470 Centralblatt der Bauverwaltung. . 28. November 1891.
Waisenhauswege kennzeichne, gelobt. Besonders glücklich seien die
Lösung der Ecke mit dem Haupteingange am Platze und die Thurm
stellung, der übrige Theil der in nordischem, den heutigen Verhält
nissen angepafstem Backsteinbau gedachten Fronten wird als etwas
nüchtern, und der plötzliche Abschlufs der Putzflächen der oberen
Geschosse als von störender Wirkung bezeichnet.
Ueber dem Winterschen Entwurf (II. Preis) sagt das Gut
achten: „Grundrifsanordnung mit zwei gleich grofsen Flügeln am
Platze und an der Strafse, ein kleinerer Flügel am Waieenhauswege.
Haupteingang ungünstig an der Südostecke in der Ahstrafse. Saal
am westlichen Ende des Gebäudeflügcls am Platze. Grundrifsgestaltung
im ganzen und einzelnen dem Programme fast vollständig entsprechend
in klarer und einfacher Behandlung. Architektur leider mit den Vor
zügen des Grundrisses in Widerspruch Btehend,“
Der mit dem dritten Preise bedachte Entwurf von Hartung-Char-
lotteuburg (Abb. 3, Seite 473) zeigt eine auf die Achse der Ahstrafseu-
seite symmetrische Gesamtanordnung des Grundrisses. Jedoch liegen
Sitzungssaal und Haupteingang nicht, wie dies fehlerhaft in anderen
Entwürfen der Fall, in der genannten Achse, sondern jener richtig am
Platze, und dieser zweckmäfsig unter einer auch gegen den Platz ge
öffneten Laube an der Südecke der Ahstrafse. Als weniger günstig
wird von den Preisrichtern die Grundrifsgestaltung der einzelnen Ge
schosse bezeichnet, und als bedenklich in constructiver Beziehung er
scheinen der Hallenunterbau des Thurmcs und die Vorkragungen an
den Fronten. Im allgemeinen wird dagegen die charaktervoll in nor
dischem Backsteinbau gehaltene Architektur als vorzüglich gerühmt,
ein Urtheil, in das jedermann gern einstimmen wird.
Der zum Ankauf empfohlene, mit dem Kennwort „Rathhausplatz“
bezeichnete Entwurf endlich legt seine Hauptfrout mit Haupteingang
au den Platz und betont die Südostecke mit einem stattlichen Thurm
bau. Die Stilfassung ist im Sinne der deutschen Renaissance ge
halten. Bei aller Anerkennung der vorzüglichen architektonischen
Wirkung und Durcharbeitung des Entwurfes und seiner bis auf neben
sächliche Mängel angemessenen Raumanordnung haben die Preis
richter doch den Reichthum der Architektur als über die ProgT&mm-
bedingungen und die durch die bescheidene Bausumme gesetzten
Grenzen hinausgehend betrachten müssen.
Bericht der Sachverständigen über den Mönchensteiner Brüchen- Einsturz
(Schlufs.)
Die Untersuchung des Eisenwerkes selbst nach dem Ein
sturze zeigte ein Bild der Zerstörung, das auch nur angenähert in
Worten zu beschreiben eine Sache der Unmöglichkeit war. »Die
Zahl der eingetretenen Brüche, Risse und
Verbiegungen ist eine außerordentlich
grofse. Dabei ißt es schwierig zu sagen,
ob dieselben gleich beim Einsturze der
Brücke entstanden, oder ob sie durch die
stürzenden Fahrzeuge des Zuges erzeugt
sind.“
„Das Eisenwerk zeigte nach dem Un
fälle eine ausgesprochene Drehung nach
rechts (flufsaufwkrts), was darauf schliefsen
läfst, dafs die rechtsseitge Tragwand zuerst
naehgegeben habe. Doch hat offenbar auch
die vordere, nach rechts abstürzende Loco-
motive zu dieser Drehung wesentlich beige
tragen.“
Die vordere Locoinotive drehte sich be
kanntlich beim Sturze um etwa 11/2 rechte
Winkel in der angegebenen Richtung um
ihre Längsachse, während die zweite sich
nahezu senkrecht auf den Flufsgrund stellte,
woraus folgt, dafs die Drehung der ersten
Locomotivc ihren Grund nicht in dem oben
erwähnten früheren Nachgeben der rechten
Tragwand haben kann. „Sie war vielmehr
eine Folge der schiefen Richtung des Wider
lagers, infolge deren das erste Räderpaar
und das linke zweite Rad bereits auf dem
Mauerwerk ruhten, als die übrigen Räder
ihre Unterstützung verloren.“
„Die Tragwände zeigten in der Nähe
der Widerlager die meisten Brüche. Im mitt-
lern Theile hingen Gurtungen und Streben
noch meistens zusammen und es waren
hier hauptsächlich Verbiegungen und klei
nere Risse der Streben zu bemerken.
