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Centralblatt der Bauverwaltuag.
16. Mai 1891,
zeigen diese Schreibweise. In manchen Fällen mag auf Festhaltung
einer bestimmten Form überhaupt kein "Werth gelegt sein. Die
„Zeitschrift deutscher Ingenieure“ schreibt z. B. im Jahrgange 18S7
„das Geleise“, im Jahre 1889 dagegen »das Gleis“. — In Oester
reich und der Schweiz scheint die längere Form vorzuwjegen (Zeit
schrift des öster, Ing.- und Arch.-Vereins: „Geleis“; Schweizerische
Bauzeitung und R2iha, Ober- und Unterbau 1877: „das Geleise“).
Die andere Form das „Gleise“ findet sich u. a, in Glasers Annalen
und den Veröffentlichungen des „Vereins für Eisenbahnkunde“ zu
Berlin. (Im Centralblatt der Bauverwaltung ist die Form „Geleis“
seinerzeit lediglich im Anschlufs an die gleiche Schreibung in der
Zeitschrift für Bauwesen angenommen worden. D. Red.)
Dagegen haben wir nun aber in Deutschland verschiedene weit
verbreitete Zeitschriften und eine ganze Reihe angesehener Werke,
in welchen seit vielen Jahren „das Gleis“ als alleinige Form fest
gehalten wird. Als solche mögen hier angeführt werden: „Organ
für die Fortschr. d. E.-W.“, „Zeitung deutscher Eisenbahn-
verwaltungen“, „Deutsche Bauzeitung*, „Zeitschrift des
Hannoverschen Areh.- u. Ing.-Vereins“; ferner die Schriften
über Eisenbahnwesen von Winkler (in den späteren Auflagen),
von Kaven, Launhardt, Georg Meyer (Eisenbahnmaschinenbau),
Bödecker (Wirkungen zwischen Rad und Schiene); auch Wers-
hovens technisches Wörterbuch mag hier genannt werden. Sodann
an Sammelwerken in erster Linie: Das „Handbuch der speciellen
Eisenbahntechnik* (Heusinger); das „Handbuch der In
genieur-Wissenschaften“; das „Bauhandbuch“ (III. Theil,
Eisenbahnbau von Streckert); die „Hütte“ (des Ingenieurs
Taschenbuch); Heusingers Eisenbahnkalender u. v. a.
Unter diesen Umständen kann es wohl kaum wünschenswerth
sein, die längere Schreibweise in den etwa neu erscheinenden amt
lichen Schriftstücken festzuhalten. Sicher bedarf es nur des An-
stofses durch eine neue Ausgabe der Reichsvorschriften, um die kurze
und deshalb zweckmäfsigste Form „das Gleis“ rasch allgemein ein
zubürgern. Hoffen wir deshalb, dafs diejenigen, welche über den
Wortlaut und die Rechtschreibung der nächsten Auflage unserer
Reichs- und Staatsvorschriften zu bestimmen haben, sich veranlafst
sehen möchten, uns das einheitliche Gleis* zu bescheren. Sie würden
sich dadurch ebenso wie durch die angestrebte Beseitigung von
Fremdwörtern in jenen Vorschriften ein Verdienst um die deutsche
Sprache erwerben. A. Goering,
Die akustischen Verhältnisse einiger römischen Kirchen.
(Schlufs.)
