Nr. 35.
Centralblatt der Ban Verwaltung.
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Wasser durch einen 17,3 m tiefen Schacht um 9 bis 10° Celsius ab
gekühlt habe (vgl. die Mittheilungen hierüber im Jahrgang 1890,
S. 316 d. Bl.).
Es folgten nun Vorträge über die Verbrennung von städti
schem Kehricht (Jones-Ealing, Meyer-Kopenhagen und Laws-New-
castle), über die Reinigung der Strafsen in deutschen Städten
(Th, Wogl-Berlin), über die vielseitigen Aufgaben des städtischen
Ingenieurs (Boulnois-Liverpool), über den diesjährigen Typhus in
Altona und das gefilterte Flufswasser (Kümmel-Altona) u. a., worauf
die recht umfangreichen Verhandlungen der Ingenieur-Abtheilung
durch den Vorsitzenden geschlossen wurden.
Aus der chemischen Abtheilung wäre noch zu erwähnen,
dafs dieselbe u. a. die Frage der Reinigung der Spüljauche besprach
und zum Schluß? folgenden Antrag annahm: Die Abtheilung ist der
Ansicht, dafs die Reinigung und Nutzbarmachung der Spüljauche
durch Rieselfelder das beste bis jetzt bekannte Verfahren der Ver
wendung der Spüljauche ist.
Am Montag den 17. August fand die allgemeine Schlufssitzung statt.
Es sei noch hervorgehoben, dafs das Verständnifs der Reden
(welche in englischer, französischer oder deutscher Sprache gehalten
werden konnten) durch zahlreiche Ausflüge und örtliche Besichti
gungen wesentlich gefördert wurde. So fanden z. B. Ausflüge statt
nach Ealing zur Besichtigung des dortigen Verbrennungsofens, nach
Barking, wo die Spüljauche des nördlichen London durch Kalk und
Eisenvitriol gereinigt wird, ehe sie in die Themse abfliefst, nach den
Wasserwerken von Rickmansworth usw. —g.
Der engere Wettbewerb um das Kaiser Wilhelm-Denkmal in Berlin,
Im Anschlufs an die allgemeine Preisbewerbung um Entwürfe
zu einem National-Denkmal für Kaiser Wilhelm wurden, wie unsere
Leser wissen, die preisgekrönten Künstler und aufser ihnen u. a. der
Bildhauer Reinhold Begas in Berlin zu einem engeren Wettbewerb
eingeladen. Dieser Einladung haben vier Künstler, und zwar neben
dem Letztgenannten der Bildhauer KarlHilgers in Charlottenburg,
der Architekt Bruno Schmitz in Berlin und der Bildhauer Joh.
Schilling in Dresden entsprochen. In stattlichen Modellen und
grofsen Zeichnungen stehen ihre Entwürfe gegenwärtig ira Lichthofe
des Zeughauses öffentlich zur Schau.
Während bei dem ersten allgemeinen Wettbewerb die Wahl des
Platzes freigestellt war, handelte es sich jetzt um den glücklichsten
Entwurf für die Denkmalgestaltung auf dem vorgeschriebenen Platz
vor der Westfront des Königlichen Schlosses und um die Besiegung
der Schwierigkeiten, welche naturgemäß} mit diesem Platze ver
bunden sind.
Professor Schilling hat der Architektur bei seinem Entwurf
nur eine bescheidene Mitwirkung eingeräumt. Er stellt das Reiter
bild des Kaisers auf eine mäfsig hohe Plattform, auf deren Brüstung
sich in der Mitte ein mächtiges Fahnenbündel erhebt, und umgiebt
den Stufenbau mit Candelabern, ruhenden Löwen und allegorischen
Gestalten, von denen jede einzelne von hoher bildnerischer Schönheit,
mit liebevoller Sorgfalt durchgebildet, die Meisterhand des Schöpfers
des Niederwald-Denkmals erkennen lüfst. Das Kaiserbildnifs selbst,
auf stattlichem Rofs, ist von eindrucksvoller, würdiger Haltung. Eine
perspectivische Gesamtzeichnung fehlt leider, sodafs sich nicht be-
urtheilen läfst, wie weit die plastischen Gruppen Bich dem Mafsstab
der Schlofsarchitektur gegenüber behaupten werden. Die unvermeid
liche Schwierigkeit, welche aus der mit dem Antlitz dem Schloß? zu
gewandten Stellung des Reiterbildes für die Betrachtung von ferne
dadurch entsteht, dafs man das Denkmal von der Rückseite sieht,
bat der Künstler anscheinend nicht für erheblich gehalten.
