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Centralblatt der Bauverwaltung,
t totober 1891.
Reihe endlich liefert die Boschungsbreiten für die Neigungen 1:1,
1,5, 2, 2,5 und 3 bei Höhen von 0 bis 10 m, von cm zu cm abgestuft.
Der Gebrauch der Tabellen ist durch eine Einleitung mit Abbildungen
erläutert; sie setzen durchweg eine wagerechte und gradlinige Be
grenzung des Erdreichs voraus, ihre Anwendung bleibt demnach auf
ebenes Gelände beschränkt oder sie verlangt bei vorhandener Quer
neigung die vorgängige Zeichnung der Querprofile und die Be
gleichung der Neigung durch Flächenverwandlung. Die Ausstattung
des Buches, namentlich Anordnung und Druck der Tabellen ist vor
züglich. Dasselbe kann demnach für diejenigen, welche gern mit
Hülfe von Tabellen arbeiten, von Nutzen sein, vorausgesetzt, dafs die
Kronen- bezw. Sohlenbreiten und Böschungsverhältnisse sich den in
den Tabellen zu Grunde gelegten anpassen lassen, was bei Eisen
bahndämmen und namentlich bei Einschnitten wegen der vorge
schriebenen Kronenbreiten, und in festem Erdreich wegen etwaiger
steilerer Böschungen als 1:1 nicht immer der Fall sein wird.
Ueber den Grad der Zuverlässigkeit der Zahlen, auf welche bei
solchen Tabellen alles ankommt, ist ein Urtheil nicht möglich, da
über die etwa angewandten Prüfungsmittel der Richtigkeit nichts
mitgetheilt wird.
Für diejenigen, welche sich gewöhnt haben, dergleichen Zahlen
tabellen durch wenige, rasch gezeichnete Linien zu ersetzen (deren
Genauigkeit man durch Wahl des Mafsstabes beliebig erhoben kann),
ist es freilich kaum verständlich, dafs es immer noch Techniker
giebt, welche sich mit der mühseligen Ausrechnung und mit der
zeitraubenden Anwendung solcher Zahlentabellen plagen. Denn wo
es sich, wie hier, nur um lineare und quadratische Functionen handelt,
kann in der That das Zeichnen der betreffenden graphischen Mafs-
stäbe*) als Mühe oder Zeitaufwand nicht in Frage kommen. Und
dabei hat man den Vortheil, dafs jedes Zwischenschalten wegfällt,
dafs Fehler bei einzelnen Werthen kaum Vorkommen können, da
auch die etwa erforderlichen Parabeln aus wenigen aufgetragenen
Punkten (mit Hülfe beliebiger Bogenlineale) stets leicht so richtig
zu zeichnen sind, dafs jede kleine Abweichung von dem stetigen
Linienzuge sofort dem Auge auffallt. So sind z, B. die über
203 Seiten sich erstreckenden Querscbnittszahlen des vorliegenden
*) Die Form der Querschnittsfläche F-=bh-\-m h 2 , wenn 1: m
die Böschungsneigung ist, ergiebt eine schräge Grade bh und eine
Parabel mh s . Vgl. u. a. Heusingers Eisenbahnkalender 1891. Bei
gabe S. 45.
Buches durch 5 Parabeln — für jedes Böschungsverhältnifs eine —
und soviel grade Linien, als Kronenbreiten verlangt werden, zu er
setzen. Die 5 Parabeln können bequem in einer halben Stunde, die
32 graden Linien in etwa gleicher oder kürzerer Zeit gezeichnet
werden; damit sind alle die vielen Tausende von Querschnittszahlen
eines solchen Buches ersetzt. Bei den linearen Functionen der
Grund- und Böschungsbreiten ist die Zeichnung naturgemäfs noch
leichter bewerkstelligt.
