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Centralblatt der Bauverwaltnng.
16. Mai mi
eine vollständige, als in beiden Fällen der Zusammenbruch wahrend
der Probebelastung erfolgte.
J« K. Skaiweit Am 6. Mai erlag in Berlin der Geheime Post
rath und Vortragende Rath im Reichspostamt Julius Karl Skaiweit
einem Nervenleiden, das ihn seit Jahresfrist befallen hatte. Am
20, Juni 1541 in Spannegeln, Kreis Labiau, geboren, trat der Ver
storbene nach vollendetem Besuch der Bauschule in Königsberg
und der Bauakademie in Berlin in den preufsiscben Staats-
Baudienst ein, welchem er bis Ende Mai 1876 angehörte. Am
1. Juni 1876 erfolgte seine Uebernahme in den Reichsdienst und am
24. December desselben Jahres seine Ernennung zum Kaiserlichen
Post-Baurath. 1878 von Erfurt nach Hannover versetzt, leitete er in
den folgenden elf Jahren unter anderen die Postbauten in Meiningen,
Emden, Hildesheim, Hannover, Osnabrück, BraunBchweig, Hameln
und Verden. Im Jahre 1889 wurde ihm unter Ernennung zum Ge
heimen Postrath die wichtige Stelle des bautechnischen Referenten im
Reichs-Postamt übertragen. Im Jahre 1890 erfolgte seine Ernennung
zum außerordentlichen Mitgliede der Akademie des Bauwesens, — Die
Treue, die einen Grundzug seines Wesens ausmachte, bewährte Skaiweit
in seinem Berufsleben durch eine aufopfernde Hingabe an die Erfüllung
der ihm gestellten zahlreichen und umfassenden Aufgaben, Während
die Fülle der ihm dabei anfallenden Vorwaltungsgeschäfte ihn mehr
und mehr behinderte, seine grofse baukünstlerische Begabung durch
persönliches Schaffen zu bethätigen, bewies er sie durch die klare
und unvoreingenommene Art seiner Entscheidungen, bei denen er
mehr durch wohlwollende als durch abweisende Bcurtheilung fordern
zu können glaubte. Neue Baugedanken ästhetischer oder construc-
tiver Art fanden bei ihm stets eine anregende und ermuthigendc
Unterstützung, und sein gerader Sinn liefe ihn peinlich vermeiden,
da wo thatsüchliche Verdienste seiner Mitarbeiter und Untergebenen
Vorlagen, hierüber durch Verschweigen Unklarheiten aufkominen zu
lassen. Eine grofse Unbefangenheit in der Beurtheilung der Dinge
machte die Bedeutung seines Wesens aus. Sie erwarb ihm die
Werthschätzung seiner Vorgesetzten und die Anhänglichkeit seiner
Untergebenen. Ein grofser Freundeskreis, gewonnen durch solche
Geistes- und Charaktereigenschaften, durch den mit seiner ernsten
Lebensauffassung vereinten heiteren Sinn, durch sein Zartgefühl und
seine stete Hülfsbereitschaft, steht trauernd an dem Grabe dieses
Mannes, dessen frische Gesundheit durch die rastlose Arbeit nicht
berührt zu werden schien, sondern noch viele Jahre erfolgreicher
Thätigkeit in der ehrenvollen Stellung verhiefs, die ihm in vcrhältniß-
mäfsig jungen Jahren erst vor kurzem übertragen war. M.
BücRorschau,
Die Mechanik des Zugverkehres auf Eisenbahnen. Ein Beitrag
zur Eisenbahn-Betriebslehre von R. Bar-on Gostkowski, k. k. ord.
öffentl. Professor an der polytechnischen Hochschule in Lemberg,
General-Directionsrath der österreichischen Staatsbahnen a. D, Wien
1891. Verlag der Buch- und Kunstdruckerei Steyrermühl. 620 Seiten
in gr. 8® und 19 Abbildungen. Preis lö Jt.
