Vogelschutzgebieten, klaffen
Anspruch und Wirklichkeit oft weit auseinander. In Deutschland sind die Defizite
besonders groß. Darauf weisen unsere
Reportagen im BUNDmagazin seit vielen
Jahren hin. Auch im Spandauer Forst treten die Versäumnisse deutlich zutage.
NATUR AUS ZWEITER HAND
Anfang Juni zeigt sich das Teufelsbruch
von seiner besten Seite. Frösche quaken
im Flachwasser um die Wette. Im Schilf
lärmt ein Drosselrohrsänger, ein paar
Meter weiter blühen gelbe Schwertlilien
am Ufer. In den Baumkronen singen Pirol,
Hohltaube und Trauerschnäpper. Und tief
aus dem Inneren des Waldes dringen die
wilden Rufe des Schwarzspechtes. Wie
gut, hier scheint die Welt noch in Ordnung
zu sein.
Ganz voller Leben, so wirkt das Feuchtgebiet an diesem sonnigen Tag. Und hat
doch kaum mehr etwas gemein mit dem
Lebensraum, der eigentlich geschützt
werden soll. Denn der Durst der Berliner
hat dem mäßig nährstoffhaltigen Verlandungsmoor, das einst hier lag, längst das
Wasser abgegraben. Manfred Krauß, der
Experte des Berliner BUND, beobachtet
die Entwicklung des Spandauer Forstes
Die BUND-Fachleute Angela von Lührte und
Manfred Krauß beim Ortstermin am Teufelsbruch.
seit Jahrzehnten: »Schon vor 30 Jahren
war allen Beteiligten klar, dass die vielen
Brunnen hier zu viel Wasser fördern.«
TÜMPEL STATT MOOR
Als der Spiegel des Grundwassers damals sank, drangen Erlen in das Moor ein.
Die Wasserbetriebe reagierten, zapften
die nahe Havel an und stauten das Teufelsbruch künstlich auf. Den Erlen bekam
die Flutung nicht, ihre Skelette ragen heute überall aus dem Tümpel. Der Grundwasserspiegel dagegen hob sich kaum.
Seit mit dem Havelwasser reichlich
Nährstoffe ins Gebiet gelangen, breiten
BUNDmagazin 3 | 22
›
NATUR IM PORTRÄT 35
Trockengefallenes Nebenmoor des Teufelsbruchs im Spandauer Forst.
TEGELER
FORST
TEGELER
FORST
Landschaftsschutzgebiet
Naturschutzgebiet
HAVEL
HAVEL
Blühende Sumpf-Schwertlilie.
Brais Seara Fernandez/BIA
HAVEL
M. Krauß
TEGELER
FORST
Das Fauna-Flora-Habitat-Gebiet Spandauer Forst im Nordwesten Berlins grenzt direkt an Brandenburg.
sich am Ufer Schilfröhrichte aus. Frösche,
Graureiher oder der Zwergtaucher wissen
das zu schätzen. Nur vom früheren Moor
ist beinahe nichts geblieben.
Nirgends in Deutschland fiel in diesem
Frühling so wenig Regen wie in Berlin.
Schon deshalb kämpft die Natur hier mit
der Dürre. Die exzessive Förderung von
Grundwasser verschärft die Lage zusätzlich, auch im Spandauer Forst, dem mit
1347 Hektar zweitgrößten FFH-Gebiet der
Stadt. Kleine Nebenmoore des Teufelsbruchs sind bereits ausgetrocknet. Viele
Bäume dürsten ebenfalls, wie Angela von
Lührte, die Waldexpertin des BUND Berlin,
vor Ort verdeutlicht.
RAUBBAU UND KOSMETIK
Im März 2021 reichten die Berliner Naturschutzverbände Klage ein. Sie bezichtigten die Umweltverwaltung der Untätigkeit.
Einer der Initiatoren ist Manfred Krauß:
»Die Berliner Wasserwerke betreiben
Raubbau an der Ressource Grundwasser.
Ein vom Umweltsenat selbst beauftragtes
Gutachten bestätigt, dass Wälder, Moore
und Feuchtbiotope erheblich unter der
Wasserentnahme leiden, im Spandauer
Forst wie im Grunewald oder rund um den
Müggelsee.« Dies sei ein klarer Verstoß
gegen die FFH-Richtlinie, nach der sich
die Qualität der Lebensräume in diesen
Gebieten nicht verschlechtern darf.
In dem genannten Gutachten heißt es
gleich am Anfang unmissverständlich:
»Durch die Grundwasserabsenkung haben die Moore ihren Urzustand verloren
und sind allesamt weit vom natürlichen
Zustand entfernt.« Zwar schließt sich eine
Vielzahl möglicher Gegenmaßnahmen an.
Doch entscheidend sei eben der Grundwasserspiegel, so Krauß. Bleibe der so
niedrig, wäre das mit dem FFH-Recht unvereinbar und ein Großteil der geplanten
Eingriffe nicht mehr als Kosmetik.
JETZT HANDELN
Aus Rücksicht auf die Schutzziele im
Spandauer Forst soll nun ein Gericht verfügen, dass Berlin weniger Grundwasser
fördert. Die Naturschutzverbände sehen
dafür trotz der ausbleibenden Niederschläge noch immer genügend Spielraum.
So könnten die Wasserbetriebe Brunnen
in weniger empfindliche Bereiche verlegen,
Mindestgrundwasserstände festlegen und
enger mit den Wasserwerken im Umland
kooperieren.
Drei Viertel des Hauptstadtwassers
verbrauchen die privaten Haushalte. Für
Nicht nur in Berlin als Brutvogel rückläufig:
der Trauerschnäpper, hier ein M
ännchen.
Manfred Krauß ist die Sache klar: »Wir
dürfen unser Trinkwasser nicht länger so
verschwenden.« Warum würden Toilettenspülungen oder Rasensprenger immer
noch mit dem kostbaren Trinkwasser betrieben? Technisch sei es längst möglich,
mehr Grauwasser einzusetzen, sprich:
nur leicht verschmutztes Abwasser aus
Bad und Küche. Das müsse endlich in der
Bauordnung verankert werden.
