Mr. f A
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Centralblatt der Bauverwaltung.
UHAIT* Hnlälgnngsfeier lür J. W. Schwedler- — Ein« Abhandlung J. XV. Schwedlers über eisernen Oberbau. — Vermischtes: Enthüllung der Büsten der Professoren
H. Spielberg und Dr. E. Winiler in der technischen Hochschule in Berlin. — Vorstand des Architekteoverelns in Berlin. — Bücherschau.
[Alle Rechte Vorbehalten.]
Eine Huldigungsfeier für J* W. Schwedler.
Am 1. d. M. ist der Wirkliche Geheime Ober-Baurath J. W.
Schwedler in Berlin nach einer ruhmvollen 45jährigen Dienstzeit
in den Ruhestand getreten. Seine zahlreichen Verehrer und Freunde
wollten den Tag nicht ohne eine ehrende Huldigung fiir den um das
Baufach und die Bauwissenschaften so hoch verdienten Mann vor
übergeben lassen, und es war beschlossen worden, dafs diese Huldi
gung, um eine allgemeinere Betheiligung zu ermöglichen, in der feier
lichen Ueberreichung einer künstlerisch ausgestatteten Adresse
ihren Ausdruck finden solle, welche allen den Berufs- und Gesinnungs
genossen zur Unterzeichnung offen gelegt würde, die sich gedrungen
fühlten, dem scheidenden Altmeister ihre Hochachtung und An
erkennung auszusprechen. Ein zu diesem Zwecke vor wenigen Wochen
erlassener Aufruf hat überall, innerhalb wie aufserhalb Deutschlands,
den freudigsten Widerhall gefunden nnd einen Erfolg gehabt, der als
eine wahrhaft grofsartige Kundgebung bezeichnet werden darf — ein
Beweis, wie grofs die Hochachtung ist, die dem Gefeierten als Fach
mann weit über die Grenzen des engeren Vaterlandes hinaus gezollt
wird, und wie hoch die Verehrung, deren er sich als Mensch in den
weitesten Kreisen auch aufserhalb seines engeren Faches erfreut.
Von mehr als 3500 Unterschriften ist die Adresse bedeckt, welche
Schwedler am verflossenen Sonntag, dem Tage seines Eintritts in den
Ruhestand, von einer Abordnung unter Führung des Wirkliehen
Geheimen Raths und Ministerialdirectors, Herrn Schneider, über
reicht ward. An der Abordnung beteiligten sich als Vertreter der
verschiedenen Gebiete des Bau- und Ingenieurwesens, des Mini
steriums der öffentlichen Arbeiten, der Akademie des Bauwesens, der
Reichs- und Staata-Eisenb&hnbehöxden, der technischen Hochschulen
usw. die Herren Geh. Ober-Regierungsrath und Director der Reicbs-
druckerei Busse, Land - Baninspector Grunert, Geb. Ober-Baurath
Jungnickel, Professor Müller-Breslau, Geh. Commercienratb Schwartz-
kopff, Geh. ObeT-Baurath Siegert, Geh. Gber-Regierungsrath Streckert
und Ober-Baudireotor Wiebe.
Die von dem Führer der Abordnung überreichte und verlesene
Adresse hat folgenden Wortlaut:
Zum heutigen Tage, an welchem Sie nach einer langen,
arbeitsvollen und segensreichen Thätigkeit im Dienste des
Staates, der Wissenschaft und des Bauwesens aus dem öffent
lichen Amte scheiden, nahen sich die Vertreter Ihrer Berufs
genossen in Deutschland und über des Reiches Grenze hinaus,
soweit deutsche Arbeit und deutsche Wissenschaft reicht, um
Ihnen den Zoll freudiger Anerkennung und Dankbarkeit dar
zubringen.
Ihre hervorragenden Verdienste in allen Zweigen des
Ingenieurwesens werden in der Geschichte der Bauwissen
schaften allezeit einen hohen Ruhmesplatz einnehmen. Sind
doch Ihre wissenschaftlichen Forschungen auf diesen Gebieten
in gleichem Mafse wie Ihre zahlreichen mustergültigen Aus
führungen von Brücken, Hallen und Kuppeln bahnbrechend
gewesen nnd vorbildlich geworden. Mit der Entwicklung dieser
Zweige der Baukunst wird der Name Schwedler immerdar
eng verknüpft bleiben. Und wenn bei der Bewältigung der
stets wachsenden baulichen Aufgaben der Neuzeit neben der
praktischen auch deren wissenschaftliche Behandlung heute in
so hohem, vor einigen Jahrzehnten noch nicht geahntem Mafse
Gemeingut unserer Berufsgenossen. geworden ist, so danken
wir dies in erster Linie dem segensreichen Einflufe, den Sie in
vieljähriger Wirksamkeit durch Lehre und Schrift ausgeübt
haben.
Möge es Ihnen vergönnt sein, der reichen Erfolge Ihrer
Arbeit noch lange sich zu erfreuen und an dem weiteren Aus
bau der Gebiete, auf denen Sie bis in die jüngste Zeit grund
legend gewirkt, noch viele Jahre rüstig fortzuschaffen.
