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Volume Nr. 13

Full text: Zentralblatt der Bauverwaltung (Public Domain) Issue1897 (Public Domain)

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Centralblatt der BauverWaltuiig. 
27. März 1897. 
einem Leibrosse des regierenden Kaisers nacligebildeten Pferde ge 
macht werden, können nicht ins Gewicht fallen. Von bezwingender 
Anmuth ist die schwebenden Ganges neben dem Rosse einher- 
schreitende Siegesgöttin, sind die geflügelten, den Ecken des Sockels 
vorgestellten Genien, sind Einzelheiten aus den köstlichen Darstel 
lungen, die an der Südseite des Postamentes die Segnungen des 
Friedens versinnbildlichen. Und neben dieser Fülle weiblichen Lieb 
reizes, welche markige, männliche Kraft in den prachtvollen Löwen, 
die sich, als Wächter des Denkmals auf den übereck aus dem Stufen 
unterbau vorgeschobenen Grauitsockeln aus Kriegsgeräth und starren 
dem WaffeDwerk aufrichten! Aber dennoch, all diese Schönheit, all 
dieses in realistisch-malerischer Bewegung sprudelnde Leben ist nicht 
dienstbar gemacht denjenigen Kunstgesetzen, die für ein Denkmal- 
werk solchen Ranges gefordert werden müssen. Die Anmuth ist ge 
schmeidige Grazie, die männliche Kraft ist lautes Pathos geworden, 
und so hohe Bewunderung das in vieler Beziehung so herrliche 
Work verdient, das man zutreffend einen stolzen, machtvoll gen 
Himmel steigenden Siegeshymnus genannt hat, eins fehlt ihm, das 
ist die ruliige, ernste architektonische Gebundenheit, die tiefe, schlichte 
denkuialmäfsige Strenge, die wirkliche Monumentalität. Die 'ge 
flügelten lluldgöttinnen, am Modell von 1891} doch noch in festerer 
Geschlossenheit mit dem Standbildsockel verbunden, schweben jetzt 
Blumen streuend und Kränze niederlegend in reizendster Bewegung 
von diesem hinweg oder suchen mit fast ängstlicher Gebärde Halt an 
ihm zu gewinnen auf ihrem unsicheren Standorte; die Jünglings 
gestalten an den Langseiteh des Denkmals, die den Krieg und den 
Frieden versinnbildlichen, sie sind mit ihren Riesenleibern, nicht im 
geringsten architektonisch vorbereitet, umnittelbar auf den Denkmal 
stufen gelagert, denen Abmessungen gegeben sind, wie sie eben für 
den Fufe des gewöhnlichen Sterblichen passen; nnd die Löwen auf 
ihren zerfetzten, stachlichten Trophäen — mau vergleiche sie mit 
den Denkmalwachtem bei verwandten Aufgaben der Antike, imi zu 
erkennen, was ihnen bei oder vielmehr infolge all ihrer realistischen 
Schönheit fehlt, uni „wie in Erz gegossen* zu sein. Die Gröfse des 
Mafsstabes bessert bei alledem nichts, im Gegentheil, gerade sie ist 
es, in deren Verhältnis zum Inhalte und zur Zweckbestimmung hier 
der Mangel an Monumentalität wesentlich mit beruht. 
Wir haben diese Einwendungen nicht unterdrückt in der Ueber- 
ztmgung, dafs wir dem Denkmale damit besser gerecht werden, als 
durch ausschliefsliche und übertriebene Lobpreisungen, wie sie ihm 
ja von zahlreichen anderen Seiten in diesen Tagen gespendet worden 
sind. Wie alles Menschliche, so ist auch Menschenwerk nun einmal 
nicht ganz vollkommen, und seine Gröfse gewinnt geradezu, wenn, man 
sich dieser Unvollkommenheit bewufst bleibt. Der Genufs, die Freude 
aber an den wirklichen, erlesenen Schönheiten der Begasscheu 
Schöpfung können durch solche Müfsigüng an Lebhaftigkeit und 
Stärke nimmermehr verlieren. 