UNZEITGEMÄSS
Für einen bedachten Umgang mit der Ressource Wasser wirbt auch die Berliner
Wassernetz-Initiative. Darin engagieren
sich viele BUND-Aktive. Angesichts der
schwindenden Niederschläge fordert die
Initiative einen Aktionsplan des Senates.
Volle Swimmingpools und das ausgiebige
Wässern von Rasenflächen während der
heißen Sommermonate seien einfach nicht
mehr zeitgemäß.
Mit einem Urteil rechnet Manfred Krauß
frühestens in ein oder zwei Jahren. Wann
werden sich die Wasserbetriebe zu einer
umweltschonenderen Praxis durchgerungen haben? Hoffentlich noch rechtzeitig,
um die Reste der einst vielfältigen Moore
der Stadt zu bewahren.
sz
36 BUNDmagazin 3 | 22
›
AKTIV
IM GESPRÄCH MIT
FRANCOISE VILLARD
Als sinnlicher Zugang zu einer regionalen
Versorgung?
Ja, sinnlich und natürlich, so wie wir geschaffen sind. Noch steckt das Projekt in
den Kinderschuhen. Doch schon finden
die Leute ins Gespräch und begegnen
sich draußen. Ich bekomme oft zu hören:
Hier haben doch alle ihre Gärten! Aber es
geht ja darum, wieder etwas gemeinsam
zu tun. In Riegelsberg leben auch Menschen aus Syrien oder dem Iran. Sie haben
hier ein Dach überm Kopf, sind aber oft
isoliert von den Einheimischen. Mein Ziel
ist es, Menschen jedes Alters zusammenzubringen, aus verschiedenen Kulturen
und Milieus. Und ihnen zu vermitteln: Wir
können etwas gestalten.
In einer Kleinstadt
im Saarland will die
deutsch-französische
Übersetzerin Menschen
zusammenbringen –
mit einem Projekt, das
sie zuvor s
chon in der
Bretagne erprobt hat.
Frau Villard, was verbindet Sie mit dem
Umweltschutz?
Ich interessiere mich besonders für die
Permakultur. Dabei geht es viel um den
Schutz der Umwelt: Wie können wir einfacher leben und Ressourcen sparen und
dies im Alltag integrieren? Ein Beispiel
sind Humustoiletten, mit denen ich mich
schon länger beschäftige. Mein zweites
Hauptanliegen ist es, mit Menschen zu
arbeiten. Der Faktor Mensch rückt immer
in den Vordergrund, mit ihm steht und fällt
jedes Projekt.
Wie fanden Sie nach Ihrem Umzug zur
örtlichen BUND-Gruppe?
Eine junge Dame klingelte an meiner
Haustür, um Mitglieder für den BUND zu
werben. Sie war nett und engagiert, sodass
ich mir das gleich gut vorstellen konnte.
Ich habe dann ein wenig recherchiert und
erfahren, dass es eine Regionalgruppe
gibt. Das war mir wichtig, ich wollte hier
am Ort aktiv werden.
Empfing man Sie mit offenen Armen?
Sagen wir es so: Ich bin zu der Mitgliederversammlung gegangen, um die Leute
kennenzulernen. Und wie das oft so ist,
der Kreis der anwesenden Aktiven war
eher klein. So saß ich am Ende gleich als
Beisitzerin mit im Vorstand.
Und dann wagten Sie ein Experiment?
Genau, die »Essbare Stadt Riegelsberg«,
nach dem Vorbild anderer Kommunen.
Essen müssen wir alle, darum das Motto:
Wer isst, ist dabei. Ich möchte gerne wieder das Bewusstsein dafür wecken, was
es bedeutet Nahrungsmittel herzustellen.
Unser Essen wächst ja nicht im Supermarkt. Die Gemeinde pflegt öffentliches
Grün aufwendig mit Rasen und Blumen in
Reih und Glied. Schon früh um halb 8
werden die Flächen mit der Motorsense
gesäubert, das hat so gar nichts Fruchtbares. Dabei könnten dort auch Himbeer
sträucher oder bienenfreundlicher Salbei
wachsen.
Fällt es leicht, Ihr Anliegen umzusetzen?
Nun ja, in der bretonischen Kleinstadt, in
der ich ein ähnliches Projekt verwirklicht
habe, war es einfacher. Der zweite Bürgermeister war voll dabei, auch die Bürgermeisterin unterstützte mich. Man ließ uns
untereinander etwas organisieren. Hier
heißt es, wir sollten einen Antrag stellen.
Man ist vorsichtiger, bürokratischer, auch
perfektionistischer. So fällt es schwerer,
wieder ein bürgerliches Selbstbewusstsein
zu erlangen, nicht nur Bewohnerin und
Steuerzahler zu sein, sondern aktiv mitzugestalten. Die essbare Stadt ist auch ein
menschliches Experiment. Essbare Beete
gibt es vielerorts, die EU hat das gefördert.
Da wurde etwas aufgebaut und abgeschlossen – und dann ist oft kein Leben
mehr darin. Leben bedeutet, dass etwas
auch spontan und chaotisch entstehen
kann, dass es vielleicht mal Streit gibt.
Doch miteinander draußen zu sein, tut uns
allen gut. Und wo wieder etwas wächst,
gibt es auch etwas zu ernten.
Viel Erfolg damit!
sz
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Gruppen we
Der erste Jahresbeitrag jedes neu gewonnenen Mitglieds geht an Ihre Gruppe.
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Ab 15 neue
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Mitglieder sowie Mitgliedsanträge zum
Selbstausdrucken und weiteres Material zum
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LIEBE BUND-GRUPPEN,
bitte nutzt die Möglichkeit für euch selbst, euren Landesverband
sowie den deutschlandweiten Natur- und Umweltschutz, neue
Freund*innen der Erde zu gewinnen.
Dieses Jahr haben wir so viele Prämien verteilt wie noch nie. Die Teilnahme
lohnt sich. Bestellt Mitgliedsanträge oder nutzt das Onlineformular.
Für die Zuordnung ist es wichtig, dass euer Gruppenname eingetragen ist.
