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Centralblatt der Bauverwaltung.
1. Anpst 1891.
geräumige Vorplätze an, die aufser der Seitenbeleuchtung noch
ein Oberlicht erhalten sollen. Die Nebentreppen führen YOm
Keller bis znm Dachgeschofs. Geräumige und hello Flurgänge um
schließen an drei Seiten den Lichthof. Die Vertheilung der Ge
schäftsräume ergiebt sich im einzelnen aus nebenstehenden Grund
rissen. Die Stockwerkhöhen sind yom Keller bis zum zweiten Stock
der Reihe nach auf 2,80 m, 4,50 m, 4,80 m und 4,80 m von Fufsboden
zu Fufsboden bemessen, indessen erhält der in der Hauptachse des
zweiten Stockwerks gelegene Plenarsitzungssaal nebst dem daran
stoßenden Vorraume eine Höhe von 6 m.
Der Aufbau ist in einfachen Formen deutscher Frührenaissance
durchgebildet. Seine Structurtheile sollen in rothem Sandstein, die
Flächen in rauhem Putz hergestellt werden. Alle Innenräume werden
feuersicher theils mit Gewölben, theils mit Cementbetondecken
zwischen eisernen Trägern überdeckt. Dia Treppen werden durch
weg massiv, theils freitragend, theils unterwölbt bergestellt. Das
hohe deutsche Schieferdach erhält einen eisernen Stuhl. Zur Er
wärmung der Geschäftsräume und Flure ist eine Warmwasserheizung
vorgesehen, während die Beamtenwohnungen durch eiserne Oefen ge
heizt werden sollen.
Die Baukosten sind auf 719 233 Mark veranschlagt, sodafs sich
die Preise für das Quadratmeter auf 340 Mark, für das Cubikmeter
auf 19 Mark berechnen. Für außergewöhnlich tiefe Gründung sind
außerdem noch rund 63 600 Mark vorgesehen. Die Bauausführung
liegt unter Oberleitung des Geheimen Bauraths Geifsler in Arns
berg in Händen des Bauraths Westphal in Soest; für die besondere
Bauleitung sind diesem die Regierungs-Baumeister Butz und Habelt
zugetheilt.
Die Architektur auf der diesjährigen (internationalen) Berliner Kunstausstellung. IV,
(Fortsetzung aus Nr. 28.)
Nur spärlich ist München auf dar Ausstellung vertreten, dafür aber
durch Namen besten Klanges. Emanuel Seidl bringt seine Bauten
der Münchener deutsch-nationalen KunstgewerbeausstelluDg von 1888
in Erinnerung. Daneben auf einem grofsen, gut gemalten Blatte einen
1889 preisgekrönten Vorschlag für die endgültige Bebauung: desjenigen
TbeUes vom Isarkai, auf welchem jene Ausstellungsbauten errichtet
waren: eine Gruppe großer, in schlichten Münchener Bauformen des
vorigen Jahrhunderts entworfener Mietshäuser, die mit einem kuppel
überragten Saalbau für Concerte, Bälle, Ausstellungen usw., sowie
mit anschließendem, architektonisch durchgebildetem öffentlichen
Garten zu einem einheitlichen, wohlabgewogenen Ganzen verschmolzen
sind. Mit welcher Vorliebe und mit wieviel Geschick Seidl die für
diesen Entwurf gewühlte Stilrichtung pflegt, zeigt auch sein Pollinger
Keller; in ihrer schlicht bürgerlichen Fassung ist sie für den Um-
und Erweiterungsbau dieser Münchener Kellerwirthschaft ganz be
sonders und jedenfalls weit mehr am Platze, als die wohl für einen
Schloßbau, aber nicht für einen Bräukeller passende reiche Deutsch
renaissance, in deren Formen G. Hauberrisser, wohl in einem
engeren Wettbewerbe mit Seidl, die gleiche Aufgabe bearbeitet hat.
