262 Centralblatt der Bauverwaltung, 4. Juli 1891.
wonnen. Dadurch erhält aber aus der Reihe der Wettbewerb-
Entwürfe derjenige besondere Bedeutung, welcher eben diese Auf
fassung vor allen ausgesprochen und zielbewufat von vornherein
vertreten hat, und den wir sowohl deshalb wie wegen seiner grofsen
Schönheit an sich hier an zweiter Stelle abbilden. Wir haben diesen
Plan K. Schäfers in unserer Besprechung der vorjährigen Berliner
Kunstausstellung bereits eingehend gewürdigt.*) Angesichts beider
Pläne sei jetzt darauf hingewiesen, dafs der zur Ausführung be
stimmte Entwurf Meckels sich jenem in der Gesamtaufifassung nähert,
ohne ihn in der Vorzüglichkeit der Motive-Vertbeilung, in der
Schönheit der Einzelheiten und nach der Richtung der stilistischen
Echtheit zu erreichen.
Die übrigen Entwürfe rütteln auch alle wenig an dem geschicht
lichen Bestände, Der Malerei wird mehr oder minder umfangreiche
Betheiligung eingeräumt. Am weitesten in ihrer Heranziehung gehen
Maler Martin-Kiedrich, welcher über einem dem Erdgeschosse in
ganzer Breite vorgelegten, ausgekragten Schutzdache die Dreigiebel
front in ziemlich symmetrischer Anordnung reich gothisch bemalt,
und Gabriel Seidl-München mit ebenfalls fast ausschliefslicher Be
malung, doch in Renaissance und in einer Composition, welche die
geschichtliche Dreitheilung der Front so stark betont, dafs selbst
das ebenfalls in ganzer Frontbreite angeordnete Schutzdach vor
jedem Frontstücke — dies nicht zum Vortheil der Gesamtwirkung —
verschiedene Ausbildung erfahren hat. Zuruckgedrängt und fast nur
für das Heraldische verwandt ist die Farbe in dem gothischen Plane
von Neher u. v, Kauffmann-Frankfurt a. M., welche durch gleich
artige Ausbildung der Seitengiebcl und Zusammenfassen der Fronten
mittels gemeinsamen Vordaches und darüber liegenden breiten
Brüstungsbandes möglichste Symmetrie und Einheit ihrer Stein
architektur anstreben.
In den Entwürfen der drei übrigen Herren, der Architekten
Linnemann, H. Th. Schmidt und Wiethase, halten sich Architektur
und Malerei etwa die Wage. Linnemann, der geniale Wieder-
*) Centralblatt der Bauverwaltung 1890 S. 307,
hersteiler des Frankfurter Dom-Inneren, ändert- an dem Architektur-
bestande über seinem auch in ganzer Breite vorgelegten Erdgeschofs-
Schutzdacbc, also an den Fenstern und Giebeltreppen, sehr wenig,,
fügt einen Altan vor den drei mittleren Römerfenstern und eine
stattliche Uhrenarchitektur hinzu und hilft sich im übrigen mit etwas
trockener architektonischer Bemalung der zu einer Einheit zusammen-
gefafsten Obergeschosse. Von besonderer Schönheit ist aber in
seinem Entwürfe der Dachreiter, welcher sich hier Teich und dabei
schlank und zierlich hinter dem Mittelgiebel hoch in die Lüfte reckt
und in dem ganzen Frontgedanken eine sehr bedeutende Rolle spielt.
H. Th. Schmidts Entwurf zeigt eine gemessene, symmetrische Com
position mit namentlich schönen Seitengiebeln, hinter deren Vorzügen
die Behandlung des Mittelbaues mit seinen eigentümlichen Vordach
giebeln etwas zurücktritt. Das Spätmittelalterliche ist schon stark
mit Renaissancemotiven gemischt. Wiethase ist mit zwei Entwürfen
vertreten. Beidemale ist dem Römersaale in Frontbreite des Mittel
baues ein Altan vorgelegt, prunkend auf baldachinartiger Auskragung
und mit Kaiserstandbildem vor den Fensterpfeilern besetzt. Weitere
Freistandbilder sind vor den Hauptgeschofspfeilern der Seitenflügel
angeordnet, und ein besonders betontes Uhrenmotiv füllt den Mittel
giebel, dessen Treppe ein Giebelreiter krönt. Beide reizvolle
Arbeiten in einer Auffassung, welche eine gleichwerthige Betheiligung
der drei Scliwesterkünste im Auge hat.
"Wir haben in dieser knappen Schilderung die Eigenschaften und
hohen Vorzüge der Entwürfe, die allesamt auch der Schiedsrichter
ungetheiltcn Beifall gefunden haben, nur eben andeuten können.
Hoffentlich werden diese Andeutungen aber genügen, um zum Studium
des Werkes anzuregen, welches nicht nur eine Fülle werthvoller
künstlerische Gedanken birgt, sondern auch erkennen iäfst, eine wie
namhafte Zahl unserer ersten Architekten in den Geist heimischer
Kunstweise derart eingedrungen ist, dafs auch die schwierigste
Wiederherstellung eines vaterländischen Bauwerkes zu trefflicher
Lösung gebracht werden kann, sie mufs nur durch zweckmäfsiges
Verfahren in die richtigen Hände gelegt werden. Ild.
Der Eisenbahmuifall bei Mönchenstein-
(Schlufs.)
Die Brücke vor ihrem Einsturz. Bei der Beschreibung der
Brücke können wir uns kurz fassen, da die beigegebenen Abbildungen
derselben über alle nöthigen Einzelheiten Aufschlufs geben. Aus
den Querschnitten — Abb, 4 zeigt den Schnitt in seiner ursprüng
lichen Form, Abb. 5 Iäfst die in der letzten Nummer erwähnten Ver-
Brücke 6,2, die Länge der Felder i/e der Stützweite, also 7 m be
trug, waren die Dreiecke gleichschenklig. Sowohl die fallenden wie
die steigenden Streben besafsen gespreizte Querschnitte, welche in
Abb. 6 wiedergegeben sind. Die Brücke war schief, und an jeder
Trägerwand war ein oberer Knotenpunkt vorhanden, welcher nicht
mittel so^o'za ° '
* - — - - Schiefe Qeffnung Ulco- - - --•*
Brücke über die Birs bei Mönchenste in.
Stärkungen erkennen — ist ersichtlich, dafs die Fahrbahn unten lag,
und dafs die Querschwellen in der gewöhnlichen Weise auf Längs-
trägern ruhten, die ihrerseits in Abständen von 3,5 m durch Quer
träger getragen wurden. Die oberen Absteifungen bestanden aus
gegliederten Riegeln, welche mit den Streben und den Querträgern
zusammen einen geschlossenen Rahmen bildeten. Die Haupttrag
wände sind ein Dreiecksystem mit sechs Feldern; da die Höhe der
mit der gegenüberliegenden Wand durch einen Querriegel verbunden
war, also frei in der Luft stand. Die Gurtungen waren in der ge-
gewöhuliehen T-Form ausgebildet, die Streben mit bedeutender Ex-
centricität auf dieselben unmittelbar aufgenietet (Abb. 7). Von jedem
oberen Knotenpunkt ging eine Hängesäule hinunter, an welche die
Zwischenquerträger aufgehängt waren. Der obere wie der untere Wind-
verband waren aus zwei sich kreuzenden Winkeln von 80:80.10 mm