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Centralblatt der Baiaverwaltung.
81. Oetober 1891.
Bücherschau,
Sie Universitäten und technischen Hochschulen, ihre geschieht'
liehe Entwicklung und ihre Bedeutung in der Cultur, ihre gegenseitige
Stellung und weitere Ausbildung von Egon Zoller. Berlin 1891.
Verlag von Wilhelm Ernst u. Sohn, 212 S. in 8®. Preis 5 Ji.
Pie Zeit ist im allgemeinen noch nicht gekommen, wo in Deutsch*
land die Bedeutung der technischen Hochschulen überall richtig ge*
würdigt wird und jedermann von der Wahrheit überzeugt ist, dafs
dieselben ihren um viele Jahrhunderte älteren Schwestern, den Uni
versitäten, voll und ebenbürtig zur Seite stehen. Man darf sich nicht
darüber hinwegtäuschen: viele giebt es, die da glauben, das Wohl
ergehen des Staates sei gesichert, wenn für eine gute Verwaltung
und geordnete Rechtspflege, eine tüchtige Erziehung, Seelsorge und
ärztliche Hülfeleiatung gesorgt sei, und nicht minder viele giebt es,
die demgemäfs das Studium dieser Wissenschaften als das erstrebens*
wertheste Ziel ansehen. Sie lassen daher auch diejenigen, welche
sich der Technik zuwenden, zwar als Studirende gelten, aber als
Studirende, für die keineswegs das hohe Mals allgemeiner Bildung
nothwendig ist, wie sie es für Theologie, Rechtswissenschaft, Medicin
und Philosophie unbedingt erfordern. Leider oft zum Schaden des
Staates. Denn so wenig auch zu verkennen ist, dafs die vorerwähnten,
auf den Universitäten gelehrten und später im Dienste des Landes
ausgeübten Wissenschaften eine unerläßliche Vorbedingung für die
glückliche Weiterentwicklung eines Staates sind, so wird dennoch
bei dem heutigen wirthschaftlichen Kampfe der Nationen unter ein
ander dasjenige Volk unterliegen müssen, welches nicht rechtzeitig
erkennt, wie seine Stellung auf dem Weltmärkte mit in erster Linie
von dem technischen Können und Wissen seiner Mitbürger abhängt,
und wie nothwendig es ist, die höchste Vor- und Ausbildung auch
denen zu Theil werden zu lassen, die sich dem Studium der weit
verzweigten technischen Wissenschaften widmen. Seitens des Staates
ist zwar die Ebenbürtigkeit der Universitäten und der technischen
Hochschulen anerkannt, beiden Pflegestätten der Bildung sind die
selben Rechte einger&umt und mit gleicher Sorgfalt werden sie be
hütet und geschützt; die grofse Menge bedarf aber fortgesetzt gerade
in Deutschland der Aufklärung durch Schrift und Wort, dafs seine
technischen Bildungsanstalten keine geringeren Leistungen aufzu
weisen haben, als seine Universitäten, und dafs mit der Grofse der
technischen Aufgaben auch das Können der Techniker in gleichem
Mafse zugenommen hat. Ein jeder, der daher das Seinige beiträgt,
um irrthümliche Anschauungen in dieser Richtung aufzuklären, nützt
der Allgemeinheit, und er nützt ihr besonders, wenn er über ein so
reiches Wissen verfügt, wie der Verfasser der vorliegenden Schrift,
Mit ganz aufsergewöhnlicher Kenntnifs der einschlägigen Litteratur
aller Länder und Zeiten nnd nicht minder außergewöhnlichem Fleifse
hat Zoller alles, was auf diesem schwierigen, weiten Gebiete bisher
erschienen war und zur Klarstellung der Geschichte der Universitäten
und technischen Hochschulen beitragen konnte, gelesen, gesichtet,
geordnet und in schöner Sprache mitgetheilt. Dabei haben die ver
schiedensten, beute noch vielfach im Vordergründe der Erörterung
stehenden Fragen über die Gestaltung des höheren Unterrichtswesens
eine eigene, geistreiche Behandlung seitens des Verfassers erfahren,
sodafs seine Arbeit auch nach dieser Richtung hin von dauerndem
Werthe sein wird. Der Werth ist um so gröfser, als ein trauriges
Geschick Zoller wenige Monate später plötzlich und unerwartet aus
dem Leben abrief, sein mühevolles Werk mithin sein letztes Wort
war, welches er — ein Sachverständiger auf diesem Gebiete wie wenige
Sachverständige — zu seines Vaterlandes Nutzen gesprochen hat.
