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Centralblafct der Bau Verwaltung.
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ständigen Beherrschung des Stoffes her. Sie im einzelnen aufzüzahlen
hat keinen Zweck. Eine literarische Besprechung hat eine andere
Absicht als die Correetur eines Schulheftes. Nicht darauf kommt es
in erster Linie an, dafs in einer wissenschaftlichen Arbeit alle Einzel*
heiten richtig sind, sondern darauf, das das Problem richtig aufge
stellt und dafs die Bearbeitung eine methodisch richtige ist, und in
dieser Hinsicht verdient die Arbeit Schlossers alle Anerkennung.
Ich habe oben darauf hingewiesen, dafs die Entstehung der
Kreuzgänge aus den Kirchen-Atrien nicht so aufgefafst werden darf,
alB ob letztere einfach von der Stirnseite der Kirchen an eine Lang
seite verlegt worden, also als Atrien in Wegfall gekommen seien.
Aber schon in der Frühzeit des romanischen Stiles sind sie kein un*
erläfslicher Theil der Kirchenanlage mehr. Erhaltene romanische
Atrien sind S. Ambrogio in Mailand, Essen, Parenzo; neuerdings ab
gebrochen ist Novara. Aber der Name paradisus lebt fort. In
Frankreich bezeichnet er (in der Form parvis) einen eingefriedeten
freien Platz vor der Kirche. Erhalten ist meines Wissens nur das
von St. Rad4gon.de in Poltiers. In Deutschland geht der Name auf
die Vorhallen einiger Kirchen über (Dom in Münster). Es scheint
ziemlich ausgemacht, dafs in den nördlichen Ländern an Stelle der
offenen Atrien geschlossene Vorhallen traten, bald förmliche Vor
kirchen, bald kleinere Vorräume, meist in zwei Geschossen, zuweilen
in mehreren aufgebaut. Die Frage des ersten Auftretens solcher
Vorhallen nach Zeit und Ort ist noch wenig aufgeklärt. Schlosser
vermuthet, dafs Ansegis in Fontanella eine solche erbaute. Mit
Sicherheit darf dies aus dem Wortlaute des Chronicon Fontanellense
nicht gefolgert werden, ist indes nicht unmöglich. Der älteste theil-
weise erhaltene derartige Bau dürfte der Westbau von S. Pantaleon
in Köln (Weihe 980) sein. In der Frühzeit des elften Jahrhundertes
kommen sie mehrfach vor. Es scheint, dafs sie bei den grofsen
Benedictinerkirchen zunächst in Aufnahme kamen. Allgemeinere
Verbreitung fanden sie durch die Congregation von Cluny, in Deutsch
land durch die ihr verwandte von Hirsau. Ich hoffe, in nicht allzu
ferner Zeit einige Beiträge zur weiteren Klärung dieser Frage geben
zu können.
München, im Januar 1891, Gustav v. Bezold.
Vermischtes.
Iu der Freisbewerbung um eine Kirche für die evangelische
Lucas ■ Parochle in Dresden (vergl. S. 526 d. v. J) ist ein erster
Preis nicht zur Ertheilung gelangt. Das Preisgericht, in welchem
au die Stelle der ausgeschiedenen Herren Geh. Regierungsrath Ende
und Stadtbaurath a. D. Friedrich die Herren Baurath Professor
Lipsius und Baurath Professor Weifsbach getreten waren, hat
die ausgesetzte Summe von 8000 Mark vielmehr in Beträgen von
zweimal 3000 Mark und einmal 2000 Mark vergeben. Unter den zur
engsten Wahl gelangten Entwürfen „Bete und arbeite“, „Fuori le
mura“, „Central“, „Monumental“, „Hakenkreuz“ und „Ecclesia“
wurden die beiden ersten mit Preisen von je 8000 Mark ausgezeichnet.
Verfasser sind die Architekten Arno Eugen Pritsche in Berlin und
Georg Weidenbach in Dresden. Mit 2000 Mark bedacht wurde
der Entwurf „Central“ des Architekten R. Fussel in Leipzig. Die
Arbeit „Ecclesia“ ist dem Kirchenvorstande zum Ankäufe für
1000 Mark empfohlen worden.
Preisbewegung um eine evangelische Kirche in Giefsen.
Verfasser des mit zur engeren Wahl gelangten Entwurfes mit dem
Kennwort „Eckplatz“ (vergl. S. 164 d. J.) ist Herr Professor A. Neu
meister in Karlsruhe.
Die 17. Hauptversammlung des deutschen Geometervereins
wird in Berlin in der Zeit vom 31. Mai bis 4. Juni d. J. abgehalten.