Vielen Dank an alle Gruppen, die bereits mitmachen!
Tipps und Hinweise zum Anwerben neuer Mitglieder findet ihr hier im
BUNDmagazin oder auf der Website. Nutzt bei Fragen oder Unklarheiten
auch gerne die unten stehende Telefonnummer oder wendet euch
vertrauensvoll an eure Ansprechperson beim Landesverband.
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FINDEN NEUER MITGLIEDER!
Für Rückfragen, Anregungen und Ratschläge melden Sie sich unter: 030/27586-319
Geworben durch BUND-Gruppe:
Antwort
BUND für Umwelt und Naturschutz
Deutschland e.V.
Mitgliederservice
Kaiserin-Augusta-Allee 5
10553 Berlin
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AKTIV
ONLINE-GIPFEL
AM GEMEINWOHL ORIENTIERT
W
ir alle brauchen ein Dach über dem
Kopf, gesunde Lebensmittel und
Strom, um abends das Licht anzudrehen.
Wir wollen mobil sein und gut versorgt,
falls wir mal ins Krankenhaus kommen.
Wie diese grundlegenden Bedürfnisse
sozial und ökologisch gerecht organisiert
werden können, darüber diskutierte der
BUND am 1. Juli beim Online-Gipfel »Not
for Profit«.
Gemeinsam mit unseren Partnern vom
Paritäter und Mieterbund sowie mehr als
170 Teilnehmenden fragten wir uns: So,
wie wir derzeit als Gesellschaft unsere
Ernährung, Gesundheits- und Energieversorgung oder Wohnen und Mobilität
organisieren – ist das gut für alle? Oder
nur für diejenigen, die den Gewinn einstreichen? Und wie könnten wir das anders
regeln, vorrangig am Gemeinwohl statt
am Profit orientiert?
Dabei haben wir viel gelernt. So sind in
Wien die Mieten deutlich bezahlbarer als
in deutschen Städten, da der Wohnraum
nicht so umfangreich privatisiert wurde.
Auch in Deutschland will die Bundesregie-
ICH HELFE MIT
rung wieder eine Wohngemeinnützigkeit
einführen. In der Landwirtschaft hat die
am Gemeinwohl orientierte Verpachtung
öffentlicher Flächen viel Potenzial. Dies
belebt ländliche Räume und verschafft
bäuerlichen Betrieben wieder Zugang zu
Land. Ähnliches ist bei der Versorgung mit
Energie möglich. Schon lange fordert der
BUND Gemeinschaften besserzustellen,
die vor Ort unabhängig von Konzernen
Wind- und Sonnenenergie gewinnen.
Unser Gipfel hat gezeigt: Damit soziale
und ökologische Alternativen eine echte
Chance bekommen, müssen wir weg vom
Profit und hin zu dezentralen und demokratischen Lösungen.
Lia Polotzek
www.bund.net/zukunftsagenda
Für eine Familienmitgliedschaft tragen Sie bitte hier Name und Geburtsdatum
Ihrer Liebsten ein: Jede Stimme zählt!
und werde jetzt BUND-Mitglied.
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Vorname, Name
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Straße und Hausnummer
PLZ
Collage A. Rusch/dieprojektoren.de (mit iStock-Grafiken)
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Anschrift des BUND (BV) erreichen Sie auch dessen Datenschutzbeauftragten. Die Nutzung Ihrer Adressdaten für
werbliche Zwecke erfolgt gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Einer solchen Nutzung können Sie jederzeit widersprechen.
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AKTIV 39
Jörg Farys
BUNDmagazin 3 | 22
Sommerdebatte: Besser mobil
Julia Dade vom Vorstand der BUNDjugend diskutierte am 31. Mai mit dem BUND-Vorsitzenden
Olaf Bandt und Verkehrsminister Volker Wissing (rechts). Das Thema: Wie gelingt der dringende
Politikwandel hin zu einer sozial-ökologischen Mobilität? An die tausend Menschen verfolgten online
mit, wie der Minister auf Eigenverantwortung und Wahlfreiheit pochte und dabei an die Menschen mit
Auto dachte. Und wie Julia Dade entgegnete, dass diese Freiheit doch auch für Menschen gelten müsse,
die stressfrei zu Fuß, per Rad oder mit Bus und Bahn unterwegs sein möchten. Zwei Wochen später
demonstrierten bundesweit viele BUND-Aktive für einen menschen- und umweltfreundlichen Verkehr.
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Können wir den KLIMAWANDEL
noch beherrschen?
Der Klimawandel ist längst in
Deutschland angekommen.
Die globalen Folgen sind
nicht absehbar. Doch es gibt
auch Hoffnungsschimmer. Der
angesehene Klimaforscher
Mojib Latif widmet sein neues
Buch diesen Fragen: Welche
Folgen wird der Klimawandel
haben und was ist zu tun,
ökologisch, ökonomisch,
politisch und gesellschaftlich. Wir müssen handeln –
der Countdown läuft.
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40 BUNDmagazin 3 | 22
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AKTIV
›
Internationales
TILL GROTH
Rafael Alvarez D./Behiquealto
setzt sich mit dem Partner
des BUND in Kolumbien für
mehr Klimaschutz ein.
Der BUND-Partner »Censat Agua Viva«
(Friends of the Earth Kolumbien) tut dies
seit vielen Jahren. Mit bunten Aktionen
setzt er sich dafür ein, das Fracking zu
verbieten, aus den fossilen Energien auszusteigen und einen gerechten Energiewandel einzuläuten – Mensch und Natur
immer im Mittelpunkt.
Start der Kampagne gegen geplantes Fracking in Puerto Wilches.
KOLUMBIEN
GRÜNER WANDEL?
Drogenkartelle, Polizeigewalt und soziale
Ungleichheit –
und ein riesiger biologischer
Reichtum. In Kolumbien hat es einen
wichtigen Regierungswechsel gegeben.
K
olumbien zählt zu den Ländern mit
der größten natürlichen Vielfalt. So
gibt es nirgendwo mehr Vogelarten als
hier im Nordwesten Südamerikas. Die
Chance, dass dieser Schatz angemessen
gehütet wird, ist seit der Wahl von Gustavo Petro am 19. Juni größer geworden.