II Gcsü (Abb. 9), die Hauptkirche der Jesuiten, nach der
Grundform ein breites Langhaus mit Capellen statt der Seitenschiffe,
kurzem Querschiff und halbrundem Chovschlufs, von einem mächtigen
Tonnengewölbe überspannt, erweist sich gleich gut für Rede und
Gesang. Der Prediger steht inmitten an deT linken Seite des Lang
hauses auf etwa 2 m Höhe oder auf einer Bühne näher der Vierung,
die Orgeln sind im Querschiff in etwa halber Höhe des Raumes, die
Sänger an der Chorwand aufgestellt. — Wohl ähnlich verhält es
sich mit der sehr verwandten, nach Domenichinos Plänen erbauten
Kuppelkirche von S. Ignazio (Abb. 10); doch steht hier die Kanzel
nicht fest, sondern wird je nach Bedürfnifs an einem der Pfeiler des
Langhauses aufgeschlagen, und die Orgeltribüne, auf der zugleich
die Sänger stehen, in den nächstliegcnden Scitcnschiffthcil geschoben;
sie sperrt dann zugleich diesen Theil mit den sonst vorgestellten
Schranken ganz ab. Gröfsere Musikaufführungen spielen sich auf
den etwas niedrig angebrachten Logen des Vorchores ab. — Das
gleiche gilt von dem nach demselben System durchgeführten S. Andrea
della Valle (Abb. 11); hier steht die Kanzel etwa in der Raum
mitte, am zweiten Pfeiler links vom Eingang, und Orgel und Sänger
bühne haben ihren Platz über diesem selbst. . Dasselbe von Lunghis
in der Grundform von diesem System zwar gänzlich abweichender
Kirche von 8. Carlo al Corso (Abb. 12), ein breites Mittelschiff
von je drei Arcaden und Seitenschiffen vor den Capellen, breitem
Querschiff und halbkreisförmigem Chor mit Umgang. Auch hier hat
die Kanzel ihren Platz am zweiten Pfeiler links, doch sind hier für
die Aufstellung von Orgel und Sängern besondere prunkvolle Ein
bauten in etwa halber Hohe der Bögen hergestellt, welche durch
Treppen im Vierungspfeiler begehbar sind. — In diese Reihe gehört
weiter Francesco Fontanas Kirche von S. S. Apostoli (Abb. 13), ein
breites Langhaus mit kuppelbedeckten Seitenschifien und halbrundem
Chorschlufs. Die Kanzel steht wieder am zweiten Pfeiler links, der
Prediger auf etwa 2 m Höhe, und Orgel und Sänger haben ihren
Platz etwa in halber Höhe der Chorwand (Kämpfergesims der Seiten-
schiffbögen).
S. Maria sopra Minerva (Abb. 14), die einzige gothische
Kirche der Stadt, Kreuzgewölbe, runder Chorschlufs, tiefe Capellen
nischen längs der Seitenschiffe, hat gute Akustik für die Singstimruen
und die in den Querschjffen rechts und links, nahe der Vierung hoch
angebrachten Orgeln, eine weniger gute Klangwirkung hat das ge
sprochene Wort. Der Platz für den Prediger liegt am dritten Pfeiler
der linken Reihe von der Vierung aus; doch wird von der Vierung
bis hierher bei Predigten dieser ganze Raum des Mittelschiffes, den
die menschliche Stimme also noch etwa beherrscht, durch Bänke für
die Zuhörer abgeschlossen, und zur Erzielung einer besseren Wirkung
hier ein über 4 m breites Schalltuch herübergezogen.
Von Basiliken wird die früher noch den offenen Dachstuhl
zeigende, jetzt mit schweren Casscttendcckcn bedachte Kirche
S. Paolo fuori le mura gegenwärtig weder für Rede noch
Gesang benutzt. Holzdecken sind ja sicher hinsichtlich der Schall
wirkung äufserst günstig; so ist auch die Basilika von S. Gio
vanni in Laterano, „Omnium urbis et orbis ecclesicirum mater et
caput“, (Abb. 15), akustisch vortrefflich für Gesang und soll es
auch für das gesprochene Wort sein. Die Kanzel ist fahrbar; statt
der alten, über der porta laterale (vom Obelisken her) stehenden
Orgel sind Sänger und Orgeln jetzt sehr vortheilhaft in etwa Vs Höhe
der Chorwand des bekanntlich mächtig (um über 20 m) erweiterten
neuen, prunkenden Chores untergebracht— S. Maria inAracoeli,
früher auch S. Maria de Capitolio geuannt (Abb. 16), wird bei der
vortheilhaften Aufstellung der Sänger im Chor für den Gesang noch
günstig sein, doch kann die Stimme den weiten Raum nicht füllen.