Die obere Gurtung der linken Tragwand
blieb auf eine Länge von etwa 20 m nahezu
geradlinig, ebenso die obere Gurtung der rechten Tragwand auf eine
Länge von etwa 12 m. An verschiedenen Stellen ist das Stehblech
der oberen Gurtungen längs der Gurtwinkel in auffallender Weise
losgerissen, offenbar eine Folge der geringen Querfestigkeit der Bleche
und des Umstandes, dafs die Streben nicht über die Gurtwinkel hin-
weggeführt waren. Die beiden untern Gurtungen erlitten nur gegen
die Widerlager zu durchgehende Brüche; die linke Gurtung bildete
auf eine Länge von 29 m, die rechte auf eine Länge von 25 m ein
zusammenhängendes Stück. Doch waren sie auf diesen Strecken
mehrfach verbogen und angerissen; namentlich die Stehbleche zeigten
zahlreiche Verletzungen und seitliche Ausbiegungen.“
Die Querträger waren durch die aufstürzenden Wagen um so
stärker beschädigt, je weiter vorwärts sie in der Zugrichtung lagen.
Während die beiden ersten nur etwas in wagerechter Richtung ver
bogen wurden, kamen die dritten und vierten Querträger schon
schlimmer weg, und am schwersten wurden die acht letzten beschädigt.
„Unter den Verletzungen, die sie erlitten, fallen namentlich die
zahlreichen Risse und Verbiegungen der Stehbleche auf; sie sind
eine Folge der geringen Dicke und Festigkeit dieser Bleche. Be
merk enswerth ist ferner, dafs am rechtsseitigen Ende des fünf
ten Querträgers das Anschlufsblech stark
verbogen und das benachbarte Stück des
Gurtungsstehbleches weggerissen wurde. Die
an dieser Stelle aufserordentlich weit ge
hende Zerstörung kann nur dadurch ent
standen sein, dafs sich die stürzenden
Wagen anfangs nach diesem Punkte hin
drängten und hier eine Stauung erzeugten.“
„Der obere Querverband wurde in der
ersten Hälfte der Brücke durch die da
gegen stürzenden Wagen zerstört; ebenso
erlitt er am Ende der Brücke Beschädi
gungen durch die umstürzende vordere Loco-
motive. Dazwischen hat er sich auf eine
Strecke von etwa vier Feldern ziemlich un
versehrt erhalten.“
„Was die Unterhaltung der Eiscn-
eonstruction betrifft, so läfst sich nicht be
haupten, dafs sie mangelhaft gewesen sei.
Der Anstrich war zwar an manchen Stellen
der Erneuerung bedürftig, doch konnten wir
nirgends Rostflächen bemerken, die zu Be
denken Veranlassung gegeben hätten.“
Ergebnisse der Eisenproben. Das
Eisen der Brücke war nach den Angaben
der Jura-Simplonbahn belgischen Ursprunges
und stammte aus verschiedenen Bezugs
quellen. Es wurde in der eidg, Prüfungs
anstalt einläfslichen Festigkeitsproben —
Zerreifsproben, Kaltbiegeproben, Umschlag
proben (Proben auf Beschaffenheit des Ge
füges und auf Güte des Schweifsens), das
Niet-Eisen Scherversuchen und Stauchver
suchen — unterworfen. Im ganzen wurden
ausgeführt an Zerreifsproben 103, Kaltbiege
proben 99, Niet-Scherproben 5, Niet-Stauch
proben 6, zusammen 213 Versuche.
Als Mafsstab für die an die Güte zu stellenden Anforderungen
werden aus den deutschen und schweizerischen Vorschriften die
mafsigem ausgewählt; es sind dies für die Flach- und Form-Eisen die
schweizerischen, für die Bleche dagegen die deutschen. Aus der
Zusammenstellung der Ergebnisse geht nun hervor, dafs das Eisen
der Birsbrücke bei Mönchenstein ein Schweifseisen von stark wech
selnder Güte gewesen ißt. Das Niet-Eisen befriedigt sowohl ln Hin
sicht auf seine'Festigkeit, als auch in Hinsicht auf Gleichmäfsigkeit
des Gefüges und Zähigkeit. Desgleichen ist das Eisen der Streben-,
Hängsäulen-, Quer- und Schwellenträger-Winkel von regelrechter
Beschaffenheit. Die angetroffenen körnigen Einlagerungen haben die
Biegsamkeit der Proben dieser Eisensorte nachtheilig nicht beein-
fiufst. Von zweifelhaftem Werthe sind die Gurtwinkel der Haupt
träger; ihre mittlere Festigkeit genügt eben noch den geringen For
derungen der französischen Vorschriften; dagegen hat selbst der
ausgewiesene Gröfstwerth ihrer Dehnbarkeit (6,1 v. H.) den Kleinet-
) werth jener Vorschriften nicht erreicht und bleibt das durchschnitt-
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AfiCD Polizeiamt. EFQ Meldeamt. Hli. Stadtknsse,
K Tresor. MN Ortskrankeukasse. OPQ Sparkasse.
RST Leihhauskasse. UX Aborte. V Pförtner. W Halle.
Z Treppe zur Wohnung dos PolizeLCönnnissarS. Y Treppe
z. Wohnung il. Bürgermeisters. aa'Eiugäugc. b Fahrstuhl.
Ratühaua in Gelsenkirchen.
Abb. 1, Entwurf von Erdmann u. Spindler-Berlin
(I. Preis). Grundrifs des Erdgeschosses.