Auch unser Partnerverband dort hofft, in
einem gefährlichen Umfeld künftig mehr
Einfluss auf die staatliche Umweltpolitik
nehmen zu können.
GROSSE ZIELE
Kolumbien hat gewählt. Und diese Wahl
könnte das Land nachhaltig verändern.
Gustavo Petro und seine afrokolumbianische Vizepräsidentin Francia Márquez,
eine langjährige Umweltaktivistin, sind mit
ehrgeizigen Zielen angetreten. So wollen
sie die Wirtschaft aus der Abhängigkeit
fossiler Exporte befreien oder im Kampf
gegen den Drogenhandel der ländlichen
Bevölkerung nachhaltigere Alternativen
bieten.
Doch was werden die beiden in den
nächsten vier Jahren erreichen können?
Kolumbien gilt als weltweit gefährlichster
Ort für Umweltaktive. Allein im Jahr 2020
wurden 65 von ihnen umgebracht. Häufig
stehen die Morde im Zusammenhang mit
industriellen Großprojekten, die zur Vertreibung von ohnehin marginalisierten
(oft indigenen) Menschen führen. Es gehört riesiger Mut dazu, trotz dieses Risikos
weiter für Natur und Umwelt zu kämpfen.
www.bund.net/iki-projekt
GROSSER EINSATZ
Seit 2018 engagiert sich der BUND nun
gemeinsam mit den kolumbianischen
Verbündeten dafür, die Stimmen der Zivilgesellschaft in der nationalen Klimapolitik
zu stärken. Gesellschaftliche Gruppen
können entscheidend mitwirken, wenn es
darum geht, nationale Klimapläne zu entwickeln und umzusetzen – falls sie denn
einbezogen werden. Mit Kampagnen und
viel Öffentlichkeitsarbeit trägt Censat seit
drei Jahren entscheidend dazu bei, eine
umweltfreundlichere Klimapolitik zu entwickeln. Und das spiegelt sich jetzt auch
im Programm der neuen Regierung von
Gustavo Petro wider.
PROBLEMATISCH
Mehr als fünf Prozent der von
Deutschland importierten Steinkohle
stammte 2021 aus Kolumbien.
Um den bisher wichtigsten Anbieter
Russland zu ersetzen, führte Kanzler Olaf Scholz noch kurz vor der
Wahl Gespräche mit dem Ziel, mehr
kolumbianische Kohle einzuführen.
Problematisch ist das mit Blick auf
den Klimaschutz und die Lage der
Menschenrechte rund um El Cerejón,
Lateinamerikas größte Kohlemine.
Ihr Betrieb führt seit Jahren zu Tod
und Vertreibung des indigenen Volks
der Wayuu.
BUNDmagazin 3 | 22
›
AKTIV
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Internationales 41
FREUNDE DER ERDE
Weltweit verschärfen sich die Krisen.
Die Zeit zum Handeln drängt. Ein wichtiger
Hebel für den sozial-ökologischen Wandel ist
unser Netzwerk »Friends of the Earth« (FoE).
Es besteht nun seit mehr als 50 Jahren.
SUSANN SCHERBARTH
betreut die internationale
Klimapolitik des BUND.
I
m Jahre 1971 gründeten Umweltverbände aus Frankreich, Großbritannien,
Schweden und den USA die »Friends of
the Earth International«. Der BUND trat
dem Bündnis 1989 bei. Heute umfasst
das weltgrößte Netzwerk basisdemokratischer Umweltgruppen 73 Mitglieder in
aller Welt.
Zum 50. Geburtstag bat »Real World Radio«, die FoE-eigene Radioshow, Ende Mai
einen der Gründer des Netzwerks, fünf
ehemalige Vorsitzende und den derzeitigen
Vorsitzenden Hemantha Withanage aus
J. Farys
GLOBAL GEFORDERT
Sri Lanka zum Gespräch. Was haben die
Freunde der Erde in diesem halben Jahrhundert geleistet? Wie hat sich das Bündnis entwickelt, politisch, strategisch und
strukturell? Den Podcast finden Sie unter:
rwr.fm/interviews/friends-of-the-earth-
international-foei-at-50
EUROPÄISCHES BÜNDNIS
Seit 1985 gibt es in Brüssel ein eigenes
Büro für die Friends of the Earth Europe.
Unter anderem liefert es alljährlich eine
Zusammenfassung unserer wichtigsten
Aktivitäten. Lesen Sie im neuen Jahresbericht, welche Höhepunkte die mehr als
30 europäischen Mitglieder im letzten
Jahr gemeldet haben, von Schweden bis
Malta und von Irland bis Bulgarien:
review2021.friendsoftheearth.eu
Gruppenfoto der europäischen
»Friends of the Earth« in Prag.
Seit einem halben Jahrhundert engagieren
sich die Freunde der Erde für eine bessere Welt,
hier im Umfeld einer UN-Klimakonferenz.
Einige Beispiele: FoE Niederlande konnte
vor Gericht ein historisches Urteil gegen
Shell erstreiten. FoE Bosnien und Herzegowina gelang es, den Fluss Sana als
Naturmonument vor der Zerstörung durch
Wasserkraftwerke zu bewahren. FoE Estland bot eine Sommerschule zum Thema
Postwachstum an. Und unser spanischer
FoE-Partner etablierte sich als nationales
Kompetenzzentrum für Energiegemeinschaften und warb für das Poten
zial
solch lokaler Bündnisse.
STRATEGIE UND SOLIDARITÄT
Im Juni fand die jüngste Hauptversammlung der Friends of the Earth Europe statt.
Sehr gastfreundlich empfingen unsere
tschechischen Freunde von »Hnuti DUHA«
in Prag insgesamt 17 Mitgliedsgruppen,
darunter den BUND. Der Schwerpunkt lautete »Re-connecting and Re-imagining«,
also: Wiedervernetzen und Neu-Denken.
