Pfad:
Band Nr. 6

Volltext: Zentralblatt der Bauverwaltung (Public Domain) Ausgabe 1926 (Public Domain)

68 ZENTRALBLATT DER BAUVERWALTUNQ 10. Februar 1926 
Ein Musterhaus für die bulgarischen Dörfer. 
Der bulgarische Minister der öffentlichen Arbeiten hat einen 
Ausschuß von drei Architekten eingesetzt, um ein Musterhaus für 
die bulgarischen Dörfer zu entwerfen, das möglichst allen Forde 
rungen der Hygiene entspricht und sowohl bequem als auch nicht 
zu teuer ist Der Ausschuß soll die in dieser Hinsicht lehrreichsten 
Dörfer besichtigen und über die bemerkenswertesten Häuser be 
richten und dabei den Geschmack und die Bedürfnisse der Bevölke 
rung sowie die Bauüberliefcrvmge« beachten. Da die danach ent 
worfenen Häuser für eine ländliche Bevölkerung bestimmt sind, 
werden die Pläne noch einem Ausschuß von Landwirten zur Begut 
achtung vorgelegt werden. . > 
Außerdem hat der Minister von der Schweizer Landwirtschaft 
lichen Vereinigung, die sich mit solchen Fragen viel beschäftigt hat, 
Angaben darüber, was sie in der Schweiz getan hat; erbeten,, da er 
erfahren hat, daß dort eine Art Typenhäuser von Staats wegen 
eingeführt sei. , 
Nachdem so ein endgültiger Plan entworfen ist, soll er auf 
Staatskosten in großer Auflage gedruckt und zu einem billigen Preise 
von 5 bis 20 Lewa (gleich 15 bis 60 Pf.) abgegeben werden. Die 
Dorfgemeinden erhalten ihn in genügender Anzahl. Der Plan wird 
von einem Texte begleitet sein, in dem die besten; Fachleute die 
passendsten Baustoffe und die Bauausführung schildern werden. 
Fs soll sogar gesetzlich bestimmt werden, daß in Zukunft nur 
noch solche Häuser gebaut werden dürfen, die den ministeriellen 
Plänen entsprechen. 
Vorstehende Worte sind mit unwesentlichen Kürzungen die 
Ucbersetzung eines Artikels von S. B. in der halbamtlichen Zeitung 
La Bulgarie. Dieser Verfasser fügt folgende persönliche Meinung an: 
Eine zu strenge Verordnungssucht in Fragen dieser Art, selbst 
wenn es in der besten Absicht geschieht, kann allzu leicht gefährlich 
werden. Tatsächlich besitzt doch jedes Land seine ihm eigentüm 
liche Bauart als Ergebnis seiner Geschichte, und gerade die Schweiz 
liefert uns Hunderte von Beispielen jener alten malerischen Häuser, 
welche die lebendigen Zeugen seiner glorreichen Kämpfe fiir die 
Freiheit und das Entzücken ungezählter Reisender sind. 
Auch Bulgarien besitzt eine alte' Vergangenheit, die ihm einen 
besonderen, sehr malerischen Baustil vererbt hat, und den man in 
seiner alten Residenz Tirnowo sowohl, wie in Philippopel, Warna 
und in den hübschen kleinen Gcbirgsstädten, wie Kopriwschtitza 
usw., noch finden kann. In dem eben erschienenen bulgarischen 
Buche „Die reichen bulgarischen Bürger von Elena und ihre Häuser“ 
gibt Andre Protitsch, der Direktor des Naitionalmuseums in Sofia, an 
der Hand von 16 Bildern schöne Belege dafür. Es wäre jammer 
schade, wenn dieser Baustil verschwinden würde. Nehmen wir 
z. B, das Geburtshaus des großen bulgarischen Patrioten, des 
Bischofs Hilarion von Makariopol, mit seinem großen Balkon, der so 
schönen Schutz gegen die große Sommerhitze gewährt, oder das oben 
vorspringende alte hübsche Haus im Stil von Trevnja *). 
