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ZENTRALBLATT DER BAUVERWALTUNG
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wissenschaftlichen Ausläufen mit Recht auch von dem Architekten
gefordert werden müssen. Praktisch betrachtet darf jedoch folgen
des nicht außer acht gelassen werden: Es gibt Bauleute, deren Vor
stellungskreis sich vorwiegend in der schönen Form und solche, deren
Denken sich vorwiegend im Konstruktiven und Rechnerischen be
wegt. Eine vollständige Beherrschung beider Gebiete wird man nur
\<:>n ganz seltenen Ausnahmemensdien erwarten können. Lionardo
da Vinci war ein solcher Ausnahmemensch. Die gewöhnlichen Sterb
lichen zuLionardo da Vincis erziehen zu wollen, dürfte ein vergebliches
Beginnen sein. Wenn es uns nur gelingt, gute Gestalter auf der einen
Seite und gewiegte Konstrukteure auf der andern auszubilden, wenn
ferner dafür gesorgt wird, daß der gestaltende Kopf so weit in den
Grundsätzen der Konstruktion unterrichtet ist, daß er im allgemeinen
beurteilen kann, was sich machen läßt und was nicht, und wenn der
rechnende Ingenieur erkennt, daß mit der Rechnung allein kein Bau
werk entsteht, sondern daß unter allen Umständen die Formgestaltung
mit der Rechnung Hand in Hand gehen muß, so ist alles getan, was>
billigerweise verlangt werden kann. Bel umfassenden Bauaufgaben
wird der architektonische Gestalter, auch wenn er auf der Schule
bis zum Ueberdruß mit Mathematik gequält worden ist, sich hüten,
ohne den Ingenieur zu arbeiten. Wenn wir es erst dahin gebracht
haben werden, daß auch der Ingenieur bei umfassenden Ingenieur
bauten dieselbe bescheidene Auffassung über sein Gestaltungs
vermögen aufbringt, die der Architekt der Statik gegenüber zu haben
pflegt, so wird für unsere Baukunst, auch soweit sie Ingenieur
aufgaben umfaßt, aufs beste gesorgt sein.
Die Unterrichtsweise in der Architekturabteilung der Tech
nischen Hochschule litt vor allem bisher noch unter jener Ueber-
belastung mit Nebenfächern, die schon hervorgehoben worden ist.
Und zwar nicht nur mit wissenschaftlichen Nebenfächern, die dem
Studierenden, wenn er sich ihnen im Ausmaße des Unterrichtsplanes
widmen wollte, einen großen Teil seiner Zeit Wegnahmen, sondern
selbst an zeichnerischen Nebenfächern. Semesterlange Vorträge und
Uebungen über darstellende Geometrie, weitere semesterlange Be
handlung der Perspektive und Schattenlehre sind ganz überflüssig.
Die gotischen Steinmetzen haben die verwinkeltsten Durchdringungen
gemeißelt, ohne darstellende Geometrie gehabt zu haben. Per
spektive kann jeder aufgeweckte Architekturschüler in einem Vor
mittag lernen und Schattenkonstruktion hat für den Architekten, der
doch bauen soll, vollends keinen Zweck, jede Stunde Zeit, die daran
verschwendet wird, ist zu bedauern. Dagegen wäre freie künst
lerische Tätigkeit, wie sie auf der Kunstgcwerbeschule im Akt
zeichnen und Modellieren, Skizzieren und Malen im Freien, künst
lerischer Darstellung von Außen- und Innenansichten getrieben wird,
eine sehr wünschenswerte Vervollkommnung des Studiums.