Auf den reichen Inhalt des Buches kann hier nur kurz ein-
gegangen werden. Im ersten Abschnitt wird die Entwicklung der
Universitäten und technischen Hochschulen vortrefflich geschildert,
um auf dieser Grundlage in dem zweiten Abschnitt die Bedeutung
der Wissenschaften und ihrer Lehr- und Pflegestätten für die Cultur
richtig würdigen zu können. Hierbei kommt der Verfasser im dritten
Abschnitte zu dem Ergebnifs, dafs Universitäten und technische
Hochschulen zwar von eigenartigem, aber doch gleich hohem Werthe
und einander voll ebenbürtig sind, sowie erst in ihrer Gesamtheit in
der heutigen Cultur die Universitas litterarum bilden. Von gröfster
praktischer Bedeutung ist dann der vierte und letzte Abschnitt. Der
Verfasser bespricht hier eine Reihe wichtiger Fragen bezüglich des
weiteren Ausbaues unserer Hochschulen, um eine erspriefsliche Fort
entwicklung der Wissenschaften zu sichern und Männer heranzu-
bilden, die befähigt sind, den thatkräftigsten Antheil an der Lösung
der grofsen socialen Aufgaben zu nehmen. Wiederholt weist er dabei
überzeugend nach, dafs die Hochschulen aber nur dann sowohl die
Fachwissenschaften in gründlicher, gediegener Weise lehren, als auch
mit der Erlangung der Fachbildung die allgemeine Bildung weiter
vertiefen können, wenn die in die Hochschulen Eintretenden eine
möglichst gleich hohe allgemeine Vorbildung besitzen. Die in Bezug
auf die Zulassung zu den Hochschulen zur Zeit noch bestehenden
Ungleichheiten müßten daher beseitigt werden, um die Lehrtätigkeit
der Hochschulen thunlichst wirksam zu gestalten. M—s.
Mittelalterliche Bau- und Kunstdenkmüler in Magdeburg. Im
Selbstverlag herausgegeben und aufgenommen unter Leitung der
Herren StadtbauinBpector Jaehn und Regierung« - Baumeister Ochs
von E. v, Flottwell, Architektur-Photograph. Magdeburg. Sub-
scriptionspreis 30 Ji.
Im Anschlufs an die im Vorjahre erfolgte, in diesem Blatte auf
S. 482 u. 526 d. v. J. besprochene Herausgabe von Magdeburger Bau
denkmälern der Renaissance-, Barock- und Rococozeit, welohe unter
Mitwirkung des Architekten- und Ingenieurvereins und des Kunst-
gewerbevereins in Magdeburg durch den dortigen Architektur-
Photographen v. Flottwell ins Werk gesetzt war, hat es dieser
nunmehr unternommen, auch die beiden berühmten mittelalterlichen
Baudenkmäler der alten Stadt Ottos des Grofsen, den Dom und das
Kloster Unserer lieben Frauen, in gleicher Weise zu veröffentlichen.
Von dem auf 40 Lichtdruckblätter berechneten Werke liegen die
drei ersten Lieferungen mit zusammen 30 Tafeln vor. Die letzte
Lieferung soll Anfang December erscheinen, mit ihr zugleich der
erläuternde Text, welcher durch die auch bei der Auswahl der
Darstellungen betheiligten Herren Stadt-Bauinspector Jaehn und
Regierungs-Baumeister Ochs in Magdeburg sowie durch den bis
vor kurzem mit der Wiederherstellung der Liebfrauenkirche be
schäftigten Regierungs-Baumeister J. Kohte verfaßt werden soll.