Wenn man nun weiter die ungemein einfache Anwendung der
gezeichneten Tabellen kennt, die mindestens zwei Drittel bis drei
Viertel des Zeitaufwandes gegenüber der Benutzung von Zahlen
reihen erspart; wenn man ferner bedenkt, dafs die zu Grunde liegen
den Höhen der Erdkörper fast stets aus der Zeichnung abgemessen
werden und dafs sogar vielfach auch die Endergebnisse wieder als
Zeichnung verwerthet werden (so die Breiten meistens und bei
graphischer Massenermittlung auch die Querschnittsgröfsen), so ist
umsoweniger ein Grund für die Anwendung von Zahlenreihen für
solche Zwecke abzusehen, zumal hierbei eine Anzahl von Fehler
quellen (wie z. B. das Umsetzen der gemessenen Höhen in Zahlen,
unter Umständen das Zwischenschalten u. a. m.) auftreten, welche
bei der Zeichnung vermieden werden.
Der Einwand geringerer Genauigkeit braucht wohl heute nicht
mehr besonders widerlegt zu werden, denn die feinste Rechnung
kann den stets sehr geringen Genauigkeitsgrad der Unterlagen, mit
denen man rechnet: die in der Zeichnung gemessene Höhe, die
Annahme ebener Oberfläche und prismatischer Körper zwischen den
Querschnitten, dazu noch die Vernachlässigung der Querneigung —
nie auch nur im geringsten verbessern. Zudem kann bei der
Zeichnung der Genauigkeitsgrad, wie schon bemerkt, durch Wahl
des Mafsstabes beliebig gesteigert werden.
Es mag übrigens noch darauf hingewiesen werden, dafs das
zeichnerische Verfahren sich leicht auf die Berücksichtigung der
Querneigung des Erdreiches ausdehnen läfst. Freilich wird dann
für jede Querneigung eine neue Parabel erforderlich. Diese Parabeln
können aber durch grade Linien ersetzt, mithin durch je einen Punkt
festgelegt werden, indem die Achse eine quadratische Theilung
erhält, zu deren bequemer Benutzung dann nur eine einzige Parabel
wirklich gezeichnet zu werden, braucht.*) — g.
*) S. Goering, Massenermittlung, Massenvertheilung und Trans
portkosten bei Erdarbeiten. 2. Aufl, Berlin 1890.
Zur Ausführung der Eisenbahn-Vorarbeiten.
Auf S. 334 d. J. hat Herr Geibcke mit vollem Recht auf die
Wichtigkeit der Beschaffung umfassender Lagepläne mit Höhenlinien
für die erfolgreiche Durchführung von Eisenbahn-Vorarbeiten im
Hügel- und Gebirgsland hingewiesen. Es ist dabei auch die »Zu
sammenstellung der Wasserverhältnisse des Bahngebiets“ und die
„Herstellung von Schürfgruben zur Benutzung beim Entwerfen der
Böschungen, Gründungen usw,“ erwähnt. Dafs auch für die Wahl
der Linie selbst Bodenuntersuchungen von Nutzen sein können, findet
sich nicht hervorgehoben; und gewifs erscheint in den weitaus meisten
Fällen für unsere deutschen Verhältnisse eine mehr nebensächliche
Berücksichtigung der geognostischen und hydrographischen Be
schaffenheit des von der Eisenbahn durchschnittenen Geländes voll
ständig zulässig. In anderen Ländern dagegen, z, B. in Italien, ist
bei Gebirgsbahnen unter Umständen die Rücksichtnahme auf
die Verhältnisse der Bodenschichtung und des Wasser
abflusses für die Auslegung der Linie mindestens eben so wichtig
wie die genaue Kenntuifs der Gestaltung der Bodenoberfläche.