Die Versammlung markierte den Startschuss für einen langfristigen Strategieprozess. Hemantha Withanage lieferte
uns dazu globale Perspektiven und Anregungen. Außerdem diskutierten wir über
den russischen Angriffskrieg und seine
Folgen für unsere Arbeit. Im Anschluss
veröffentlichte FoE Europe gemeinsam
mit FoE Georgia eine Solidaritätserklärung
zugunsten der Ukraine, Moldawiens und
Georgiens. Diese finden Sie hier:
friendsoftheearth.eu/news/solidarity-
with-ukraine-moldova-and-georgia
›
AKTIV
Wie kommt man
(klima-)gerecht von A
nach B, in der Stadt
und auf dem Land? Die
BUNDjugend kämpft für
eine Mobilitätswende.
Im Projekt STADTräume
hat sie dafür Ideen und
Visionen entwickelt.
Helge Bendl (4)
42 BUNDmagazin 3 | 22
JUNGE SEITE
RECLAIM THE STREETS
S
tädte mit mehr Grün statt parkenden
Autos: Davon träumt Anna. Ahmad
wünscht sich kostenlose Bahnen. Vera
möchte Straßen in Picknickplätze verwandeln. Und Patrick hofft, dass auf dem
Dorf mehr Busse fahren. Alle sind sich
einig: Es muss sich viel verändern – in
der Stadt und auf dem Land.
»Was ist wichtig für euren Ort? Was
wollt ihr verbessern?«, fragt Malena
Fröhlich in die Runde. Die Berlinerin
absolviert ein Freiwilliges Ökologisches Jahr bei der BUNDjugend und
hat einen Workshop zur Mobilität
mitorganisiert. Gut 15 junge Menschen
sind dazu nach Bremen gekommen.
»STADTräume – Reclaim the Streets!«
lautet der Titel des Projekts.
Von Städten träumen, die anders und
viel lebenswerter sind als heute? Und die
Freiraum bieten auch für Menschen, die
von Diskriminierung betroffen sind? Okay,
verstanden. Aber was ist damit gemeint,
die Straße zurückzufordern?
GEHÖR FINDEN
Noch prägen Autos den öffentlichen
Stadtraum. Das möchte die BUNDjugend
ändern. Ihr geht es um mehr als darum,
sich den Raum per Flashmob oder
Fahrraddemo für kurze Zeit anzueignen.
»Junge Leute müssen Gehör finden«,
erklärt Projektleiterin Stella Mederake.
»Wir möchten unsere Wünsche und
Träume formulieren und in die Politik
tragen.« Schwerpunkt der Kampagne
ist die Mobilität. Aber eben nicht nur:
»Junge Menschen brauchen auch
Orte, wo sie sich begegnen und erholen
können – und bezahlbar wohnen.«
Viele haben sich in den vergangenen
zwei Jahren beteiligt. Der Kalender war
voll: mit Fahrraddemos und Parkplatzbesetzungen, mit dem Aktionscamp
gegen die Autolobby der IAA in München, mit Seminaren und Sofarunden mit
Politiker*innen und einer Social-MediaChallenge. Ordentlich Programm, trotz
Corona. Zum Abschluss stand nun das
Wochenende in Bremen an.
BETON UND GRÜN
Frei atmen und gut leben können, das
wünschen sich die Teilnehmer*innen, wie
eine Blitzumfrage ergibt. Die anschließende Stadtrallye zeigt die Realität. Los
geht’s vor dem Hauptbahnhof. Viel Lärm
und Trubel ist hier, aber keine Möglichkeit,
sich entspannt zu setzen – ohne in einem
Café Geld auszugeben. An einer nahen
Kreuzung lässt einen die Ampel auf der
Mittelinsel stranden, erst viele stinkende
Autos später ist die Straße passiert.
Schlimmer geht es nicht? Leider doch:
Der Breitenweg ist eine vierspurige Hochstraße nur für Autos, auch darunter kein
bisschen Grün. Angenehmer ist es in den
Wallanlagen am Rand der Altstadt. Auf einer Karte zeichnen alle ein, was sie hören:
eine Amsel oder den Hund eines Spaziergängers. Doch der Flughafen ist nicht weit,
und das Jaulen der Triebwerke zerstört
den stillen Moment.
Auch Orte des Wandels gibt es. Die
Gruppe isst im kollektiv betriebenen Kulturzentrum Kukoon zu Mittag und besucht
den einst grauen Lucie-Flechtmann-Platz.
Dank Urban Gardening hat er sich in eine
Oase mit Hochbeeten verwandelt. Sonntags wird geerntet, am Kräuterbeet darf
sich jede*r bedienen.
BUNDmagazin 3 | 22
›
AKTIV 43
NEUER VORSTAND
ABGESCHNITTEN
EINMISCHEN!
»Zwölf Quadratmeter beansprucht ein
Auto zum Parken, das entspricht einem
WG-Zimmer«, meint Leo Treder, der schon
länger bei der BUNDjugend aktiv ist. »Unsere Städte sollen aber für Menschen da
sein, nicht für Autos. Auch E-Autos lösen
das Platzproblem nicht.« Im Kleinen sind
in Bremen schon Veränderungen sichtbar:
Ein Café hat einen Parkplatz zum Freisitz
verwandelt. Wo vorher ein Haufen Metall
herumstand, lassen sich jetzt vegane
Torten und Hafer-Cookies genießen.
Zu wenig Platz für Menschen und zu
viel Verkehr? Auf dem Land gibt es andere
Probleme. Zum Beispiel von A nach B zu
kommen, wenn man keinen Führerschein
hat. Einige Teilnehmer*innen des Workshops sind aus Georgenthal im Thüringer
Wald angereist. »Früher fuhr bei uns noch
die Ohratalbahn, doch die ist längst stillgelegt«, erzählt Marietta Nürnberger.
Busse fahren viel zu selten. »Auf den
Dörfern sind wir total abgeschnitten.«
Von Angeboten wie dem 9-Euro-Ticket
hat man wenig, wenn man gar nicht erst
wegkommt.
Im Kinder- und Jugendforum Georgenthal
engagieren sich 12- bis 18-Jährige. In
Bremen hoffen sie auf Anregungen, wie
sie ihre Lage verbessern können. Sichere
Radwege? Busverbindungen in den Nachbarort auch am Abend, wenn man die
Freund*innen besuchen will? Oder Bänke
am Straßenrand für die, die eine Mitfahrgelegenheit brauchen?