Die Adresse*) stellt sich in ihrer äufseren Gestalt als ein mäch
tiger Foliant in kunstvollem, rothbraunem Ledereinbande dar, welcher
*) Es liegt in der Absicht, die Adresse beim diesjährigen
Scbinketfeste am 13. d. M. im Architektenhause in Berlin < Wilhelm-
strafse 92/93) auszustellen, wobei auch denjenigen, welche ihre Unter
schrift bisher noch nicht haben abgeben können, die Gelegenheit
hierzu geboten sein wird.
in den Kunstwerkstätten der Reichsdruckerei unter der persönlichen
Oberleitung des Directors, Geheimen Ober-Regierungsraths Busse,
entstanden ist. Die Schauseite trägt in wirkungsvoller Umrahmung den
in Leder getriebenen, von Lorbeerzweigen durchechlungenen Namens
zug des Gefeierten und ist ringsum mit reicher eingelegter Leder
arbeit geschmückt. Im Innern zeigt sich dann zuvörderst das künst
lerische Gedenkblatt, auf welchem Land-Bauinspector Grunert mit
bekannter Meisterschaft den Gedankenkreis, der Schwedlers Geist
vor allem erfüllte, in sinniger Weise Mngezaubert hat — farbenreich
nnd schön! In der Mitte Pallas Athene (die Theorie) thronend, mit
ihrem Speer aus Eisennetzwerk Funken sprühend; zu ihren Füfsen ein
kräftiger, vulcangleicher Werkmann (die Praxis), den Niethammer
schwingend; ihr zur Seite andächtig zu ihr aufschauende Jünglings
gestalten, das Haar mit Rosen bekränzt: die akademische Jugend
und den erfindenden Bauingenieur darstellend. Umgeben ist die
Gruppe von einem Kranze duftig gezeichneter Bilder von den Haupt
werken des Meisters — drei seiner verschiedenartigen Brücken, eine
grofse Eisenhalle, eine Kuppel, ein Gasometeihaus, eine Tburmspitze,
eine Futtermauer, die Hebung des Kreuzberg-Denkmals in Berlin
nsw. —, zwischen denen die von ihm gebändigten elastischen Kräfte
des Druckes und Zuges ihr titanenhaftes Wesen treiben. Darunter
zieht sich die Widmungsschrift hin und weiter ein figurenreiches,
poesievolles Stimmungsbild mit röthlich erglühendem Abendhimmel:
den Rahm, die Freude reinen Genusses als Lohn des schönen, segens
reichen Lebenswerkes versinnbildlichend. Die Gestalt der Baukunst
nimmt hier die Mitte ein, dahinfahrend auf einem von zwei feurigem
Hippokampen gezogenen Triumphwagen. Die Rosse stellen die Ban-
weisen in Stein und Eisen dar; sie werden von einem Knaben-Wagen-
lenker gezügelt, der Schwedlers Geßichtszüge trägt.
Weiterhin folgt nun auf zwei Pergamentblättern die in schöner
Kunstschrift ausgeführte Adresse, deren Wortlaut oben mitgetheilt
ist, lind daran schliefsen sich die Unterschriften auf mehr als
200 Blättern, an der Spitze diejenige des Ministers der öffent
lichen Arbeiten, Herrn v. Maybach. Unter den folgenden 3500
Unterschriften befinden sich etwa 3000 aus ganz Deutschland
und 500 aus dem Auslande. Leider war es bei der Kürze der
Zeit nicht möglich gewesen, die Unterschriftsbogen im Auslande
so zahlreich auszulegen, wie es dem Wunsche der Veranstalter,
namentlich aber auch den vielfach laut geworden Wünschen der
zahlreichen auswärtigen Verehrer des Meisters entsprochen haben
würde; man hatte sich auf einzelne fremde Hauptstädte beschränken
müssen. Um so bemerkenswertber und erfreulicher ist die Theilnahme,
welche der Kundgebung hier allenthalben entgegengebracht worden
ist. In Oesterreich-Ungarn, in der Schweiz, in Italien, Rufsland,
England, Holland, Belgien, Schweden, in America — überall,
wo die Gelegenheit geboten ward, dem verdienten Fachmanne zu
huldigen, ist sie ifern und freudig ergriffen worden. Es verbietet sich
von selbst, aus der grofsen Zahl von Unterschriften einzelne Namen
herauszugreifen; es genüge festzustellen, dafs ans allen auswärtigen
Hauptstädten von den Ersten und Bedeutendsten ihres Faches kaum
einer fehlt. Hat sich doch auch unter den Engländern, denen viel
fach übertriebenes Selbstgefühl und mindere Achtung alles Auswär
tigen nachgeeagt wird, eine grofse Zahl der hervorragendsten Fach
männer zusammengefunden, die mit Bereitwilligkeit fremdes Verdienst
anzuerkennen geneigt war, ein vollgültiger Beweis dafür, dafs hier
wie überall, neben der Achtung für den einzelnen Mann, auch das
Wohlwollen einer hervorragenden Berufsklasse der einen Nation
gegen die der anderen seine Stätte hat und seinen beredten Aus
druck findet.
Aus Petersburg ist neben den zahlreichen Unterschriften noch
eine besondere Anerkennungs - Urkunde eingegangen, welche die
Redaction der amtlichen Fachzeitschrift des russischen Wegebau-
Ministeriums Herrn Scbwedler in Form eines künstlerisch ausge
statteten Druckblattes gewidmet hat.
Dafs dem scheidenden Meister aus Anl&fs seines Eintritts in den
Ruhestand auch die Allerhöchste Anerkennung durch Verleihung des
Charakters als Wirklicher Geheimer Ober-Baurath zu Tbeil geworden
ist, konnte an dieser Stelle bereits vor einiger Zeit mitgetheilt werden.
Mögen alle diese Beweise der Anerkennung, Werthschätzung und
Freundschaft dem Gefeierten, den wir heut mit ganz besonderem
Stolze unseren Schwedler nennen, den Lebensabend dauernd
verschönen, zugleich ihn stärken und ermuthigen, dem Fache nnd
den Wissenschaften, in denen er so viel geleistet, auch ferner seine
Dienste zu widmen!