418
Centralblatt der Banverwaltung.
17. October 1891;
größerung der Lasten nnd Vermehrung der Seile in gesteigertem
Grade verwickelter ausfallen.
Die beiden je 4.2,11 = 88 qcm starken Gallschen Ketten
des französischen Entwurfs müssen durch einen 65 m langen Tunnel
unter dem Oberwasser hindurch von der einen Trogschleuse au der
105 m entfernten anderen geführt werden. Die Kosten dieser seit
lichen Leitung sind dadurch ermäßigt, dafs die beiden Tragketten
flaschenzngartig an die Schleusenwagen angeschlossen wurden, und
auf diese Weise die achtfachen Kettenziige auf den beiden geneigten
Ebenen nur durch zwei Kettenstränge seitlich verbunden sind. Als
ein Nachtheil dieser Anordnung mufs es betrachtet werden, dafs die
Gelenkketten in zwei Ebenen verbogen werden, nämlich durch die
Kettenseheiben in der Geleis-Ebene, zu der die Gelenkbolzen winkel
recht stehen, und aufserdem beim Durchhängen zwischen den in je
8 m Entfernung stehenden Leitrollen innerhalb der Loth-Ebene. Bei
der americanischen Ausführung ist die gleiche Führungsart mit Ver
biegungen in zwei Ebenen unbedenklich, da dort runde Drahteeile
verwendet sind.
Ganz allgemein erscheint die Beschränkung auf zwei Verbin-
dunsgketten bei je acht Kettenzügen als eine Verminderung der
Betriebssicherheit. Beim Bruch einer Kette kann zwar das fallende
Schlensen-Ende rasch durch die selbstthätigen Sperrklinken festgestellt
werden; ein geringes Zurückweichen der beschädigten Wagenhälfte
und das Weitergehen der anderen während einiger Secunden bis zur
Abstellung der Maschinenkraft wird aber die Seitendrücke auf die
Gleitschienenfuhrung längs der Mitte, welche bei 45 m Wagenlänge
eine für gewöhnliche Fälle ausreichende Führungslänge von 11 ra hat,
ganz unverhältnifsrnäfsig steigern. Schon allein dadurch, dafs die
acht Tragketten der Trogschleusen selbständig von einer zur andern
durchgefiihrt werden, können die bei einem Kettenbruche entfesselten
gefahrdrohenden Kräfte auf ein Viertel verkleinert werden.
(Fortsetzung folgt.) Th. Hoecb.
Leben und Wirken Karl y. Gontards,
(Fortsetzung.)
Neben dem Bau der Colonnade bei den Communs leitete
Gontard 1769 noch zahlreiche grÖfsere Privatbauten in Potsdam,
nachdem er schon seit dem Jahre 1765 im Aufträge des Königs
18 verschiedene Fagaden an der Naueuschen Plantage (Wilhelms-
Platz) entworfen hatte. Nach Mangers Angabe führte er von
1765 bis 1777 in Potsdam über 70 ansehnliche Privatgebäude (im
Werthe von mehreren Millionen) aus, sodafs ihm auch nach dieser
Seite hin ein nennenswerther Einflufs auf die Gesamterscheinung dieser
Residenzstadt zuerkannt werden mufs. Gerade auf diesem Gebiet
ist von ihm sehr beraerkenswerthes geleistet worden, was um so
höhere Anerkennung verdient, als er wohl oft genug mit der Neigung
des Königs für eine grofsartige Scheinarchitektur zu kämpfen hatte.
Bei im ganzen doch ziemlich geringen Mitteln ist er in diesen
FaQ&den stets bemüht, durch Auflösung der strengen Architektur
in mehr decorative Motive und Gliederungen eine selbständige und
gefällige, aber überall würdige Auffassung zu verwirklichen.
In das Jahr 1770 fällt der Bau des sog. chinesischen Häuschens
oder Drachenhauses in Sanssouci, dessen Ausführung von Manger
ebenfalls Gontard zugeschrieben wird. Zugleich zeichnete er die
Fa^ade für das königliche Salzmagazin in der Burgstrafse. Eben
falls in diesem Jahre 1770 entstanden die Pläne für das Militär-
waisenhaus, das nach der Idee des Königs zu einer möglichst
grofsartigen Anlage sich gestalten sollte. - Auch an diesem mächtigen
Werke, dessen vier Hauptseiten mehrere hundert Fufs lang sind,
hat der Architekt mit verhältnifsrnäfsig geringen Mitteln die end
losen Fronten zu gliedern gewufst, und namentlich an der Haupt
front in der Lindenstrafse einen wirksam vortretenden Mittelbau
geschaffen, der über der in grofsen Zügen entwickelten Faijade
als Bekrönung einen offenen Tempel trägt. Dieser Bau, den der
König voll hoher Ideen in Angriff nahm, mufste nachher immer mehr
und mehr eingeschränkt werden, sodafs in der Lindenstrafse unter
Beibehaltung älterer Gebäude Unregelmäßigkeiten entstanden, für
die man den Architekten nicht verantwortlich machen darf. 4 )
Die Kuppel des MilitärwaisenhauBes in Potsdam ist insofern
noch von Bedeutnog, als sie ohne Zweifel als eine Vorstudie für
die bald nachher geplanten Thurmbauten auf dem GenBdarmen-
markt in Berlin angesehen werden mufs. Die Kuppel ist von
massigem Durchmesser, aber bei nicht unbeträchtlicher Höhe in
mehreren Geschossen mit offenen Bogen gewölbt, sodafs bei dem
Blick von unten her reizvolle Durchsichten und Ueberschneidungen
sich zeigen.