»Auch wir Jungen möchten uns einmischen«, so die Koordinatorin Marietta
Nürnberger. Die Idee der Mitfahrbänke
lässt sich wohl am schnellsten umsetzen
und soll mit dem Bürgermeister besprochen werden. Aber in Georgenthal sind
sie bereit, dickere Bretter zu bohren. Im
Herbst wollen sie Unterschriften sammeln
für die Reaktivierung der Ohratalbahn.
Eröffnet wurde die Bahnstrecke 1876.
Wer weiß, vielleicht rollen
ja zum 150-jährigen
Bestehen wieder Züge
über die 35 Kilometer
von Gräfenroda nach
Gotha?
Helge Bendl
Das erste Mal seit zwei Jahren konnten
wir uns zur Bundesjugendversammlung
in Mannheim wieder in Präsenz treffen,
diskutieren, quatschen, abstimmen und
Spaß haben. Neben verschiedensten
Anträgen haben wir auch über die
freien Ämter in unserem Bundesvorstand abgestimmt. Denn leider
mussten wir uns von Marie, Helix
und Noura verabschieden. Wir
werden euch sehr vermissen ...
Zugleich freuen wir uns nun, als neue
Gesichter Julia, Elfe und Karola begrüßen
zu dürfen. Wir sind sehr gespannt auf
eure Ideen und Perspektiven!
> www.bundjugend.de/bundesvorstand
KLIMA SCHÜTZEN
Auch dieses Jahr findet wieder die LCOY
(Local Conference of Youth) zum Thema
Klimaschutz statt. In Lüneburg treffen
sich vom 28. bis 30. Oktober Menschen
zwischen 14 und 30 Jahren, die gerne
mit Personen aus Politik, Wirtschaft und
Wissenschaft diskutieren. Und die Lust
haben Workshops zu besuchen und sich
mit anderen Jugendlichen zu vernetzen.
Die BUNDjugend ist natürlich auch dabei
– wir freuen uns auf euch! Kostenlose
Anmeldung unter: www.lcoy.de
Aktiv werden
Aktionen, Seminare, Workshops: Die
BUNDjugend bietet viele Gelegenheiten,
sich für die Verkehrswende einzusetzen,
etwa in ihrem Arbeitskreis Mobilität.
Fürs Ohr gibt es acht Podcast-Folgen:
bundjugend.de/projekte/stadtraeume
instagram.com/bundjugend
twitter.com/BUNDjugend
facebook.com/BUNDjugend.Bundesverband
44 BUNDmagazin 3 | 22
›
SERVICE
LESERBRIEFE
BESSER ZU FUSS
Das Thema Mobilitätswende beschäftigt
mich seit geraumer Zeit. Um deutlich zu
machen, was sich zwingend ändern
muss: Wir wohnen auf dem Land, mit
Bus- und Bahnanschluss. Wir können
uns als gut versorgt betrachten,
denn es gibt vor Ort wirklich alles,
was mann/frau benötigt. Auch die
ärztliche Versorgung ist okay.
Nun stehen vor jedem Gebäude gefühlt drei
Pkw. Der Anteil der großen SUV ist enorm. Jede kleine
Besorgung, jeder Einkauf oder Behördengang wird mit dem Auto
erledigt. Allen, die sogar ins Fitnessstudio mit ihrem Auto fahren,
möchte ich zurufen: Laufen ist gesund. Mehr für die eigene
Gesundheit, die Umwelt und ein verändertes Konsumverhalten
kann man gar nicht tun.
Wer zwei gesunde Beine hat, sollte endlich wieder häufiger
zu Fuß gehen. Die Medien könnten massiv für ein solches Verhalten werben. Eine Plakataktion wäre ebenfalls wünschenswert.
Zum Beispiel an der Ampel, bei Rot: »Zu Fuß ginge es dir besser.«
Höchste Zeit, hier aktiver zu werden.
Katja Grois, Wehrheim
ZUR WINDKRAFT
Die Aussage im Leserbrief »Ausbau der Windkraft«, dass »für jedes AKW zwischen 2500 und 4000 Windräder zu errichten sind,
plus weitere für den zusätzlichen Energiebedarf«, war vielleicht
vor 30 Jahren aktuell. Die derzeit geplanten Offshore-Windräder
leisten jeweils 14 bis 15 Megawatt mit einem Jahresertrag von
80 Gigawattstunden. Die letzten drei verbliebenen AKW leisten
etwa 1400 MW, ihr Ertrag liegt bei etwa 10 Terawattstunden.
Also werden hierfür je nach Betrachtungsweise (Leistung oder
Ertrag) 100 bis 150 Windräder benötigt.
Auch an Land entwickeln sich Leistung und Ertrag weiterhin
dynamisch. Bei einer Leistung von 5 (+x) MW sind Jahreserträge
zwischen 10 und 20 GWh realistisch. Noch viel wichtiger: Beim
geplanten Ausbau der Erneuerbaren und den bekannten Erzeugungsprofilen von Wind und Sonne ist im Netz einfach kein Platz
mehr für Grundlastkraftwerke. Es werden nur noch LückenfüllerKraftwerke für eine begrenzte Anzahl von Stunden benötigt.
Christian Hesse, Bad Säckingen
Zu »Neues vom Rotmilan«: Gemessen an der Bedeutung, die der
Rotmilan und seine vorgebliche Gefährdung durch Windkraftanlagen in Genehmigungsverfahren spielte, ist Ihre Mitteilung,
dass »Windkraftanlagen wenig Einfluss« auf die Todesrate dieser Vögel haben, äußerst knapp und karg. Kein Wort darüber,
welch unglückselige Rolle die Naturschutzverbände bei dem
gebremsten Ausbau der Windenergie in Deutschland hatten.
Angesichts der schon beginnenden Klimakatastrophe und der
Rolle der Windenergie bei der vielleicht gerade noch möglichen
Abwendung des Schlimmsten wünschte ich mir eine breitere
Auseinandersetzung mit dem Thema. Warum konnte der BUND
dem Rotmilan eine solche Bedeutung gewähren?