Hauberrissers ausgestellte Entwürfe leiden überhaupt zum grofsen
Theil an einem ähnlichen Zuviel. Unter einer Häufung an sich oft
sehr gut durchgebildeter Motive gehen die Klarheit des gedank
lichen Ausdrucks und der Reiz der Ungezwungenheit, unter der Auf
lösung aller Massen in lauter Einzelheiten die Geschlossenheit seiner
Bauten vielfach verloren. Besonders gilt dies vom Umbau des Grazer
Rathhauses, dessen überreicher Front es an Ruhe gebricht, und dessen
untere Thurmtheile infolge allerhand willkürlicher Zuthat scheinbar
ihre Standfestigkeit eingebüßt haben. Beim neuen Wiesbadener
Rathhause, dessen fünfeckiger Grundriß übrigens zu schöner Reife
durchgearbeitet ist, sind die einzelnen Fronten, namentlich die Schmal
seite mit dem Hauptthurme, gut componirt, doch gehen sie nicht zu
sammen, ein einheitliches Ganzes ist das Gebäude nicht geworden.
Viel besser ist der aus dem engeren Wettbewerbe von 1887 herrührende
Reichenberger Rathhausentwurf: ein echtes rechtes deutsches Rath
haus, bei dessen Gesamtdarstellung nur die künstlerische Parallelität
der alten, erhalten gedachten Bürgermeisterei stört. Von der Herz
Jesu-Kirche in Graz geben die kleinen Photographieen nur ein unvoll
kommenes Bild. Dagegen ist Villa Holdereggen in Lindau, ein statt
licher, gut gruppirter Bau in deutscher Frührenaissance, durch zahl
reiche Aufnahmen sehr erschöpfend dargestellt. — Die Arbeiten von
H. v. Schmidt bezeichnet der Katalog etwas sehr lakonisch als „Archi
tektonische Entwürfe, gemalt von Ferdinand Wagner in München“.
Der größte Theil der theils in Wasserfarben, theils in Oel gemalten
Bilder bezieht sich auf v. Schmidts Wiederherstellung des Rathhausea
in Passau. Neben einem mit wenig Mitteln sehr wirkungsvoll aquarel-
lirten Gesamtbilde des Bauwerks ist in grofserem Maßstabe der neue
Thurm mit seinen fröhlich bemalten Uhrfeldern zur Darstellung ge
bracht, eino treffliche Composition, die mit dem alten Hauptkörper des
Bauwerks noch mehr aus einem Gusse erscheinen würde, wenn man
sich entschlossen hätte, diesem ein höheres Dach zu geben. Eine
frühgothische Langhauskirche — für welchen Ort, ist nicht gesagt —,
ebenso breit und flott aquarellirt wie das Passauer Rathhaus, zeichnet
sich durch Schlichtheit und gut abgewogene Verhältnisse des hohen
Westthurmes aus, weist aber eine für die basilicale Anlage merk
würdig unentwickelte Bildung des Strebesystems auf.
Von Badensern haben Manchot in Mannheim und Laeuger in
Karlsruhe ausgestellt. Der in einer Preisbewerbung entstandene
Uhrbrunnen des Letztgenannten zeigt eine hübsche, nur etwas zu auf-
wandvolle Behandlung des dankbaren Vorwurfes. Manchots Kestner-
Museum in Hannover ist den Lesern dieses Blattes aus Nr. 32 des
vorigen Jahrgangs bekannt; in seiner L. M. Claus-Stiftung, einem
mit zurückliegender Synagoge verbundenen Stiftungshausc, ist die
nicht leichte Aufgabe, eine modern - städtische Strafsenfront in
arabischen Formen durchzubilden, beachtenswerth gelöst. —.Der in
Zeichnung und Modell zur Schau gestellte Wasserthurm K. Hof-
rnanns in Worms giebt ein vortreffliches Beispiel für die Behandlung
eines ganz der Neuzeit angehörigen Gegenstandes im Geiste und in
den Formen der den Ort beherrschenden geschichtlichen Bauweise
und zeigt, in wie berufenen Händen das Wormser städtische Bau
wesen ruht.