Warum will man durch ein Gesetz diese prächtigen Kunstüber- 
licferungcn zu pflegen verbieten? Es würde, so glauben wir, viel 
vernünftiger, viel passender für die Rechte jedes Bürgers sein, wenn 
man sich damit begnügen würde, jene Musterpläne reichlich und 
billig unter der ländlichen Bevölkerung zu verbreiten, im übrigen 
*) Alte Stadt in der Nähe von Elena. 
aber jeden bauen zu lassen, wie er will, selbst nach der alten Bauart 
seiner Vorfahren. Nur sollte man gesetzlich bestimmen, daß zuvor 
die Pläne den Baubehörden zur Prüfung, ob sie den jetzigen An 
schauungen von der Feuersicherheit, Haltbarkeit und Hygiene ent 
sprechen, vorgelegt würden. 
Soweit der genannte bulgarische Verfasser. Der Uebersetzcr 
möchte aus langjähriger Kenntnis des Landes, wenn er auch nicht 
Fachmann ist, folgendes hinzufügen: 
Wenn man mit offenen Augen die Bauentwicklung Bulgariens 
verfolgt, wie ich es seit 1900 auf zwölf Reisen durch das ganze Land 
tun konnte, so sieht man mit Bedauern, wie fortwährend schönes 
Altes schwindet und meist nüchternes Neues folgt. Wenn die alten 
Straßenzüge vielfach beseitigt werden, so kann man das bei ihrer 
Krümmung und Enge wohl verstehen; leider aber hat man da rück 
sichtslos langweilige gerade Straßen durchgebrochen, die sich recht 
winklig mit den Querstraßen schneiden, und so das nüchterne und 
nicht sehr praktische amerikanische System nachgeahmt, ln den 
Städten zeigen die Häuser alle möglichen Baustile, nur nicht einen 
einheimischen. Die sonst so patriotischen Bulgaren ahmen in Haus 
und Wohnung und Kleidung gar zu gern Westeuropa nach, und cTst 
ganz neuerdings besinnt inan sich auf die schönen Stickereien und 
überträgt sie und die Verzierungen alter Manuskripte mit Geschmack 
auf Holz- und keramische Waren. In der Bildhauerkunst geht der 
hochbegabte Prof. Lasaroff mit großem Erfolge voran, heimische 
Gedanken in Reliefs und Figuren wiederzugeben. Auch die Malerei 
rührt sich nach dem Vorbilde der Tschechen Weschen und 
Mrkwitschka und des Bulgaren Mitoff unter dem künstlerischen 
Nachwuchs. Dagegen bedarf die Baukunst noch vieler Selbst 
besinnung. In den kleinen Städten und auf Dörfern findet man zwar 
ganz nette und gefällige neue Häuser und Häuschen, aber sie bilden 
einen Fremdkörper; selbst die in dem heißen Sommer so nötigen 
schattigen Veranden oder säulengetragenen Vorbauten fehlen, wäh 
rend man sie an den älteren Bauernhäusern noch findet. In den 
größeren Städten baut inan sechs- bis achtstöckige Häuser oder stockt 
niedrigere auf. Mit Stolz zeigten mir die Bulgaren im Herbst 1924 diese 
„Hochhäuser“, denen sie gern den Namen Wolkenkratzer geben, aber 
ich sah sie nur mit Besorgnis an, wenn ich an die gelegentlichen 
Erdbeben dachte, denen namentlich viele der alten auigestockten 
Häuser zum Opfer fallen werden. 
Einen einzigen Normalplan für ein Bauernhaus aufzustellen, geht 
ja schon deshalb nicht, weil jeder Grundriß und Hochbau Rücksicht 
nehmen muß: 1. auf die Größe der Familie, die in Bulgarien nicht 
nur des Kinderreichtums wegen oft bedeutend ist, sondern weil auch 
das Zusammenwohnen der Eltern mit den verheirateten Kindern und 
Kindeskindern noch üblich ist; 2. auf den Geldbeutel des Bauenden; 
.4. auf die Gegend: ob Flachland oder Hang oder Tal oder Berg; 4. auf 
das Klima: große Hitze im Sommer überall, große Kälte in Nord 
bulgarien im Winter, eisige Nordostwindc nördlich des Balkans, 
starke Bergwinde und Regengüsse an den Gebirgshängen und an 
deren Fuß. 
