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24. Jannar 1891
Centralblatt der Bauverwaltung:
noch langsam, nach Süden fortzuschreiten, die Furche niederen Druckes
zwischen den beiden Hochgebieten als Bahn benützend. Am Morgen
des 23. liegt ein Minimum von 728 mm über dem Skagerrak, welches
unter stürmischen West- und Nordwestwinden den starken Regenfall
im mittleren und westlichen Deutschland .einzuleiten beginnt Der
Regen dauert überall ununterbrochen an, weil die Depression im
Laufe des Tages nahezu unverändert bleibt: am Abend des 23. liegt
sie noch an der Westküste von Schonen. In der Nacht zum 24.,
während welcher der Regenfall stellenweise eine wolkenbruchartige
Stärke erreichte, verlagerte sich die Zone niedersten Luftdruckes,
unter gleichzeitiger Erweiterung ihres Gebietes weiter nach Süden,
nach der Ostsee und dem nordwestlichen Deutschland. Bis zum
Nachmittag desselben Tages wurde die südliche Richtung des Fort
schreit ens beibehalten, später bog das Minimum nach Ostsüdost ab,
sodafs es am Abend des 24. in Polen lag. Der niedrigste Barometer
stand trat in Hamburg um 11 Va Uhr vormittags, in Berlin um 1 Uhr
nachmittags am 24. ein; er betrug an letzterem Orte, reducirt auf
waren naturgemäfs in den Gebirgen und den höheren Erhebungen
des Landes am stärksten, weil die von Westen und Nord westen
herbeiströmenden feuchten Lüftmassen zum Aufsteigen gezwungen
wurden, dabei sich abkühlten und deshalb viel Feuchtigkeit aus
schieden, hauptsächlich in der Form von Regen, und erst am 25. No
vember in der von Schnee,
Die Vertheilung der vom 22. bis zum 24. November 1890 ge
fallenen Niederschläge in Mittel- und Westdeutschland ersieht man
am besten aus der nachstehenden Karte, welche auf Grund der von
etwa 350 Stationen eingelaufenen Berichte vom Assistenten des
Königlichen Meteorologischen Instituts, Herrn Dr. E. Wagner, ent
worfen worden ist.
Die Karte wird vom Ostende bis etwa zum Meridian von Bielefeld
die wirkliche Vertheilung der Niederschläge fast ganz genau wieder
geben, ebenso wie im Kohlengebiete westlich von Arnsberg und im
Thale der Kiuzig, weil in diesen Gegenden das Netz der Regenmefs-
stationen bereits vollständig organisirt ist; ^dagegen darf die Dar-
Verthcilung der vom 22. — 24. November 1890 gefallenen Niederschläge.
den Meeresspiegel, 732 mm, ein ungewöhnlich tiefer Stand, der seit
dem Jahre 1873 im November nicht vorgekommen war.
Das langsame Fortschreiten der Depression, welches das so lang
anhaltende Regenwetter bedingt hat, hängt offenbar mit der un
gewöhnlichen Bahn derselben zusammen. Die beiläufig 1700 km,
welche die Depression vom Abend des 21. bis zum Mittag des 25.,
also in rund 90 Stunden, vom Nordmeere bis nach Mitteldeutschland
fortgeschritten ist, würde sie beim Einschlagen des gewöhnlichen
Weges von Westen nach Osten wahrscheinlich in weniger als der
Hälfte der Zeit zurückgelegt haben. Oefters, namentlich im Laufe
des 23., erkennt man das deutliche Bestreben, die gewohnte Bahn
einzuschlagen, aber das Maximalgebiet in Nordrufsland, wo die Tem
peratur zwischen — 25° und — 40° liegt, erweist sich als der
mächtigere und gebietende Theil, welcher die Depression zwingt,
weiter nach Süden, bezw, Südosten zu wandern. Nachdem das Gebiet
niedrigsten Luftdrucks so verdrängt war, breitet sich das nordische
Maximum selbst weiter nach Süden aus, sodafs in Mitteleuropa
an die Stelle warmen und regnerischen Wetters pötzlieh strenge
Kälte tritt, welche die überschwemmten Gebiete zum Theil mit einer
Eisdecke überzieht. Am 24. November betrug die mittlere Tempe
ratur noch 2,4° C. in Posen, 3,7 in Berlin, 4,7 in Erfurt und 6,2
in Cassel; zwei Tage später, am 26., war sie an denselben Orten ge
sunken bis auf —18,2, —12,1, —12,1 und —10,3°.
Aus dieser kurzen Darstellung des allgemeinen Witterungsver
laufes ergiebt sieh, dafs in den Tagen vom 22. bis zum 24. November
Mittel- und Westdeutschland an der regenreichen Vorderseite einer
tiefen barometrischen Depression lag, welche Deutschland von Norden
nach Süden durchquerte. Die durch dieselbe bedingten Regenfälle
Stellung für die Provinzen Hessen-Nassau und Rheinland nur als
angenähert richtig betrachtet werden. Dieser Mangel Fällt indessen
hier weniger ins Gewicht, weil die Gebiete des gröfsten Niederschlages
jenem genauen Theil der Karte angehören. Es sind dies der Thüringer
Wald, das Quellgebiet der Diemel und der Ruhr im Sauerlande,
das Quellgebict der zum Main fliefsenden Kinzig und der Harz.
Entsprechend dem Fortschreiten der Depression von Norden nach
Süden erhielten diesmal an allen Gebirgen und Plateaus die sonst
gewöhnlich im Lee (oder Regenschatten) befindlichen Nordabhänge
mehr Niederschläge als die Süd- und Westabhänge.
Die thatsächlich gröfsten Beträge der Regensumme jener drei
Tage kamen zur Aufzeichnung im mittleren Theile des Thüringer
Waldes: 1
Schmücke 189 mm
Oberhof 162 „
Grofsbreitenbach . . 146 „ ,
sodann in Rambolz nahe der Kinzigquelle, wo 140 mm fielen, und in
Bigge an der oberen Ruhr, wo 133 mm gemessen wurden.
Es fiel also in diesen drei Tagen Vö bis 1 /$ der normalen Jahres
menge. Wahrscheinlich sind in den plateauartigen Erhebungen
zwischen Ruhr und Lahn zum Theil sehr viel erheblichere Regen
mengen niedergegangen, als die Karte vermuthen läfst, weil man nach
den in Elberfeld und Barmen vorgekommenen Ueb er schwemm ungen
darauf schliefsen mufs, und weil aus früheren Beobachtungen in dem
so ziemlich in der Mitte dieses Plateaus gelegenen Orte Gummers
bach der herbstliche und winterliche Regenreichthum gerade dieser
Gegend schon bekannt war.
Eine überschlägliche Berechnung der in den Gebieten des gröfsten