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Centralblatt der Bauverwaltung.
14. Januar 1891.
Räumen, in welchen optische Versuche gemacht werden, sind in ihnen
an den Fenstern Verdunklungsvorrichtungen aus englischem Wachs
tuch angebracht worden.
Die innere Ausstattung ist durchweg sehr einfach gehalten; nur
das Haupttreppenhaus, die Eingangshalle und die Hörsäle sowie die
Dienstwohnung des Directors haben eine etwas reichere Behandlung
erfahren. Die Atifsenerscheinung des in Ziegelrohbau ausgefiihrten
Hauses ist gleichfalls von angemessener Einfachheit.
Die Baukosten werden voraussichtlich etwas über 300 000 Mark
betragen. Nach dem Kostenanschläge kommt das Cubikmeter um
bauten Raumes auf etwa 14,6 Mark zu stehen. Skizzen, Entwurf und
Kostenanschlag sind unter Mitwirkung des Königlichen Cultus-
ministeriums vom Kreisbaubeamten Baurath Kilburger gefertigt,
dem auch die Oberleitung des Baues obgelegen hat. Die Ausführung
selbst hat Landbauinspector Gorgolewski geleitet, welchem als
Hülfe ein Bautechniker zur Seite stand. Die Bauzeit hat rund
2Vs Jahre betragen, und das Institutsgebäude ist seit den letzten
Tagen des März v. J. in allen seinen Theilen in Benutzung.
Die elektrische City-
Am 4. November v. J. ist die erste mit Elektricität betriebene
Stadtbahn Englands, die „City and South London Railway“ in London,
in Gegenwart des Prinzen von Wales dem Verkehr in feierlicher
Weise übergeben worden. Schon aus dem
Umstande, dafs der Thronfolger der Er
öffnung beiwohnte, kann man entnehmen,
dafs dem Werke eine aufsergewohnliche
Bedeutung beigemessen wird.
Nach dem ursprünglichen Plane
sollte die neue unterirdisch geführte Bahn
nur von dem nördlichen Ende der Lon
don-Brücke bis Elephant and Castle, dem
dicht neben der gleichnamigen Eisenbahn
station gelegenen, bisher von der City
aus aufser mit der London Chatham und
Dover - Bahn nur durch Omnibus oder
Wagen zu erreichenden, bedeutendsten
Knotenpunkte jenes Stadtviertels sich er
strecken, ist jetzt aber noch mehr als
einmal so weit geführt worden, sodafs
ihre Gesamtlänge nunmehr etwa 5 km
gegen 2,1 km des ersten Entwurfes be
trägt. Der Lageplan Abb. 1 giebt die
Lage der Linie in Bezug auf das städtische
Strafsennetz und die umliegenden Eisen
bahnen mit ihren Bahnhöfen an. Aus
ihm ist ersichtlich, dafs die Bahn aufser
den beiden Endstationen vier Zwischen
stationen erhalten hat, zwischen denen
die kleinste Entfernung noch nicht 1 km
und die gröfste nicht ganz 1,5 km mifst.
Die Bauausführung ist aus dem
Grunde besonders bemerkenswerth, weil
hier zum zweiten Male in London der
Versuch gemacht worden ist, die Tunnel-
wanduDg aus Gufseisen zu bilden an
statt des sonst allgemein üblichen
Mauerwerks, und weil diese Neuerung
einen eigenartigen Baubetrieb erforderlich
gemacht hat. Bei Beginn der Bauarbeiten
hat bereits der damals der deutschen Bot
schaft in London beigegebene Techniker,
Herr Reg.- u. Baurath Prof. Garbe in
diesem Blatte (Jahrgang 1886 Seite 137)
ausführlich darüber berichtet, in welcher
Weise die beiden Röhrentunnel hergestellt
werden sollten. Zur Ergänzung dieser
Angaben und mit Hinweis auf dieselben mögen nur die wichtigeren
Vorkommnisse bei der Ausführung und die gegen den ersten Ent
wurf getroffenen Aenderungen hier nachgetragen werden, denn
diese allein gestatten eine sichere Beurtheilung über die Zweckmäßig
keit und Güte einer in mancher Beziehung neuen Bauweise.
Man trieb den Tunnel in der Weise vor, dafs ein aus Stahl ge
fertigtes, etwa 2 m langes Vorstück von etwas gröfserem Durch
messer als der der endgültigen Tunnelröhre, das am vorderen Ende
durch einen starken gufseisemen Ring A verstärkt war und am Kopfe
je nach Bodenart entweder eine vollkommen kreisrunde oder gezahnte
Stahlschneide trug, durch hydraulische Pressen gleichsam wie ein
wagerecht liegender Brunnen vorgeschoben wurde und den Erddruck
so lange aufnahm, bis ein neuer Ring an das bereits fertige Tunnel
stück angesetzt war. Dieses wichtige Arbeitsstück wird durch die
beigefügte Abb. 2 näher veranschaulicht.