Der Bau des Militärwaisenhauses beschäftigte Gontard von
1771—1777, also nahezu sieben Jahr, wozu es viel beitrug, dafs die
Gelder immer langsamer flössen, und dafs insbesondere die Grün
dungen sehr schwierig und zeitraubend sich erwiesen. In dem letzt
genannten Jahre baute er u. a. noch das Noacksche Haue am
Markt (s. d. Abb.), sowie das nach seiner schmalen Grundform „die
Patrontasche* genannte Haus am Canal (80), von denen das letztere
von sehr vornehmer Wirkung ist.
Hiermit war die bauliche Thätigkeit Gontards in Potsdam vor
läufig abgeschlossen, zu einer Zeit, da der König dort die meisten
seiner grofsen Pläne verwirklicht hatte und der bayerische Erbfolge
krieg dem künstlerischen Schaffen ohnehin ein Ziel setzte.
Gontards Wirken in Berlin unter Friedrich II«
Die unmittelbare Fortsetzung von Gontards Wirken finden wir in
Berlin in der Spitteibrücke, den Königscolonnaden und den Gens-
*) Die durch Gontard unterschriebenen Grundrisse befinden
sich bei der G&rnisonbauverwaltung in Potsdam.
darmenthürmen, bei Werken, die aufser zahlreichen Privatbauten
hier seinen Namen würdig verewigt haben.
Auch in Berlin waren seine Hauptaufgaben mehr decorativ-
architektonischer Natur, doch wufste er bei allem Reichthum des
Umrisses, bei allem Wechsel der Formen die einzelnen Glieder mit
einer Schönheit und einem Ebenmafs zusammenzufügen, welche
überall die Sicherheit eines überlegenen Talentes erkennen lassen.
Der Gedanke, unschöne Brückenübergänge in den Straßen durch
erweiterte Hallenanlagen zu verstecken und auf diese Weise ein
besseres architektonisches Ansehen innerhalb der langen Häuser
reihen zu gewinnen, führte zuerst zum Bau der Spittelcolonnaden
in der Leipziger Straße, die sich bis heute unverändert erhalten
haben. Die stattliche offene Halle, die von glatten jonischen Säulen
und Pilastern getragen wird, hat an der Straße zwei quadratische
Pavillons mit Bogenöffnungen an allen Seiten, Uber deren mit Vasen
geschmückter Brüstung auf kühn geschweiftem Sockel eine knauf
artige Spitze aufragt.
Die Königscolonnaden am Alexanderplatz, die durch einen
glücklichen Zufall trotz der grofsen baulichen Umwälzungen in dieser
Gegend bis heute gerettet wurden, zählen zu den gelungensten
Schöpfungen Gontards, Hier trat für den Künstler als ein neues
Moment hinzu, dafs der Hintergrund der Bogenhallen in alten Bäumen
bestand, welche von vornherein auf leichtere, landschaftlich-gefällige
Formen hinweisen.
So hat denn hier der Architekt ungehindert seiner Neigung
nachgehen können, in glücklicher Vereinigung von Architektur und
Plastik ein Werk zu schaffen, das durch ein geschicktes Abwägen der
Formen und Flächen gegen einander, sowie durch richtige Vertheilung
des ornamentalen und figürlichen Schmucks eine Meisterleistnng ge
worden ist.
Bei diesen Colonnaden darf man nicht den Entwurf der Königs-
brücke vergessen, die in ihrer Art ebenfalls zu den besten Werken
des alten Berlins zählte. In sieben elliptischen Bögen von mäßiger
Weite überspannte sie den alten Königsgraben, der erst vor einigen
Jahren zu Gunsten der Stadtbahn zugeschüttet wurde.
Die treffliche Lösung der hier gestellten Aufgabe sowohl, wie
besonders der Colonnaden, legten dem König den Gedanken nahe,
auch andere unschöne Punkte seiner Hauptstadt durch architektonische
Werke zu verdecken. Dahin zählten aber vor allem die beiden
Kirchen auf dem Gensdarmenmarkt, die nach Beseitigung der Pferde-
Btalle des Regiments Gensdarmes (1773) dem neubebauten Friedrichs
städtischen Markt sicherlich nicht zur Zierde gereichten. Wenn der
König die prächtig angelegte Markgrafenstrafse hinunterfubr, um
durch die Lindenstrafse zu dem alten Paradefeld der Berliner Garnison
zu gelangen, so mußten ihn die unansehnlichen, auf dem grofsen
Platze fast verschwindenden Baulichkeiten verstimmen.
Gontard erhielt 1780 den Auftrag, östlich der beiden Kirchen
thurmftrtige Vorbauten zu schaffen, die der Größe der Umgebung in
künstlerischer und maßstäblicher Hinsicht Rechnung trugen. Für
uns kann es gleichgültig sein, ob der König der Sage nach dabei an
die niedrigen Kirchen der Piazza del Popolo in Rom gedacht hat,
oder ob, wie andere wollen, die Thürme des Hospitals zu Greenwich
vorbildlich waren, immer kann doch nur von einer ganz allgemeinen
Verwandtschaft, niemals aber von einer wirklichen Nachahmung die
Rede sein.
Der Aufbau der Thürme ist vielmehr in seiner Beziehung so*
sehr der gegebenen Grundlage und der ganzen Umgebung angepaßt,,
daß wir es auch hier mit einer selbständigen, hervorragenden Leistung
Gontards zu thun haben.