In den Städten und großen Marktflecken sollte man auch erst 
die Straßen und dann die Häuser bauen, nicht umgekehrt, wie in der 
Umgebung von Sofia, wo man bei Regenwetter kaum zu manchen 
Häusern gelangen kann. Gibt es denn keine Baupolizei?! 
Charlottenburg. Prof. Dr, C. K a ß n e r. 
Vermischtes. 
Die Würde eines Doktor-Ingenieurs ehrenhalber haben Rektor 
und Senat der Technischen Hochschule Danzig dem Staats- 
minister a. D. Dr. jtir. ct phil. h. c. Friedrich Schmidt-Ott in 
Berlin-Steglitz, Präsident der Notgemeiuschaft der deutschen Wissen 
schaft verliehen in Anerkennung seiner Verdienste um die Entwick 
lung des deutschen Unterrichts- und Hochschulwesens, sowie um 
die Förderung der Wissenschaft und Technik durch großzügige 
Unterstützung der Institute, Laboratorien und sonstigen wissenschaft 
lichen Einrichtungen der deutschen Hochschulen, insbesondere der 
Technischen Hochschule Danzig in seiner Eigenschaft als Präsident 
der Notgemcinsehaft der deutschen Wissenschaft. 
In dem Wettbewerb zum Neubau einer katholischen $t, Martins 
kirche mit Pfarrhaus usw. in Nürnberg, den die Deutsche Gesell 
schaft für christliche Kunst e, V. in München ausgeschrieben hatte 
(1925, d. Bl., S. 493), gingen 92 Entwürfe ein. Das Preisgericht 
traf folgende Entscheidung: Den ersten Preis (2000 RM) erhielt 
Professor Dr. Klemens Holzmeister in Wien, den zweiten 
Preis (1500 RM) Architekt Hans Holzbauer in München, den 
dritten Preis 1000 RM) die Architekten Dipl.-ing. Gustav Gsa en 
ger und Georg Holzhauer in München. Für je 500 RM wurden 
angekauft der Entwurf von Architekt Dipl.-lng, Richard St ei die 
in München und der gemeinsame Entwurf der Bauamtmänner Emi! 
List und Julius Schneider mit Baureferendar Ludwig 
W ambsganz, sämtlich in Amberg, Zum weiteren Ankauf wur 
den empfohlen die Entwürfe von Architekt Karl Peringer in 
Nürnberg und von Professor Fritz Fuchsenberger mit Pro 
fessor Wilhelm Käb in München. Eine Belobigung erhielten die 
Arbeiten von Regierungsbaurat Georg W. Büchner in Pasing, 
Mitarbeiter Dipl.-lng. K. F a c k I c r in München, von Baurat Albert 
Bosslet ln München und von Studienrat Dominikus Böhm in 
Offenbach a. Main, 
Der Deutsche Betonverein, Sitz Oberkassel (Siegkreis), hält seine 
29. Hauptversammlung vom 4. bis 6. März d. .1, in Berlin ab, die 
wiederum mit einer Reihe von Vorträgen und Besprechungen tech 
nisch-wissenschaftlicher Art verbunden sein wird. U. a. werden 
sprechen: am 4. März, nachmittags: Regierungsbaumeister a. IX 
Schmidt aus Oberkassel über den Bau einer Stampfbetonbrücke 
von 70 m Spannweite; — Geheimer Hofrat Professor Dr.-Jng. 
Möller aus Braunschweig über die Eisenbahnbrücke über die Oker 
bei Braunschweig als Dreigelpnk-Betonbogen; — am 5. März: Ober 
baudirektor Professor Dantscher aus München über die Bau 
ausführungen an der Kachletstufe; — Professor Dipl.-lng. Georg 
Rüth aus Biebrich a. Rhein über bautechnische und statische Ur 
sachen der Schäden am Mainzer Dom und die Sicherungsarbeiten zur 
Erhaltung des Bauwerks; — Professor Dr.-Ing. E. Probst aus 
Karlsruhe i. B. über die Entwicklung des Beton- und Eisenbetonbaues 
in den Vereinigten Staaten von Amerika seit 1913, Beobachtungen 
auf einer Studienreise im Jahre 1925; — Regierungs- und Baurat a. D. 
Dr.-Ing. W. Nakonz aus Berlin über die Betonierungseinrichtungen 
beim Bau der Schachtschleuse Anderten; am 6. März: Professor
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.