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Oentralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
XI. Jahrgang. Berlin, 14. November 1891. Nr. 46.
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INHALT: Amtliches: Personal-Nachrichten. — Nichtamtliches: Neues Eathhaus für Dortmund. — Das Holzpflaster in Paris (Schlafs). — Hochbauten des preufsiseben
Staates 1890. — Die Wasserstrafsen in Frankreich. — Vermischtes: Ausstellung im Berliner Kunstgewerhe-Museum. — Wettbewerb um das Reiterstandbild
Kaiser WUhelms am Kyffhäuser-Denkmale. — Kriegerdenkmal in Indianapolis. — Bezeichnung unserer Mafse und Gewichte. — Berechnung freitragender Steintreppen.
Amtliche Mittheilungen.
Preufsen,
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Ge
heimen Ober-Regierungs- und Vortragenden Rath im Ministerium der
geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten Spieker bei
Genehmigung seines Uebertritts in das Ministerium der öffentlichen
Arbeiten den Charakter als Ober-Baudirector mit dem Range eines
Rathes erster Klasse zu verleihen; ferner den Kaiserlichen Geheimen
Postrath und Vortragenden Rath im Reichs-Post-Amt Hake in Berlin
zum aufserordentlichen Mitglied der Akademie des Bauwesens hier-
selbst zu ernennen, sowie dem am 1. Januar 1892 in den Ruhestand
tretenden Regierungs- und Geheimen Baurath Sasse bei der Regierung
in Hannover den Rothen Adler-Orden III. Klasse mit der Schleife zu
verleihen.
Die bisherigen Regierungs-Bauführer Friedrich Scholz aus Fried
land i. Schl, und Albert Fischer aus Welslebcn sind zu Königlichen
Regierungs-Baumeistern (für das Hochbaufach) ernannt worden.
[Alle Rechte Vorbehalten,]
Nichtamtlicher Theil.
Redactenre: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Der engere Wettbewerb zur
Gewinnung von Plänen für ein
neues Rathhaus in Dortmund,
welcher vor kurzem zum Ab-
sehlufs gelangt ist (vgl. S. 420
d. Bl.), dürfte nicht nur durch
seinen erfolgreichen Verlauf, son
dern auch weil mit der Ver
wirklichung des Baues ein altes
bedeutendes Baudenkmal besei
tigt werden mufs, in weiteren
Kreisen Beachtung verdienen.
Das neue Rathhaus soll nämlich
auf der Stelle eines aus der
frühgothischen Zeit stammenden
Baues errichtet werden, der dem
selben Zwecke gedient hat. Vor
der kurzen Besprechung des Wett
bewerbes mögen deshalb einige
Mittheilungen über den alten Bau
hier Platz finden.
Dortmund, bis 1802 freie
Reichsstadt, lange Zeit dem
Hansabunde als hervorragendes
Mitglied angehörend, wird ur
kundlich als Stadt zuerst erwähnt
im Jahre 899. Bei der grofsen
Bedeutung als Marktplatz an der
Heer- und Handelsstrafse vom
Rhein nach dem Harz war die
Stadt schon früh hoch ent
wickelt. Im dritten Jahrzehnt
des 13. Jahrhunderts vernichtete
eine verheerende Feuersbrunst
zugleich mit dem gröfsten Theile
der Stadt das damalige Rath
haus mit allen alten Urkunden
und Acten. Um das Jahr 1230
wurde das jetzige Rathhaus am
Markte erbaut. Es diente anfäng
lich zugleich als Wand- oder
Gewand-Haus für die älteste
und vornehmste der sechs Gilden,
die Magna gilda oder Reinolds-
gilde, und wurde deshalb in den
Chroniken und Urkunden domus consulum ubi venditur laneus pannus
genannt. Es scheint zunächst vom damaligen Grafen von Dort
mund, dem kaiserlichen Statthalter auf dem Dortmunder Reichs- oder
Königshofe, erbaut worden zu
sein, welchem Hofe die Stadt,
wenn nicht ihre Entstehung, dann
jedenfalls infolge der vielfachen
ihr verliehenen Berechtigungen,
insbesondere des Marktrechtes,
ihre frühe Entwicklung und ihre
bis zur Auflösung der Hansa an
dauernde Blüthe verdankt. Von
diesem Grafen kaufte die Stadt
das Haus im Jahre 1241.
Die nebenstehend mitgetheilte
Abbildung der Marktschauseite
giebt ein Bild des stattlichen, in
den Formen des Uebergangs-
stils vom Romanischen zur Go-
thik aus Sandsteinquadern er
richteten Baues mit den Aende-
rungen, welche ein im Jahre 1740
vorgenommener Neubau versün
digt hat. Die nach dem Markte
hin offene Bogenhalle war, bevor
der im gotbischen Stil angefügte
Nebenbau (das Brod- oder Kauf
haus) ausgeführt wurde, auch
an den Langseiten offen. Das
Erdgeschofs enthält hinter dieser
Halle, um mehrere Stufen er
höht, über einem geräumigen
Balkenkeller die einzelnen Ab
theilungen für die Kaufleute.
Das Obergeschofs, dessen Fenster
anscheinend auch früher mit ge
raden Sturzen, wenn auch an
ders als jetzt, geschlossen waren,
enthielt einen grofsen, durch eine
Holzsäulenreihe nach Art vieler
frühmittelalterlicher Säle in zwei
Schiffe getheilten Saal und nur
wenige Geschäftsräume. Ein
näheres Eingeben auf die Einzel
heiten der Architektur und der
Raumtheilung soll einer bereits
begonnenen und beim Abbruch
zu vervollständigenden Aufnahme
des merkwürdigen Baues Vorbehalten bleiben.
Das Gebäude ist bereits seit längerer Zeit wegen Baufälligkeit
und Unzulänglichkeit der Räume seiner früheren Bestimmung ent-
Der Neubau des Rathliauses in Dortmund.
Das alte Rathhaus in Dortmund.