Gerade im Studium des Architekten, wie es sich heute in
Deutschland abspielt, ist ein wichtiger neuerer Grundsatz noch zu
wenig beachtet: den Begabten freie Bahn zu gewähren. Entnimmt
man den architektonischen Nachwuchs, der sich zur höchsten Spitze
entwickeln soll, lediglich denjenigen Kreisen, die in der Lage sind,
ihren Kindern den Besuch einer höheren Lehranstalt angedeihen zu
lassen, so muß man sich darüber klar sein, daß zum mindesten neun
Zehntel der im Volke zerstreuten Begabungen unbenutzt gelassen
werden. Denn künstlerische Begabungen verleiht die Natur unab
hängig vom Geldbeutel des Vaters. Maler und Bildhauer, Dichter
und Musiker, Schauspieler und Sänger können auch aus der Schicht
der breiten Volkskreise emporsteigen. Architekten konnten das bis
heute nur insofern, als sie auf den Stempel, den die höchste Aus
bildungsstelle verleiht, verzichteten. Denn diese höchste Ausbjl-
dungsstelle ließ bisher nur solche Kreise zur abschließenden Haupt
prüfung zu, die sich den Besuch einer höheren Schule leisten konnten.
Daß auf der Technischen Hochschule außer den Studierenden auch
Gastschüler geduldet werden, kann nicht als Lösung der Frage
betrachtet werden. Jeder künstlerisch Begabte kann, wenn es sich
um die Ausbildung ?um Künstler handelt, gleiches Recht bean
spruchen, Heute, wo im Kampfe ums Dasein überall die Geistigkeit
ausschlaggebend ist, muß es als höchster volkswirtschaftlicher Grund
satz betrachtet werden, alle dem Volke von der Natur verliehenen
Begabungen zu entwickeln und zur letzten Entfaltung zu bringen.
Das ist ein einfaches Erfordernis der Oekonomie der Kräfte. Künst
lerische Begabungen zu hemmen oder gar auszuschließen, wäre Ver
geudung geistiger Hilfsquellen.
Die Architektur als Gestalterin alles sichtbaren Menschenwerkes
ist in ihrer großen Auswirkung die wichtigste der bildenden Künste,
und deshalb sollten gerade hier alle Hilfsmittel der "Erziehung frucht
bar gemacht werden, die erdenkbar sind — zum allermindesten aber
die nicht einseitig beschränkt werden, die in unsern Architekten-
unsbildungsstätten bereits zu Gebote stehen.
Die Eisenbahnen Chinas.
Nach längerem Widerstande ist auch China ein Eisenbahnland
geworden, und zwar hat es sich für das S t aa t s bahnsystem ent
schieden. Lange hatte es gedauert, bis sich die starr am Alten fcst-
lialtende Bevölkerung des gewaltigen Reiches der Mitte von der
wirtschaftlichen Notwendigkeit und den Segnungen der Eisenbahnen
überzeugen ließ. Bei dem ersten, voh Fremden in die Hand ge
nommenen Bau der Eisenbahn von Schanghai nach Wusutig (17 km)
bedurfte es noch einer Täuschung der chinesischen Behörden, um
das Ziel zu erreichen: die von britischen Firmen geleitete Eisenbahn-
gesellschaft hatte nur die Konzession zu einer Wagenstraße erhalten,
statt dieser aber heimlich in aller Eile eine Eisenbahn hcrgestellt.
Als die Chinesen die Bahn nach Vollendung des Baues 1876 über
nommen hatten, wurden nach einjährigem Betriebe, unter dem Druck
der Bevölkerung, die Schienen wieder abgebrochen und außer
Landes, nach Formosa gebracht, wo sie später zu Grunde gingen.
Im letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts wurden für die
wichtigsten Eisenbahnlinien zahlreiche Konzessionen an ausländische
Geschäftsleute und Syndikate vergeben und der Bau vieler Eisen
bahnen in Angriff genommen, aber der Widerstand der Bevölkerung
dagegen wuchs und steigerte sich schließlich zu der fremdenfeind
lichen Bewegung, die in dem großen Boxeraufstand vom Jahre 1900
zu blutigem Ausbruch kam. Der Aufstand zog schwere politische
Folgen nach sich und führte insbesondere zu längerem Stillstand
der Bauarbeiten auf fast allen begonnenen Bahnlinien. Seitdem
machte sich in China Immer mehr das Bestreben geltend, die Haupt
bahnen des Landes selbst zu bauen, die von Fremden bisher ge
bauten Linien in eigene Verwaltung zu nehmen, dem Ausländer jede
weitere Konzession zu versagen, Ihn überall möglichst durch Eiir-
geborene zu ersetzen, das gute Geschäft dabei selbst zu machen
"der dem Ausländer doch durch eigene Unternehmungen scharfen
Wettbewerb zu bereiten. Die große wirtschaftliche Ueberlegenheit
des Eisenbahnbetriebes hatte man mittlerweile erkannt und wollte
wieder Herr im eigenen Lande werden, das durch die fremden Ein
dringlinge immer mehr unter die Botmäßigkeit des Auslandes zu
traten drohte. Obgleich das große Reich einen umfassenden und
dringenden Bedarf an Eisenbahnen hatte, machte der Eisenbahnbau
doch nur äußerst langsame Fortschritte, weil es den Chinesen an
oiscnem Kapital mangelte und das fremde Kapital sich teils unfähig
orwies, teils ablehnte, hierbei helfend und fördernd einzugreifen.