Noch bleibt uns übrig, in aller Kürze einige ergänzende Nach 
richten technischer Art über die Denkmalanlage zu geben. .Das 
Reiterbild besteht mit seinem Postamente bis herab zur Oberkante 
der Löwensockel aus künstlich mit Edelrost überzogener Bronce und 
ist in der Werkstatt der Gebrüder Walter und Paul Gladenbeck in 
Friedrichsliagen bei Berlin unter Anwendung des Wachsschmelz- 
Verfahrens gegossen, einer Technik, durch die es möglich geworden 
ist, die für die Begassche Kunst ungemein bezeichnende Oberflächen 
behandlung des Modellea im. Gusse in voller Schärfe zur Geltung zu 
bringen. Die Gestalten des Krieges und des Friedens sind von 
Martin u. Piltzing in Berlin in lironce gegossen. Den Unterbau 
haben Kessel u. Höhl in Berlin in polirtem rothen schwedischen 
Granit ausgeführt. Die in Metall hergestellten Bildwerke der Halle; 
die beiden Viergespanne und die Adler über den Wappen Bayerns 
und Sachsens, sind in Kupfer getrieben worden, das südliche Vier 
gespann von Martin u- Piltzing, das nördliche von Gustav Lind in 
Berlin, die Adler von Knodt in Bockenheim bei Frankfurt a. M. Die 
Ausführung der Werksteinarbeiten der Halle hat in den Händen der 
Steimnetztirmen P. Wimmel u. Co., Gebr. Zeidler und K Schilling ge 
legen: der zuletzt Genannte hat auch die Sandsteinverblendung des 
Ilallenunterbaues geliefert. Das Stufenwerk der Halle und des Denk- 
malplatzea ist von Plöger in Granit aus dem Fichtelgebirge ausgefübrt 
Die Decken und Dächer der Halle sind gewölbt, die Dächer mit 
Kupfer eingedeckt. — Für die Kosten der ganzen Denkmalanlage 
waren vier Millionen Mark bewilligt. Die technische Leitung der 
Ausführung hat beim Reichsamt des Innern, und zwar anfangs in 
den Händen des verstorbenen Geheimen Ober-Regierungsratlis 
A. Busse, später ln denen des Regierungsraths J. Ilückels gelegen. 
Es bedarf kaum der Hervorhebung, dafs allen diesen Betheiligten ein 
erhebliches Verdienst an dem glücklichen Zustandekommen des 
grofsen Werkes zuzusprechen ist, und zwar ganz besonders in An 
betracht der aufserordentlichen Schwierigkeiten, die aus der Kürze der 
Ausfühnmgszeit erwuchsen. Sie alle dürfen in Gemeinschaft mit den 
Künstlern mit Stolz auf die Leistung blicken, die ihrem Können und 
ihrer Thatkraft ein dauernd ehrendes Zeugnifs ausstellt. 
- , Hofsfeld. 
Culturgescmchtliclier Rückblick auf das Jahrhundert 1797 Ms 1897. 
(Schlufs.) 
Und als Folge der politischen Machtstellung sehen wir einen un 
geahnten Aufschwung in Handel und Gewerbe. Fast scheint es, 
als ob die verborgenen Kräfte, die im deutschen Volke geschlummert, 
auch auf diesen Gebieten nur der Befreiungsstunde geharrt hätten, 
um mit ungestümer Gewalt sich Balm zu brechen und wahre 
Triumphe im friedlichen Wettkampfe zu erringen. Mit dem An 
sehen und der Sicherheit des Staates wachsen Selbstvertrauen und 
Unternehmungsgeist. Ueberall im deutschen Vaterland« sehen wir 
Fabriken emporwachsen und ihre mächtigen Schlote gen Himmel 
richten. Eine kräftige Montanindustrie sorgt, dafs es ihnen nicht 
an den erforderlichen Betriebsmitteln fehle, herrliche Erfindungen 
auf den Gebieten der Chemie, Physik und Mechanik weisen ihnen 
immer neue Bahnen des Erwerbslebens an. Die Verkehrswege im 
Lande, die Chausseen, Eisenbahnen, Wasserstraisen, wachsen in 
nie geahnter Weise und fördern die erzeugten Güter in die ent 
ferntesten Theile des Reiches und nach den Nachbarländern hin. 