In einer Reihe von Berichten über neuere italienische Eisenbahn
bauten hatte ich Gelegenheit, im einzelnen darzulegen, wie gerade
durch sorgfältige Beachtung dieser Verhältnisse die Linienführung
auf ganz andere Wege geleitet worden ist, als dies bei einseitiger
Beurtheilung ihrer Bauwürdigkeit aus den Schichtenplänen der Fall
gewesen wäre. Wo man geognostische und hydrographische Vor
erhebungen zur rechten Zeit versäumte, wo man sie bis zu den aus
führlichen Vorarbeiten verzögerte oder gar erst anstellte, nachdem
die Ausführung der Linie zu festen Einheitspreisen in Gesamtunter
nehmung verdungen war, hat eich das häufig bitter gerächt. Unter
brechungen der Bauten, nachträgliche Aenderungcn der Baupläne,
endlose Streitigkeiten mit den Unternehmern und jene fast zur Regel
gewordenen fabelhaften Ueberschreitungen der Kostenanschläge
waren öfters die Folgen jener Unterlassungssünde. Und wenn es
selbst geglückt ist, trotz allerhand Schwierigkeiten während der Bau
ausführung die Bahnlinien planmäfsig fertigzustellen, so schwebt
doch dauernd das Verhängnifs über ihnen. Betriebsstörungen durch
Hochfluthen, Zerstörung von Bauwerken, Wegspülung von Dämmen,
Rutschung der Böschungen, Sperrung des Bahnkörpers durch den
Absturz von Felstrümmern suchen solche Bahnstrecken in jedem
regenreichen Winter heim. Mit kostspieligen Sicherungsbauten läfst
sich den Uebelständen nicht immer entgegen wirken; mehr als einmal
mufste man die Linien auf gröfsere oder kleinere Längen aus dem
gefahrdrohenden Gebiet völlig verlegen.
Die Gründe für derartige, nach vorhergehender Durchfeuchtung
auftretende Bodenbewegungen und für die verheerenden Wirkungen
der Wildwässer sind mannigfacher Art und sollen hier nicht näher
besprochen werden. Man begegnet solchen bedenklichen Stellen
allenthalben im Hügel- und Gebirgsland, besonders in Unteritalien
und auf Sicilieu. Die meisten Gesteine, welche die Appenninkette
zusammensetzen, mehr noch die dem Gebirgsstock vorgelagerten
Tertiärschichten und die vulcftnischen Bodenarten, welche grofse
Flächen der Halbinsel bedecken, neigen leicht zur Verwitterung und
bilden unter der Einwirkung des Sonnenbrandes im trocknen Sommer
Risse und Sprünge. In diese dringen die Niederschläge der Winter
monate, weniger häufig aber heftiger als bei uns, auf erhebliche Tiefe
ein, lockern den Untergrund und lösen grofse Massen vom Kern der
Berge. Dem mäfsig hohen Gebirgsland fehlen Schneefelder und
Gletscher, welche in der heifsen Jahreszeit die Alpenhänge auffrischen
und den Graswuchs der Alpenwiesen begünstigen. Nackt und kahl
starren die Berghänge, fast allerorten durch die Jahrhunderte alte
Cultur entwaldet, und vermögen die Niederschläge nicht aufzu
speichern. Die Sohlen der Thäler sind mit Geröll gefüllt, in dem
sich die dünnen W&sserfäden zur Sommerzeit ganz verlieren, bis ein
einziger Regenfall den Thalgrund zum reifsenden Strom umwandelt.
In die Sohle des Thaies schieben sich von den Seitenlehnen und aus
den Querthälchen Trümmerhalden und Schuttkegel, deren Fufs von
den Wildwässern abgenagt und durch Nacbrntschen von oben her
stets wieder neu gebildet wird.
Bei manchen älteren, von ausländischen Ingenieuren gebauten
Eisenbahnen liegen viele Kilometer in solchem Rutschboden, weil
man versuchte, durch Entwicklung an der Berglehne in offenen Ein
schnitten und mit Ueberdämmung der Seitenthäler die Linie aus der
Sohle auf die erforderliche Höbe zur Ueberschreitung der Wasser
scheide steigen zu lassen. Neuerdings zieht man in solchen Fällen