Der Raum nöthigt, wird er zu Predigten benutzt, den Redner zu
starker Anstrengung der Stimme; die Kanzel ist etwa in der Mitte der
Kirche in der linken Säulenreihe angebracht, Orgel- und Sängerbühne,
wie schon angedeutet, hinten im Chor unter der Chorwölbung. — In
noch stärkerem Mafse ist dies in der goldschimmernden S. Maria
Maggiore (Abb. 17) der Fall, „wo der Redner sich selbst nicht ver
steht und von den Andächtigen ebensowenig verstanden wird“. Für
den Gesang erweist sie Bich akustisch ziemlich gut. Die Orgel
befindet sich im Chor links oben, für die Sänger wird eine Bühne
rechts neben dem Hochaltar aufgeschlagen. — Sehr gute Akustik
für Singstimmen hat die römisch-katholische deutsche National
kirche von S. Maria dell* Anima (Abb. 18), eine dreischiffige
Hallenkirche mit Halbkreisnischen, starken Pfeilern, gleichen Schitf-
höhen und Kreuzgewölben. Die Orgel befindet sich hoch oben, rechts
an der Wand, gegen die Halle gerichtet, die Sänger sind in dem
schmalen, tiefen Chor unten aufgestellt; sie hören sich selbst
schlecht, doch klingt der Gesang in der Halle voll und rein.
Im allgemeinen wird bei allen diesen Kirchen, auch den Kreuz
anlagen, wohl der beste Platz für die Sänger im Chor selbst oder
unmittelbar vor- diesem sein. Seine Aufstellung an der Eingangsseite
ist sowohl für die etwa im Querschiff sich befindenden Hörer akustisch
ungünstig, wie für jene im Langhaus unzweckmäßig und störend,
weil die Aufmerksamkeit — die Sänger im Rücken — von der dra
matischen Handlung des Gottesdienstes abgelenkt wird. Bei einer
so centralen Anlage wie z. B. S. Agnese fallen die durch solche Auf
stellung heraufbeschworenen Nachtheile so ziemlich weg, sie machen
Bich indessen recht fühlbar z. B. in der Basilika von S. Marco, wo
Orgel und Sänger auch auf den Bühnen über dem Haupteingang auf
gestellt sind, also gegenüber dem Hauptaltar, an dem sich die heiligen
Handlungen vollziehen. Wäre die beste Aufstellung des Sänger
chores wohl an den Chorschranken, mit dem Angesicht gegen die
Apsis, die die Schallwellen sammelt und geschlossen zurückwirft,
so sind doch hierfür mancherlei Bedenken geltend zu machen, nament
lich mit Bezug auf die äufsere Erscheinung. So empfiehlt sich nur
eine Aufstellung in der Apsis an der Seitenwand, und zwar bei hoch-
räumigen Kirchen ziemlich hoch, wie wir schon an unseren Beispielen
gesehen haben, sodafs die Singstimmen den Raum noch auszufüllen
vermögen und der Gesang voll klingt, wenn auch hier und da auf
Kosten der Deutlichkeit des Textes.
Für die Predigt, die Akustik des gesprochenen Wortes, wird die
günstigste Aufstellung der Kanzel, des Ausgangspunktes der Schall
wellen, hei Bauten in Form des griechischen Kreuzes an einem
Vieruugspfeiler zu finden sein (siehe S. Carlo ai Catinari), bei Lang-
hausanlagen an einem Pfeiler des Mittelschiffes in nicht zu grofser
Entfernung von der Vierung. Der Prediger sollte nicht zu hoch
steheD. Bei den römischen Kanzeln und für Predigten aufgeschlagenen
Podien liegen die Fufsböden in Kopfhöhe oder wenig darüber (bis
2 m). Die üblichen Kanzelhauben, Kanzelhimmel oder Schalldeckel,
die kaum über den Kreis der Kanzel selbst hinausreichen, sind viel
zu klein und eigentlich nur ein mäfsiges, kaum nützendes Decorations-
stück, an dem die Stimme des Redners kaum einen Abprallwinkel
findet. Deshalb werden auch in Rom über dem Redner, wie wir schon
bei S. Maria sopra Minerva erwähnten, grofse, mächtige Schalldeckel
aus Tuch ausgespannt, die in ziemlicher Breite (3—4 m) bis über die