Das vorliegende umfangreiche Werk hat sich die Aufgabe ge
stellt, dem angehenden Betriebstechniker behülflich zu sein, jene
Summe des Wissens auf die einfachste Weise zu erwerben, welche
ihn zu einem selbständigen Handeln befähigt und welche zur erfolg
reichen Ablegung der bei den Österreichischen Staatsbahnen als Vor
bedingung des Aufrückens in höhere Stellen eingeführten Prüfungen
erforderlich ist. Der Verfasser sucht dieses Ziel dadurch zu er
reichen, dafs er in drei Hauptabschnitten: die Bahn, die Loco-
motive, der Zug, fast alle den eigentlichen Betriebsdienst be
rührenden Zweige des Eisenbahnwesens behandelt und dabei sowohl
den Entwicklungsgang und die praktischen Erfahrungen als auch die
theoretische Begründung und Berechnung der verschiedenen Ein
richtungen und Maßnahmen giebt.
Die Hauptabschnitte zerfallen wieder in folgende Unterabschnitte:
Die Spur und der Widerstand der Bahn; die Erzeugung der Wärme;
das Wasser für die Locomotive, der Dampf, die Locomotive, Loco-
motive für besondere Zwecke, die Eisenbahnfahrt, das Bremsen der
Züge, der Fahrplan, die Eisenbahnzüge. Dabei wird eine Abhand
lung über das Signalwesen vermißt, welches in den Rahmen des
Werkes wohl mindestens ebenso hineinpaßt, wie die Mittheilungen
über den Bau und die Unterhaltung des Gestänges.
Es liegt in der Natur der Sache, dafs der Verfasser vorzugsweise
sich an österreichische Verhältnisse hält. Dies ist aber keineswegs
ausschließlich geschehen, vielmehr werden vielfach auch die Ein
richtungen anderer Länder, besonders Preufsens und Deutschlands
zur Besprechung gezogen. Vielleicht wird das auch heute noch
wichtigste Glied im Gesamt-Eisenbahnnetze, England, etwas zu stief
mütterlich behandelt. Es zeigt sich dies u, a, besonders auch bei
Besprechung des Oberbaues, welche Abhandlung wohl überhaupt
der schwächste Tbeil des Buches ist. In dieser Hinsicht sind fol
gende besonders auffallende Irrthümer zu nennen: Querschwellen
von 2,71 m bis 2,74 m sollen zu lang sein (S. 26) — siehe demgegen
über neueste preußische Querschwelle von 2,70 m —; eiserne Quer-
echwellen sollen bleibende Durchbiegungen zeigen (S. 28); der
Langschwellenbau soll für die seitliche Wasserabführung günstiger
sein und gegen seitliche Verschiebungen mehr Widerstand leisten
als Querschwellenbau (S. 59 u. 60) — siehe demgegenüber die Ver
öffentlichungen von Schubert in den letzten Jahrgängen der Zeit
schrift für Bauwesen, welche das Gegentheil beweisen.
Ueber den zweiten Hauptabschnitt, die Locomotive, ist folgendes
besonders zu erwähnen: Koks wird gerade neuerdings nur mehr
ausnahmsweise aber nicht mehr allgemein zur Locomotivfeuerung
verwendet (S. 150); der Hauptvortheil der Pulsometer, welcher darin
besteht, dafs durch die Verwendung von Bereitschafts- oder Zug-
locomotiven, welche ohnehin in Dampf gehalten werden müssen, die
Anlage besonderer Pumpmaschinen entbehrlich wird, ist nicht er
wähnt (9- 179—183); Verschublocomotiven müssen auf den grofsen
Sammelbahnhöfen ganze Züge die Steilrampen der Ablaufgeleise
hinaufzuziehen vermögen, dürfen also nicht leicht, sondern müssen
erst recht schwer sein (S. 302 u. 303), überhaupt ist die Vorliebe des
Verfassers für leichte Locomotiven (S. 260) wenigstens für unsere
norddeutschen Verhältnisse mit ihrem sehr starken Güterverkehr
nicht angebracht, denn hier gehören eben Güterzüge von 100 Achsen
nicht zu den Seltenheiten (S. 520).