Eine vorzügliche, einheitlich geleitete Postverwaltung ermöglicht den 
Gedankenaustausch in kürzester Zeit, Telegraphie und Fernsprech 
verbindung heben die räumliche Entfernung auf, eine stolze Handels 
flotte, zumeist auf deutschen Werften erbaut, durchfurcht die 
Meere und fördert deutsche Erzeugnisse in die fernsten Welttheile, 
beschützt von einer im Wachsen begriffenen, aber heute schon 
achtunggebietenden Kriegsflotte. Deutsche Erzeugnisse, vor kurzem 
noch „schlecht und billig“ und unter fremder Flagge segelnd, 
nehmen heute den Wettbewerb mit denen aller anderen Nationen 
auf, und mit steigender Besorgnifs blicken die Völker, welche den 
Welthandel und den Ländererwerb bisher als ihr alleiniges Recht 
betrachteten, auf den wachsenden Kiesen, der ihnen dies Recht streitig 
zu machen droht. Zu eng wird es ihm in den Grenzen des Heimath- 
landes, und er strebt hinaus über die Meere und sucht in eigenen Colo- 
nieen sich zu erweitern und neue Absatzqnellen »ich zu erschliefsen. 
Und mit dem so erstaunlich gesteigerten Erwerbsleben ist un 
verkennbar der Wohlstand in gleichem Verhältnis gewachsen. Natur- 
gemäfs haben in erster Linie jene Städte die segensreichen Folgen 
empfunden, in denen Handel und Gewerbe ihre Stützpunkte fanden. 
Hamburg, Köln, Frankfurt a. M., Düsseldorf sehen wir einen schnellen 
Aufschwung nehmen, ihnen folgen fast alle greiseren Städte Nord-* 
und Süddcutschlands; aber allen voran mufste Berlin, als des neuen 
Reiches Hauptstadt, der gröfste Antheil an den Errungenschaften 
zulallen. Aus der Residenz der preufsischen Könige ist Berlin der 
Sitz des deutschen Kaisers geworden. Aus der Stadt, die in dem 
Geburtsjahre unseres Heldenkaisers kaum 180 000 und bei seinem 
Regierungsantritt nicht viel mehr als 500000 Einwohner hatte, ist 
eine Millionenstadt herangewachaen, deren Bevölkerung am Ende 
seiner Regierungszeit mehr denn 1500000 und heute schon über 
1 700 000 Einwohner zählt. Als Sitz der preufsischen Centralbebörden 
und der hauptsächlichsten Reichsämter, als Wohnsitz der Vertreter 
aller Staaten des Erdballs, als Sammelpunkt der Abgeordneten des 
preufsischen Staates und des deutschen Reiches ist Berlin ein Mittel 
punkt der Politik, der europäischen Börsen, des Handels und Ge 
werbes, der Kunst und Wissenschaft geworden. 
Kirnst und Wissenschaft sind in ihrem Vorwärtsstreben hinter 
Handel und Gewerbe nicht zurückgeblieben. Gedenken wir der 
erstaunlichen Erfindungen, die auf dem Gebiete der Naturwissen 
schaften, besonders auch der Elektrotechnik in den letzten Jahrzehnten 
gemacht worden, denken wir an die Erfolge einer exacten Geschichts 
forschung, an die Schaffung eines einheitlichen deutschen Rechtes 
und an die wahrhaft grofsartigen Triumphe, die die medicinischen 
Wissenschaften, insbesondere auf den Gebieten der Chirurgie und 
der Hygiene gefeiert haben, so werden wir mit freudiger Genugthuung 
sagen können, dafs Deutschlands Denker in dem friedlichen Streite 
der Geister neben denen anderer Nationen mit Ehren bestanden 
haben. Mögen sie fortfahren, mit gleicher Treue und Hingabe weiter 
zu arbeiten an der grofsen Culturaufgabe, die Menschheit geistig 
und sittlich auf immer höhere Stufen der Vollendung zu erheben, 
dann können sie mit dem Dichter sagen: 
„Wird uns solch ein Geist beseelen, 
Dann kann auch der Sieg nicht fehlen, 
Den die Schwerter nie erringen - ; 
Dann erst wird der wahre Frieden 
Uns und auch dem Feind beschieden 
Wenn die Geister ihn bezwingen.“;
	        
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