Vor dem Gufsring A war eine Querwand mit einer mittleren
Oeffnung von ungefähr 1,80 m Höhe und 1,40 m Breite eingespannt, vor
nehmlich zu dem Zwecke, um bei Anzeichen starken Wasserzudrangs
durch Einsetzen von Bohlen schnell einen möglichst dichten Abschlufs
erzielen zu können. Da bekanntlich das Themsethal aus dem für
Tunnelbauten so aufserordentlich günstigen Klaiboden besteht, so
und Siid-Londonbahn.
hoffte man, zur Benutzung dieser Vorsichtsmafsregel nicht gezwungen
zu werden. Aber wider Vermuthen traf man an einigen Stellen auf
Kies- und Sandlager mit grofsem Wasserzudrang — die erste Stelle
war ungefähr 15 m vom nördlichen Ufer
der Themse entfernt — und konnte ohne
besondere Hülfsmittel nicht Weiterarbeiten.
Es war die Frage, ob man das Wasser
durch Pumpen beseitigen oder andere
Hülfsmittel in Anwendung bringen sollte.
Da unter ähnlichen Verhältnissen das
Metropolitan Board of Works bei Durch
dringung eines Kieslagers durch Pumpen
sehr grofse Mühe und Kosten gehabt hatte,
so entschlofs man sich hier zur Verwen
dung von Prefsluft. Auch bei dieser Ge
legenheit hat sich dieses in neuerer Zeit
dem Ingenieur so unentbehrlich gewor
dene Hülfsmittel vorzüglich bewährt. Bei
dem Verfahren konnte man leicht einen
luftdichten Abschlufs herstellen und wurde
so der Schwierigkeiten spielend Herr,
ohne dafs der Arbeitsvorgang, was bei
dem engbegrenzten Raum besonders ins
Gewicht fiel, in irgend einer Weise ge
stört wurde. Auch war kein Unfall, kein
Verlust an Menschenleben während der
ganzen Bauausführung zu beklagen.
Eine kleinere aber nicht unwesent
liche Aenderung führten die Arbeiter
selbst ein. Bei dem zähen Boden trennte
die Stahlschneide vor Kopf einen ge
schlossenen Ring ab, der durch den
Widerstand der Querwand stark zusam-
mengeprefst wurde und nur mit grofser
Mühe zu beseitigen war. Die Arbeiter
setzten daher aus eigenem Antriebe un
gefähr in der Mitte zwischen der Stahl
schneide und der Oeffnung in der Quer
wand Keile aus hartem Holz von etwa
0,60 m Länge ein und zwar 8 im Kreise
(Abb. 3). Diese erleichterten den Aushub
wesentlich, indem sie den Boden in
grofse Klumpen zerlegten. Im allge
meinen war der Arbeitsvorgang folgender.
Vor Kopf des Vorstückes hob man zu
nächst eine Höhlung von etwas kleineren
Abmessungen wie die Oeffnung der Quer
wand aus, entfernte darauf den Boden von der Querwand bis zur Stahl
schneide und setzte die Holzkeile ein; sodann wurden die Pressen in
Wirksamkeit gesetzt, und das ganze Vorstück um 50 cm, eine Ringbreite
des endgültigen Tunnels, vorgetrieben. Die Höhlung vor Ort konnte man
zwar bei dem standfesten Klaiboden beliebig tief machen, doch erwies
sich ein weiteres Vordringen als bis zu 2,5 m als unvortheilhaft, während
man bei leicht nachstürzendem Boden nur 0,3 bis 0,6 m, allerhöchstena
bis 1 m vorging. Der Boden wurde in kleine eiserne Kipper geladen
und durch Pferde bis zum Förderschacht gefahren, wo ihn ein Auf
zug ans Tageslicht brachte. Man ist mit einem Schacht ausgekommen,
der in der Themse nicht weit vom nördlichen Ufer gesenkt war und
vier Arbeitsstellen zugleich eröffnete. Es wurde das dadurch erreicht,
dafs die beiden Tunnel an dieser Stelle lothrecht über einander in
verschiedener Höhenlage angeordnet wurden, wie aus Abb. 4 ersicht
lich ist.
Der Arbeitsbetrieb hat sich sehr gut bewährt. Wollte das Vor
stück einmal etwas aus der Richtung gerathen, so war es ein Leichtes,
durch Antreiben der Pressen an einer Seite wieder die richtige Lage
herzustellen, und an Schnelligkeit liefs das Verfahren nichts zu
wünschen übrig. Im letzten Jahre wurden 4,8 km, im letzten halben
Jahre sogar 3,50 km vollendet. Rechnet man den Monat zu 24 Ar-