Die Sitzungen finden statt im Bürgersaale des Rathhauses. Es
werden vortragen am 1. Juni: Professor Dr. Vogler über die Ein
richtung des geodätischen Studiums an der Königlichen landwirt
schaftlichen Hochschule in Berlin; am 2. Juni: Professor Dr. Helmert
über das Königlich preufsische Geodätische Institut und die gegen
wärtigen Aufgaben der Erdmessungen, Professor Dr. Jordan über
die Anwendbarkeit der Methode der kleinsten Quadrate in der Feld-
und Landmessung, Vermessungs-DirectoT v. Hoegh über die Berliner
Stadtvermessung; am 3. Juni: Geheimer Regierüngsrath Professor
Dr. Förster über das metrische System und über die Eintheilung
des Quadranten, Steuerrath Stepp es über das Grundbuch im Ent
würfe des bürgerlichen Gesetzbuches.
Heizung» - und Lftftiuigsversuche mit eisernen Jtantelöfeu ver
schiedener Systeme sind im Hygienischen Institute der Universität
Berlin unter der Leitung des Directors, Geheimen Medicinal-Raths
Dr. Koch, neuerdings angestellt worden, welche zu folgenden Er
gebnissen geführt haben. Zur Prüfung der Lüftungswirkung wurde
den Oefen, welche in Bezug auf die Mantelweite grofse Verschieden
heiten zeigten, die Aufsenluft durch Canäle von unten zugeführt.
Die vorgenommenen Geschwindigkeits- und Wärmemessungen haben
ergeben, dafs die Lüftungswixkung sehr wesentlich von dem richtigen
Gröfsenverhältnifs des Mantels zum Ofen abhängt. Die beste Wirkung
wurde im allgemeinen mit weitmanteligen Oefen erzielt, was dadurch
erklärt werden kann, dafs in einem engen Mantelraum die Geschwin
digkeit der durchstreichenden Luft und folglich auch die geförderte
Luftmenge verhältnifsmäfsig gering iBt. In gleichem Mafse ungünstig
wirkt ein übermäfsig weiter Mantel, da bei diesem nur die der Ofen
wandung zunächst liegende, höher erwärmte Luftsäule nach oben
steigt, während am Umfange des Mantels ein kälterer, entgegen
gesetzter Luftstrom von oben nach unten entsteht, welcher sich dem
Heizkörper zuwendet und nach erfolgter Erwärmung aufwärts in das
Zimmer zurückströmt. Auf diese Weise wird ein Umlauf der Zimmer
luft innerhalb des Mantelraumes erzeugt, welcher zwar zur Beheizung
des Zimmers beiträgt, aber den Eintritt frischer Luft beeinträchtigt.
Im allgemeinen hat es sich als zweckmäfsig erwiesen, dem Mantel
stwa den doppelten Durchmesser des Ofens zu gehen; jedenfalls soll
der Abstand des Mantels vom Heizkörper nie weniger als 10 cm be*
tragen und bei grofsen Oefen nicht über 30 bis 40 cm hinausgehen.
Durch die Versuche wurde bestätigt, dafs die Beschaffenheit des
Zuleitungscanals von wesentlichem Einfiufs auf den Lüftungeerfolg ist,
und der Canalquerschnitt mindestens gleich dem Querschnitt des Luft
raumes im Mantel sein mufs. Eine grofse Längenausdehnung und ein
mehrfaches Knicken des Canals hemmt die Luftbewegung so wesentlich,
dafs selbst bei gut construirten Mantelöfen der Luftwechsel erheblich
verringert wird. Dagegen zeigte sich eine einmalige kurze Einengung
des Canals ohne erheblichen Einfiufs auf die durch strömende Luft-
raenge. Die Lüftungswirkung wird selbstverständlich auch bei den
in Bede stehenden Mautclöfen wesentlich gesteigert, wenn für die
Abführung der Luft besondere Canäle von ausreichender Weite her
gestellt werden.
Einsturz einer Strafsenhrücke in Oesterreich. Der Einsturz hat
eine 6 m breite, etwa 27,5 m weit gespannte Bezirksstrafeenbrücke
betroffen, deren Hauptträger und Querträger nach der Parabel ge
formt waren und Gitterwerk der leichtesten Art zeigten. Der Ein
sturz ist zweifellos durch die ungenügende Steifigkeit der aus nur
zwei Flacheisen gebildeten senkrechten Wandgliedex verursacht;
doch würde die Brücke vermuthlich selbst dann keine ausreichende
Tragkraft besessen haben, wenn für die fraglichen Glieder ein zweck*
mäfsigerer Querschnitt gewählt worden wäre, da die Art der seit
lichen Aussteifung des Obergurtes der offenen Brücke, wie die
vorstehende Abbildung erkennen läfst, eine gänzlich verfehlte war.
Weitere Abbildungen sowie sonstige Mittheilungen über den Vorfall
(jedoch ohne bestimmte Angaben Uber Ort und Zeit) finden sich auf
Seite 140 der Wochenschrift des Oesterreichischen. Ingenieur- und
Architekten-Vereins. — Der ganze Vorgang erinnert nach Ursache
und Verlauf sehr an den im Jahrgang 1883 (Seite 380) des Central
blattes der Bauverwaltung beschriebenen Einsturz der Strafsenhrücke
bei Rykon-Zell; und zwar ist die Uebereinstimmung auch insofern