Karl Hilgers hat unseres Erachtens vor seinen Mitbewerbern
voraus die Kaisergcstalt am schönsten und würdigsten gestaltet, in
der Auffassung, wie sie der Gegenwart und wohl auch der Nachwelt
am meisten Zusagen würde. Die Haltung des Reiters ist eine wahr
haft königliche, die Gestaltung des Rosses von packender Macht.
Das Verhältnis der Figur zum Sockel ist aufs glücklichste abgestimmt.
Der Schmuck des Postaments ist von besonders schöner Erfindung; an
der Vorderseite ruht angelehnt die Idealgestalt eines jungen KriegcTs
mit lorbeergeschmücktem Schild und Schwerte, neben ihm breitet ein
prächtiger Adler seine Fittiche über feindliche Fahnen und Feld
zeichen. Die Langseiten des Postamentes werden durch Reliefs be
lebt, welche die Gerechtigkeit und die Frömmigkeit versinnbildlichen.
Dieses in Mafsstab und Umrifslinie schön und sicher abgewogene
Denkmal ist innerhalb einer bogenförmigen Halle mit einem triumph
bogenartigen Mittelbau und geschlossenen Eckbauten gedacht. Das
Gebälk der Halle wird von Karyatiden, welche Inschrifttafeln halten,
getragen, Die architektonische Erfindung dieses Bauwerkes steht
aber nicht auf gleicher Höhe mit der plastischen Schöpfung. Die
Verhältnisse lassen im ganzen und im einzelnen zu wünschen übrig,
besonders erscheint der Mittelbau mit seiner kahlen Ansicht von der
Spree aus zu gedrückt und schwer gegen die leichten Hallen, und
der Mafsstab ist zu klein, um gegen die grofsen ernsten Massen des
Schlosses zur Wirkung zu gelangen.
In dem Modell, welches Reinhold Begas ausstellt, fesselt den
Beschauer der Reichthum an plastischen, zu einer mächtigen Gruppe
vereinigten Gebilden realer und idealer Natur. Der Kaiser ist dar
gestellt mit wallendem Mantel auf einem feurig sich bäumenden
Rofs, welches von einer seitlich schreitenden Siegesgöttin geleitet
wird. Aus den Langseiten der Postamente entwickeln sich zwei
Viergespanne, das eine von dem Kronprinzen, das andere von dem
Prinzen Friedrich Karl geführt, im Gefolge stehen Bismarck und
Moltke nebst anderen Staatsmännern und Heerführern. Aus dem
kreisförmigen Unterbau entspringen, die Stufen durchschneidend
und in den Diagonalen weit vortretend vier Sockel, auf denen Tro
phäen haltende Löwen gelagert sind. Auffällig ist bei diesem allzu-
reicb bewegten Aufbau die Verschiedenheit des Mafsstabes, besonders
bei einem Vergleich der Rosse des Viergespannes mit den Löwen
gestalten. Der Gedanke des Kunstwerkes an Bich möchte manchem
berechtigten Einwand begegnen. Es mufs bedenklich erscheinen,
neben das monumentale Bildnifs des Kaisers eine Victoria gestellt
und die portraitähnlich gebildeten Helden mit allegorischen Gestalten
unmittelbar vereint zu sehen.