Muss man solche »Leuchtturm-Arten« tatsächlich über alles
stellen, auch über die wenigen Maßnahmen, die wir überhaupt
zur Verhinderung der Klimakrise haben? Ist eine einzige Art
(sei sie noch so schön, selten und Liebling der Menschen)
mehr »wert« als Zigtausend andere, die jetzt schon
wegen der Klimaveränderung ihr angestammtes
Habitat verlieren? Wenigstens der BUND sollte die
Biosphäre als Ganzes begreifen und sich nicht der eindimensionalen Rettung einer einzelnen Art bedingungslos verschreiben.
Gerd Müller, Breisach am Rhein
WASSERKRAFT SCHÄDLICH?
Ich halte es für falsch, die kleine Wasserkraft pauschal als umweltschädlich zu verurteilen. Man sollte meiner Ansicht nach
genau differenzieren und im Einzelfall entscheiden, ob es sinnvoller ist, abgasfreien Strom zu produzieren oder ein Gewässer
durchgängig zu machen/halten. Geht es um Kraftwerke kleiner
50 oder vielleicht 100 kW und unterbricht ein einzelnes Wehr die
Durchgängigkeit eines ansonsten intakten Baches, wäre es für
mich eindeutig, das Kraftwerk aufzulösen. Ist aber, wie an der
Murg im Schwarzwald, ein Fluss über Kilometer weitgehend
zugebaut und eine ganze Kaskade von Kraftwerken vorhanden,
deren jedes mehrere 100 kW erzeugt, bin ich dafür, lieber die
Wasserkraft zu nutzen, weil ich eine auch nur einigermaßen
durchgängige Renaturierung sowieso für illusorisch halte und die
Menge des erzeugten Stroms eben doch erheblich ist.
Zudem kann auch ein Stausee ein intaktes Biotop sein, wenn
der Wasserstand nicht beständig stark schwankt. Siehe der
SCHREIBEN SIE UNS!
redaktion@bund.net
Die Redaktion freut sich über jede Zuschrift (Betreff
bitte: »Leserbrief«), behält sich aber Kürzungen vor.
Eine erweiterte Auswahl von Leserbriefen finden Sie
unter www.bund.net/bundmagazin etwa vier Wochen
nach Erscheinen jeder neuen Ausgabe.
BUNDmagazin 3 | 22
Ulrich Schäfer, Darmstadt
ENERGIE SPAREN
Es ist kurzsichtig, immer nur das Aus von Kurzstreckenflügen
zu thematisieren. Sie sind doch nur die Spitze des Eisbergs der
klimaschädlichsten Form von Tourismus. Wer nach Sydney fliegt,
verursacht damit im Schnitt mehr als 13 Tonnen Kohlendioxid.
Dafür kann er oder sie 23-mal nach Mallorca fliegen.
Noch schlimmer wird es, wenn dieser Mensch am Zielort ein
Kreuzfahrtschiff besteigt. Bis Flüge und Kreuzfahrten halbwegs
klimaneutral gestaltet oder kompensiert werden können, wird es
noch Jahrzehnte dauern. Bis dahin gehören unnötige Flüge und
Kreuzfahrten ex
trem verteuert und gesellschaftlich geächtet,
umso weiter, umso mehr. Forderungen nach einem Verbot von
Kurzstreckenflügen sind Augenwischerei. Dafür gibt es ohnehin
keine rechtliche Handhabe.
Reiner Neises, Karlsruhe
SERVICE 45
s
Immer wieder freue ich mich, wenn die neue
Ausgabe des BUNDmagazins kommt. Es ist
gut, dass Sie darauf hinweisen, dass wir in
erster Linie Energie einsparen müssen. Hier
ein Beispiel, wie ich seit Jahren Energie spare:
Ich backe das ganze Jahr über – und zwar immer,
wenn die Sonne scheint – Brot oder Brötchen mit dem Parabolspiegel (allein bis Mitte Mai schon mehr als 30 Laibe). Nicht einmal Ökostrom brauche ich dafür, und das in Süddeutschland,
nicht Südindien! Weitere Infos über die »Solarbäckerei« gibt es
im Newsblog der EWS Schönau unter der Rubrik Selbermachen.
GettyIm
ag
e
Ilz-Stausee bei Passau: Er erzeugt ziemlich zuverlässig Grundlast und ist meiner Ansicht nach ökologisch okay.
›
Hermann Barth, Ehrenkirchen
KOPF IM SAND?
Zu Ihrer »geretteten Landschaft«: Eine Idylle bewahren ist sicherlich schön. Aber ist der »Erfolg« in Wilhelmsfeld nicht eher ein
»Kopf in den Sand stecken« als ein nachhaltiger Beitrag zum
Umweltschutz? Überall wo gebaut wird, wird eine kleine Idylle
zerstört. Wenn wir dies in Deutschland nicht wollen, werden die
Gewerbegebiete oder Fabriken (wie Tesla) in anderen Ländern
gebaut – mit in der Regel geringeren Anforderungen an Naturschutz, Energieeffizienz, Arbeitsschutz, Schutz der Mitarbeiter
vor Ausbeutung … Das kann ja auch nicht die Lösung sein.
Frank Müller, Berlin
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46 BUNDmagazin 3 | 22
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MEDIEN
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2022, 224 Seiten, 22 €, Herder
WILDTIERE IM FOKUS
Bruno Hespeler
2022, 248 Seiten, 24,90 €,
Leopold Stocker
Tiere ganz nah
Ihre Rückkehr ist ein Erfolg für
den Naturschutz. Einst fast oder
ganz ausgerottet, streben Tiere
wie Fischotter, Biber oder Wolf
wieder in ihre angestammten
Lebensräume. In unserer durch
zivilisierten Welt führt das manchmal zu Problemen. »Wildtiere im
Fokus« ist ein starkes Plädoyer
für die Heimkehrer, vom Luchs
bis zum Bartgeier.