Fehlt es dem bis jetzt vorliegenden Theile des Werkes somit noch
an der für das volle Verständnifs einzelner Blätter erwünschten
kunstgeschichtlichen Würdigung der dargestellten Architekturstücke
und Bildwerke, so fordert doch auch das bisher Gebotene schon zu
kurzer anerkennender Erwähnung heraus.
Den Hauptgegenstand der Aufnahmen bildet der Natur der Sache
nach der Dom. Vier Gesamtansichten geben einen klaren Ueberblick
über das Bauwerk und seine sich durch die drei gothischen Jahr
hunderte hinziehende Entstehung. Treten in den nahezu geometrischen
Ansichten der West- und Nordeeite das Fehlen des einheitlichen
künstlerischen Wurfes und die Minderwerthigkeit der Erfindung der
späteren Theile des Bauwerks dem Betrachter scharf entgegen, so
findet er reiche Entschädigung in zwei köstlichen Aufnahmen aus
Südosten und Nordosten, in denen der markige, durch zweigeschossigen
Umgang und Capellenkranz ausgezeichnete Chor zu besonderer Gel
tung gelangt.
Unter den zahlreichen guten Aufnahmen aus dem Dom-Inneren
sind als Bilder besonders zwei vortrefflich gelungen: Nr, 19, der
Blick in den ehrwürdigen Hohen Chor, und Nr. 22, die Ansicht
des spätgothischen Lettners vom nördlichen Seitenschiffe her. Aller
dings würden auch bei ihnen die Beleuchtungswirkungen noch
günstiger geworden sein, wenn der Dom nicht leider der Hauptsache
nach der dämpfenden, die unerwünschten Reflexe mildernden reich-
farbigen Verglasung entbehrte. — Erfreuen im übrigen einzelne
überaus reizvolle, malerische Bilder aus dem Kreuzgange und den
Chorumgängen das Auge, so erregen in kunstwissenschaftlicher Be
ziehung die Aufmerksamkeit besonders die architektonischen Einzel
heiten und Ausstattungsstücke, die der Dom in aufsergewöhnlicher
Fülle und Bedeutung birgt, und unter denen wir hier nur die klugen
und thörichten Jungfrauen aus dem Paradiese vor dem nördlichen
Eingänge zum Querschifif sowie die seltenen Putzritzungen im Ost-
flügel des Kreuzganges erwähnen, in denen neben Magdeburger
Bischöfen Kaiser Otto zwischen seinen beiden Gemahlinnen thronend
abgebildet ist, und die zweifellos einst allesamt den Schmuck reicher
Bemalung getragen haben.
Von der weniger bekannten Liebfrauenkirche werden 13 Licht
drucke gegeben. Sie werden nicht minder willkommen sein, da sie
ein Bauwerk ausführlich darstellen, weiches zwar bescheiden hinter
dem Dome zurücktritt, aber ebenso wie dieser einen letzten bedeu
tenderen Ausläufer des mittelalterlichen Werksteinbaues gegen die
norddeutsche Tiefebene darstelit. Auch als Bilder sind diese Auf
nahmen zum Theil sehr gelungen, wenn auch die Vorwürfe insofern
nicht immer dankbar waren, als das Bauwerk, wie erwähnt, soeben
erst eine Wiederherstellung erfahren hat, und ihm somit jetzt die.
„Patina“, der unersetzliche Reiz des Alten fehlt.
So bietet das Werk nicht nur jedem Gebildeten eine Sammlung
werthvoller Kunstblätter, sondern auch dem Forscher, und dem im.
Geiste des Mittelalters arbeitenden Künstler eine Fülle von Be
lehrungen. Aber auch die Freunde vaterländischer Geschichte werden,
die würdige Veröffentlichung beider Bauwerke, des Domes als des
Mittelpunktes des Erzbisthums Magdeburg, der Liebfrauenkirche als
der Mutter zahlreicher Prämonstratenser-Stiftungen Norddeutschlands,,
gewifs mit aufrichtiger Genugthuung begrüßen. —d.
Verlag von Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin. Für die Kedactiou des nichtamtlichen Theilcs verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J.Eerskes, Berlin.