Der einzige Aussteller aus den thüringischen Ländern ist
K. Weise in Apolda. Nicht ganz correct wurde eingangs in den
von der Stärke der - Betkeiligung handelnden Sätzen von nur einer
dorther eingegangenen „Arbeit“ gesprochen. Durch einen Schreib
fehler wurde dabei die Zahl der Arbeiten mit der Zahl der Bearbeiter
verwechselt, was hiermit, und zwar auch für die übrigen deutschen
Staaten, Preußen ausgenommen, berichtigt sein möge. K. Weise hat
sogar eine ziemlich umfangreiche Sammlung von Plänen eingesaudt:
Kirchen- und Wohnhausbauten, theils nur Entwürfe, theils Aus
führungen, die von der Gewandtheit eines vielbeschäftigten Bau
meisters Zeugnifs ablegen, ohne doch als künstlerische Leistungen
besonders bervorzuragen. Uebrigens gilt u. a. auch für die Weise-
schcn Arbeiten das oben Gesagte, dafs Katalog und ausgestellter
Bestand sich nur recht mangelhaft decken.
Aus dem nichtpreußischen Norden Deutschlands sind nur zwei
Architekten nach Berlin gekommen, ein Hamburger und ein Mecklen
burger, K, Hülscs Concerthaus Hamburg ist nicht in der zur Aus
führung gebrachten Form*), sondern in der Fassung des ursprüng
lichen, ausgedehnteren Planes dargestellt. Die von Lambert und
Stahl mit bekannter Meisterschaft gefertigten grofsen Federzeich
nungen sind die Originale zu der Veröffentlichung in der „Architek
tonischen Rundschau“ (Heft 12 Jahrg. 1889). Sie zeigen die große
Anlage in vollständiger, symmetrischer Gestalt: inmitten den Haupt-
Concertsaal, rechts den Wintergarten, links einen kleineren Concert-
saal, zu beiden Seiten vier besonders vermiethbare Nebensäle, in
mitten dieser Raumgruppen je eine Küohe mit Zubehör, eine etwas
eigentümliche Anordnung, über deren Vorzüge oder Nachtheile man
sich aber ohne eingehenderes Studium des Entwurfes, das durch die
ausgestellten Pläne nicht ermöglicht wird, ein Urtheil nicht bilden
kann. Der Aufbau zeigt sehr hübsche Einzelheiten, giebt aber in
seiner Gesamtheit über dem Hauptgesims ein überflüssiges und un
ruhiges Durcheinander von Kuppeln und Kuppelthürmchen, von
gedankenlos hoch über die zugehörigen Dächer geführten Giebeln
von Obelisken, Figurengruppen und dergleichen mehr. Glücklicher
weise ist, wie einige Naturaufnahmen zeigen, der Baumbestand des
Ooncertgartens ein so hoher und schöner, daß von diesem aus
nicht der gesamte Bau, sondern immer nur einzelne seiner Theile
überblickt werden, die dann schön eingerahmte, malerische Archi
tekturbilder bieten. — Von G. Möckels im Katalog genannten
16 Entwürfen haben wir zwar nur zwei Drittel aufzufinden vermocht
immerhin geben aber auch diese ein umfassendes Bild von dem regen
Schaffen des Künstlers, Die ausgestellten Sachen sind zum großen
Theile Backsteinbauten, meist Kirchen oder- Schlösser, einzelne davon
Wiederherstellungen und Ergänzungsbauten. Zu letzteren gehören
die Kirchen in Doberan und Brießnitz, die Blutscapelle im erst
genannten Orte und vor allem der Um- und Ausbau von Schlofs
Schönfeld. Giebt eine Gesamtperspective dieser ausgedehnten Schloß
anlage eine Vorstellung von der Schwierigkeit dev Aufgabe, die alten
zerstreuten, in ihrer Formgebung unbeholfenen, aber stilistisch inter
essanten Baulichkeiten zu einem einheitlichen, abgerundeten und
dabei malerischen Ganzen zusammenzubringen, so beweisen die
photographischen Aufnahmen verschiedener Theile der Baugruppe,
*) Vgl. Hamburg und seine Bauten S. 668 ff.