Die architektonische Umgebung des Begasschen Denkmals ist von
dem Hofbaurath Ihne entworfen und in einer von dem Architekten
Schade vortrefflich dargestellten Zeichnung perspectivisch zur An
schauung gebracht. Mit ernster Vertiefung in die Aufgabe ist hier
die Schwierigkeit, welche der Platz bietet, in mehreren verschiedenen
Lösungen zu überwinden gesucht. Die Denkmalplattform bildet im
Grundrifs einen stark überhöhten Halbkreis, welcher sieh mit Gegen-
eurven an die Uferlinic anschliefst. Ein stattlicher Arcadenbau um-
fafst den Platz nach der Spreeseite hin; seine Formen schliefsen
sich dem Barockstil des Eosanderschen Portals an und zeigen treff
liche Verhältnisse und malerische, zu der bewegten plastischen
Gruppe passende Umrifslinien. .Als ganzes betrachtet aber entbehrt
der Arcadenbau der ruhigen Geschlossenheit; er erscheint durch die
Unterbrechungen, welche auch von fern her einen Blick auf die
Denkmalgruppe gewähren sollen, etwas zerstückelt. Auch möchte
durch den weitvorgeschobenen Rundbau der Flufslauf mehr als
ästhetisch zulässig eingeengt sein. Besonders macht sich dies geltend
fcei dem Entwurf für eine zweite Lösung, welche eine Verbindung
des Denkmalplatzes mit einer Brücke im Zuge der verlängert ge
dachten Behrenstrafse vorsieht.
Aehnlich wie bei dem Ihneschen Entwurf, aber unseres Erachtens
noch glücklicher im ganzen und im einzelnen schallt der Architekt
Schmitz sich den Denkmalplatz durch einen Ausbau in die Spree,
aber nicht in vollem Halbkreis, sondern in einem flacheren Bogen,
welcher von der Wasserfläche so viel übrig läfst, als zu einer statt
lichen Wirkung der Anlage unerläfslich erscheint. Die in meister
haften Kohlenzeichnungen dargestellte Architektur des Aufbaues zeigt
würdevollen Ernst, vornehme Ruhe, klingt an die Barockformen
des Schlofsportals an und spricht doch eine eigene, ebenso selbstän
dige wie ausdrucksvolle Sprache. Abgesehen von den Eck-Pylonen,
welche unzweifelhaft bei beträchtlicher Einschränkung ihrer Höhe
besser wirken würden, ist dieses Bauwerk ein Rahmen, wie er für
das Denkmal an dieser Stelle kaum würdiger und passender gedacht
werden kann. In dem feierlichen Atrium, welches die Exedra um
schliefst, erhebt sieh, vorgeschoben auf einen Sockel, der die Treppen
stufen theilt, bedeutungsvoll das Reiterstandbild des Kaisers. Die
Theilung des Arcadenbaues und die hohe Brüstung zwischen den
gebälktragenden Säulen sind aufs glücklichste benutzt, um in einer
Reihe von Einzel-Standbildern die Paladine des grofsen Kaisers dar-
zuetellen und in einem Cyclus von Reliefbildern die Ereignisse der
grofsen Zeit in ihren Hauptzügen bildnerisch zu schildern. Auf
diese Weise vereinigt sich Architektur und Plastik zu einer Gesamt
schöpfung, welche die Hoffnung des deutschen Volkes, ein National-
Denkmal in der Reichshauptstadt entstehen zu sehen, wohl zu ver
wirklichen geeignet ist. — Das Reiterbildnifs für diesen Entwurf
von der Hand des Bildhauers N. Geiger ist leider nicht ganz ge
glückt. Die Haltung des Kaisers ist von der Last der Jahre ge
beugt, die Stellung des Rosses ohne rechte Kraft, Man wird nicht
wünschen können, das Bild des allverehrten Monarchen, welcher
noch auf dem Todesbette das Wort sprach: „leb habe keine
Zeit müde zu sein“, in dieser Auffassung der Nachwelt überliefert
zu sehen.
Wie auch die Entscheidung über den engeren Wettbewerb
und über die Ausführung ausfallen möge, die Ausstellung der Ent-