Der Jagdautor Bruno Hespeler
beschreibt diese Arten sowie
mögliche Konflikte. Seine Begeisterung für Wildtiere dürfte auch
Menschen jenseits der Naturschutzszene anstecken. Zwar
fehlen einige ikonische Tiere wie
Wildkatze, Seeadler oder Kranich.
Auch liegen manche Passagen
(etwa zum Wolf oder zu Neozoen)
und die Wortwahl nicht immer auf
BUND-Linie. Doch wie er seine
Begegnungen mit den Tieren
schildert, macht Lust auf mehr.
Der Titel verspricht's: Hier stehen
die Wildtiere im Rampenlicht.
LARISSA
UND DIE FLEISCHFRESSER
Torsten Grünke
2020, 78 Seiten, 9,95 €,
R. G. Fischer
WDR/Yetha/a&o buero
COUNTDOWN
Was wir der Klimakatastrophe
noch entgegensetzen können
Zwischen Hoffnung
und Apokalypse
Die Klimakrise bestimmt schon
heute den Alltag vieler Menschen.
Auch hier in Deutschland, wie
Flutkatastrophen, Waldbrände
und Hitzewellen zeigen. Niemand
kann sich mehr davor verstecken,
alle müssen nun mit anpacken.
Doch bis unsere Erde die nötige
Wertschätzung erhält, bleibt es
ein harter Kampf – gegen die Zeit
und gegen Weltwirtschaft und
Finanzindustrie.
»Auf einem begrenzten Planeten kann es kein unbegrenztes
Wachstum geben. Wir brauchen
Mut zum Aufbruch, Mut zum
Scheitern.« Das und vieles mehr
beschreibt der Klimaforscher
Mojib Latif in seinem neuen Buch
»Countdown: U
nsere Zeit läuft ab«.
Einfach zu lesen ist das nicht
gerade. Der Autor serviert uns
die bittere Wahrheit in allen Einzelheiten. Immerhin endet das
Buch nicht ohne Optimismus.
DIE RECYCLINGLÜGE
Tom Costello und
Benedikt Wermter
2022, 75 Minuten,
kostenlos in der ARD-Mediathek
Kindgerecht
Die Schattenseiten unseres
Fleischkonsums kindgerecht aufbereiten? Der in der BUNDjugend
aktive Torsten Grünke hat diese
Aufgabe souverän gemeistert.
Larissa erlebt auf einem Bauernhof, wie dort Schweine und Kühe
gehalten werden. Danach fühlt sie
sich unwohl dabei, weiter Fleisch
zu essen. Ihre Bedenken nimmt
sie mit an den Esstisch daheim
und in den Unterricht. Sie wirft
heikle F
ragen auf, die zum Nachdenken anregen.
Dem Autor gelingt es verschiedene Perspektiven darzustellen.
Wieso hat Fleisch für ältere Menschen oft eine andere Bedeutung?
Warum behandeln wir Hunde und
Katzen anders als die Tiere im
Stall? Grünke gelingt es, Wissen
ohne erhobenen Zeigefinger in
eine kindgerechte Erzählung zu
verpacken. Nur die Geschlechterund Familienbilder könnten etwas
fortschrittlicher sein.
Sehenswert, aber ...
Die kürzlich in der ARD gezeigte
Dokumentation »Die Recycling-
lüge« ist sehenswert. Ihre Autoren
legen den Finger in die Wunde,
was all die Mängel bei der Produktion und Entsorgung von Plastik
betrifft, und wie sich Kriminelle
damit bereichern. Sie illustrieren
Greenwashing am Beispiel der
Firma »Terracycle«. Und sie
stellen wichtige Fragen: Wie viel
Plastik brauchen wir wirklich?
Welche Verantwortung tragen die
Konzerne? Und können wir uns
aus der Krise raus-recyceln?
Was die Doku nicht leistet, ist
das Problem in den deutschen
Kontext einzuordnen und gute
Recycling-Anlagen zu zeigen.
So lässt sie uns mit dem Gefühl
zurück, dass alles Sortieren nichts
bringt. Dabei kann nur recycelt
werden, was getrennt gesammelt
wurde. Immerhin, die Doku hilft
den nötigen Druck auf die Politik
zu erhöhen, dem Verpackungswahnsinn entgegenzutreten.
BUNDmagazin 3 | 22
›
SERVICE 49
AKTIV AUF FACEBOOK
RETTET DEN AAL
Vom Aussterben bedroht: So heißt die letzte Gefährdungsstufe
in der Roten Liste, bevor ein Tier oder eine Pflanze offiziell und
gänzlich aus der heimischen Wildnis verschwindet. Genau hier
befindet sich aktuell unser Aal.
Durch seinen komplexen Lebenszyklus und seine lange Reise
vom Atlantik bis in Europas Flüsse und Seen ist der Aal vielen
Gefahren ausgesetzt. Obwohl er auszusterben droht, darf der Aal
in den meisten europäischen Ländern weiter gefangen werden –
zu kommerziellen Zwecken und in der Freizeitfischerei.
In einem neuen BUND-Standpunkt erfahren Sie, wie dramatisch
es um den Europäischen Aal steht und wie sich Fischerei und
Anglerei auswirken. Sie lesen hier, warum künstlicher Besatz und
Aquakultur keine Lösung, sondern ein Teil des Problems sind.
Und warum der BUND für ein vollständiges Fangverbot kämpft.
Download
Den 17-seitigen BUND-Standpunkt
können Sie kostenlos herunterladen
unter: www.bund.net/aal
Der BUND tauscht sich auf Facebook täglich mit seiner
Community über Umwelt- und Verbraucherthemen aus.
Wir freuen uns über Unterstützung von Umwelt- und Natur
schützer*innen mit Lust am Dialog!
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wunderbar. Doch hartnäckige Beikräuter, Pflanzenkrankheiten,
gefräßige Schnecken oder Insekten können die Freude am
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oder Schmetterlinge. Und die Pestizide bleiben lange im Boden
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erscheint viermal im Jahr.
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Redaktion: Severin Zillich, Tel. 0 30/2 75 86 - 4 57, Fax -440,
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Titelbild 3/22 (26. Jahrgang): Duftender Gürtelfuß,
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Das BUNDmagazin 4/2022 erscheint am 12. November.
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