Die kaiserliche Verordnung vom 9. März 1911 hatte den Grund
satz verkündet, daß die Haupteisenbahnen im Lande dem Staat
gehören sollten; alle Hauptlinien, für die sich bis dahin in den ver-r
'whiedenen Provinzen Gesellschaften gebildet hatten, sollten nun
mehr von der Regierung übernommen und alle für Hauptbahnen bis
her erteilten Konzessionen zurückgezogen werden. Damit war für
China der Staatsbahngedanke maßgebend geworden, und
er ist seitdem auch für die neugeblldete Republik geblieben. Wir
haben es dementsprechend im heutigen China im wesentlichen mit
Staatsbahnen zu tun, unbeschadet einzelner früher gegründeter,
großer P r i v a t Unternehmungen, die fast ganz unter ausländischem
Einfluß (Rußland, Japan, Frankreich) stehen. Einige kleinere Bahnen,
die mehr örtlichen Bedürfnissen dienen, sind Provinzbahnen, und
außer diesen besteht noch eine Anzahl privater Zechen- und Gruben
bahnen, die als Neben- oder Kleinbahnen anzusprechen sind. Das
Eisenbahnnetz beschränkt sich bis jetzt im wesentlichen auf Nord-
c h I n a, d. h. das Land nördlich des Jangtsestromes, das vorwie
gend flach und arm an Wasserstraßen ist und daher dem Bahnbau
weniger Hindernisse in den, Weg legt. DerNoiden enthält auch mehr
Bodenschätze, die zu bergbaulichen Unternehmungen Anreiz bieten,
die Bevölkerung ist weniger fremdenfeindlich als im Süden, und der
Norden wird daher auch mehr von Fremden aufgesucht. Der Norden
hat um so mehr Bedürfnis an leistungsfähigen’ Verkehrsstraßen, als
die bestehenden schlechten Wege und die veralteten Beförderungs
mittel, wie Tragstange, Reittier, Karren, Einradkarre usw. für die
heutigen Ansprüche völlig unzureichend geworden sind. Im Süden
des Jangtse ist man dagegen über vereinzelte, weit voneinander
getrennt liegende, kurze Stichbahnen, die von den wichtigsten Häfen
und Küstenplätzen aus ins Innere des Landes Vordringen, kaum hin
ausgekommen; von einem zusammenhängenden Bahnnetz kann man
hier noch nicht sprechen.
Die Hauptbahnen haben überwiegend die europäische Vollspur,
1,435 m; eine wichtige Ausnahme bildet die chinesische Ostbahn, die
als östliche Verlängerung der großen Sibirischen Eisenbahn auch
deren Spurweite, die breitere russische Spur von 1,524 m auf
weist. Einige private Grubenbahnen sind schmalspurig (1 m Spur).
I, Die wichtigsten Staatsbahnen.
a) Nördlich des Jangtse.
1, Die drei großen, von der Reichshauptstadt Peking aus-
strahlenden Linien nach Süden Peking—Hankau, nach Nordosten
Peking—Mukden, nach Westen Peking—Suiyuan—Paotou, bilden das
Rückgrat des Staatsbahnnetzes. Die Linie Peking —Hankau,
von den Belgiern erbaut und 1905 vollendet, endet mit 1214,5 km
Gesamtlänge nördlich des Jangtse; bemerkenswert wegen der
Schwierigkeit der Ausführung ist die große Brücke über den Hoangho,