Im dritten Hauptabschnitte sind die lehrreichen Arbeiten von
Jungnickel über die Geschwindigkeit der Schnellzüge im Archiv für
Eisenbahnwesen leider nicht berücksichtigt, weder auf S. 342 u. 343
noch auf S. 510, in welch letzterem Falle überhaupt unter den
internationalen Zügen alle norddeutschen ausgelassen sind. Den
breitesten Raum in diesem Abschnitt und verhältnifsmäßig überhaupt
im ganzen Werke nehmen die Abhandlungen über das Bremsen
der Züge und über die Eisenbahnzüge ein. Verfasser sucht zu
beweisen, dafs auch die neueste Bremsvorschrift der technischen
Vereinbarungen immer noch willkürlich und theoretisch nicht aus
reichend begründet sei, und hat darin wohl recht, kann aber in der
eigenen, übrigens nicht zu bemängelnden Beweistheorie selbst nicht
gewisse, auch mehr oder minder willkürliche Annahmen entbehren.
Gerade in der Bremsfrage kommt es aber in erster Linie auf prak
tisch leicht zu handhabende Vorschriften an. Jedenfalls sind die
genannten beiden Unterabschnitte aufserordentlich Iesenswerth und
lehrreich. Auf S. 359 u. 362 wird der Begriff der Grundgeschwin
digkeit dahin bestimmt, daß sie die auf der betreffenden Bahn
zulässige Höchstgeschwindigkeit sei. Das ist nach dies
seitiger Auffassung nicht richtig, vielmehr versteht man — wenigstens
in Preußen und der Verfasser nimmt dies selbst auch auf S. 505 an
— darunter die für den fraglichen Zug fahrplanmäfsig zu Grunde
gelegte Höchstgeschwindigkeit. Es muß daher zwischen Grund
geschwindigkeit und der daraus entspringenden fahrplanmäfsigen
Fahrzeit und der gesetzlich zulässigen Höchstgschwindigkeit, welche
die kürzeste Fahrzeit bedingt, unterschieden werden, was auf
S. 507 u. 508 nicht in ausreichender Klarheit und Bestimmtheit ge
schehen ist.
Dafs die Züge in England, Deutschland und zum Theil auch in
Oesterreich nicht in Zeitfolge, sondern nach Raumfolge fahren,
und daß dies in den beiden erstgenannten Ländern auf gesetzlicher
Bestimmung beruht, hätte erwähnt werden müssen; die Angaben auf
S. 514 lassen eher vermuthen, die Zeitfolge sei allgemeine Regel, die
Kaumfolge nur Ausnahme.
Das vorliegende Werk ist unzweifelhaft ein sehr beachtens- und
anerkennenswerther Versuch, einen der wichtigsten Zweige der Eisen
bahnbetriebslehre theoretisch zu begründen und aufzubauen, und
Wissensgebiete, welche in der zahlreichen Fachlitteratur weit zer
streut oder erst in langjähriger Erfahrung zu gewinnen sind, zu-
sammenzufassen und dadurch das Studium dieses verwickelten Theiles
des Eisenbahnwesens zu erleichtern und zu vertiefen. Besonders
forderlich ist in dieser Hinsicht die reiche Quellenangabe, welche
neben dem im Werke selbst Gebotenen einem jedem Leser zeigt,
wo und wie er in Einzelgebieten noch weiter eindringen kann. Auch
die vielen aus der Praxis genommenen Beispiele, welche zahlenmäßig
durchgerechnet werden, sind als ein wesentlicher Vorzug des Buches
zu nennen, und nicht nur der angehende, sondern jeder Betriebs
techniker wird das Werk nach eingehendem Studium gewifs nicht
ohne bleibenden Nutzen aus der Hand legen. Die einzelnen in vor
stehendem gemachten Ausstellungen sollen daher keineswegs den
unverkennbaren Werth des Buches schmälern, Bondern verfolgen
ausschließlich den Zweck, den vielleicht noch unerfahrenen Leser,
welcher sich durch diese Besprechung zu einem Studium des Werkes
veranlaßt sieht, auf einige sachliche Irrthümer und Unvollständig-
keiten hinzuweisen.
Trier, im April 1891. Blnm.
Verlag von Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin. Für die Redactiou des nichtamtlichen Tbeiles verantwortlich: Otto Sarrazin. Berlin. Druck von J.Korskes, Berlin.